Susanne Goga – Nachts am Askanischen Platz

Berlin 1928

Im „Cabaret des Bösen“ werden allabendlich blutrünstige Schauerstücke aufgeführt. Dann wird im Hinterhof des Sensationstheaters eine Leiche gefunden. Hat sich hier jetzt ein realer Mord ereignet? Die Identität des Toten ist unbekannt. Und auch sonst steht Kommissar Wechsler vor vielen Fragen. Ist die mysteriöse junge Russin, die am Theater gesehen wurde, in den Fall verwickelt? Und welche Rolle spielt der undurchschaubare Theaterbesitzer? (Verlagsinfo)

Inhalt und Einrücke:

Kommissar Wechsler und seine Kollegen werden zu einem Leichenfund gerufen: der Tote lag im Schuppen eines Gymnasiums und wurde durch den dortigen Hausmeister entdeckt. Würgemale am Hals lassen auf ein Kapitaldelikt schließen, doch leider können die Ermittler zunächst nicht viel mehr über den toten Mann sagen – es gibt weder Ausweispapiere noch eine passende Vermisstenanzeige. Lediglich der eher schlechte Ernährungszustand und die verschlissene Kleidung des Mannes deuten darauf hin, dass er aus ärmlichen Verhältnissen stammte.

Die ersten Ermittlungen im Umfeld der Schule gestalten sich als schwierig und personalintensiv, doch Leo Wechsler und sein Team meistern aktiv die Befragungen von Schülern und Lehrkräften des Gymnasiums. Zudem ist schnell klar, dass es sich beim Fundort nicht um den Tatort handelt, die Leiche wurde also erst nach der Tat in dem Schuppen abgelegt. Als die Kriminaltechniker einen weiteren Zugang zum Fundort entdecken, richtet sich der Fokus der Ermittler auf das dort angrenzende Grundstück: in einem unauffälligen Gebäude verbirgt sich ein kleines Theater mit besonderem Programm, das „Cabaret des Bösen“. Als hätten die Berliner durch den Krieg und die unsicheren Zeiten danach nicht schon allerhand Schrecken erlebt, wird hier mit den Ängsten der Menschen gespielt. Mord und Totschlag als abendfüllendes Programm mit täuschend echtem Bühnenbild und passenden Requisiten, abgetrennte Körperteile, viel Blut…quasi die Vorstufe zum heutigen Privatfernsehen. Ein gewisser Reiz, eine Portion Voyeurismus – der charismatische Theaterdirektor Louis Lemasque hat diese Idee offenbar sehr erfolgreich aus Paris nach Berlin mitgebracht. Große Werbung für seine Vorstellungen etwa in Form von Plakaten braucht es keine, neben einer wirkungsvollen Mund-zu-Mund-Propaganda empfehlen einige Portiers der benachbarten Hotels dieses besondere Amusement quasi „unter der Hand“ an ihre Gäste.

Als Leo den Direktor des Theaters zum ersten Mal trifft, stockt er kurz: Lemasque selber sieht geradezu furchterregend aus, da sein Gesicht durch eine Kriegsverletzung beinahe vollkommen zerstört wurde. Nur der grandiosen Arbeit von Chirurgen ist es zu verdanken, dass er wie mit einer Maske weiterleben konnte. Gemeinsam mit einem Team aus Darstellern, Bühnenbildnern und Visagisten betreibt er erfolgreich sein kleines Theater, welches nun von Wechsler und seinen Kollegen näher beleuchtet wird. Hilfreich ist aber zunächst nur die Aussage des Hausmeisters, der kürzlich eine verzweifelte junge Frau auf dem Gelände traf, die auf der Suche nach einem „Fjodor“ war. Ist sie der Schlüssel zur Lösung des Falles? Oder wenigstens zur Identität des toten Mannes? Geradezu brillante Polizeiarbeit ist bei solch dünner Ausgangslage vonnöten und Leo Wechsler ist froh, dass er sich auf sein Kernteam aus Robert Walther und Jacob Sonnenschein voll und ganz verlassen kann – jeder Kollege ist darauf erpicht, sich nach seinen Stärken in die schwierige Ermittlung miteinzubringen und schon bald gelingt es ihnen gemeinsam, etwas Licht ins Dunkel dieses Falles zu bringen. Dass ihn dieser Fall ins weit entfernte Baden-Württemberg führen würde, damit hat aber auch Leo nicht gerechnet – eine für damalige Verhältnisse wirklich nicht eben alltägliche Dienstreise.

Eine Krimiserie ist für den Leser aber auch deshalb natürlich reizvoll, weil es endlich ein „Wiedersehen“ mit längst schon liebgewonnenen Charakteren aus dem Umfeld der Hauptfigur gibt. Was wäre Hauptkommissar Leo Wechsler ohne seine zwei Kinder Georg und Marie und ohne seine überaus sympathische, zweite Ehefrau Clara? Aber weder an ihnen, noch an Wechslers Schwester Ilse oder den Angehörigen der Kollegen geht die unruhige Zeit spurlos vorbei. Politische Zersplitterung und Unruhe auf der einen Seite, glamouröses großstädtisches Nachtleben neben bitterer Armut auf der anderen Seite. Der Schauplatz Berlin findet stets sorgfältige Beachtung durch Goga, Straßennamen, Institutionen, Verkehrswege – alles ist sorgfältig recherchiert und lässt den Leser nebenbei die Stadt im Jahr 1928 erkunden. Im Anhang wird darüber hinaus ein Überblick über die im Roman auftauchenden, historischen Persönlichkeiten gegeben und für Interessierte finden sich Tipps für die weitergehende Lektüre.

Mein Fazit:

Etwa zwei Jahre hat es gedauert, bis Susanne Goga ihren Lesern diesen neuen Band präsentiert hat. Der Plot hingegen knüpft direkt an den Vorgängerroman an, führt die Hauptfigur Leo Wechsler im Jahr 1928 aber in einen ganz anderen Berliner Stadtteil und lässt ihn in vollkommen neuen Kreisen ermitteln. „Nachts am Askanischen Platz“ ist dabei für mich der bisher wohl spannendste Roman von Autorin Goga.

Eine interessante und überzeugende Geschichte gewohnt feinfühlig erzählt. Ein Plot, der, sorgsam recherchiert, ohne Fehler auskommt und eine sehr ausgewogene und unterhaltsame Kombination aus Kriminalfall und Privatleben des Ermittlers bildet. Vorbehaltlos gebe ich hier eine klare Empfehlung ab! Sie sind ein anspruchsvoller Krimileser mit Interesse an jüngerer Geschichte? Dann wird dieses Buch ganz sicher ihren Geschmack treffen!

Taschenbuch: 320 Seiten
ISBN-13: 978-3423217132

www.dtv.de

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