Sweeney Todd – Der teuflische Barbier aus der Fleet Street. (Gruselkabinett Folgen 132 + 133)

In der Raubtierzone: die Hölle der Fleet Street

London 1785: Colonel Jeffery von der königlichen Marine stellt Ermittlungen an, um seinen Kameraden Lt. Thornhill zu finden. Die Spuren führen zum Salon von Sweeney Todd in der Fleet Street. Der Barbier steht im Ruf, ein sehr brutaler Dienstherr zu sein und gilt auch ansonsten als nicht gerade zimperlich. Sein Barbier-Salon birgt ein Geheimnis, das grauenvoller ist als alles, was Col. Jeffery sich vorzustellen imstande ist… (Verlagsinfo)

Der Verlag empfiehlt das Hörspiel ab 14 Jahren.

Der Autor

Der Text entstammt dem anonymen Penny Dreadful „Sweeney Todd – A String of Pearls“ aus dem Jahr 1846. Online-Quellen nennen James Malcolm Rymer als Autor.

„The String of Pearls“ wurde erstmals 1846-7 von Edward Lloyd, dem „King of the Penny Dreadfuls“, veröffentlicht. Als eine der frühsten Detektivgeschichten wurde die Fortsetzungsgeschichte laut Wikipedia eine wichtige Quelle für Bram Stokers Roman „Dracula“. Erst nach 150 Jahren erblickte die Story 2005 in der Wordsworth Edition als Buch das Licht der Welt.

Wer war der Autor? Mehr als ein Autor? Erst in der zweiten revidierten zweiten Ausgabe identifiziert Herausgeber Dick Collins James Malcolm Rymer als Autor.

Die Sprecher/Die Inszenierung

Die Sprecher und ihre Rollen:

Thomas Balou Martin: Colonel Jeffery
Jacques Breuer: Sweeney Todd
Tom Raczko: Tobias Ragg
Matthias Lühn: Lt. Thornhill
Bodo Primus: John Oakley
Janina Sachau: Johanna Oakley
Horst Naumann: Captain Rathbone
Marc Gruppe: Mayer
Peter Weis: Hehler
Sascha von Zambelly: Dieb
Louis Friedemann Thiele: Jarvis Williams
Daniela Bette: Mrs. Lovett
Michael Che Koch: Skinner
Matthias Lühn: Apotheker
Peter Weis: Mr. Wrankley
Kathryn McMenemy: Arabella Wilmot
Dagmar von Kurmin: Mrs. Ragg
Rolf Berg: Dr. Fogg
Bruno Winzen: Mr. Watson
Kutscher: Stephan Bosenius

Die Macher

Regie führten die Produzenten Marc Gruppe und Stephan Bosenius. Marc Gruppe ist der Autor, Produzent und Regisseur der erfolgreichen Hörspielreihe GRUSELKABINETT, die von Titania Medien produziert wird. Die Aufnahmen fanden bei Titania Medien Studio und bei Make Music statt. Die Illustrationen trug Ertugrul Edirne bei.

Handlung

London im August 1785. Es ist der erste Arbeitstag für Tobias Ragg, den neuen Lehrjungen des Barbiers Sweeney Todd in der Londoner Fleet Street. Sein neuer Dienstherr hat Tobias in der Hand, denn er kennt ein belastendes Geheimnis über die Mutter des Jungen: Sie ist eine Diebin. Deshalb wagt der Junge auch nicht, seinem Dienstherrn Widerworte zu geben, selbst als dieser droht, ihm die Kehle durchzuschneiden. Mr. Todd schreckt vor nichts zurück, wird Tobias klar. Doch er hält Augen und Ohren offen.

Ein neuer Tag, ein neuer Kunde. Der Mann lässt seinen Hund draußen, setzt sich in den Stuhl, um seinen Bart einseifen zu lassen, und der Barbier beginnt zu plaudern. Kaum hat der Kunde gesagt, er trage ein Perlenhalsband bei sich, das für die Tochter des Brillenmachers Oakley bestimmt sei, da schickt Todd auch schon Tobias weg. Er solle Kekse kaufen. Und sich Zeit lassen. Aber Todd vergisst, Tobias Geld mitzugeben, so dass dieser zu früh zurückkehrt. Der Kunde ist weg, aber sein Hund, sein Hut und sein Stock noch da. Etwas stimmt nicht.

Beim Brillenmacher Oakley wartet Johanna vergeblich auf die Rückkehr ihres Verlobten Mark, der zur marine ging. Eigentlich sollte sie ein Perlenhalsband als Verlobungsgeschenk bekommen, danach wollten sie gemeinsam ihren Vater um seine Heiratserlaubnis bitten. Doch ein Traum verkündet ihr Unheil.

Die Ermittler

An Bord eines Schiffes, das im Hafen liegt, hört Captain Rathbone den Hund seines Offiziers Lt. Thornhill bellen , der an Land ging, um einen privaten Auftrag zu erledigen. Doch Hektor trägt seltsamerweise Thornhills Hut im Maul. Was hat das zu bedeuten? Er nimmt Colonel Jeffery mit auf die Suche. Hektor führt sie zu Sweeney Todds Barbiersalon. Von Thornhill keine Spur. Todd behauptet, sei inzwischen zu Oakley weitergegangen und dabei in eine Rauferei mit Ganoven geraten. Doch bei Oakley findet sich ebenfalls kein Thornhill.

Tobias Ragg kehrt mit Pasteten zurück, für die Mrs. Lovett, die nur wenige Häuser weiter ihren Laden führt, berühmt ist. Eine der Pasteten gibt er Hektor, der immer noch mit einem Hut im Maul vor der Salontür sitzt. Todd gibt zu, dass Mrs. Lovett seine Partnerin und Freundin sei, die ihm immer wieder Kunden schicke. Und wenn Tobias Schwierigkeiten mache, wisse er ja, in welche Gefahr er seine Mutter bringe.

Unterdessen setzen Rathbone und Jeffery die arme Johanna Oakley über das Schicksal ihres Verlobten und des Überbringers des verschwundenen Perlenhalsbandes in Kenntnis. Da sie einen Verdacht gegen Sweeney Todd äußern, fasst Johanna nach einem Gespräch mit ihrer besten Freundin Arabella einen verwegenen Entschluss: Sie will sich als Junge verkleiden und Todds Barbiersalon ausspionieren…

Mrs. Lovetts Pastetenbäckerei

Etwa zur gleichen Zeit betritt ein Bettler Mrs. Lovetts Laden, um sich um Arbeit zu bewerbe. Unter dem Schmutz erblickt sie einen jungen Mann, der offenbar schon bessere Tage gesehen hat. Und er weiß zu flirten. „Jarvis Williams“, so nennt er sich, bekommt von ihr eine Chance. Er darf unten in der Backstube arbeiten. Insgeheim sieht sie eine Chance, endlich den aufmüpfig gewordenen Knecht Skinner loszuwerden. Sicher wird ihr Mr. Todd tatkräftig dabei helfen…

Mein Eindruck

In einem Reigen von gruseligen Szenen führt der Weg des geraubten Perlenhalsbands durch verschiedene Stätten, die ein braver Gentleman nie im Leben von innen würde (wohl aber nach seinem Ableben). Wird das Perlenhalsband jemals seinen Bestimmungsort am Hals der schönen Verlobten Joanna Oakley finden? Alle Anzeichen sprechen dagegen, aber man soll die Hoffnung nicht aufgeben. Vielleicht finden die finsteren Gestalten dieser Gangstergeschichte die verdiente Gerechtigkeit.

Der Barbier, wir ahnen es bereits, ist nicht nur ein Mörder und ein Räuber, sondern auch ein Wiederverwerter. Man soll nichts verderben lassen, sagt er sich, und wozu all das gute Fleisch wegwerfen, das sich in seinem Keller ansammelt? In den ausgedehnten Gewölben und Katakomben unter der nahen Kirche stinkt es zwar mittlerweile gewaltig nach Verwesung, aber es gibt einen Weg, das unnütze Fleisch loszuwerden – und das mit Gewinn: In Mrs. Lovetts Backstube für Fleischpasteten besteht immer Bedarf an Nachschub.

Todd habe sie hintergangen, behauptet sie, als er ihr das Fleisch lieferte. Ach wo! Schon bald würden sie zusammen in den Sonnenuntergang segeln, und sich auf einer schnuckeligen Insel niederlassen, verspricht er ihr. Nun, da Mr. Todd wahrlich mehr der Jüngste ist, hält sie sich an jungen Kerlen schadlos. Denen zahlt sie natürlich keinen Penny für die Schufterei, sondern höchstens mal ein Almosen in Form eines Pastetchens. Wer aufmuckt, ist reif für die Abservierung. Das bekommt auch bald Jarvis Williams (nicht sein richtiger Name) zu spüren…

Auch Ragg hat aufgemuckt und sich verdächtig gemacht. Flugs landet er in einer Anstalt, wo man seinesgleichen bald zur Räson bringt, unter Peitschenhieben und auf halber Ration. Doch Ragg gibt nicht klein bei, sondern versetzt seinem Kerkermeister einen heftigen Hieb und rennt um sein Leben, bis er das Licht des Tages erblickt.

Das Wirtschaftssystem

Das Wirtschaftssystem der Unter- und Halbwelt, das diese Geschichte schildert, ist völlig unkontrolliert und wahrscheinlich noch nicht einmal den Obrigkeiten bekannt. Wäre es anders, dann würden Col. Jeffery und Captain Rathbone sowie Lt. Thornhill nicht so blindlings in die Zone größter Gefahr tappen. Im Halbdunkel von Hinterhöfen und Kaschemmen der zentral gelegenen Fleet Street treffen sich Mörder, Räuber, Huren und Mörder. Auch Hehler, die aus der sogenannten „feinen Gesellschaft“ ihre Sendboten schicken, haben hier ihre Kontakte (und so findet das Perlenhalsband seinen Weg zurück). Illustre Begriffe wie „Gerechtigkeit“ kennt man hier nicht. Denn hier regiert allein das Gesetz des Überlebens, welches vom Stärkeren und Skrupelloseren gemacht wird.

Im Haifischbecken

Nach dem Gesetz des Fressens und Gefressenwerdens ist auch Kannibalismus erlaubt. Den kann Mrs. Lovetts gewissen ganz locker mit ihrer Tätigkeit als Pastetenbäckerin vereinbaren. Diese ahnungslosen Kunden von der Fleet Street! Den kann man doch den letzten Scheiß andrehen. Doch nach dem letzten treffen mit Mr. Todd sollte sich Mrs. Lovett ein wenig in Acht nehmen: Mr. Todd mag Neider, Rivalen und Leute, die ihm Wiederworte geben, überhaupt nicht. Meist ereilt sie über kurz oder lang (meist recht kurz) ein trauriges Schicksal. Die Apotheker jeder Couleur helfen dabei gerne – solange die Bezahlung stimmt. Und Mr. Todd ist immer besonders großzügig.

Bedlam

Die Irrenanstalt ist natürlich Teil des Systems. Sie ist völlig unüberwacht und eine reine Privatangelegenheit, weit weg vom Arm des Gesetzes. Hier landen die Unerwünschten, die Unverbesserlichen – und v.a. die lästigen Zeugen. Zeugen wie der junge Tobias Ragg, dessen Mutter von Mr. Todd erpresst wird: Sie ist eine Diebin, und nur er weiß es. Deshalb kann sie ihrem Sohn nicht helfen, Mutterliebe hin oder her.

Doktor Fogg und sein Faktotum Watson sorgen dafür, dass Ragg eine Lehre erteilt wird – zumindest für ein paar Tage, denn dann ist er fällig. Was aus ihren Opfern wird, erzählt uns der Autor leider nicht, aber es darf bezweifelt werden, dass sie die Freiheit jemals wiedersehen (oder das Tageslicht). Mit Raggs Flucht unterläuft ihnen ein fataler Fehler. Ich musste sofort an Poes Erzählung „The System of Dr. Tarr and Prof. Feather“ denken. Ein Vergleich wäre indes recht schief: Bei Poe haben die Insassen die Anstalt übernommen.

Die Kirche

In den Katakomben unter der Kirche St. Dunstan’s stockt den Ermittlern der Atem: Der süßliche Verwesungsgestank raubt ihnen fast die Besinnung. Aber der Leser bzw. Hörer fragt sich, wie es eine Kirchenorganisation zulassen kann, dass ein solcher Gestank entsteht und ihre Schäflein belästigt. Entweder ist die anglikanische Kirche gleichgültig oder die Kirche ist bereits entweiht und verweltlicht worden.

Showdown

Die Zeit wird knapp: Sowohl für Joanna Oakley als auch für Col. Jeffery, der gerade in Sweeney Todds Rasierstuhl Platz genommen hat. Joanna ist mittlerweile eine lästige Zeugin und wird weggeschickt. In letzter Sekunde erhebt sich der Oberst aus dem Stuhl, der urplötzlich nach unten kippt und von seinem Gegenstück ersetzt wird. Eine geniale, um nicht zu sagen: teuflische Vorrichtung!

Höchste Zeit, die Cops zu rufen, findet der Oberst. Aber wo ist nur Joannas Verlobter abgeblieben. Wir kennen ihnen dem Namen „Jarvis Williams“ und können ihm nur wünschen, dass er mit seinem Plan, den Speiseaufzug zu benutzen, Erfolg haben und seine Verlobte wiedersehen wird. Aber dafür muss er erst einmal an Mrs. Lovett vorbeikommen, die schon seinen Vorgänger auf dem Gewissen hat…

Die Sprecher/Die Inszenierung

Die Sprecher

Die besten Rollen sind wieder einmal die der Schurken. Niemand kann so schön fies und gehässig sprechen, wie die Oberschurken in diesem Stück, Mr. Todd und Mrs. Lovett. In Tim Burtons Verfilmung werden sie Johnny Depp und Helena Bonham Carter auf sehr angemessene Weise verkörpert. (Der Film stützt sich auf die Oper, nicht die Original-Story.) Sie sind wahre Raubtiere und Ihresgleichen, und die angeblich rechtschaffenen und zivilisierten Menschen dienen ihnen nur zur Beute.

Um jedoch die Dimension der menschlichen Not dem Hörer nahezubringen, sind daher die jungen Menschen, die in ihre Klauen geraten, unerlässlich. Anders als gewisse alte Knacker wie Mr. Wrankley sind sie voller Hoffnung und mit hohem Zukunftspotential. Kurzum: Diese Gesellschaft kann es sich nicht leisten, diese Menschen zu verlieren. Und unter dem metaphysischen Aspekt der Liebe, die ja bekanntlich eine Himmelsmacht ist, wäre es ein Verbrechen gegen Gott, wenn das Eheversprechen zwischen Joanna Oakley und „Jarvis Williams“ gewalttätig zerbrochen würde.

Das Dingsymbol für dieses Eheversprechen und Unterpfand der Liebe ist das Perlenhalsband, das schon im Titel des Originals auftaucht. Ist es der binde Zufall oder göttliche Vorsehung (oder etwa der geniale Plan des Autors?), dass besagtes Halsband die Runde macht und wieder zu seinem Bestimmungsort zurückkehrt? Auf jeden Fall wirkt es in den Händen von Sweeney Todd als Beweis für seine Schuld: Er hat es ja Lt. Thornhill geraubt, der es J. Oakley bringen sollte. Ob es den Hals der jungen Heldin, die sich in die Höhle des Löwen gewagt hat, je zieren wird, sei hier nicht verraten.

Geräusche

Eine schier unglaubliche Vielfalt von Geräuschen verwöhnt das Ohr des Zuhörers. Der Eindruck einer real erlebten Szene entsteht in der Regel immer. Quietschende Barbierstühle und Türen, Kutschen, klapperndes Teegeschirr und knisterndes Kaminfeuer – all diese Samples setzt die Tonregie zur Genüge ein, um einer Szene eine Fülle von realistisch klingenden Geräuschen zu vermitteln. Zu den Samples kommen diesmal viele Tiergeräusche hinzu: Möwen, ein Hund (Hector) und Kutschpferde.

Auffallend ist die regelmäßige Abfolge von inneren und äußeren Szenen. Ständig wird die Barbierstube verlassen, um den Ermittler einen Auftritt zu gewähren. Diese männliche Welt der Räuber und Gendarmen wird nur einmal (am Anfang der 2. CD) verlassen, um Joanna Oakley im Gespräch mit ihrer besten Freundin zu zeigen. Es ist geradezu ein anderer Planet: Indischer Tee gluckert in feinstes Porzellan – hier walten Reichtum und Zivilisiertheit, kurzum: heimelige Weiblichkeit. Man kann den leichten Duft von blumigen Parfums geradezu erschnuppern.

Gleich darauf finden wir uns mit Tobias Ragg an einem alptraumhaften Ort wieder: der Irrenanstalt von Dr. Fogg. Solche Kontraste finde ich besonders reizvoll, denn sie halten die Sensoren der Empfindsamkeit auf Trab. Das wiederum sorgt für einige innere Spannung durch Beklemmung. Was mag wohl als nächstes passieren? Die Erwartung, dass jemand aus diesem tollen Stoff eine Oper machen sollte, wurde inzwischen längst erfüllt. Auf ihr basiert Tim Burtons Verfilmung.

Die Musik

Angesichts der Fülle an Geräuschen und der zahlreichen Dialoge einer großen Figurenriege ist eigentlich für musikalische Untermalung nur noch geringer Bedarf. Von Anfang ist diese Hintergrundmusik jedoch recht gruselig eingestellt, führt die Handlung den Hörer doch auch an entsprechend finstere Orte. Nur wenige Ausflüge führen weg von der Hölle der Fleet Street: eine Szene auf einem Segelschiff Seiner Majestät – und die besagte Frauenszene, die von idyllischer Romantik nur so trieft.

Das Booklet

Das Titelmotiv der 1. CD zeigt die Szene, in der der Barbier (mal wieder) sein Rasiermesser zückt. Das Titelbild zur zweiten CD zeigt, was für köstliche Kuchen Mrs. Lovett backen kann…

Im Booklet sind die Titel des GRUSELKABINETTS bis zum Herbst 2018 verzeichnet. Die letzte Seite zählt sämtliche Mitwirkenden auf.

Ab 31. August 2018

Nr. 138: Lovecraft: Die Ratten in den Wänden
Nr. 139: Poe: Der Rabe
Nr. 140: M. R. James: Runenzauber
Nr. 141: Julian Osgood Field: Der Judas-Kuss
Nr. 142: Rudyard Kipling: Das Zeichen der Bestie
Nr. 143: Grant Allen: Der Wolverden-Turm

Unterm Strich

Dies ist kein Sherlock-Holmes-Abenteuer. Zwar kommt ein Mr. Watson vor, aber der ist einer von den Bösen. Auch ein Ermittler-Duo tritt auf, stellt sich aber reichlich inkompetent an. Von Meisterdetektiv also kein Spur. Vielmehr dienen die Ermittler nur dazu, den Hörer an das Reich des Bösen heranzuführen: verschwundene Männer, herrenlose Hüte, winselnde Hunde und Leichengeruch unter einer Kirche? Das weist auf echten Horror hin.

Aber es gibt auch vier junge Abenteurer, die es mit dem Reich des Bösen zu tun bekommen. Lt. Thornhill und Tobias Ragg scheitern an Mr. Todd, Joanna Oakley gerät in die Bredouille und Jarvis Williams wird ums Haar das Opfer von Mrs. Lovett. Wir müssen ihnen nach Möglichkeit die Daumen drücken und hoffen, dass sie dem Bösen nicht verfallen, sondern der Arm der Gesetzes – welcher Arm, bitteschön? – sie rechtzeitig erreicht.

Die Bösen sind so erfolgreich, dass sie bereits ihren Ruhestand vorbereiten. Wir lernen: Verbrechen zahlt sich aus. Je skrupelloser der Schurke ist, desto erfolgreicher. So etwas wie Aufsicht, Überwachung oder gar Kontrolle existiert nicht. Die Fleet Street, unweit des Piccadilly Circus gelegen, ist keinen Deut besser als die Elendsviertel von Whitechapel, wo Jack the Ripper sein Unwesen trieb, oder dem East End (wohin es einmal auch Sherlock Holmes verschlägt).

Darf dies ein Dauerzustand bleiben, scheint der Autor des Schauerstücks den Leser bzw. Hörer zu fragen. Nein, lautet hoffentlich die Antwort. Aber es wird sehr knapp, wenn es um die Rettung der drei jungen Helden und die Festnahme der beiden Superschurken geht. Für Mrs. Lovett hat der Autor sogar noch eine hübsch sarkastische Überraschung aufgehoben.

Das Hörspiel

Eine so große Riege an Sprechern findet man nicht häufig im Gruselkabinett. Zunächst scheinen die Rollen begrenzt zu sein, doch im zweiten Teil kommen immer weitere hinzu. Man sollte also den Überblick behalten. Das Stück entwickelt sich rasch und sehr dynamisch. Für Verschnaufpausen ist nur wenig Zeit, so etwa in Arabellas Boudoir, wo Joanna beschließt, die Räuberbraut zu spielen und sich als Junge zu verkleiden.

Mir hat das Spiel der Wechsel zwischen Außen- und Innenszenen ebenso gut gefallen wie der Wechsel zwischen den Schurken- und den Ermittlerszenen. Letztere suchen die Wahrheit, stoßen aber vorher nur auf verwirrende Hinweise wie etwa Leichengeruch unter einer Kirche. Einen Eindruck von der Vorhölle vermittelt die Backstube von Mrs. Lovett, wo Jarvis Williams als Lohnsklave zu enden droht. Hier brennt die Luft buchstäblich, und die Entdeckungen, die er macht, sind nichts für schwache Mägen. Die Geräuschkulisse sorgt für entsprechend realistisches Ambiente.

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und bekannte Stimmen von Synchronsprechern und Theaterschauspielern einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen.

Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für spannende Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert, und die Stimmen von Hollywoodstars vermitteln das richtige Kino-Feeling. Die Vielzahl der Figuren könnte einen gewissen Anspruch an das merkvermögen junger Hörer stellen, aber sie können ja jederzeit die Rollenliste des Booklets zu Rate ziehen.

Hörspiel: 127 Minuten (auf Doppel-CD)
Originaltitel: Sweeney Todd – A String of pearls. A Romance, 1846.
ISBN-13: 9783785756249

www.Titania-Medien.de

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)