Sydney J. van Scyoc – Salzblume

SF-Jugendkrimi um einen weiblichen Alien-Mischling

1979: Drei Sternenschiffe tauchen über der Großen Salzsee-Wüste auf, verharren für eine Weile und lösen sich in Nichts auf. Augenzeugen beschwören, eines der Metallmonster habe die Salzkruste mit glitzernden Kristallen übersät.

2024: Hadley Greer, das Mädchen mit den Quecksilberaugen und dem metallisch schimmernden Haar, sieht in ihren Träumen verwirrende Bilder einer anderen Welt. In der Wüstenkolonie am Großen Salzsee begegnet sie Jacob, der, wie sie, das Erbe einer fremden Rasse in sich trägt.

Sie fühlen sich zueinander hingezogen. Doch dann überschatten rätselhafte Todesfälle die fromme Glaubensgemeinde um Dr. Braith, und Spezialagenten des Geheimdienstes umzingeln die Zeltstadt. Hadley ahnt schreckliches Unheil… (Verlagsinfo)

Die Autorin

Sydney Joyce Van Scyoc (geboren am 27. Juli 1939 in Mount Vernon, Indiana) ist eine amerikanische Science-Fiction-Autorin. Nach dem Abschluss der High School heiratete sie 1957 den US-Air-Force-Offizier Jim R. Van Scyoc, mit dem sie zwei Kinder hat. Sie besuchte College-Kurse an der Florida State University in Tallahassee, an der University of Hawaii in Honolulu, am Chabot College und an der California State University in Hayward, Kalifornien. Sie war von 1975 bis 1977 Sekretärin und von 1977 bis 1979 Vorsitzende der Starr King Unitarian Church in Hayward.

Seit 1962 ist sie hauptberufliche Schriftstellerin. 1962 veröffentlichte sie im Magazin „Galaxy“ ihre erste Kurzgeschichte „Shatter the Wall“. Während der 1960er schrieb sie kontinuierlich weitere Kurzgeschichten. Erst 1971 erschien ihr erster Roman „Salzblume“. Bis 1992 erschienen weitere Romane. In diesem Jahr beendete sie ihre schriftstellerische Karriere und begann Schmuck zu entwerfen und zu vertreiben. Inzwischen ist sie im Ruhestand, betätigt sich als Hobbygärtnerin und hat wieder begonnen, Science-Fiction zu schreiben. Laut Dani Zweig, einem Buchkritiker, sind das Erwachsenwerden und menschliche Evolution zentrale Themen ihrer Geschichten. (Quelle: Wikipedia) Ich würde noch Ökologie hinzufügen.

Romane

1) Salzblume (1971, dt. 1987, Heyne )
2) Auftrag Nor’Dyren (dt. 1990, Heyne)

Daughters of the Sunstone-Trilogie (Heyne):

3) Kind der Dunkelheit (1982)
4) Das blaue Lied (1983)
5) Sternenseide (1984)

6) Starmother (1976)
7) Cloudcry (1977)
8) Sunwaifs (1981) (Dt. „Vergessen unter fremder Sonne“. Knaur Science Fiction & Fantasy 1984, ISBN 3-426-05782-4.
9) Drowntide (1987)
10) Feather Stroke (1989)
11) Deepwater Dreams (1991)

Handlung

1979 tauchen drei riesige Sternenschiffe über der Großen Salzsee-Wüste auf, verharren für eine Weile und lösen sich in Nichts auf. Sie hinterlassen nicht nur Chaos unter den Amerikanern. Augenzeugen beschwören, eines der Metallmonster habe die Salzkruste mit glitzernden Kristallen übersät. Aber von den kristallen ist nichts zu finden, bis…

2006: Marley Greer ist die geduldige Frau eines Geologen. Der untersucht mal wieder die weiße Wüste des Großen Salzsees. Sie erinnert sich, dass hier vor 150 Jahren der zum Untergang verdammte Donner-Reed-Treck durchkam und dann in der Sierra Nevada in verhängnisvolle Schneestürme geriet.

Marley entdeckt einen großen weißen Kristall und hebt ihn vor ihre Augen. Soll sie diesen Fund ihrem Göttergatten melden? Sie zögert. Da löst sich der Kristall auf und hinterlässt ein schwarzes Samenkorn. Sie schluckt es hinunter und siehe da: Stunden später kann sie ihrem Mann staunend verkünden, dass sie schwanger sei.

14. Juni 2024: Hadley Greer, Marleys 17-jährige Tochter mit den Quecksilberaugen und dem metallisch schimmernden Haar, steht vor dem Problem zweier Entdeckungen. Erstens, dass Richard Brecker ihr wahrscheinlich gleich einen Antrag machen wird – und dass er sie auf Schritt und Tritt überwacht.

Das dritte Phänomen, das sie plagt, nimmt sie – noch – nicht als Problem wahr: Sie sieht in ihren Träumen verwirrende Bilder einer anderen Welt. Dort sind die Leute so wie sie selbst: silbrig in Auge und Haar. Vor Richard nimmt sie empört und angstvoll Reißaus. Auf ihrem vollautomatisierten Zimmer erhält sie nicht nur Anrufe von Richard und ihrer Mutter, sondern auch die Nachricht von der Sekte, die draußen in der Salzwüste unter der Leitung von Dr. Braith eine kleine Zeltstadt errichtet hat. Dort wartet jemand auf sie, jemand, der genauso ist wie sie…

Die Neue Kolonie der Reinheit

In der Wüstenkolonie der Sekte begegnet sie Dr. Braiths Assistent Jacob Pastner, der, wie sie, das Erbe einer fremden Rasse in sich trägt. Er lebt mit einer jungen, sofort eifersüchtigen Frau und sechs silberäugigen Kindern zusammen. Der Junge Toran führt Hadley in ihr Zelt, wo sie erschöpft von der Reise auf eine Pritsche sinkt.

Am Abend wird sie zu einer Willkommenszeremonie eingeladen. Zwei ältere Frauen namens Clarra McCulla und Maudred Wassick begrüßen sie. Hadley erscheinen sie unangemessen neugierig. Jacob scheint ihr aus dem Weg zu gehen. Hat er etwa Angst vor ihr? Ihre Visionen von der anderen, der weißen Welt werden stärker.

Am nächsten Tag entdeckt sie, dass Richard Brecker ihr gefolgt ist. Endlich gibt er sich als das zu erkennen, was er ist: ein Spezialagent des Geheimdienstes, ein SAG. Schockiert vernimmt sie, was er zu berichten hat. Es habe bereits zwei Dutzend Morde in der Umgebung der Zeltkolonie gegeben, darunter sechs seiner Spezialagenten. Es bedarf keiner Worte, dass er sich um Hadley Sorgen macht. Aber er bleibt wenigstens sachlich.

Visionen und Opfer

Am nächsten Tag erlebt Hadley in der Wüste eine lange Session von Visionen. Sie besteht nun aus zwei Persönlichkeiten, eine menschlich, eine Alien. Die weiße Stadt, die von den Raumschiffen überragt wird, ist erst still und bevölkert, dann aber leer, tot und verlassen. Nur Hadleys Geist durchstreift auf seiner Reise die hohen, stolzen Gebäude. In einer Bibliothek voller Schriftrollen angekommen, bedauert sie, dass sie die Zeichen nicht lesen kann.

Am Abend berichtet Richard eine grauenhafte Entdeckung: Seine beiden Agentinnen Clarra McCulla und Maudred Wassick sind in der Wüste erstochen worden. Er hat es nicht geschafft, die Leichen in die Siedlung zu transportieren. Aber er hat ein umfangreiches Team von Spezialisten und Agenten angefordert, die bald die Siedlung abriegeln würden.

Kaum ist der elektronische Schutzzaun um die Zeltstadt errichtet, findet Hadley einen Weg, hindurchzuschlüpfen und sich mit Jacob und seinen Schützlingen zu treffen. Sie ruft erneut eine Vision der weißen Welt herbei und wird so Zeugin einer Ratsversammlung. Deutlich kann sie nun erfassen, worum es geht: „Aussterben“. Deshalb haben die Aliens ihre Welt verlassen und die Erde mit Samen übersät. Nur Jacobs Schützling Teka ist in der Lage, das Gesprochene zu verstehen. Doch sie weigert sich, es zur Kenntnis zu nehmen, sich damit auseinanderzusetzen – und flüchtet in die Wüste. Der Anteil der Fremden an ihrer Persönlichkeit wird dominant, so dass sie immer mehr zur Alien wird. Im Finale erscheint sie als große, weiße Göttin – mit einem Auftrag…

Wenige Tage später verkündet Sektenführer Dr. Braith, dass die Sternenschiffe 27 „Aufgenommene“ fordern. 26 Opfer gibt es bereits, weiß Hadley von Richard. Sie ahnt nicht, dass Dr. Braith sie selbst als Nummer 27 auserkoren hat…

Mein Eindruck

Wie ihre Biografie zeigt, kennt sich die Autorin mit den Charakteristika und Begleiterscheinungen einer religiösen Bewegung aus. Sie wurde zwar erst vier Jahre NACH der Veröffentlichung dieses Romans Sekretärin und anschließend Vorsitzende der Starr King Unitarian Church, aber zuvor musste sie ja erst einmal Mitglied der Kirche sein. Ihr Alter Ego im Roman ist die 17 Jahre junge Hadley Greer, die den Vorgängen innerhalb der Zeltstadt der Sekte scheu und ausweichend gegenübersteht.

Diese Passivität muss der Leser akzeptieren, denn nur so funktioniert die Handlung. Der Mensch in Hadley ist völlig passiv, insbesondere gegenüber Männern, doch der Alien in Hadley ist aktiv, weil völlig triebgesteuert. Die Alienfrau in ihr folgt einem biologischen Programm, das jeden freien Willen und jede vernünftige Überlegung ausschaltet, wenn es darauf ankommt. Dieser Trieb lässt Hadley leider wie ein Tier erscheinen. Glücklicherweise ist nur äußerst selten der Fall.

Der Ernstfall ist die Empfängnis eines Samenkorns (siehe Marley oben), das von einem Alien-Mann gespendet wird. Hadley hofft unbewusst die ganze Zeit, dass ihr Jacob solch ein attraktives Angebot macht. Doch sie hat nicht damit gerechnet, dass ihr die ebenbürtige Teka in dieser Hinsicht einen Schritt voraus ist. Im Finale kommt es nicht nur zu dem oben angedeuteten Mordanschlag auf Hadley, sondern zu dem Duell der beiden Alienfrauen. Da haben die Schäfchen der Sekte ganz schön was zu staunen.

Sektenführer Dr. Braith verspricht die Wiederkehr der Sternenschiffe, als handle es sich um die Rückkehr des Messias, also „the Second Coming“. Das ist für gläubige, fundamentalistische Christen eine ernste Sache, denn dabei kann ihnen die sogenannte „Verzückung“ widerfahren: Die Seele fährt aus dem Körper direkt in den Himmel, und nur Gott weiß, was mit dem Körper passiert, etwa während einer Autofahrt auf dem Highway…

„The Second Coming“ ist ein so großes Ereignis und so voll prophezeiter Glorie, dass ein Sektenführer wie Dr. Braith offenbar bereit ist, alles zu tun, damit seine eigenen Prophezeiungen wahr werden, das heißt: Er würde dafür auch töten. Das religiöse Großereignis ist also mit einem mörderischen Kriminalfall eng verknüpft. Um diesen kümmert sich Richard, und er berichtet Hadley von seinen Erkenntnissen.

Die Autorin hat es für angemessener gehalten, den Krimi in den Hintergrund zu stellen und Hadleys Erkenntnisprozess ihrer Identität und ihrer Bestimmung in den Vordergrund zu platzieren. Der Grund ist einfach: Damit die Handlung den – vorzugsweise weiblichen – Leser auf emotionaler Ebene berührt, muss er Anteil an Hadleys Entwicklung und Schicksal nehmen.

Hadley ist eigentlich klinisch schizophren, aber das gibt sie vor sich nicht zu: Für ihren jungen Verstand sind beide Welten ebenbürtig, die eigene und die fremde. Es ist günstig für sie, dass ihr Zustand in einer Sekte völlig normal erscheint. Die Verzückung? Ganz einfach: Hadley ist auf dem Trip ihres Alien-Bewusstseins. Diese Visionen, so könnte man kritisieren, sind chronologisch unsortiert und kommen völlig willkürlich daher. Hadley kann Richard sogar mitnehmen, denn die andere Welt ist nur eine Parallelwelt – quasi nur ein oder zwei Schritte entfernt. In der surrealen Umgebung der Salzwüste erscheint so ziemlich alles möglich.

Die Übersetzung

Die Sätze sind denkbar einfach konstruiert, so dass sie der Übersetzerin keine Schwierigkeiten boten. Aber der Teufel steckt im Detail, und so kam es zu diversen Fehlern.

S. 68: „ließ sich (…) nach [oben] und nach unten tragen.“ Hier fehlt ein Wort, und es erscheint plausibel, dass es das Gegenteil von „unten“ ausdrückt, also „oben“.

S. 123: „Roboter-Sphalanx“. Gemeint ist die „Phalanx“, ursprünglich die makedonische Kampfformation.

S. 203: „D[a]s gilt für Modell 1…“ Das A fehlt.

S. 225: „Tanganjika“ war bis ca. 1960 eine britische Kolonie in Ostafrika. Dass sie bis 2024 immer noch diesen Namen trägt, ist extrem unwahrscheinlich, denn gleich nach der Unabhängigkeit benannte sich das Land in „Tansania“ um. Aber den Tanganjika-See gibt es immer noch unter diesem Namen.

S. 239: „Ehe Hadley an Bord kletterte, dehnte sich noch einmal ihre Sicht über die Wüste aus.“ Bislang war das Weiten der Sicht immer ein Willensakt, jetzt soll er es auf einmal nicht mehr sein? Plausibler wäre also „sie“ statt „sich“.

Unterm Strich

Der Roman um eine Frau, die ein Alienmischling ist, wirkt wie eine Fingerübung für eine größere Arbeit, etwa eine Trilogie. Die hat die damals (1971) nur 32 Jahre alte Autorin später mit der „Daughters of the Sunstone“-Trilogie 1982 bis 1984 veröffentlicht. Im Debütroman wirken die Charaktere, mit Ausnahme der Hauptfigur, austauschbar und unfertig. Die Hauptfigur ist teils passiv, teils aktiv, also eindeutig schizophren – und das macht sie so interessant. Mich erinnerte sie an Aleytys in den SF-Romanzen („Diadem von den Sternen“ usw.) von Jo Clayton. Aleytys sucht ihre Alienmutter und findet sie auf der Welt der Vryhh.

Von der Gesellschaft ringsum, die ins Jahr 2024 (das ist in nur fünf Jahren!) verlegt wird, erfährt der Leser nur rudimentäre Reflexionen, so etwa die allgegenwärtige, aber dennoch eingeschränkte Überwachung, die auf das Konto der politischen „Ultras“ geht, die wie die Republikaner klingen. Die Allgegenwart von Robotern und von mit dem „dritten Auge“ ausgestatteten Touristen und Reportern – das wirkt heute alles völlig vertraut. Insofern ist dieser Zukunftsentwurf bereits von gestern. Von Genmanipulation, KI usw. liest man nichts, ja, selbst die Anderwelt ist technologisch nur hinsichtlich der Antischwerkraft etwas weiter als wir heute.

Etwas lustiger sind gewisse Leute, die in der Sektenstadt eintreffen. Da sind zunächst schrullige und schräge Leute in fortgeschrittenem Alter. Sie fallen in aufregenden Momenten gerne mal in Ohnmacht. Dann gibt es noch die Konzernbosse, die sich sorgen, dass die Weltöffentlichkeit einen falschen Eindruck von der Zuverlässigkeit ihrer Roboter erhalten könnte. Diese Hilflosigkeit der Bosse ist recht ironisch. Das erinnerte mich an die Landung des Galaktischen Imperators Shaddam auf einem klitzekleinen und nahezu unbedeutenden Wüstenplaneten namens Arrakis…

Wer also keine allzu hohen Ansprüche an einen SF-Jugendroman stellt, der findet in „Salzblume“ kurzweilige Lektüre, die sich in wenigen Stunden bewältigen lässt. Schade um die fehlenden Wörter und Buchstaben.

Taschenbuch: 240 Seiten
Originaltitel: Saltflower, 1971
Aus dem Englischen von Birgit Reß-Bohusch
ISBN-13: 9783453004672

www.heyne.de

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