Sylvia Englert – Das dunkle Wort

Rhi hat ein erfrischendes Bad im Fluß genommen, aber als sie sich gerade wieder anziehen will, um ins Dorf zurückzukehren, bemerkt sie zwei seltsame, fremde Männer, die einen verdächtigen Gegenstand ins Wasser werfen. Die beiden lösen ein beänstigendes, alarmierendes Gefühl in ihr aus. Rhi beschließt, dass diese Beobachtung irgendjemandem gemeldet werden muss. Doch das ist leichter gesagt als getan!

Terwyn del Cresta war einst oberster Magus des Regenten von Skaidar, doch das tragische Ergebnis eines mißglückten magischen Experiments hat ihn zum Einsiedler gemacht. Zumindest, bis eines Tages sein ehemaliger Schüler Roán auftaucht, um ihm mitzuteilen, dass Skaidar angegriffen wird … auf magische Weise, und niemand weiß, wie man diese Magie bekämpfen kann!

Um es gleich vorweg zu sagen, mir hat das Buch gut gefallen.

Rhi ist eine sehr sympathische Zeitgenossin. Sie ist intelligent, pragmatisch und nimmt kein Blatt vor den Mund. Kämpfen kann sie zwar nicht, aber sie ist mutig und zäh. Auch wenn sie in ernsten Schwierigkeiten steckt, hält sie sich nicht damit auf zu jammern, sondern konzentriert sich darauf, eine Lösung zu finden.

Terwyn kommt quasi zweimal vor, einmal in Rückblenden aus seiner Zeit als oberster Magus, und einmal im eigentlichen Handlungsstrang. Der erste Terwyn war ein ziemlich ehrgeiziger Mann mit einem ausgeprägten Forscherdrang, aber auch ein liebevoller Ehemann und guter Freund. Der zweite Terwyn muß erst mal aus seinem Selbstmitleid ausgegraben werden, stellt sich dann aber als immer noch guter Freund heraus, jetzt allerdings ohne persönlichen Ehrgeiz.

Ich fand die Charakterzeichnung wirklich sehr gelungen. Obwohl die Autorin nicht übermäßig ins Detail ging, wirkten alle Figuren, auch die Nebenfiguren, sehr lebendig und glaubwürdig.

Das Setting wiederum war mal etwas völlig anderes. Eigentlich ist es lediglich grob umrissen, es gibt weder eine Karte, aus der man die Lage der erwähnten Nachbarländer oder auch nur der verschiedenen Orte in Skaidar erkennen könnte, noch spielt die ferne Vergangenheit irgendeine Rolle. Auch die Frage, wie Magie hier funktioniert, ist nur vage skizziert.
Aber die Ideen waren frisch und unverbraucht und sehr pittoresk. Zwar hätte ich gern genauer gewußt, warum zum Beispiel die Orchideen für Skaidar so wichtig sind, dass das Pflücken wilder Blüten als Staatsverbrechen gilt, oder was es mit dem Kristalldolch auf sich hat, aber auch ohne genauere Details wirkte die Darstellung durch den Kontrast zwischen blühendem Dschungel und zu Kristall erstarrter Einöde sehr plastisch.

Der Plot zeichnete sich durch eine angenehme Unvorhersehbarkeit aus. Tatsächlich wurde erst beim Showdown deutlich, wie und warum es zu dem Angriff auf Skaidar kam, und wer wirklich dahintersteckte. Und obwohl das Buch kaum Action bietet – Rhi wird einmal gefangengenommen, und der erste Angriff auf den wachsenden Kristall bietet etwas mehr Turbulenz – wird es durch andere Aspekte wie den Diebstahl von Terwyns Manuskript trotzdem zunehmend spannend. Der Krieg spielt dagegen eine erstaunlich untergeordnete Rolle, Schlachten und Schwertkampf kommen überhaupt nicht vor. Der Kampf gegen den Gegner spielt sich fast ausschließlich auf magischer Ebene ab, was mich kein bißchen gestört hat.

Der einzige Makel war die Sache mit dem Kristalldolch.

——– Vorsicht Spoiler —————–

Mir hat sich der Zusammenhang zwischen dem Dolch und dem Wachstum des Kristalls nicht ganz erschlossen, denn am Anfang der Geschichte wird erklärt, das Wachstum hätte begonnen, nachdem die Gesandte einen Kristall im Palast hatte zu Boden fallen lassen. Ich hätte erwartet, dass es nötig sein würde, diesen Kristall irgendwie zu bergen oder zu entkräften, um den Zauber zu brechen. Warum der Dolch, der zu einem ganz anderen Zeitpunkt und an einem ganz anderen Ort zurückgelassen wurde, damit etwas zu tun haben sollte, wird nirgends erklärt. Aber wenn es diesen Zusammenhang schon gibt, dann kann ich nicht ganz nachvollziehen, warum dieser Dolch eine so völlig andere Wirkung auf denjenigen hat, der ihn berührt, als der wachsende Kristall.

——— Spoiler Ende ————-

Unterm Strich fand ich das Buch, wie schon gesagt, wirklich gut. Ein paar mehr Details und Zusammenhänge wären nett gewesen, von der Sache mit dem Kristalldolch abgesehen aber nicht zwingend notwendig. Insgesamt war es eine unterhaltsame und spannende Geschichte in einer äußerst malerischen Umgebung und mit Figuren, die man gerne noch durch weitere Abenteuer begleiten würde. Das Ende würde eine Fortsetzung problemlos hergeben, vielleicht erfährt der Leser dann noch etwas mehr über den geheimnisvollen Kristall. Ich persönlich wäre da durchaus neugierig.

Sylvia Englert studierte Amerikanistik, Anglistik und Germanistik und war zunächst als freie Journalistin und Sachbuchautorin tätig, ehe sie ihr Tätigkeitsfeld auf Kinderbücher und Romane ausweitete. Sie schreibt auch unter den Pseudonymen Katja Brandis und Siri Lindberg.

Taschenbuch 400 Seiten
ISBN-13: 978-3-426-52107-6

http://www.sylvia-englert.de/index.html
http://www.droemer-knaur.de/home/

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