Der bekannte ungarische Literaturprofessor Antal Szerb feiert zur Zeit international seine Wiederentdeckung. Nachdem mit Erfolg seine beiden Romane „Die Pendragon-Legende“ und „Reise im Mondlicht“ wieder aufgelegt worden sind, veröffentlicht der |dtv| nun Szerbs Geschichtszeugnis „Das Halsband der Königin“, in welchem der Autor seinen Lesern in eigenen Worten die damalige [Affäre]http://de.wikipedia.org/wiki/Halsbandaff%C3%A4re mitsamt seinen Protagonisten vorstellt.
Zunächst spricht uns Antal Szerb persönlich an und teilt uns seine Absichten mit, er möchte mit seinem Buch nämlich nicht allein die inzwischen geklärte Skandalgeschichte um das berühmte Kollier erzählen, sondern diese nur als Ausgangspunkt nehmen, um uns mehr zu berichten vom damaligen Leben kurz vor der Französischen Revolution. So passt es auch wunderbar ins Bild, dass sich Szerb zunächst ausführlich den Hauptfiguren der zu erzählenden Geschichte widmet. In langen Kapiteln stellt er uns den Kardinal Rohan vor, der am Ende eine wenig glückliche Figur in der Affäre abgeben wird, aber auch die Hochstaplerin Jeanne de Valois erhält genug Raum, damit sich ihre Handlungsweise und ihr Charakter für uns erschließen. Selbst der zwielichtige Magier [Cagliostro]http://de.wikipedia.org/wiki/Alessandro__Cagliostro wird uns von Antal Szerb präsentiert, obwohl er in der eigentlichen Angelegenheit nur am Rande eine Rolle spielt.
Natürlich vergisst Szerb auch nicht, sich umfassend der französischen Königin [Marie Antoinette]http://de.wikipedia.org/wiki/Marie__Antoinette zu widmen, die im Volk nicht sonderlich beliebt war, allein schon, weil sie in Österreich geboren wurde. Die Halsbandaffäre schließlich brachte sie noch mehr in Verruf, da damals nicht genau geklärt werden konnte, ob sie wirklich nur das unwissende Opfer war, oder ob sie diesen Vorfall selbst inszeniert hat, um Kardinal Rohan in Misskredit zu bringen und in die Bastille sperren zu lassen. Im vorliegenden Buch wird uns Marie Antoinette als Modekönigin geschildert, die sich aber auch leidenschaftlich für Theater und Opernbälle erwärmen konnte, sie war laut Szerb darüber hinaus eine spöttische und kritische Königin mit einem destruktiven Geist.
Nach einer sehr umfassenden Präsentation der Hauptcharaktere, die schon ein wunderbar farbenfrohes Bild der damaligen Zeit entwirft, widmet sich Antal Szerb der eigentlichen Halsbandaffäre, die ihren Lauf nimmt, als die beiden Juweliere Boehmer und Bassenge das besagte Kollier nicht verkaufen können. Auch Marie Antoinette lehnt den Kauf ab, weil ihr der Preis zu hoch erscheint. Einige Zeit später ersinnt Jeanne de Valois ihre Intrige und redet Kardinal Rohan ein, die Königin wolle durch seine Vermittlung das Kollier heimlich erwerben. Stattdessen behält Jeanne es selbst, zerlegt es in seine Einzelteile und verkauft die Steine mit Hilfe ihres Mannes, um von dem dadurch gewonnenen Reichtum in Saus und Braus zu leben.
Als der Skandal auffliegt, werden einige hochrangige Persönlichkeiten in die Bastille gebracht. Der darauf folgende Prozess erregt großes allgemeines Interesse in der Bevölkerung und macht nochmals deutlich, wie sehr die Franzosen ihre Königin verachtet haben.
Gut recherchiert und von offenkundiger eigener Faszination motiviert, erzählt uns Antal Szerb von der Halsbandaffäre, die für ihn Sinnbild der Zeit kurz vor der Französischen Revolution ist. Er nimmt diesen Skandal als Aufhänger für seine Erzählung, hat aber darüber hinaus noch so viel mehr zu berichten. So nutzt Antal Szerb die Gelegenheit, um uns vor allem die Hauptcharaktere so ausführlich vorzustellen, dass sie uns fast wie lebendige Menschen vor Augen stehen. Viele ihrer Eigenarten erfahren wir und auch Dinge und Handlungen, die sie ausgezeichnet und berühmt gemacht haben. In diesen Vorstellungen werden auch bereits Lesersympathien verteilt, obwohl der Autor sich bemüht, alle Figuren möglichst neutral zu charakterisieren. Dennoch wird schnell deutlich, dass die geldgierige Jeanne de Valois zwar gerissen und schlau war, aber auch verlogen und hinterhältig. Am Ende steht sie als die Hauptschuldige da, was historisch durchaus auch erwiesen ist.
Zunächst empfand ich diese lange Vorstellung der wichtigen Personen als unnötig und anstrengend, da Szerb mir zu viel Zeit brauchte, um zum Punkt zu kommen. Am Ende muss aber auch ein skeptischer Leser wie ich einsehen, dass dies mehr als beabsichtigt ist und notwendig erscheint, wenn man ein derart ausführliches und umfassendes Bild des ausklingenden 18. Jahrhunderts entwerfen will. Erst auf der Hälfte des Buches widmet der Autor sich der eigentlichen Affäre, und auch diese Erzählung unterbricht er, um weitere Figuren auf den Plan zu bringen. Doch obwohl es über weite Strecken eigentlich nicht um das Kollier geht, geschehen so viele Dinge, dass Szerbs Bericht nicht langweilig wird. Zudem bemüht der Autor sich, uns die Fakten und Ereignisse so einfach wie möglich zu schildern, auch wenn dies angesichts der Fülle von Informationen nicht immer gelingen kann. Historisch weniger bewanderte Leser werden ihre Schwierigkeiten haben, die Übersicht zu behalten, da Szerb viele Fakten, Personen und Episoden nennt, doch lernen wir hierbei ganz nebenbei auf unterhaltsame Weise etwas über französische Geschichte.
„Das Halsband der Königin“ ist ein Abbild der Zeit Ludwig des XVI. Szerb bringt uns das damalige Hofzeremoniell, die Sitten und Gepflogenheiten näher, er berichtet umfangreich von den handelnden Personen, sodass sie im Laufe der Geschichte immer plastischer werden und sich in das Gesamtbild einfügen. Er nimmt sich Zeit, um etwas über Musik und Kunst zu erzählen und sorgt auf diese Weise dafür, dass wir das Gefühl bekommen, als wären wir mittendrin in der Halsbandaffäre und würden Kardinal Rohan und Jeanne de Valois auf ihrem Weg begleiten. Dieses Buch ist kein Roman im eigentlichen Sinne, da Szerb sich auf die bekannten Fakten stützt und es hierbei belässt, er dichtet keine eigene Geschichte um die früheren Geschehnisse herum. Dies führt dazu, dass sich „Das Halsband der Königin“ nicht so leicht lesen lässt wie beispielsweise Szerbs Erfolgsromane, auch finden wir keine wörtliche Rede, da es sich lediglich um eine Nacherzählung handelt. Für historisch interessierte Leser gibt es in diesem kleinen Werk allerdings viel zu entdecken. Ich bin mir sicher, dass man auch bei mehrfachem Lesen immer neue Informationen aufsammeln kann, wenn man sich auf Szerbs Erzählweise einlässt und sich von ihm in die Zeit der Halsbandaffäre entführen lässt.
Weitere Rezensionen zu Antal Szerbs Werken bei |Buchwurm.info|:
[„Die Pendragon-Legende“ 955
[„Reise im Mondlicht“ 1292