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Wolfgang und Heike Hohlbein – Anders 2: Im dunklen Land (Lesung)

Nachdem Anders‘ und Kats Flucht über die Berge ihr jähes Ende vor einer unüberwindlichen Betonmauer fand, wurden sie endlich doch noch von dem sie verfolgenden Elder eingeholt. Kat liegt in tiefer Bewusstlosigkeit, doch Anders muss sich dem Krieger stellen. Doch was sich unter dem schweinsgesichtigen Helm verbirg ist nicht etwa die erwartete pervertierte Mutation eines Schweines, sondern ein Wesen mit edlen Gesichtszügen und – Anders glaubt es kaum – spitzen Ohren.

Der Elder und seine Familie nehmen Anders (der weiterhin etwas Besonderes in diesem unbegreiflichen Land zu sein scheint) und – widerstrebend – auch Kat auf und bringen sie nach Tiernan, der Stadt der Elder, wo sie sich „Oberons Rat“, dem Triumvirat der Elder, stellen müssen. Kats Herkunft und Eigenart als sogenannter Tiermensch wird verschleiert, und Anders stößt erneut auf keine Antworten, sondern nur auf Hinhaltetaktiken – ja, die Elder wollen ihn gar mit einer der menschlichen Dienerinnen verkuppeln, um ihn an sich zu binden.

Bei seinen geheimen Streifzügen, durch die Anders erstens einen Fluchtweg finden will und zweitens Informationen über diese nicht offiziell existierende Enklave sucht, entdeckt er, dass auch Tiernan ein verfallenes und verlassenes Produkt „seiner“ Menschen ist: Bunkeranlagen, verlassene Büros, zerstörte Laboratorien … Hier scheinen geheime Experimente gehörig schief gegangen zu sein! Doch als er von den Elder nur hingehalten wird, diese sich brutal an Kats Sippe vergehen und Kat ausgewiesen werden soll, kommt es zum Desaster, bei dem Anders fast einen Elder tötet und – zu ihrem scheinbaren Bedauern – einem langwierigen Gottesurteil ausgesetzt wird …

Die Geschichte bezweckt vor allem eins: Ein unglaubliches Geheimnis der realen Welt, bei dem ein schiefgelaufenes, absurdes Experiment vertuscht werden soll, aufzudecken und dabei den Helden durch möglichst haarsträubende Abenteuer zu schicken, aus denen er trotz seiner jugendlichen Trotz- und Großmäuligkeit schließlich und stets erfolgreich hervorgeht. Dem erwachsenen Hörer fällt ziemlich deutlich auf, wie unsinnig das Verhalten der Elder ist, wenn sie Anders an der langen Leine verhungern lassen und nicht einmal versuchen, ihm ihr Leben zu erklären. Sie arbeiten regelrecht daran, seine Widerspenstigkeit zu schüren und ihn zum Kontern zu animieren, obwohl sie ihn eigentlich halten wollen. Natürlich ist das ein strategisches Hilfsmittel der Autoren, die Geschichte über die vielen Bände auszudehnen und den Hörer mit der interessanten Welt zu binden, durch die sich Anders bewegt und in der er immer neue Rätselteile entdeckt, die gelöst werden wollen. Da sie dabei einen schmalen Grat beschreiten zwischen Empörung über die Hinhaltetaktik und Interesse an der Fortsetzung, rechnen sie offenbar mit dem Sog einer einmal begonnenen Geschichte, die man normalerweise nicht wegzulegen anstrebt, bis man ihr Ende kennt.

Der zweite „Anders“-Roman beginnt ungefähr genau dort, wo der erste Band endetet, nur erfährt man sofort, dass sich hinter den Schweinsmasken keine brutalen Schlächter, sondern charismatische Wesen mit den typischen Akzenten elbischer Charaktere verbergen. Sie sind hochgewachsen, haben spitze Ohren und edle Gesichtszüge und einen messerscharfen Verstand – und sind Meister der Intrige und Verschleierungstaktik, wie sich hier wieder zeigt, denn Anders – und mit ihm der Hörer – wird weiter im Dunkeln gelassen und erfährt so gut wie keine neuen Informationen.

Einen jugendlichen Hörer mag das nicht weiter stören, wenn die Geschichte drum herum spannend erzählt ist, doch verärgert es den wissbegierigen doch zusehends, wenn man in der Geschichte eigentlich kaum voranschreitet. Weiterhin bleibt Anders‘ überragende Intelligenz unbemerkt, deutlich zu Tage tritt dagegen sein hitzköpfiges Temperament, von dem bei seiner Selbstvorstellung in Band 1 nichts erwähnte. War er im ersten Teil noch der sympathische Junge, macht er sich mehr und mehr unbeliebt, und das nicht nur bei den Elder …

Hörenswert ist die Geschichte allemal, denn trotz der Mängel an der Informationsvermittlung, gelingt es den Autoren, ihre Welt interessant zu machen, und der Sprecher Bernd Stephan hat keinen geringen Anteil an der fließenden und unterhaltenden Atmosphäre, die die Aufmerksamkeit des Hörers durchaus zu binden vermag. Insgesamt dürfte der jugendliche Hörer gierig nach der nächsten Folge greifen, um das Schicksal des eingeschlossenen Anders mitzuerleben, doch täte eine energischere Raffung der Geschichte nur gut.

4 Audio CDs
Spieldauer: 4:51 Std.
ISBN-13: 978-3833721199
Gelesen von Bernd Stephan

Der Autor vergibt: (3/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Wolfgang und Heike Hohlbein – Anders 1: Die tote Stadt

Mit „Märchenmond“ ist dem Ehepaar Hohlbein einst der große Wurf gelungen. Seither präsentiert sich vor allem Wolfgang als äußerst produktiver Schreiberling, doch auch die Co-Produktionen mit seiner Frau Heike finden immer wieder großen Anklang. Mit „Anders“ verfassten sie ein weiteres Mal die Geschichte um einen Jugendlichen, der durch irgendwelche Umstände Zugang zu einem phantastischen Abschnitt der Welt erhält und dort gefährliche Abenteuer erlebt. Meist drehen sich diese Geschichten um nichts weniger als eine Bedrohung der Welt; ob das auch bei „Anders“ der Fall ist, bleibt nach dem ersten Band noch offen.

Anders ist anders. Natürlich. Und darüber wurden schon alle erdenklichen Sprüche geklopft, was ihn mittlerweile nicht mehr belustigt, sondern nervt. In ihm vereinigt sich sehr hohe Intelligenz mit Geld, denn sein Vater ist Führer eines großen, erfolgreichen Unternehmens. Dieses Jahr will Anders mit ihm und ihrem Angestellten Jannik Urlaub auf einer Yacht machen. Als Jannik ihn vom Internat abholt, ist er merkwürdig nervös – nicht ohne Grund, denn kaum besteigen die beiden die Privatcessna, werden sie von zwei Männern bedroht und zu einem unvorhergesehenen Kurs gezwungen. Der führt sie durch eine Gewitterfront in einem Gebirge, die selbst Jannik in Furcht versetzt.

Natürlich stürzt die Cessna ab. Nicht nur das Gewitter ist schuld, sondern auch ein merkwürdiger Hubschrauber, der im Anschluss auch eine Hetzjagd auf die beiden Überlebenden, Jannik und Anders, veranstaltet und – mit tödlichen Lichtstrahlen um sich schießt!

Außerdem hat es sie in einen unwirklichen Teil der Welt verschlagen, in eine düstere Ruinenstadt, menschenleer, ja, völlig tot erscheint sie Anders während ihrer Flucht.

Auf die Entführung sowie auf die außerirdisch anmutenden Hubschrauber und ihre schutzanzugverpackten Insassen wirft ein Geschehen ein veränderndes Licht: Einer der Männer deutet auf Anders, woraufhin kurz gestikuliert wird, ehe sie ihre tödliche Jagd umwandeln in eine Hatz, die ihn am Leben lassen soll. Und während Jannik erschossen vom Dach eines Hauses stürzt, entkommt Anders vorerst – mit Hilfe des ersten Wesens, auf das er hier stößt und das ihn in einen helleren Teil der toten Stadt bringt, in dem ihr „Volk“ lebt: grausige Missbildungen, Kreuzungen zwischen Menschen und allen möglichen Tierarten. Hier erlebt Anders den Kampf ums Überleben mit, und als eine überlegene Truppe riesenhafter Schweine auftaucht und brutal mordend durch die Stadt zieht, sucht er sein Heil in der Flucht …

Der Roman beginnt ein wenig langweilig mit der Einführung Anders‘ und seiner Eigenarten, seiner sozialen Einbindung (die eher mangelhaft ausfällt) sowie der recht unglaubwürdigen Mischung seiner Attribute. Man ist versucht, die ersten Seiten nur zu überfliegen, nur die handlungs- und dialogintensiven Abschnitte lassen die hohlbeinsche Erzählkunst durchblitzen und fangen den Leser immer wieder ein. Auch die amateurhaft durchgeführte Entführung und erst recht die zwar paranoide, aber auch gleichzeitig ahnungslose Art, mit der Anders und sein Diener in die Falle laufen, lassen einen unwillig die Stirn runzeln.

Mit dem Auftauchen der unbekannten Hubschrauber und der plötzlichen Nervosität Janniks ist dem Leser schon klar, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zu geht. Und sobald man die tote und versteckte Ruinenstadt erblickt, zweifelt man mit Anders an der Echtheit des Ganzen, da zumindest Satelliten von ihrer Existenz hätten wissen müssen. Hier bleibt die Erklärung, nämlich das dauerhafte schwere Gewitter, etwas mager.

Und plötzlich ist es soweit – man wird vom Strom der Erzählung erfasst und mit gerissen und findet sich, ohne es gemerkt zu haben, mitten in einer phantastischen Geschichte wieder, die es einem schwer macht, das Buch aus den Händen zu legen. Bis dahin zieht es sich gewaltig und man erwartet misstrauisch ständig neue klischierte Charakteristika, doch trotzdem schafft es das Autorenpaar, Spannung und Faszination zu erzeugen.

Bei den Charakteren sind es vor allem die beiden Schwestern, mit denen Anders eine merkwürdige Beziehung führt: Die eine, halb Katze (treffender Weise Katt genannt), rettet ihn mehrmals vor dem Tod und scheint sich auch sonst in ihn verliebt zu haben (und er natürlich umgekehrt auch). Die andere, halb Ratte (heißt natürlich Ratt), ist eifersüchtig und ärgert ihn, wo sie nur kann. Andererseits unterstützt sie ihn in seinen Versuchen, der kleinen Gruppe verstörend veränderter Wesen technische Erleichterung zu verschaffen oder auch an Informationen zu kommen, die ihm die Situation verstehen helfen könnten.

Die anderen Charaktere bleiben relativ blass, sie sind recht übliche Vertreter ihrer Stellung in solchen primitiven Gruppen: Der starke Anführer mit einem irgendwo verbuddelten Verständnis für die Protagonisten, der Stellvertreter, der ängstlich alles Neue ablehnt und mit Hass auf den Eindringling reagiert, die noch fremdartigeren Nachbarn, mit denen die Gruppe in Zwietracht liegt.

Das Eintreffen einer anderen Gruppe, die kräftiger, reicher und etwas technisierter sind, bringen eine Wendung in die Geschichte, die Anders in typischer Weise zur Flucht treibt – dass ihm dabei der Erfolg versagt bleibt und er mehr Kontakt zu den brutalen Schweinen (im wahrsten Sinne) bekommt, als ihm lieb ist, war auch keine Überraschung. Nur der radikale Cliffhanger am Ende des Buches ist so extrem, dass man das Buch auf keinen Fall eigenständig lesen kann. Es endet völlig abrupt mitten in der Handlung – warten wir also auf den zweiten Teil.

Dieser erste Teil beginnt sehr zäh, fängt sich aber überraschend und bietet ein spannendes Spektakel in einer phantastischen Umgebung. Von Anders‘ übermäßiger Intelligenz ist wenig zu bemerken, doch wird er recht sympathisch geschildert. Das radikal offene Ende ist etwas enttäuschend in diesem Moment, macht aber sehr gespannt auf den zweiten Teil, da man kurz vor einer scheinbar wichtigen Offenbarung steht.

Taschenbuch: 448 Seiten
Auflage: Februar 2010
ISBN-13: 978-3453533257

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