Halloween: Die Monster kommen aus dem Spiegel!
Auf den Grundfesten eines Jahrtausende alten keltischen Heiligtums erbaut, erhebt sich am Rande der irischen Steilküste das trutzige Gemäuer von Ringwood Manor. Doch niemand ahnt etwas vom mörderischen Vermächtnis der heidnischen Druiden und der tödlichen Gefahr Annwyns, die im Höhlenlabyrinth unter der Burg lauert – und sich aus der Anderwelt unbeirrbar ihren Weg in die Welt der Leben bahnt.
Zwei Jahrhunderte nach den Geschehnissen in „Annwyn 1“ fordert das Tor zur Anderwelt weiterhin Opfer: unter irischen Ortsansässigen, aber auch unter allzu neugierigen Archäologen. Kann das Tor wieder verschlossen werden?
Hinweis: Es handelt sich wie schon beim [ersten Teil 1825 um ein Hörspiel, also um eine dramatische Inszenierung, keineswegs um eine ruhige Lesung. Man könnte also von einem Film ohne Bild sprechen: Kino für die Ohren.
|Der Autor|
Über Ascan von Bargen informiert das Hörbuch nicht und über ihn ist mir nichts bekannt.
_Die Sprecher/Die Inszenierung_
Die Stimme des Erzählers gehört eindeutig Joachim Kerzel, die dt. Stimme von Jack Nicholson und Dustin Hoffman. Zu den bekannteren Sprechern zählen der Schauspieler Gerd Baltus sowie die bekannten Synchronsprecher Frank Glaubrecht (dt. Stimme von Al Pacino und Pierce Brosnan) und Daniela Hoffmann (dt. Stimme von Julia Roberts und „Ally McBeal“). Die Namen der restlichen Sprecher sagen mir nichts. Es wäre müßig, sie alle aufzuzählen.
Die Regie führte irgendjemand im „Maritim-Studio“, die Frontillustration stammt von Timo Wuerz. Damit erschöpfen sich die Angaben des Verlags auch schon. Die filmische Musik steuerte vermutlich wieder, wie beim 1. Teil, Terry Devine-King bei.
Der „Genuss“ dieses Hörbuchs wird vom Verlag erst ab 16 Jahren empfohlen. Sobald man die Furcht erregenden Stimmen und Geräusche gehört hat, kann man dem nur beipflichten.
_Vorgeschichte_
Am 25. September 1782 brachte ein Mann namens Meadows eine uralte Handschrift nach Ringwood Manor, das auf hohen Klippen thront, die von Schmuggler- und Piratenhöhlen durchzogen sind. Lord Kilvert, Herr auf Ringwood Manor, hat die Handschrift gefunden und gelesen, doch das Manuskript entzündet sich selbst und verbrennt zu Asche. Fünf Tage später verschwindet seine Tochter Julie spurlos. Eine geisterhafte Stimme warnt Kilvert, dass die Tore zu Annwyn geöffnet wurden …
_Handlung_
Am 25. März des Jahres 1960 vermissen irische Bauarbeiter den Ingenieur Andrew Archer in der Umgebung des mittlerweile verfallenen Gutshauses Ringwood Manor. Der Bauherr John Hamilton Neville wollte hier eigentlich eine Luxushotelanlage errichten, aber offenbar gibt es Fälle von Sabotage. Wie sonst wären die mysteriösen Zwischenfälle zu erklären? Dass es hier spukt, wie die Einheimischen behaupten, glaubt Neville keine Sekunde lang. Sein Vorarbeiter Jackson wird indes in den Höhlen eines Besseren belehrt: Ein Vogelmonster will seine Augen …
Am 16. Mai 1960 in der friedlichen Pension von Mrs. McAdams im irischen Fischerdörfchen Evanbaille nimmt Jenny, die Freundin von James Owens, gerade eine Dusche, als der Strom ausfällt. Sie hört das Grollen eines Monsters, dann ertönt ein Splittern, ein Schrei verhallt … Als Owens, der amerikanische Fotograf, aus einem Gewitter in die heimelige Pension zurückkehrt, fällt ihm zunächst ein angenehmer Duft auf. Dann jedoch öffnet sich eine Tür von alleine, eine Vase fällt … Ein weiblicher Geist erscheint im Dunkeln. Sie klagt, verschwindet – eine irische Todesfee? Owens sucht vergeblich nach seiner Freundin.
Am 31.10.1999 – Halloween – im Cambridge Institute of Sciences and Technology, England. Dr. Beverly Howell ist völlig happy: Die Archäologin hat mehrere Artefakte gefunden, aber was noch mehr ist: Es gibt auch die dazugehörigen Leichen! Diese zeigt sie ihrem Kollegen, dem Keltologen Dr. Parker Craven, nur zu gern, denn schließlich stammen sie aus der Zeit der Kelten, für die er Experte ist. Offenbar handelt es sich um einen irischen Stammesfürsten, nach dem goldenen Torque bzw. Halsring zu urteilen. Und das zweite Artefakt ist das verschollen geglaubte Buch von Lirvaen. Craven ist völlig aus dem Häuschen. Das Buch soll von wahnsinnigen Mönchen mit Menschenblut auf der gegerbten Haut von Jungfrauen geschrieben worden sein. Dann verschwand es im Jahre 1692 mit einem Schiff antibritischer Verschwörer. Klar, dass darauf ein Fluch liegt.
Howell bittet Craven, das Buch zu übersetzen. Und wenn es den dazugehörigen Schatz gibt, soll er ihn in Irland suchen. Tatsächlich findet Craven im Buch eine Karte, auf der Ringwood Manor als die Ringfestung Dun Fein eingetragen ist. Da ruft seine Mitarbeiterin Camilla aus Irland an: An jedem 16. Mai erscheint dort ein Geist, die „leidende Frau von Evanbaille“ genannt. Das erklärt das Erlebnis, das James Owens im Jahr 1960 hatte.
Kurz vor Mittag betritt Craven das Höhlenlabyrinth, das sich unterhalb des Gutshauses entlang der Steilküste erstreckt. Er betritt es und markiert seinen Weg. In einer Grotte stößt er auf Höhlenzeichnungen und Schriftzeichen. Wie ein blutiger Anfänger hämmert er auf eines der Zeichen ein und zerstört es. Dummerweise war es ein Siegel des Schutzes gegen die Schrecken von Annwyn: Die Tore der Anderwelt öffnen sich und eines seiner Wesen verschlingt den Unvorsichtigen.
Es ist Samhain, die Nacht, in der die Welt der Toten und die Welt der Lebenden einander durchdringen. Doch wie kann es gelingen, die Tore wieder zu verschließen?
_Mein Eindruck_
Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Die vorliegende Hörspiel-Produktion gehört leider nicht zum Gold. Dies ist pure Horror-Mystery-Exploitation, die sich in den allzu großen Fußstapfen von Hohlbeins Hexer-Romanen und H.P. Lovecraft abmüht, ein Mischmasch aus keltischer und walisischer Mythologie dazu zu verwenden, um eine Horrorstory zu kolportieren, die doch reichlich dünn und zudem verworren ist.
|Augenwischerei|
Mehrere Flüche und Geister werden kombiniert, um der Story den Anstrich eines horrormäßigen Mysteriums zu verleihen. Dabei haben weder das Buch von Lirvaen noch die „Leidende Frau von Evanbaille“ etwas mit der Anderwelt zu tun. Sie sind nur Augenwischerei. Lediglich die Todesfälle in und unter Ringwood Manor sind relevant. Hier kommt der Ingenieur um, aber auch ein paar allzu neugierige Kinder, und schließlich traut sich sogar ein unerschrockener Reporter hinein. Dr. Craven verhält sich keineswegs wie ein vernünftiger Mann vom Fach, sondern zerstört mutwillig Zeichen an der Wand – welcher Archäologe würde so etwas Verbrecherisches tun, das allen Regeln der Wissenschaft hohnspricht?
|Gelobt sei Gandalf|
Die kleine Julie Kilvert aus dem ersten Teil fungiert nun als eine Art Wächtergeist am Tor zu Annwyn. Sie warnt die drei Kinder mit den klassischen Worten: „Flieht, ihr Narren!“ Preisfrage: Wer sprach diese berühmten drei Worte? Na, wer wohl? Gandalf in der deutschen Fassung von „Herr der Ringe: Die Gefährten“. Gleich danach rauschte er mit dem Balrog in den Abgrund von Khazad-dûm. Man sieht also, dass der Autor seinen Tolkien in- und auswendig kennt.
|Filmreifes Finale|
Kurz vor dem Finale treffen der Reporter Joey Heard und die Einheimische Carrie-Ann O’Banion in Ringwood Manor ein, um die zwei hier verschwundenen Jungen zu suchen – nur die Aussage des überlebenden, aber völlig traumatisierten Mädchens leitet sie. Doch sie stoßen auf einen bewaffneten Mann: Tristan Casterly sucht ein Artefakt, um das geöffnete Tor zu Annwyn zu schließen. Zu spät: Die Dämonenbrut bricht bereits über sie herein. Darunter ist auch jemand, der eigentlich tot sein sollte: Dr. Parker Craven.
Dieser Showdown entschädigt für das ganze vorhergehende Drumherumgerede. Es geht beinhart zur Sache, und wer den Überblick nicht verliert, kommt in puncto Action voll auf seine Kosten. Natürlich auch soundtechnisch: Schüsse fallen, Dämonen grollen und fauchen, Feuert prasselt, Carrie-Ann schreit wie eine preiswürdige Scream Queen – endlich weiß auch der letzte Zuhörer, warum Frauen im Horrorgenre unerlässlich sind.
_Die Sprecher/ Die Inszenierung_
Weder über die Macher verrät das magere Booklet Näheres noch über die beachtliche Riege der Sprecher und Sprecherinnen. Als Regie firmiert das „Maritim-Studio“, und das ist lediglich eine Maske, hinter der sich sonstwer verbergen könnte. Diese Informationspolitik flößt mir keinerlei Vertrauen ein. Haben die Macher ein düsteres Geheimnis zu verbergen, das für einen Exorzismus in Frage käme?
Wie bereits gesagt, hat der Star der Produktion, Joachim Kerzel, ziemlich wenig zu tun. Im Verlaufe der Handlung ergibt sich eine Szene aus der vorhergehenden, und so ist immer weniger Hintergrund nachzuliefern. Das macht den Erzähler allerdings nur scheinbar überflüssig. Denn im Finale geht es wieder einmal – wie schon im 1. Teil – drunter und drüber. Um den Überblick zu behalten, muss man auf die Regieanweisungen des Erzählers lauschen.
Im Finale spielen denn auch die bekannten Synchronsprecher Frank Glaubrecht – als Tristan Casterly – und Daniela Hofmann – als Carrie-Ann – ihren Stärken voll aus. Es klingt, als würden Al Pacino (Glaubrecht) und Julia Roberts (Hofmann) einen Schreiwettbewerb bestreiten. Drama muss eben sein. Am besten gefiel mir hingegen Franz-Josef Steffens als Prof. Hendricks vom „Institut für Geodäsie“. Sehr sympathisch, dass er als „Der Schrecken von Windsor Castle“ bezeichnet wird. Noch sympathischer, dass der schon recht betagte Prof sozusagen von echtem Schrot und Korn ist. Steffens bringt dies sehr schön zum Ausdruck.
|Musik & Geräusche|
Die Musik von Terry Devine-King genügt filmischen Ansprüchen, allerdings wiederholt sie ihre Standardmotive allzu häufig. Am Anfang wirkt das poppige Intro doch recht überraschend, danach geht es mit klassischer Sinfonik aber weiter wie gewohnt.
Da lobe ich mir schon die Geräuschkulisse: Vom Sturm über Bestien bis zu Flammen, Schüssen und Explosionen – der Tonmeister bietet alles auf, was das Arsenal an Soundsamples hergibt, um seiner horrormäßigen Mystik-Show das nötige Flair zu verleihen. Eigentlich fehlt nur noch eine saftige Romanze, um den Rest an gefühlvollen Szenen, Musikmotiven und Toneffekten aus dem Arsenal zu kitzeln. Aber vielleicht kommt das ja noch in der Fortsetzung. Eine Seifenoper wie diese braucht das einfach.
_Unterm Strich_
Erstaunlich, was man mit einem niedrigen Budget, einem halbgaren Drehbuch, einer Riege von bekannten Sprechern und einigen Gigabyte an Soundsamples heute doch alles erreichen kann. Der Zuhörer fühlt sich prächtig von der horrormäßigen Seifenoper mit dem Mystik-Touch unterhalten. Doch der Kenner wird bemerken, dass so manche Figur im Nirgendwo verschwindet, ganz besonders in diesem Teil, der vor allem aus Episoden besteht. Erst das letzte Drittel stellt eine kontinuierliche Handlung dar, die mit einem actionreichen Finale gekrönt wird.
Aufgrund der allenthalben inszenierten Gewalt empfiehlt der Verlag sein Produkt erst Jugendlichen ab 16 Jahren. Dem kann ich nur beipflichten. Aber echte Horrorfreunde wird dies keinesfalls abschrecken. Und wer mit der walisischen Mythologie vertraut ist, den zieht das Wort „Annwyn“, ursprünglich der Name für den Herrscher über das Totenreich bzw. die Geisterwelt, natürlich wie magisch an. Allerdings lautet der Name im Walisischen korrekt „Annwn“, wobei das W wie ein U ausgesprochen wird. Macht nix: Im Hörspiel ist trotzdem von „Ännwin“ die Rede. Hauptsache, die Figuren glauben wenigstens daran.
107 Minuten auf 2 CDs
http://www.maritim-produktionen.de