Schlagwort-Archive: Argon

[NEWS] Ildikó von Kürthy – Morgen kann kommen

Abschied und Aufbruch. Worauf noch warten?
Ein zerrissenes Foto bringt die Wahrheit ans Licht. Es ist die Momentaufnahme eines Verrats, der vier Schicksale miteinander verbindet, sie zusammenführt und mit den unbequemen Fragen der Lebensmitte konfrontiert: Loslassen oder Festhalten? Wer bin ich, wenn ich niemandem mehr gefallen will, und wo will ich hin, wenn ich mir von niemandem mehr sagen lasse, wo es langgeht? Ruth flieht mit dem Foto und ihrem viel zu großen Hund in die alte Villa der Großeltern. Dort trifft sie nach Jahren des Schweigens auf ihre Schwester, erkennt die Lüge, die sie entzweit und das Verbrechen, das ihr Leben bestimmt hat. Ruth tritt aus dem Schatten ihrer Vergangenheit. Und das Ende ist eigentlich erst der Anfang. (Verlagsinfo)


Gelesen von Ildikó von Kürthy
Argon

[NEWS] Graham Norton – Heimweh

Sechs junge Leute fahren ans Meer. Auf dem Rückweg ein schrecklicher Unfall: Es sterben ein Paar, das am nächsten Tag heiraten wollte, und eine Brautjungfer; die andere überlebt schwer verletzt. Kaum blessiert sind Martin, der Arztsohn, und Connor, der eigentlich nicht zur Clique gehört. Er saß am Steuer. Der ganze Ort Mullinmore ist wie gelähmt. Und nach dem Prozess wird Connor nach England geschickt. Niemand weiß, dass er noch vor etwas ganz anderem flieht. (Verlagsinfo)

Ungekürzte Lesung auf 1 MP3-CD
Dauer: 8 Std.
Sprecher: Charly Hübner

Argon

Beckett, Simon – Obsession (Lesung)

_Die Entdeckung der Anderen: Grauen und Erotik_

Als seine Frau plötzlich stirbt, ist Ben Murray am Boden zerstört. Allein Sarahs autistischer Sohn Jacob spendet ihm Trost. Aber als er die Schränke der Verblichenen ausräumt, macht Ben eine merkwürdige Entdeckung: Jacob war gar nicht Sarahs Kind, sondern wurde von ihr nach einer Fehlgeburt aus dem Krankenhaus geraubt. Sarahs Hebamme bestätigt dies. Fassungslos macht sich Ben auf die Suche nach Jacobs leiblichen Eltern – doch der Vater ist genauso von Jacob besessen wie Ben selbst …

_Der Autor_

Simon Beckett studierte Anglistik und arbeitet seit 1992 als freier Journalist. Seine Reportagen dienten ihm zum Teil als Grundlage für den Thriller „Die Chemie des Todes“. Insbesondere seine Recherchen auf der so genannten |Body Farm|, dem forensischen Trainingslager des FBI, flossen in diesen Roman mit ein. Beckett lebt mit seiner Frau in Sheffield, wo er 1968 auch geboren wurde.

Weitere Beckett-Romane:

– [Die Chemie des Todes 2355
– [Kalte Asche 4205
– [Leichenblässe 5625

_Der Sprecher_

Johannes Steck, geboren 1966 in Würzburg, ist Absolvent der Schauspielschule Wien. Von 1990 bis 1996 hatte er Engagements an verschiedenen Theatern. Dem breiten Publikum ist er vor allem aus dem TV bekannt. Er spielte in zahlreichen TV-Serien. Steck arbeitet zudem als Radio-, Fernseh- und Synchronsprecher. Er hat schon diverse Hörbücher gelesen.

Regie führte Lutz Schäfer, der auch den Text kürzte, den Ton steuerte Tobias Pfister.

_Handlung_

Erst bringt Ben Murray seinen sechsjährigen Stiefsohn Jacob zu Bett, dann kehrt er in das nunmehr leere Schlafzimmer zurück. Er trauert um seine geliebte Frau Sarah, der vor kurzem beerdigt hat. Sie starb an einem Aneurysma, einem Hirnschlag. Am nächsten Tag holt Tessa, die Frau seines besten Freundes Keith, Jacob ab, um ihn zur Schule für Autisten zu bringen. Jacob ist ein besonderes Kind, das auf besonderer Behandlung besteht. Ben liebt ihn genauso, wie Sarah es getan hat. Umso härter trifft es ihn, als er entdeckt, dass Sarah ein Geheimnis hatte.

Als Ben Sarahs Kleiderschrank und Frisierkommode aufräumt, stößt er auf eine alte Metallkassette. Der Schlüssel findet sich unter Sarahs Schmuck. In der Kassette liegt nicht nur Jacobs Geburtsurkunde, sondern auch ein Stapel Zeitungsausschnitte. Sie bilden eine Serie von Artikeln aus der „Daily Mail“, die Sarah noch nie gelesen hat. Darin ist von einem Baby die Rede, das vor sechs Jahren im März aus einer Geburtsklinik verschwunden ist. Die Serie beginnt mit Jacobs Geburtstag. Ben stockt der Atem. Könnte Jacob gemeint sein? Aber die Rede ist von einem Stephen Cole, Sohn von John und Janet Cole. John sei ein Veteran des Golfkrieges. Die Coles rufen zur Rückgabe ihres Kindes auf, ihre Gesichter sind von Leid verzerrt.

Ben stürzt mit einer Panikattacke aus dem Zimmer. Er ist versucht, die Artikel zu verbrennen. Sarah hat ihm erzählt, Jacob sei der Sohn ihres ersten Freundes Miles. Sie war immer so froh über ihr Kind. Sollte sie es wirklich geraubt haben? Undenkbar! Obwohl kurz vor Jacobs viertem Geburstag Autismus festgestellt wurde, machte Ben Sarah einen Heiratsantrag, den sie annahm. Da ruft Geoffrey an, Sarahs Vater. Er berichtet, dass Jacob eigentlich sechs Wochen zu früh auf die Welt kam, aber bei der Geburt schon ein ordentliches Gewicht auf die Waage brachte: sechs Pfund immerhin.

Um diesen Widerspruch aufzulösen, besucht Ben Jessica, Sarahs Freundin und Hebamme. Er hat kein gutes Verhältnis zu ihr, denn von Anfang gab sie ihm das Gefühl, er habe ihr Sarah weggenommen. Sie liest die „Daily Mail“, bemerkt Ben bestürzt. Die Hebamme mauert zunächst, bevor ihr Widerstand zusammenbricht und sie mit der Wahrheit herausrückt. Sarah erlitt vor sechs Jahren eine Fehlgeburt und war am Boden zerstört. Als Sarah wegging und mit einem anderen glücklich und strahlend zurückkam, hatte sie die Fehlgeburt völlig verdrängt. Was sollte Jessica tun? Sarah in den Wahnsinn treiben? Sie liebte Sarah!

Der Privatdetektiv, den Ben auf Anraten seines Freundes Keith, der Anwalt ist, engagiert hat, findet die leiblichen Eltern Jacobs: Janet Cole starb bei einem Verkehrsunfall, doch John Cole lebt in Tunford, einer kleinen Gemeinde südlichen von London. Cole sei mit Sandra, einer Pub-Bedienung, verheiratet und arbeite auf einem Schrottplatz. Doch Quiley, der Privatdetektiv, hat gründlicher recherchiert, als Ben lieb ist: Er weiß von dem Kindesraub und versucht, Ben subtil zu erpressen.

Ben fährt wenig später zusammen mit Keith nach Tunford, um sich Cole anzusehen, ganz unverbindlich. Es wird ein Desaster. Denn Quiley ist ebenfalls auf dem Schrottplatz, und als sich Ben Cole anschaut, sagt Quiley den entscheidenden Satz: Dies (Ben) ist der Mann, bei dem sich nun Stephen, Coles Sohn, befinde. Cole, der große Ähnlichkeit mit Jacob aufweist, aber als Ex-Soldat durchtrainiert und muskulös ist, geht ohne Vorwarnung auf den vermittelnden Keith los und schlägt ihn k.o. Als Cole festgehalten wird, hetzt er seinen Bullterrier auf Ben und Keith. Sie entkommen mit knapper Not. O Mann! Was für ein Irrer! Keith blutet wie ein Schwein, Ben steht unter Schock.

Drei Monate später hat das Jugendamt Ben seinen Sohn weggenommen und zu den Coles gegeben. Alle Proteste fruchten nichts. Der Gipfel der Ungerechtigkeit ist, dass Ben seinen Stiefsohn nur einmal in vier Wochen sehen darf. Beim ersten Besuchstermin öffnet eine lügnerische Schlampe: Sandra Cole. Das kleine Haus sieht ebenso ungepflegt aus wie der Vor- und der Rückgarten – überall Wrackteile vom Schrottplatz. Cole hetzt den Bullterrier wieder auf Ben, der den Zähnen des Hundes entkommt.

Doch Ben lässt zu seiner eigenen Verwunderung nicht locker. Er liebt seinen Sohn, aber er ist auch besessen von der Idee, ihn zurückhaben zu müssen. Cole ist nicht der richtige Vater für ihn, und diese Schlampe von Bardame erst recht keine Mutter. Daher verfällt Ben auf die Methode, die er als Profi-Fotograf am besten beherrscht: beobachten und fotografieren. Wenn das Jugendamt Beweise haben will, dass das Heim der Coles ungeeignet ist, dann soll es auch welche bekommen.

Aus seinem Versteck am Waldrand hinter dem Haus der Coles macht Ben schon bald Besorgnis erregende und verstörende Entdeckungen. Doch er selbst bleibt auch nicht unentdeckt.

_Mein Eindruck_

Dies ist kein Forensik-Krimi wie „Chemie des Todes“, „Kalte Asche“ und „Leichenblässe“, sondern ein viel früher (1998) entstandener Suspense-Krimi mit Human-Drama-Aspekten. Nicht um die Aufklärung eines Verbrechens geht es, sondern um das Betreuungsrecht für einen autistischen Jungen. Das klingt banaler, als es sich liest. Einen großen Teil der Geschichte macht deshalb die menschliche Seite des Dramas um Jacob alias Stephen aus. Es ist, als würden zwei verschiedene Welten aufeinanderprallen und um Jacob kämpfen.

Es ist dem Leser von vornherein klar, dass die Konfrontation zwischen Ben und Cole nur auf einen Entscheidungskampf hinauslaufen kann. Aber Ben braucht lange Zeit und durchläuft viele Stationen, bis er sich so weit entwickelt hat, dass er den Kampf aufnehmen kann. Er ist nicht nur trauernder Vater, der seine tote Frau nicht verraten will, indem er ihr Vermächtnis – eben Jacob – im Stich lässt. Er ist auch ein Mann, und als solcher für erotische Reize empfänglich.

Es mag peinlich wirken, aber dieser Aspekt wird ganz explizit an Bens Erektionsfähigkeit gemessen. Seit Sarahs Tod kriegt er keinen mehr hoch, und es ist ausgerechnet die sexuell höchst attraktive Sandra Cole, die seinen kleinen Freund wieder zum Leben erweckt. Selbstredend ist dies ein Spiel mit dem Feuer. Aber es erweist sich als notwendig, um dem sturen, gefährlichen John Cole beizukommen.

|John Cole|

John Cole ist neben Ben Murray zweifellos die wichtigste Figur. Kein Wunder, findet der Showdown doch zwischen diesen beiden Vätern statt. Cole ist ein Golfkriegsveteran, der die Erinnerung von den Panzerwracks mit nach Hause genommen hat. Sandra zeigt Ben die entsprechenden Fotos. Cole entwickelte unter dem Einfluss dieser schrecklichen Eindrücke nicht nur eine Besessenheit mit Schrott und Wracks und Unfallopfern – er fährt immer als Erster zu gerade passierten Unfällen auf der Autobahn -, sondern auch eine fixe Idee.

Coles Theorie geht von der Existenz eines „Systems“ aus, in dem alles mit allem anderen verknüpft ist. Das ist zutreffend, denn die Quanten- und Stringtheorien der Physik unterstützen diese Idee, die ansonsten als „Schmetterlingseffekt“ oder „Chaostheorie“ Verbreitung gefunden hat. Da Jacob in Coles eigenem „System“ einen zentralen Baustein darstellt, kann er nicht zulassen, dass man ihn ihm wegnimmt. Sein System würde zusammenbrechen. Dass Jacob alias Stephen ein Autist ist, stellt für Cole nur eine Prüfung seines Glaubens dar: Ist er stark genug, diese Prüfung zu bestehen, oder wird er an dem Frust über Stephens Schweigen zerbrechen?

|Finale|

Wie auch in seinen Forensikthrillern (s. o.) gipfelt der Roman in einem actiongeladenen Finale, das gar nicht recht zu dem Human-Touch-Drama der vorhergehenden Erzählung passen will, die doch stark auf Psychologie Wert gelegt hat. Nachdem John Cole Stephen alias Jacob entführt hat, fährt die Polizei, alarmiert von Ben, schweres Geschütz auf. Eine Hundertschaft umstellt den Schrottplatz, wo sich Cole mit Jacob verschanzt hat. Der Exsoldat hat Todesfallen aufgestellt, und nichts ahnende Cops werden unversehens zu Opfer. Ben sieht nur einen Ausweg: Wenn Cole Ben haben will, den er für den Verursacher all seiner Probleme hält, dann soll er ihn haben. Ben begibt sich in die Höhle des Löwen.

|Der Sprecher|

Johannes Steck legt sich hier wieder richtig ins Zeug. Er versteht es wirklich, die Figuren zum Leben zu erwecken und uns dabei vergessen zu lassen, dass es weder Geräusche noch Musik im Hintergrund gibt. Sein beeindruckendsten Figuren sind die Männer, denn mit seiner Stimmlage fällt es ihm leichter, sie zu porträtieren. Besonders die Figur des John Cole beeindruckt durch die tiefe Tonlage und den bedrohlich kontrollierten Ausdruck. Eher lächerlich wirken der durchtriebene Detektiv Quiley und der schleimige Jugendamtsmitarbeiter Carlyle. Auch der gewandte Anwalt Keith, Bens Freund, tut sich nicht gerade durch Authentizität hervor, sondern wirkt eher windig und listig. Er ist es auch, der Quiley empfiehlt.

Unter den weiblichen Figuren gibt es leider viel weniger Abwechslung. Da ist zum einen Jessica, die abweisende Hebamme, dann die stets bemühte und beflissene Hausfrau und Mutter Tessa, Keiths Ehefrau. Sie spricht in einem sehr hohen Tonfall, den ich Steck überhaupt nicht zugetraut hätte. Auch Bens Assistentin Zoe ist gelungen: stets mürrisch, eine echte Londoner Stadtpflanze. Die Hauptfigur unter den Frauen ist jedoch Sandra Cole, die eine derartige erotische Ausstrahlung vermittelt, dass man um Bens „Jungfräulichkeit“ nur bangen kann.

Hinter diesen markant gezeichneten Figuren tritt der Sprecher zurück, so dass sich der Zuhörer gut unterhalten lassen kann, selbst wenn das erzählte Geschehen noch so erotisch oder grausig ist. Geräusche und Musik würden hier nur stören.

_Unterm Strich_

Der Originaltitel deutet etwas weniger spektakulär als der deutsche Titel an, um was es geht: um den „Besitz“ eines Kindes. Zwei Prinzipien treffen dabei aufeinander: die selbstlose Liebe Ben Murrays einerseits, der das Wohl des Kindes in den Vordergrund stellt, und die selbstsüchtige „Liebe “ John Coles, der Jacob als Baustein seines eigenen Welt-Systems betrachtet und eine Weiterentwicklung des Kindes weder fördert (keine Schule) noch zulässt (er schottet Jacob ab und lässt ihn auf dem Schrottplatz schuften).

Interessant ist dabei das Verhalten des Jugendamtes als Schiedsrichter: Eigentlich soll es dem Kindeswohl dienen, doch es gibt hier schwarze Schafe, die ihr eigenen Süppchen kochen. In einer dramatischen Konferenz kommt alles ans Tageslicht und führt zu einer Krise. John Cole ist unbeweglich in seinem totalen Anspruch auf Jacob. Doch Sandra erweist sich nicht als seine Stütze, sondern steht auf Bens Seite. Das betrachtet er als Hochverrat …

„Obsession“ bedeutet Besessenheit, aber es bleibt dem Leser bzw. Hörer überlassen zu beurteilen, ob diese Besessenheit nicht doch auch etwas Gutes haben könnte. Wenn alles gut ausgeht, kann man immer leicht sagen, dass Ben nur hartnäckig war, es aber Coles Obsession ist, die ihn in Gefahr bringt. Aber es hätte genauso gut Ben sein können, den das Jugendamt wegen seiner „Besessenheit“ bestraft hätte. Eltern dürften sich zweifellos auf Bens Seite stellen wollen, denn Cole ist offensichtlich verrückt. Aber Cole ist auch ein Vater mit entsprechenden Rechten. Vielleicht erzeugt Elternschaft automatisch auch eine Besessenheit, nur dass diese gutartig und notwendig ist: Liebe zu den eigenen Kindern.

|Das Hörbuch|

Johannes Steck versteht es wirklich, die Figuren zum Leben zu erwecken und uns dabei vergessen zu lassen, dass es weder Geräusche noch Musik im Hintergrund gibt. Auch vorm Brüllen und Rufen schreckt er keineswegs zurück. Doch keine Angst: Die Lautstärke bleibt stets im Normalbereich. Diese Lesung ist nicht nur spannend, sondern auch lebhaft und abwechslungsreich.

|Originaltitel: Owning Jacob, 1998
Aus dem Englischen übersetzt von Andree Hesse
472 Minuten auf 6 CDs
ISBN-13: 978-3-86610-618-5|
http://www.simonbeckett.com/German/home.php
http://www.argon-verlag.de
http://www.rowohlt.de

Hoffman, Jilliane – Vater unser (Lesung)

_Bin ich ein Monster oder bloß unzurechnungsfähig?_

Mord in Miami. Der Täter: Der angesehene Chirurg Dr. David Marquette. Die Opfer: seine Frau und seine drei kleinen Kinder. Ist der Familienvater psychisch krank – oder hat er kaltblütig gemordet? Ist er womöglich ein lang gesuchter Serienkiller? Staatsanwältin Julia Valentine will die Wahrheit herausfinden, gegen alle Widerstände. Und die lauern auch in ihrer eigenen Vergangenheit … (Verlagsinfo)

_Handlung_

In der Notrufzentrale von Coral Gables bei Miami nimmt Georgia Adams den Hörer ab. „Helfen Sie uns bitte!“, fleht die Stimme eines Mädchens sie an. „Er kommt zurück.“ Dann Stille. Georgia hat die Nummer gespeichert und ruft zurück – vergeblich. Sie schickt die Polizei zu der Adresse von Dr. David Marquette. Als Pete Colonna vor dem bezeichneten Haus steht, sieht alles in Ordnung aus: eine herrschaftliche Villa. Aber auf seine Rufe antwortet niemand. Nach fünf Minuten bricht er ein, und die Alarmanlage geht los. Als er und Sergeant Deamus in den ersten Stock gehen, entdecken sie schließlich die Blutspritzer auf dem Teppichboden – und dann die Leichen … Colonna erleidet einen Nervenzusammenbruch.

|Julia|

Staatsanwältin Julia Valentiano wird am Montag ins Büro von Charlie Rifkin gerufen, den Bezirksstaatsanwalt von Dade County, Miami, zuständig für Kapitalverbrechen. Dessen Stellvertreter, Julias Lover Ricardo Bellido ist schon da. Sie berichten ihr von dem, was Pete Colonna vorfand: David Marquettes Frau Jennifer und ihre drei kleinen Kinder wurden ermordet und Dr. Marquette selbst so schwer verletzt, dass er nun auf der Intensivstation liegt.

Bellido, der für den Fall zuständig ist, hält Marquette für den Tatverdächtigen. Julia soll helfen, ihn festzunageln und vor Gericht zu stellen. Sie ist verblüfft. Während er einerseits ihre Leistungen lobt, sie andererseits unter Zeitdruck setzt, verteidigt er seine Wahl gegenüber Rifkin. Julia will sich diese Chance, ihre Karriere zu fördern, nicht entgehen lassen und sagt zu.

Am Tatort hält Kommissar Steve Bryll Julia für eine Praktikantin – sehr erbaulich! Die Tatorte im ersten Stock jagen Julia das kalte Grauen ein und sie kommt sich vor wie in einem Horrorfilm. Jennifer Marquette wurde erst mit einem stumpfen Gegenstand niedergeschlagen und dann mit 32 Stichen getötet. Zwischen zwei und 4:30 Uhr in der Nacht. Eigentlich hätte Dr. Marquette auf einem Ärztekongress in Orlando sein sollen; warum war er zu Hause? Detective John Laterino hat jede Menge offener Fragen und sät Zweifel. Dann die toten Kinder …

Julia wird es speiübel und muss eine Pause machen. John Laterino begründet seinen Verdacht gegen Dr. Marquette vor allem damit, dass es keinerlei Einbruchsspuren gibt. Die Alarmanlage war aktiviert. Marquette wurde in der Badewanne gefunden, mit zahlreichen Stichwunden. Ein Selbstmordversuch, meint John Laterino. Schon bald sind er und Julia per Du.

|Festnahme|

Kurz nachdem David Marquette auf der Intensivstation aufgewacht ist, veranlassen seine Eltern alles Nötige, um ihn in ein Krankenhaus in Chicago verlegen zu lassen. Das muss unbedingt verhindert werden, befiehlt Bellido. Julia reicht einen Antrag ein, Marquette festzunehmen, und Richter Irving Katz veranlasst alles Nötige. Sein Anwalt Mel Levinson legt vergeblich Beschwerde ein. Marquette wird in eine geschlossene Klinik verlegt.

Julia hat 180 Tage Zeit, um ihn rechtskräftig vor Gericht zu stellen und verurteilen zu lassen. Schnell sind 20 davon verstrichen. Besuche bei Marquette bringen nichts: Er ist apathisch, nicht ansprechbar. Auf Druck von Marquettes Vaters, eines Neurologen, beantragt Verteidiger Levinson, Marquette als unzurechnungsfähig anzusehen und ihn als schuldunfähig freizusprechen. Allerdings gilt in Florida: Alle sind als geistig gesund anzusehen, es sei denn, das Gegenteil kann bewiesen werden und der Täter nicht zwischen Gut und Böse unterscheiden kann. Levinson behauptet, Marquette sei schizophren. Er sei bereits in Chicago in der Psychiatrie gewesen.

Bellido veranlasst, dass Laterino und Bryll Beweise für das Gegenteil herbeischaffen. Er selbst könnte zum nächsten Generalstaatsanwalt von Florida gewählt werden und muss diesen Fall gewinnen. Außerdem müssen Levinson und Julia entsprechende Gutachter aussuchen. Bellido will Christian Barracat für diese Aufgabe.

|Schatten der Vergangenheit|

In Julia kommen zunehmend ihr Zweifel an Marquettes Schuldfähigkeit – und ob dieser Fall das Richtige für sie ist. Ihre Pflegeeltern, die sie großgezogen haben, raten ihr dringend ab. Aber sie schweigen hartnäckig darüber, wer am Tod ihrer Eltern schuld ist ist. War es wirklich ihr Bruder Andrew, der sie umbrachte? Und wo lebt er jetzt? Bei ihrer Ermittlung in der Vergangenheit ihrer Familie stößt Julia auf ein finsteres Geheimnis: Ihr Vater war schizophren, ihr Bruder ist es auch – und sie fühlt sich in letzter Zeit auch nicht so gut …

_Mein Eindruck_

Jeder Justizthriller funktioniert auf zwei Ebenen: auf der der juristischen Ermittlung und dem Prozess sowie auf der menschlichen Ebene. Letztere beeinflusst den Verlauf des Prozesses und seiner Vorbereitung und das ist auch der Fall bei Julia Valentiano. Ihre Haltung gegenüber David Marquette wandelt sich, erschüttert von der Begegnung mit ihrem Bruder, von Ablehnung hin zu Verständnis. Damit verrät sie allerdings die knallharte, karriereorientierte Haltung von Ricardo Bellido und seinem Chef Charlie Rifkin. Als sie ihren eigenen (!) Gutachter in eine Falle tappen lässt, so dass er offenbart, dass letzten Endes sein Urteil rein auf Instinkt basiert, führt dies nicht nur zum Skandal, sondern auch folgerichtig zu ihrem Rauswurf. Seis drum – sie hat ja Johnny Laterino und dessen Liebe.

Was ist ein Monster, fragt uns die Autorin und lässt verschiedene Stichwortgeber zu Wort kommen. Ein Monster ist ein Serienmörder, der im Bewusstsein seiner Schuld Menschen tötet. Ein Monster ist aber auch ein Simulant, der so tut, als wäre er unzurechnungsfähig, um zu vermeiden, als Mörder verurteilt zu werden. Doch der Verlauf des Prozesses zeigt deutlich, dass sich ebenso schuldig macht, wer einen Unschuldigen bzw. Unzurechnungsfähigen zum Tode verurteilt.

|Wechsel des Standpunktes|

Der Weg von Vorverurteilung hin zu Verständnis und Freispruch ist lang. Die Gesellschaft muss ihn ebenso gehen wie Julia Valentiano, die B-Staatsanwältin. Sie ist selbst betroffen von der Krankheit und hat einen psychotischen Schub, der einer möglichen Schizophrenie vorausgehen kann. Wunderbar und beängstigend ist ihr Gefühl der Dissoziation mitten im Gerichtssaal, wenn alle um sie herum unwirklich erscheinen. Wahrlich ein Moment von dickschen Dimensionen.

Sie selbst kann dem Eindruck dieser Scheinwirklichkeit nicht standhalten. Scheinwirklich deshalb, weil ihr Lover Bellido sie mit ihrer Chefin betrügt – sie hats genau gehört. Nicht sie hat Bellido verraten, indem sie seinen Gutachter bloßstellte, sondern zuvor Bellido sie, indem er sie betrog. Wie so oft, spielen grundlegende Loyalitäten wie Treue und Ehrlichkeiten eine ausschlaggebende Rolle im amerikanischen Thriller.

|Hochgeschlafen?|

Hat sich Julia hochgeschlafen, um ihren Job zu bekommen, fragt man sich wiederholt, wenn man merkt, wie abhängig sie von ihrem Lover und Mentor Ricardo Bellido ist. Andersherum könnte man allerdings fragen, ob sie eine Chance hatte, seinen Nachstellungen zu entgehen, wenn sie doch nur die B-Staatsanwältin ist und er der kommende Generalstaatsanwalt. Jedenfalls keine, wenn sie ihren Job behalten wollte.

So läuft es doch eigentlich überall in der Wirtschaft – aber auch in der Justiz? Die US-Justiz funktioniert anders als die hierzulande: Dort werden Anklagevertreter des Staates und seiner Organe gewählt, als wären sie Politiker. Folglich ist auch der Druck, unabhängig zu bleiben oder Loyalität zu beweisen, ungleich höher als in einem Rechtswesen, das von den organen der Politik auch gesetzlich unabhängig gemacht worden ist.

|Offene Fragen|

Natürlich muss die menschliche Ebene des Romans auch die Gefühle des Lesers erreichen und wecken. Dafür ist der erfahrenen Autorin praktisch jedes Mittel recht. Allein die Tatortszenen sind der pure Horror. Die junge Staatsanwältin Julia, die an unserer Stelle alles aufnimmt, ist entsprechend niedergeschmettert. Die Vorverurteilung des Täters kann beginnen. Aber hat man mit Dr. Marquette wirklich den Richtigen erwischt? Am Schluss wird klar: Selbst wenn er der Täter gewesen sein sollte, so kann man ihn nicht dafür verurteilen – er ist ein Opfer seiner Krankheit.

Die Autorin sät mehrmals Zweifel an Marquettes Täterschaft. Ja, sie geht sogar soweit, Julia einen anonymen Anruf entgegennehmen zu lassen, bei dem der Unbekannte sagt, Marquette sei es nicht gewesen. Das einzige Detail, dass uns an einem dritten Mann zweifeln lässt, ist die eingeschaltete aber nicht von außen ausgelöste Alarmanlage. Dieses Detail hat mich mehrfach verwirrt. Ein Einbrecher hätte sie auslösen müssen. Es sei denn, Marquette ist der Täter. Er wäre heimgekehrt und hätte sie eingeschaltet. Erst die Cops lösten sie aus. Vielleicht wird dieses Detail in der ungekürzten Fassung besser erklärt.

Auch die Rückblenden, in denen Julia über ihre Vergangenheit nachdenkt, werfen Fragen auf. Wenn Andrew, ihr Bruder, aus der geschlossenen Anstalt entlassen und nach seiner „Heilung“ in ein offenes Apartment ziehen darf, warum bringt er sich dann dennoch um? Müsste er sich nicht über seine Freiheit freuen? Die Antwort wird angedeutet: Sein Schuldbewusstsein, ausgelöst von Julia, überwältigte ihn.

_Die Sprecherin_

Andrea Sawatzki, Jahrgang 1963, reizen extreme Figuren, ihr Spiel kann in Sekundenschnelle von zarter Verlorenheit zu handfester Vitalität überspringen (FAZ). Für ihre Darstellung der „Tatort“-Kommissarin Charlotte Sänger wurde sie u. a. mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet. (Verlagsinfo) Sie spielte u.a. in Oliver Hirschbiegels „Das Experiment“ neben Moritz Bleibtreu sehr eindrucksvoll die Rolle einer Verhaltensforscherin, die vergewaltigt wird. Diese Szene wird in TV-Ausstrahlungen stets unterdrückt. Der ganze Film geht an die Nieren, aber diese Szene besonders.

Andrea Sawatzki ist zwar keine große Stimmkünstlerin, aber ihr gelingt der fast fehlerlose und recht flotte Vortrag dieses vielschichtigen Textes auf eine Weise, die das Verstehen einigermaßen leicht macht. Durchweg konnte ich die tiefere Tonlage für die männlichen Figuren leicht heraushören, wohingegen die weiblichen Figuren fast alle ziemlich gleich klingen. Das wirkt auf die Dauer ein wenig monoton.

Deshalb war es unabdingbar, dass die Sprecherin jeder Figur eine eigene Sprech- und Ausdrucksweise zugewiesen hat. So ist etwa Pamela, die Unterschichtenfrau, die von ihrem Männe geschlägen wird, unschwer als genervte Mutter und Gattin erkennbar. Sie wehrt sich erst lautstark gegen Julias Einmischung, kehrt dann aber reumütig zu ihr zurück.

Die Sprecherin legt anders als Sprecherinnen wie Franziska Pigulla wenig Wert auf Sentimentalitäten oder den Ausdruck von Kurzatmigkeit, häufiges Seufzen und dergleichen. Es ist ihr wichtiger, eine Figur durch die eigentümliche Sprechweise zu charakterisieren. In diesen Charakterisierungen erweist sich die Routiniertheit der Sprecherin, die hierbei offenbar auf ihre Schauspielausbildung zurückgreift.

Da das Hörbuch weder Musik noch Geräusche aufweist, brauche ich darüber kein Wort zu verlieren.

_Die Autorin_

Jilliane Hoffman war bis 1996 stellvertretende Staatsanwältin in Miami, bevor sie begann, für das Florida Department of Law Enforcement (FDLE) zu arbeiten. Sie schulte Special Agents in Zivil- und Strafrecht und war an vorderster Front an den Ermittlungen gegen den Mörder des Mödeschöpfers Gianni Versace beteiligt.

Heute lebt sie als Schriftstellerin mit ihrem Mann und ihren Kindern in Fort Lauderdale. „Cupido“ war ihr erster Roman. Noch bevor das Buch erschienen war, hatte das Filmstudio Warner bereits die Filmrechte für 3,5 Mio. Dollar gekauft. (Verlagsinfo) „Morpheus“ ist die Fortsetzung.

_Das Hörbuch_

Andrea Sawatzki trägt kompetent und gut verständlich vor. Mit der individuellen Charakterisierung der Figuren trägt sie zur Spannung und Unterhaltung bei. Insbesondere John Laterino hat mir gut gefallen, wohingegen Julia immer als schwache Frau dargestellt wird – obwohl das gar nicht stimmt, wie sich am Schluss zeigt.

Mir war die Geschichte an manchen Stellen zu rührselig, aber der zweck dieser Sentiments ist, wie oben gesagt, die Anrührung des Hörers, damit er überhaupt bereit ist, seinen eigenen Standpunkt zu überdenken.

Die Lesefassung ist gekürzt. Regie führte Frank Bruder.

_Unterm Strich_

Diesmal erzählt Jilliane Hoffman eine ganz andere Geschichte als in „Cupido“ und „Morpheus“. Dass es diesmal keine richtige Ermittlung durch die Hauptfigur gibt, daran muss sich der Leser bzw. Hörer erst einmal gewöhnen. Diese Schwerpunktverschiebung ist aber notwendig, um das eigentliche Anliegen der Autorin vertreten und zur Geltung bringen zu können: die Relativierung der Einstellung gegenüber Geisteskranken.

Schizophrene sind für sie keine „Monster“, sondern selbst Opfer ihrer Krankheit, selbst wenn diese Leute unsägliches Leid über ihre Mitmenschen bringen. Geschickt versteht es die Autorin, den zweifel an Marquettes Schuldfähigkeit bis zum Schluss aufrechtzuerhalten. Wir erinnern uns allzu gut an Kevin Spacey in David Finchers „SEVEN“, von dem man auch nicht recht weiß, ob er durchgeknallt oder ein durchtriebenes Monster ist.

Das ist die Schwäche des ganzen Konzepts: Der Leser ist schon zu sehr durch solche Filme vorbelastet. Die Autorin muss ihre Hauptfigur deshalb selbst fast verrückt werden lassen, um deutlich machen, was Psychose überhaupt bedeutet – und dass es jeden treffen kann. Deshalb, so die Aussage, darf keiner auf den anderen zeigen und sagen, der sei ein Monster. Der Finger könnte zurück zeigen.

|Gekürzte Lesung auf 6 Audio-CDs mit 396 Minuten Spieldauer
Originaltitel: Plea of insanity (2006)
Aus dem US-Englischen übersetzt von Nina Scheweling und Sophie Zeitz
ISBN-13: 978-3866101685|

_Jilliane Hoffman bei |Buchwurm.info|:_
[„Cupido“ (Lesung)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=699
[„Morpheus“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1779

Katzenbach, John – Rache, Die (Lesung)

_Der Banker als Bankräuber: Lebenslüge adieu!_

Megan und Duncan Richards haben Karriere gemacht und sich in ihrem bürgerlichen Wohlstand bequem eingerichtet – aber das war nicht immer so: Als naive Weltverbesserer hatten sie sich in ihrer Studentenzeit einer radikalen Gruppe angeschlossen und bei dem Überfall auf einen Geldtransporter mitgemacht. Doch nur Olivia Barrow, die Rädelsführerin, war dafür ins Gefängnis gewandert. Nun wird sie aus der haft entlassen und hat sich geschworen, an den Verrätern von damals blutige Rache zu nehmen … (abgewandelte Verlagsinfo)

_Handlung_

Megan und Duncan Richards haben sich 1986 fein eingerichtet in ihrem bürgerlichen Leben an der Ostküste der USA. Er ist Bankmanager, Sie Immobilienmaklerin. Und eigentlich wollten sie ihren gemeinsamen Abend dieses erfolgreichen Tages – sie ist wieder ein Haus losgeworden – zusammen mit ihren Kindern verbringen. Doch es gibt eine kleine Störung. Opa Tom Pearson sollte Tommy von der Schule abholen und ihn schnurstracks zu Megan nach Hause bringen – aber er ist bereits eine Stunde überfällig. Duncan beruhigt sie erst am Telefon, doch dann bekommt er selbst einen unangenehmen Anruf – von einer Stimme aus der Vergangenheit. Tommy und Opa seien als Geiseln entführt worden …

|Rückblende aufs Jahr 1968|

Megan und Duncan sind noch nicht miteinander verheiratet, aber schon zusammen, als sie beide bei einer Art Stadtguerilla und politischen Rebellengruppe an der Westküste mitmachen. Die Anführerin Olivia Barrow schwört die kleine Gruppe aus Männern und Frauen, Weißen und Schwarzen auf den Kampf gegen das Establishment ein, angeblich im Namen der Gerechtigkeit.

Doch wie gerecht kann ein Banküberfall schon sein, fragt sich zweifelnd Megan, die wirklich die Hosen voll hat. Und dass ihr wegen ihrer neu entdeckten Schwangerschaft morgens stets übel wird, trägt auch nicht gerade zu ihrem Kampfeseifer bei. Kurz bevor die Gruppe zum Überfall ausrückt, offenbart sie Duncan ihren Zustand. Er ist zum Glück höchst erfreut über die Aussicht, Vater zu werden. Doch nun kommen auch ihm Bedenken: Was, wenn dieses Unternehmen schiefläuft? Was wird dann aus Megan und dem Baby?

Der Überfall auf die Bank, den Olivia angeblich fein säuberlich ausgetüftelt haben will, gerät zum Fiasko. Nicht nur, dass der eine Wachmann des Dow-Chemical-Geldtransportes sofort Lunte riecht, bringt den Ablauf durcheinander, nein, auch einer der Wachleute innerhalb der Bank feuert aus allen Rohren. Olivias Geliebte bricht im Kugelhagel zusammen, was Olivia aus dem Konzept bringt. Es gibt weitere Tote in und vor der Bank. Duncan soll den Fahrer beim Rückzug spielen, doch als er merkt, dass die Sache schiefläuft und bereits die Sirenen der Polizeiautos nahen, gibt er die Sache auf und überlässt Olivia sich selbst. Kurz darauf nimmt er Megan mit, gemeinsam und unerkannt machen sie sich aus dem Staub. Bis heute dieser Anruf gekommen ist …

|Gegenwart (1986)|

Richter Tom Pearson und sein Enkel Tommy sitzen im Auto ihrer Entführer. Es sind drei: Olivia Barrow, die freigelassene Exterroristin, ihr Liebhaber Bill Lewis sowie Ramón, ein Helfer. Olivia ist interessanterweise die Anführerin. Sie lässt die beiden Geiseln in eine Dachkammer sperren, ie sich in einem alten Haus am Waldrand befindet. Dann setzt sie mit ihren zwei Helfern ihren Plan in die Tat um.

Duncan Richards sieht sich konsterniert Olivias Forderung gegenüber, die sie persönlich in seinem Büro überbringt: Er soll seine eigene Bank ausrauben! Erst dann bekommt er die beiden Geiseln lebend wieder zu sehen. Duncan bleibt nichts anderes übrig, als auf Olivias Forderung einzugehen. Er fühlt sich ihr gegenüber auch ein wenig schuldig. Zu Megan erwähnt er von dieser Aufgabe kein Sterbenswörtchen.

Doch die Kidnapper lassen die Familie Richards keineswegs in Ruhe, sondern üben eine Art Psychoterror aus. Als auch noch Ramón ins Haus einbricht, bringt dies für Megan das Fass zum Überlaufen. Sie ergreift Maßnahmen, um das Versteck der Entführer ausfindig zu machen. Nach einer Weile wird sie fündig und spioniert die Hütte am Waldrand aus. Olivia hat sich Opas Auto als letzten Fluchtweg beiseite gestellt. Sie hat offenbar ihre eigenen Pläne – ohne die beiden Kerle.

Während Duncan seine eigene Bank ausraubt, haben die beiden entführten Tommys in der Dachkammer Todesängste auszustehen. Während sich Richter Pearson bereits an die Arbeit macht, um sich durch die morschen Wandbretter zu graben, erholt sich sein Enkel von einer Panikattacke. Allerdings macht Olivia weiterhin Terror. Nicht mehr lange, wenn es nach Richter Pearson geht.

Als Duncan das geraubte Geld übergeben will, zickt Olivia so lange herum, bis er gründlich gedemütigt ist. Doch dies ist nicht das Ende seiner Qualen: Sie kündigt an, ihn fortan jedes Jahr heimsuchen zu wollen, wie ein Vampir, der ihn aussaugt, bis von seinem Familienglück nichts mehr übriggeblieben ist. Da platzt auch beim ängstlichen Duncan die Hutschnur.

Zusammen mit Megan und den beiden Zwillingen Karen und Lauren staffieren sie sich für ein Überfallkommando aus, um im Morgengrauen die Geiseln zu befreien.

_Mein Eindruck_

Wie schon in „Das Rätsel“ endet die Geschichte mit einem bleigeladenen, explosiven Showdown. Und mir drängt sich der Verdacht auf, der Autor habe seine frühen Romane, wie „Die Rache“, nur deshalb geschrieben, um einen actiongeladenen Showdown inszenieren zu können. Eine Art Western der Gegenwart sozusagen.

Zum Western gibt es allerdings einen gravierenden Unterschied, nämlich die Gegenüberstellung zweier Zeitebenen: hier 1986, dort 1968. Die Figuren erzählen es immer wieder: 1968 herrschte in den USA der Ausnahmezustand. Mit Robert Kennedy und Martin Luther King waren zwei Führer der Landes ermordet worden. 1963 wurde John F. Kennedy getötet und 1966 Malcolm X. Kein Wunder also, dass sich auf der einen Seite Paranoia entwickelte und sich eine Gegenkultur bildete, die das kriegsführende „System“ nicht bloß unterminieren, sondern auch erschüttern und schließlich beseitigen wollte.

An der Westküste trieben die „Weathermen“ ihr terroristisches Unwesen, und so erscheinen Olivia Barrows Kämpfer durchaus plausibel. Sie wollen eine Bank ausrauben, um geld für Waffen zu beschaffen – und um Dow Chemical zu schädigen. Sie hätten sich, wie die RAF in Deutschland, kein schlechteres Ziel aussuchen können.

Das Jahr 1986 liegt mitten in der Amtszeit Ronald Reagan, als der Kapitalismus fröhlich gedieh und „der militärisch-industrielle Komplex“ (Eisenhower) blendende Geschäfte machte. Die Wirtschaft blühte, und die Bank verdienten fleißig am verliehenen Geld. Erst 1987 kam dann der erste Warnschuss in Form eines Börsencrash. 1986 ist also noch alles in bester Ordnung. Bis sich für die Richards die Nemesis wieder erhebt und zuschlägt.

Das Witzigste an Olivia Barrows Plan ist wohl, dass sie den Banker Duncan zwingt, zum Bankräuber zu werden. Dadurch wird Duncan wieder zu dem gemacht, was er schon 1968 sein sollte. Doch diesmal macht er alles viel besser, nach seinem eigenen System. Und dieses System sieht vor, alles nach dem Einbruch eines Dritten aussehen zu lassen. Seine Raffinesse und Umsicht ist dabei sehr zu bewundern. Erstaunlich, welche kriminelle Energie immer noch im alten, gemütlichen Duncan steckt, würde Olivia jetzt lästern. Mittlerweile wissen wir ja nach 2008, dass auch viele andere Banker kriminelle Energie entwickelten. Diese war allerdings systemimmanent aktiv, siehe Bob Madoff. Gesprengte Tresortüren würden dabei in die Kategorie „Grober Unfug“ fallen.

Der Showdown ist eine Umkehrung des Überfalls von 1968: Der Schatz besteht in den beiden Entführten, und die Richards-Familie setzt alles daran, sich diesen Schatz zu holen. Selbst Megan muss eine Knarre nehmen, ebenso die beiden 18-jährigen (und somit wohl volljährigen) Zwillinge. Als sich die beiden Mädels ihrem Erzfeind Olivia Barrow gegenübersehen, schlägt die Phantasie des Autors allerdings über die Stränge: Sie sollen sich an ihre Zeit im Mutterleib erinnern und so den Erzfeind erkennen, auf dass sie keinerlei Gnade üben. Das ist natürlich blanker Blödsinn.

_Der Sprecher_

Simon Jäger, die deutsche Stimme von Heath Ledger und Josh Hartnett, ist ein sehr fähiger Sprecher für diesen gruseligen Text. Er lässt sich jede Menge Zeit, spricht deutlich und kitzelt die unterschwelligen Bedeutungen des Textes hervor. So entsteht ein deutliches Bild der Vorgänge.

Indem er die Figuren mit einer individuellen Ausdrucksweise und Stimmhöhe ausstattet, macht er sie leicht erkennbar. Doch erst in emotionalen Situationen erwachen sie zum Leben, wenn der Sprecher sie rufen, klagen und brüllen lässt. Simon Jägers Vortragsweise ist zwar nicht so emotional wie die von Johannes Steck, doch viel fehlt nicht mehr.

Simon Jägers Vortrag ist lebhaft und emotional, er kann die Figuren in den emotionalen Szenen wirklich zum Leben erwecken. Dass es weder Geräusche noch Musik gibt, finde ich weniger schön, aber wahrscheinlich würden sie bloß stören, so wie im Simon-Beckett-Hörbuch „Leichenblässe“.

Simon Jäger, geboren 1972 in Berlin. Seit 1982 arbeitet er als Synchronsprecher bei Film und TV. Er lieh u.a. Josh Hartnett, James Duvall, Balthazar Getty, River Phoenix seine Stimme, aber auch „Grisu dem kleinen Drache“, und war auch in TV-Serien wie „Waltons“, „Emergency Room“ zu hören. Seit 1998 arbeitet er zudem als Autor und Dialogregisseur.(Homepage-Info) Jäger liest eine von Dicky Hank gekürzte Fassung.

_Der Autor_

John Katzenbach war ursprünglich Gerichtsreporter für den „Miami Herald“ und die „Miami News“. Er hat bisher zehn Spannungsromane veröffentlicht. Er lebt mit seiner Familie im westlichen Massachusetts, USA.

_Unterm Strich_

Die Familie Richards begegnet ihrer Nemesis und konfrontiert sie mit ihrer Lebenslüge – das ist eigentlich eine gute Ausgangslage, um ein paar ätzende Kommentare auf die Reagan-Ära loszuwerden. Pustekuchen! Familie Richards wird mit der Spät-Terroristin durchaus allein fertig, indem sie ihr Waffenarsenal auspackt und selbst gegen die Gefahr aus dem Innern der Gesellschaft vorgeht.

Und die beiden Tommys in der Dachkammer, die zwei andere Generationen verkörpern, berappeln sich auf ähnliche Weise: Opa hat immer noch ein paar knackige Weisheiten an den Enkel zu vermitteln, bis dieser endlich Mut genug aufbringt, die Flucht zu wagen. Wahrscheinlich wird Klein-Tommy später mal ein Marine werden und den Kameltreibern im Irak den Hintern versohlen.

Das einzig Gute an dem Roman sind wahrscheinlich die witzigen Pläne Olivia Barrows, die den Banker wieder zum Bankräuber machen, sowie der explosive Showdown. Ansonsten ereignet sich vor allem Psychoterror, und das kann ganz schnell langweilig werden. Zum Glück hat es nie eine Verfilmung dieses Garns gegeben. Der Produzent hätte sich ja mit einer womöglich politisch interpretierten Aussage weit aus dem Fenster lehnen müssen. Das tut selten gut.

|6 Audio-CDs mit 429 Minuten Spieldauer
Originaltitel: Day of Reckoning
Aus dem Amerikanischen von Anke und Eberhard Kreutzer
Regie: Tanja Fornaro
Aufnahmeleitung im Studio XBerg: Jochen Simmendinger
ISBN-13: 978-3-86610-758-8|
[www.argon-verlag.de]http://www.argon-verlag.de

_John Katzenbach bei |Buchwurm.info|:_
[„Die Anstalt“ 2688
[„Der Patient“ 2994
[„Das Opfer“ 3414
[„Der Fotograf“ 4360
[„Das Rätsel“ 4627
[„Das Rätsel (Hörbuch)“ 5843

[NEWS] Andreas Franz – Julia Durant. Die junge Jägerin: Kriminalroman (Julia Durant ermittelt, Band 21)

München, Anfang der 1990er-Jahre. Eine tote Frau wird gefunden – eine Prostituierte, wie es zunächst scheint. Diese entpuppt sich bei genauerem Hinsehen jedoch als Transvestit und außerdem als eine bekannte Persönlichkeit der Stadt. Eine heikle Situation für die Mordkommission, denn in den Fall ist offenbar jede Menge Prominenz verwickelt. Hatte man die Ermittlung zuerst auf Julia Durant abgewälzt, die Neue in einer von Männern beherrschten Abteilung, möchte man ihr den Fall nun wieder wegnehmen. Doch das lässt sie nicht mit sich machen. Als eine zweite Leiche auftaucht und sich in der Szene Angst ausbreitet, wird klar: Es geht ein Serienmörder um in der Stadt. (Verlagsinfo)

Gekürzte Lesung auf 1 MP3-CD
Laufzeit: ca. 8 Std.
Sprecherin: Julia Fischer
argon

[NEWS] Quentin Tarantino – Es war einmal in Hollywood

Los Angeles, Hollywood 1969. Rick Dalton war einst Star seiner eigenen Fernsehserie und hält sich heute mit Schurkenrollen über Wasser. Zusammen mit seinem Stunt-Double Cliff versucht er alles, um seiner Karriere neuen Schwung zu verleihen. Dabei müssen sie sich durch eine Welt windiger Agenten und aufgehender Sternchen schlagen, die mitten im Umbruch ist. Dabei kreuzt sich ihr Weg mit dem Haufen Hippies rund um den Ex-Knacki Charles Manson – und das Goldene Zeitalter Hollywoods steuert rasant seinem Ende entgegen. (Verlagsinfo)

Ungekürzte Lesung auf 2 MP3-CDs: ca. 10 Std.
Sprecher: Gerrit Schmidt-Foß
argon

McDermid, Val – Nacht unter Tag (Hörbuch)

_Schicht im Schacht: verzwickter Bergarbeiterkrimi_

Ungelöste Fälle sind ihre Spezialität, doch dieser führt Detective Inspector Karen Pirie an ihre Grenzen. Ein Mann wird als vermisst gemeldet – nach über 20 Jahren. Karens Ermittlungen im schottischen Glenrothes stoßen auf eine Mauer des Schweigens. Ähnlich ergeht es einer Journalistin, die einen fast vergessenen Entführungsfall recherchiert. Bald landet auch dieser alte Fall auf Karens Schreibtisch – zusammen mit einem neuen Mord … (Verlagsinfo)

_Die Autorin_

Die 1955 geborene Val McDermid wuchs in Kirkcaldy, einem schottischen Bergbaugebiet nahe St. Andrews, auf und studierte dann Englisch in Oxford. Nach Jahren als Literaturdozentin und als Journalistin bei namhaften englischen Zeitungen lebt sie heute als freie Schriftstellerin in Manchester und an der Nordseeküste. Sie gilt als eine der interessantesten neuen britischen Autorinnen im Spannungsgenre – und ist außerdem Krimikritikerin. Ihre Bücher erscheinen weltweit in 20 Sprachen. Für „Das Lied der Sirenen“ erhielt sie 1995 den |Gold Dagger Award| der britischen |Crime Writers‘ Association|. (Verlagsinfo)

Val McDermid auf |Buchwurm.info|:

[„Echo einer Winternacht“ 703 (Hörbuch)
[„Der Erfinder des Todes“ 2602 (Hörbuch)
[„Das Lied der Sirenen“ 5647 (Hörspiel)
[„Das Lied der Sirenen“ 1498 (Buch)
[„Schleichendes Gift“ 5727 (Hörbuch)

_Die Sprecherin_

Andrea Sawatzki, Jahrgang 1963, reizen extreme Figuren, ihr Spiel kann in Sekundenschnelle von zarter Verlorenheit zu handfester Vitalität überspringen (FAZ). Für ihre Darstellung der „Tatort“-Kommissarin Charlotte Sänger wurde sie unter anderem mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet. (Verlagsinfo) Sie spielte unter anderem in Oliver Hirschbiegels „Das Experiment“ neben Mirotz Bleibtreu sehr eindrucksvoll die Rolle einer Verhaltensforscherin, die vergewaltigt wird. Diese Szene wird in TV-Ausstrahlungen stets unterdrückt. Der ganze Film geht an die Nieren, aber diese Szene besonders.

Regie führte Vera Teichmann, den Ton steuerte Christian Mevs.

_Handlung_

Am 27. Juni 2007 wird Detective Inspector Karen Peary von dem Ansinnen einer jungen Bürgerin überrascht. Michelle Gibson möchte ihren Vater Mick Prentiss als vermisst melden: nach 22 Jahren und sechs Monaten. Er sei am 14. Dezember 1984 verschwunden. Karen gehört zum Team für ungelöste Fälle im schottischen Glenrothes und fühlt sich eigentlich nicht zuständig, da ja kein Verbrechen vorliegt, geschweige denn ein unaufgeklärtes. Aber es handelt sich um einen Notfall: Michelles Sohn Luke leidet an Anämie und benötigt dringend eine Knochenmarksübertragung. Am besten natürlich von einem nahen Verwandten, und der nächste wäre zweifellos ihr Vater.

Angeblich war Prentiss ein Streikbrecher, der während des einjährigen Bergarbeiterstreiks zur anderen Seite überlief und mit fünf anderen Kumpels nach Nottingham fuhr. Dieser Verrat war für seine Frau natürlich schlimm, die danach in der Minengemeinde, in der die Gewerkschaft das Sagen hatte, fast wie eine Aussätzige behandelt wurde. Vergangene Zeiten: Die Gewerkschaft gibt es nicht mehr. Und Jenny Prentiss heiratete einen anderen Mann, einen wohlhabenden Steiger, der aber inzwischen auch tot ist, wie Karen herausfindet.

Zu ihrer Überraschung bekommen ihre Kollegen in Nottingham gesagt, dass Mick Prentiss nie mit den Streikbrechern fuhr. Wo aber blieb er dann? Merkwürdig findet Karen auch die Tatsache, dass fast zur gleichen Zeit auch Micks bester Freund Andy Kerr verschwand. Da man einen Abschiedsbrief fand, nahm man an, dass er sich umbrachte. Seine Schwester ließ ihn nach angemessener Zeit für tot erklären, um das Erbe antreten zu können, und wanderte anschließend nach Neuseeland aus, wo sie heiratete.

Karen schnüffelt mit ihrem langjährigen Kollegen Phil Pahatka herum. Während Jenny Prentiss mauert, ist ihre Nachbarin umso mitteilsamer. Ein Bild von der Prentissfamilie und ihrer Gemeinde entsteht. Mick war ein talentierter Aquarellmaler und obendrein Mitglied im Verein zur Erhaltung der Höhlen an der Küste des Landkreises Fife. Als sie ihre Freundin River Wild, eine forensische Anthropologin, bittet, mal hinter dem Einsturz in der größten Höhle nachzusehen, entdecken Rivers Doktoranden im Boden ein männliches Skelett. Doch um wen handelt es sich – Prentiss oder Kerr? Denn wenn Prentiss noch lebt, dann besteht noch Hoffnung für seinen Enkel Luke.

|Der Patriarch|

Karen bringt mit ihren unorthodoxen und vorschriftswidrigen Methoden regelmäßig ihren Chef Simon Lees zur Weißglut. Zum Glück konnte sie ihm bis jetzt vorflunkern, die Höhlenuntersuchung erfolge im Rahmen des neuen Falles, den er ihr übertragen hat: Sie soll die ungeklärten Umstände beim Tod von Catriona Grant untersuchen, der Tochter des bekanntesten Großindustriellen Schottlands, Sir Broderick Maclennan-Grant. Catriona starb nach offiziellen Polizeiberichten bei der Übergabe des Lösegeldes an ihre Entführer Anfang 1985. Angeblich erschoss einer der Entführer die Millionenerbin und flüchtete sowohl mit dem Geld als auch mit ihrem Sohn Adam.

Nun hat die britische Investigativreporterin Annabelle Richmond ein Exemplar jenes Posters entdeckt, mit dem sich die Entführer, der „Anarchistische Kampfbund Schottlands“, an Catrionas Vater wandten. Es zeigt einen Puppenspieler mit Marionetten. Interessanterweise fand Richmond das Poster nicht im Königreich, sondern in der Toskana, unweit Volterra und Siena. In einer alten, verlassenen Villa hatten Hausbesetzer gelebt, die zu einer Wandertruppe von europäischen Puppenspielern gehörten. Neben Posterstapeln fand Richmond auch einen großen Blutfleck. Fand hier ebenfalls ein Mord statt?

Während sie die italienischen Carabinieri um Amtshilfe bittet, ahnt Karen nicht, dass Brodie Maclennan-Grant sie hintergeht. Er schickt die Reporterin aus, um das Verbrechen in der Toskana aufzuklären, denn er vermutet, dass sich dort Adam, sein Enkelsohn und Erbe, befinden könnte. Was weder Richmond noch Karen noch die Carabinieri erwartet haben, ist, hier die Spur von Mick Prentiss zu entdecken …

_Mein Eindruck_

Dass es Val McDermid fertigbringt, auch die entlegensten Schauplätze und die jeweiligen Ereignisse spannend miteinander zu verknüpfen, habe ich inzwischen kapiert. Immerhin habe ich schon fünf Romane dieser Krimiautorin kennengelernt, stets in akustischer Form. Ich habe es kein einziges Mal bereut, sondern wurde stets von ihrer Sicherheit verblüfft, mit der sie ihre Ermittler durch die unwahrscheinlichsten Wendungen führt. Die Handlung war praktisch nie vorhersehbar.

Bis jetzt. Dass Mick Prentiss in Italien ebenso wieder auftauchen würde wie Catrionas entführter kleiner Sohn Adam hielt ich für höchst wahrscheinlich, auch durch die dramaturgische Notwendigkeit, die beiden auseinanderliegenden Handlungsstränge um die Toskana einerseits und das östliche Schottland andererseits zusammenzuführen. Nicht voraussehen konnte ich allerdings, wie es zu dem traurigen Schicksal Catrionas kam und was aus ihrem Sohn Adam wurde. Ich möchte hier nichts Näheres verraten, aber das Finale hat durchaus das Potenzial, recht blutig zu enden. Falls nicht doch noch die unerschrockene Karen Peary korrigierend eingreift.

Das Buch lebt von seinen Kontrasten, aus denen sich entsprechende Kritik ergibt. Auf der einen Seite erkundet Karen Peary die ehemalige Bergarbeiterstadt Weems und deren Ortsteile. Das Schicksal der mit ihrem Streik gescheiterten Bergarbeiter war bitter. Ich habe den Streik 1984 im Fernsehen selbst mitverfolgt und erlebt, wie sich Gewerkschaftsführer Arthur Scargill an die Regierung Thatcher verkaufte. Es war kaum zu fassen. Die wirtschaftlichen Folgen für die Region waren verheerend: Alle Zechen wurden nach und nach geschlossen.

Dem steht nun auf der anderen Seite ein neureicher Emporkömmling namens Broderick Maclennan-Grant gegenüber, der sein Geld vor allem durch seine Frau erwarb, sich aber nun aufführt wie ein Tyrann von altem Adel, der mit der eigenen Familie ebenso willkürlich umspringt wie mit der Polizei (etwa mit dem Speichellecker Simon Lees) und den Medien. Er ließ aus politischem Kalkül Polizeiberichte fälschen, um beispielsweise die peinliche Tatsache zu verschleiern, dass er zu der verhängnisvoll endenden Geldübergabe mit einer Pistole bewaffnet erschien. Der von Karen Peary ins Gefängnis gebrachte ehemalige Detective Inspector James Lawson packt einige Hämmer aus und schildert, was nicht im Polizeibericht stand. Karen Peary kommt ein furchtbarer Verdacht, wer Catriona in Wahrheit auf dem Gewissen haben könnte. Aber sie kann nichts beweisen.

Auftritt Annabelle Richmond. Karen bezeichnet die Reporterin tatsächlich einmal als Sir Brodies „Sklavin“, und da Richmond für sein Geld und den Presse-Ruhm fast alles tut, ist sie keineswegs ein rühmlicher Vertreter ihres Standes. Sie weiß sich wie ein Chamäleon zu tarnen und zu verstellen. Doch sie ist immens tüchtig in der Informationsbeschaffung. Dumm nur, dass sie keine Absicht hat, die Polizei an ihren Ergebnissen teilhaben zu lassen. Karen Peary setzt ihr gnadenlos die Pistole auf die Brust, und Richmond muss sich zwischen zwei Herren entscheiden. Elegant wie stets zieht sie sich aus der Affäre.

Doch wo bleibt hier die Romantik? Gemach, gemach! Es gibt ein leidenschaftliches und glückliches Liebespaar in diesem Buch, und dreimal darf man raten, um wen es sich dabei handelt. Wie schon bei D. H. Lawrence, dem Bergarbeitersohn aus Nordengland, und seiner Geliebten Frieda von Richthofen handelt es sich auch hier um eine verbotene, skandalöse Liebesbeziehung, die von dem Vater der Frau niemals abgesegnet worden wäre – und interessanterweise auch nicht von der Familie des Mannes.

Ob es jemals einen „Anarchistischen Kampfbund Schottlands“ gegeben hat oder je geben könnte, darf wohl mit Fug und Recht bezweifelt werden. Dafür sind die Schotten zu lange von den Engländern geknechtet worden, um jetzt noch etwas mit der Anarchie anzufangen. Und sie sind auch meist zu protestantisch (viele sind Presbyterianer) nüchtern in ihrem Verhalten. So machten sie selbst aus ihrer Vergangenheit noch ein Geschäft, wie ich bei meinem Besuch auf dem Schloss von Edinburgh, dem Holyrood Palace, feststellen konnte.

|Schwächen|

Den nächsten Kontrast bildet dazu die total katholische, sinnenfreudige Toskana, die bei vielen Engländern (und Deutschen) so beliebt ist. Richmond ist nur eine Vertreterin jenes Schlages Engländer, der hier „the good life“ zu genießen versteht. Greve, die Chiantistadt, ist fest in englischer Hand. Auch Sting hat hier ein Domizil. Und zufällig ist Greve neben Siena und San Gimignano einer der malerischen Schauplätze des Romans.

Ob hier die Autorin nicht ein wenig zu sehr auf ihr englisches Publikum geschielt hat? Auch die rasch wechselnden Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den Figuren erinnern mich peinlich an Autoren vom Schlage einer Rosamunde Pilcher, in denen ja vielfach das Schicksal unverhofft zuschlägt. Dieses abgedroschene Element tritt auch noch im Epilog auf, indem ein kurzer Dialog einen weiteren Schlenker vollzieht, nur um den armen Luke Gibson vor einem üblen Tod zu bewahren.

|Die Sprecherin|

Die Kapitelüberschriften – Orte und Daten zur Orientierung – liest ein Mann mit einer sonoren Stimme vor, der aber nirgends als Mitsprecher genannt wird. Deshalb konzentriere ich mich in meiner Würdigung auf die Sprecherin.

Andrea Sawatzki ist zwar keine große Stimmkünstlerin, aber ihr gelingt der fast fehlerlose und recht flotte Vortrag dieses vielschichtigen Textes auf eine Weise, die das Verstehen einigermaßen leicht macht. Wir haben es ja hier mit Italienern, Schotten und Briten zu tun. Durchweg konnte ich die tiefere Tonlage für die männlichen Figuren leicht heraushören, wohingegen die weiblichen Figuren fast alle ziemlich gleich klingen.

Deshalb war es unabdingbar, dass die Sprecherin jeder Figur eine eigene Sprech- und Ausdrucksweise zugewiesen hat. So ist es leichter, die pedantische Assistentin von Sir Maclennan-Grant, Susan Charleson, etwa von der resoluten und verschlagenen Karen Peary zu unterscheiden. Und Karens Vorgesetzter, der dämliche Kontrollfreak Simon Lees, ist ebenso deutlich von dem Tyrannen Sir Broderick Maclennan-Grant zu unterscheiden.

Die Sprecherin legt anders als Kolleginnen wie Franziska Pigulla keinen Wert auf Sentimentalitäten oder den Ausdruck von Kurzatmigkeit, Seufzen usw. Es ist ihr wichtiger, eine Figur durch die eigentümliche Sprechweise zu charakterisieren. In diesen Charakterisierungen erweist sich die Routiniertheit der Sprecherin, die hierbei offenbar auf ihre Schauspielausbildung zurückgreift.

Das Hörbuch weist weder Musik noch Geräusche auf, so dass ich darüber kein Wort zu verlieren brauche.

_Unterm Strich_

Diesmal mischt die versierte Autorin in ihre klassische Ermittlung unter Beargarbeitern und Industriebaronen, Puppenspielern und Reportern einen gehörigen Schuss Schicksalsdrama. Die Wechselfälle in den Verwandtschaftsverhältnissen sind doch allzu auffällig häufig, besonders im letzten Drittel. Daher habe ich mich gefragt, ob die Autorin vielleicht die Leserinnen von Autoren des Schlages von Rosamunde Pilcher ansprechen will. Auch die Schilderung der ach so romantischen Toskana ist schon verdächtig, doch sie lässt ihre Reporterin über die vielen Touristen klagen. Dass sie mit Lukes Krankheit und Lebensrettung schwer auf die Tränendrüse drückt, ist ein weiteres Symptom für diesen sentimentalen Schwenk.

Immerhin aber schafft sie es, die wilde Zeit des englischen Bergarbeiterstreiks von 1984 heraufzubeschwören, die für die Entwicklung der britischen Wirtschaft von entscheidender Bedeutung war. Danach ging es unter Margaret Thatchers „Reaganomics“ steil bergauf, die sich bis zu Tony Blairs Regierungsjahren weiterführen ließen. Diesen Aufschwung konnte kein einziger Streik der Gewerkschaften mehr stoppen und wurde auf Kosten der entmachteten Exgewerkschaftler erkauft – bis zum Crash 2008. Nichts davon ist in diesem Roman nachzulesen, denn dies kann die Autorin bei ihren Lesern als sattsam bekannt voraussetzen, vielleicht sogar in der jungen Generation. Immerhin schreibt die Autorin hier über ihre eigene Heimatregion Kirkcaldy (siehe den Abschnitt „Die Autorin“ oben).

Dies ist der erste Krimi McDermids, dessen Handlungsverlauf ich einigermaßen voraussehen konnte. Das war etwas enttäuschend, aber das Finale entschädigte mich dann doch wieder für die vielen Schwächen dieses Buches.

|Das Hörbuch|

Andrea Sawatzki trägt kompetent und gut verständlich vor. Mit der individuellen Charakterisierung der Figuren trägt sie zur Spannung und Unterhaltung bei, aber auch zum Humor so mancher Szene zwischen der streitbaren Karen Peary und ihrem dümmlichen Chef Simon Lees. Und Karen bekommt endlich einen Lover, was richtig sinnlich wirkt. Der einzige Fehler in der Aussprache betrifft den Namen Ian, aber das ist wirklich der einzige Fehler.

|Originaltitel: A Darker Domain
Aus dem Englischen übersetzt von Doris Styron
443 Minuten auf 6 Cds
ISBN-13: 978-3-86610-637-6|
http://www.val-mcdermid.de

Home


http://www.argon-verlag.de

[NEWS] Zoë Beck – Paradise City

Deutschland in der Zukunft. Die Küsten sind überschwemmt, weite Teile des Landes sind entvölkert, und die Natur erobert sich verlassene Ortschaften zurück. Berlin ist nur noch eine Kulisse für Touristen. Regierungssitz ist Frankfurt, das mit dem gesamten Rhein-Main-Gebiet zu einer einzigen Megacity verschmolzen ist. Dort, wo es eine Infrastruktur gibt, funktioniert sie einwandfrei. Nahezu das gesamte Leben wird von Algorithmen gesteuert. Allen geht es gut – solange sie keine Fragen stellen. (Verlagsinfo)

Ungekürzte Lesung,
Spieldauer
6 Stunden und 33 Minuten
Sprecherin: Heike Warmuth
Argon

Aleas, Richard – Tod einer Stripperin (Hörbuch: Hard Case Crime)

_Die Stripklubs der Hölle: überraschende Enthüllungen_

Privatdetektiv John Blake hatte seine High-School-Liebe Miranda Sugarman als Ärztin in New Mexico vermutet. Doch sie wird mit zwei Kugeln im Kopf auf dem Dach einer Strip-Bar gefunden … (Verlagsinfo)

_Der Autor_

Richard Aleas ist das Pseudonym von Charles Ardai, Herausgeber der Hard-Case-Crime-Reihe in den USA. Er lebt, schreibt und arbeitet in New York City. (Verlagsinfo)

_Der Sprecher_

Reiner Schöne lebte lange in Hollywood und drehte dort mit Filmgrößen wie Clint Eastwood und Lee van Cleef. Der Schauspieler, Synchronsprecher und Sänger mit der tiefen, markanten Stimme trägt die passende raue Note bei.

Regie führte Thomas Wolff. Die Buchvorlage erschien 2008 bei |Rotbuch|.

_Handlung_

Zuerst schaut sich John den Klub an, in dem seine Miranda zuletzt gestrippt hat. Es ist ein erheblicher Unterschied zwischen diesem Etablissement und dem sauberen bürgerlichen Umfeld, in dem er zusammen mit Miranda Sugarman in New York aufwuchs. Sie war seine Freundin, bis sie mit 18 Jahren nach New Mexico zog, um an einer Uni Medizin zu studieren. Sie wollte Augenärztin oder so was werden.

Doch statt einer erfolgreichen Karriere fand sie zehn Jahre später in der Silvesternacht auf dem Dach dieses drittklassigen Schuppens den Tod – durch zwei Kugeln in den Hinterkopf, die ihr Gesicht zur Unkenntlichkeit zerfetzten. Der Manager der „Sin Factory“, Wayne Lance, identifizierte sie und die Polizei machte einen DNS-Vergleich. Und der kleingewachsene Obermacker hat es überhaupt nicht gern, wenn ein Privatschnüffler seine Damen blöd anquatscht. Ray, der Türsteher-Gorilla, schmeißt John denn auch flugs wieder auf die Straße.

Etwas ist oberfaul an diesem Laden, sonst hätten die Betreiber nicht solche Angst. John fragt Leo Hauser, den Besitzer der Privatdetektei und Johns Mentor und Lehrer. Leo ist ein ehemaliger Streifenpolizist und hat jede Menge Kontakte. Leo rät ihm: „Blake, lass die Finger von diesem Fall. Es kommt nichts Gutes dabei heraus.“ Aber wie das mit alten Flammen so ist, hängt Johns Herz daran. Und er will Gerechtigkeit für Miranda.

Er findet heraus, dass Miranda seit mehreren Jahren mit Jocelyn Mastaduno, ihrer Zimmernachbarin am College, in Stripklubs des ganzen Landes aufgetreten war. Mit Hilfe einer hilfreichen Stripperin aus der „Sin Factory“ namens Susan Feuer – Künstlername: Rachel Firestone – kann er sich ein Video von der Nummer dieser beiden Damen beschaffen und ist hingerissen. Miranda und Jocelyn bringen eine aufregende Nummer aufs Parkett. Sie sehen einander zum Verwechseln ähnlich, wie zwei Schwestern. Wow! Kein Wunder, dass sie es bis nach New York City schafften. Doch Jocelyn ist seit Jahren verschwunden. Ihr Vater bittet John, sie ebenfalls zu suchen. Und vielleicht führt die Spur von Jocelyn ihn zu Miranda.

Der Grund, warum Wayne Lance solche Angst hat, ist ihm auch bald klar. Es sind die beiden Betreiber der Sin Factory, Mirko und Mitchell Catchadurian, aus New Jersey. Sie sind Drogendealer und noch einiges anderes. Susan erzählt, ihr habe Miranda an ihrem letzten Abend gesagt, sie habe Angst vor den beiden Mirkos, denen ein wirklich übler Ruf anhängt. Im Klub von Zenobia Selva lernt John einen Narbigen kennen, der bestätigt, dass die Mirkos im Drogengeschäft hängen. Bei ihnen sei kürzlich eingebrochen worden, und dabei erleichterten die zwei Einbrecher den Senior um eine Million Dollar, die Senior an ein kolumbianisches Kartell zahlen sollte. Jetzt ist das Geld immer noch verschwunden, obwohl die beiden Einbrecher schnell unter der Folter gestanden und dann den Fischen hallo sagten. Und sie belasteten Miranda Sugarman schwer.

John klingen die Ohren: seine süße Miranda – eine Drogendealerin? Aber stimmt diese Story denn? Er will sich mit den Catchadurians treffen. Es dauert nicht lange bis zu einer ernsten Unterredung in einer schwarzen Limousine. Dann hat John einen neuen Auftraggeber. Er soll Jocelyn finden – und die Million. Sonst kann er ebenfalls den Fischen hallo sagen, kapiert?

_Mein Eindruck_

Die Geschichte ist eine typische Hardboiled-Detektivstory, wie man sie von Raymond Chandler nicht besser hätte erwarten können (höchstens mit ein paar zynischen Bemerkungen über Reiche und korrupte Polizisten). Es treten auf: ein Privatdetektiv mit dem Herz auf dem rechten Fleck sowie der Fähigkeit, jede Menge Prügel einzustecken; eine Stripperin mit einem goldenen Herzen, die verblüffende Fähigkeiten als Detektivin an den Tag legt; finstere Gestalten von der falschen Seite des Gesetzes; sowie jede Menge Rätsel, die gelöst werden wollen. Für Überraschungen ist also gesorgt.

Den erwachsenen, männlichen Leser bzw. Hörer interessiert am meisten das erotische Milieu der Stripklubs, und dabei wird er vom Autor voll bedient. Nach leisen Ouvertüren kommt es endlich zum Höhepunkt in jener Szene, als John Blake das Video vom Auftritt Mirandas und Jocelyns „begutachtet“. Er ist hingerissen, und der Leser bzw. Hörer ist es hoffentlich auch. Ich war ebenfalls recht angetan von den erotischen Szenen.

Das eigentliche Thema ist jedoch dem kriminalistischen Plot unterlegt oder vielleicht besser gegenübergestellt. John, aus dessen Blickwinkel wir das Geschehen erleben, fragt sich von Anfang an, wie es nur dazu kommen konnte, dass Miranda ihr Leben ausgerechnet auf dem Dach eines drittklassigen Stripschuppens aushauchte. Sie hatte doch Augenärztin werden wollen. Nun ja, und er hatte Literatur studiert, bevor er sich von Leo Hauser zum Privatschnüffler ausbilden ließ. Schon seltsam, wie sich die Jugendträume in nichts auflösen und alle Hoffnungen sich ins Gegenteil verkehren. Das Dingsymbol dafür ist ein ausgestopfter oder künstlicher Papagei, den John in seinem Kinderzimmer hatte. Am Schluss findet er ihn auf dem Sperrmüll an der Straße. Was wird er damit tun?

Diese Story wäre nicht so wahnsinnig aufregend, wenn es im letzten Drittel nicht die längst überfällige dicke Überraschung gäbe. Der aufmerksame Leser bzw. Hörer hat sich, was dann kommt, schon zusammenreimen können, doch unser Held war mal wieder zu beschäftigt, um zwei und zwei zusammenzuzählen. Vielleicht lag es an seinen gebrochenen Rippen, die ihn von einem Blick auf die schreckliche Wahrheit ablenkten, der er nun ins Gesicht sehen muss …

|Der Sprecher|

Reiner Schöne war schon vor 30 Jahren in den Hörspielen des Bayerischen Rundfunks zu hören, so etwa in der Titelrolle als Paul Cox. Seine Stimme ist „männlich herb“, tief und etwas rau, also genau richtig für ein kriminelles Milieu, in dem die Sitten ebenso rau sind. Er kann heiser auflachen, aufgebracht aufschreien, und zwar sowohl in einer männlichen wie einer weiblichen Rolle. Einmal muss er stottern und flüstern, und Susan alias Rachel muss er natürlich verführerisch klingen lassen. Null problemo.

Für die Charakterisierung der Figuren steht ihm allerdings nur ein begrenztes Instrumentarium zur Verfügung. Die Charakterisierung erfolgt eher durch Situationen und Emotionen, die eine entsprechende Ausdrucksweise, wie oben aufgelistet, erfordert.

_Unterm Strich_

Ein sentimentaler Privatdetektiv, der seiner verlorenen Jugendliebe Gerechtigkeit zu verschaffen sucht – dieses Unternehmen muss einfach schiefgehen in einer Welt, die keine Hoffnungen mehr hat und und keine Moral. Folgerichtig muss John Blake einige harte Wahrheiten erkennen und dabei erwachsen werden, ganz besonders durch eine Begegnung im letzten Drittel, mit der er nicht gerechnet hat. Aber er findet in Susan, der Stripperin, nicht nur eine vortreffliche Berufskollegin, sondern auch eine Partnerin, die ihm wieder Hoffnung gibt.

Leider ist der Verlauf der Story für den gewieften Krimikenner ziemlich vorhersehbar. Es gibt eine Reihe von Hinweise, die unser Held nicht erkennen will – oder einfach verdrängt. Es gibt ein paar Konfrontationen, aber fast keine Dramatik, was ich wirklich schade finde. Die Zutaten des Plots sind also nicht gerade umwerfend. Die hauptsächliche Würze liegt für den Connaisseur in dem, was schon der Titel ankündigt: Stripperinnen in rauen Mengen. Aber es gibt solche, die gar keine sein wollen. Gehörte Miranda Sugarman zu dieser Gruppe, wie John Blake immer noch hofft? Das soll nicht verraten werden.

|Das Hörbuch|

Reiner Schöne ist fast schon die Idealbesetzung als Erzähler dieser Hardboiled-Krimis, die |Argon| jetzt bringt. Es mag ihm zwar etwas an Flexibilität hinsichtlich seiner Stimme fehlen, aber dafür ist seine Ausdrucksfähigkeit hinsichtlich bestimmter Szenen und Emotionen sehr vielseitig. Er könnte die Figuren aber noch etwas besser charakterisieren.

Diese neue Reihe des |Argon|-Verlags ist für unvoreingenommene Leser von Krimis, die auf Bildungsanspruch pfeifen, ein gefundenes Fressen, und ich werde sicher noch weitere Titel der Reihe vorstellen.

|Originaltitel: Little girl lost, 2004
Aus dem US-Englischen übersetzt von Conny Lösch
287 Minuten auf 4 CDs
ISBN-13: 978-3-86610-538-6|
http://www.argon-verlag.de
http://www.rotbuch.de

James, Peter – So gut wie tot (Lesung)

_Packender 9/11-Krimi: die Katastrophe als kriminelle Chance_

Zwei Frauenleichen. Die eine wird in einem Abwasserkanal nahe Brighton gefunden, die andere aus einem schlammigen Fluss in Australien gezogen. Und doch hatten beide Frauen etwas gemeinsam: Sie waren mit ein und demselben Mann verheiratet. Dieser Kleinkriminelle aus Brighton kam offenbar bei den Anschlägen vom 11. September ums Leben. Während sich der Cop Roy Grace auf die Suche nach einem Toten macht, rennt in Brighton eine junge Frau um ihr Leben. Auch sie verbindet etwas mit Ronny Wilson …

_Der Autor_

Peter James ist Schriftsteller und Filmproduzent, liebt schnelle Autos und hat ein Faible für das Übersinnliche. Er lebte lange Jahre in den USA und war dort als Drehbuchautor und Filmproduzent tätig. Mittlerweile leitet er seine eigene Filmproduktionsfirma in England. Er lebt in Sussex und in London. Mehr Info: www.peterjames.com (ohne Gewähr). (Verlagsinfo) Als Hörbücher werden bereits „Stirb schön“ und „Nicht tot genug“ von |Argon| angeboten.

Peter James auf |Buchwurm.info|:

[„Stirb ewig“ 3268
[„Stirb schön“ 3154
[„Stirb schön“ 3680 (Lesung)
[„Nicht tot genug“ 4844 (Lesung)
[„Mein bis in den Tod“ 2493
[„Wenn er fällt, dann stirbt er“ 1391

_Der Sprecher_

Hans Jürgen Stockerl studierte Schauspiel an der Neuen Münchner Schauspielschule Ali Wunsch-König. Neben seiner Theater- und Fernsehkarriere ist Stockerl als gefragter Hörbuch- und Hörfunksprecher tätig, dessen markante Stimme u. a. im Bayerischen Rundfunk, ZDF, WDR und DeutschlandRadio zu hören ist.

Regie führte Vera Teichmann.

_Handlung_

Am 11. September 2001 trifft der englische Geschäftsmann Ronny Wilson in New York City ein, um seinen früheren Geschäftspartner Donald Hatcook aufzusuchen. Ronny ist durch seine erfolglosen Geschäftsideen total abgebrannt, Donald ist seine letzte Hoffnung. Aber in seiner Aktentasche hat Ronny wie stets wertvolle Briefmarken bei sich. Um 8:47 Uhr befindet er sich noch etwa einen Block vom World Trade Center entfernt, in dessen Südturm Hatcook sein Büro hat, als ein Flugzeug in den Nordsturm einschlägt. Eine Art Erdbeben erschüttert die Straße, Rauch weht wie eine Fahne über den East River und Trümmer beginnen auf die Straße zu fallen.

Doch unverzagt zerrt Ronny seinen Rollkoffer und die Aktentasche weiter. Wenn bloß nicht die Feuerwehr und die Polizei alles absperren! Schneller! Da rast ein zweites Flugzeug in den Südturm, noch ein Erdbeben grollt durch die Straßen, es regnet Trümmer. Als ein abgetrennter menschlicher Arm Ronny vor die Füße knallt, bleibt er endlich stehen. Es regnet Menschen. Sie platzen auf dem Asphalt. Endlich kehrt Ronny um und macht, dass er wegkommt. Falls er in dem Staubsturm draußen irgendetwas sehen kann. Wenige Stunden später kommt ihm eine geniale Idee, wie er mit einem Schlag alle seine Probleme lösen und seine zahlreichen Gläubiger loswerden kann …

|Die Tote im Fluss|

Im September 2007 findet ein australisches Pärchen, das einen Ausflug macht, in einem Fluss bei Melbourne per Zufall ein Autowrack. In dessen Kofferraum findet die Polizei eine Frauenleiche, die bestialisch stinkt. Das gebrochene Zungenbein verrät den Cops, dass sie erdrosselt wurde. Durch ihre Brustimplantate kann die Gerichtsmedizin herausfinden, dass sie aus Brighton in England stammt. Schon bald wird Interpol in Brightons Polizeistation anrufen, um nach der Identität der ermordeten Schwangeren zu fragen.

|Das Skelett im Schacht|

Oktober 2007. Detective Superintendent Roy Grace von der Kripo Brighton & Hove ist schwer genervt. Ausgerechnet am jenem Freitagnachmittag, an dem er seiner Angebeteten Cleo Murray eine schöne Überraschung bescheren wollte, kriegt er einen neuen Fall zugeteilt: ein Skelett in einem Abwasserkanal. Na, prächtig. Genau das, was er fürs Wochenende brauchte. Doch das Skelett stellt sich als das einer jungen Frau heraus, die höchstens 30 Jahre alt war und vor höchstens zehn Jahren starb. Und sie wurde ebenfalls erdrosselt.

Roy Grace beschleicht ein schrecklicher Verdacht: Könnte es sich um seine vor neun Jahren spurlos verschwundene Frau Sandy handeln? Erst die Untersuchung des Gebisses der Toten widerlegt diesen furchtbaren Verdacht. Aber wer ist die Tote dann? Sie stellt sich als Joanne Wilson heraus, von der in ihrem Bekanntenkreis allgemein angenommen wurde, sie sei nach ihrer Scheidung von Ronny Wilson nach Los Angeles gezogen, um dort Schauspielerin zu werden. Nur dass sie dort offenbar nie ankam. Merkwürdig ist aber auch, dass Lorraine Wilson, Ronnys zweite Frau, Mitte 2002 von einer Kanalfähre in den Tod gesprungen sein soll. Und das, nachdem sie die Lebensversicherung für Ronny ausbezahlt bekam, der beim Einsturz des World Trade Centers am 11. September 2001 ums Leben kam.

Wenn Roy Grace die Faktenlage anschaut, beschleicht ihn der Verdacht, dass hier etwas nicht stimmt. Er beschließt, nach New York zu fliegen und schickt zwei seiner Leute nach Melbourne, um sich die dortige Tote anzusehen.

|Zwangslage|

Unterdessen gerät Abigail Dawson, 27, die gerade aus Australien zurückgekommen ist, in eine lebensbedrohliche Lage. Ihre Wohnung liegt im achten Stockwerk eines Hauses in Brighton. Das Treppenhaus ist jedoch von Handwerkern blockiert worden, weshalb sie den Aufzug nehmen muss. Kaum ist sie damit losgefahren, bricht eines der Halteseile. Der Lift stürzt ein Stück ab, bevor er sich verkeilt. Das Telefon im Lift ist defekt.

Erst neun Stunden später bekommt sie auf ihrem Handy eine Netzverbindung und versucht die Polizei oder Feuerwehr zu erreichen. Doch als Erstes entdeckt sie eine SMS auf ihrem Mobiltelefon: „Ich habe dich gefunden.“ Abby ist seit ihrer Abreise aus Melbourne auf der Flucht, mit wertvoller Beute. Wenn der Mann, vor dem sie flieht, sie gefunden hat, dann steckt sie in ernsten Schwierigkeiten.

Und erst Stunden später wird sie von der Feuerwehr herausgeholt. Kein Wunder, dass sie dem Reporter von der Lokalzeitung keinesfalls ein Interview geben will. Und seinen Fotografen lässt sie erst recht nicht knipsen. Aber alles hilft nichts, als der Briefkurier, den sie bestellt hat, sie k. o. schlägt und fesselt. Ricky will das wiederhaben, was sie ihm geklaut hat. Um jeden Preis …

_Mein Eindruck_

Peter James ist ja schon ein Routinier. Er hat sich mit unheimlichen Mystery-Thrillern einen Namen gemacht, sich aber seit wenigen Jahren aus dieser Nische herausgeschrieben, weil die Nische momentan ziemlich out ist. Horror im Alltag? Kann jeder beim Stadtausflug erleben. Bessere Ideen weisen da schon seine neuen Krimis „Stirb ewig“, „Stirb schön“ und „Nicht tot genug“ auf.

|Im Schatten der Hauptstadt|

„So gut wie tot“ ist bereits der vierte Krimi um Detective Superintendent Roy Grace, der vor neun Jahren seine Frau Sandy auf mysteriöse Weise verlor. Der Autor schildert den Schauplatz Brighton und Sussex, als ob er selbst dort leben würde. Er weiß sogar, dass es dort eine große Schwulenkolonie gibt. Und die Nähe zu London und den Vergnügungen der Metropole schimmert stets am Horizont des Geschehens in den Romanen durch.

Roy Grace kriegt so manches von den Verbrechen der Hauptstadt mit. Diesmal muss er sich mit einem von der Londoner Metropolitan Police importierten Konkurrenten herumschlagen. Cassian Pewey erweist sich als schlechter Verlierer und will Grace am Zeug flicken: Er stellt eigenmächtig Ermittlungen in Sachen Sandy an und würde sogar Graces Garten umgraben lassen. Das ist natürlich in den Augen des Betroffenen eine Ungeheuerlichkeit, und sie führt im Showdown um ein Haar zu tragischen Folgen.

|Ground Zero|

Der eigentliche Grund, warum der Autor dieses Buch geschrieben hat, ist der Dreh- und Angelpunkt der Handlung: die Szene vor dem World Trade Center zur Stunde, als die zwei Flugzeuge in die Türme fliegen. In der Tat ist diese grauenerregende Szene so deutlich und ausgedehnt dargestellt, als wäre der Leser oder Hörer selbst vor Ort und könnte das Donnergrollen hören und die fallenden Menschenleiber sehen, den Rauch riechen und die Sirenen heulen hören.

Dieser Ort wird dreimal gezeigt, was alleine schon seine zentrale Bedeutung belegt. Beim zweiten Mal ist Ronald Wilson an der Stätte der Verwüstung, um vorgeblich den Suchmannschaften zu helfen, Dinge zu finden, die der Identifikation der Opfer dienen. Doch in Wahrheit entsorgt er dort nur sein Handy und seine Brieftasche. Die Schuttberge sind meterhoch, die Szene surreal, die Wahrheit ein schattenhaftes, leicht formbares Ding. Hier kann Ronny Wilson leicht verschwinden, indem er die Identität wechselt.

Beim dritten Mal, dass uns Ground Zero gezeigt wird, ist DS Roy Grace sechs Jahre später am Ground Zero und betrachtet die gereinigte Trümmerstätte zwischen den wiederhergestellten Gebäude ringsum. Es ist ein völlig anderer Anblick, und doch gehört er in diese Dreierreihe, die eine Art Zeitlinie und dramatische Konstante in der Handlung darstellt. Anhand der Reaktionen der Angehörigen stellt der Autor dar, welchen emotionalen Eindruck dieser geschichtliche Einschnitt hinterlässt. Lorraine Wilson, Ronnys Frau, steht hierbei in erster Reihe. Es ist wichtig, dass der Leser bzw. Hörer an ihrem Schicksal Anteil nimmt, denn sie taucht immer wieder in der nonlinear erzählten Geschichte auf.

|Briefmarken als Währung|

Das zweite wichtige Element ist die beständig untermauerte Vorstellung, dass seltene Briefmarken nicht nur eine beständige Wertanlage seien, sondern zudem eine gute Methode, um steuerfrei Einkünfte zu unterschlagen und sogar um Geld zu waschen. Die Stücke sind handlich und leicht zu verstecken, etwa in Büchern. Zudem gibt es anscheinend noch keine Polizeihunde, die auf Briefmarken abgerichtet wurden, im Gegensatz etwa zu Banknoten. Daher dürfte dieser Krimi unter Briefmarkensammlern schnell Kultstatus erreichen.

Der Haken beim Sammeln und besonders beim Verkaufen sind natürlich die Experten und Händler, die den Wert der Stücke taxieren. Darunter finden sich in dem Roman etliche schwarze Schafe, aber auch rechtschaffene Leute. Immer wieder gerät Abby Dawson an die Falschen, die sie übers Ohr hauen wollen, und natürlich an den fiesen, brutalen Ricky Scaggs, der vor keiner Schandtat zurückschreckt, um das, was er „seine Sammlung“ nennt (die er selbst gestohlen hat), wiederzubekommen. Ricky führt Abby und Roy Grace in einem knifflig inszenierten Showdown zusammen – und macht es seinen Häschern alles andere als einfach, ihn zu erwischen.

Abby Dawson ist die dritte Hauptfigur neben Ronny Wilson und Roy Grace und daher mit einem separaten Handlungsstrang geehrt. Dramatische Szenen muss sie durchleiden, bevor alles wieder ins Lot kommt. Aber wie Ricky und Roy Grace fällt es uns schwer, ihr zu glauben, dass sie die millionenschwere Briefmarkensammlung nur dafür verwenden will, ihrem kranken Mütterlein Mary ein angemessenes Zimmer im Altenpflegeheim zu besorgen und zu bezahlen. Ganz recht: Auch wir sollten nicht den Fehler machen, ihr dies zu glauben. Denn Abby hat einen gerissenen Plan, um Ricky gegen Roy Grace auszuspielen …

|Der Sprecher|

Hans Jürgen Stockerl hat eine sehr angenehm klingende Stimme, sonor und tief, aber alles andere als rau. Er kann zwar nicht so gut die Tonlage variieren, um weibliche Stimmen deutlich höher klingen zu lassen, aber dieses kleine Manko macht er leicht wieder wett, indem er die Lautstärke wechselt und/oder das Tempo variiert. Außerdem gelingt es ihm recht gut, männliche Figuren durch unterschiedliche Stimmen zu charakterisieren. Der Polizist Norman Potting, der stets unangenehm durch politisch unkorrekte Bemerkungen auffällt, spricht tief, rau und etwas polternd laut.

Gerichtsmedizinerin Cleo Murray ist die Geliebte des Helden Roy Grace von der Mordkommission. Sie spricht zwar meist langsam und leise, aber dann macht sie stets auf verführerischste Weise einen netten Vorschlag, den Roy nicht ablehnen kann. Der Sprecher findet genau die richtige Tonlage, um sie echt statt klischeehaft klingen zu lassen. Man muss nur genau hinhören, um solche feinen Untertöne herauszuhören. Denn der Sprecher weiß, dass die Kunst in der Beschränkung liegt, nicht im Übertreiben. Deshalb hat es mich immer wieder gewundert, dass er sich zu lauten Rufen hinreißen lässt. Allerdings ist es schwierig, glaubwürdig um Hilfe zu schreien, wenn man dies nicht mit einer gewissen Lautstärke tut.

_Unterm Strich_

Dies ist der Thriller, den Peter James schon immer über 9/11 schreiben wollte. Endlich hat er es geschafft – und der Geschichte gleich einen interessanten Pfiff verliehen. Der 11. September 2001 war nicht nur ein geschichtlicher Wendepunkt, sondern auch eine günstige Gelegenheit für etliche Menschen, das eigene Glück zum Besseren zu wenden. Bekannt wurden Betrugsfälle, vernichtete Akten und Dateien. Ronny Wilson lässt sich gleich selber verschwinden – ein patenter Kniff, um den Gläubigern zu entgehen und neu anzufangen. Dennoch bleiben bei dieser Sache genügend Fragen offen, um den Leser bei der Stange zu halten.

Unter Briefmarkensammlern (ich bin selber einer) in aller Welt sollte dieser Roman Kultstatus erreichen, werden doch hier seltene Briefmarken nicht nur als Wertanlage präsentiert, sondern auch als einfache und handliche Methode, um Geld zu waschen und zu unterschlagen. Wer erstaunt ist, dass simple Stücke gummierten Papiers zehn- und hunderttausende von Pfund wert sein können, sollte mal in einen seriösen Katalog schauen. Wenigsten wird hier kein einziges Mal die blaue Mauritius erwähnt – das wäre dann doch zu abgedroschen.

Der Roman hat mir recht gut gefallen: eine wendungsreiche Story mit rätselhaften Funden, einem polizeiinternen Knatsch und einem clever eingefädelten Showdown. Leider kommt diesmal aufgrund der Kürzungen im Hörbuch die Erotik etwas zu kurz, die zwischen Roy Grace und seiner Gerichtsmedizinerin Cleo knistert. Dieses Element war in den vorausgegangenen Romanen stets ein ausgleichendes Gegengewicht zu Gewalt und Grauen, denen sich Roy Grace in seiner täglichen Arbeit stellen muss. Auch kommen diesmal Gewalt und Grauen außer in einer oder zwei Szenen nicht zur Geltung.

|Das Hörbuch|

Das Hörbuch wird von Hans Jürgen Stockerl kompetent gestaltet, aber auch er muss sich nicht der Sprachakrobatik eines Rufus Beck bedienen, um sein Soll zu erfüllen. Mir ist es viel lieber, wenn sich der Sprecher zurückhält und nur andeutet, wie die Figuren sich ausdrücken. Den Rest besorgt meine Vorstellungskraft. Deshalb fand ich es ziemlich auffällig, dass der Sprecher mehrmals laut ruft und sich in emotionale Aufregung versteigt. Erstaunlich war auch die Tonhöhe, in die er seine Stimme treiben kann. Diesmal stehen weibliche Figuren deutlich im Vordergrund, vor allem Abby Dawson.

|Originaltitel: Dead Man’s Footsteps, 2008
Aus dem Englischen übersetzt von Susanne Goga-Klinkenberg
397 Minuten auf 6 CDs
ISBN-13: 978-3-86610-607-9|
http://www.argon-verlag.de

[NEWS] Simon Beckett – Die ewigen Toten (David Hunter 6)

Nur Fledermäuse verirren sich noch nach St. Jude. Das stillgelegte Krankenhaus im Norden Londons soll in Kürze abgerissen werden. Doch dann wird auf dem staubigen Dachboden eine Leiche gefunden, eingewickelt in eine Plastikhülle. Die Leiche, das sieht Dr. David Hunter sofort, liegt dort schon seit langer Zeit. Durch das trockene Klima ist der Körper teilweise mumifiziert. Als der forensische Anthropologe den Fund näher untersucht, stellt er fest, dass es sich um eine Frau handelt. Eine schwangere Frau. Beim Versuch, die Tote zu bergen, entdeckt die Polizei ein fensterloses Krankenzimmer, das nicht auf den Plänen verzeichnet ist. Warum wurde der Eingang zugemauert, obwohl dort nach wie vor Krankenbetten stehen? Betten, in denen noch jemand liegt … (Verlagsinfo)

Ungekürzte Lesung: ca. 13 Std.
Sprecher: Johannes Steck
Argon

Beckett, Simon – Leichenblässe (Hörbuch)

_Im Visier: der Augen-Blick des Todes_

Ein Toter in einer Jagdhütte in den Smoky Mountains, USA. Die Leiche ist bis zur Unkenntlichkeit zersetzt. Sein alter Mentor Tom Lieberman bittet den forensischen Anthropologen David Hunter um Unterstützung. Die Hinweise, welche die beiden Experten finden, sind widersprüchlich. Jemand will David Hunter in die Irre führen, jemand, der viel näher ist, als er glaubt … (Verlagsinfo)

_Der Autor_

Simon Beckett studierte Anglistik und arbeitet seit 1992 als freier Journalist. Seine Reportagen dienten ihm zum Teil als Grundlage für den Thriller „Die Chemie des Todes“. Insbesondere seine Recherchen auf der sogenannten Body Farm, dem forensischen Trainingslager des FBI, flossen in den Roman mit ein.

Weitere Beckett-Romane:

– [Kalte Asche 4205
– [Die Chemie des Todes 2355
– Obsession (4/09)
– Feuerbrut (10/09)

_Sprecher & Produktion_

Johannes Steck, geboren 1966 in Würzburg, ist Absolvent der Schauspielschule Wien. Von 1990 bis 1996 hatte er Engagements an verschiedenen Theatern. Dem breiten Publikum ist er vor allem aus dem TV bekannt. Er spielte in zahlreichen TV-Serien. Steck arbeitet zudem als Radio-, Fernseh- und Synchronsprecher. Er hat schon zahlreiche Hörbücher gelesen.

Regie führte Lutz Magnus Schäfer, der auch den Text bearbeitete. Die Musik trugen Chris Anderson und Thomas Hien bei. Den Ton steuerte Tobias Pfister.

_Handlung_

David Hunter, der forensische Anthropologe aus London, tritt aus dem Maschendrahtkäfig, in dem die Leiche von Earl Bateman aus Memphis, Tennessee, liegt und friedlich vermodert. Obwohl es noch kühl ist in Knoxvolle am Rande der Smoky Mountains von Tennessee, schwitzt David bereits. Rings um ihn herum liegen Leichen im Unterholz, manche sogar vergraben oder in Autowracks abgelegt. Dies ist die weltweit bekannte Body Farm, die erste von dreien in den USA: Hier studiert das Center für forensische Anthropologie den Verwesungsprozess, um Verbrechen besser aufklären zu können, ganz besonders anhand der Bestimmung des Todeszeitpunkts. Geleitet wird das Institut von Davids Mentor Tom Lieberman. Tom will einen Sensor für den Geruch von Leichen entwickeln, aber von der Theorie bis zur Praxis ist es noch ein weiter Weg.

Tom kriegt einen Anruf vom Tennessee Bureau of Investigations, dem LKA des Bundesstaates: Eine Leiche wurde bei Gatlinburg in den Bergen gefunden. Er nimmt David mit, um ihm ein wenig zur Hand zu gehen. Obwohl David keinerlei offizielle Funktion bei einer Ermittlung hat, darf er als inoffizieller Mitarbeiter von Liebermann die Absperrung am Tatort passieren. Der lokale TBI-Sonderermittler Dan Gardner nimmt die beiden in Empfang, Agentin Diane Jacobson vom TBI assistiert ihm. Der Pathologe Hicks hat vorerst nichts gegen Davids Präsenz einzuwenden, aber das wird sich schon bald ändern.

Die Spurensucher sind in einer der Jagdhütten zu finden, die abgesperrt ist. Von dort dringt bereits infernalischer Leichengeruch nach draußen. Die Leiche selbst ist nackt, aber an Händen und Füßen gefesselt und stark verwest. Und das schon nach fünf Tagen? Das können sich Tom und David nicht erklären. Der grauenerregende Zustand würde eine Verwesung von mindestens doppelt so langer Zeit erwarten lassen. Es könnte sich um den Mieter Terry Loomis handeln.

Der Profiler Prof. Alex Irving hat seinen großen Auftritt und erklärt die Leiche selbstsicher und theatralisch zum Werk eines homosexuellen Serienmörders. Der Tatort wurde offenbar inszeniert. Einwände der Psychologin Jacobson schmettert Irving lächelnd ab. Dann sind seine fünf Minuten Ruhm vorüber und er geht zum nächsten TV-Interview für seinen gerade erschienenen Bestseller über Serienmörder: „Broken Egos“. David kann Irving nicht leiden. Auf einer Filmdose findet sich ein Fingerabdruck, der als der von Willis Dexter identifiziert wird. Aber der ist schon längst tot, oder?

Tom fährt am nächsten Tag mit David zum Bestattungsinstitut Steeple Hill mit angeschlossenem Friedhof. Hier findet die Exhumierung von Willis Dexter statt, der vor sechs Monaten bei einem Autounfall gestorben sein soll. Doch die Leiche im Sarg ist nicht die eines Weißen, sondern die eines Schwarzen, wie David als Erster erkennt. Hat der Bestattungsunternehmer York eine Erklärung für die falsche Leiche? Nein, hat er nicht, und er protestiert heftig gegen jedwede Verdächtigungen. Nun, meint Tom Lieberman, Willis Dexter hat ein todsicheres Alibi, dass er nicht der Mörder von Loomis ist. Aber wo ist dann eigentlich Dexters Leiche?

David hat das bestimmte Gefühl, dass er und Tom an der Nase herumgeführt werden. Alle diese Leichen wurden inszeniert und für sie, die Anthropologen, hergerichtet: präpariert. Und zwar von jemandem mit einer gehörigen Portion Sachverstand. Die Leiche des Schwarzen sticht den forensischen Mitarbeiter Kyle Webster in die Hand, als er sie bewegen will. Sofort besteht die Gefahr einer Infektion, und Tom schickt Kyle zur Behandlung. Beim Röntgen findet er nicht weniger als 13 Nadeln an strategisch fies platzierten Stellen. Sie alle sollten die Leute stechen, die die Leiche handhaben würden. Und dieser Schwarze starb lange vor Loomis: Er war das erste Opfer. Immer weitere Rätsel.

David arbeitet bis spätabends, um Tom Lieberman, der fast 70 ist und an einer Herzkrankheit leidet, zu entlasten. Als er auf den Parkplatz vor der Leichenschauhalle tritt, blendet ihn ein Lichtstrahl aus einer Taschenlampe. Es scheint ein Wachmann zu sein, der ihn da anstrahlt, dessen Gesicht er aber nicht sehen kann. David muss sich ausweisen und darf dann gehen. Komischer Typ, dieser Wachmann. Verstellt auch noch seine Stimme.

Am nächsten Morgen wird Alex Irving, der telegene Professor, von seiner Haushälterin vermisst. Irving führt jeden Morgen seinen Hund, einen Labrador, im Park Gassi, doch die blutige Eisenstange neben der Leiche des Hundes lässt das Schlimmste erwarten. Die Fingerabdrücke auf der Stange gehören jedoch zu einem Berufsverbrecher namens Noah Harper, der seit Monaten vermisst wird. David zählt zwei und zwei zusammen: Noah Harper ist die exhumierte Leiche aus dem Friedhof. Tatsächlich bleibt die Haut an der Hand eines Toten, richtig behandelt, selbst noch Monate nach dem Ableben ihres Besitzers individuell verschieden, so dass sie Fingerabdrücke liefern kann. Als David eine solche Handhaut an seiner Windschutzscheibe findet, fasst er dies als Herausforderung seines Gegners auf.

Dann beginnen weitere Menschen zu verschwinden, ganz in Davids Nähe …

_Mein Eindruck_

Schade, dass ich „Kalte Asche“ noch nicht kenne, denn die Art und Weise, wie David Hunter in „Leichenblässe“ seine Verletzungen, die er in diesem Abenteuer erlitt, beschreibt, lässt darauf schließen, dass die Ereignisse in „Kalte Asche“ sehr traumatisch für ihn gewesen sein müssen. Kein Wunder, dass sein Selbstbewusstsein schwer angeknackst ist. Dass er nur ein Gast an Tom Liebermans Institut ist, lässt man ihn mehrfach spüren. Daher bleibt es nicht aus, dass er Tom vorschlägt, umgehend abzureisen. Zum Glück gelingt es Tom, den Abreisetermin eine Woche hinauszuzögern. Sonst wäre nämlich alles noch schlimmer gekommen (und wir hätten die ganze Action verpasst, menno!).

|Der Moment des Todes|

Diesmal haben es David und Tom mit einem skrupellosen Serienmörder zu tun, der ebenso gut ist wie sie. Er führt sie an der Nase herum und prahlt damit, wie gut er ihr eigenes Handwerk versteht. Er sucht nach Anerkennung von den Besten ihres Fachs. Aber er ist seit seinem 17. Lebensjahr auf einer unheimlichen Mission, die schon zahlreiche Opfer gefordert hat (meist Landstreicher und Prostituierte, die niemand so schnell vermisst): Er will den Augenblick des Todes im Bild festhalten, um herauszufinden, wann die Seele (nach Platon, Aquinus und Kierkegaard, die er alle gelesen hat) den Körper verlässt. Denn der Körper ist nur das Ding und Substrat, in dem sich der Geist bzw. die Seele vorübergehend einnistet, bevor sie wieder in ihr Reich zurückkehren. Seelenwanderung ist ein naheliegender Begriff.

Um den Augenblick festzuhalten, hat er nicht nur eine raffinierte Tötungsvorrichtung gebaut, sondern auch eine Hochleistungskamera aus deutscher Wertarbeit gekauft. Doch trotz all der vielen Opfer ist es ihm offenbar nie richtig gelungen, die Geduld oder die Geistesgegenwart aufzubringen, um exakt jenen wesentlichen Augenblick des Todes festzuhalten. Als David später einem Sterbenden in die Augen blickt, kann er diesen Moment nicht sehen. Ist der Killer also einem Hirngespinst nachgejagt?

Die Idee, dass es diesen Moment gar nicht geben könnte, würde er entrüstet weit von sich weisen, denn er habe ja schließlich diesen Blick erhascht, als eine Frau, die Opfer eines Unfalls wurde, direkt vor seinem Fenster starb. Was könnte sich besser als Studienobjekt eignen als eine Gebärende, die im Augenblick der Geburt stirbt? Bei dieser Vorstellung stellen sich nicht nur Paul Avery und David Hunter die Nackenhaare auf.

|Finale|

Auf die typische Beckett-Weise führt uns der Autor erst in die Irre, um sodann mit voller Wucht zuschlagen zu können. Schauplatz des Showdowns ist ein aufgelassenes Kurbad und Sanatorium am Rande der Smoky Mountains. Es erinnerte mich an Stephen Kings unheimliches Overlook Hotel in „The Shining“. Wie dort verwischen sich im Ex-Sanatorium die Grenzen von Schein und Wirklichkeit, von Leben und Tod. Es ist das ultimative Schlachtfeld, auf dem wirklich alles passieren kann. Hier zeigt sich, wie der Autor uns in die Irre geführt hat, so wie es der Killer auch mit David tut. Das ist ein raffinierter Einsatz der subjektiven Erzählperspektive.

|Stimme im Kopf|

Aber der Autor geht noch weiter. Es ist nicht so, dass wir immer nur so viel wissen wie David, sondern wir erhalten Einblick in die Psyche des Täters. Mit einem Trick wird sie geschildert. Der Autor tut so, als würde das Gewissen des Täters mit seinem Bewusstsein sprechen, sozusagen als besserwisserische und tadelnde zweite Stimme in seinem Kopf. Vielleicht ist der Täter ja wirklich ein wenig schizoid. Es würde uns nicht wundern.

|Der Sprecher|

Wie schon in „Die Chemie des Todes“ legt sich Johannes Steck ins Zeug, um die Figuren zum Leben zu erwecken. Mit den unterschiedlichen Tonhöhen versteht er es, die weiblichen Figuren deutlich von den männlichen zu unterscheiden. Die Assistentin namens Summer spricht höher und wesentlich schneller als jeder Mann in ihrer Nähe. Auch Candy, Sam und Mary reden ganz anders als die „Jungs“. Nur Diane Jacobson, die TBI-Ermittlerin, ist eine Ausnahme von der Regel. Sie ist stets sehr ernsthaft und hat fast die gleiche Stimmlage wie einer ihrer Kollegen.

Zu diesen Kollegen gehört zunächst Dan Gardner, der Leitende Sonderermittler des TBI in Knoxville. Er spricht tief und langsam, wenn er zornig ist, auch etwas grollend. Der Pathologe Hicks klingt wie ein quengelnder kleiner Junge, dem man sein Lieblingsspielzeug weggenommen hat. Ebenso wenig voll nehmen kann man auch den telegenen Professor Alex Irving. Er liebt es, gelehrt zu dozieren und geschwollen daherzuschwallen, dass man schier den Verstand verliert. Und was er von sich gibt, ist meist hanebüchener Unsinn, und das trägt ihm die Abneigung Davids und Tom Liebermans ein. Der Autor und der Sprecher geben diese Figur ganz klar jeder Kritik preis.

Am sympathischsten sind David Hunter und Tom Lieberman, ganz klar. Doch sie sind nicht unfehlbar, denn wie der Handlungsverlauf zeigt, sind sie doch keine Hellseher. Daher kommt es zur Entführung der hochschwangeren Gattin von Paul Avery, Tom Liebermans designiertem Nachfolger als Institutsleiter der Body Farm. Im Zuge der Suche nach Samantha dreht Paul Avery schier durch. Jetzt läuft der Sprecher zur Höchstform auf. Der Hörer muss sich auf emotionale Ausbrüche gefasst machen. Nicht nur einmal hört man den Sprecher brüllen und rufen, als er Avery darstellt. Mehr darf nicht über das Finale verraten werden. Aber es ist höchst hörenswert.

|Die Musik|

Die Hintergrundmusik, die das Duo Chris und Tom beiträgt, ist stets nur am Anfang einer Szene zu hören und stützt so die Stimmung, die für diese Szene benötigt wird. Daher kann die meist von akustischen Instrumenten produzierte Musik sowohl entspannend wirken, etwa in Davids Hotelzimmer, oder auch dunkel und bedrohlich.

Aber häufiger ist die entspannende, unterhaltsame Stimmung. Akustische Gitarren, eine Country-&-Western-Slide-Gitarre, Mandoline und eine gesummte Melodie sorgen für Auflockerung des mitunter recht grimmigen und grausigen Geschehens. Ob das immer so erwünscht ist, ist natürlich bei jedem Hörer verschieden. Manchmal störte mich die Musik.

Nur am Schluss ist ein Song in voller Länge zu hören. Ich habe die englischen Lyrics kaum verstanden, aber es schien um indianische Motive zu gehen. Etwas merkwürdig in der Landschaft von Tennessee (na ja, da gab’s auch mal Indianer). Geräusche gibt es keine. Das wäre auch zu viel des Guten gewesen.

_Unterm Strich_

Laut Leserstimmen hat es hier der Autor an Originalität fehlen lassen, und bei manchem Leser bzw. Hörer ist deshalb der Wow-Moment ausgeblieben. Das finde ich nicht, aber ich kenne ja auch „Kalte Asche“ nicht. Ich finde den Täter ebenso originell entworfen wie die clever eingesetzten Erzählperspektiven. Auch der Wow-Moment blieb nicht aus: Er stellte sich in der Sanatoriums-Szene ein.

Doch zwei Dinge haben mir gefehlt, um den Thriller zu einem perfekten Buch zu machen. Zum einen fehlt eine Lovestory wie mit Jenny Hammonds (David trauert seiner Ex nach). Auch die Pogrom-Stimmung von „Die Chemie des Todes“ fehlt hier völlig. Na ja, so einen feurigen Pfarrer wie Scarsdale findet man sicherlich selten – obwohl Bischof Williamson, der aktuelle Holocaustleugner, sicherlich gut dafür qualifiziert wäre.

|Das Hörbuch|

Johannes Steck arbeitet so gut wie eh und je, er legt sich wirklich ins Zeug, um die Figuren zum Leben zu erwecken und die unheimliche verdrehte Denkweise des Killers eindringlich darzustellen. Diesmal wird er von Hintergrundmusik begleitet, die ein wenig zu relaxed daherkommt, um ganz mit dem grausigen Geschehen harmonieren zu können. Geräusche gibt es wie stets bei Steck keine.

|Originaltitel: Whispers of the Dead, 2009
Aus dem Englischen übersetzt von Andree Hesse
451 Minuten auf 6 CDs
ISBN-13: 978-3-86610-594-2|
http://www.argon-verlag.de
http://www.rowohlt.de

Morrell, David – Creepers

_Action hoch zwei: Schatzsucher in der Todesfalle_

Asbury Park, New Jersey: In einer kalten Oktobernacht dringt eine Gruppe von fünf Abenteurern – sie selbst nennen sich Kulturarchäologen – in ein ehemaliges Luxushotel dieses fast ausgestorbenen Seebads ein. In dem halb verfallenen Gebäude ist die Vergangenheit unerwartet lebendig – und fordert von ihnen einen hohen Preis. Denn das Paragon Hotel hat immer noch Gäste. Die Nacht verwandelt sich in einen Albtraum, aus dem es für einige der fünf kein Entrinnen gibt …

_Der Autor_

Der Amerikaner David Morrell schreibt schon seit den siebziger Jahren Bestseller. Gleich sein Debütroman „First Blood“, in dem er die Figur des Vietnamveteranen John Rambo erfand, wurde mit Riesenerfolg verfilmt. Daher gilt der promovierte Literaturwissenschaftler Morrell inzwischen als Vater des Actionthrillers.

_Der Sprecher_

Stefan Kaminski wurde 1974 in Dresden geboren. Sein Schauspielstudium absolvierte er an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin. Seit 1996 ist er beim SFB/ORB als freier Schauspieler, Sprecher und Autor tätig. Am Deutschen Theater in Berlin spielte er zunächst als Gast, seit Januar 2003 gehört er fest zum Ensemble. Im |Hörverlag| ist er vor allem als Stimme von „Marvi Hämmer“ bekannt. Zuletzt vertonte er dort [„Septimus Heap“ 2469 auf beeindruckende Weise.

Die gekürzte Lesefassung erstellte Frank Bruder, der auch Regie führte. Die Aufnahme erfolgte im Berliner Studio „der apparat multimedia“.

_Handlung_

Statt in Kapitel sind die Abschnitte der Geschichte in Stunden eingeteilt. Um 21:00 trifft Frank Bellinger in dem abseits gelegenen Motel ein. Es ist der 24. Oktober 2005. Bellinger gibt sich als Journalist aus, als ihn Professor Robert Conklin einlässt und den anderen vorstellt. Das sind die rothaarige Cora und der muskulöse Rick Magell, ein Ehepaar, sowie Vincent Minelli, genannt Vinnie. Sie alle kennen sich von der Uni Buffalo, an der der Prof Literatur lehrt. Sie nennen sich Creepers, Infiltratoren.

Der Prof zieht es vor, sich als Großstadt-Paläontologen zu bezeichnen. Er riskiert heute Nacht zwar seine Karriere, aber er will Bellingers Artikel über sein Unternehmen in der Zeitung sehen. Jemand sollte den Amerikanern das Gedächtnis für ihre schwindende Kultur wiedergeben. Alles wird abgerissen, um schon wenige Jahre später durch etwas Neues ersetzt zu werden. Man nehme nur ihr heutiges Ziel: Das Paragon Hotel, 1901als Luxushotel in dem Seebad Asbury Park, New Jersey, errichtet, ist seit über 30 Jahren dem Verfall preisgegeben und soll nächste Woche abgerissen werden. Wahrscheinlich, um einen Supermarkt darauf zu errichten. Dabei steht in der Nähe sogar ein zehnstöckiges Wohnhaus leer.

Bellinger pfeift drauf, denn er hat anderes vor, aber das behält er für sich, und natürlich ist er kein Journalist. Um 22:00 Uhr geht’s los. Sie haben Ausrüstung dabei, die einem Team Höhlenforscher oder Bergsteiger alle Ehre gemacht hätte. Der Prof folgt einem Bauplan und lotst seine Gruppe durch die Entwässerungstunnel des in Strandnähe stehenden Hotels. Über ihnen ragt es wie eine Maya-Pyramide empor: Es sind sieben Stufen bis zur Spitze, wo das Penthouse sitzt. Eine verrückte Architektur, die sich nur ein Exzentriker wie Morgan Carlyle einfallen lassen konnte. Weil er ein Bluter war, traute er sich nie heraus und ließ sogar alle Fenster und Türen mit Läden aus stabilem Metall von innen versperren – daher der Umweg über den Tunnel. Es gibt keinen anderen Zugang.

Was die Studenten des Profs nicht wissen: Sowohl der Prof als auch Bellinger haben ihre geheimen Ziele. Wie er ihnen auf dem Weg verrät, sucht er nach dem Goldschatz eines Mafioso namens Carmine Danatta, der in den späten 20er und den 30er Jahren hier in einer exklusiven Suite wohnte. Er wurde 1940 erschossen und muss einen Berg von seltenen Goldmünzen hinterlassen haben. Aber keiner weiß, wo sich der Tresorraum dafür befindet. Höchstens Carlyle wusste es, doch der erschoss sich schon 1971 – seltsamerweise draußen auf dem Strand.

Mutierte Katzen und Ratten scheinen die einzigen Bewohner dieses verrotteten Kastens zu sein. In der feuchten Dunkelheit durchsuchen die Forscher einige Zimmer. Die morschen Dielenbretter geben plötzlich nach und Vinnie stürzt um ein Haar in die Tiefe. Sie können gerade noch retten. Da hören sie Stimmen, die ihnen gefolgt sind: drei junge Einbrecher. Und sie können mit ihren Nachtsichtbrillen sehr gut im Dunkeln sehen. Die Kerle wollen genau das, was auch der Professor will: das Gold der Mafia. Wie ernst es ihnen ist, demonstrieren Todd, Mac und J.D. sogleich an Rick …

Allerdings rechnet keiner in dieser illustren Gesellschaft damit, dass es noch zwei Bewohner des alten Kastens gibt. Der Herr des Hauses kennt sich hervorragend mit den Geheimgängen, Falltüren und Gucklöchern in den Zwischenwänden aus. (Wer weiß, was Carlyle alles in seinen vier Wänden beobachtet hat.) Der Herr des Hauses hat nicht vor, irgendjemanden entkommen zu lassen. Niemand darf von seinem Geheimnis erfahren. Und auf genau dieses Geheimnis hat es Frank Bellinger abgesehen.

_Mein Eindruck_

„Creepers“ ist wieder mal ein makelloser, perfekt gebauter Actionthriller vom Meister himself. Die Action beginnt nach einem langsamen Auftakt, der den Entdeckungen gilt: an Ort und Stelle, aber auch in der Vergangenheit des geschichtsträchtigen Hotels. Diese Vergangenheit scheint mit Leichen gepflastert zu sein, und sie stoßen auch auf die eine oder andere: mumifiziert. Und alle sind blond …

|Der Faktor X|

Richtig zur Sache geht es erst mit dem Auftauchen der drei Einbrecher. Das sind hammerharte Typen, die nichts anbrennen lassen, so dass sich unsere Infiltratoren schon bald in der Defensive wiederfinden und um ihr Leben bangen. Und Cora muss um mehr als ihr Leben bangen, denn Mac hat Gefallen an ihr gefunden. Der Triumph, den Tresorraum gefunden und geöffnet zu haben, verfliegt jedoch schnell, als sie entdecken, dass es noch jemanden im Haus geben muss.

Ein Gewittersturm schüttet Wassermassen durchs Oberlicht ins den Treppenschacht, die Treppen sind ebenso morsch wie die Zimmerböden. Jederzeit kann jemand durchbrechen. Diese Szenerie erinnerte mich stark an den Schluss von [„Blade Runner“, 1663 wo sich Harrison Ford und Rutger Hauer, der Letzte der Androiden, einen packenden Showdown liefern. Schauplatz ist das alte Bradbury Hotel (eine Hommage an Ray Bradbury, den Autor der Story „The day it rained forever“), und es gießt in Strömen. An einer Stelle bricht Hauer durch eine der morschen Wände und packt Ford an der Gurgel. Genau so hat man sich den Schauplatz des Paragon Hotel vorzustellen, nur ein klein wenig trockener – und viel explosiver …

|Ein Golfkriegsopfer|

Die wichtigste Figur ist Frank Bellinger. Seine Maske als Journalist verrutscht schon bald, als er zu viel von sich preisgibt. Das ist aber nichts gegen die hammerharte Story, die er Todd, Mac und J.D. erzählt, um seinen Hals als ihr wichtigster Helfer auf der Suche nach dem Mafiatresor zu retten. Der Mann war nicht nur im ersten, sondern auch im zweiten Golfkrieg! Und dort hatte er ein derart traumatisches Erlebnis, dass er es unbedingt loswerden muss. Die drei harten Jungs staunen nicht schlecht. Bellinger darf leben.

|Der Schauplatz|

Eine weitere Hauptperson ist das Hotel selbst. Obwohl es selbst nicht dämonisiert und mit einem Willen ausgestattet wird, so sorgen seine vergangenen und gegenwärtigen Herren für genügend Schrecken, um jede Menge Menschenleben zu fordern. Der Erbauer spielte einen unsichtbaren aber allgegenwärtigen Gott, als er seine Gäste ausspionierte. Doch der gegenwärtige Beherrscher der Pyramide hat ein weit weniger harmloses Hobby. Die beiden sind durch Vorfälle in den sechziger Jahren verbunden, die ich einem Leser bzw. Hörer erst ab 16 Jahren zumuten würde.

Geisterhäuser gibt es in der Horrorliteratur und im Film natürlich haufenweise. Man denke nur an Shirley Jacksons wunderbaren Gruselroman [„The Haunting of Hill House“ 368 (1959) und seine Verfilmungen. In jedem Fall entpuppt sich der Ort des schaurigen Geschehens als eine Versuchsanordnung, die man leichthin als Todesfalle bezeichnen könnte. In jedem Fall fördert eine schwere psychologische Prüfung zutage, aus welchem Holz die gefangenen Insassen geschnitzt sind.

In Frank Bellingers Fall bricht aus ihm die Vergangenheit im Golfkrieg hervor, im Fall der Einbrecher und des Prof hat man es auf den Mafiaschatz abgesehen – schnöder Mammon (im Wert von einigen Millionen Dollar). Doch das wertvollste Gut, das auf dem Prüfstand steht, sind natürlich Menschen – und ihre Vergangenheit. Werden sich die Überlebenden gegenseitig so helfen, dass sie a) überleben und b) auch dem Verletzten beistehen statt ihn zurückzulassen? Hat Solidarität eine Chance oder herrscht nur noch der nackte Überlebenstrieb?

|“Schwester Carrie“|

Vinnie erwähnt keineswegs zufällig (bei einem Literaturwissenschaftler kann so etwas kein Zufall sein) den Roman „Schwester Carrie“ des deutsch-amerikanischen Schriftstellers Theodore Dreiser (1871-1945). Veröffentlicht in England im Jahr 1901 (nach zahlreichen Änderungen) und in den USA erst 1908, beschreibt „Sister Carrie“ den Lebensweg einer 18-jährigen Frau (die auf seiner Schwester Emma beruht), die aus dem Mittelwesten in die Großstadt zieht. Deren Werte sind völlig andere als in ihrer Heimat und schon bald hat sie als „gefallene Frau“ erhebliche Schwierigkeiten.

Was Dreiser demonstrieren will, ist, dass die Herkunft und die Umstände den Weg eines Menschen determinieren. Menschen existieren nicht als soziale und moralische Wesen, sondern als reagierende Objekte ihrer Umwelt. Der freie Wille ist maximal eingeschränkt, als Carrie Meeber zu überleben versucht. Sie muss alle möglichen Kompromisse eingehen – einer der Gründe, warum die Verleger das Buch als „unmoralisch“ ablehnten. Aber obwohl es sich schlecht verkaufte, begründete es einen harschen amerikanischen Naturalismus, der Romane von Frank Norris, John Steinbeck und Upton Sinclair ermöglichte – allesamt Reporter.

|Das Experiment|

Die Versuchsanordnung des Paragon Hotels, mit seinen schicksalhaft darin gefangenen Insassen, ist der Versuch des Autors zu beweisen, dass es möglich ist, seiner eigenen Vergangenheit zu entkommen, ohne sie zu leugnen. Frank Bellinger ist sein Alter Ego, der seinen Fall in der Geschichte verficht – besonders gegen den aktuellen Herrn des Hauses. Der Zweck, so scheint mir, besteht darin, das Bewusstsein Amerikas von der Besessenheit allem Neuen gegenüber zu befreien. Die amerikanische Zivilisation hat mit ihren vielen besonderen Merkmalen nicht nur Großartiges geschaffen, sondern auch jede Menge Opfer gefordert, inner- wie außerhalb der Landesgrenzen. Diese Schuld wird unterschiedlich verarbeitet, häufig leider beschönigend und revisionistisch, zuweilen aber auch einfach ignorant nach dem Motto: Schwamm drüber!

Doch der Protagonist Bellinger kann weder das eine noch das andere tun. Er kann nicht anders, als sich mit der Vergangenheit des Hotels auseinanderzusetzen und sie zu bewältigen. Sein Grund sei hier nicht genannt, aber man kann es sich leicht anhand meiner Andeutungen vorstellen. Es kostet ihn alle Kraft, die er hat, um diese Konfrontation zu überleben. Das ist packend erzählt und äußerst fesselnd. Ob er es schafft? Selber lesen! Und wer nicht lesen will, muss hören.

|Der Sprecher|

Stefan Kaminski zuzuhören, ist ein Erlebnis. Und mit ein wenig Glück vergisst man sogar, dass es ihn gibt. Das ist gar nicht so schwierig, wie man glaubt, denn es gelingt ihm, hinter den Figuren zu verschwinden. Das Einzige, was noch echter Kaminski ist, ist der Erzähler.

Für jede – und wirklich jede – Figur hat Kaminski eine passende Interpretation gefunden: Tonlage, Stimmfarbe, Gefühlsausdruck, Sprechweise und Ausdruck kommen zu einer jeweils individuellen Darstellung für die jeweilige Figur zusammen, um den Anschein eines Auftritts zu vermitteln. Lediglich das Bild fehlt noch – das muss man sich selbst ausmalen. So macht der Sprecher mit seinen vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten die Lesung zum Hörspiel. Fehlt nur noch die Musik, und das Kino für die Ohren wäre perfekt.

_Unterm Strich_

Wie gesagt, ist „Creepers“ ein perfekt gebauter und mit steigender Spannung fesselnder Actionthriller, der an einem Schauplatz spielt, den man eigentlich aus dem Horrorgenre kennt. Nur beherbergt das Paragon Hotel, diese alte Maya-Pyramide, keinen Geist in seinen Wänden, sondern fast so etwas wie einen rachsüchtigen Gott, der keinen der Eindringlinge entkommen lassen will. Durch den Hinweis auf Großstadt-Archäologie, Golfkriegssyndrom und den Roman „Schwester Carrie“ schafft der Autor zahlreiche Bezüge, die dem Kenner einen Blick in die philosophische und psychologische Tiefe der Erzählung erlauben. Dies ist mitnichten ein Fliegengewicht, eignet sich aber dennoch als Thrillerkost für zwischendurch.

Stefan Kaminski ist einer meiner Lieblingssprecher, denn es gelingt ihm, jeder Figur ihren ganz individuellen, unverwechselbaren Ausdruck zu verleihen. Obendrein hat er ein Repertoire an Ausdrucksmöglichkeiten – hohe und tiefe Stimmlagen, Flüstern, Wimmern, Schreien und sogar Brüllen –, welches das Anhören seiner Geschichte zu einem Erlebnis macht.

|Originaltitel: Creepers, 2005
Aus dem US-Englischen übersetzt von Christine Gaspard
422 Minuten auf 6 CDs|
http://www.argon-verlag.de

Siehe auch die [Rezension 3049 von Dr. Michael Drewniok zur Buchausgabe bei |Knaur|.

Marklund, Liza – Lebenslänglich (Hörbuch)

_Halbgarer Schwedenkrimi, wenig spannend umgesetzt_

Stockholm in einer Juninacht. David Lindholm, ein angesehener Polizist, wird erschossen in seinem Bett aufgefunden. Seine Frau Julia hockt verstört im Badezimmer, und von ihrem vierjährigen Sohn Alexander fehlt jede Spur. Bald gerät Julia in den Verdacht, nicht nur ihren Mann, sondern auch den kleinen Alexander umgebracht zu haben … (Verlagsinfo)

_Die Autorin_

Liza Marklund, geboren 1962, studierte Journalismus und arbeitete bei verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften. Mehrere Jahre war sie Nachrichtenchefin des schwedischen Privatsenders „TV 4“. Diesen Traumjob kündigte sie, um Romane zu schreiben. Für ihren Debütroman „Olympisches Feuer“ (dt. 2000) erhielt sie bedeutende Literaturpreise. Auch die Nachfolgeromane „Studio 6“ und „Paradies“ wurden offenbar erfolgreiche Krimis. Die Romane wurden laut Verlag fürs Kino verfilmt. Marklund lebt mit ihrer Familie in Stockholm. (Verlagsinfo)

_Die Sprecherin_

Judy Winters Karriere am Theater begann 1962. Die 1944 Geborene wurde von Peter Zadek ans Bremer Theater engagiert und feierte in Musicals wie „My Fair Lady“ oder „Hello Dolly“ große Erfolge. Es folgten zahlreiche TV-Filme, u. a. Simmel-Verfilmungen und der Kult-Tatort „Reifezeugnis“. Mit dem Programm „Marlene“ hat Judy Winter einen Meilenstein ihrer Kunst gesetzt. Damit ging sie im Sommer 2001 auf Japan-Tournee. Sie hat bereits die Marklund-Romane
„Olympisches Feuer“,
„Paradies“,
[„Prime Time“, 385
[„Der Rote Wolf“, 573
„Mia. Ein Leben im Versteck“ und
[„Studio 6“ 904 gelesen, die alle als Buch & Hörbuch bei |Hoffmann & Campe| erschienen.

Regie führte Georg Gess. Die Aufnahme erfolgte bei |Küss Mich Musik| in Berlin durch Martin Freitag. Das Buch erschien bei |Kindler|.

_Handlung_

Am Donnerstag, den 3. Juni, wird den Polizeistreifen um 3 Uhr 21 ein Schusswaffengebrauch in der Innenstadt von Stockholm gemeldet. Nina Hofmann und ihr Kollege Andersen fahren hin. Du meine Güte, denkt Nina, das ist ja die Adresse von David und Julia! David Lindholm ist einer der beliebtesten Polizisten der Stadt und schon mehrmals belobigt worden. Was kann ihm zugestoßen sein? Und Julia war bis vor kurzem ebenfalls Polizistin. Sie haben einen kleinen Sohn, Alexander. Als ihre Freundin kennt Nina den Code zu ihrer Haustür auswendig. Andersen kommt mit. Das Viertel wird unterdessen abgesperrt, und Verstärkung rückt an.

Gunnar Erlandsson, ein Nachbar der Lindholms, hat von oben Schüsse gehört und die Polizei gerufen. Nina und Andersen gehen weiter die Treppe hoch. Niemand reagiert auf Klingeln, Klopfen und Rufen, alles still. Zu still. Auf einen Anruf reagiert nur der AB. Im Schlafzimmer ist jedoch durch den Briefschlitz Licht zu sehen. Die Polizisten brechen ein und finden dort eine grausige Szene vor: David liegt nackt auf dem Bett, ein Loch in der Stirn, aus dem zerschossenen Unterleib ist viel Blut gequollen. Eine Polizeiwaffe liegt neben dem Bett auf dem Boden – Julias Waffe, wie sich herausstellen wird.

Doch wo ist Julia selbst, fragt sich Nina, und der Junge? Andersen ruft sie zu sich: Julia liegt in Fötalstellung auf dem Boden des Badezimmers, die Augen weit aufgerissen, würgend und röchelnd. Sie ist unansprechbar, aber ansonsten unverletzt. Andersen sagt, der Junge sei nirgends zu finden. Nina redet auf Julia ein, um sie zu trösten und zu befragen. Julia sagt, die „Anderen“ haben den Kleinen mitgenommen. Nach einer ersten Untersuchung wird Julia Lindholm zur Hauptverdächtigen erklärt.

|Annika Bengtzon|

Die Journalistin Annika Bengtzon vom „Abendblatt“ – Marklunds Serienheldin – hat eine schlimme Nacht hinter sich: Ihr Haus ist abgebrannt. Sie hat die zwei Kinder geschnappt und ist, ausgestattet nur mit einem Handy, aber ohne Geld, mit einem Taxi zu ihrer Freundin Anne Snafane gefahren. Der Fahrer hat das Handy als Kaution genommen. Anne Snafane öffnet nach langem Klingeln, Rufen und Klopfen endlich die Tür, reagiert aber alles andere als freundlich auf den Besuch morgens um vier.

Dass die Kinder Kalle und Ellen bibbern und ihre Freundin Annika völlig aus dem Häuschen ist, scheint sie jedoch nicht zu kümmern, muss Annika entsetzt feststellen. Anne hat einen jungen Lover bei sich im Bett, den sie nicht verlieren will. Es kommt zu einem wütenden Streit, als sich Anne stur weigert, Annika und ihrer Brut Asyl zu gewähren. Unverrichteter Dinge muss Annika in ein Hotel gehen, ohne Geld und Gepäck. Zum Glück hilft ihr am nächsten Morgen eine Kollegin aus der Redaktion. Berit gibt ihr auch Geld und gewährt ihr Unterschlupf in ihrem Ferienhäuschen am See.

Annika denkt an Thomas. Der verfluchte Schweinehund, der sie für die „dumme (aber reiche) Schlampe“ Sofia Greburi verlassen hat, pennt wahrscheinlich gerade in ihrer Villa und träumt von seiner Pension, sobald er erst einmal Ministerialbeamter geworden ist. Sie ahnt nicht, dass Thomas gerade völlig entgeistert vor der ausgebrannten Ruine des Hauses steht, das ihm und Annika gehört. Er wollte sich eigentlich die Hälfte seines Wertes auszahlen lassen. Die Nachbarin weiß nichts Näheres über den Brand und ob seine Familie überhaupt noch lebt. Keine Nachricht, keine SMS, absolut nichts von Annika.

|Annika und Nina|

Annika muss Geld verdienen. Also ruft sie Nina Hofmann an, die in der Zeitung steht. Nach der Pressekonferenz von Polizei und Staatsanwaltschaft weiß Annika, dass Julia Lindholm als Hauptverdächtige für den Mord an David Lindholm betrachtet wird. Ihr droht eine lebenslange Haftstrafe. Aber Annika kennt sowohl Nina als auch Julia, denn vor fünf Jahren ist sie mit den beiden Polizistinnen einmal Streife gefahren, um eine Reportage schreiben zu können. Der Tatort war voller Leichen – das Werk eines Killers, heißt es. Stattdessen wurde ein Finanzkaufmann verurteilt.

Annika glaubt nicht, dass Julia fähig war, ihren Mann und ihr Kind zu töten. Sie ruft ihren Chefredakteur an, um ihm die Story zu verkaufen, kriegt ein Okay und ruft Nina Hofmann an, um sich mit ihr zu treffen. Nina ist inzwischen von diversen Vorwürfen entlastet worden und muss sich nicht vor der Dienstaufsicht verantworten. Nach einigem Hin und Her rückt sie mit der Sprache heraus: Die Tatwaffe gehörte Julia, ihre Fingerabdrücke befanden sich darauf. Und: Julia hatte vor gut zwei Wochen den Dienst quittiert.

Die öffentlichen Lobreden auf den Polizeihelden David Lindholm machen Annika misstrauisch. Wenn David gegen seine eigene Frau so ein Schwein war, wie Nina ihn schildert, dann hatte er vielleicht ein paar Disziplinarverfahren am Hals. Bingo! Vor fast 20 Jahren wurden zwei Disziplinarverfahren gegen ihn eröffnet und ergebnislos eingestellt. Er hatte zwei Kleinverbrecher fertiggemacht, die für die Mafia dealten. Merkwürdig, dass beide das Gleiche aussagten.

|Machenschaften|

Als sie Nina damit konfrontiert, ist diese bestürzt. Julia wollte David verlassen, weil er sie ständig mit anderen Frauen betrog. Eine seiner Geliebten rief sogar bei Julia an, und David setzte seine Frau sogar mehrmals nackt vor die Wohnungstür. Nicht gerade der liebende Ehemann, oder? Annika beschließt, sich den finanziellen Hintergrund Davids anzusehen und stößt auf ein Geflecht zwielichtiger Firmen, bei denen immer wieder die gleichen Namen auftauchen, deren Geschäftspartner David Lindholm war. Betrieb der Polizist eine Art Schattenwirtschaft? Womöglich mit einer seiner Geliebten? Annika stößt auf den Namen Lena Yvonne Nordin und beschließt, die Frau zu befragen. Doch ihre Recherche ergibt, dass die Frau seit zehn Jahren Witwe ist, aber keine Adresse hat. Das macht Annika erst recht stutzig. Sie geht dieser Spur nach.

|BHs und Dynamit|

Zuvor soll sie bei Thomas und Sofia die beiden Kinder hüten, während die Turteltäubchen zusammen in die Oper gehen. Das Domizil der „dummen Schlampe“ Sofia Grenburi ist vom Allerfeinsten, und Annika rächt sich an der Nebenbuhlerin, indem sie einen teuren Spitzen-BH klaut. Die Schlampe wird davon eh nichts merken: Sie hat ganze Schubladen voll davon (ganz im Gegensatz zur „abgebrannten“ Annika).

Und Annika hat auch keine Skrupel, sich auf der Festplatte von Thomas‘ Laptop umzusehen. Dort stößt sie auf einen brisanten Mailaustausch mit dem Justizministerium: pures Dynamit, das den Ministerstuhl gehörig zum Wackeln bringen wird! Sie muss Thomas‘ Gutachten zur Reform des schwedischen Strafvollzugs nur an die richtigen Leute bei ihrer Zeitung schicken, natürlich anonym …

_Mein Eindruck_

Wieder mal mischt sich Annika, Marklunds Serienheldin, in Dinge ein, die für die schwedische Gesellschaft unangenehme Wahrheiten bereithalten. Natürlich sind Polizeiführung und Justizministerium in keiner Weise daran interessiert, solchen Sprengstoff an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. David Lindholm soll weiterhin als strahlender Held der Kriminalpolizei dastehen. Dass Annika an diesem Denkmal kratzt, wird gar nicht gern gesehen. Eines Tages sieht sie sich von zwei brutal aussehenden Kerlen bedroht, die sie davor warnen, noch weiter in Lindholms Vergangenheit herumzuschnüffeln.

Auch ein Verbrecher, der lebenslänglich im Gefängnis sitzt, weil David Lindholms Arbeit ihn dorthin gebracht hat, weiß nichts besonders Nettes über den Cop zu sagen. Aber er rückt auch nicht mit der Sprache heraus. Annika hat den Eindruck, dass der Kerl, immerhin ein Axtmörder, vor irgendetwas Angst hat. Etwas, das noch da draußen ist und auf ihn lauert, sollte er den Mund aufmachen. Auch andere Opfer Davids wissen nichts Gutes über ihn zu sagen. All das macht sich gut in der Zeitung, aber es hilft nicht, Alexander Lindholm zu finden.

Der Titel „Lebenslänglich“ (Original: Livstid = Lebenszeit) bezieht sich auf mehrere Aspekte des Romans. Die Gefängnisstrafe ist offensichtlich der erste Aspekt, der gemeint ist. Darum geht es in Thomas‘ Gutachten und bei Annikas Besuchen im Gefängnis. Die Berechtigung dieser Strafe wird natürlich wie so vieles andere in Zweifel gezogen. Zum Beispiel lange Ehen und deren angebliches Glück, das lediglich eine papierdünne Fassade ist – siehe die Lindholms und die Bengtzons. Die Gefahr besteht, dass auch der entführte Alexander eine lebenslange Strafe in den Armen einer Kidnapperin verbringen muss. Das will Annika ebenso verhindern wie die lebenslange Strafe, zu der Julia Lindholm verurteilt werden soll.

Annika ist wieder zum einen Teil Lebensretterin (Julia, Alexander), zum anderen Störenfried und Racheengel. Eine derartig engagierte Journalistin würde man sich hierzulande auch wünschen. Journalistinnen, die solche Aktivitäten in Russland (besonders Moskau) an den Tag gelegt haben, wurden jedoch alle ermordet, zuletzt Anna Politkowskaja und eine Menschenrechtlerin in Tschetschenien. Dass sich auch Annika in Lebensgefahr begibt, wird ihr erst klar, als sie die erste Spur von Alexander Lindholm findet …

|Schwächen|

Das alles hört sich an, als wäre es genügend Stoff für einen spannenden Thriller. Das mag auch so sein, aber der Thriller wird gehörig verwässert, sobald Annikas Privatleben ins Spiel kommt. Ihre Querelen mit Thomas und dessen Freundin Sofia nervten mich schon bald derartig, dass ich am liebsten weggehört hätte. Eine Heldin, die sich die Seele aus dem Leib weint, ist nicht gerade das, was man in einem Krimi zu erwarten gewohnt ist. Es mag allerdings realistisch sein und auf einen weiblichen Zuhörer durchaus glaubwürdig wirken – was wäre eine Heldin ohne ihre menschliche Seite? Aber wenn sie Annika zum fünften Mal sagt: „Mensch, du musst dein Leben in den Griff kriegen!“, dann möchte man ihr am liebsten einen Tritt in den Hintern versetzen, damit sie endlich in die Gänge kommt. Eine Frau würde Annika natürlich fest in den Arm nehmen, ist ja klar.

Zu dieser Schwäche an Annika kommt noch ein Aspekt hinzu, den wir erst in der letzten Szene, quasi im Epilog, verraten bekommen. Sie hat etwas Wichtiges übersehen, was ihre wichtigste Zeugin Nina Hofmann betrifft. Ich werde aber den Teufel tun und verraten, was das sein könnte. Ich hatte Nina die ganze Zeit im Verdacht, die Entführerin des kleinen Alexander zu sein, aber das haut nicht hin und wird auch nie bestätigt. Immerhin wird Nina ein Drittel der Handlung zugestanden (Thomas hat ebenfalls ein paar Szenen), so dass für eine gewisse Abwechslung (Erleichterung!) gesorgt ist.

_Die Sprecherin_

Judy Winter verfügt über einen unglaublichen Stimmumfang, offenbar geschult durch ihre Schauspielausbildung und Musicalkarriere. Die Stimme reicht vom maskulinen Bass bis in die Höhen von Kinderstimmchen und Zickengekreisch. Deswegen fällt es ihr auch nicht schwer, Vertreter beider Geschlechter ebenso glaubwürdig zu sprechen wie etwa ein Kind.

Die Wirkung von Judy Winters Vortrag ist durchaus fesselnd. An spannenden Stellen liest sie langsam, an actionreichen natürlich schneller. Dennoch gehört die Mehrheit der Stimmen weiblichen Figuren, und da könnte die Charakterisierung durch unterschiedliche Stimm- oder Tonlage größer sein, um die jeweilige Figur besser unterscheidbar zu machen – eines der Hauptprobleme bei einem Hörbuchvortrag. Bei einer Handlung mit etwa einem halben Dutzend Figuren ist dies umso notwendiger.

Doch Winter gelingt es nicht, Annikas Gedanken, die den Großteil des Textes ausmachen, irgendwie aufregend zu gestalten. Es ist das gleiche Problem wie mit Annikas Heulkrämpfen: Allzu viel davon nervt einfach nur. Dennoch versucht die Sprecherin ihr Möglichstes, um das Beste etwa aus einer drögen Internetrecherche zu machen und Zitate aus langweiligen Dokumenten halbwegs interessant zu gestalten. Das ist sicher nicht einfach, aber es sind eben Monologe, und Monologe sind das Gegenteil von Unterhaltung (es sei denn, man heißt Hamlet).

Deshalb ist jede Abwechslung willkommen. Mal lallt Thomas in schönster Säufermanier ins Telefon, mal wird Annika von Kommissar Kuh (den wir schon aus „Der Rote Wolf“ kennen) in die Mangel genommen. Dann quengeln wieder die Kinder. Ganz wunderbar fand ich Winters Darstellung von Sofia Grenburi, die wirklich das Inbild einer reichen Gesellschaftsdame abgibt, die mit Thomas einen vermeintlich guten Fang gemacht hat. Sofia ist so schrecklich nett zu Annika, der sie den Ehemann ausgespannt hat, dass man sie inbrünstig zu verabscheuen lernt. Wir haben volles Verständnis, wenn Annika in einem Anfall manischen Hasses den geklauten Spitzen-BH zerfetzt.

|Aussprache top!|

Beeindruckend ist Winters Beherrschung des Englischen und Schwedischen, die sie gleichermaßen korrekt aussprechen kann. Ihre Aussprache des Schwedischen stellt sicher ähnliche Ansprüche, und wie im Englischen und Deutschen entspricht das geschriebene Wort nicht immer dem gesprochenen. Das kann besonders bei den zahlreichen Namen des Romans Verwirrung stiften, insbesondere dann, falls die Aussprache schwankt. Die Aussprache des wichtigsten Namens, Luleå, schwankt zum Glück nicht.

Da es weder Geräusche noch Musik gibt, brauche ich darüber kein Wort zu verlieren.

_Unterm Strich_

Ich hatte etwas mehr Pfiff erwartet. So ist beispielsweise die Aufklärung des Brandanschlags auf Annika und ihre Familie doch eine recht dringliche Sache, würde ich meinen. Aber obwohl Annika ganz klar ihren Nachbarn beschuldigt, wird dieser Ermittlung keine Aufmerksamkeit geschenkt. Das mag aber auf die Kürzung des Textes zurückzuführen sein. Die Aufklärung erfolgt dann im abschließenden Gespräch mit Kommissar Kuh, was einen ziemlich späten und unspektakulären Abschluss dieses Spannungsbogen darstellt. Aber dieser Handlungsstrang soll nur verdeutlichen, dass auch Annika nicht mit vorschnellen Verurteilungen zu locker bei der Hand sein sollte, wie es etwa die Stockholmer Staatsanwaltschaft mit Julia Lindholm getan hat.

Es ist ja schön und gut, dass Annikas Arbeit Julia vor der lebenslangen Haftstrafe bewahrt, die sie wahrscheinlich umgebracht hätte. Und auch der entführte Alexander kehrt wieder zurück. Aber von David Lindholms Ruhm bleibt nichts mehr übrig. Was mich wirklich vermisst habe, ist die taffe Reporterin aus „Der Rote Wolf“, die sich in die Höhle des Löwen begibt. Stattdessen müssen wir eine aufs menschliche Maß reduzierte, häufig flennende Annika ertragen.

Es ist lange nicht klar, wohin ihre Recherche sie führen wird, dann kristallisiert sich heraus, dass die Kindesentführer auch die Mörder von David Lindholm sein dürften. Man muss sie bloß in Davids Vergangenheit finden, und das ist alles andere als einfach. Das Finale zeigt uns eine verängstigte Annika auf der Flucht, die Verbrecher auf der Flucht – und das Ende findet irgendwie offscreen statt. So mag es zwar im richtigen Leben ausgehen, aber in einer Fiktion wie diesem Krimi wirkt dies reichlich unbefriedigend. Genau wie die Aufklärung des Brandanschlags.

|Das Hörbuch|

Judy Winter macht ihre Sache wieder mal zur vollen Zufriedenheit. Allerdings kann sie selbst aus einem schlechten Text nicht das Optimum an Unterhaltung herausholen. Und sie zeigt sie mehrmals selbst als Sprecherin/Erzählerin, obwohl sie doch eigentlich hinter den Figuren verschwinden sollte. Das ist aber alles andere als einfach, wenn die Hauptfiguren ständig Monologe mit sich selbst führen.

|Originaltitel: Livstid, 2007
Aus dem Schwedischen übersetzt von Dagmar Lendt und Anne Bubenzer
399 Minuten auf 6 CDs
ISBN-13: 978-3-86610-568-3|
http://www.lizamarklund.net
http://www.argon-verlag.de
http://www.rowohlt.de

[NEWS] Brit Bennett – Die verschwindende Hälfte

Ein kleiner Ort im ländlichen Louisiana. Seine afroamerikanischen Bewohner blicken mit Stolz auf eine lange Tradition und Geschichte, und vor allem auf ihre Kinder, die von Generation zu Generation hellhäutiger zu werden scheinen. Stella und Desiree etwa, Zwillingsschwestern von ganz unterschiedlichem Wesen. Aber in einem sind sie sich einig: Hier sehen sie keine Zukunft für sich. In New Orleans trennen sich ihre Wege. Denn Stella tritt unbemerkt in eine nur weißen Amerikanern vorbehaltene Welt – und bricht alle Brücken hinter sich ab. Desiree dagegen heiratet den dunkelhäutigsten Mann, den sie finden kann. Und Jahrzehnte müssen vergehen, bis zu einem unwahrscheinlichen Wiedersehen.(Verlagsinfo)


8 Stunden, 40 Minuten
2 MP3- CDs im Digifile
Sprecherin: Tessa Mittelstaedt
Argon

[NEWS] Ursula Poznanski – Grau wie Asche (Vanitas 2)

Seit wann muss man auf dem Friedhof um sein Leben fürchten? Carolin ist zurück in der Blumenhandlung am Wiener Zentralfriedhof. Ihre Verfolger wissen: Sie ist am Leben. Nichts wünscht sie sich jetzt so sehr wie etwas Langeweile – da wird der Friedhof von Grabschändern heimgesucht. Nachts werden Gräber geöffnet, die Überreste der Toten herausgeholt und die Grabsteine mit satanistischen Symbolen beschmiert. Nicht lange, und auf einem der Gräber liegt eine frische Leiche. Doch fast noch irritierender ist ein junger Mann, der täglich den Blumenladen besucht und sich seltsam verhält, wenn er sich unbeobachtet glaubt. In Carolin wächst die Angst. Sie entschließt sich zu einem folgenreichen Schritt … Luise Helm spielte u. a. in „Polizeiruf 110“ und „Tatort“ mit und ist bekannt als die deutsche Stimme von Scarlett Johansson. Mit kühler Eleganz und Ausdrucksstärke interpretiert sie Ursula Poznanskis rasante Spannungsreihe.
(Verlagsinfo)

Autorisierte Lesung auf 2 MP3 CDs
Laufzeit: ca. 9 Stunden
Sprecherin: Luise Helm

Argon

[NEWS] Andreas Föhr – Eisenberg

Er weiß, wovon er schreibt: Andreas Föhr hat Jura studiert und in München promoviert. Jahrelang war er als Anwalt tätig, bevor er sich mit dem Schreiben von Drehbüchern einen Namen machte. Jetzt hat der Bestsellerautor eine Figur geschaffen, die nicht nur sein juristisches Fachwissen teilt, sondern auch seinen Glauben daran, dass jeder, ob schuldig oder nicht, einen Verteidiger verdient, der ganz auf seiner Seite steht: Dr. Rachel Eisenberg. Rachel ist Mitinhaberin einer angesehenen Münchner Kanzlei, frisch getrennt und Mutter einer 13-jährigen Tochter. Ihr neuer Fall soll eigentlich nur ein bisschen Medienpräsenz bringen – ein Obdachloser, der eines äußerst gewalttätigen Mordes verdächtigt wird –, doch als sie ihrem Mandanten zum ersten Mal gegenübersitzt, ist Rachel sprachlos: Sie kennt den Mann – oder glaubte das zumindest … (Verlagsinfo)

MP3-CD
Lesung: 8:41 Std.
Sprecher: Michael Schwarzmaier
Argon

[NEWS] Whitney Scharer – Die Zeit des Lichts

»Ich würde lieber ein Bild machen, als eines zu sein« – zu dieser Erkenntnis kommt Lee Miller im Alter von zweiundzwanzig Jahren. Sie gibt ihre Karriere als Mannequin in New York auf und zieht nach Paris. Ohne Geld oder einen Plan, dafür aber mit der Kamera ihres Vaters. Inmitten der schillernden Künstlerwelt der 1930er Jahre verliebt sie sich in den ebenso genialen wie eifersüchtigen Man Ray, der sie als Assistentin einstellt und unterrichtet. Ihre Freunde sind Picasso und Cocteau, mit ihnen durchtanzt sie die Nächte und macht Ausflüge ans Meer. Lee jedoch kämpft vor allem darum, in dieser Welt männlicher Genies selbst als Künstlerin ernst genommen zu werden. Berühmt wird sie erst in den Kriegsjahren und mit den Fotografien, die sie im besiegten Deutschland macht. (Verlagsinfo)

2 MP3-CDs
Lesung mit 11:15 Std.
Sprecherin: Tessa Mittelstaedt

[NEWS] Ursula Poznanski – Vanitas – Schwarz wie Erde

Auf dem Wiener Zentralfriedhof ist die Blumenhändlerin Carolin ein so gewohnter Anblick, dass sie beinahe unsichtbar ist. Ebenso wie die Botschaften, die sie mit ihren Auftraggebern austauscht, verschlüsselt in der Sprache der Blumen – denn ihre größte Angst ist es, gefunden zu werden. Noch vor einem Jahr war Carolins Name ein anderer; damals war sie als Polizeispitzel in Frankfurt einer der brutalsten Banden des organisierten Verbrechens auf der Spur. Kaum jemand weiß, dass sie ihren letzten Einsatz überlebt hat. Doch dann erhält sie einen Blumengruß, der sie fürchten lässt, dass sie ihren eigenen Tod bald ein zweites Mal erleben könnte … (Verlagsinfo)

7 Stunden auf 6 CDs in einer Multibox
Autorisierte Lesefassung
Gelesen von Luise Helm
Argon