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Indridason, Arnaldur – Kältezone (Lesung)

_Opfer des Kalten Kriegs: Der tote Spion im See_

Ein Toter wird im Kleifarsee bei der isländischen Hauptstadt Reykjavik entdeckt. Nach einem Erdbeben hatte sich der Wasserspiegel gesenkt und ein menschliches Skelett sichtbar werden lassen. Es ist an ein russisches Sendegerät aus dem Jahr 1961 angekettet. Dass es Mord war, belegt ein Loch in der Schläfe des Schädels. Wer ist der Mann?

Kommissar Erlendur Sveinssons Ermittlungen führen ihn in längst vergangene Zeiten von vor 30 und 40 Jahren. Isländer, die von einer gerechteren und besseren, sprich: sozialistischen Welt träumten, gingen in den fünfziger Jahren oft zum Studium in die ehemalige DDR. Einer von ihnen gerät unter Verdacht.

_Der Autor_

Arnaldur Indriðason, Jahrgang 1961, war Journalist und Filmkritiker bei Islands größter Tageszeitung. Heute lebt er als freier Autor bei Reykjavik und veröffentlicht mit großem Erfolg seine Romane. Sein Kriminalroman „Nordermoor“ hat den „Nordic Crime Novel’s Award 2002“ erhalten, wurde also zum besten nordeuropäischen Kriminalroman gewählt, und das bei Konkurrenz durch Håkan Nesser und Henning Mankell!

_Der Sprecher_

Frank Glaubrecht ist einer der erfolgreichsten Synchronsprecher Deutschlands. Er leiht beispielsweise so bekannten Filmstars wie Al Pacino, Pierce Brosnan, Jeremy Irons und Richard Gere seine markante Stimme. Er hat u.a. Indriðasons Hörbücher „Nordermoor“ und „Engelsstimme“ gelesen.

Der Romantext wurde von Sabine Bode gekürzt. Für Regie und Produktion zeichnete Marc Sieper verantwortlich. Die akustischen Motive an Anfang und Schluss des Hörbuchs stammen von Michael Marianetti.

_Handlung_

Es ist Mai, als nach einem Erdbeben der Kleifarvatn-See trockenfällt und eine Spaziergängerin darin ein Skelett findet. Die Knochen sind an ein altes russisches Sendegerät aus dem Kalten Krieg gekettet. Ein klarer Hinweis auf Mord. Kommissar Erlendur Sveinsson und sein Assistent Sigurdur Oli werden eingeschaltet. Erlendur lässt Vermisste aus dem Zeitraum zwischen 1965 und 1975 suchen. Bei den Eltern eines der Vermissten aus dem Jahr 1970 liest Oli Briefe: Ist ihr Sohn Jakob der Tote aus dem See?

Oli findet heraus, dass in jenem See mehrmals Abhörsender aus Russland gefunden worden waren. Sie hatten eine Reichweite, mit der Spione den Funkverkehr des amerikanischen Luftwaffenstützpunktes in Keflavik nahe der Hauptstadt Reykjavik belauschen konnten. Da meldet eine siebzigjährige Frau, dass ihr Verlobter vor 30 Jahren verschwand. Er war Vertreter für Baumaschinen und kam daher ganz schön was rum. Die Maschinen stammten allesamt aus der DDR und der Sowjetunion. Eines Tages erschien er nicht mehr bei einem Kunden und verschwand spurlos.

Dieser Hinweis führt zu den Russen. Der Sekretär der Botschaft jedoch gibt sich freundlich, aber völlig ahnungslos. Dabei war Island ein lohnendes Ziel für sowjetische Agenten: Überall auf der Insel hielten sich Amerikaner auf. Erlendur folgt der Spur des Ford Falcon, den der verschwundene Baumaschinenvertreter unter falschem Namen gefahren hatte. Er besucht den letzten Kunden dieses „Leopolds“, bei dem er angeblich nie auftauchte: den mittlerweile 84-jährigen Bauern Haraldur. Der redet unwirsch und abweisend, gibt aber zu, „Leopold“ vor 30 Jahren in der Hauptstadt getroffen zu haben.

Endlich meldet sich auch die amerikanische Botschaft: Etwa 1967 kam ein DDR-Vertreter nach Island, verließ es aber nicht wieder, sondern verschwand im Herbst 1968 spurlos. Der Mann nannte sich Lothar Weiser, geboren in Bonn, lange Zeit wohnhaft in Leipzig, DDR. Bei der deutschen Botschaft erfahren Erlendur und Oli, dass Weiser ein Stasi-Mann war, der 1953 bis 1958 in Leipzig zwecks Observierung der Ausländer arbeitete. Dazu gehörten auch Isländer. Und „Leopolds“ Chef Benedikt Jonsson erklärt, die Baumaschinenhersteller aus der DDR hätten ihn praktisch erpresst, den Mann schwarz einzustellen. Dieser „Leopold“ rekrutierte Leute für die Stasi auf Island, damit sie die Amis abhörten. War Lothar Weiser also „Leopold“? Das ist nicht sicher.

Jetzt sieht Erlendur einigermaßen klar. Aber wer ist der Mörder Lothar Weisers – falls dieser das Skelett im See ist? War es ein Mann aus seiner Vergangenheit oder jemand aus Island? Wird der Täter erneut zuschlagen?

Höchste Zeit, dem alten Haraldur noch mal einen Besuch abzustatten …

_Mein Eindruck_

Meine Inhaltsangabe enthält nur die eine Hälfte des Romans, sozusagen den Krimi an sich. Die andere Hälfte besteht aus einem Handlungsstrang, der 45 Jahre vorher einsetzt, im Jahr 1953. Damals geht der isländische Jungsozialist Thomas nach Leipzig, um dort Ingenieurswissenschaften in einem aufstrebenden sozialistischen Staat zu studieren. Aber als er 1956 zurückkehrt, ist er total verändert und verkriecht sich als gebrochener Mann ohne Hoffnung in seinem Haus. Erst 1998, als der Tote im See gefunden worden ist, beginnt er mit der Niederschrift seiner Erlebnisse in Leipzig. Und dieses Manuskript bildet die andere Hälfte des Romans.

In der Schilderung dieser Erlebnisse legt der Autor eine große Detailkenntnis an den Tag. In der Porträtierung der einzelnen Vertreter der verschiedenen Interessensgruppen an der Universität Leipzig lässt sich die sorgfältige Recherche und der Realitätssinn des Autors ablesen. Thomas, der Ausländer, verliebt sich in eine andere Ausländerin, Ilona aus Ungarn. Obwohl sich das Misstrauen gegen die aufmüpfigen Ungarn, deren Aufstand ja 1956 blutig niedergewalzt wurde, auch in Leipzig bemerkbar macht, verschließt der verliebte Thomas die Augen vor der Realität. Er vertraut den falschen Leuten. Und selbst dann noch, als die Stasi zuschlägt und Ilona spurlos verschwinden lässt, kann er nicht glauben, dass ein „sozialistisches Bruderland“ zu so etwas fähig sein könnte.

Man sollte meinen, dass 1990 nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der Öffnung der Stasi-Archive Ilonas Spur verfolgbar sein müsste. Dem ist nicht so, wie Thomas bitter feststellen muss. Die Geheimdienste haben 1956 zu gründliche Arbeit geleistet. Wahrscheinlich wurde sie, gebrochen von Folter und Misshandlung, irgendwo in einem Internierungslager zwischen der DDR und der Sowjetunion verscharrt.

Aber wer waren die Verräter? Thomas muss es unbedingt wissen, bevor seine Seele Ruhe finden kann. Und er folgt dem Weg bis zum bitteren Ende. Dort erkennt er, dass er nie einen Freund in Leipzig hatte. Als die Kripo 1998 in sein Haus eindringt, ist er froh, sich erlösen zu können. Denn das Manuskript seiner Geschichte ist nun fertig. Ein trauriges Kapitel in der Geschichte von Isländern, die ihr Glück im Ostblock suchten.

Man sieht also, dass der reinen Krimihandlung eine ergreifende Geschichte zugrunde liegt, ja, dass der Krimi im Grunde nur eine Fußnote darstellt, in der die losen Fäden zusammengeführt werden. Deshalb hat der Autor noch einmal die persönliche Seite seines Kommissars hervorgehoben. Erlendur ist schon lange geschieden, doch seine Tochter hat wieder Kontakt zu ihm, und nun taucht auch noch sein Sohn Sindri bei ihm auf. Wieder werden alte Geschichten aufgewärmt und neu eingeordnet. Das bringt aber dramaturgisch gesehen nichts Neues.

_Der Sprecher_

Frank Glaubrechts sonore Stimme – man stelle sich den Klang von Al Pacino in „The Insider“ vor – trägt die Geschichte, die Indriðason spinnt, ausgezeichnet und ohne je die für die Geschichte und den Ermittler notwendige Autorität und Ruhe zu verlieren. Dennoch entwickelt sein Vortrag zusammen mit der Handlung eine tiefere psychologische Dimension, die sich in der zunehmenden Emotionalität in Glaubrechts Stimme äußert – ein gewisses zusätzliches Vibrato, das ich vernommen zu haben glaube. Das wird besonders dann hörbar, als Thomas verzweifelt nach der verschwundenen Ilona sucht und zum ersten Mal auch die Leipziger Stasi-Zentrale von innen sieht: die Stahltüren, die abgewrackten Beamten, das penetrante Misstrauen und die Arroganz der Macht. Da läuft es einem kalt den Rücken runter.

_Unterm Strich_

Dass Island ein Brennpunkt des Kalten Krieges war, hätte ich nicht erwartet, obwohl es doch die Logik nahe legt: Hier eine Luftwaffenstützpunkt der Amis, dort, nur wenige Kilometer entfernt, die Russen in Murmansk in der Arktis. Es war eine Atmosphäre der gegenseitigen Bespitzelung und des Misstrauens. Dies ist die negative Seite des Sozialismus, den die Isländer kennen lernten.

Dabei gab es offenbar 1953 allen Anlass, den Sozialismus von seiner positiven Seite kennen zu lernen: offene Universitäten, preisgünstige Agrarmaschinen, Knowhow-Transfer. Diese Seite wollte Thomas, die Hauptfigur des zweiten Erzählstrangs, kennen lernen und nutzen. Doch der Traum wurde zum Albtraum, der nie zu enden schien. Dann aber bekam er Hinweise auf DDR-Spione auf Island – eine neue Chance, mit den alten Geschichten reinen Tisch zu machen. Hier findet die Handlung zu einem abschließenden Finale voller Spannung und unerwarteter Enthüllungen.

Kommissar Sveinsson wird quasi zum Nachlassverwalter dieses Dramas, das aus dem Kalten Krieg erwuchs und etliche Opfer forderte. Aber als praktisch denkender Gemütsmensch sieht er auch die positive Seite des abgeschlossenen Kapitels: Er kauft den Ford Falcon, den jener verschwundene „Leopold“ zurückgelassen hatte.

|Originaltitel: Kleifarvatn, 2004
251 Minuten auf 4 CDs
Aus dem Isländischen übersetzt von Coletta Bürling|

[NEWS] Arnaldur Indriðason – Das dunkle Versteck

Nach dem Tod ihres Mannes findet Halla eine Pistole in einer Garage mitten in Reykjavík. Sie bringt sie zur Polizei. Als der pensionierte Kommissar Konráð davon erfährt, erinnert er sich, dass sein Vater eine ebensolche Waffe besaß. Ein Mitarbeiter der Spurensicherung findet zudem heraus, dass aus dieser Waffe der tödliche Schuss in einem anderen ungeklärten Fall stammt. Damals wurde ein Mann namens Garðar aus heiterem Himmel erschossen. Konráð nimmt nun privat Ermittlungen auf, weil er wissen will, was sein Vater mit den Verbrechen zu tun hat. Eine Spur führt zu Gústaf, einem Arzt, der wegen Kindesmissbrauchs im Gefängnis sitzt. Auch Konráðs Vater war damals mit diesem Arzt in Kontakt … (Verlagsinfo)


Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 368 Seiten
Lübbe

Arnaldur Indridason – Schattenwege. Island-Krimi

Die Liebe der GIs: eine Vergewaltigung Islands

„Ein alleinstehender Mann wird ermordet in seiner Wohnung entdeckt. Auf seinem Tisch liegen Zeitungsberichte über einen Mordfall aus den Kriegsjahren: Die junge Rósmunda war damals am Nationaltheater in Reykjavik aufgefunden worden. Die Wohnung des alten Mannes wirkt abgesehen von diesen Artikeln unverdächtig.

Bei einem gemeinsamen Essen mit seiner Ehemaligen Marta erfährt der pensionierte Polizist Konrad von dem Fall. Als sie ihm von den Zeitungsberichten erzählt, wird er hellhörig, denn dieser Fall ist ihm aus seiner Kindheit bekannt…“ (Verlagsinfo)

Konrad bietet der völlig überlasteten Marta an, sich in dem Mordfall umzuhören und stößt auf eine weitere Mordermittlung, die Anfang 1944 ergebnislos verlief. Aber warum wurde der alte Mann, der damals einer der Ermittler war, erst jetzt getötet? Er muss auf eine brisante Information gestoßen sein.

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Indridason, Arnaldur – Abgründe

_|Kommissar Erlendur Sveinsson|:_

Band 1: |Synir Duftsins|, 1997 (deutsch: [„Menschensöhne“ 1217 2005)
Band 2: |Dauðarósir|, 1998 (deutsch: [„Todesrosen“ 5107 2008)
Band 3: |Mýrin|, 2000 (deutsch: [„Nordermoor“ 402 2003)
Band 4: |Grafarþögn|, 2001 (deutsch: [„Todeshauch“ 2463 2004)
Band 5: |Röddin|, 2002 (deutsch: [„Engelsstimme“ 2505 2004)
Band 6: |Kleifarvatn|, 2004 (deutsch: [„Kältezone“ 4128 2006)
Band 7: |Vetrarborgin|, 2005 (deutsch: [„Frostnacht“ 3989 2007)
Band 8: „Kälteschlaf“
Band 9: „Frevelopfer“
Band 10: _“Abgründe“_
Band 11: „Furðustrandir“ (noch ohne dt. Titel)

Island war auf der diesjährigen Buchmesse in Frankfurt als Ehrengast geladen. Neben den vielen nordischen Autoren, die uns regelmäßig mit ihren Thrillern begeistern, stellt sich nun auch der isländische Top-Autor Arnaldur Indriðason mit seinem neuesten Werk „Abgründe“, erschienen im Lübbe-Verlag, vor.

Auch wenn man schon viele Thriller seiner Autorenkollegen kennt und gelesen hat, um es dann gleich mal vorwegzunehmen: „Abgründe“ ist wirklich nur ein Krimi für absolut eingefleischte Fans des Autors. Doch diesmal spielt nicht der bekannte und beliebte Kommissar Erlendur den ermittelnden Charakter, sondern Kommissar Sigurdir Oli betritt den Tatort.

_Inhalt_

Als sein bester Freund und ehemaliger Schulkamerad Patrekur, Sigurdir Oli um einen Gefallen bittet, ahnt dieser nicht, dass er wenig später bis über beide Ohren selbst in den Fall involviert sein wird.

Patrekurs Freund Hermann und seine Frau werden erpresst. Offensichtlich wurde das Ehepaar in einem Swingerklub fotografiert und kompromittiert. Da das Ehepaar Personen des öffentlichen Lebens sind, kann dieser Skandal ihnen Ämter und Zukunft mit einem Schlag rauben. Sigurdir Oli nimmt sich diesem Erpressungsfall an und sucht wenig später das hochverschuldete Paar auf, das in Besitz dieser brisanten Fotos ist. Als Sigurdir Oli Lina und Ebeneser in ihrer Wohnung aufsucht und zur Rede stellen will, findet dieser Lina schwer verletzt am Boden liegen. Fast zu spät bemerkt der Kommissar, dass der Täter noch in der Wohnung ist. Nach einem kurzen Kampf kann der mutmaßliche Täter jedoch entkommen und Lina wird schnellstens ins Krankenhaus gebracht, wo sie wenige Tage später an den Folgen ihrer Kopfverletzung stirbt.

Da Sigurdir Oli auf eigene Faust gehandelt und seine Kollegen und Vorgesetzten nicht über den Erpressungsfall informiert hat, kommt es zu Spannungen mit einem Kollegen Finnur, der ihn sowieso kritisch sieht. Dennoch verfolgt Sigurdir Oli den Fall weiter und findet heraus, dass vor einem Jahr bei einem Ausflug ein bekannter Banker in den Tod stürzte. Veranstalter dieser Tour waren Lina und Ebeneser. Letzterer streitet die Vorwürfe ab und verweigert auch eine Zusammenarbeit mit der Polizei. Infolge seiner Ermittlungen landet Sigurdir Oli schließlich in der Welt von dubiosen Finanzgeschäften in denen isländische Banken verwickelt sind …

_Kritik_

„Abgründe“ von Arnaldur Indriðason ist ein sehr durchschnittlicher Krimi und gehört mit Sicherheit nicht zu stärksten des isländischen Autors. Als ein großartiger Erzähler von spannenden und tiefgründigen Szenarien, übertreibt er es in diesem Roman. Da sich Kommissar Erlendur im Urlaub an den Ostjorden befindet, wollte der Autor seinen Kollegen Oli etwas ins rechte Licht rücken und ihm diesmal die Lösung des Falles anvertrauen. Doch die ausführliche Interpretation seines schwierigen Privatlebens sollte nicht als Nebengeschichte den Großteil der Geschichte abdecken.

Und nicht nur das: Der Autor wiederholt gerne einmal mehr, dass Oli ein Faible für die USA hat, mitsamt seinen Sportarten und Actionfilmen. Der Leser erhält ebenso einen intensiven Blick in das zerstörte Eheleben des Kommissars und seiner Beziehungen zu seinen Eltern, die alles andere als einfach erscheint.

So viele Probleme und Baustellen des Kommissars wirken ermüdend, möchte der Leser doch den Hauptplot verfolgen und nicht über Umwege und Kreuzungen immer wieder abgelenkt werden. Allein durch diese Charakterzeichnung baut sich so recht keine Sympathie oder gar Verständnis für den komplizierten Kommissar auf.

Ein weiterhin überflüssiger Part ist die Nebengeschichte, in der sich ein Obdachloser an seinem Stiefvater rächen möchte, der ihn als Kind misshandelt hat. Hier fragt man sich dann schnell, warum diese Erzählstränge überhaupt eingebaut wurden, da diese mit der Haupthandlung so gar nicht kombinierbar sind!

Widmen wir uns der eigentlichen Geschichte, so bleibt nicht viel Positives übrig. Es dreht und wendet sich alles um das Motiv und hier kommt dann die herrschende Finanzkrise auf die Bühne. Auch wenn das Thema schon seit Längerem immer wieder interessant und aktuell von Nachrichten in Szene gesetzt wird und man quasi mit der Nase auf die Probleme gestoßen wird, so wirkt dies völlig überflüssig.

_Fazit_

Arnaldur Indriðason hat mit Sicherheit ein großes schriftstellerisches Talent und weiß dieses einzusetzen, doch bei diesem vorliegenden Roman „Abgründe“ wirkt vieles deplatziert und überflüssig.

Vermissen wird der Leser mit großer Wahrscheinlichkeit einen logischen roten Faden und Nebengeschichten, die den Charakteren auf den Leib geschrieben sind, um den Hauptplot ausbauen zu können. Stattdessen empfindet man wenig bis gar keine Emotionen beim Lesen dieses Titels. Spannung, die einen mitfiebern lässt oder Dialoge, die tiefgründig und abwechslungsreich erzählt werden, vermisst man ebenso schnell wie sympathische oder lebensechte Charaktere.

„Abgründe“ von Arnaldu Indriðason ist ein Krimi für die überzeugten Fans des Autors. Wer das erste Mal zu diesem Autor greift, wird voraussichtlich tief enttäuscht sein.

_Autor_

Arnaldur Indriðason, Jahrgang 1961, war Journalist und Filmkritiker bei Islands größter Tageszeitung. Heute lebt er als freier Autor bei Reykjavik und veröffentlicht mit großem Erfolg seine Romane. Sein Kriminalroman „Nordermoor“ hat den „Nordic Crime Novel’s Award 2002“ erhalten, wurde also zum besten nordeuropäischen Kriminalroman gewählt, und das bei Konkurrenz durch Hakan Nesser und Henning Mankell!

|Gebundene Ausgabe: 432 Seiten
ISBN-13: 978-3785724194|
[www.luebbe.de]http://www.luebbe.de

_Arnaldur Indriðason bei |Buchwurm.info|:_
|Napóleonsskjölin|, 1999 (deutsch: [„Gletschergrab“ 3068 2005)
|Bettý|, 2003 (deutsch: [„Tödliche Intrige“ 1468 2005)
[„Tödliche Intrige“ (Hörspiel)]http://buchwurm.info/REDAKTION/review/book.php?id__book=7155

Arnaldur Indriðason – Eiseskälte: Erlendur Sveinssons 11. Fall: Island-Krimi

Gruselkrimi: Von Untoten, Grabräubern und der Liebe der Fischer

Ohne Abschied zu nehmen, ist Kommissar Erlendur in die Ostfjorde gereist – dorthin, wo er als Kind seinen kleinen Bruder im Schneesturm verloren hat. Jahrzehnte zuvor hatten sich hier dramatische Szenen abgespielt: Englische Soldaten gerieten in ein tödliches Unwetter und eine junge Frau verschwand spurlos. Deren Schicksal zieht Erlendur in seinen Bann: Er will unbedingt herausfinden, was sich damals zugetragen hat, so schmerzlich es für ihn auch sein mag, Ereignisse aus dieser Zeit ans Licht zu bringen. (Verlagsinfo)

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Indriðason (Indridason), Arnaldur – Frostnacht

Ein kleiner thailändischer Junge – vermutlich erst zehn Jahre jung – wird in den Straßen Reykjavíks tot aufgefunden. Sein Anorak ist zerrissen und eine Blutspur spürt zu seinem Fundort. Elínborg ist schockiert und fragt sich, was in Island überhaupt los ist, aber auch Erlendur und sein Kollege Sigurður Óli lässt der grausige Fund keineswegs kalt. Wer könnte bloß ein Interesse gehabt haben, einen so kleinen Jungen zu erstechen? Denn danach sieht es aus – obwohl kein Messer in der Nähe des Fundorts oder des Tatorts gefunden wird, deutet alles auf einen Messerstich hin. Hat die Tat etwa mit Ausländerfeindlichkeit zu tun? Erlendur und seine Kollegen können es sich von Anfang an gar nicht anders vorstellen.

Der kleine Stefán, der den toten Elías gefunden hat, kann den Kriminalbeamten einen Hinweis geben, wo man die Mutter des ermordeten Jungen finden kann, auch weiß er, dass Elías einen größeren Bruder gehabt hat, doch dieser – Niran – ist seit mittags nicht auffindbar. Erst spätabends findet Erlendur den völlig verstörten Jungen bei den Mülltonnen und kann ihn zu seiner erleichterten Mutter Sunee bringen. Niran ist allerdings nicht in der Lage, eine Aussage zu machen, auch seine Mutter kann ihn nicht zum Reden bringen. Am nächsten Tag jedoch kann Sunee ihren Sohn durch eine Unachtsamkeit des Wachpolizisten verstecken. Dies lässt Erlendur nun vermuten, dass Niran mehr über den Tod seines Bruders weiß oder vielleicht sogar daran beteiligt gewesen ist.

Erlendur, Elínborg und Sigurður Óli machen sich auf Spurensuche in der Schule des ermordeten Elías, wo ihnen alle Mitschüler und Lehrer versichern, dass Elías – im Gegensatz zu seinem älteren Bruder Niran – keine Feinde gehabt hat. Doch treffen Erlendur und seine Kollegen dort auf einen ausländerhassenden Lehrer, der ausgerechnet am Tattag einen heftigen Streit mit Niran gehabt hat, außerdem behaupten einige Schüler, dass Niran in Drogengeschichten verwickelt gewesen sei. Gleichzeitig befragen die drei Beamten einen Kriminellen, der in Elías‘ Nachbarschaft wohnt und bereits mehrfach wegen Kinderpornografie festgenommen wurde. Andrés streitet aber jede Beteiligung an dem Verbrechen ab und behauptet, von nichts zu wissen, gleichzeitig bringt er Erlendur auf die Spur eines mysteriösen und gefährlichen Mannes, der vor kurzem in der Gegend aufgetaucht ist. Der im Sterben liegende Marian Briem kann Erlendur den entscheidenden Hinweis geben, um wen es sich dabei handeln könnte. Als Erlendur dann plötzlich noch anonyme Anrufe einer unbekannten Frau erhält, ist die Verwirrung perfekt. Wie hängt alles miteinander zusammen? Das fragen sich nicht nur Erlendur und Co., sondern das fragt man sich auch als Leser …

Wieder einmal schickt Arnaldur Indriðason seinen erfolgreichen Kriminalhelden Erlendur los, um mysteriöse Verbrechen aufzuklären, und der Beginn des Buches ist gleich ein Paukenschlag: Ein kleiner Junge im zerrissenen Anorak wird ermordet im Schnee aufgefunden, obwohl alle Mitschüler und Lehrer beschwören, dass Elías stets ein netter und zurückhaltender Junge gewesen sei, der sich nie Feinde gemacht und sich viel Mühe gegeben habe, sich in Island einzuleben. Alles deutet also auf einen Akt von Ausländerfeindlichkeit hin. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass der Isländischlehrer Kjartan nicht nur gegenüber seinen Kollegen und Schülern ausländerfeindliche Sprüche macht, sondern aus seinem Hass gegenüber Einwanderern auch in der Befragung durch Erlendur und seine Kollegen keinen Hehl macht. Doch bei Indriðason ist nichts, wie es zunächst scheint, am Ende hat er einige Überraschungen parat, die so nicht absehbar waren.

Die Ermittlungen dümpeln etwas ziellos vor sich hin; niemand in Elías Bekanntenkreis kann sich einen Reim auf die Tat machen und keiner weiß, warum Niran so verstört ist und Sunee ihren älteren Sohn in Sicherheit gebracht hat. Erlendur plagt sich aber noch mit einem weiteren aufzuklärenden Fall herum, denn schon vor Wochen ist eine Frau verschwunden, deren Mann höchstwahrscheinlich fremdgegangen ist. Liegt hier ein Verbrechen vor? Hat der Mann seine Frau aus dem Weg geschafft, um frei zu sein für seine Geliebte? Oder konnte die Frau die Untreue nicht ertragen und hat ihrem Leben selbst ein Ende gesetzt? Als Erlendur anonyme Anrufe einer verzweifelten Frau erhält, ist er sich sicher, dass es sich um die verschwundene Frau handeln muss, und hegt nun Hoffnungen, dass diese noch lebt und sich nur vor ihrem Ehemann versteckt hält. Doch wie passt die Geschichte um den Kinderpornografiefan Andrés in das Gesamtgefüge hinein? Zunächst hat es den Anschein, als könnte genau hier die Lösung des Falles schlummern, doch am Ende werden wir ernüchtert feststellen müssen, dass dieser Handlungsfaden leider keinerlei Zusammenhang mit der eigentlichen Geschichte hat. Hier fragt man sich dann schon, warum Indriđason derlei überflüssige Informationen in seinen Roman einstreuen musste.

Auch Erlendurs Familienprobleme erhalten wieder viel Raum in der Geschichte. Inzwischen ist Erlendur glücklich mit seiner Freundin und denkt auch schon über das Zusammenziehen nach, doch seine Tochter Eva Lind ist eifersüchtig auf seine Freundin und fühlt sich noch mehr vernachlässigt als ohnehin schon. Sie benimmt sich wieder einmal wie ein kleines vernachlässigtes Kind, das von ihrem Vater getröstet werden möchte. In diesem Buch hat auch Sohn Sindri einige Auftritte, doch auch diese bringen weder den Fall noch die Geschichte um Erlendurs Leben voran, warum also diese sinnfreien Besuche Sindris? Natürlich dürfen auch die Erinnerungen an Erlendurs verschollenen Bruder nicht fehlen, der vor zig Jahren in einem Schneegestöber verschwunden ist, aus dem Erlendur selbst gerettet werden konnte. Erlendur hat es sich nie verzeihen können, dass er seinen Bruder im Unwetter verloren hat, immer noch gibt er sich die Schuld am Tod des Bruders. In „Frostnacht“ gibt es nun erste Hinweise, dass damals noch mehr geschehen sein muss, denn Erlendurs Kinder beginnen sich zu fragen, warum der verschollene Bruder nie gefunden wurde. Kleine Hinweise gibt uns Erlendur, die dieses Rätsel lösen könnten, doch gewinnt man den Eindruck, dass noch mehr damals geschehen sein muss, das Erlendur uns immer noch nicht offenbaren will. Ganz ehrlich: Langsam beginnt diese Geschichte zu nerven und man würde sich wünschen, dass Erlendur endlich einmal Klartext redet und die ganze Geschichte jemandem anvertraut, damit hier einmal ein Schlussstrich drunter gezogen werden kann. Erstmals muss ich daher sagen, dass mich die persönliche Rahmengeschichte rund um Erlendur nicht überzeugt hat. Aber auch die anderen charakterlichen Weiterentwicklungen gelingen nicht gut: Sigurður Óli weiß nun, dass seine Frau nie Kinder bekommen kann. Sie möchte deswegen ein asiatisches Kind adoptieren, doch Sigurður Óli sträubt sich, was die Ehe stark belastet. Nie erfahren wir jedoch, was Sigurður Ólis Gründe für die Ablehnung der Adoption sind. Auch von Elínborg erfahren wir nur, dass ihre Tochter die Grippe hat und sich später auf dem Weg der Besserung befindet, mehr aber nicht. Die charakterliche Ausgestaltung lässt hier etwas zu wünschen übrig.

Insgesamt hat die Geschichte durchaus Potenzial. Die Tat ist so grausam, dass sie einem auch beim Lesen ans Herz geht und man sich nichts sehnlicher wünscht, als dass der Täter dafür zur Rechenschaft gezogen werden möge. Doch dann gehen die Ermittlungen ziellos voran und Indriðason verwirrt seine Leser mit vielen unnützen Zusatzinformationen, die die eigentliche Handlung nicht voranbringen, sondern eher ausbremsen. Darunter leidet dann schließlich auch der Spannungsbogen, obwohl sich das Buch dank der gehäuften wörtlichen Rede sehr flott durchlesen lässt – und das, obwohl oftmals ganze Wörter fehlen und den Sinn entstellen. Am Ende geschieht die Auflösung des Falles ganz |en passant|, Erlendur hat die zündende Idee, die sich dem Leser kaum erschließt; hier geht alles holterdipolter, sodass der Leser eigentlich nur noch staunend dasitzt und stirnrunzelnd das Buchende verfolgt. Wirklich schade, dass Arnaldur Indriðason aus der vorliegenden Thematik nicht mehr gemacht hat, der Buchbeginn war nämlich noch ausgesprochen vielversprechend, an der weiteren Ausführung hapert es dann aber.

_Bibliographie:_

* Synir Duftsins. 1997 (deutsch: Menschensöhne)
[Rezension 1217 von Michael Matzer zur Lesung 2005

* Dauðarósir. 1998 (noch nicht auf Deutsch erschienen)

* Napóleonsskjölin. 1999 (deutsch: Gletschergrab)
[Rezension 3068 von Michael Matzer zur Lesung 2006

* Mýrin. 2000 (deutsch: Nordermoor)
[Rezensionen 402 von Dr. Maike Keuntje & Dr. Michael Drewniok zur Buchausgabe 2003

* Grafarþögn. 2001 (deutsch: Todeshauch)
[Rezensionen 856 von Dr. Maike Keuntje & Dr. Michael Drewniok zur Buchausgabe 2004
[Rezension 2463 von Michael Matzer zur Lesung 2006

* Röddin. 2002 (deutsch: Engelsstimme)
[Rezensionen 2505 von Dr. Maike Keuntje & Dr. Michael Drewniok zur Buchausgabe 2004/2006
[Rezension 721 von Michael Matzer zur Lesung 2004

* Bettý. 2003 (deutsch: Tödliche Intrige)
[Rezension 1468 von Dr. Maike Keuntje zur Buchausgabe 2005

* Kleifarvatn. 2004 (deutsch: Kältezone)
[Rezension 2274 von Dr. Maike Keuntje zur Buchausgabe 2006
[Rezension 2258 von Michael Matzer zur Lesung 2006

* Vetrarborgin. 2005 (deutsch: Frostnacht)

* Konungsbók. 2006 (noch nicht auf Deutsch erschienen)

http://www.edition-luebbe.de/

Indriðason, Arnaldur – Todeshauch

_Lebendig begraben?_

Im sogenannten Milleniumsviertel in Reykjavík finden Kinder beim Spielen auf einer Baustelle einen für sie interessanten Knochen. Zufällig beobachtet ein Medizinstudent eines der Kinder mit diesem Knochen und identifiziert ihn gleich als menschlichen Rippenknochen. Als der Student sich am Fundort umschaut, entdeckt er noch weitere Knochen, es scheint, als läge ein Gerippe unter der Erde begraben. Nun werden Kommissar Erlendur und seine Kollegen hinzugerufen. Erlendur beschließt, eine Gruppe von Archäologen mit der Ausgrabung des Skelettes zu beauftragen, doch wird er sich noch einige Zeit gedulden müssen, bis die Archäologen die Gebeine freilegen können und dabei eine dicke Überraschung erleben …

Gleichzeitig erreicht Erlendur ein verzweifelter Hilferuf seiner schwangeren Tochter Eva Lind, mit der er sich vor einigen Wochen zerstritten hatte. Zusätzlich zu dem Knochenfund muss sich Erlendur nun auch damit beschäftigen, seine Tochter ausfindig zu machen. Ihr Telefonat war nämlich leider unterbrochen worden, bevor Eva ihm sagen konnte, was vorgefallen ist und wo sie sich befindet. Diese Suche führt Erlendur in dunkle Gefilde Reykjavíks, bevor er seine Tochter schwer verletzt findet und sie gerade noch rechtzeitig ins Krankenhaus einliefern kann. Von nun an muss Erlendur allerdings um seine kranke Tochter bangen, die im Koma liegt und vielleicht nie wieder aufwachen wird.

Nebenbei lernen wir in Rückblenden eine Frau kennen, die mit einem gewalttätigen Mann verheiratet ist, der sie physisch und psychisch misshandelt und damit ihr Leben und das der drei Kinder zur Hölle macht. Erst nach und nach können wir erahnen, wie diese Familientragödie mit dem Leichenfund im Milleniumsviertel zusammenhängt …

_Früher war alles besser?_

Wieder einmal lässt Arnaldur Indriðason uns in die Vergangenheit reisen; wie schon in [„Nordermoor“, 402 so liegen die Hintergründe des aufzuklärenden Verbrechens auch hier etliche Jahre zurück. Die gefundenen Knochen werden etwa 70 Jahre alt geschätzt, sodass mit ziemlicher Sicherheit kein Mörder mehr verhaftet werden kann, auch wenn die Lage des Gerippes darauf schließen lässt, dass dort jemand vielleicht sogar lebendig begraben worden sein könnte. Erfreulicherweise stehen bei Indriðason nicht die Knochen im Mittelpunkt des Geschehens, wie bei seiner Autorenkollegin Kathy Reichs, sondern der bekannte isländische Krimiautor stellt die handelnden Personen und die menschlichen Opfer in das Zentrum.

Dabei versteht es Indriðason vorzüglich, uns die Figuren seines Romans vorzustellen. Besonders über Erlendur erfahren wir viel aus seiner eigenen – teilweise ebenfalls dunklen – Vergangenheit, und gerade seine menschliche Seite wird in seiner Sorge um Eva Lind erkennbar. Während er an ihrem Krankenbett sitzt, erzählt er ihr einige Episoden aus seiner Kindheit, die uns Erlendur in einem ganz anderen Licht sehen lassen als zuvor. Im Kontext dieses Buches wird Erlendurs eigene Familientragödie dabei besonders interessant. Viele Kleinigkeiten und Begebenheiten vervollständigen hierbei unser Bild vom Krimihelden, sodass er uns mit jedem Roman mehr ans Herz wächst und wir immer mehr mit ihm fühlen und ihm wünschen, dass er endlich zufriedener werden möge.

Sehr gelungen empfand ich die charakterliche Weiterentwicklung von Erlendurs Kollegen Sigurður Óli und Elínborg, über die wir wesentlich mehr erfahren als noch im Vorgängerroman. Speziell über Sigurður Ólis Privatleben berichtet Indridason recht ausführlich; so nehmen auch diese beiden Figuren langsam Gestalt an und gewinnen an Profil.

Ein großer Teil der Romanhandlung spielt in der Vergangenheit und erzählt die Geschichte von Grímur, der seine Frau brutal schlägt und auch seinen drei Kindern gegenüber kein gutes Wort fallen lässt. Besonders die kleine Mikkelina ist dabei Opfer seiner verbalen Attacken, da sie nach einer schweren Krankheit halbseitig gelähmt ist und sich daher nicht ohne Hilfe fortbewegen kann und auch das Sprechen aufgegeben hat. In diesen Sequenzen lernen wir auch diese Familie besser kennen und können das Ausmaß der Tragödie in etwa einschätzen.

Durch die häufigen Szenenwechsel vom aktuellen Skelettfund zur vergangenen Familiengeschichte spielt Indriðason uns wohldosiert Informationen über die Hintergründe des Kriminalfalles zu, die uns ein Miträtseln ermöglichen und dadurch immer weiter Spannung aufbauen. Zu Beginn tappt der Leser noch völlig im Dunkeln, wir wissen nicht, was im Milleniumsviertel vor 70 Jahren vorfiel und ob dort überhaupt ein Verbrechen geschah. Dennoch ahnen wir durch die eingeschobenen Sequenzen sehr schnell, wo Erlendur suchen müsste, um seinen Skelettfund aufzuklären. Der Leser bekommt hier ganz bewusst einen Wissensvorsprung zugestanden.

Indriðason inszeniert eine regelrechte Schnitzeljagd, in der viele kleine Hinweise erst mit der Zeit eine Vermutung über die Vorgänge zulassen. Dabei werden verschiedene Fährten ausgelegt, von denen allerdings nur eine auf die richtige Spur führt. Der Spannungsbogen steigt kontinuierlich an und sorgt dafür, dass man „Todeshauch“ ab der Hälfte nur noch schwer aus der Hand legen kann. Zu viele Informationen hat man an die Hand bekommen, die „nur“ noch sortiert und zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden müssen. Aber natürlich hat Indriðason auch in diesem Roman einige Überraschungen für seine Leser parat.

„Todeshauch“ entspricht nicht dem typischen Strickmuster eines Kriminalromans, da kein Mörder gesucht werden muss, sondern lediglich ein Rätsel gelöst werden soll. Erlendur versucht fast schon verbissen, hinter das Geheimnis der Knochen zu kommen und geht mit wesentlich mehr Enthusiasmus ans Werk als beispielsweise sein Kollege Sigurður Óli, der vielmehr damit beschäftigt ist, sein Privatleben in die richtigen Bahnen zu lenken. Die Ermittlungen werden sehr breit angelegt, viele verschiedene Personen werden als Zeugen herangezogen und die Polizisten sind darauf angewiesen, Angehörige und Nachbarn der damaligen Einwohner im Milleniumsviertel zu befragen. Ebenso wie schon in „Nordermoor“ führt Indriðason auch in „Todeshauch“ zahlreiche handelnden Figuren ein, die größtenteils nur einen flüchtigen Eindruck beim Leser hinterlassen. Schon nach dem Zuklappen des Buches entfallen einem viele Namen, weil sie keine große Rolle gespielt haben. Diese breit gefächerten Ermittlungen bringen daher auch den kleinen Nachteil mit, dass ein gutes Namensgedächtnis für die Lektüre dieses Buches hilfreich sein kann.

Auch in diesem Kriminalroman nimmt sich Indriðason eines wichtigen Themas an, er zeigt die Gewalttätigkeiten und Grausamkeiten auf, die Frauen und Kindern innerhalb der eigenen Familie zugefügt werden können, ohne dass Bekannte und Nachbarn etwas bemerken oder gar zu Hilfe eilen. Dabei bezieht der Autor wieder einmal Stellung und unterstützt die Opfer, versucht gleichzeitig aber auch, die Handlungsweise der Täter zumindest zu erklären, wenn auch nicht zu entschuldigen.

_Abwechslung vom Einheitsbrei_

Obwohl „Todeshauch“ mich nicht ganz so sehr mitreißen und begeistern konnte wie der Vorgängerroman, überzeugt auch dieser Krimi nahezu auf ganzer Linie. Indriðason zeigt wieder einmal sein Talent, die handelnden Figuren plastisch darzustellen, sodass sie uns wie Menschen aus Fleisch und Blut erscheinen, mit denen wir einfach mitfiebern müssen. Auch der Spannungsbogen ist rundum gelungen, kontinuierlich wird die Handlung packender und spannender. Die vereinzelten Hinweise, die Indriðason im Laufe des Romans einstreut, fesseln uns immer mehr an das Buch und animieren zum Mitraten. Dabei werden selbstverständlich auch wieder falsche Fährten ausgelegt, die den Leser gekonnt an der Nase herumführen werden, die aber dennoch stets realistisch erscheinen und nicht bloß an den Haaren herbeigezogen wirken. Nur die vielen auftauchenden Romanfiguren könnten den Leser etwas überfordern, außerdem werden sich einige Krimifreunde sicher nicht mit diesem Fall anfreunden können, da am Ende kein Mörder verurteilt wird. Hier geht es lediglich darum, vergangene Rätsel zu lösen. Doch wie Indriðason meiner Meinung nach überzeugend zeigt, ist dies mindestens genauso spannend wie ein aktueller blutrünstiger Kriminalfall. Darüber hinaus ist „Todeshauch“ eine erfreuliche Abwechslung vom sonstigen Kriminalroman-Einheitsbrei, bei dem viele aktuelle Romane nur einen lauwarmen Aufguss bereits veröffentlichter Ideen darstellen. Indriðason bedient sich viel subtilerer Mittel, um seinen Romanen das gewisse Etwas mitzugeben.

Indriðason, Arnaldur – Nordermoor

Endlich ist es so weit, Henning Mankell hat ernst zu nehmende Konkurrenz auf dem aktuellen Krimisektor bekommen und sie kommt nicht aus Schweden, wo ich lange nach adäquatem literarischem Ersatz gesucht habe, nein, diese Konkurrenz kommt aus Island!

_Leichen im Keller_

In Nordermoor, einem Stadtteil Reykjavíks, wird die Leiche eines alten Mannes gefunden. Es handelt sich hierbei um Holberg, der zunächst noch einen recht harmlosen Eindruck macht, doch schnell entdeckt Kriminalkommissar Erlendur dunkle Schatten in Holbergs Vergangenheit. Ein Foto, welches in der Wohnung des Ermordeten gefunden wird, entlarvt Holberg als Vergewaltiger, und auch die Dateiensammlung auf seinem Homecomputer spricht Bände; hier ist jemand ermordet worden, um den kein Mensch trauern wird und der noch ganz andere Leichen im Keller begraben hat …

Gleichzeitig verschwindet eine Braut von ihrer eigenen Hochzeit, in Nordermoor werden zwei Schwestern überfallen und Erlendurs drogenabhängige Tochter Eva Lind steht mit Geldsorgen und schwanger vor der Tür ihres Vaters. Doch damit nicht genug, im Laufe der Ermittlungen kommt einiger Schmutz Nordermoors ans Tageslicht, Erlendur muss weit in der Vergangenheit suchen, um Mordmotive zu finden und auch um einen von Holbergs Kumpanen ausfindig zu machen, der seit einem Vierteljahrhundert verschwunden ist.

_Krimi der Extraklasse_

Auf der Suche nach interessanter Krimiliteratur schaut man schon lange nicht mehr nur nach Schweden, für Anne Holt reist man auch gerne nach Norwegen und für Arnaldur Indridason umso lieber nach Island. Seit ich auf der verzweifelten Suche nach lesenswerter Spannungslektüre neben Henning Mankell bin, kommt Indridason seinem schwedischen Kollegen nah wie kein anderer. „Todesmoor“ läutet dabei in Deutschland die Kriminalreihe rund um Kommissar Erlendur ein, obwohl rein chronologisch „Menschensöhne“ den Auftakt zu dieser Reihe darstellt. Doch keine Angst, die Unkenntnis der beiden ersten Romane rund um Erlendur, von denen Band 2 noch nicht ins Deutsche übersetzt wurde, stört den Lesegenuss kein bisschen.

Arnaldur Indridason lässt mit „Nordermoor“ das Herz des Krimiliebhabers höher schlagen, von der ersten Seite an packt uns das Geschehen rund um Erlendur und die in Nordermoor geschehenen Verbrechen. Immer wieder lässt uns der Autor an entscheidenden Stellen im Unklaren; so erfahren wir erst sehr spät, welche Botschaft der Mörder am Tatort zurückgelassen hat, über welche Erlendur und seine Kollegen so sehr rätseln. Auch zwischendurch enthält Indridason uns Informationen vor, die der Kommissar soeben erfahren bzw. vermutet hat; auf diese Weise fesselt uns der Autor auf jeder Seite mehr an sein Buch, da wir endlich alle Rätsel entschlüsselt haben wollen.

Der Kriminalfall könnte dabei kaum vielschichtiger sein, als er uns hier präsentiert wird. Zunächst sieht alles ganz einfach aus, doch schon das Foto aus Holbergs Wohnung, auf dem das Grab eines kleinen Mädchens abgebildet ist, lässt erahnen, in welchen Tiefen Erlendur forschen muss, um hinter das Geheimnis diesen Mordes blicken zu können. Ganz nebenbei geschieht ein Überfall auf zwei Schwestern in Nordermoor und eine Braut läuft von ihrer eigenen Hochzeitsfeier davon und hinterlässt ebenfalls eine kryptische Botschaft. Ganz allmählich nähert sich Erlendur mit seinen Nachforschungen dem Kern des Verbrechens, bald muss eine zweite Frau gesucht werden, die wahrscheinlich ebenso von Holberg vergewaltigt wurde wie Kolbrún, deren Tochter in dem Grab beerdigt wurde, welches auf Holbergs Foto zu sehen ist.

Arnaldur Indridason macht viele verschiedene Handlungsstränge auf, die im Laufe des Buches weitergesponnen werden, einzig über den Überfall erfahren wir später fast gar nichts mehr. Jede andere Idee führt der Autor weiter aus, verstrickt sie in das Geschehen, schmückt dadurch seinen Kriminalfall aus und erhöht dabei immer mehr das Tempo seiner Erzählung. Am Ende bleiben keine Fragen offen; Indridason schafft es überzeugend, sämtliche Handlungsfäden zusammenzuführen und ihnen einen würdigen Abschluss zu verpassen.

In der Figurenzeichnung orientiert er sich doch deutlich am bekannten Erfolgsmuster, denn der Leser scheint einen fehlerhaften und zweifelnden Krimihelden zu wünschen und genauso wird uns auch Erlendur präsentiert. Er wird als um die 50 Jahre alt beschrieben, zudem hat er vor etlichen Jahren eine schmutzige Scheidung hinter sich gebracht und seitdem keinen Kontakt mehr zu seiner Exfrau. Beide Kinder aus dieser Ehe sind Problemkinder; in diesem Roman tritt Eva Lind auf, die trotz ihrer Schwangerschaft ihren Entzug nicht schafft. Später wird Erlendur sogar mit zwei Schlägertypen konfrontiert, die von Eva Lind Geld eintreiben wollen. Hinzu kommen gesundheitliche Probleme; Erlendur hat oftmals Schmerzen in der Brust und auch mit dem Rauchen kann er nicht aufhören, darüber hinaus plagen ihn nachts schlimme Albträume. Genau wie Kurt Wallander wächst einem auch Erlendur ans Herz, da er authentisch erscheint und wir seine Gefühle und Gedanken nachvollziehen können. Nur am Ende verrennt sich Indridason ein wenig zu sehr in die Kitschecke, aber das sei ihm in Anbetracht des ausgefeilten Kriminalfalles verziehen.

Vielleicht kann man Indridason vorwerfen, dass zu viele Personen in diesem kurzen Kriminalroman ihren Auftritt haben, denn etliche Figuren werden uns vorgestellt und spielen im weiteren Verlauf des Buches keine Rolle mehr. Das führt dazu, dass man sich einige Namen kaum noch merken kann und dass die meisten Personen einen nur flüchtigen Eindruck hinterlassen und kaum Profil bekommen. Dennoch merkt man an Indridasons Beschreibungen sehr gut, auf welche Personen es ankommt, denn diesen gibt er so viel Raum, dass der Leser sich ein Bild machen kann.

Thematisch hat Arnaldur Indridason sich ein heißes Eisen herausgegriffen, welches er offen kritisiert. Er schafft es hier, gewisse Praktiken so darzustellen, dass dem Leser deutlich wird, wie Indridasons eigene Meinung dazu ist. Während der Ermittlungen schreckt Erlendur nicht einmal davor zurück, das kleine vierjährige Mädchen exhumieren zu lassen, das in den 60er Jahren verstorben ist, obwohl die Mutter des Mädchens bereits vor lauter Trauer Selbstmord begangen und ihre Schwester immer noch unter den schweren Schicksalsschlägen zu leiden hat. Doch am Ende schreitet Erlendur zur Wiedergutmachung und zeigt erneut seine menschliche Seite.

_Lesen – marsch, marsch!_

„Nordermoor“ ist trotz seines geringen Umfangs von nur etwas mehr als 300 Seiten ein ausgeklügelter Kriminalroman, der exzellent zu unterhalten weiß. Indridason inszeniert einen gelungenen Spannungsbogen, der auf jeder Seite mitreißt, und erschafft mit Erlendur einen sympathischen Kriminalhelden, von dem wir unbedingt mehr lesen möchten. Während der Erzählung werden einige Leichen aus dem Keller ausgegraben, nur zu deutlich wird der Schmutz Nordermoors erkennbar, und mit Holberg zeichnet Indridason ein Mordopfer, mit dem wohl kein Leser auch nur einen Hauch von Mitleid haben wird. Jeder Krimifan dürfte an diesem Buch seine helle Freude haben!

Indridason, Arnaldur – Tödliche Intrige

Seit zwei seiner Bücher mit dem Nordischen Preis für Kriminalliteratur ausgezeichnet wurden, hat Arnaldur Indridason sich (zu Recht!) international einen Namen im Krimigenre gemacht. Durch das exotische Lokalkolorit Islands strahlen seine Bücher eine besondere Faszination aus, sodass Indridason sich keineswegs hinter seinem berühmten schwedischen Kollegen verstecken muss. Mit „Tödliche Intrige“ hat er einen Thriller vorgelegt, der alles andere als alltäglich ist …

_Eine Stimme, die zu uns sprach_

Der gesamte Roman ist aus der Sicht eines Ich-Erzählers geschrieben, der im Gefängnis sitzt, seine Gedanken zu Papier bringt und die vergangenen Geschehnisse Revue passieren lässt. Der Erzähler nimmt uns an die Hand und bringt uns zu den verschiedenen Stationen des Verbrechens. Früh ist uns klar, dass etwas Schreckliches geschehen sein muss und dass der Angeklagte unschuldig im Gefängnis zu sitzen scheint; auf jeder Seite werden seine Verzweiflung und Ratlosigkeit deutlich. Nur ganz allmählich setzt sich das Bild des Verbrechens zusammen. Zunächst erfahren wir allerdings mehr über Bettý und den Beginn der Geschichte.

Der Ich-Erzähler arbeitet als Anwalt und begegnet Bettý nach einem Vortrag. Bettý lebt mit dem steinreichen Reeder Tómas Ottósson Zoega (kurz: Tozzi) zusammen und möchte den Ich-Erzähler für die Firma ihres Lebensgefährten engagieren. Nach kurzem Zögern nimmt dieser das Jobangebot tatsächlich an und ahnt dabei nicht, dass er dadurch der Spinne bereits ins Netz gegangen ist. Es dauert nicht lange, bis die schöne und berechnende Bettý Tozzis neuen Anwalt verführt und eine leidenschaftliche Affäre mit ihm beginnt. Wie aus der Geschichte des Ich-Erzählers deutlich wird, verfällt er Bettý immer mehr, vergöttert sie und merkt gar nicht, dass sie ihn für ihre eigenen Zwecke missbrauchen will.

Tozzi schlägt seine Freundin, immer wieder taucht Bettý mit kleinen Verletzungen bei ihrer neuen Liebe auf, sie spricht von Trennung, aber auch davon, dass Tozzi sie nie gehen lassen würde. Vermeintlich nur aus Spaß erwähnt sie dabei einen möglichen Mord, und der Ich-Erzähler ahnt nicht, dass aus Spaß ganz schnell Ernst werden kann …

_Liebe macht blind_

Arnaldur Indridason spinnt einen interessanten Plot und versetzt uns in die Gedankenwelt eines des Mordes Angeklagten. Aus der Retrospektive erfahren wir nach und nach die Vorgeschichte, die zu einem schrecklichen Verbrechen geführt hat. Wohldosiert bekommen wir dabei immer nur kleine Informationshäppchen vorgeworfen, aus denen wir uns die Ereignisse zusammenreimen können, doch führt uns der Autor geschickt an der Nase herum. In die Mitte des Buches platziert er eine inhaltliche Wendung, mit der der Leser sicherlich so nicht gerechnet haben kann. In diesem Moment ist man einfach nur baff und rekapituliert das bisher Gelesene in Gedanken erneut, um zu überprüfen, ob diese Überraschung wirklich Sinn ergibt – aber sie tut es!

„Tödliche Intrige“ ist ein Buch, wie man es nur selten zu lesen bekommt; der Autor schafft es auf jeder Seite, seine Leser an seine Erzählung zu fesseln, obwohl streckenweise auf inhaltlicher Ebene nicht viel passiert, doch entwickelt Indridason eine dermaßen dichte Atmosphäre, dass einem kalte Schauer über den Rücken laufen. Der Spannungsbogen hinkt an mancher Stelle, da der Autor sich in einigen Passagen wiederholt und somit trotz der Kürze des Buches nicht immer etwas Neues zu berichten hat. Dennoch ist dieser Thriller ähnlich klug inszeniert wie ein typischer Kriminalfall aus der Feder Agatha Christies. Am Ende wird schließlich die ganze Niederträchtigkeit der Femme fatale deutlich und offenbart tiefe menschliche Abgründe.

Schon von der ersten Seite an entführt uns dieser Roman in die düsteren Gedanken eines Inhaftierten, der selbst nicht recht verstehen kann, was eigentlich vorgefallen ist. Indridason beweist hier eindrucksvoll, dass er die Verzweiflung des Hereingelegten authentisch beschreiben und den Schmerz und die Enttäuschung über diese List zum Ausdruck bringen kann. Realistisch führt der Autor uns vor Augen, an welchen Gedanken man sich in dieser Situation festhalten muss, um nicht völlig zu verzweifeln. Diese realistischen Beschreibungen führen dazu, dass wir uns trotz der offenkundigen Naivität des Ich-Erzählers in ihn hineinversetzen und mit ihm fühlen können. Wir empfinden Mitleid angesichts der Ungerechtigkeit, dass unser Erzähler unschuldig im Gefängnis sitzt, und wir empfinden Wut gegenüber denjenigen, die ihm das angetan haben, und gegenüber all den Menschen, die ihm nun keinen Glauben schenken. Als Leser wird man in ein Wechselbad der Gefühle hineingeworfen, denn auf der einen Seite lernen wir Bettý aus den Erzählungen über die aufkeimende Liebe zwischen ihr und dem Ich-Erzähler kennen, auf der anderen Seite ahnen wir bald, dass sie hinter der tödlichen Intrige steckt.

_Nicht jedermanns Geschmack_

Trotz der schnörkellosen und leicht verständlichen Sprache erfordert dieses Buch einiges an Aufmerksamkeit. Die Erzählung ist durchsetzt von etlichen Zeitsprüngen, von einem Moment auf den anderen wechselt die Handlung in die Vergangenheit und der Ich-Erzähler berichtet von seiner Kindheit oder auch von seiner Affäre mit Bettý, kurz darauf wohnen wir vielleicht schon einem Verhör im Gefängnis bei, welches in der Gegenwart stattfindet. Die zeitlichen Wechsel erfolgen hierbei unangekündigt und plötzlich; aus dem Zusammenhang wird immer klar, wo wir uns gerade befinden, doch könnten diese Gedankensprünge manch einen Leser irritieren. Für mich hatten sie einen besonderen Reiz, da sie den Spannungsaufbau vorantrieben. Nie konnte ich das Buch beruhigt aus der Hand legen, da immer wieder entscheidende Informationen eingestreut wurden, die zum Miträtseln animierten.

Der allseits bekannte Erlendur taucht in diesem Buch nur in einer Art Nebensatz auf und weist dabei auf einen anderen Kriminalfall hin. Doch das Fehlen dieses Krimihelden störte mich nicht, überaus schade fand ich es vielmehr, dass „Tödliche Intrige“ den Bezug zu Island fast völlig vermissen ließ. Dieser Thriller hätte praktisch überall spielen können, jegliches faszinierendes Lokalkolorit wurde ausgelassen, nur Namen isländischer Städte führten dazu, dass man den Roman geographisch einordnen konnte.

Ein wenig vergaloppiert hat sich Indridason in der Zeichnung seiner Charaktere, die zum Teil zu viele Klischees in sich vereinigen und dadurch unrealistisch erscheinen. So übertreibt er es nicht nur in der Darstellung des Ich-Erzählers, sondern insbesondere in der Figur der Femme fatale Bettý und ihres Lovers Tozzi, die beide praktisch dem „Denver-Clan“ entsprungen sein könnten:

|“Ich konnte nicht sehen, dass sie irgendetwas gemeinsam hatten. Sie so schön, so feminin und irgendwie auch so einsam und verwundbar, aber manchmal auch wie ein Raubtier, wenn ihr der Sinn danach stand. Er dagegen war ein typisch männliches Testosteronpaket, aggressiv und ungezügelt.“|

_Ungewöhnlich_

Insgesamt ist „Tödliche Intrige“ mehr als unterhaltsam und lesenswert, das Buch fesselt seine Leser auf jeder einzelnen Seite und führt uns dabei an der Nase herum. Der Plot ist geschickt inszeniert und entführt uns in die verzweifelte Gedankenwelt eines unschuldig inhaftierten Ich-Erzählers. Arnaldur Indridason beweist mit diesem Thriller, dass er Gefühle glaubwürdig und realistisch umschreiben kann (auch wenn dies nicht für die Charaktere gilt) und dass er auch im Thrillergenre ein Autor ist, den man im Auge behalten sollte. An einigen Stellen hätte Indridason seine Erzählung noch etwas straffen können, auch hätte ich mir mehr Bezüge zu Island gewünscht, die in Indridasons anderen Büchern das gewisse Etwas ausgemacht haben, dennoch kann ich diesen ungewöhnlichen Thriller guten Gewissens weiterempfehlen.

|Arnaldur Indriðason bei Buchwurm.info:|
[Engelsstimme 721
[Menschensöhne 1217
[Nordermoor 402
[Todeshauch 856

Arnaldur Indriðason – Engelsstimme. Kommissar Erlendur Sveinssons 5. Fall (Lesung)

In einem angesehenen Hotel in Reykjavík wird der Portier tot aufgefunden, als Weihnachtsmann verkleidet, die Hosen heruntergelassen. Erlendur stellt bald fest: Diskretion ist das oberste Gebot, der Tourismus ist heilig. Um den Tod des alten Mannes schert sich eigentlich niemand. Wer aber hat Interesse einen zurückgezogen lebenden Portier aus dem Weg zu räumen? Erlendur quartiert sich kurzerhand im Hotel ein und stößt auf ein Geheimnis aus der Vergangenheit des Toten, auf eine „Engelsstimme“… Kommissar Erlendur Sveinsson ermittelt in seinem fünften Fall. (Verlagsinfo)

Der Autor
Arnaldur Indriðason – Engelsstimme. Kommissar Erlendur Sveinssons 5. Fall (Lesung) weiterlesen

Indriðason, Arnaldur / Kattanek, Claudia / Zylka, Martin – Kältezone. Hörspiel

Verhängnisvoll: Isländer in Leipzig

Ein Toter wird im Kleifarsee bei der isländischen Hauptstadt Reykjavik entdeckt. Nach einem Erdbeben hatte sich der Wasserspiegel gesenkt und ein menschliches Skelett sichtbar werden lassen. Es ist an ein russisches Sendegerät aus dem Jahr 1961 angekettet. Dass es Mord war, belegt ein Loch in der Schläfe des Schädels. Wer ist der Mann, wer war sein Mörder?

Kommissar Erlendur Sveinssons Ermittlungen führen ihn in die fünfziger Jahre, als der Kalte Krieg herrschte. Isländer, die von einer gerechteren und besseren, sprich: sozialistischen Welt träumten, gingen in den fünfziger Jahren oft zum Studium in die DDR. Einer von ihnen gerät unter Verdacht.

Der Autor

Arnaldur Indriðason, Jahrgang 1961, war Journalist und Filmkritiker bei Islands größter Tageszeitung. Heute lebt er als freier Autor bei Reykjavik und veröffentlicht mit großem Erfolg seine Romane. Sein Kriminalroman „Nordermoor“ hat den „Nordic Crime Novel’s Award 2002“ erhalten, wurde also zum besten nordeuropäischen Kriminalroman gewählt, und das bei Konkurrenz durch Håkan Nesser und Henning Mankell!

Weitere Romane von Indriðason:

[Engelsstimme
[Todeshauch
[Frostnacht
[Gletschergrab
[Nordermoor
[Tödliche Intrige
[Menschensöhne

Die Inszenierung

Die Regie bei dieser Hörspielfassung, die Claudia Kattanek erstellte, führte Martin Zylka, der für den Westdeutschen Rundfunk WDR arbeitet.

Die wichtigsten Sprecher und ihre Rollen:

Bernhardt Schütz: Erlendur Sveinsson, Kommissar
Sandra Borgmann: Elínborg, Polizistin
Michele Cucuiffo: Sigurdur Oli, Polizist
Michael Ewers spricht den Erzähler Thomas
Rita Lengyel spricht Ilona, die ungarische Studentin, die Thomas liebte
Claus-Dieter Clausnitzer spricht den alten Hannes
Daniel Berger spricht den jungen Hannes
Thomas Arnold spricht Lothar
Martin Bross spricht Emil
Und viele andere.
(Alle Angaben sind dem Booklet entnommen.)

Handlung

Es ist Mai, als nach einem Erdbeben der Kleifarvatn-See trockenfällt und eine Spaziergängerin darin ein Skelett findet. Die Knochen sind an ein altes russisches Sendegerät aus dem Kalten Krieg gekettet. Ein klarer Hinweis auf Mord. Kommissar Erlendur Sveinsson und sein Assistent Sigurdur Oli werden eingeschaltet. Erlendur lässt Vermisste aus dem Zeitraum zwischen 1965 und 1975 suchen.

Oli findet heraus, dass in jenem See mehrmals Abhörsender aus Russland gefunden worden waren. Sie hatten eine Reichweite, mit der Spione den Funkverkehr des amerikanischen Luftwaffenstützpunktes in Keflavik nahe der Hauptstadt Reykjavik belauschen konnten. Da meldet eine siebzigjährige Frau, dass ihr Verlobter vor 30 Jahren verschwand. Er nannte sich Leopold, war Vertreter für Baumaschinen und kam daher ganz schön was rum. Die Maschinen stammten allesamt aus der DDR und der Sowjetunion. Eines Tages erschien er nicht mehr bei einem Kunden und verschwand spurlos.

Dieser Hinweis führt zu den Russen. Der Sekretär der Botschaft jedoch gibt sich freundlich, aber völlig ahnungslos. Dabei war Island ein lohnendes Ziel für sowjetische Agenten: Überall auf der Insel hielten sich Amerikaner auf. Endlich meldet sich auch die amerikanische Botschaft: Etwa 1967 kam ein DDR-Vertreter nach Island, verließ es aber nicht wieder, sondern verschwand im Herbst 1968 spurlos. Der Mann nannte sich Lothar Weiser, geboren in Bonn, lange Zeit wohnhaft in Leipzig, DDR.

Bei der deutschen Botschaft erfahren Erlendur und Oli, dass Weiser ein Stasi-Mann war, der 1953 bis 1958 in Leipzig zwecks Observierung der Ausländer arbeitete. Dazu gehörten auch Isländer. Und „Leopolds“ ehemaliger Chef erklärt, die Baumaschinenhersteller aus der DDR hätten ihn praktisch erpresst, den Mann schwarz einzustellen. Dieser „Leopold“ rekrutierte Leute für die Stasi auf Island, damit sie die Amis abhörten. War Lothar Weiser also „Leopold“? Das ist nicht sicher.

Jetzt sieht Erlendur einigermaßen klar. Aber wer ist der Mörder Lothar Weisers – falls dieser das Skelett im See ist? War es ein Mann aus seiner Vergangenheit oder jemand aus Island?

Die Geschichte von Thomas

Die andere Hälfte des Hörspiels besteht aus einem Handlungsstrang, der 45 Jahre vorher einsetzt, im Jahr 1953. Damals geht der isländische Jungsozialist Thomas nach Leipzig, um dort Ingenieurswissenschaften in einem aufstrebenden sozialistischen Staat zu studieren. Aber als er 1956 zurückkehrt, ist er total verändert und verkriecht sich als gebrochener Mann ohne Hoffnung in seinem Haus. Erst 1998, als der Tote im See gefunden worden ist, beginnt er mit der Niederschrift seiner Erlebnisse in Leipzig.

Thomas, der Ausländer, verliebt sich in eine andere Ausländerin, Ilona aus Ungarn. Obwohl sich das Misstrauen gegen die aufmüpfigen Ungarn, deren Aufstand ja 1956 blutig niedergewalzt wurde, auch in Leipzig bemerkbar macht, verschließt der verliebte Thomas die Augen vor der Realität. Er vertraut den falschen Leuten. Und selbst dann noch, als die Stasi zuschlägt und Ilona spurlos verschwinden lässt, kann er nicht glauben, dass ein „sozialistisches Bruderland“ zu so etwas fähig sein könnte.

Man sollte meinen, dass 1990 nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der Öffnung der Stasi-Archive Ilonas Spur verfolgbar sein müsste. Dem ist nicht so, wie Thomas bitter feststellen muss. Die Geheimdienste haben 1956 zu gründliche Arbeit geleistet. Wahrscheinlich wurde sie, gebrochen von Folter und Misshandlung, irgendwo in einem Internierungslager zwischen der DDR und der Sowjetunion verscharrt.

Aber wer waren die Verräter? Thomas muss es unbedingt wissen, bevor seine Seele Ruhe finden kann. Und er folgt dem Weg bis zum bitteren Ende. Dort erkennt er, dass er nie einen Freund in Leipzig hatte. Als die Kripo 1998 in sein Haus eindringt, ist er froh, denn das Manuskript seiner Geschichte fertig. Er spannt den Hahn des Revolvers …

Die Inszenierung

Ein trauriges Kapitel in der Geschichte von Isländern, die ihr Glück im Ostblock suchten. In der Schilderung der Erlebnisse, die Thomas in Leipzig hat, legt der Autor eine große Detailkenntnis an den Tag. In der Porträtierung der einzelnen Vertreter der verschiedenen Interessensgruppen an der Universität Leipzig lassen sich die sorgfältige Recherche und der Realitätssinn des Autors ablesen. Man sieht also, dass der reinen Krimihandlung eine ergreifende Geschichte zugrunde liegt, ja, dass der Krimi im Grunde nur eine Fußnote darstellt, in der die losen Fäden zusammengeführt werden.

Die Inszenierung des Hörspiels trägt diesen Voraussetzungen in mehrfacher Hinsicht Rechnung. Zunächst einmal sind die Kripo-Ermittlungen Erlendurs auf Island den Erlebnissen Thomas‘ in Leipzig direkt gegenübergestellt. Während sich die Ermittlung schrittweise der Lösung des Rätsels nähert, verläuft Thomas‘ Geschichte in einer dramatischen Abwärtskurve: Liebe und Verlust Ilonas, der Anwerbungsversuch durch die Stasi, der allgemeine Verrat, die Ausweisung. Das Ende vom Traum eines „sozialistischen Bruderstaates“.

ACHTUNG, SPOILER

Dann das Nachspiel auf Island. Thomas lässt nicht locker in seinem Bemühen, Ilonas Schicksal aufzuklären. Und hier wird das Hörspiel etwas verwirrend. Thomas stößt auf zwei Männer, die er aus Leipzig kennt. Erstens wird nicht klar, wann das war – vermutlich 1961, dann stimmt der Ablauf der Ereignisse. Ich dachte, er würde Hannes wiedersehen, doch es ist stattdessen Emil, der Mann, der sich „Leopold“ nennt.

Das Drama spitzt sich zu, bis es zu einer fatalen Kurzschlusshandlung kommt. Das Ergebnis ist bekannt. Ein weiterer Mann kommt hinzu – wie heißt er? Ist es Lothar Weiser? Nein, anscheinend handelt es sich um Hannes, und der ist bereit, Thomas aus der Patsche zu helfen. Eine gewisse Wiedergutmachung dafür, dass er Thomas in Leipzig fünf Jahre zuvor im Stich ließ (Hannes wurde ebenfalls ausgewiesen). Auf einmal heißt es, Lothar Weiser sei in Gefahr. Wat denn nu? Um im vernünftigen Rahmen der Logik zu bleiben, ist anzunehmen, dass der Tote im See dennoch nicht Lothar, sondern Emil ist.

SPOILER ENDE

Musik und Geräusche

Der Zweiteilung der Handlung in Vergangenheit und Gegenwart entspricht die Musik. Im Hintergrund der Ermittlung Erlendurs erklingt eigentlich nur Konservenmusik, z. B. aus dem Radio oder aus einer Musikbox. Das ist keine Hintergrundmusik im eigentlichen Sinne, sondern nur Teil der Geräuschkulisse, wie sie in jedem Fernsehkrimi zu hören ist.

Das Klappern der Tastatur der Schreibmaschine (er hat keinen PC), auf welcher der alte Thomas tippt, bildet eine Zäsur und die Brücke in die Vergangenheit. Die Szenen in Leipzig sind mit richtig schöner Hintergrundmusik unterlegt: Hier spielt sich das menschliche Drama ab, zumal eine Romanze. Piano, Violine, Flöte, Cello und Oboe bzw. Klarinette sind die vorherrschenden Instrumente, die eine bittersüße Stimmung schaffen, die immer wieder heraufbeschworen wird. Das fand ich sehr gelungen.

Natürlich gibt es auch hier wieder Hintergrundgeräusche, so fährt beispielsweise eine Straßenbahn vorbei. Am Schluss kreischen die Möwen über dem Kleifarvatn wie eh und je, als Erlendur die Hydrologin wiedersieht, die den Toten am Anfang gemeldet hat – der Kreis schließt sich. Bevor die Absage beginnt, erklingt wieder das traurige Piano.

Die Sprecher

Die Sprecher haben die Aufgabe, sowohl Realismus zu vermitteln als auch Emotionalität, um glaubwürdig zu wirken. Zum Realismus gehört, dass der Mitarbeiter der russischen Botschaft einen russischen und der Mitarbeiter der amerikanischen Botschaft einen amerikanischen Akzent aufweist, der Stasimann verrät einen sächsischen Akzent.

Zur Emotionalität gehört, dass Thomas, die Hauptfigur des zweiten Handlungsstrangs, zunehmend Gefühle zeigt, wenn es um Ilona geht, und aufgeregter wird, je mehr er einsehen muss, dass er sie nicht nur verloren hat, sondern er und sie von denen verraten wurden, die er bisher für seine Freunde gehalten hat. Seine Verzweiflung schlägt in Wut und umgekehrt um, was dann schließlich 1961 in einer Kurzschlusshandlung gipfelt.

Es lohnt sich bestimmt, dieses Hörspiel, das auf nur 54 Minuten eingedampft wurde und somit alles sehr verdichtet darstellt, mehrmals zu hören. Man wird feststellen, dass es nichts von seiner Wirkung verliert, sondern immer weitere Fassetten an Bedeutung preisgibt.

Unterm Strich

Dass Island ein Brennpunkt des Kalten Krieges war, hätte ich nicht erwartet, obwohl es doch die Logik nahelegt: Hier ein Luftwaffenstützpunkt der Amis, dort, nur wenige Kilometer entfernt, die Russen in Murmansk in der Arktis. Es war eine Atmosphäre der gegenseitigen Bespitzelung und des Misstrauens. Dies ist die negative Seite des Sozialismus, den die Isländer kennenlernten.

Dabei gab es offenbar 1953 allen Anlass, den Sozialismus von seiner positiven Seite kennenzulernen: offene Universitäten, preisgünstige Agrarmaschinen, Knowhow-Transfer. Diese Seite wollte Thomas, die Hauptfigur des zweiten Erzählstrangs, kennenlernen und nutzen. Doch der Traum wurde zum Albtraum, der nie zu enden schien. Dann aber bekam er Hinweise auf DDR-Spione auf Island – eine neue Chance, mit den alten Geschichten reinen Tisch zu machen.

Hier findet die Handlung zu einem abschließenden Finale voller Spannung und unerwarteter Enthüllungen. Kommissar Sveinsson wird quasi zum Nachlassverwalter dieses Dramas, das aus dem Kalten Krieg erwuchs und etliche Opfer forderte. Der Traum vom sozialistischen Weltbruderstaat wurde zum Albtraum, und zwar nicht unter Feinden, sondern unter sozialistischen „Brüdern“. Die sowjetischen Invasionen in den sozialistischen Satellitenstaaten DDR (1953), Ungarn (1956) und Tschechoslowakei (1968) werden ausdrücklich in diesem Zusammenhang erwähnt. Dass sich die Amis in Island keinen Deut besser verhielten, ist die Aussage von Indriðasons Thriller „Gletschergrab“.

Das Hörspiel

… verdichtet die doppelte Handlung, die in Vergangenheit und Gegenwart spielt, auf angemessene, aber möglicherweise auch verwirrende Weise. Daher ist es nicht nur angemessen, sondern auch notwendig, das Stück mehrmals anzuhören. Über die Musik, die Geräusche und vor allem die Sprecher kann ich mich nicht beklagen. Beeindruckt hat mich vor allem die Figur des Ich-Erzählers Thomas.

Das Hörspiel kann als Einstieg in die ausführlichere Lesung dienen, doch ich würde sogar noch eher dazu raten, gleich das Buch zu lesen, das schließlich sämtliche Informationen enthält, die der Autor hineingepackt hat, die er für notwendig erachtete, um die Figuren und ihr Handeln zu verstehen. Wer aber mit der Form des Hörspiels als dramatischer Darstellung vertraut ist, dürfte mit der nun vorliegenden Hörspielfassung wenig Schwierigkeiten haben. Dass ich sie dennoch hatte, ist ein Kritikpunkt. Ein weiterer ist der unverhältnismäßig hohe Preis von knapp 15 Euro.

54 Minuten auf 1 CD
Originaltitel: Kleifarvatn, 2004
Aus dem Isländischen übersetzt von Coletta Bürling
ISBN-13: 9783785733998

http://www.luebbe.de/luebbe-audio

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Indriðason, Arnaldur – Menschensöhne (Lesung)

_Erlendurs erster Fall: „Alien 4“ lässt grüßen_

Island, eine friedliche Insel im Nordatlantik? Mitnichten. Ein pensionierter Lehrer wird in der Innenstadt der Hauptstadt Reykjavik brutal ermordet. Zur gleichen Zeit begeht einer seiner ehemaligen Schüler in der psychiatrischen Klinik Selbstmord. Dass ein Zusammenhang zwischen den beiden Fällen besteht, findet als Erster der jüngere Bruder des Selbstmörders heraus. Erlendur Sveinsson und seine Kollegen von der Kripo Reykjavik schalten sich in den Fall ein. Das Ermittlungsergebnis ist haarsträubend: Von der Klasse des Selbstmörders leben nur noch zwei Schüler.

_Der Autor_

Arnaldur Indriðason, Jahrgang 1961, war Journalist und Filmkritiker bei Islands größter Tageszeitung |Morgunblaðið|. Heute lebt er als freier Autor bei Reykjavik und veröffentlicht mit großem Erfolg seine Romane. Sein Kriminalroman [„Nordermoor“ 402 hat den „Nordic Crime Novel’s Award 2002“ erhalten, wurde also zum besten nordeuropäischen Kriminalroman gewählt, und das bei Konkurrenz durch Håkan Nesser und Henning Mankell! Trotz seines Erfolgs sollte man nicht meinen, dass Island von einer Verbrechenswelle heimgesucht wird. Laut Verlag gibt es dort nur drei Morde pro Jahr.

Bisher ins Deutsche übersetzte Romane (alle bei |Lübbe|):

[Nordermoor 402
[Engelsstimme 721
Gletschergrab
[Todeshauch 856
Menschensöhne

_Der Sprecher_

Frank Glaubrecht ist einer der erfolgreichsten Synchronsprecher Deutschlands. Er leiht beispielsweise so bekannten Filmstars wie Al Pacino, Pierce Brosnan, Jeremy Irons und Richard Gere seine markante Stimme. Er hat u. a. Indriðasons Hörbücher „Nordermoor“ und „Engelsstimme“ gelesen.

Die Bearbeitung der gekürzten Textfassung erfolgte durch Sabine Bode, Regie führte Marc Sieper. Die akustischen Motive (= Musik etc.) steuerte Michael Marianetti bei.

_Handlung_

Als Palmi diesmal seinen älteren Bruder Daniel in der psychiatrischen Klinik, einem kalten grauen Gebäude an der Küste, besucht, stutzt er: keine Raucher auf dem Korridor, und Daniels Zimmer ist verwüstet. Ein Aufseher sagt ihm, dass Daniel sich oben im fünften Stock umbringen wolle. Palmi ist schockiert, aber nicht verwundert. Schon zweimal hat Daniel in seiner Jugend versucht, sich umzubringen, und zweimal hatte er Palmi und seine Mutter angegriffen. Aber das war vor 25 Jahren, und die Mutter starb vor sieben Jahren. Der Vater, ein Matrose, ist auf See geblieben, die Brüder haben ihn kaum gekannt.

Daniel steht auf dem Fenstersims im fünften Stock und droht, sich in die Tiefe zu stürzen. „Sie haben mir Gift eingetrichtert!“ schreit er. „Wo sind die Anderen?“ Als Palmi darauf keine Antwort weiß, stürzt sich Daniel, gerade erst 40 geworden, in die Tiefe. Er ist sofort tot. Wer war Daniels letzter Besucher, von dem die Krankenschwester Palmi berichtet? Was hat er Daniel erzählt?

Unterdessen in der Innenstadt von Reykjavik. In dem über hundert Jahre alten Holzhaus, das völlig verwahrlost ist, stinkt es nach Benzin, alles ist davon durchtränkt. Selbst die Kleidung des alten Mannes, der gefesselt auf einem Stuhl am Schreibtisch sitzt und sich nicht wehrt. Jemand zündet ein Streichholz an und steckt es dem Alten in die Finger. Als es herunterbrennt und das Benzin erreicht, steht sofort das ganze Haus in Flammen. An den Wänden hängen zahlreiche Fotos von Schülern und Lehrern, die aus mehreren Jahrzehnten stammen müssen, denn die Kleidung der Schüler hat sich ebenso verändert wie ihre Haltung gegenüber der Kamera. Der abgebildete Lehrer ist immer der gleiche: das Mordopfer.

Als Kommissar Erlendur Sveinsson mit seinem Kollegen Sigurdur Oli den Tatort in Augenschein nimmt, ist der Tote bereits anhand von Zahnarztunterlagen identifiziert: Halldór Svavarsson, ein ehemaliger Lehrer einer Volksschule. Als sie Halldórs Schwester befragen, erzählt sie, man habe sich einmal an ihrem Bruder vergangen, damals in seiner Kindheit. Doch er habe sie tags zuvor angerufen: Er sagte, es sei vollbracht. Was hat er bloß gemeint?

Am Tag nach den beiden Toden erhält Palmi drei Microcassetten mit den Aufnahmen der Gespräche zwischen seinem Bruder Daniel und Halldór Svavarsson, seinem ehemaligen Lehrer an der Volksschule. Halldór bedauert zutiefst, was er Daniel und den anderen Jungs seiner Klasse im Winter 1967/68 angetan habe. Weil er erpresst wurde, hat er ihnen im Rahmen eines medizinischen Experiments „Lebertranpillen“ verabreicht, in denen sich offenbar kein Lebertran befand. Aber was war es dann?

Die Leistungsfähigkeit der Jungs steigerte sich in auffälligem Maße, und zwei Krankenschwestern nahmen ihnen Blutproben ab, um die Veränderungen zu protokollieren. Doch als Halldór die Pillen absetzen musste, traten sehr hässliche Entzugserscheinungen auf. Viele der Jungs wurden drogenabhängig (auch Daniel), manche begingen Selbstmord, andere fielen Unfällen zum Opfer, Daniel wurde schizophren.

Palmi erkennt verbittert, dass von all den Jungs jener Klasse nur noch ein einziger am Leben sein könnte, jener, den sie den Pechvogel „Kiddi Kolk“ nannten, Christian Einarssson. Er sieht keine Chance, Kiddi zu finden, denn die Hintermänner jenes teuflischen Experiments dürften immer noch hinter Kiddi her sein.

Er ahnt nicht, wie Recht er hat. In der Nacht hat Palmi schwere Albträume von Daniel und Halldór, und die Hand eines Unbekannten würgt ihn, der ihn anschreit: „Wo sind die Cassetten? Wo sind die Cassetten?“ Der Traum ist gar keiner, erkennt Palmi. Dies ist grausame Realität …

_Mein Eindruck_

In seinem ersten Roman über Kommissar Erlendur Sveinsson greift der Autor wie später in dem eindrucksvollen „Nordermoor“ einen alarmierenden Misstand in der isländischen Gesellschaft auf. Zunächst sieht es nach einem Einzelfall aus, was die Pharmaindustrie an unschuldigen Schülern verbrochen hat: ein skrupelloses medizinisches Experiment.

|Die Verstrickung der Politik|

Doch als Erlendur mit seinem Vorgesetzten spricht, erfährt er, dass sich der Premierminister über diesen Fall auf dem Laufenden halten lässt. Und so wundert es Erlendur nur wenig, dass es nach der Lösung des Falls die Behörden mühelos schaffen, alle Angaben über den Hauptverantwortlichen zu unterdrücken. Nur der Handlanger und eine jener Krankenschwestern werden belangt. Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen. Der Autor klagt keine Einzelschuld ein, sondern eine Gesamtschuld.

~ SPOILER! ~

Dieser Drahtzieher ist Chef des größten isländischen Pharmakonzerns, das zufällig auch das größte ansässige Unternehmen ist – und somit ein wichtiger und mächtiger Steuerzahler. Allerdings lebt der Drahtzieher mehr in Deutschland, woher seine Familie stammt. Und für die dortige Entwicklung von Amphetamin-Präparaten testete er einen Stoff an isländischen Schülern. Das Aufputschmittel wird auch ‚Speed‘ genannt, und es macht definitiv süchtig. Was die ahnungslosen Testpersonen schon bald nach Absetzen der Droge bitter zu spüren bekamen.

Doch dies war nicht das einzige Verbrechen des Pharmabesitzers. Das abgezapfte Blut diente als Grundlage für genetische Versuche, um den heiligen Gral der Genetik zu erlangen: das Klonen von Menschen. Als Palmi und sein Freund in das unterirdische Genlabor eindringen, stoßen sie auf Gespenster der Vergangenheit …

~ ENDE des SPOILERS ~

|Doppelt hält besser|

In klassischer Weise führen die Ermittlungsergebnisse der beiden Teams Erlendur/Sigurdur und Palmi/Freund X zu den Drahtziehern der Verbrechen an den Schülern und ihrem Lehrer. Dabei müssen beide Teams weit in die Vergangenheit zurück, bis zum Zweiten Weltkrieg und davor. Die Methoden sind natürlich völlig unterschiedlich, doch das Erfreuliche dabei ist, dass, trotz der Kooperation Palmis mit den Behörden, die Privatpersonen in ihrem Bemühen, das letzte und größte Geheimnis zu lüften, wesentlich weiter kommen als die beiden Polizisten. Die Teams lassen sich also als gleichberechtigt betrachten, und es ist spannend zu beobachten, wie sie sich allmählich vorarbeiten und dem Kern des Geheimnis immer näher kommen. Doch dies ist keine Ermittlung um ihrer selbst willen – sie wollen den Opfern Gerechtigkeit widerfahren lassen, aber auch den Schuldigen.

|Die Rolle des Schurken|

Natürlich ist es von wesentlicher Bedeutung, die Figur des obersten Schurken richtig zu besetzen und zu zeichnen. Willkommen in der strahlend weißen Welt der global agierenden Genetikwirtschaft! Als Palmi und sein Freund – es dürfte klar sein, um wen es sich handelt – in die Villa des Pharmachefs eindringen, landen sie in einem Wunderland der Biomedizin, das gerade durch seinen klinisch reinen Charakter so bizarr wirkt (wie schön, dass es nicht von Isländern gebaut wurde!).

Der Herrschers dieses Wunderlands, ein Mann mit einem deutschen Namen, hält sich nur zu bedeutsamen Anlässen hier auf, beispielsweise für eine wichtige Transaktion. Er ist ein Mann mit ebenso viel Kunstverstand (hier hängt Islands einziger Cézanne) wie Geschäftssinn (er lässt einen der Top-50-Männer der Welt anreisen, um zu investieren), doch mit seiner Moral scheint etwas nicht zu stimmen. Was er herstellt und womit er handelt, das sind menschliche Wesen. Doch kann man diese titelgebenden „Menschensöhne“ wirklich so nennen? Palmi und Co. werden es herausfinden. Ein klassischer „Alien 4“-Moment wartet auf sie.

|Gefallene Engel?|

Eine Bedeutungsebene fehlt noch, die dem Unternehmen Kloning eine bittere ironische Note verleiht. Folgendes Bibelzitat ist dem Roman als Motto vorangestellt: „Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren ist, sondern das ewige Leben hat.“ Der Klonhersteller nimmt diesen Spruch ein wenig zu wörtlich. Wenn er den reichen Koreaner klont, um ihm so das „ewige Leben“ zu verschaffen, so bezieht sich seine Errungenschaft auf den rein körperlichen Aspekt. Der Geist des Klons ist davon nicht betroffen – dieser wird sowieso nur als Produkt der Umwelt betrachtet.

Als wäre dieses Verbrechen nicht genug, missbraucht der Klonhersteller auch noch die auf natürliche Weise entstandenen Menschen-Söhne, um seine künstlichen Menschen zu erzeugen. Eine zynischere Haltung gegenüber dem menschlichen Leben ist kaum vorstellbar. Es ist die totale Umkehrung des Sinnes, der mit dem Bibelspruch ausgedrückt werden soll.

Und die Opfer selbst? Ganz konkret wird die Auswirkung dieses Verhaltens an Daniels geistigem Zustand. Nach dem Motto seines Lehrers Halldór wollte er „ad astra“, zu den Sternen streben. Und tatsächlich schien die Wunderdroge sozusagen eine Abkürzung dorthin bereitzustellen: einen geistigen Höhenflug sondergleichen. Doch der Absturz dieses Ikarus folgt unausweichlich, als die Droge entzogen wird: Daniel phantasiert von einer „Vertreibung aus dem Paradies“, vom Sturz eines Meteors, der auf die Erde fiel. Er fesselt in seiner Wut seinen Bruder Palmi ans Bett und zündet dieses an – ein deutlicher Vorgriff auf die Art und Weise, wie Halldór umkommt. Das Unglück der Opfer hat eine tragische Dimension. Das kann man für pathetisch halten oder auch nicht; hieran scheiden sich die Geister.

|Hello, Dolly!|

Natürlich nimmt der Autor den Kloning-Erfolg am Schaf „Dolly“ zum Aufhänger für seine horrible Kriminalstory, und mittlerweile weiß man, wie enorm schwierig dieses Unterfangen ist – von der Fragwürdigkeit mal ganz abgesehen. Doch auch ohne den Klonaspekt bleibt das Thema des verbotenen medizinischen Experiments an ahnungslosen Opfern brisant. Die einzelnen Mitglieder von Daniels Clique erwachen in der Rückblende zu erstaunlich deutlichem Leben, als der Autor eine blutige Szene schildert, die in einem Kellerversteck der Bande stattfindet. Die folgenden Ereignisse erklären, warum Kiddi Kolk nur noch ein Auge hat … Die Szene ist so anschaulich erzählt, dass man meinen könnte, der Autor hätte dies oder Ähnliches selbst erlebt. Er kennt sich in den „sozial unterprivilegierten“ Gegenden der Hauptstadt offensichtlich bestens aus. Und er scheut sich nicht, die Dinge beim Namen zu nennen.

|Ein Erstling? Kaum zu glauben|

Es ist wenig davon zu spüren, dass dies Indriðasons erster Krimi war. Ein Hinweis darauf, dass wir es nicht mit der Urfassung zu tun haben, liefert eine winzig gedruckte Zeile im Impressum des Buches, das mir ebenfalls zur Besprechung vorlag. (Gut, dass wir verglichen haben, nicht?) „Die Übersetzung wurde von einer überarbeiteten Fassung des isländischen Originals vorgenommen.“

|Der Sprecher|

Thrillerkenner wissen, dass Frank Glaubrecht die deutsche Stimmbandvertretung von Al Pacino ist. Wer jemals Pacino in Michael Manns „Heat“ gesehen und vor allem gehört hat, ahnt schon, mit welcher Autorität Glaubrecht die Geschichte von Halldor, Palmi, Daniel und Erlendur vortragen kann. Dies habe ich schon bei den anderen Indriðason-Hörbüchern festgestellt: Die Geschichte, wenn Glaubrecht sie vorträgt, kann niemanden kalt lassen.

Das ist ganz besonders wichtig in jenen Szenen und Sätzen, die über die normale Alltagserfahrung und -ausdrucksweise hinausgehen. Wenn Erlendur und Palmi von Abscheu angesichts bestimmter Phänomene wie Kloning erfasst werden, so muss man ihnen das abnehmen. Ganz besonders kritisch wird es, wenn der Moment des Grauens so bizarr wird, dass die Vorstellungskraft kaum noch ausreicht, ihn zu visualisieren. Das ist im Zentrum des Genlabors, dem Herz der Finsternis, der Fall.

Die Hörbuchdramaturgie ist löblicherweise darauf ausgerichtet gewesen, Spannung zu erzeugen. Daher verwundert es nicht, dass viele Szenen mit einer neuen Erkenntnis enden, die zugleich wie ein Cliffhanger funktioniert. Der Zuhörer ist begierig darauf zu erfahren, wie es weitergeht. Natürlich wird die gleiche Szene selten fortgesetzt, sondern die Story wechselt zum parallelen Handlungsstrang B. Umso größer ist dann die Spannung, wenn die Sprache wieder auf Handlung A kommt.

Nach klassischem Krimimuster steigert sich die Spannung wie auch die Ebene, auf der Erkenntis und Täter zu finden sind, mit jedem weiteren Ermittlungsergebnis. Das Finale sieht dann den Showdown vor. Doch der verläuft bei Indriðason niemals in der Weise, wie ihn sich ein Drehbuchautor aus Hollywood vorstellen würde. Und doch, so viel lässt sich verraten, gibt es ein so genanntes Happyend.

Musikalische Motive bilden ein Intro für die Geschichte und begleiten quasi den Abspann. Sie beschwören eine Stimmung aus Spannung und Drama. Ich fand sie recht passend.

_Unterm Strich_

Man merkt zwar, dass Indriðasons Erstling noch stark an klassischen Mustern für Krimis orientiert ist, aber das Thema ist bereits ebenso brisant wie das seiner späteren Romane. Ich fand die Geschichte sowohl spannend erzählt als auch sehr bewegend in ihrer Aussage und Darstellung.

Und je mehr die Welt jene Visionen, die die Science-Fiction noch vor 30 Jahren zeichnete, in die Realität umsetzt, umso dringender müssen wir uns als Zeitgenossen fragen, ob der Mensch schon bereit ist, sein Ebenbild – ob als Klon, Roboter oder KI – zu erschaffen und wie eine Ware zu verschachern. Von den Opfern, die auf diesem Weg zu bringen sind, und ihrer moralischen Rechtfertigung ganz zu schweigen.

|Originaltitel: Synir Duftsins, 1997
265 Minuten auf 4 CDs|

Indriðason, Arnaldur – Todeshauch

_Spannend und rätselhaft: Skelettfunde auf Island_

In einer Baugrube am Stadtrand von Reykjavik werden menschliche Knochen gefunden. Wer ist der Tote, der hier verscharrt wurde? Wurde er gar lebendig begraben? Erlendur Sveinsson und seine Kollegen von der Kripo Reykjavik werden mit grausamen Details konfrontiert. Stück für Stück rollen sie Ereignisse aus der Vergangenheit auf und bringen Licht in eine menschliche Tragödie, die bis in die Gegenwart hineinreicht. Während Erlendur mit Schrecknissen früherer Zeiten beschäftigt ist, kämpft seine Tochter Eva Lind auf der Intensivstation um ihr Leben, nachdem sie ihr Baby verloren hat. (abgewandelte Verlagsinfo)

_Der Autor_

Arnaldur Indridason, Jahrgang 1961, war Journalist und Filmkritiker bei Islands größter Tageszeitung. Heute lebt er als freier Autor bei Reykjavik und veröffentlicht mit großem Erfolg seine Romane. Sein Kriminalroman [„Nordermoor“ 402 hat den „Nordic Crime Novel’s Award 2002“ erhalten, wurde also zum besten nordeuropäischen Kriminalroman gewählt, und das bei Konkurrenz durch Hakan Nesser und Henning Mankell!

_Der Sprecher_

Frank Glaubrecht ist einer der erfolgreichsten Synchronsprecher Deutschlands. Er leiht beispielsweise so bekannten Filmstars wie Al Pacino, Pierce Brosnan, Jeremy Irons und Richard Gere seine markante Stimme. Er hat u. a. Indridasons Hörbücher „Nordermoor“ und „Engelsstimme“ gelesen.

Der Romantext wurde von Sabine Bode gekürzt. Für Regie und Produktion zeichnete Marc Sieper verantwortlich. Die akustischen Motive an Anfang und Schluss des Hörbuchs stammen von Michael Marianetti.

_Handlung_

Schon die Entdeckung des Skelettes geht recht makaber und symbolisch vonstatten. Ein kleiner Junge, der an diesem Tag Geburtstag feiert, hat den „schönen Stein“ in einer der vielen Baugruben gefunden, die nun in der „Millenniums-Siedlung“ ausgehoben werden, die am Stadtrand der Hauptstadt Reykjavik entsteht. Die kleine Schwester des Jungen spielt gerade damit, als der Besucher der Mutter, ein 25 Jahre alter Medizinstudent, etwas an dem „Stein“ sonderbar vorkommt.

Kaum hat er das Ding in der Hand, um es zu untersuchen, plärrt die Kleine los. Die Mutter nimmt sie gleich auf den Arm und fragt den Mann, was los sei. „Es ist eine Rippe“, sagt er zu ihrem Erstaunen. Toti, ihr Sohn, habe ihn gefunden. Er ruft die Polizei und findet noch mehr Knochen. Die Vergangenheit hat das Millennium eingeholt.

Inspektor Sigurdur Oli hat gerade heißen Sex mit seiner Freundin Bergthora, als sein Piepser klingelt. Er ruft Kommissar Erlendur Sveinsson hinzu, um gemeinsam den Fundort der seltsamen Knochen in Augenschein zu nehmen. Die Rede ist schon vom „Millenniumsmann“. Die Spurensicherung ist bereits bei der Arbeit, als ein Archäologe namens Skarpeddin dazu mahnt, feinere Methoden als das CSI-Team anzuwenden – dauert zwar länger, berücksichtigt aber mehr Spuren und vor allem: Es werden keine Spuren zerstört. Weil sich Erlendur dafür entscheidet, gelingt den Archäologen zwei Tage später eine kleine Sensation …

Weil Erlendur vier Johannisbeersträucher aufgefallen sind, die in einer Reihe stehen, fragt er sich, ob hier wohl mal ein Haus gestanden hat. Dies ist tatsächlich der Fall. Das Sommerhaus, das in den dreißiger Jahren gebaut, aber nie ganz fertig gestellt wurde, hatte man ca. 1980 abgerissen. Es gehörte einem Kaufmann namens Benjamin Knudson. Weil seine geliebte Verlobte Solveig eines Tages verschwand, brach er die Fertigstellung ab, ein gebrochener Mann. Aber wer zog dann hier ein?

Während er Sigurdur Oli zum Ermitteln zu den Verwandten Knudsons schickt, geht Erlendur selbst dem Hilferuf seiner Tochter Eva Lind nach. Er hörte sie auf dem Handy nur „Hilf mir“ sagen, mehr nicht. Da weiß er, dass es ernst ist. Über mehrere unangenehme Stationen findet er den Weg zu ihr. Fünfzig Meter vor der Entbindungsstation des Krankenhauses liegt sie in ihrem Blut, irgendwo zwischen den Bäumen am Straßenrand. Sie ist drogensüchtig und schwanger. Die Ärzte können das Leben des Kindes nicht mehr retten, und das von Eva Lind, die auf der Intensivstation liegt, scheint ebenfalls vorüber zu sein. Erlendur verständigt über seinen Sohn auch Evas Mutter Halldora, von der er sich schon vor Jahren im Streit getrennt hatte.

Sigurdur Oli hat eine Rechnung gefunden, die Benjamin Knudson den Mietern seines Sommerhauses ausgestellt hatte, einer Familie Thoralindson. Sie lebte 1943 und 1944 im Haus am Grafaholt, doch ihre Vormieter kannte er nur flüchtig. Es scheint, der Mann habe seine Frau ebenso geprügelt wie seine drei Kinder, besonders die verkrüppelte Mikelina. Gut möglich, dass der Mann für die Engländer und die Amerikaner gearbeitet hat. Von der britischen Botschaft bekommt er Kontakt zu einem ehemaligen amerikanischen Oberst, der fast ganz zum Isländer geworden ist: Colonel Edward Hunter von der Militärpolizei.

Von Hunter erfährt Erlendur erstmals von den schrecklichen Zuständen, die in der Familie geherrscht haben mussten, die das Haus am Grafaholt bewohnte. Der Mann arbeitete im Depot der Amerikaner, war aber Mitglied eines Hehlerrings. Als dieser aufflog, betrat Hunter mit vier MPs das Haus, um die gestohlenen Waren sicherzustellen und den Dieb zu verhaften. Das war der Moment, als ihm, Hunter, das erste und einzige Mal die Hand ausgerutscht sei und er einen Mann ohne Nachzudenken geohrfeigt habe. Der Anblick, wie dessen Ehefrau zugerichtet war, habe ausgereicht.

Erlendur überlegt, ob das Skelett, das der Medizinstudent gefunden hat, dieser Frau gehört. Doch als ihn Skarpeddin, der Archäologe, zur Grabungsstelle bittet, wartet auf ihn eine Überraschung: Es sind zwei Skelette.

_Mein Eindruck_

Dieser Handlungsabriss gibt lediglich eine Hälfte des Buches wieder. Der andere Handlungsstrang beginnt in den dreißiger Jahren, als ein Dienstmädchen, das bei den Knudsons arbeitete, einen Arbeiter kennen lernte und seinen Heiratsantrag annahm. Damit begann ihr Martyrium, das bis zum Jahr 1943 dauern sollte. Colonel Edward Hunter gibt Erlendur lediglich einen Vorgeschmack dessen, was dieser später von Mikelina, der überlebenden Tochter der Frau, erfahren soll. Diese Erzählung ist es, die schließlich erklären wird, um wen es sich bei den beiden Skeletten in der Baugrube handelt. Da aber beide Handlungsstränge nur stückweise vorangetrieben werden, bleibt die Geschichte für den Leser bzw. Hörer stets und bis zum Schluss spannend. Der Autor verrät nur so viel wie nötig ist, um das Interesse aufrecht zu erhalten.

Wir haben es also quasi mit zwei Kriminalerzählungen zu tun. Das war ja schon in [„Kältezone“ 2258 so. Erlendur betrachtet das Verbrechen von 1943 im Nachhinein und von außen. Mikelina schildert die Ereignisse, die dazu führten, von innen, als Beteiligte oder doch als unmittelbare Zeugin. Es sind zwei völlig verschiedene Sichtweisen: die eine kühl und um Objektivität bemüht, die andere äußerst intensiv und voller Grauen. Die resultierende emotionale Belastung des Lesers bzw. Hörers findet durch die Erlendur & Sigurdur-Episoden jedoch eine Entspannung, die umso willkommener ist, je grausamer sich die Ereignisse in der Familie Mikelinas entwickeln.

|Abwechslung|

Diese abwechselnde An- und Entspannung ist kennzeichnend für viele Romane des Autors. Aber damit verfolgt er einen bestimmten Zweck. Denn Erlendur wird durch die Erzählung Mikelinas dazu gebracht, intensiver über seine eigene väterliche Schuld gegenüber seinen Kindern nachzudenken, insbesondere gegenüber der im Sterben liegenden Eva Lind. Entsetzt muss er feststellen, dass sie von ihrer Mutter ideologisch gegen ihn, den Rabenvater, „geimpft“ worden ist. Dass er sich mit bestimmten Argumenten dagegen verwahren werde, hat die Mutter bereits perfiderweise vorweggeahnt und ihre Tochter darauf vorbereitet. Wie sich herausstellt, muss Erlendur von sich selbst, seinem eigenen Werdegang erzählen, um wieder glaubwürdig zu werden.

|Solveigs Rätsel|

Es gibt ein weiteres kriminalistisches Rätsel, das es zu lösen gilt. Erlendur stößt zwischendurch in der Familie des Kaufmanns Knudson auf eine weitere verschwundene Frau und vermutet wie jeder Kriminalist einen Zusammenhang mit dem Skelett in der Baugrube. Wohin könnte Knudsons Verlobte Solveig verschwunden sein? Sie war, wie sich herausstellt, ungewollt schwanger geworden, wollte das Kind aber austragen. In jener Zeit um 1938 muss das ein Riesenskandal gewesen sein, und deshalb löste sie am Tag ihres Verschwindens die Verlobung. Knudson wollte sie weiterhin als seine Frau, weil er sie liebte. Dennoch verschwand sie – und „ward nie mehr geseh’n“. Angeblich ging sie ins Meer, andere meinen, Knudson habe sie auf dem Gewissen. Doch warum brachte sich Solveigs Vater erst sechs Monate später um? War er etwa der Vater ihres Kindes?

|Generalthema|

Das Generalthema des Krimis ist diesmal also die Beziehung zwischen Vätern, Müttern und ihren Kindern. Erlendur, der davongelaufene Vater, muss seine Verantwortung ebenso einsehen wie Sigurdur Oli, der noch gar nicht Vater ist, aber seine Freundin heiraten soll, um endlich Kinder haben zu können. Knudson, der nicht Vater des Kindes seiner geliebten Solveig sein durfte, scheiterte im Leben.

Doch am schlimmsten ist Grímur, der prügelnde Tyrann in Mikelinas Familie. Mikelina, sein Stiefkind und ein Krüppel, lehnte er zeitlebens ab, ebenso den nächsten Sohn, Simon. Nur Tomas fand Gnade in seinen Augen, und ihn zog er auf seine Seite, um ihn gegen seine Geschwister aufzuhetzen. Grímur missbraucht seine Autorität als Vater, macht seine Verantwortung zu einer Perversion. Colonel Hunter ist davon ebenso abgestoßen wie der Soldat David Ash, den Mikelinas Mutter kennen lernt, während Grímur für seinen Diebstahl im Knast sitzt.

|Krieg in den Familien|

Die verschiedenen Kämpfe zwischen Vätern und Müttern, die die Kinder ausbaden müssen, fordern eine Menge Opfer in diesem Krimi. Unter „Opfer“ sind nicht nur körperliche Opfer zu verstehen, also Gestorbene oder Verkrüppelte, sondern auch seelisch Getötete, wie Simon, Grímurs Sohn. Oder wie Eva Lind, die sowohl Mutter wie auch Vater abzulehnen gelernt hat.

Man könnte sich nun leicht fragen, ob der Autor den traditionellen Rollenverteilungen eine Lanze bricht: dominanter Mann, dienende Frau, versorgtes Kind. Das würde allerdings völlig verkennen, dass er ein ganzes Spektrum solcher Familien aufzeigt. Das Beispiel Grímurs stellt er besonders abschreckend hin, um keinen Zweifel daran zu lassen, dass ein dominanter Mann keineswegs die Lösung des Problems darstellt.

|Die Stellung der Frau|

Aber deutlich ist zu erkennen, dass in der alten Zeit, vor und während des Krieges, die Ehefrau oder Verlobte stets die Schwächere war, und zwar wegen der geschriebenen wie auch ungeschriebenen Gesetze. Solveig löste mit ihrer ungewollten Schwangerschaft, die Folge einer Vergewaltigung, einen Skandal aus. Mikelinas Mutter konnte sich nicht scheiden lassen, weil ihr Mann seine Einwilligung verweigerte.

Ganz anders die heutige Zeit. Halldora Sveinsson hat ihrem davongelaufenen Mann den Zugang zu ihren Kindern verboten, und Bergthora, Sigurdurs Freundin, besteht auf einer Heirat. „Oder willst du etwa werden wie dein Freund Erlendur, dieser Trottel?“ Nein, das will Sigurdur ganz bestimmt nicht. Es sind jetzt die Frauen, die die Oberhand haben. Vielleicht kann nun das Millennium endlich anbrechen. Ob es besser wird, ist jedoch nicht unbedingt gesagt.

_Der Sprecher_

Frank Glaubrechts sonore Stimme – man stelle sich den Klang von Al Pacino in „The Insider“ vor – trägt die Geschichte, die Indridason spinnt, ausgezeichnet und ohne je die für die Geschichte und den Ermittler notwendige Autorität und Ruhe zu verlieren. Dennoch entwickelt sein Vortrag zusammen mit der Handlung eine tiefere psychologische Dimension, die sich in der zunehmenden Emotionalität in Glaubrechts Stimme äußert – ein gewisses zusätzliches Vibrato, das ich vernommen zu haben glaube.

Glaubrechts Vortrag ist abwechslungsreicher geworden, will mir scheinen. Einen jungen Drogendealer lässt er langsam und „tranig“ sprechen, als sei er zugedröhnt. Mikelina, als sie klein ist und ihr erstes Wort hervorzwingt, spricht stotternd und stockend. Grímur klingt zwiegespalten: Meistens ist er wütend und brüllt umher, aber manchmal, wenn er etwas herausfinden will, klingt er süß und einschmeichelnd wie eine falsche Schlange. Als er merkt, dass er vergiftet worden ist, flüstert er erstaunt. Die nachfolgende Szene ist dramatisch.

|Lesefehler?|

Simon, Mikelinas Bruder, hat die Geisteskrankheit der Hebephrenie, die Ähnlichkeit mit Schizophrenie hat. Simon, obwohl schon 70 Jahre alt, klingt wie ein kleiner Junge von acht oder neun Jahren, ist aber keineswegs „verblödet“. Doch Mikelina, die von ihrem Vater immer als „Schwachsinnige“ abqualifiziert worden war, klingt ironischerweise völlig vernünftig. Sie ging auf die Uni und ist Psychologin geworden. Sie ist sogar Erlendur, der nie zur Uni ging, überlegen und lässt es ihn spüren. Aber auf eine sehr freundliche Art.

Der einzige Fehler, der dem Sprecher unterläuft, ist die Aussprache des Begriffs „Hebephrenie“. Er sagt „Hebrephrenie“, mit einem zusätzlichen R. Der Grund ist unklar. Vielleicht wurde das Wort in seinem Textmanuskript falsch getippt und er prägte es sich so ein. Dann kann er nichts dafür.

_Unterm Strich_

Der Leser bzw. Hörer bangt mit zwei Familien: mit der, in der Grímur als Tyrann herrscht, und mit der zerbrochenen Familie Erlendur Sveinssons, die sich am Krankenbett seiner Tochter einfindet. Die Art und Weise, wie diese parallelen Schicksale verknüpft werden, ist kunstvoll ausgeführt. Der Autor verrät immer nur so viel von der Vorgeschichte bzw. dem Fortgang des Dramas, dass das Interesse wach bleibt und das gespannte Warten auf die – gute oder schlechte – Lösung des Dramas anhalten muss. Erst am Schluss, nach einem dramatischen Höhepunkt in Grímurs Familie, klären sich die Geheimnisse auf.

Auf dem Weg dorthin erfahren wir mehr über Jugend und Werdegang des Kommissars Erlendur Sveinsson. Allerdings war die Episode, wie er seinen achtjährigen Bruder im Schneesturm verlor, schon in einem früheren Roman zu lesen gewesen (ich habe vergessen, in welchem). Deshalb war diese Stelle nicht so interessant. Aber innerhalb von Sveinssons Bekenntnis gegenüber Eva Lind ist es eine sehr wichtige Stelle. Denn es erklärt, warum Erlendur schuldbewusst und ein gebrochener Mann ist, ähnlich wie Benjamin Knudson wegen seiner Solveig. Deren Verschwinden versucht Erlendur aufzuklären und hegt den Verdacht, dass es sich bei Solveig und Grímurs Frau – deren Namen wir erst ganz am Schluss erfahren – um ein und dieselbe Person handelt.

Zeitlich gehen Indridasons Romane immer weiter zurück in der Geschichte Islands. „Kältezone“ begann mit der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als Isländer in die neu gegründeten DDR zum Studieren gingen. „Todeshauch“ behandelt eine Generation, die im Jahr des Kometen, 1910, gezeugt wurde und im Jahr 1943 während der „Besetzung“ durch die Engländer und Amerikaner ihre folgenreichste Phase erlebte. Ich gehe davon aus, dass künftige Romane diese Erforschung der isländischen Geschichte weiter vorantreiben und schließlich unweigerlich bei den Wikingern landen. Deren Ruhm als Entdecker Amerikas hat sich ja inzwischen herumgesprochen.

Der Sprecher Frank Glaubrecht gestaltet seinen Vortrag abwechslungsreich und weiß die Dramatik bestimmter Szenen glaubwürdig herauszuarbeiten. Seine Aussprache der isländischen und englischen Namen ist ebenfalls korrekt. Im gesamten Text unterläuft ihm nur ein einziger Fehler, als er das Wort „Hebephrenie“ anders ausspricht, als es geschrieben wird.

|Originaltitel: Grafarpögn, 2001
Aus dem Isländischen übersetzt von Coletta Bürling
244 Minuten auf 4 CDs|
[Unsere Rezensionen zur Buchfassung 856

Indriðason (Indridason), Arnaldur – Frevelopfer

_Die Tandoori-Connection: Wozu man Rohypnol braucht_

In einer Wohnung mitten in Reykjavík findet die Polizei einen jungen Mann mit durchtrennter Kehle. Der Täter scheint das Opfer gekannt zu haben, denn nichts weist auf einen Einbruch hin. Kommissarin Elinborg findet am Tatort einen Kaschmirschal, der einen Geruch nach Tandoori-Gewürz verströmt, und in der Jackentasche des Toten die Vergewaltigungsdroge Rohypnol. Kommissar Erlendurs Kollegin ahnt, dass dieser Mord die Rache für ein brutales Verbrechen war – für Freveltaten, die nie gesühnt werden können … (erweiterte Verlagsinfo)

_Der Autor_

Arnaldur Indriðason, Jahrgang 1961, war Journalist und Filmkritiker bei Islands größter Tageszeitung. Heute lebt er als freier Autor bei Reykjavík und veröffentlicht mit großem Erfolg seine Romane. Sein Kriminalroman „Nordermoor“ hat den „Nordic Crime Novel’s Award 2002“ erhalten, wurde also zum besten nordeuropäischen Kriminalroman gewählt, und das bei Konkurrenz durch Håkan Nesser und Henning Mankell! Trotz seines Erfolgs sollte man nicht meinen, dass Island von einer Verbrechenswelle heimgesucht wird. Laut Verlag gibt es dort nur drei Morde pro Jahr.

Bisher ins Deutsche übersetzte Romane (alle bei |Lübbe|):

Die Erlendur-Romane:

|Synir Duftsins|, 1997 (deutsch: [Menschensöhne, 1217 2005)
|Dauðarósir|, 1998 (deutsch: [Todesrosen, 5107 2008)
|Mýrin|, 2000 (deutsch: [Nordermoor, 402 2003)
|Grafarþögn|, 2001 (deutsch: [Todeshauch, 2463 2004)
|Röddin|, 2002 (deutsch: [Engelsstimme, 2505 2004)
|Kleifarvatn|, 2004 (deutsch: [Kältezone, 4128 2006)
|Vetrarborgin|, 2005 (deutsch: [Frostnacht, 3989 2007)
|Harðskafi|, 2007 (deutsch: Kälteschlaf, 2009)
|Myrká|, 2008 (deutsch: Frevelopfer, 2010)

Andere Romane:

|Napóleonsskjölin|, 1999 (deutsch: [Gletschergrab, 3068 2005)
|Bettý|, 2003 (deutsch: [Tödliche Intrige, 1468 2005)
|Konungsbók|, 2006 (deutsch: [Codex Regius, 5554 2008)

_Handlung_

Kommissar Erlendur ist nach Ostisland gereist, um dort Urlaub im Land seiner Kindheit zu verbringen. Deshalb übernimmt Inspektorin Elinborg den neuesten Fall. In der Reykjavíker Innenstadt ist in einem Haus die Leiche eines jungen Telefontechnikers namens Runolfur aufgefunden worden. Zunächst können nur die Spuren am Tatort zum Täter führen, doch diese Spuren geben Elinborg und ihren Kollegen Rätsel auf.

Da Runolfur die Kehle sauber durchgeschnitten wurden, findet sich jede Menge Blut in seiner Wohnung, aber kein Tatwerkzeug, ein scharfes Messer oder Skalpell. Rätselhaft findet Elinborg, dass er ein viel zu kleines T-Shirt mit dem Aufdruck „SAN FRANCISCO“ trägt – es ist in einer Frauengröße. Das Stichwort „Frau“ führt zu dem Fläschchen Rohypnol, das in seiner Jackentasche gefunden wurde. Hat er die Vergewaltigungsdroge, die auch als Schlafmittel verschrieben wird, eingesetzt, um ein Opfer gefügig zu machen?

Alles deutet darauf hin, dass er Sex gehabt hat. Nur dass von der Frau selbst jede Spur fehlt. Außer dem T-Shirt natürlich – und einem unter dem Bett liegenden Halstuch, das durchdringend nach dem indischen Gewürz Tandoori riecht, welches Elinborg selbst gerne verwendet. Im Bett finden sich schwarze Haare, die nicht zu Runolfur gehören – Frauenhaare, wie sich im Labor herausstellt.

Zunächst scheint die erste Theorie zum Tathergang naheliegend: Runolfur bagert in einer Bar der Innenstadt eine Frau an, die er vielleicht schon aus seiner Tätigkeit als Telefontechniker kennengelernt hat. Dadurch hatte er Zugang zu Privatwohnungen, wo er DSL-Leitungen verlegt. Sie lässt nichtsahnend von ihm zu ein paar Drinks einladen, und in einen davon schüttet er eine ausreichende Dosis Rohypnol. Sie wird völlig willenlos, lässt sich zu ihm mitnehmen, der Rest ergibt sich – bis sie dann aufwacht, ohne sich an irgendetwas erinnern zu können. Denn das ist das Fiese an Rohypnol: Es unterdrückt die Erinnerung. Diese schöne Theorie hat nur einen Haken: Warum fand sich dann auch in Runolfurs Mund und Kehle genügend Rohypnol, um auch ihn gefügig zu machen? Gibt es einen dritten Beteiligten?

Zunächst macht sich Elinborg auf die Suche nach der Herkunft der Spuren. Sie bekommt von einer für verrückt gehaltenen alten Dame, die Angst vor elektromagnetischer Strahlung hat, die Aussage, dass sie in jener Nacht einen Mann „mit einer Antenne am Bein“ vorübereilen gesehen habe. Bei näherer Nachfrage stellt sich heraus: es war eine Beinorthese, um ein verkümmertes Bein zu stützen und aufrechtzuhalten. Da Kinderlähmung seit 1956 auf Island per Impfung ausgerottet ist, muss es sich um einen älteren Mann handeln. Fehlt nur noch die Tandoori-Connection.

Auf der Suche nach der Quelle des Rohypnols werden Elinborg und ihr Kollege Sigurdur Oli ebenfalls fündig. Der Dealer Valur hat es Runolfurs Freund Edvard verkauft, der sich als Runolfur ausgab. Edvard ist ein Lehrer und großer Freund von Videos alter Spielfilme. Er tut, als könne er kein Wässerchen trüben. Das Rohypnol habe er nur besorgt, weil sein Kumpel unter Schlafstörungen litt. Aber klar doch. Elinborg observiert ihn vorsichtshalber und bekommt gesteckt, dass Edvard vor Jahren im nahen Akranes an einer Schule lehrte, an der die 19-jährige Schülerin Lilja verschwand. Sie wurde bis heute nicht gefunden. Auch in dieser Sache mauert Edvard. Elinborg glaubt, dass er lügt.

Nach Tagen hartnäckigen Fragens zahlt sich endlich ihr Spürsinn aus: Die Tandoori-Connection existiert. Ein älterer Mann hat einen Tandoori-Topf gekauft, und die Verkäuferin hat die Quittung aufbewahrt. Doch als Elinborg endlich die Wahrheit über das OPFER erfährt, wird der Fall noch komplizierter. Dass der Vater des Opfers die Schuld auf sich nimmt und ein Geständnis ablegt, überzeugt Eliborg nicht. Der Vater erwähnt einen Geruch wie von Schmieröl, wie ihn Elinborg nur zu gut von ihrem Gatten, einem Automechaniker, kennt.

Ihr feines Näschen führt Elinborg zurück in Runolfurs Heimatdorf …

_Mein Eindruck_

Der Bestsellerautor greift diesmal ein heikles Thema auf und hinterfragt die Einstellung der Gesellschaft dazu: Vergewaltigung. Bei einem kleinen Volk wie den Isländern, die nur rund 300.000 Menschen zählen, haben Vergewaltigungsfälle mitunter weitreichende Folgen. Sie müssen also auffallen, besonders dann, wenn sie an der Tagesordnung zu sein scheinen. Doch wie gehen Mitmenschen, Polizisten und Justiz damit um, lautet Indriðasons Frage, und die Antwort fällt enttäuschend aus. Der Täter, sollte er überhaupt angezeigt oder gefunden werden, kommt mit unter zwei Jahren Haft davon, womöglich noch mit Bewährung. Das ist Indriðason viel zu wenig, und sein Krimi zeigt, warum.

Runolfurs erstes Vergewaltigungsopfer ist ein junges unbeschwertes Mädchen in der Provinz, das nach dieser Tat seinen Charakter völlig verändert. Statt den Täter anzuzeigen, frisst es die Scham in sich hinein. Noch Jahre nach dem demütigenden Missbrauch leidet die junge Frau darunter, bis sie schließlich das Leid nicht mehr aushält und sich umbringt – nicht ohne ein Vermächtnis hinterlassen zu haben …

Auch in Reykjavík stößt Elinborg auf solche Frauen. Unnur beispielsweise traut sich kaum noch vors Haus, trifft nicht mehr ihre Freundinnen und muss von ihrer Mutter beschützt werden. Auch Runolfurs letztes Opfer leidet an den seelischen Verletzungen, doch ihr kann wenigstens, wie Unnur, durch psychologische Betreuung seitens der Stadt geholfen werden. Ob diese Behandlung jedoch wirklich hilft, scheint eher fraglich, wenn man Unnurs Zustand und Verhalten berücksichtigt.

Durch Rohypnol, auch „Roofie“ genannt, ist Vergewaltigung heutzutage ein Kinderspiel geworden. Eine oder zwei Pillen in den Drink des Opfers und es wird willenlos und schwach wie ein Kind. Indirekt warnt der Autor also Frauen davor, sich solche Drinks spendieren zu lassen, egal ob in einer Bar oder einem Tanzklub. Es kann überall passieren. Für die Opfer, die irgendwo an der Straßenrand erwachen, ist hinterher umso schlimmer, dass sie sich an rein gar nichts erinnern können. Das begünstigt die Täter noch.

Was den Opfern umso mehr zusetzt, ist das Schweigen. Mit ihrer schweigenden Duldung nehmen alle Dorfbewohner ihre Kenntnis um Täter und Opfer hin und billigen somit das Verbrechen im Nachhinein. Das verleitet das Opfer zum Glauben, es selbst müsse an der Vergewaltigung schuld sein, sonst würde ja der Täter bestraft, oder? Die bereits zerstörte Selbstachtung wird zusätzlich noch durch Scham und Schuldgefühle ergänzt, so dass die Lage schließlich hoffnungs- und ausweglos erscheint.

Doch ist Selbstjustiz die geeignete Lösung, um die immer wieder zu Tage tretende Gleichgültigkeit der Gesellschaft auszugleichen? Das ist eine wichtige Frage, die der Autor aufwirft und am Schluss des Buches zudem beantwortet. Es ist natürlich nicht in Ordnung, denn allzu oft trifft die Selbstjustiz den Falschen, einen zu Unrecht Verdächtigten. Und wo kämen wir hin, wenn das Faustrecht wieder eingeführt würde? Wir würden wieder in jenem Mittelalter landen, als für den Erschlagenen ein Blutgeld, das Wergeld, gezahlt werden musste, um eine Familienfehde abzuwenden, die Jahrzehnte andauern konnte. Angeblich gibt es das mittelalterliche Fehdensystem in Albanien bis heute.

Die einzige legitime Lösung besteht für den Autor also in der geänderten Bewertung des Vergewaltigungsverbrechens (das in manchen Ländern noch nicht einmal diesen Status hat). Die Strafen müssen drastisch erhöht werden, bis, so vermute ich, Vergewaltigung gleichgesetzt wird mit schwerer Körperverletzung. Dann dürften es sich die Täter zweimal überlegen, ob sie wirklich etwas begehen wollen, was zuvor als Kavaliersdelikt galt.

|Die Übersetzung|

Coletta Bürling hat wieder einen beachtlich guten Job erledigt. Ich fand nur einen Fehler und einen Zweifelsfall. Auf Seite 134 heißt es einmal „ihn ihr“ statt „in ihr“. Auf Seite 283 benutzt sie dann das mir bis dato unbekannte Wort „Rasierhobel“. Offenbar handelt es sich um ein Utensil für die Nassrasur des Mannes. Aber es würde mich schon aus persönlichen Gründen interessieren, was es genau damit auf sich hat. Ich würde jedenfalls nicht an mir rumhobeln wollen. Denn beim Hobeln fallen bekanntlich meist Späne …

_Unterm Strich_

Der Autor prangert in seinem neuen spannenden Krimi das in Island gesellschaftlich offenbar akzeptierte Verbrechen der Vergewaltigung an. Während Erlendurs Abwesenheit ermittelt Inspektorin Elinborg mit bewundernswerter Hartnäckigkeit und Feinfühligkeit. So klärt sie insgesamt drei Verbrechen auf, auch eines, das schon sechs Jahre zurückliegt. Der Autor prangert durch die psychischen Traumata, die Elinborg bei den Opfern vorfindet, nicht nur die Täter an, sondern vor allem auch die lasche Haltung der Gesellschaft. Denn diese vermittelt den Opfern, sie seien sogar selber schuld an dem, was ihnen widerfahren ist.

Immer wieder sind Szenen aus der Familie der Inspektorin dazwischengeschaltet. Sie dienen nicht bloß dem Realismus und der Figurenbeschreibung. In Elinborgs kluger Tochter Theodora wird eine feinfühlige junge Frau erkennbar, die scharfsinnig die Arbeit ihrer Mutter hinterfragt – und ihr sogar unwissentlich einen wichtigen Tipp gibt. Dass ihr ältester Sohn Valdor alles über seine Familie im Internet bloggt, passt Elinborg gar nicht, sie kann aber nichts tun. Hiermit wird angedeutet, dass im Internet keine Privatsphäre mehr herrscht – und so können Vergewaltiger heute ihre Opfer umso leichter finden. Auch Kinder.

Ich habe den Krimi in nur zwei Tagen gelesen, weil er flott erzählt ist, vor allem aus Dialog besteht und eine überraschende Wendung enthält. Wie diese ausging, wollte ich unbedingt erfahren. Die einzige Schwäche, die man dem Krimi vorwerfen könnte, ist die, dass keinerlei Action vorkommt. Allerdings war das schon in praktisch allen Erlendur-Krimis so. Und vielleicht ist die Gewalt, die man sich VORSTELLEN muss, genauso schlimm wie jene, die gezeigt wird. Die Szene, als die Vergewaltigte erwacht und vom Horror ihres Lebens erfasst wird, fand ich jedenfalls sehr aufwühlend.

|Originaltitel: Myrká / The Face
Aus dem Isländischen von Coletta Bürling
ISBN-13: 978-3-7857-2393-7|
http://www.luebbe.de

Arnaldur Indriðason – Gletschergrab (Lesung)

Ein Isländer in Dan Browns Fußstapfen

Die Eiskappe des Vatnajökull-Gletschers auf Island schmilzt. Die Streitkräfte der US-Basis Keflavík sind in Alarmbereitschaft, denn der Gletscher hütet ein Geheimnis: Ein abgestürztes Flugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg mit brisanter Fracht. Vor der grandiosen Kulisse des ewigen Eises gerät eine junge Isländerin in Lebensgefahr. Sie weiß nur wenig, aber das ist schon zu viel für die Drahtzieher der »Operation Napoleon« … Der Thriller ist 2023 verfilmt worden.

Der Autor
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[NEWS] Arnaldur Indriðason – Gletschergrab

Die Eiskappe des Vatnajökull auf Island schmilzt. Die Streitkräfte der US-Basis Keflavík sind in Alarmbereitschaft, denn der Gletscher hütet ein Geheimnis: ein abgestürztes Flugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg mit brisanter Fracht. Vor der grandiosen Kulisse des ewigen Eises gerät eine junge Isländerin in Lebensgefahr. Sie weiß nur wenig, aber das ist schon zu viel für die Drahtzieher der „Operation Napoleon“ … (Verlagsinfo)


Taschenbuch ‏ : ‎ 368 Seiten
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[NEWS] Arnaldur Indriðason – Frevelopfer (Kommissar Erlendur 9)

In einer Wohnung mitten in Reykjavík wird ein Mann tot aufgefunden – mit durchtrennter Kehle. Der Täter scheint das Opfer gekannt zu haben, denn nichts weist auf einen Einbruch hin. Kommissarin Elinborg findet am Tatort einen Kaschmirschal, der einen merkwürdigen Geruch verströmt, und in der Jackentasche des Opfers eine Vergewaltigungsdroge. Erlendurs Kollegin ahnt, dass der Mord die Rache für ein brutales Verbrechen war. Und ihm Freveltaten vorrausgingen, die nie gesühnt werden können … Während Kommissar Erlendur in den Ostfjorden seine traumatischen Kindheitserlebnisse aufzuarbeiten versucht, ermittelt Elínborg in einem Mordfall, der nicht nur sie erschüttert.
(Verlagsinfo)


Broschiert ‏ : ‎ 384 Seiten
Lübbe

[NEWS] Arnaldur Indriðason – Wand des Schweigens (Kommissar Konrad 4)

Dieser Fund, mitten in Reykjavík, ist ein Schock für die Bewohner: Hinter der Kellerwand ihres Wohnhauses entdecken sie ein menschliches Skelett. Offenbar wurde hier vor Jahrzehnten ein Mordopfer eingemauert und vor der Welt verborgen. Die Kripo Reykjavík nimmt die Ermittlungen auf, eine Vermisstenmeldung, die passen würde, finden sie jedoch nicht. Wer bloß ist das Opfer? Welches Verbrechen wurde hier begangen? Als der pensionierte Kommissar Konráð sich einschaltet, blocken die ehemaligen Kollegen ab. Sie vermuten, dass Konráð ihnen wichtige Infos bei früheren Ermittlungen verschwiegen hat. Konráð forscht daraufhin auf eigene Faust weiter. Hat das lange zurückliegende Verbrechen tatsächlich etwas mit seiner eigenen Familiengeschichte zu tun – mit dem Mord an seinem Vater? (Verlagsinfo)


Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 400 Seiten
Lübbe

[NEWS] Arnaldur Indriðason – Das Mädchen an der Brücke (Kommissar Konrad 2)

Eine junge Frau ist spurlos verschwunden. Verzweifelt wenden sich ihre Großeltern an den pensionierten Kommissar Konráð, den sie von früher kennen. Sie wissen, dass ihre Enkelin Drogen geschmuggelt hat, und nun ist sie unauffindbar. Eigentlich hat Konráð mit seiner beruflichen Vergangenheit abgeschlossen und widmet sich vor allem seiner eigenen Familiengeschichte. Doch als er bei seinen Recherchen auf ein kleines Mädchen stößt, das vor Jahrzehnten im Reykjavíker Stadtsee Tjörnin ertrunken ist, will er die Wahrheit unbedingt ans Licht bringen. War der Tod des Mädchens wirklich nur ein tragischer Unfall? Und gibt es eine Verbindung zum Verschwinden der jungen Frau? (Verlagsinfo)


Taschenbuch ‏ : ‎ 384 Seiten
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[NEWS] Arnaldur Indriðason – Kältezone (Kommissar Erlendur 6)

In einem See südlich von Reykjavík wird ein Toter entdeckt. Der Wasserspiegel hatte sich nach einem Erdbeben drastisch gesenkt und ein menschliches Skelett sichtbar werden lassen, das an ein russisches Sendegerät angekettet ist. Ein natürlicher Tod ist ausgeschlossen. Hat man sich hier eines Spions entledigt? Erlendur, Elínborg und Sigurður Óli von der Kripo Reykjavík werden mit der Lösung des Falls beauftragt. Ihre Nachforschungen führen sie in das Leipzig der Nachkriegsjahre, wo eine tragische Geschichte um Liebe, Verlust und berechnender Grausamkeit ihren Anfang nahm …(Verlagsinfo)


Broschiert ‏ : ‎ 416 Seiten
Lübbe