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Bargen, Ascan von – Annwyn – Die Tore zur Anderwelt (Folge 1)

_Horrormäßige Mystik-Seifenoper_

Auf den Grundfesten eines Jahrtausende alten keltischen Heiligtums erbaut, erhebt sich am Rande der irischen Steilküste das trutzige Gemäuer von Ringwood Manor. Doch weder der neue Herr des düsteren Anwesens, der puritanische Lord Ethan Kilvert, noch seine Familie ahnen im Jahr 1782 etwas vom mörderischen Vermächtnis der heidnischen Druiden und der tödlichen Gefahr Annwyns, die im Höhlenlabyrinth unter der Burg lauert … und sich aus der Anderwelt unbeirrbar ihren Weg in die Welt der Lebenden bahnt. (abgewandelte Verlagsinfo)

_Die Sprecher & Macher_

Für dieses Originalhörspiel scheint es keine literarische Vorlage zu geben, sondern „lediglich“ ein Skript von einem gewissen Ascan von Bargen. Die filmische Musik steuerte Terry Devine-King bei, Regie führte offenbar das gesamte „Maritim-Studio“, das dem Medienvertrieb Carsten Hermann gehört. Die Titelillustration stammt von Timo Würz. Wer der Tonmeister war, wird ebensowenig angegeben wie der Urheber der Geräusche und Effekte.

Der Erzähler, der herzlich wenig zu tun hat, wird von einer der bekanntesten Synchronstimmen Deutschlands gesprochen: von Joachim Kerzel (Jack Nicholson, Dustin Hoffman). Die Sprecherrollen sind im Booklet angegeben. Darunter finden sich bekannte Sprecher wie Jens Wawrczeck, Norbert Langer und Christian Rode (die dt. Stimme von Sean Connery).

_Handlung_

|PROLOG.|

Es ist der 25. September 1782, also noch vor dem Ende des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges. Ein Segelschiff unter dem Kommando von Kapitän Ferrow gerät vor der Steilküste Irlands in einen schweren Sturm. Dennoch will der wichtigste Passagier, ein gewisser Jonathan Meadows, an Land gerudert werden, weil er unbedingt noch in dieser Nacht eine Truhe abliefern soll. Was kann so Wichtiges in dieser Truhe enthalten sein?

Die fünf Seeleute, die ihn an Land bringen, erzählen von dem Labyrinth aus Schmuggler- und Piratenhöhlen, die das Kliff durchziehen, auf dessen Höhe Ringwood Manor wie eine stolze Burg thront. Meadows hat unglaubliches Glück: Sie gelangen wohlbehalten in eine Grotte und mit der Landkarte im Kopf, die ihm Lord Kilvert, der Besitzer der Burg, gezeigt hat, kann Meadows die Männer führen. Da hören sie ein unheimliches Geräusch. Ein Grollen wie von einer großen Bestie …

|Haupthandlung.|

Am nächsten Morgen macht sich Lady Eleanor Kilverts Schwester Cynthia große Sorgen um den Verbleib ihres Verlobten. Dabei handelt es sich um Jonathan Meadows. Am Nachmittag folgt die neurierige Tochter Lady Eleanors, die zehnjährige Julie, ihrem Vater und dessen Haushofmeister auf die Klippen der Steilküste. Sie suchen Spuren von Meadows. Julie stolpert über ein Gerippe in den Felsen und schreit auf. Kilvert und O’Shearer, die herbeieilen, bringen sie weg und identifizieren das abgenagte Skelett anhand von Tätowierungen als dasjenige des armen Meadows.

Als Cynthia trotz aller Warnungen die sterblichen Überreste ihres Verlobten in Augenschein nimmt, schreit sie vor Entsetzen auf. Das entstellte Gesicht ist jedoch nicht das von Meadows, sondern das eines anderen Mannes, den sie kennt. Trotzdem verschweigt sie dessen Identität. Aber von da an geht sie ihrem Schwager, Lord Kilvert, aus dem Weg. Was hat sie zu verbergen?

Lord Kilvert wiederum ist überglücklich. Er hat es geschafft, Meadows Truhe, die für ihn bestimmt war, aus den Höhlen in Sicherheit zu bringen, bevor sein Erzrivale, der irische Lord Denborough, sie in die verbrecherischen Finger bekommt. In der Truhe befinden sich Schmuckstücke wie etwa Siegelringe und Halsketten, aber auch ein Lederhandschuh und vor allem ein Dokument. Kilvert hat Denboroughs Handschrift fälschen lassen und hofft nun, seinen Widersacher endgültig besiegen zu können. Doch eine Geisterstimme warnt ihn. Das wertvolle Dokument entzündet sich von selbst und verbrennt zu Asche.

Der 30. September bringt nichts Gutes. Denborough und Kilvert fahren sich vor der Kirche von Evanbaille fast an die Kehle: Engländer und Ire hassen sich bis aufs Blut. Nur die kleine Julie bemerkt den unbekannten Fremden, der dem Streit scheinbar unbeteiligt zuschaut.

In der Nacht dringen zwei von Denborough geschickte Einbrecher in Ringwood Manor ein, um Julie zu entführen. Sie ahnen nicht, dass in der Burg ein Dimensionstor existiert, dass die Welt der Lebenden mit der Anderwelt der Geister und Feen verbindet. Und es hat sich geöffnet. Eine Geisterstimme warnt Lord Kilvert: „Die Tore von Annwyn sind nicht länger verschlossen.“

Die zwei Einbrecher hören ein unheimliches Geräusch. Ein Grollen wie von einer großen Bestie …

_Mein Eindruck_

Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Die vorliegende Hörspiel-Produktion gehört leider nicht zum Gold. Dies ist pure Horror-Mystery-Exploitation, die sich in den allzu großen Fußstapfen von Hohlbeins Hexer-Romanen und H. P. Lovecraft abmüht, ein Mischmasch aus keltischer und walisischer Mythologie dazu zu verwenden, um eine Horrorstory zu kolportieren, die auch zu Ende des 19. Jahrhunderts in einer der fantasievolleren Gazetten des British Empire hätte stehen können. Das Einzige, was das Hörspiel jenen Erzählungen voraus hat, sind die Spezialeffekte.

|Duell as Duell can|

Bemüht sich der Autor zu Anfang noch um etwas Atmosphäre und Psychologie, so werden solche Nebensächlichkeiten spätestens nach der ersten Hälfte über Bord geworfen, um dem eigentlichen Zweck der Geschichte Platz zu machen: ein sinnlos erscheinendes Hin und Her zwischen den beiden Erzrivalen Kilvert und Denborough, das in ein wildes Duellieren ausartet. Da die große Bestie im Hintergrund lauert, kann sich der Zuhörer an drei Fingern ausrechnen, wen sie wohl zum Frühstück verspeisen wird – den Schurken natürlich.

Ist das nun Kilvert oder Denborough? Die Antwort auf diese Frage ist zu Anfang keineswegs eindeutig zu geben, was eine gewisse Spannung erzeugt, denn Kilvert erscheint im Zwielicht, hat er doch quasi Meadows auf dem Gewissen. Aber nach zwei weiteren Hintergrundgeschichten ist der Fall klar: Schuldig im Sinne der Anklage ist – aber nein, ich werde hier nichts voreilig ausplaudern.

|Mischmasch|

Alles, was in der Horrofantasy gut (oder zumindest effektvoll) und teuer (zumindest in digitaler Form) ist, wurde vom Autor hineingepackt. So beispielsweise Hexen, die unschuldig verbrannt werden und den Übeltäter verfluchen. Deren Tochter versucht dann den Fluch in die Tat umzusetzen – am Richtigen? Wird sie geschändet oder nicht – nun, so deutlich will der Autor nun doch nicht werden und überlässt den Rest der Vorstellungskraft des Hörers.

Leider ist es angesichts des geballten Ansturms von völlig verschiedenartigen Elementen aus Mythologie und Mystik, Horror und Historie völlig unmöglich, den Überblick zu behalten. Es empfiehlt sich dringend, das Hörspiel mehrmals zu hören, um die actionreichen Plotte auf die Reihe zu bekommen. Ob es sich lohnt, steht auf einem anderen Blatt.

|Fortsetzung folgt|

Denn selbstverständlich wird solch reichhaltiger Stoff fortgesetzt. „Tore zur Anderwelt“ ist nur der Auftakt zu einer ganzen Seifenoper von Horror-Mystik. Die arme Julie: Ihr Körper mag verschwunden sein, doch ihr Geist muss – den Launen des Drehbuchautors schutzlos preisgegeben – ruhelos zwischen der Anderwelt und jener der Lebenden wandeln.

|Die Sprecher & Macher|

Weder über die Macher verrät das magere Booklet Näheres, noch über die beachtliche Riege der Sprecher und Sprecherinnen. Als Regie firmiert das „Maritim-Studio“, und das ist lediglich eine Maske, hinter der sich sonstwer verbergen könnte. Diese Informationspolitik flößt mir keinerlei Vertrauen ein. Haben die Macher ein düsteres Geheimnis zu verbergen, das für einen Exorzismus in Frage käme?

Wie bereits gesagt, hat der Star der Produktion, Joachim Kerzel, ziemlich wenig zu tun. Im Verlaufe der Handlung ergibt sich eine Szene aus der vorhergehenden, und so ist immer weniger Hintergrund nachzuliefern. Das macht den Erzähler leider nur scheinbar überflüssig. Vielmehr hatte ich den bestimmten Eindruck, dass aus Platzgründen zunehmend die Erklärungen herausgeschnitten wurden. Als Folge davon geht zunehmend der Zusammenhang verloren und die Szenen ergeben sich beliebig auseinander. Ob Lady Eleanor oder ihre Tochter nun draufgehen – wen kümmert’s? Und vor allem: Wer kapiert’s? Mag ja sein, dass Julie in der Fortsetzung wieder auftaucht, doch wie kam sie überhaupt in das Zwischenreich?

Das ist aber noch nicht das Schlimmste. Wie in einer beliebigen Schmierenkomödie beginnen die beiden Hauptfiguren Kilvert und Denborough nämlich aufs Übelste zu chargieren. Besonders der Sprecher des Denborough – laut Booklet also ein gewisser Reent Reins – trägt reichlich dick auf, wenn es um den Ausdruck von Hass und Bosheit geht. Schon bald sehnt sich der Zuhörer danach, diesen Schurken (oder seinen Sprecher?) eliminiert zu sehen, auf welche Weise auch immer. Hieße ich Hannibal Lecter, Doktor der Psychologie, hätte ich da schon eine Idee …

|Musik & Geräusche|

Die Musik von Terry Devine-King genügt filmischen Ansprüchen, allerdings wiederholt sie ihre Standardmotive allzu häufig. Da lobe ich mir schon die Geräuschkulisse: Vom Sturm über Bestien bis zu Flammen und Explosionen – der Tonmeister bietet alles auf, was das Arsenal an Soundsamples hergibt, um seiner horrormäßigen Mystikshow das nötige Flair zu verleihen. Eigentlich fehlt nur noch eine saftige Romanze, um den Rest an gefühlvollen Szenen, Musikmotiven und Toneffekten aus dem Arsenal zu kitzeln. Aber das kommt bestimmt noch. Eine Seifenoper wie diese braucht das einfach.

_Unterm Strich_

Was man mit einem niedrigen Budget, einem halbgaren Drehbuch, einer Riege von Sprechern und einigen Gigabyte an Soundsamples heute doch alles erreichen kann! Der Zuhörer fühlt sich prächtig von der horrormäßigen Seifenoper mit dem Mystik-Touch unterhalten. Doch der Kenner wird bemerken, dass so manche Figur im Nirgendwo verschwindet, und sich die Action als Selbstzweck entpuppt. Und Totgeglaubte leben natürlich auch länger, als man gedacht hat.

Aufgrund der allenthalben inszenierten Gewalt empfiehlt der Verlag sein Produkt erst Jugendlichen ab 16 Jahren. Dem kann ich nur beipflichten. Aber echte Horrorfreunde wird dies keinesfalls abschrecken. Und wer mit der walisischen Mythologie vertraut ist, den zieht das Wort „Annwyn“, ursprünglich der Name für den Herrscher über das Totenreich bzw. die Geisterwelt, natürlich wie magisch an. Allerdings lautet der Name im Walisischen korrekt „Annwn“, wobei das W wie ein U ausgesprochen wird. Macht nix: Im Hörspiel ist trotzdem von „Ännwin“ die Rede. Hauptsache, die Figuren glauben wenigstens daran.

Auf die Fortsetzung kann ich also gut verzichten.

|2 CDs, 93 Minuten|

Ascan von Bargen – Annwyn – Die Tore der Anderwelt (Folge 2)

Halloween: Die Monster kommen aus dem Spiegel!

Auf den Grundfesten eines Jahrtausende alten keltischen Heiligtums erbaut, erhebt sich am Rande der irischen Steilküste das trutzige Gemäuer von Ringwood Manor. Doch niemand ahnt etwas vom mörderischen Vermächtnis der heidnischen Druiden und der tödlichen Gefahr Annwyns, die im Höhlenlabyrinth unter der Burg lauert – und sich aus der Anderwelt unbeirrbar ihren Weg in die Welt der Leben bahnt.

Zwei Jahrhunderte nach den Geschehnissen in „Annwyn 1“ fordert das Tor zur Anderwelt weiterhin Opfer: unter irischen Ortsansässigen, aber auch unter allzu neugierigen Archäologen. Kann das Tor wieder verschlossen werden?

Hinweis: Es handelt sich wie schon beim [ersten Teil 1825 um ein Hörspiel, also um eine dramatische Inszenierung, keineswegs um eine ruhige Lesung. Man könnte also von einem Film ohne Bild sprechen: Kino für die Ohren.

|Der Autor|

Über Ascan von Bargen informiert das Hörbuch nicht und über ihn ist mir nichts bekannt.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Die Stimme des Erzählers gehört eindeutig Joachim Kerzel, die dt. Stimme von Jack Nicholson und Dustin Hoffman. Zu den bekannteren Sprechern zählen der Schauspieler Gerd Baltus sowie die bekannten Synchronsprecher Frank Glaubrecht (dt. Stimme von Al Pacino und Pierce Brosnan) und Daniela Hoffmann (dt. Stimme von Julia Roberts und „Ally McBeal“). Die Namen der restlichen Sprecher sagen mir nichts. Es wäre müßig, sie alle aufzuzählen.

Die Regie führte irgendjemand im „Maritim-Studio“, die Frontillustration stammt von Timo Wuerz. Damit erschöpfen sich die Angaben des Verlags auch schon. Die filmische Musik steuerte vermutlich wieder, wie beim 1. Teil, Terry Devine-King bei.

Der „Genuss“ dieses Hörbuchs wird vom Verlag erst ab 16 Jahren empfohlen. Sobald man die Furcht erregenden Stimmen und Geräusche gehört hat, kann man dem nur beipflichten.

_Vorgeschichte_

Am 25. September 1782 brachte ein Mann namens Meadows eine uralte Handschrift nach Ringwood Manor, das auf hohen Klippen thront, die von Schmuggler- und Piratenhöhlen durchzogen sind. Lord Kilvert, Herr auf Ringwood Manor, hat die Handschrift gefunden und gelesen, doch das Manuskript entzündet sich selbst und verbrennt zu Asche. Fünf Tage später verschwindet seine Tochter Julie spurlos. Eine geisterhafte Stimme warnt Kilvert, dass die Tore zu Annwyn geöffnet wurden …

_Handlung_

Am 25. März des Jahres 1960 vermissen irische Bauarbeiter den Ingenieur Andrew Archer in der Umgebung des mittlerweile verfallenen Gutshauses Ringwood Manor. Der Bauherr John Hamilton Neville wollte hier eigentlich eine Luxushotelanlage errichten, aber offenbar gibt es Fälle von Sabotage. Wie sonst wären die mysteriösen Zwischenfälle zu erklären? Dass es hier spukt, wie die Einheimischen behaupten, glaubt Neville keine Sekunde lang. Sein Vorarbeiter Jackson wird indes in den Höhlen eines Besseren belehrt: Ein Vogelmonster will seine Augen …

Am 16. Mai 1960 in der friedlichen Pension von Mrs. McAdams im irischen Fischerdörfchen Evanbaille nimmt Jenny, die Freundin von James Owens, gerade eine Dusche, als der Strom ausfällt. Sie hört das Grollen eines Monsters, dann ertönt ein Splittern, ein Schrei verhallt … Als Owens, der amerikanische Fotograf, aus einem Gewitter in die heimelige Pension zurückkehrt, fällt ihm zunächst ein angenehmer Duft auf. Dann jedoch öffnet sich eine Tür von alleine, eine Vase fällt … Ein weiblicher Geist erscheint im Dunkeln. Sie klagt, verschwindet – eine irische Todesfee? Owens sucht vergeblich nach seiner Freundin.

Am 31.10.1999 – Halloween – im Cambridge Institute of Sciences and Technology, England. Dr. Beverly Howell ist völlig happy: Die Archäologin hat mehrere Artefakte gefunden, aber was noch mehr ist: Es gibt auch die dazugehörigen Leichen! Diese zeigt sie ihrem Kollegen, dem Keltologen Dr. Parker Craven, nur zu gern, denn schließlich stammen sie aus der Zeit der Kelten, für die er Experte ist. Offenbar handelt es sich um einen irischen Stammesfürsten, nach dem goldenen Torque bzw. Halsring zu urteilen. Und das zweite Artefakt ist das verschollen geglaubte Buch von Lirvaen. Craven ist völlig aus dem Häuschen. Das Buch soll von wahnsinnigen Mönchen mit Menschenblut auf der gegerbten Haut von Jungfrauen geschrieben worden sein. Dann verschwand es im Jahre 1692 mit einem Schiff antibritischer Verschwörer. Klar, dass darauf ein Fluch liegt.

Howell bittet Craven, das Buch zu übersetzen. Und wenn es den dazugehörigen Schatz gibt, soll er ihn in Irland suchen. Tatsächlich findet Craven im Buch eine Karte, auf der Ringwood Manor als die Ringfestung Dun Fein eingetragen ist. Da ruft seine Mitarbeiterin Camilla aus Irland an: An jedem 16. Mai erscheint dort ein Geist, die „leidende Frau von Evanbaille“ genannt. Das erklärt das Erlebnis, das James Owens im Jahr 1960 hatte.

Kurz vor Mittag betritt Craven das Höhlenlabyrinth, das sich unterhalb des Gutshauses entlang der Steilküste erstreckt. Er betritt es und markiert seinen Weg. In einer Grotte stößt er auf Höhlenzeichnungen und Schriftzeichen. Wie ein blutiger Anfänger hämmert er auf eines der Zeichen ein und zerstört es. Dummerweise war es ein Siegel des Schutzes gegen die Schrecken von Annwyn: Die Tore der Anderwelt öffnen sich und eines seiner Wesen verschlingt den Unvorsichtigen.

Es ist Samhain, die Nacht, in der die Welt der Toten und die Welt der Lebenden einander durchdringen. Doch wie kann es gelingen, die Tore wieder zu verschließen?

_Mein Eindruck_

Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Die vorliegende Hörspiel-Produktion gehört leider nicht zum Gold. Dies ist pure Horror-Mystery-Exploitation, die sich in den allzu großen Fußstapfen von Hohlbeins Hexer-Romanen und H.P. Lovecraft abmüht, ein Mischmasch aus keltischer und walisischer Mythologie dazu zu verwenden, um eine Horrorstory zu kolportieren, die doch reichlich dünn und zudem verworren ist.

|Augenwischerei|

Mehrere Flüche und Geister werden kombiniert, um der Story den Anstrich eines horrormäßigen Mysteriums zu verleihen. Dabei haben weder das Buch von Lirvaen noch die „Leidende Frau von Evanbaille“ etwas mit der Anderwelt zu tun. Sie sind nur Augenwischerei. Lediglich die Todesfälle in und unter Ringwood Manor sind relevant. Hier kommt der Ingenieur um, aber auch ein paar allzu neugierige Kinder, und schließlich traut sich sogar ein unerschrockener Reporter hinein. Dr. Craven verhält sich keineswegs wie ein vernünftiger Mann vom Fach, sondern zerstört mutwillig Zeichen an der Wand – welcher Archäologe würde so etwas Verbrecherisches tun, das allen Regeln der Wissenschaft hohnspricht?

|Gelobt sei Gandalf|

Die kleine Julie Kilvert aus dem ersten Teil fungiert nun als eine Art Wächtergeist am Tor zu Annwyn. Sie warnt die drei Kinder mit den klassischen Worten: „Flieht, ihr Narren!“ Preisfrage: Wer sprach diese berühmten drei Worte? Na, wer wohl? Gandalf in der deutschen Fassung von „Herr der Ringe: Die Gefährten“. Gleich danach rauschte er mit dem Balrog in den Abgrund von Khazad-dûm. Man sieht also, dass der Autor seinen Tolkien in- und auswendig kennt.

|Filmreifes Finale|

Kurz vor dem Finale treffen der Reporter Joey Heard und die Einheimische Carrie-Ann O’Banion in Ringwood Manor ein, um die zwei hier verschwundenen Jungen zu suchen – nur die Aussage des überlebenden, aber völlig traumatisierten Mädchens leitet sie. Doch sie stoßen auf einen bewaffneten Mann: Tristan Casterly sucht ein Artefakt, um das geöffnete Tor zu Annwyn zu schließen. Zu spät: Die Dämonenbrut bricht bereits über sie herein. Darunter ist auch jemand, der eigentlich tot sein sollte: Dr. Parker Craven.

Dieser Showdown entschädigt für das ganze vorhergehende Drumherumgerede. Es geht beinhart zur Sache, und wer den Überblick nicht verliert, kommt in puncto Action voll auf seine Kosten. Natürlich auch soundtechnisch: Schüsse fallen, Dämonen grollen und fauchen, Feuert prasselt, Carrie-Ann schreit wie eine preiswürdige Scream Queen – endlich weiß auch der letzte Zuhörer, warum Frauen im Horrorgenre unerlässlich sind.

_Die Sprecher/ Die Inszenierung_

Weder über die Macher verrät das magere Booklet Näheres noch über die beachtliche Riege der Sprecher und Sprecherinnen. Als Regie firmiert das „Maritim-Studio“, und das ist lediglich eine Maske, hinter der sich sonstwer verbergen könnte. Diese Informationspolitik flößt mir keinerlei Vertrauen ein. Haben die Macher ein düsteres Geheimnis zu verbergen, das für einen Exorzismus in Frage käme?

Wie bereits gesagt, hat der Star der Produktion, Joachim Kerzel, ziemlich wenig zu tun. Im Verlaufe der Handlung ergibt sich eine Szene aus der vorhergehenden, und so ist immer weniger Hintergrund nachzuliefern. Das macht den Erzähler allerdings nur scheinbar überflüssig. Denn im Finale geht es wieder einmal – wie schon im 1. Teil – drunter und drüber. Um den Überblick zu behalten, muss man auf die Regieanweisungen des Erzählers lauschen.

Im Finale spielen denn auch die bekannten Synchronsprecher Frank Glaubrecht – als Tristan Casterly – und Daniela Hofmann – als Carrie-Ann – ihren Stärken voll aus. Es klingt, als würden Al Pacino (Glaubrecht) und Julia Roberts (Hofmann) einen Schreiwettbewerb bestreiten. Drama muss eben sein. Am besten gefiel mir hingegen Franz-Josef Steffens als Prof. Hendricks vom „Institut für Geodäsie“. Sehr sympathisch, dass er als „Der Schrecken von Windsor Castle“ bezeichnet wird. Noch sympathischer, dass der schon recht betagte Prof sozusagen von echtem Schrot und Korn ist. Steffens bringt dies sehr schön zum Ausdruck.

|Musik & Geräusche|

Die Musik von Terry Devine-King genügt filmischen Ansprüchen, allerdings wiederholt sie ihre Standardmotive allzu häufig. Am Anfang wirkt das poppige Intro doch recht überraschend, danach geht es mit klassischer Sinfonik aber weiter wie gewohnt.

Da lobe ich mir schon die Geräuschkulisse: Vom Sturm über Bestien bis zu Flammen, Schüssen und Explosionen – der Tonmeister bietet alles auf, was das Arsenal an Soundsamples hergibt, um seiner horrormäßigen Mystik-Show das nötige Flair zu verleihen. Eigentlich fehlt nur noch eine saftige Romanze, um den Rest an gefühlvollen Szenen, Musikmotiven und Toneffekten aus dem Arsenal zu kitzeln. Aber vielleicht kommt das ja noch in der Fortsetzung. Eine Seifenoper wie diese braucht das einfach.

_Unterm Strich_

Erstaunlich, was man mit einem niedrigen Budget, einem halbgaren Drehbuch, einer Riege von bekannten Sprechern und einigen Gigabyte an Soundsamples heute doch alles erreichen kann. Der Zuhörer fühlt sich prächtig von der horrormäßigen Seifenoper mit dem Mystik-Touch unterhalten. Doch der Kenner wird bemerken, dass so manche Figur im Nirgendwo verschwindet, ganz besonders in diesem Teil, der vor allem aus Episoden besteht. Erst das letzte Drittel stellt eine kontinuierliche Handlung dar, die mit einem actionreichen Finale gekrönt wird.

Aufgrund der allenthalben inszenierten Gewalt empfiehlt der Verlag sein Produkt erst Jugendlichen ab 16 Jahren. Dem kann ich nur beipflichten. Aber echte Horrorfreunde wird dies keinesfalls abschrecken. Und wer mit der walisischen Mythologie vertraut ist, den zieht das Wort „Annwyn“, ursprünglich der Name für den Herrscher über das Totenreich bzw. die Geisterwelt, natürlich wie magisch an. Allerdings lautet der Name im Walisischen korrekt „Annwn“, wobei das W wie ein U ausgesprochen wird. Macht nix: Im Hörspiel ist trotzdem von „Ännwin“ die Rede. Hauptsache, die Figuren glauben wenigstens daran.

107 Minuten auf 2 CDs
http://www.maritim-produktionen.de