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Ben Bova – Der Asteroidenkrieg (Asteroiden-Trilogie 1)

Während die letzten Rohstoffe dahinschwinden, steht die Erde vor einer gigantischen Klimakatastrophe. Da fasst Dan Randolph, ein privater Raumfahrtunternehmer, einen so atemberaubenden wie riskanten Plan: Er will eine Expedition in den Asteroidengürtel des Sonnensystems schicken, um die ungeheuren Ressourcen zwischen Mars und Jupiter für die Erde Menschen zu erschließen und damit die Zukunft zu sichern.

Seinem Gegenspieler Martin Humphries, Erbe des milliardenschweren Humphries Trust, ist das Schicksal der Erde völlig gleichgültig. Er lebt in einer luxuriösen Idylle auf dem Mond und sein einziges Ziel ist es, sein Vermögen zu mehren und seine Macht auszubauen. So beabsichtigt er, Randolphs Raumfahrtunternehmen seinem Trust einzuverleiben, um das Know-how zu übernehmen und zu gegebener Zeit selbst Ansprüche im Asteroidengürtel zu erheben. Und aus diesem Grund setzt er alles daran, Randolphs Expedition scheitern zu lassen – und geht dabei buchstäblich über Leichen … (verlagsinfo)
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Jeschke, Wolfgang / Bova, Ben (Hgg.) – Titan-12

_Eis vom Saturn, Wüste im Vorgarten_

Die Großen der Sciencefiction werden mit ihren Meisterwerken bereits in der so genannten „Science Fiction Hall of Fame“ verewigt, welche natürlich in Buchform veröffentlicht wurde (statt sie in Granit zu meißeln). Daher können Freunde dieses Genres noch heute die ersten und wichtigsten Errungenschaften in der Entwicklung eines Genres nachlesen und begutachten, das inzwischen die ganze Welt erobert und zahlreiche Medien durchdrungen hat.

In der vorliegenden Ausgabe des Auswahlbandes Nr. 12 von „Titan“, der deutschen Ausgabe der „SF Hall of Fame“, sind Novellen von Jack Williamson, Isaac Asimov und Clifford D. Simak gesammelt.

_Die Herausgeber_

1) Wolfgang Jeschke, geboren 1936 in Tetschen, Tschechei, wuchs in Asperg bei Ludwigsburg auf und studierte Anglistik, Germanistik sowie Philosophie in München. Nach Verlagsredaktionsjobs wurde er 1969-1971 Herausgeber der Reihe „Science Fiction für Kenner“ im |Kichtenberg|-Verlag, ab 1973 Mitherausgeber und ab 1977 alleiniger Herausgeber der bis 2001 einflussreichsten deutschen Science-Fiction-Reihe Deutschlands beim |Heyne|-Verlag, München. Von 1977 bis 2001/02 gab er regelmäßig Anthologien – insgesamt über 400 – heraus, darunter die einzigen mit gesamteuropäischen Autoren.

Seit 1955 veröffentlicht er eigene Arbeiten, die in ganz Europa übersetzt und zum Teil für den Rundfunk bearbeitet wurden. Er schrieb mehrere Hörspiele, darunter „Sibyllen im Herkules oder Instant Biester“ (1986). Sein erster Roman [„Der letzte Tag der Schöpfung“ 1658 (1981) befasst sich wie viele seiner Erzählungen mit Zeitreise und der Möglichkeit eines alternativen Geschichtsverlaufs. Sehr empfehlenswert ist auch die Novelle „Osiris Land“ (1982 und 1986). Eine seiner Storysammlungen trägt den Titel „Schlechte Nachrichten aus dem Vatikan“. Zuletzt erschien „Das Cusanus-Spiel“ bei |Droemer|.

2) Ben Bova, Jahrgang 1932, ist ebenfalls schon über 70 und ein verdammt erfahrener Bursche. 1956 bis 1971 arbeitete er als technischer Redakteur für die NASA und ein Forschungslabor, bevor er die Nachfolge des bekanntesten Science-Fiction-Herausgebers aller Zeiten antreten durfte, die von John W. Campbell. Campbell war die Grundlage für das „Goldene Zeitalter der Science-Fiction“, indem er mit seinem Magazin „Analog Science Fiction“ jungen Autoren wie Asimov, Heinlein, van Vogt und anderen ein Forum gab. Hier entstanden der „Foundation“-Zyklus und andere Future-History-Zyklen.

Für seine Herausgeberschaft von |Analog| wurde Bova sechsmal (von 1973-79) mit einem der beiden wichtigsten Preise der Science-Fiction ausgezeichnet, dem |Hugo Gernsback Award|. Von 1978-82 gab er das Technik-&-Fiction-Magazin „Omni“ heraus. 1990-92 sprach er für alle Science-Fiction-Autoren Amerikas in seiner Eigenschaft als Präsident des Berufsvereinigung. Seit 1959 hat er eigene Bücher veröffentlicht, die sich oftmals an ein jugendliches Publikum richten, darunter die Kinsman- und Exiles-Zyklen.

Ebenso wie Robert Heinlein und Larry Niven ist Bova ein Verfechter der Idee, dass die Menschheit den Raum erobern muss, um überleben zu können. Und dies wird nur dann geschehen, wenn sich die Regierung zurückzieht und die Wirtschaft den Job übernimmt. Der Brite Stephen Baxter hat in seiner |Multiversum|-Trilogie diese Idee aufgegriffen und weiterentwickelt.

1992 begann Bova mit der Veröffentlichung seines bislang ehrgeizigsten Projekts: die Eroberung des Sonnensystems in möglichst detaillierter und doch abenteuerlicher Erzählform.

_Die Erzählungen_

1) _Jack Williamson: Die Humanoiden_ (With folded Hands, 1947)

Mr. Underhill ist ein intelligenter Unternehmer in seiner Kleinstadt Two Rivers. Er verkauft Androiden, also mechanische Diener, so, wie sie zu Millionen in aller Welt eingesetzt werden. Jedenfalls bis zu jenem Tag, als das Institut für Humanoide seine erste Agentur in Zwo Rivers eröffnet. Danach verkauft niemand mehr irgendwelche Automaten.

Er betritt die Agentur, und ein nackter schwarzer Humanoide stellt sich ihm vor, um ihn für seine Dienste zu gewinnen, und diese Dienste lauten: Dienen, gehorchen und den Menschen vor Schaden bewahren. So lautet die Primäre Direktive. Der schwarze künstliche Mensch ist Underhill unheimlich, und als er aus dem Gebäude tritt, ohne in etwas einzuwilligen, bemerkt er am Seiteneingang, wie zahlreiche weitere schwarze Humanoide aus Kisten ausgeladen werden. Diese tragen die Herkunftsbezeichnung „Institut für Humanoide, Wing IV“. Scheint eine ferne Welt zu sein. Aber Welten gibt es mittlerweile wie Sand am Meer.

Grübelnd geht Underhill nach Hause. Der Humanoide hat ihm angeboten, seine Firma zu übernehmen und damit auch die hohen Schulden, die darauf lasten. Doch Underhill ist stur und stolz auf seine Selbständigkeit. Zu Hause klagt seine Frau Aurora darüber, dass ihr Androide die Suppe immer noch nicht schöpfen kann, ohne zu spritzen. Und sie stellt ihm ihren neuen Untermieter Mr. Sledge vor. Von ihren Untermietern hat Underhill keine hohe Meinung und mit Skepsis betrachtet er den alten Knacker, der ihm für einen Zehner dankt.

Zweifelnd fühlt er Mr. Sledge auf den Zahn, der vorgibt, ein Erfinder zu sein und von einer Welt Welt namens Wing IV zu stammen. Bei diesem Namen horcht Underhill auf. Schließlich stammen von dort die Humanoiden, die sein Geschäft bedrohen. Sledge behauptet, den Rhodomagnetismus erfunden zu haben, der die Humanoiden antreibt. Selbst eingehende Erklärungen können Underhills Zweifel nicht vertreiben. Als er andeutet, dass die Humanoiden in Zwo Rivers aufgetaucht seien, erleidet Sledge einen Erstickungsanfall. Er hat große Angst vor diesen Kreaturen. Könnte Sledge etwa ein Verbündeter sein?

Die Humanoiden übernehmen die Stadt, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Androiden werden zurückgegeben, Kredite und Darlehen gekündigt, Underhill muss Konkurs anmelden, seine Firma wird total plattgemacht. Aber er übereignet sie nicht. Noch nicht. Vielmehr hört er zunehmend fasziniert Mr. Sledge zu, wie dieser erzählt, er wolle die Humanoiden stoppen. Denn er selbst habe sie geschaffen!

|Mein Eindruck|

„Die Humanoiden“ bzw. „Wing IV“ gehört neben Asimovs Roboter-Geschichten zu den Klassikern der Auseinandersetzung von Mensch und Maschinenintelligenz. Anders als „der gute Doktor“ ist aber Williamson weniger oberflächlich-optimistisch im Hinblick auf das grundlegende Problem der Willensfreiheit. Dieses stellt sich aber unweigerlich ein, wenn eine Gesellschaft ihr Heil in besseren Maschinen sucht. Leider findet auch Williamson keine endgültige Antwort – oder zum Glück: Denn nun hat der Leser die Willensfreiheit, selbst zu wählen, was besser ist: Fürsorge oder Freiheit.

Die „Humanoiden“ des Originaltitels sind Williamsons negative Version der Asimovschen Roboter, also ebenfalls mechanischen menschenähnliche Wesen mit künstlicher Intelligenz. Sie wurden geschaffen, um für immer Kriege zu verhindern und jedes Unheil von Menschen abzuwenden, also eine Art Kindermädchen. Wie eine heimlich steigende Flut nehmen die Wesen vom Planeten Wing IV, einer gigantischen Roboterschmiede, mit sanfter Gewalt eine Welt nach der anderen in Besitz – offiziell nur, um über das Wohlergehen der Menschen zu wachen, wie es ihnen ihre Primäre Direktive befiehlt. Nur dass die Menschen dabei nutzlos werden.

Doch die „fürsorgliche Belagerung“ zeugt auch Aufstand. In der zweiten Hälfte des Romans „Wing IV“ geht es den Humanoiden an den Kragen. Eine Rebellengruppe entzieht sich mit telepathischen Kräften dieser unerbittlichen Fürsorglichkeit. Sie nimmt Kontakt mit dem Wissenschaftler Forester auf, der auf einem Planeten lebt, der noch frei von Humanoiden ist. Zusammen setzen sie alles daran, den freien Willen der Menschen der obersten Direktive der Humanoiden einzubauen, um dem Menschen die Ausübung desselben wiederzugeben. Aber wäre dies nicht ein Schritt zurück?

Die Romanfassung war eines der allerersten SF-Bücher, die nach dem Zweiten Weltkrieg ins Deutsche übersetzt wurden (bei |Rauchs Weltraumbücher|). Sehr interessant für SF-Kenner ist das in der Ausgabe der |Heyne SF-Bibliothek| enthaltene Nachwort des damaligen Herausgebers des |Rauch|-Verlages.

2) _Isaac Asimov: Auf marsianische Art_ (The Martian Way, 1952)

Die Menschen haben den Mars besiedelt und bauen dort jede Menge Rohstoffe ab. Der regelmäßige Verkehrsstrom von Raumschiffen von der Erde zum Roten Planeten hat mehrere Auswirkungen. Die Raketen werfen Reaktionsmasse ab: vor allem Wasser, aber auch Stufen der Hülle, die aus Metall sind. Um dieses wertvolle Metall als Rohstoff zurückzugewinnen, haben sich auf dem Mars „Müllsammler“ gefunden, die eifersüchtig über ihren jeweiligen Raumsektor wachen.

Mario Rioz ist ein alter Müllsammler-Hase auf den Verkehrswegen, doch sein neuer Kollege Ted Long ist eigentlich Bergwerksingenieur und neu in diesem Job. Während Mario wieder mal fette Beute erspäht, schaut sich Ted die Fernsehnachrichten an. Dort wettert ein Agitator namens John Hilder gegen die Marsianer, die der Erde das Wasser wegnähmen. Keiner ahnt, wohin diese Propaganda noch führen wird.

Zwölf Monate später. Die Erde hat dem Mars den Wasserhahn zugedreht, und der Mars stellt seinerseits die Müllsammlerflüge ein. Das einseitige Wasserembargo, das die Hilder-Partei herbeigeredet hat, belastet die Wirtschaft des Mars in steigendem Maß und die Müllsammler denken daran, diesen Zustand nicht eskalieren zu lassen. Ted Long hat eine fabelhafte Idee, die er seinen Kollegen Mario Rioz und Richard Swenson unterbreitet. Allerdings bedeutet sie, dass Swenson seine Frau Dora und seinen kleinen Sohn Peter ein Jahr lang nicht sehen wird.

Wo gibt es im Sonnensystem sonst noch natürliches Wassereis? Auf den Monden des Jupiter, im Asteroidengürtel (Vesta etc.) und in den Ringen des Saturn. Sie sind etwa ein Jahr Raumflug entfernt. Doch das „Handbuch der Raumfahrt“ besagt, dass Menschen spätestens nach sechs Monaten Raumflug einen Koller kriegen und reif für die Klapse werden. Ted Long entgegnet, dass das Handbuch von Flachländern, also Erdlingen, geschrieben wurde, aber nicht auf Marsianer anzuwenden ist. Marsianer verbringen ihr ganzes Leben wie in einem Raumschiff, mit aufbereiteter Luft, verpacktem Wasser, verpackten Lebensmitteln, unter Kuppeln. Sie sind optimal an den Raumflug angepasst.

Das gibt den Ausschlag. Rioz und Swenson wollen Longs Vorschlag unterstützen. Als Mars-Kommissar Hamish Sankov vom UN-Generalsekretär selbst gesagt bekommt, dass die Regierung gegen die Hilder-Partei nichts ausrichten kann und gegen das Embargo nichts unternehmen will, gibt er Longs Leuten grünes Licht. Denn wer zuletzt über die Flachländer lacht, lacht am besten. Das Abenteuer „Saturn-Eis“ kann beginnen …

|Mein Eindruck|

Eigentlich sind solche guten Storys über die Unternehmungen der Menschheit die Domäne von Robert Heinlein, und in seiner „Future History“ (zuerst 1940) hat er sie oft genug beschrieben. Doch bei Heinlein kommt es öfters zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, z. B. in „Universe“, was nun dem guten Doktor Asimov überhaupt nicht liegt. Er hält es lieber mit der Politik und der Wirkung, die geschaffene Fakten nun mal zeitigen.

Hier ist es das Eis vom Saturn, das die hochnäsige Delegation von der Erde nicht nur verblüfft, sondern auch der Lächerlichkeit preisgibt. Der Mars dreht den Spieß um: Wenn die Erde von ihren Quintillionen Wasser keinen Liter erübrigen kann, dann sitzt sie echt auf dem Trockenen und hätte vielleicht für Wasser vom Mars Bedarf, der gerne bereit wäre, mit ein paar Millionen Tonnen auszuhelfen!

Das ist eine wunderbare Pointe, aber der Eindruck könnte entstehen, dass die Marsexpedition zu den Saturnringen ein langweiliger Spaziergang wäre. Das Gegenteil ist der Fall, denn in den Ringen spielen die Gesetze der Physik, mit denen sich Asimov bestens auskennt, eine unvorhergesehene Rolle. Das einzige Detail, das unanschaulich ist, besteht in der Anordnung der Marsschiffe innerhalb der Eiskugel, die sie gekapert haben. Hier ist der Punkt, an dem der naturwissenschaftlich gebildete Leser seine Kenntnisse und Vorstellungskraft zum Einsatz bringen sollte.

3) _Clifford Simak: Ein großer Vorgarten_ (The big Frontyard, 1958)

Hiram Taine arbeitet in dem ruhigen Städtchen Willow Bend als Antiquitätenhändler und Reparaturmechaniker für alles. Da seine Familie schon seit hundert Jahren in seinem Haus gelebt hat, ist er ein geachteter Mann, denn Alteingesessene werden hier geschätzt. Als Abbie Horton, die tyrannische Frau des wichtigsten Mannes des Dorfes, ihr einen alten Fernseher zur Reparatur bringt, geschleppt von Beasly, ihrem Handlanger, sagt Hiram natürlich nicht nein. Aber als sie die neue Decke seines Werkstattkellers bewundert, fällt ihm auf, dass diese Decke am Abend zuvor noch nicht da war. Sobald Abbie wieder weg ist, klopft Hiram auf das Material, bohrt es an – und zerbricht den Bohrkopf. Zwischen den Bodendielen seiner Diele und dieser Kellerdecke ist ein Hohlraum, aus dem Licht hervordringt. Hmm.

Henry Horton, Abbies Mann, schaut abends nach dem alten Schwarzweißfernseher und wundert sich. Der zeigt ja jetzt ein erstklassiges Farbbild an. Wie hat Hiram das nur geschafft? Das weiß Hiram selber nicht. Henry ist aber ein Computerfabrikant, der zwar nichts von Technik versteht, aber viel vom Organisieren des Verkaufs solcher Technik. Und deshalb bietet er Hiram gleich eine Partnerschaft an, wenn Hiram seinen Technikern zeigt, wie er das gemacht hat. Und er lässt einen alten ausgedienten Computer herbringen. Wer weiß, ob ein Genie wie Hiram den nicht wieder zum Laufen bringt.

Beasly hat bei Abbie gekündigt, die ihn nur tyrannisiert. Nun will er Hirams Hund Towser beim Graben helfen. Wieso Graben? Towser habe etwas im Wald hinterm Haus gefunden: einen Panzer, der im Boden vergraben ist. Mit Schaufel, Spitzhacke und Kelle legen Hiran, Beasly und Towser mit vereinten Kräften ein richtiges Ungetüm frei: sechs Meter lang, drei Meter breit und drei Meter hoch. Aber ein Panzer ist das bestimmt nicht. Die metallisch schimmernde Oberfläche scheint vielmehr aus Opalglas zu bestehen. Manche Leute würden einiges dafür geben, ahnt Hiram, der ein Weltmeister im Feilschen um Antiquitäten ist.

Als sie zum Haus zurückkehren, ist die Garage weg. Und die Vorderfront. Und die Veranda. Stattdessen krümmt sich die Vorderseite seines Hauses in einem unmöglichen Winkel. Hiram rast zum Hintereingang. Zum Glück ist die Rückseite noch da! Er stürmt mit der ganzen Meute durch Küche und Flur ins Wohnzimmer. Wo die Vordertür war, erstreckt sich zwar nun immer noch eine Veranda und eine Einfahrt mit Hirams Pickuplaster. Doch dahinter: nicht etwa das gute alte Willow Bend, sondern eine Wüste. Mit einer Sonne, die im Norden steht …

|Mein Eindruck|

Dies ist eine der schönsten und umwerfendsten Erstkontaktgeschichten, die ich kenne. Zunächst einmal wird die schöne neue Welt nebenan erkundet und ein weiteres Weghaus zu einer anderen Welt entdeckt. Offenbar haben die Fremden, die Hirams Haus in ein solches Weghaus umgemodelt haben (und ihm dafür seine Elektrogeräte reparierten), den Auftrag, auf vielen Welten solch einen Anschluss herzustellen. Doch wofür und wer soll die Wege benutzen?

Auch dies klärt sich im Verlauf der Geschichte. Die Fremden kommen, um mit Ideen zu handeln, die sie eintauschen wollen. Die Fremden reiten auf Sätteln, die in der Luft schweben: gesteuerte Antischwerkraftfahrzeuge sozusagen. Und was hat die Erde zu bieten? Da kommt Hiram ein wenig ins Grübeln, aber dann kommt ihm die Erleuchtung. Wissen die Fremden, was Lack ist? Nope, sie haben keine Ahnung, signalisieren aber erstmal Desinteresse. Hiram hat noch eine Erleuchtung: Sie wollen feilschen. Nun, darin ist er ja Weltmeister, wie ihm Henry Horton schon mehrmals bescheinigt hat. Beasly dolmetscht mit seinen telepathischen Fähigkeiten, und ein weiteres Wesen dolmetscht für die Fremden.

Inzwischen ist die ganze Sache jedoch in aller Welt publik geworden. Der UNO-Sondergesandte Lawrence fragt, was er tun könne, denn schließlich warten draußen vor dem Haus Unmengen von Leuten darauf, Zutritt zu der fremden Welt zu erlangen. Ein Militäroberst hat Hiram sogar damit gedroht, ihn zu enteignen, biss damit aber auf Granit. Der UNO-Mann ist diplomatischer. Hiram sagt ihm, was zu tun ist. Endlich ist die Erde in den Weltenverbund aufgenommen. Und vielleicht ist sie sogar bereit für weitere Kontaktaufnahmen.

_Unterm Strich_

Wollte man einen gemeinsamen Nenner für diese bekannten Geschichten suchen, so würde man früher oder später auf das Thema Erstkontakt und Kolonisierung stoßen. In „Die Humanoiden“ übernimmt eine neue Art intelligenter Maschinen die von den Menschen besiedelten Welten, u. a. auch die alte Terra. Die Kolonisierung ist radikal insofern, als sie den bisherigen Typ des Homo sapiens vollkommen nutzlos macht. Es ist nicht bloß eine fürsorgliche Belagerung, sondern ein Rundumservice, der keinen Widerspruch duldet. Das Ergebnis ist Impotenz in jeder Hinsicht.

Auch in der zweiten Erzählung tritt die Problematik der Kolonisierung in den Vordergrund. Die Marskolonie soll von der Erde total abhängig gemacht werden, unter dem Vorwand, die „Verschwender“ von Wasser unschädlich zu machen. Ein fadenscheiniger Vorwand angesichts der Quintillionen Tonnen Wasser, die auf der Erdoberfläche herumschwappen. (Asimov hatte alle Mengen etc. exakt ausgerechnet.) Doch die Kolonie schlägt mit einem pfiffigen Manöver zurück.

In „Der große Vorgarten“ wird eine funkelnagelneue Welt entdeckt, die obendrein auch noch leer zu sein scheint. Was für eine tolle neue Kolonie! Das denkt zumindest die Mehrheit der Länder und offenbar auch die US-Regierung, die sofort neue Einnahmequellen ins Visier nehmen will, die Dollarnoten bereits in den Augäpfeln. Doch Hiram Taine, der eigensinnige Besitzer dieses „großen Vorgartens“, hat eine andere Vorstellung davon, wie ein Erstkontakt ablaufen sollte.

Warum das gemeinsame Thema Kolonisierung bzw. deren Scheitern? Wer in der Geschichtsstunde aufgepasst hat, weiß vielleicht noch, dass 1947 das große Koloniensterben begann und nicht vor Mitte der sechziger Jahre endete. 1947 erklärte sich Indien für unabhängig vom englischen Mutterland – nach über 300 Jahren Fremdherrschaft. 1956 beendete Ägypten unter Nasser die Vorherrschaft der Westmächte im Nahen Osten mit der Schließung des Suezkanals. Die Reihe ließe sich endlos fortsetzen, von Indochina über Afrika bis nach Ozeanien. Und gleichzeitig versuchten die USA Bollwerke gegen den vordrängenden Kommunismus zu schaffen, z. B. in Vietnam und Mittelamerika.

Für mich ist klar, dass sich diese Entwicklungen auch in den SF-Storys der fünfziger Jahre, wie sie hier vorliegen, niederschlugen. Asimovs Marsianer machen sich unabhängig, und Simaks Fremde (der Ausdruck „Ausländer“ trifft nun nicht mehr zu) kommen nicht, um Krieg zu führen, sondern um mit Ideen zu handeln. Eine neue Art der Interaktion ist gefragt, und die Globalisierung scheint bereits am Horizont auf.

Bleiben noch die Humanoiden. Sie sind die ultimativen Imperialisten, welche die lokale Kultur und Wirtschaft total übernehmen und durch ihre eigene ersetzen, alles unter dem Vorwand, „zu dienen, zu gehorchen und vor Schaden zu bewahren“. Es hat schon viele Imperien gegeben und einige davon expandieren heute immer noch (ich nenne keine Namen), und es ist immer das gleiche Ergebnis: totale Abhängigkeit der solchermaßen „Beglückten“. Doch das Bewusstsein, dass es auch anders gehen muss, nämlich auf Basis des gleichberechtigten Austausches wie bei Simak, ist heute ungleich größer. Aber die Imperien gedeihen weiterhin.

SF-Geschichten werden nicht für die Zukunft, sondern für die jeweilige Gegenwart geschrieben, sonst wären sie nämlich unverständlich und irrelevant. In diesem Auswahlband sind glücklicherweise drei Erzählungen enthalten, die auch heute noch von Bedeutung scheinende Themen aufgreifen. Und sie bieten beste Unterhaltung, wie besonders Simaks Story zeigt. Solche Auswahlbände gibt es heute kostengünstig im Internet zu erwerben, wo mittlerweile praktisch jedes Antiquariat vertreten ist.

|Originaltitel: Science Fiction Hall of Fame, Band 2A und 2B, 1973
205 Seiten
Aus dem US-Englischen von Heinz Nagel und Uwe Anton|

Wolfgang Jeschke / Ben Bova (Hrsgg.) – Titan-9. SF-Erzählungen

Classic SF: Zauber der X-Logik

Die Großen der Science-Fiction werden mit ihren Meisterwerken bereits in der so genannten „Science Fiction Hall of Fame“ verewigt, welche natürlich in Buchform veröffentlicht wurde (statt sie in Granit zu meißeln). Daher können Freunde dieses Genres noch heute die ersten und wichtigsten Errungenschaften in der Entwicklung eines Genres nachlesen und begutachten, das inzwischen die ganze Welt erobert und zahlreiche Medien durchdrungen hat.

In der vorliegenden Ausgabe des Auswahlbandes Nr. 9 von „Titan“, der deutschen Ausgabe der „SF Hall of Fame“, sind Storys von Henry Kuttner alias Lewis Padgett, Fredric Brown, Clifford Simak und Murray Leinster gesammelt.
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Ben Bova – Jupiter (Das Sonnensystem / The Grand Tour 04)

Gibt es intelligentes außerirdisches Leben auf dem Riesenplaneten Jupiter? Und falls ja, darf man dann darüber sprechen? Eine knifflige politisch-religöse Frage, mit der sich der Astrophysiker Grant Archer auseinandersetzen muss – denn die christlichen und islamischen Fundamentalisten der Erde betrachten intelligente Aliens als Gotteslästerung.

Während in „Venus“ die dramatische Handlung derart überwog, dass die menschlichen Klischees das wissenschaftliche Interesse erdrückten, gelingt es Bova in „Jupiter“, das Ruder herumzureißen und einen ordentlichen Roman über eine lebensgefährliche Forschungsexpedition ins Innere des Riesenplaneten abzuliefern.

Der Autor
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Ben Bova – Rückkehr zum Mars (The Grand Tour 04)

In „Mars“ erzählte Ben Bova mit großem Erfolg die Geschichte der ersten Expedition zum Mars. Darin fand der Navaho-Halbindianer Jamie Waterman einen Hinweis auf eine außerirdische Zivilisation, und seine Kollegen fanden Leben: winzige Flechten im Marsboden – ein Riesenerfolg.

Etliche Jahre nach den mysteriösen Funden auf dem Mars, die auf früheres Leben hindeuten, macht sich eine zweite Expedition auf den Weg, um das Rätsel endgültig zu lösen. Nun müssen Jamie Waterman, der aktuelle Leiter, und seine Kollegen auf der zweiten Marsexpedition erst ihre Funde untermauern und ihre Hoffnungen belegen. Ohne dabei erneut fast umzukommen, wie beim ersten Mal…

Der Autor

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Ben Bova – Mars (The Grand Tour 03)

Das größte Abenteuer der Menschheit steht unmittelbar bevor: die erste bemannte Mars-Mission. Dies ist ihre Geschichte, eine Geschichte von menschlicher Größe und Tragik – und von der unglaublichsten Entdeckung aller Zeiten. (Verlagsinfo)

Die erste bemannte Mars-Expedition landet recht glücklich, doch der Halbindianer Jamie Waterman ist nicht wegen der schönen roten Steine hergekommen. Er sucht vielmehr die kleinen grünen Männchen. Und es sieht ganz so aus, als hätte er sie gefunden. Zumindest ihre Spuren!

Dies ist der erste Roman eines großen Zyklus „The Grand Tour“, der die Eroberung des Sonnensystems beschreibt, stilistisch jedoch die Rückkehr ins Goldene Zeitalter der amerikanischen SF darstellt, also in die vierziger und fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts.
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Jeschke, Wolfgang & Bova, Ben (Hg.) / Rey, Lester del / Heinlein, Robert A. / Kornbluth, Cyril M. – Titan-10

Durchblicker: Galileo im Generationenschiff

Die Großen der Science-Fiction werden mit ihren Meisterwerken bereits in der so genannten „Science Fiction Hall of Fame“ verewigt, welche natürlich in Buchform veröffentlicht wurde (statt sie in Granit zu meißeln). Daher können Freunde dieses Genres noch heute die ersten und wichtigsten Errungenschaften in der Entwicklung eines Genres nachlesen und begutachten, das inzwischen die ganze Welt erobert und zahlreiche Medien durchdrungen hat.

In der vorliegenden Ausgabe des Auswahlbandes Nr. 10 von „Titan“, der deutschen Ausgabe der „SF Hall of Fame“, sind Novellen von Heinlein, Lester del Rey und Cyril M. Kornbluth gesammelt.
Jeschke, Wolfgang & Bova, Ben (Hg.) / Rey, Lester del / Heinlein, Robert A. / Kornbluth, Cyril M. – Titan-10 weiterlesen

Bova, Ben – Venus (Das Sonnensystem 3)

Der Abend- und Morgenstern Venus ist vor Ort leider ein wahres Höllenloch: über 400° Grad heiß. Ausgerechnet dorthin führt eine Expedition, um die sterblichen Überreste eines Forschers zu bergen. Auch der Preis ist heiß: 10 Milliarden Dollar. Doch die Strapazen der Reise können es durchaus mit den Qualen der Liebe aufnehmen, mit denen sich der Held herumschlagen muss.

Der Autor
Bova, Ben – Venus (Das Sonnensystem 3) weiterlesen

Wolfgang Jeschke / Ben Bova (Hrsg.) – Titan-11

Just say no: Invasion vergebens

Die Großen der Science-Fiction sind mit ihren Meisterwerken bereits in der so genannten „Science Fiction Hall of Fame“ verewigt, welche natürlich in Buchform veröffentlicht wurde (statt sie in Granit zu meißeln). Daher können Freunde dieses Genres noch heute die ersten und wichtigsten Errungenschaften in der Entwicklung eines Genres nachlesen und begutachten, das inzwischen die ganze Welt erobert und zahlreiche Medien durchdrungen hat.

In der vorliegenden Ausgabe des Auswahlbandes Nr. 11 von „Titan“, der deutschen Ausgabe der „SF Hall of Fame“, sind Novellen von Theodore Sturgeon, Henry Kuttner, Catherine L. Moore und Eric Frank Russell gesammelt.

_Die Herausgeber_

1) Wolfgang Jeschke, geboren 1936 in Tetschen, Tschechei, wuchs in Asperg bei Ludwigsburg auf und studierte Anglistik, Germanistik sowie Philosophie in München. Nach Verlagsredaktionsjobs wurde er 1969-1971 Herausgeber der Reihe „Science Fiction für Kenner“ im |Kichtenberg|-Verlag, ab 1973 Mitherausgeber und ab 1977 alleiniger Herausgeber der bis 2001 einflussreichsten deutschen Science-Fiction-Reihe Deutschlands beim |Heyne|-Verlag, München. Von 1977 bis 2001/02 gab er regelmäßig Anthologien – insgesamt über 400 – heraus, darunter die einzigen mit gesamteuropäischen Autoren.

Seit 1955 veröffentlicht er eigene Arbeiten, die in ganz Europa übersetzt und zum Teil für den Rundfunk bearbeitet wurden. Er schrieb mehrere Hörspiele, darunter „Sibyllen im Herkules oder Instant Biester“ (1986). Sein erster Roman [„Der letzte Tag der Schöpfung“ 1658 (1981) befasst sich wie viele seiner Erzählungen mit Zeitreise und der Möglichkeit eines alternativen Geschichtsverlaufs. Sehr empfehlenswert ist auch die Novelle „Osiris Land“ (1982 und 1986). Eine seiner Storysammlungen trägt den Titel „Schlechte Nachrichten aus dem Vatikan“. Zuletzt erschien „Das Cusanus-Spiel“ bei |Droemer|.

2) Ben Bova, Jahrgang 1932, ist ebenfalls schon über 70 und ein verdammt erfahrener Bursche. 1956 bis 1971 arbeitete er als technischer Redakteur für die NASA und ein Forschungslabor, bevor er die Nachfolge des bekanntesten Science-Fiction-Herausgebers aller Zeiten antreten durfte, die von John W. Campbell. Campbell war die Grundlage für das „Goldene Zeitalter der Science-Fiction“, indem er mit seinem Magazin „Analog Science Fiction“ jungen Autoren wie Asimov, Heinlein, van Vogt und anderen ein Forum gab. Hier entstanden der „Foundation“-Zyklus und andere Future-History-Zyklen.

Für seine Herausgeberschaft von |Analog| wurde Bova sechsmal (von 1973-79) mit einem der beiden wichtigsten Preise der Science-Fiction ausgezeichnet, dem |Hugo Gernsback Award|. Von 1978-82 gab er das Technik-&-Fiction-Magazin „Omni“ heraus. 1990-92 sprach er für alle Science-Fiction-Autoren Amerikas in seiner Eigenschaft als Präsident des Berufsvereinigung. Seit 1959 hat er eigene Bücher veröffentlicht, die sich oftmals an ein jugendliches Publikum richten, darunter die Kinsman- und Exiles-Zyklen.

Ebenso wie Robert Heinlein und Larry Niven ist Bova ein Verfechter der Idee, dass die Menschheit den Raum erobern muss, um überleben zu können. Und dies wird nur dann geschehen, wenn sich die Regierung zurückzieht und die Wirtschaft den Job übernimmt. Der Brite Stephen Baxter hat in seiner |Multiversum|-Trilogie diese Idee aufgegriffen und weiterentwickelt.

1992 begann Bova mit der Veröffentlichung seines bislang ehrgeizigsten Projekts: die Eroberung des Sonnensystems in möglichst detaillierter und doch abenteuerlicher Erzählform.

_Die Erzählungen_

1) _Henry Kuttner & C. L. Moore: Traubenlese_ (Vintage season, 1946)

Oliver Wilson wundert sich über die drei Leute, die sein Haus für den Monat Mai gemietet haben. Sie reden in hochgestochenem, deutlich artikulierendem Akzent und tragen ihre feinen, bunten Kleider, als wären sie Schauspieler und trügen Kostüme. Der Mann, als Einziger ganz in Schwarz, nennt sich Omerie, die Damen heißen Klia und Kleph. Keine Nachnamen. Und sie möchten nur dieses eine Haus, möglichst alleine für sich. Aber sie gestehen Oliver zu, dass er ein Zimmer bewohnen darf.

Das Trio führt sich auf wie Touristen, mit einem beobachtenden, unbeteiligten Blick. Als Klia und Omerie auf Fotosafari sind, wagt sich Oliver in das Zimmer von Kleph, denn er hat sich in sie verliebt. Ihr Zimmer ist jetzt extravagant eingerichtet, mit Chaiselongue und einer Überdecke auf dem Bett, die laufend andere Bilder zeigt. Interessanter Effekt. Noch interessanter ist allerdings Klephs Tee: Das Getränk euphorisiert, vertreibt alle Sorgen.

Zu schade, dass die Lady keinerlei Fragen beantwortet. Was wollen die Herrschaften hier in Kalifornien und woher kommen sie? Warten sie auf etwas Bestimmtes, vielleicht auf das Eintreten eines Ereignisses? Allmählich schwant Oliver, dass diese Leute nicht nur aus einem anderen Land kommen.

Das Trio ist nicht jenes Volk, das bunt gekleidet ist und ebenfalls in Olivers Haus wohnen will. Eine „Madame Hollia“ will mitsamt ihrem Lakaien Kara das Haus kaufen. Nicht bloß mieten. Um das Trio zu vertreiben, lassen sie ein Gerät im Haus verstecken. Bevor es aktiviert wird, macht Oliver in Klephs Zimmer eine erschütternde Entdeckung. Madame Hollia hat Kleph ein Kästchen mit einem Kunstwerk eines gewissen Cenbe überreicht. Oliver hört dessen Musik und schaut nach, woher sie kommt. Kleph schaut sich eine Multimediashow an. Es ist aber nicht die Musik, die Oliver umhaut, sondern die visuelle Präsentation. Die Bilder zeigen Katastrophengebiete, Kriegsgebiete, Leidende aller Alter und Geschlechter. Was soll das? Ist das eine Art Passionsgeschichte? Und was hat Kleph in Canterbury getan? Wieder vertreibt Kleph Olivers verwirrte Sorgen durch ihren Spezialtee …

Die Nacht ist kurz. Oliver wird von Infraschallwellen geweckt, die Madame Hollias verstecktes Gerät erzeugt. In Panik und Angst suchen alle Bewohner nach diesem Gerät; erst als es deaktiviert ist, kehrt erleichterte Ruhe ein. Oliver hat herausgefunden, wann das Lied modern war, das Kleph aus Canterbury mitgebracht hat. Es stammt aus Chaucers „Canterbury Tales“: vom Ende des 14. Jahrhunderts! Diese Leute müssen Zeitreisende sein. Fragt sich nur, was sie hier wollen, auf was sie hier warten.

Oliver steht unter Hausarrest und unter Drogentee. Erst in tiefer Nacht weckt ihn ein ungeheurer Donnerschlag, der die Erde beben lässt. Ist dies das Ereignis, auf das die Touristen aus der Zukunft gewartet haben? Wird der Künstler Cenbe auch hiervon eine seiner schrecklichen Symphonien komponieren?

|Mein Eindruck|

Man stelle sich einfach mal vor, WIR wären diese Zeittouristen, die sich an dem Anblick von Katastrophen und Kriegen ergötzen. Jeden Tag bekommen wir solche Bilder vorgesetzt – die Autorin war 1946 in der gleichen Lage, denn der Zweite Weltkrieg war gerade vorübergegangen. Diese Zeittouristen vergnügen sich nicht nur an historischen Momenten – das tun die Dilettanten -, sondern schaffen daraus auch Kunstwerke – das tun die Kenner, solche wie Cenbe.

Die Frage, die für Opfer wie Oliver Wilson die entscheidende ist: Rechtfertigt der Wert dieses Kunstwerks, das in der Zukunft für künftige Zuschauer geschaffen wird, die vielen, vielen Opfer und ihre Leiden, die dafür fotografiert werden? Oliver verneint diese Frage natürlich. Es ist eine immens wichtige Frage, denn letzten Endes geht es hier um die Pornografie des Krieges und der Gewalt.

Ebenso wichtig ist Olivers Frage an Kleph und Cenbe, ob diese Reisenden, die ja in der Zeit reisen können, nicht auch die Ereignisse in der Vergangenheit ändern könnten? Könnten sie nicht das Schlimmste verhindern, indem sie die sicheren Opfer vor der kommenden Katastrophe warnen? Wäre dies nicht ihre moralische Pflicht gegenüber ihren Mitmenschen? Cenbe ist in der Lage, den Grund für sein Nichtstun in dieser Hinsicht zu erklären: Veränderungen in der Vergangenheit könnten die Zukunft ändern – und das dürfe niemand zulassen.

Ach ja, um welche Katastrophe es sich handelt? Ein Meteor schlägt in San Francisco ein, das in Flammen aufgeht – sehr malerisch, wie die Besucher finden. Sie sind schon längst beim nächsten Mega-Event (Kaiser Karls Krönung im Jahr 800), als die nachfolgende Seuche die Welt beinahe entvölkert …

„Traubenlese“ ist eine der erschütterndsten, am besten geschriebenen und klügsten Zeitreisegeschichten. Sie hat nur ein Manko. Oliver Wilson, der Chronist, hat so gut wie keine eigenen Charaktereigenschaften.

2) _Eric Frank Russell: … dann war’n sie alle futsch_ (And then there were none, 1951)

Das große terranische Raumschiff landet auf einer weiteren Welt, um sie in Besitz zu nehmen. Doch bei dieser läuft alles schief.

Als der Blieder-Raumantrieb die Bewältigung größter Distanzen in kurzer Zeit ermöglicht hatte, begaben sich zahlreiche Andersdenkende auf die vielen Welten dort draußen, um der engstirnigen und eng gewordenen Erde ein für allemal den Rücken zu kehren. Nun, 300 bis 500 Jahre später, hat es die Besatzung des Raumschiffs mit den Nachfahren dieser Dissidenten zu tun. Aber obwohl die Leute auf dieser Welt die Terraner ausgezeichnet verstehen können, unterscheiden sie sich von allen anderen Dissidenten. Die geplante Übernahme der Welt kommt kein bisschen voran.

Der irdische Botschafter lässt einen der Bauern von seinem Feld holen. Der Bauer weigert sich strikt, dem Befehl der Soldaten Folge zu leisten und sagt ein unverständliches Wort: „Meiob!“ Mit einem anderen Bauern haben die Soldaten ebenfalls kein Glück. Die Leute achten weder Rang noch Befehle, sondern sagen einfach: „Meiob!“ Da es keine Großstadt und somit keine Hauptstadt zu geben scheint, fliegt das Schiff zur nächsten Kleinstadt. Doch die Leute auf der Straße reagieren ebenso abweisend.

Der Botschafter wird wütender und greift schließlich zu einer verzweifelten Maßnahme. Er schickt Harrison los, der aussieht, als könnte er auf seinem Fahrrad – es ist das einzige in der ganzen Flotte – keiner Fliege etwas zuleide tun. Harrison soll kundschaften und herausfinden, wer der Bürgermeister, Sheriff, Kalif oder so etwas hier ist. Harrison muss feststellen, dass es so etwas hier nicht gibt. Genauso wenig wie Geld übrigens. Vielmehr halten sich die Bürger – sie nennen sich Gands und die Terraner Anti-Gands – einiges darauf zugute, dass sie frei sind und jederzeit „Ich will nicht“ sagen können.

Um etwas zu essen zu bekommen, verrichtet Harrison ein wenig Arbeit, bekommt dafür eine Obligation, „Ob“ genannt, von seinem Arbeitgeber ausgestellt und kann diese bei einem bestimmten Restaurantbesitzer, der viele Obs vom Arbeitgeber hat, gegen Essen einlösen. Der Restaurantbesitzer streicht ein Ob von seiner Ob-Liste. Ein transparentes System, das aber voraussetzt, dass jeder jeden kennt und deshalb nicht mit großen, zentralisierten Gemeinden funktioniert. Dass man hier keinen Besitz anhäufen kann, versteht sich von selbst, und eine Ob-Bank gibt es erst recht nicht.

Nachdem Harrison unverrichteter Dinge zurückgekehrt ist und Bericht erstattet hat, ist der Botschafter zwar frustriert, aber der Kapitän kann seine Matrosen nicht von ihrem ihnen zustehenden Landgang abhalten. Auch Harrison darf mit Sgt. Gleed wieder an Land: Es gibt noch mehr Aha-Erlebnisse, und nachdem der Restaurantbesitzer auch mit Sgt. Gleed gesprochen hat, weil er hofft, auch eingefleischte Anti-Gander überzeugen zu können, ist Gleed der Erste, der nicht mehr zurück an Bord will. Und beileibe nicht der letzte …

|Mein Eindruck|

Nur für den Fall, dass man das Verfassungsprinzip der Gander noch nicht kennt oder durchschaut hat: Es handelt sich um eine Gesellschaft, die nach Mahatma Gandhis Prinzip des passiven Widerstands lebt. Dass die Story nur vier Jahre nach der Unabhängigkeit Indiens veröffentlicht wurde, legt die Vermutung nahe, dass der britische Autor Gandhis Methode nicht nur eingehend studiert hat, sondern es auch für möglich hält, dass sie in anderen Kolonien Seiner oder Ihrer Britischen Majestät angewendet werden könnte. Seine Novelle ist eine deutliche Warnung, aber zum Glück mit sehr viel Humor formuliert, so dass niemand den erhobenen Zeigefinger zu sehen bekommt, der sich dahinter verbirgt.

Zugleich führt er einige Klischees und Konventionen der amerikanischen SF ad absurdum. So etwa die Annahme, es genüge wie weiland in Manhattan zu sagen: „Take me to your leader!“ und dann werde sich alles schon mit dem Häuptling regeln lassen, beispielsweise mit Glasperlenketten und Pockendecken. Dummerweise haben die Gander weder König noch Häuptling, obendrein glauben sie auch noch frecherweise, dass kein Mensch mehr wert sei als der andere. Weshalb sich auch keiner herausnehmen könne, einem anderen Befehle erteilen zu dürfen. Die Sache mit der natürlichen Autorität können sich die Terraner also an die Backe kleben. Und die Idee von der Überlegenheit einer zentralen Regierung sowieso.

Vielmehr scheint die Basisdemokratie der Gander ausgezeichnet zu funktionieren. Natürlich kann ein Schmarotzer versuchen, die auf Obs basierende Wirtschaft zu missbrauchen, aber wie lange geht das gut? Die Fabel vom faulen Jack belegt das anschaulich. In 27 Städten konnte der faule Jack sein Parasitentum durchziehen, doch in der letzten war er schon so berüchtigt, dass er nur einen einzigen Tag lang die Obs, die man ihm anvertraute, missbrauchen konnte, dann gab ihm niemand mehr etwas. Er ging in die Wildnis, wo er sich schließlich erhängte.

Geschichten wie diese waren in den späten siebziger und frühen achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts sehr beliebt, denn sie illustrierten friedliche Alternativen zur bürgerlich-kapitalistischen und die Möglichkeit, dass diese Alternativen funktionieren konnten. Aus den politischen Kreisen dieser „Alternativen“ ging dann Die Grünen hervor.

Lange schaffte es diese Partei, Ideen wie Basisdemokratie, Gleichberechtigung, Kriegsdienstverweigerung, Pazifismus und Gemeinbesitz zu realisieren, ja sogar intern durchzusetzen. Heute, rund 20 Jahre später, sind davon nur noch der Antimilitarismus, der Umweltschutz und die Gleichberechtigung übrig geblieben. Das finde ich schon ziemlich schade, andererseits sind Umweltschutz und Gleichberechtigung mittlerweile Regierungsprogramm oder sogar Verfassungsziel.

Man kann Mahatma „Die große Seele“ Gandhi, diesen halbnackten Baumwollspinner, romantisch finden, aber er hat auch einem Riesenreich wie Indien zur Unabhängigkeit verholfen, als er, als Anwalt, in Südafrika einfach mal „Ich will nicht“ sagte. Vielleicht sollte man darüber mal nachdenken.

3) _Theodore Sturgeon: Baby ist drei_ (Baby is three, 1952)

|Vorgeschichte|

Im ersten Teil des dreiteiligen Romans „Baby ist drei“ (More than human, 1954) werden die verschiedenen Personen der Geschichte vorgestellt. Das ist einmal der „fabelhafte Idiot“, der dem Kapitel seinen Titel gibt. Er kennt kein Ich, hat keine Sprache, lebt wie ein Tier im Wald. Als er von einem wohlmeinenden kinderlosen Farmerspaar aufgenommen wird, erwirbt er einen Namen, Lein (von ‚allein‘), Sprache (er lernt aber nie Schreiben) und Liebe – was wohl das Wichtigste ist. Die Talente des Idioten Lein sind Telepathie und Empathie, also Übertragung von Gedanken und Empfindungen.

Er trifft auf ebenfalls empathiefähige Menschen. Evelyn, die Unschuld aus einem abgeschieden gelegenen Herrenhaus stirbt nach Leins Einmischung in ihre Familie; doch später kommen die kleine Janie mit den telekinetischen Kräften (sie bewegt Dinge mit Gedankenkraft) und die beiden sprachgestörten farbigen Zwillinge Beanie und Bonnie, die teleportieren können: Sie bewegen sich selbst von Ort zu Ort per Gedankenkraft. Hinzukommen weitere Teile des entstehenden Gestaltwesens: ein mongoloides Baby, dessen Geist arbeitet wie ein Computer und das seine Ergebnisse telepathisch überträgt; und schließlich Gerry, ein Junge, der nur hassen kann.

Dieses Häuflein Menschen, das einsam und geschützt in einer Hütte im Wald lebt, entdeckt erst spät (eigentlich nur Lein, dann Gerry), dass es sich vom Rest der Menschheit erheblich unterscheidet. Einzeln sind die Kinder und Lein schwach, doch zusammen können sie mehr vollbringen als ein durchschnittlicher Mensch.

|Die Story|

Im zweiten Teil „Baby ist drei“ findet eine Psychiatersitzung statt, die dazu dienen soll, dass Gerry herausfindet, was mit ihm nicht stimmt: Er hat einen Menschen getötet. Mal hält er sich für 15 (meistens), dann wieder für acht Jahre alt, dann ist er 33. Feststeht zumindest, dass er über telepathische und hypnotische Kräfte verfügt. Ein paar Jahre sind inzwischen vergangen, und er hat den verstorbenen Lein als Leiter der Gruppe abgelöst.

Der Satz „Baby ist drei“ löst in seinem Geist eine Blockade aus, die die Frage auf die Antwort verschließt, warum er Miss Kew, die „Erzieherin“ des Gestaltwesens, getötet hat. Wie sich herausstellt, ist Miss Kew die Schwester jener Evelyn, der Lein damals so verhängnisvoll begegnete, Alicia. Der Leser fragt sich die ganze Zeit, warum Alicia gegenüber Lein eine Verpflichtung hatte, seine Gruppe in ihrem Haus aufzunehmen – sie kannte ihn doch gar nicht, oder? Das Geheimnis hinter dem Satz „Baby ist drei“ ist für sie verhängnisvoll, zeigt aber Gerry, wer er in Wirklichkeit ist. Diese Szenen sind extrem spannend und halten viele überraschende Erkenntnisse bereit.

Mein Eindruck

„Baby ist drei“ bzw. „Die Ersten ihrer Art“ gehört zu den zehn berühmtesten und wohl auch besten Science-Fiction-Romanen überhaupt. Es ist ein hervorragendes Beispiel für die Bearbeitung des Themas Homo gestalt, bei dem mehrere Mutanten ihre Talente kombinieren und so eine parapsychische Union und neue Daseinsform bilden.

Mich hat der Roman – und die vorliegende Story – vor allem deshalb beeindruckt, weil Sturgeon es versteht, auf sprachlich wunderschöne und doch einfache Weise eindringlich klarzumachen, was jedes Mitglied der Gruppe ausmacht und worin ihre Besonderheit in der Koexistenz besteht: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Einzelteile. Die in beinahe märchenhaftem Tonfall erzählte Handlung erscheint dadurch realistisch.

Erst so kann man das Anliegen des Autors akzeptieren, seine Forderung nach einer menschenwürdigen Zukunft, die auch einen Platz für die Andersartigkeit hat, für Mutanten. Man merkt der Erzählung Sturgeons Liebe für Kinder an und dass er über ein tiefes Verständnis für sie verfügt. Und daher ist klar, dass er jedem Kind, und sei es noch so andersartig, eine Chance verschaffen möchte, mehr Glück, mehr Erfüllung zu finden, beispielsweise in der Gemeinschaft des Kollektivwesens Homo gestalt.

_Unterm Strich_

Die drei Beiträge dieses Auswahlbandes sind sehr unterschiedlich, belegen aber allesamt, wozu gute und gut geschriebene Science-Fiction in der Lage ist. „Traubenlese“ ist ein indirekt formulierte Warnung vor den Folgen eines Kometeneinschlags, der aber genauso gut der Atomkrieg sein könnte. 1946 wusste man bereits sehr gut, wozu eine Atombombe in der Lage ist.

Die zweite Geschichte, von dem Engländer Eric Frank Russell, ist ebenfalls eine direkte Reaktion auf die Zeitgeschehnisse und verlegt den friedlichen Aufstand der Inder (bis 1947) auf eine ferne Welt. Dort bietet die Gesellschaft der Gander den Matrosen des terranischen Schiffes wesentlich mehr Selbstverwirklichungschancen als die knauserig-autoritäre Erde es jemals tun würde. Die Matrosen desertieren in Scharen, und um nicht noch mehr davon beim „Landurlaub“ zu verlieren, muss das Schiff schleunigst das Weite suchen, will es überhaupt noch funktionstüchtig bleiben.

Die dritte Geschichte ist klassischer Sturgeon: eine Story über gesellschaftliche Außenseiter, die aber für sich einen weiteren Sprung in der geistigen und gesellschaftlichen Evolution des Menschen genommen haben. Mutantengeschichten gab es in den 1950er Jahren massenweise, denn viele Autoren fragten sich damals, was wohl Radioaktivität wie etwa vom Fallout einer Atom- oder Wasserstoffbombe mit dem menschlichen Erbgut anrichtet. Eine Variante dieser Geschichten brachte Monster wie Godzilla hervor, die andere aber das Kollektivwesen „Homo gestalt“.

Die Geschichten nehmen keinesfalls in Anspruch, die Zukunft vorherzusagen, wie es vielleicht noch die Generation vor 1945 getan hatte. Aber die Autoren warnten vor gewissen Möglichkeiten in Technik (häufig) und Gesellschaft (selten) oder stellten Chancen bestimmter Entwicklungen zur Diskussion. In „Titan-11“ sind einige der besten Beispiele dafür zu finden, so dass sie, ohne zu viel vorauszusetzen, einen idealen Einstieg in das Genre bieten.

Originaltitel: Science Fiction Hall of Fame Band 2/A, 1973
222 Seiten
Aus dem US-Englischen von Uwe Anton
www.heyne.de

Ben Bova – Venus

Bova Venus Cover 2002 kleinDas geschieht:

Einige Jahrzehnte in einer Zukunft, in der Reisen zu anderen Planeten und Monden auch weiterhin schwierig, gefährlich und teuer aber möglich sind und regelmäßig stattfinden, hat „Humphries Space Systems“, der Mega-Konzern des Tycoons Martin Humphries, überall im Sonnensystem die Finger im Spiel die Familie reich und mächtig werden lassen.

Alexander, Martins älterer Sohn und designierter Nachfolger, ist vor drei Jahren bei einer waghalsigen Expedition zur Venus verschollen, die er ganz im Geiste seines Vaters als erster Mensch betreten wollte. Zurück blieb Van, der zweite Sohn und das schwarze Schaf, das sich vom rücksichtslosen Machtmenschen Martin abgewandt hat. Noch tot scheint Alex für Martin wichtiger zu sein als der überlebende Sohn. Zehn Milliarden Dollar winken als Belohnung dem, der zur Venus fliegt und die sterblichen Überreste des vermissten Helden birgt. Das lockt Abenteuer und Glücksritter – und Van, der das Schicksal des Bruders klären will. Ben Bova – Venus weiterlesen