Schlagwort-Archive: Biografie

Giles Smith – Lost in Music. Eine Pop-Odyssee

Eine Pop-Odyssee mit den Smiths

Der heutige Reporter und frühere „Popmusiker“ Giles Smith erzählt uns von seine lange währenden Liebesaffäre mit der Popmusik, die schon mit neun Jahren beim Hören eines T.Rex-Songs begann. Aber was heißt hier „Affäre“? Smith ist fest mit der kapriziösen Dame verheiratet, und das führte im Laufe der Jahre zu mehreren tragikomischen Situationen. Unterhaltsame, lesenswerte und informative Lektüre für jeden Pop-Fan (sind wir das nicht alle?) – und außerdem stellenweise saukomisch. In England zählt „Lost in Music“ neben Nick Hornbys „High Fidelity“ zum Standardwerk in Sachen Popliteratur.
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Jean-Jacques Greif – Marilyn. Eine Biografie

Leben einer Filmgöttin, Leben eines Waisenkinds

Als Marilyn Monroe am 5. August 1962 tot aufgefunden wurde, starb ein Weltstar. Doch ob ihr Namen nun Norma Jeane Mortensen oder Norma Jean (ohne E) Baker war, darüber streiten sich die Gelehrten (wie schon damals die Standesbeamten) noch heute. Verschwörungstheorien ranken sich um ihre letzten Tage, als Geliebte des US-Präsidenten und des Justizministers soll sie Staatsgeheimnisse gekannt und vom FBI beseitigt worden sein.

Die tagebuchartige Auto-Biografie Marilyns enthüllt uns einen Menschen, der Glück suchte und es nur selten fand. Dabei nimmt die Erzählerin Marilyn kein Blatt vor den Mund, wenn es um Gott und Sex geht.
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Jerry Hopkins/Daniel Sugerman – Keiner kommt hier lebend raus. Die Jim Morrison Biographie

Jim Morrison wird (wieder einmal) exhumiert

Rechtzeitig zu Jim Morrison Exhumierung am 6. Juli 2001 erscheint bei Heyne erneut die bereits 1995 „erweiterte und überarbeitete Ausgabe“ der klassischen und umfassendsten Morrison-Biografie. Anno 1980 fachte diese Biografie durch ihren Erfolg den ganzen Star-Biografie-Rummel erst an. Doch die Erweiterungen beschränken sich vor allem auf den Epilog von Ko-Autor Jerry Hopkins und das Nachwort von Morrisons Dichterkollegen Michael McClure. Zudem wurden die Disko- und Bibliografien durch Updates ergänzt.
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Duriez, Colin – Tolkien und C. S. Lewis – Das Geschenk der Freundschaft

_Zwei Autoren in christlicher Mission, kritisch betrachtet_

Es gibt schon eine Reihe von Biografien über Lewis, den Schöpfer der Narnia-Chroniken, und Tolkien, den Schöpfer von Mittelerde. Das vorliegende Buch ist jedoch eine Biografie der besonderen Art: Nicht nur unternimmt es der Autor, gleich zwei Schriftsteller zu porträtieren, sondern auch noch ihre persönliche und literarische Wechselwirkung so zu würdigen, dass unser Verständnis von ihrer beider Werk erhöht und erweitert wird. Man sollte beachten, dass „Der Herr der Ringe“ ohne das Drängen C. S. Lewis’ nie vollendet worden wäre. Was sich Duriez vorgenommen hat, ist zweifellos eine anspruchsvolle Aufgabe. Mal sehen, ob er sie bewältigen konnte.

_Der Autor_

Colin Duriez hat laut Verlag sowohl über Tolkien als auch über C. S. Lewis und ihr jeweiliges Werk geforscht und gelehrt. „Er ist in Narnia und Mittelerde zu Hause und lebt in einem Haus voller Bücher in Leicester, England.“ Sein Buch erschien trotzdem zuerst in New Jersey, USA.

_Die vorgestellten Autoren_

|John Ronald Reuel Tolkien|

… wurde 1892 im südafrikanischen Bloemfontein geboren, übersiedelte aber schon zwei Jahre später nach England in die Nähe von Birmingham. Schon früh erweckte seine Mutter in ihm eine Vorliebe für Sprachen, er entwickelte eigene Sprachsysteme, so etwa zwei für Elben, eines für Zwerge und mehrere für Menschen. Sein Studium der englischen Sprache und Literatur in Oxford bestand er mit Auszeichnung. 1916/17 kämpfte er in Frankreich, wurde verwundet und lag längere Zeit im Lazarett, wo er anfing, seine Privatmythologie niederzuschreiben (gesammelt in den „Verschollenen Geschichten“). Danach ging er als Lektor und später Professor an die Uni Leeds, dem sich eine 34-jährige Laufbahn als Professor für Angelsächsisch in Oxford anschloss.

1937 erschien mit [„The Hobbit“ 481 sein erster Bucherfolg, der ihn bekannt machte. Als sein Veleger eine Fortsetzung bestellte, begann Tolkien „Der Herr der Ringe“ zu schreiben. Er brauchte nach drei Anläufen insgesamt zwölf Jahre dafür. Doch obwohl der 1000-Seiten-Roman 1949 fertig war, konnte er wegen Papierknappheit erst 1954 und 1955 in drei separaten Bänden erschien. Dadurch erschien der Roman als eine Trilogie, was er keineswegs ist.

Nach Tolkiens Tod 1973 arbeitete sein Sohn Christopher den umfangreichen Nachlass auf. Das Ergebnis erschien 1978 unter dem Titel [„The Silmarillion“. 408 Es enthält Schöpfungsmythen, Heldensagen und zahlreiche Gedichte sowie Anhänge.

|Clive Staples Lewis|

…, der von 1898 bis 1963 lebte, war ein Freund und Kollege Professor J. R. R. Tolkiens (mehr dazu weiter unten). Dass dieser zufällige Umstand ihn auszeichnen soll, lässt darauf schließen, dass er im Bewusstsein der gegenwärtigen Leser hinter seinem bekannter gewordenen Kollegen zurückgetreten, wenn nicht sogar fast verschwunden ist. Tolkiens Stern leuchtet heller.

Dabei hat Lewis sowohl in der Fantasy als auch Science-Fiction Spuren hinterlassen. Auch in der Philosophie und Theologie schrieb er bekannte und gelobte Werke. Doch lediglich die „Chroniken von Narnia“, Fantasy für kleine und große Kinder, wurde auch verfilmt. Die Science-Fiction-Trilogie [„Perelandra“, 1665 ein ambitionierter Weltentwurf, ist eben zu sperrig und dialoglastig für den heutigen Geschmack.

Viel ist in die Narnia-Romane hineingedeutet worden. Dies muss nicht alles wiederholt werden. Feststeht aber, dass die Narnia-Chroniken seit über 50 Jahren in Großbritannien zum Standard der Jugendliteratur gehören, und das sicher nicht ohne Grund – sie verbinden Abenteuer und Wunder mit einer christlichen Botschaft.

Hier kommen altbekannte Fantasythemen zum Tragen, so etwa der Gegensatz zwischen Gut und Böse. Außerdem ist Narnia eine Parallelwelt, die durch ein Tor erreicht wird; es gibt sogar Zeitreisen und andere Dimensionen. Die Bücher werden als christliche Allegorien interpretiert, aber das würde ihnen wenig gerecht: Sie sind hervorragende und bewegende Geschichten – wenn auch mit sprechenden Tieren.

Mehr Infos sind auf http://www.narnia.com und http://www.narnia-welt.de zu finden.

_Inhalte_

1) Im ersten Kapitel „Prägejahre“ wird der Zeitraum von 1892, dem Geburtsjahr Tolkiens, bis 1925, als sie sich zum ersten Mal begegneten, betrachtet. Wer über die Biografie der Autoren detailliert Bescheid weiß, kann diesen Abschnitt überspringen. Tolkien liebt seit 1907/08 Edith Bratt, doch 1909 wird ihr Verhältnis entdeckt und sie werden getrennt. Er wird sich erst 1914 mit ihr verloben können, nachdem sie zu seiner römisch-katholischen Kirche übergetreten ist. Erst zwei Jahre später können sie heiraten. Dies ist unter dem Aspekt des Beren-Lúthien-Motivs bedeutsam.

Lewis hingegen heiratete erst 1956, als erst schon 58 war. Beide aber waren Soldaten im Ersten Weltkrieg: Tolkien erkrankte 1916 am Grabenfieber und verlor alle seine Jugendfreunde, im April 1918 wurde Lewis schwer verwundet, so dass er bereits für tot gehalten wurde. 1924 sind beide bereits Profi-Dozenten: Tolkien ist in Leeds Professor für Englische Sprache geworden (nach drei Jahren Assistenzprofessur), Lewis vertritt einen Professor in Oxford, wird 29 Jahre lang Fellow in Oxford, bekommt einen eigenen Lehrstuhl aber erst 1954 – in Cambridge (auf Drängen Tolkiens hin).

2) Das zweite Kapitel trägt den Titel „Begegnung in Geist und Fantasie: ‚Tolkien und ich sprachen über Drachen …'“ und deckt die Jahre 1926 bis 1929 ab. Zu dieser Zeit war C. S. Lewis noch ein Atheist, und seine Begegnung mit einem strenggläubigen Katholiken wie J. R. R. Tolkien verlief alles andere als reibungslos.

1925 bekam Tolkien eine Oxford-Professur für Angelsächsisch. Für den 11. Mai 1926 wird die erste Begegnung der beiden Dozenten dokumentiert. Nachdem er sich drei Jahre lang mit Tolkiens Ansichten und dessen Glauben auseinandergesetzt hat, wird Lewis zunächst Theist: Es gibt einen Gott – aber wie sieht er aus? Am 25.9.1929 stirbt sein Vater in Belfast (Lewis ist Nordire).

Seit 1912 erfindet Tolkien neue Sprachen auf der Grundlage des Walisischen (Sindarin) und des Finnischen (Quenya), dann beginnt er mit seiner privaten Mythologie 1916. Ende 1929 zeigt er Lewis seine „Skizze der Mythologie“ und ein langes Erzählgedicht mit dem Titel „Lay of Leithien“, der es in der Nikolausnacht komplett durchliest.

3) Eine Welt aus Geschichten: „Mythopoeia“ (1929-1931)

1930 oder 1931 beginnt Tolkien mit „Der kleine Hobbit“, das 1937 zu einem großen Kinderbucherfolg werden soll. Am 19./20. September 1931 kommt Lewis zu der Überzeugung, dass der christliche Glaube wahr sein muss. Am 28. September 1931 erlebt er auf der Fahrt im Beiwagen eines Motorrads, das sein Bruder Warren steuert, eine Epiphanie und kehrt zum 1911 verlorenen christlichen Glauben zurück.

4) Die dreißiger Jahre: Der Kontext der imaginativen Orthodoxie

Ende 1932 gibt Tolkien seinem Freund Lewis eine unvollständige Erstfassung des „kleinen Hobbits“ zu lesen. Lewis ist begeistert. Er hat bereits 1931 mit der Niederschrift eines eigenen Fantasy-Romans begonnen, der den seltsam programmatisch klingenden Titel „Flucht aus Puritanien“ trägt. Lewis tut sich in zahlreichen Debattierklubs der Universitätsstadt hervor, um seinen christlichen Glauben zu festigen. Er unterliegt in all den Jahren nur ein einziges Mal: gegen eine Frau!

5) Beginn der „Inklings“: Geteilte Freundschaft? (1933-1939)

Im Herbst 1933 versammelt Lewis zum ersten Mal einen Freundeskreis, der sich den Namen „Die Inklings“ gibt. Er ist die Fortsetzung des Literatenkreises „The Coalbiters“. Die Inklings treffen sich meist in einem Pub namens „The Child and Eagle“, den sie in ihrer despektierlichen Art stets „The babe and bird“ nennen. Bedeutende Literaten wie Charles Williams und Dorothy L. Sayers versammeln sich hier, aber auch Nichtschriftsteller wie der Philosoph Owen Barfield. 1936 erhält Lewis erstmals einen Brief von Williams, der sich für die positive Besprechung seines Romans „Die Stätte des Löwen“ bedankt. Tolkien wurde stets „Ronald“ genannt und Lewis immer „Jack“.

1936 rehabilitiert Tolkien vor wichtigen Mitgliedern der British Academy „Beowulf“ und die Märchen in seiner Vorlesung „Beowulf: Die Ungeheuer und ihre Kritiker“. Er vertieft diesen Ansatz 1939 in der Vorlesung „Über Märchen“. Beide Autoren entwickeln ihr literarisches Programm weiter, das sie in „Mythopoeia“ konzipierten.

6) Zweimal hin und wieder zurück: „Flucht aus Puritanien“ und „Der kleine Hobbit“ (1930-1937)

1931 schreibt Lewis das Buch „Flucht aus Puritanien“, das den Originaltitel „The Pilgrim’s Regress: A Allegorical Apology for Christianity, Reason and Romanticism“ trägt. Das Buch erscheint am 25. Mai 1933. Es ist sein drittes nach „Spirits in Bondage“, das er 1919 unter Pseudonym veröffentlichte, und „Dymer“ (1926). Am 21. September 1937 erscheint „The Hobbit or There and Back Again“. Die zahlreichen Parallelen zwischen diesen beiden Werken nimmt der Autor zum Anlass, sie detailliert zu vergleichen. Lewis‘ Allegorieroman ist heute nur noch Insidern geläufig, doch der „Hobbit“ soll von Peter Jackson verfilmt werden. Das sagt schon alles über das Urteil der Nachwelt.

7) Raum, Zeit und der „Neue Hobbit“ (1936-1939)

Im Dezember 1937 beginnt Tolkien mit dem „Neuen Hobbit“, der 17 Jahre später unter dem Titel „Der Herr der Ringe“ erscheinen soll. Er verwirft mehrere Anfänge, bevor er richtig loslegen kann. (Vergleiche dazu Tom Shippey: [„J. R. R. Tolkien – der Autor des Jahrhunderts“.) 1653 Lewis und die Inklings sind von Anfang eingeweiht, denn jeder weiß, dass auf den erfolgreichen „Hobbit“ eine Fortsetzung folgen muss.

1936 veröffentlicht Lewis sein Sachbuch „The Allegory of Love. A study in medieval tradition“, und 1938 beginnt er mit „Out of the Silent Planet” seine Perelandra-Trilogie, in der er SF-Motive mit christlichen Begriffen wie Himmel, Hölle, Engel, Satan usw. verbindet, allerdings nicht in alter Nomenklatur, sondern verkleidet. Der zweite Roman „Perelandra“ erscheint 1943 und „That Hideous Strength“ 1945. Obwohl inzwischen etwas unterbewertet, setzt sich hier Lewis mit den gleichen Themen wie Tolkien in „Herr der Ringe“ auseinander, so etwa mit Macht, Glaube und Freundschaft sowie mit der Natur des Bösen.

8) Der zweite Weltkrieg und danach: Charles Williams kommt nach Oxford (1939-1949)

Eine schwere Zeit für Tolkien, denn zwei seiner Söhne kämpfen in diesem Krieg auf Seiten der alliierten Truppen. (Er hat vier Kinder.) Er arbeitet weiter am „Herrn der Ringe“ und wird 1949 mit der ersten Fassung fertig. Lewis beginnt 1940 mit seinen Vorträgen vor der Royal Air Force, die er bis 1941 fortsetzt. Ab dem 6. August 1941 – die deutsche Wehrmacht hat Russland überfallen – hält er nicht weniger als fünfundzwanzig Radioansprachen bei der BBC.

Am 14.10.1940 erscheint sein Buch „Über den Schmerz“ und Charles Williams , der seit 1939 in Oxford lebt, veröffentlicht 1942 „The Forgiveness of Sin“. Beide Bücher sind den Inklings gewidmet. Tolkien jedoch widmet Lewis sein humorvolles Büchlein „The Screwtape Letters“ bzw. „Dienstanweisung an einen Unterteufel“, das bis heute sein populärstes Werk überhaupt geblieben ist. 1944 hält er Vorlesungen über Literatur in Cambridge. Am 15.5.1945 stirbt Williams unerwartet. Im Herbst wird Tolkien zum Professor für Englische Sprache und Literatur in Oxford berufen. Am 20. Oktober 1949 wird das letzte literarische Treffen der Inklings verzeichnet. Man trifft sich weiterhin informell bis zu Lewis‘ Tod 1963.

9) Der Kleiderschrank des Professors und die Zauberringe (1949-1963)

Ein erstes Manuskript von Tolkien „The Silmarillion“ wird mit Bedauern abgelehnt. Dieses Werk ist keinesfalls mit „The Hobbit“ zu vergleichen. Noch vier Jahre bis zum „Herrn der Ringe“. Bei Lewis läuft es besser: Er bringt den [ersten Roman 1758 seiner „Narnia-Chroniken“ im Jahr 1950 heraus und sechs weitere sollen folgen. Zunächst ist Tolkien skeptisch, weil ihm zu viele Allegorien – die er grundsätzlich ablehnt – darin vorzukommen scheinen, doch allmählich ändert er seine Meinung.

Lewis‘ Ruhm verbreitet sich besonders in den USA rasch, nachdem ein Artikel im „TIME Magazine“ 1947 beträchtlich zu seiner Bekanntheit beigetragen hat. Am 10. Januar 1950 erhält er einen Brief der 34-jährigen US-Schriftstellerin Helen Joy Davidman Gresham. Offensichtlich ist sie verheiratet. Wie schade! Im September 1952 trifft er sie zum ersten Mal persönlich.

10) Überrascht von Cambridge und enttäuscht von Joy (1954-1963)

Lewis verliebt sich in die unglücklich verheiratete Frau, schreibt ein Buch über diese Liebe („Surprised by Joy“, 1955) und heiratet die Geschiedene 1956 standesamtlich, ein Jahr später auch kirchlich, nachdem man bei ihr Krebs festgestellt hat. Im Oktober 1959 wird eine Remission festgestellt, 1960 liegen sie und Edith Bratt gemeinsam im Krankenhaus. Am 13. Juli stirbt sie und hinterlässt ihm ihre beiden Söhne. Am 15. Juni 1963 erleidet Lewis einen Herzanfall, doch er stirbt erst am 22. November, nur wenige Tage nach der Ermordung von John F. Kennedy. Es erscheinen weitere Bücher von ihm und über ihn.

1959 hält Tolkien seine Abschiedsrede in Oxford und widmet sich fortan ganz seinen literarischen Projekten. Das „Silmarillion“, sein Lebenswerk, ist immer noch nicht erschienen. Ab Sommer 1966 hilft ihm dabei Prof. Clyde S. Kilby.

11) Abschied von den Schattenlanden (1963-1973)

Nach dem Erscheinen der Raubdruck-Taschenbuchausgabe von „Der Herr der Ringe“ nimmt Tolkiens Ruhm, der schon zuvor beträchtlich gewachsen war, erheblich zu und gewinnt gelegentlich groteske Formen. „Frodo lives“ und „Gandalf for president“ steht auf Buttons der US-Studenten. Für die Bearbeitung der Briefzuschriften muss Tolkien eine Sekretärin einstellen. Fans belagern sein Haus, so dass die Tolkiens 1968 in das beschauliche Seebad Bournemouth ziehen.

12) Die Gabe der Freundschaft: „Wer hätte sie verdient?“

Am 29. November 1971 stirbt Edith Bratt Tolkien, und Tolkien kehrt nach Oxford zurück. Am 28. März 1972 erhebt ihn die Königin in den Rang eines Commander of the British Empire (CBE). Am 2. September 1973 stirbt Tolkien in Bournemouth. 1977, nach Jahren des Editierens, gibt Christopher Tolkien endlich „Das Silmarillion“ heraus, dann folgen die Ergänzungsbände „The History of Middle-Earth“ (zwölf Bücher), „The Book of Lost Tales“ und „Unfinished Tales“. Im April 2007 erscheint mit „Die Kinder Húrins“ die erste vereinheitlichte Romanversion von „Das Silmarillion“.

|Anhänge|

A) Kurze Zeittafel zu Tolkien und Lewis

Ich habe mich in meiner obigen Darstellung auf diese Zeittafel gestützt. Es sind natürliche noch viele weitere Daten enthalten, denn sie reicht vom Jahr 1857, als Tolkiens Vater Arthur Reuel in Birmingham geboren wurde, bis zum Jahr 2003, als das Buch entstand.

B) In seinem kurzen Essay führt der Autor in gedrängter Form Gründe für „Die anhaltende Popularität von Tolkien und Lewis“ auf – es ist eine verdichtete Form der Darlegungen aus den Hauptkapiteln und äußerst nützlich, um entsprechende Argumente für Tolkiens und Lewis‘ heutige Bedeutung zu erhalten. Kritik ist hier eher weniger gefragt.

Danach folgenden die bibliografischen Anmerkungen, also Endnoten statt Fußnoten – notwendig für Wissenschaftler. Es schließt sich eine recht vollständige und aktuelle Bibliografie der Tolkienschen und Lewis’schen Werke an, darauf folgt die Bibliografie der Sekundärliteratur. Den Abschluss bilden Quellenverweise des Autors. Einen Index sucht man vergeblich.

_Mein Eindruck_

Die wichtigste Erkenntnis, die ich aus diesem Buch mitgenommen habe und an die ich mich erinnern kann, ist folgende: Der strenggläubige Katholik Tolkien betrachtete das Neue Testament der Bibel als eine wahre Geschichte. Dies muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen, um die Idee in all ihren Weiterungen zu begreifen. Denn wenn es Jesus wirklich gegeben hat und er Gottes Sohn war, dann gab es auch all die Wunder, von denen uns die Evangelisten berichten. Das ist der Aspekt der Wahrheit. Das ist die „history“.

Hinzukommt der Aspekt der Geschichte als „story“: Hier haben Leute von einem Mann berichtet, den sie gar nicht selbst kennen gelernt hatten, und sie berichteten in einer Sprache, die er gar nicht selbst sprach. Jehoschua von Nazareth sprach Aramäisch, die Evangelisten hingegen überlieferten ihre Chroniken in Griechisch, der Handelssprache der Antike.

Es kann also durchaus sein, überlegte Tolkien zusammen mit Lewis, dass es erstens Bearbeitungen gab und dass uns nicht die ganze „story“ überliefert wurde. Noch dazu in einer Sprache und Form, die in einer gottlosen Zeit wie den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg von der Mehrheit der britischen Intellektuellen abgelehnt wurde. Wer wollte schon etwas von Lazarus hören, wenn auf den Straßen die Bettler verhungerten? Soziales Engagement und Reformen waren gefragt, nicht salbungsvolles Geseiere von der Kanzel herab. Die Welt schien Werte wie Liebe, religiösen Glauben und Hoffnung endgültig auf die Müllkippe der Geschichte geworfen zu haben. Statt dieser Werte gab es neue Götzen, die sich Hitler, Stalin, Franco und Mussolini nannten und absolute Unterwerfung forderten.

|Einfluss Tolkiens auf Lewis|

Was offenkundig nötig war, bestand in einer Erneuerung des Glaubens in einer fiktional relevanten Form. Das Erstere fand schon 1931 bei Lewis seinen Anfang (s. o.) und die Fiktionalisierung nahm in der Folge immer größere und verzweigtere Formen an. Wenn das Neue Testament Wahrheit, Wunder und „story“ in glaubwürdiger Form für Milliarden von Christen darstellt, warum soll es dann nicht gelingen, ein Wunder in einer „Story“ so zu verpacken, dass es wie Wahrheit aussieht?

Dieses Vorhaben war zu keinem Zeitpunkt zynisch gemeint, als Unterhaltung von Intellektuellen etwa, sondern als eine Art Missionierung auf dem Wege der erzählenden Literatur. Bei Lewis nahm dies auch Formen einer Predigt in Selbstbekenntnissen an, aber Tolkien hielt sich davon fern. Er war ein Mann der Geschichten, die aus uralter Zeit zu uns gekommen sind: die Götter-, Helden- und Familien-Sagas Islands, die Heldengedichte um Siegfried, Artus und Beowulf, Epen wie das finnische „Kalevala“ – dies war seine Welt.

Von all diesen Einflüssen sind Spuren in seinen Werken nachgewiesen worden. Dazu lese man am besten Tom Shippeys kritisch würdigende Sachbücher „The Road to Middle-Earth“ (noch unübersetzt!) und „Tolkien – Autor des Jahrhunderts“ (|Klett-Cotta|). Beide Autoren verstanden sich als Schöpfer von Sekundärwelten, man nenne sie Mittelerde, Narnia oder Perelandra – stets bilden sie einen geschlossenen Kosmos, in dem eigene Gesetze gelten, die aber dennoch für den hiesigen und heutigen Leser nachvollziehbar dargestellt werden.

|Lewis‘ Einfluss auf Tolkien|

Der Einfluss Tolkiens auf seinen Freund Lewis ist in dessen Romantrilogien und Narnia-Chroniken unübersehbar, aber wie sieht es mit dem Einfluss des ursprünglichen Atheisten Lewis auf Tolkien aus? Ich sehe nun Lewis in einer vermittelnden Funktion: Er machte Tolkien nicht nur mit maßgeblichen Schriftstellern und Philosophen wie Owen Barfield und Charles Williams bekannt. Nein, er trommelte stets auch für die Anerkennung von Tolkiens Werken, und sein Wort hatte als Dozent und langjähriger Kritiker Gewicht, nicht nur bei den Akademikern, sondern auch in der breiten Masse der Zeitungsleser.

Seine dritte Aufgabe sehe ich in der permanenten Unterstützung des Freundes beim Schreiben. Ohne Lewis‘ Drängen wäre „Der Herr der Ringe“ nicht fertig geworden und wir müssten uns heute mit ähnlichen Bruchstücken wie mit dem „Silmarillion“ begnügen. Bei den Diskussionsrunden der Inklings übernahm „Jack“ gerne den Vorsitz, denn er verfügte über die mit Abstand lauteste Stimme (man denke an „Baumbart“) und jemand führte Protokoll, während bis 1949 meist Tolkien aus seinem Manuskript des „Herrn der Ringe“ vorlas. In dieser Eigenschaft des Vorsitzenden lancierte Lewis das entstehende Mammutwerk in die akademische Öffentlichkeit und lieferte in umgekehrter Richtung kritische Anmerkungen an den Autor Tolkien.

|Defizite dieses Buches|

Die Anhänge sind teils dem wissenschaftlichen Anspruch des Buches geschuldet, teils der „populären Bedeutung“ der beiden Autoren. Für das vollkommene Bild und die optimale Brauchbarkeit des Buches fehlt aber ein Stichwortverzeichnis. Auch Fotos wären sehr willkommen gewesen. Diese findet man in der Tolkien-Biografie von Humphrey Carpenter und in der Lewis-Biografie von Michael Coren (ebenfalls bei |Brendow| erschienen).

_Unterm Strich_

Es gibt einen C. S. Lewis Literaturpreis, aber keinen Tolkien-Literaturpreis. Dennoch hat Tolkien zweifellos wesentlich mehr Jünger, Anhänger und Nachfolger gefunden als sein langjähriger Freund und Mitstreiter. Dabei wäre der „Herr der Ringe“, der Tolkiens Ruhm und Popularität eigentlich erst begründete, ohne Lewis‘ Drängen und Fördern nicht fertig geworden, sondern Fragment geblieben. Beide Autoren unterstützten einander, wie sich das für Freunde gehört, aber sie kritisierten einander auch. Das ist für den Vorgebildeten manchmal spannend zu lesen, manchmal aber auch mit etwas Leerlauf verbunden. Die Schilderung von Lewis‘ Lebensumgebung in Oxford fand ich besonders uninteressant, obwohl sie seine Narnia-Bücher entscheidend beeinflusste.

Dieses Bild der zwei Autoren und ihres Verhältnisses zueinander vermittelt der Autor Duriez nicht ohne eigene kritische Distanz, vor allem gegenüber dem in vielen Büchern und Ansprachen oftmals predigenden Lewis. Das Bild ist ein echter Gewinn für den Kenner der beiden Autoren. Dass sich Duriez‘ Darstellung nachvollziehen und überprüfen lässt, verdanken wir seiner peniblen wissenschaftlichen Arbeit, die sich in den Anhängen niederschlug. Obwohl beide Autoren sich als Christen mit einer Mission verstanden, springt der Autor Duriez nicht auf diesen wohlfeilen Zug auf, sondern betrachtet die Zugfahrt aus sicherem Abstand, der alleine auch glaubwürdige Kritik erlaubt.

Das Buch wendet sich an Literaturwissenschaftler und weniger an Fans, die sich näher mit Tolkiens oder Lewis‘ Werk beschäftigen wollen. Der Laie findet hier vielmehr das philosophische und theologische Fundament erörtert, auf dem diese Werke entstanden. Außerdem handelt es sich um zwei parallele geführte Biografien. Doch jede Einzelbiografie ist ausführlicher, als es Duriez hier möglich ist. Insofern bietet das Buch eine bislang einzigartige Ergänzung im Kanon der bestehenden Sekundärliteratur über diese beiden maßgeblichen Autoren des 20. Jahrhunderts.

|Originaltitel: Tolkien and C. S. Lewis. The Gift of Friendship, 2003
304 Seiten
Aus dem US-Englischen von Christian Rendel|
http://www.narnia-welt.de
http://www.brendow-verlag.de/

[NEWS] Malala Yousafzai: Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen wollten, weil es für das Recht auf Bildung kämpft

Am 9. Oktober 2012 wird die junge Pakistanerin Malala Yousafzai auf ihrem Schulweg überfallen und niedergeschossen. Die Fünfzehnjährige hatte sich den Taliban widersetzt, die Mädchen verbieten, zur Schule zu gehen. Wie durch ein Wunder kommt Malala mit dem Leben davon. Als im Herbst 2013 ihr Buch „Ich bin Malala“ erscheint, ist die Resonanz enorm: Weltweit wird über ihr Schicksal berichtet. Im Juli 2013 hält sie eine beeindruckende Rede vor den Vereinten Nationen. Barack Obama empfängt sie im Weißen Haus, und im Dezember erhält sie den Sacharow-Preis für geistige Freiheit, verliehen vom Europäischen Parlament. Malala Yousafzai lebt heute mit ihrer Familie in England, wo sie wieder zur Schule geht.

Malala Yousafzai wird mit dem Friedensnobelpreis 2014 ausgezeichnet.

»Dieses Memoir unterstreicht ihre besten Eigenschaften. Ihren Mut und ihre Entschlossenheit kann man nur bewundern. Ihr Hunger nach Bildung und Neugestaltung ist authentisch. Sie wirkt so unschuldig, und da ist diese unverwüstliche Zuversicht. Sie spricht mit einem solchen Gewicht, dass man vergisst, dass Malala erst 16 ist.« The Times

»Niemand hat das Recht auf Bildung so knapp, so einprägsam und überzeugend zusammengefasst wie Malala Yousafzai, die tapferste Schülerin der Welt.« Berliner Zeitung

»Der mutigste Teenager der Welt« Bild

»Bewegend erzählt Malala Yousafzai ihr Schicksal.« Brigitte (Verlagsinfo)

Taschenbuch: 432 Seiten
Originaltitel: I Am Malala
Knaur TB

Michael Hardwick – Dr. Watson

Unterhaltsame Memoiren: Watson, Frauenfreund und Sucher

In dieser aufrüttelnden Autobiografie legt Dr. John H. Watson die Wahrheit gänzlich offen, seine schottische Abstammung, die bürgerlichen Verhältnisse, in denen er aufwuchs, ein finsteres Erbe sowie die familiären Zerwürfnisse, die ihn nachhaltig prägen sollten; nicht zu vergessen die ironischen Umstände, die seinen beruflichen Werdegang lenkten – erst Doktorand, dann Kriegsarzt und zuletzt Assistent eines Detektivs.

Ihre schicksalhafte Begegnung, die das Ende dieses Buches markiert, fungiert als stimmiger Abschluss jener frühen Kapitel in Watsons Leben, gibt aber natürlich auch den Startschuss für die Abenteuer, mit denen Millionen von Lesern längst vertraut sind.
(Aus der Verlagsinfo)

Michael Hardwick – Dr. Watson weiterlesen

[NEWS] DOUGLAS PRESTON & MARIO SPEZI – Der Engel mit den Eisaugen

Bei Knaur erscheint eine Amanda-Knox-Biografie von Douglas Preston und Mario Spezi: „Der Engel mit den Eisaugen“.

Im italienischen Perugia wird die britische Studentin Meredith Kercher brutal in ihrer Wohnung ermordet. Hauptverdächtige sind ihre amerikanische Mitbewohnerin Amanda Knox und ihr italienischer Freund Raffaele Sollecito. In einem spannungsgeladenen Indizienprozess werden die beiden zu extrem hohen Haftstrafen verurteilt. Zwei Jahre später spricht ein Berufungsprozess die beiden frei. Douglas Preston und Mario Spezi rollen den spektakulären Fall Amanda Knox neu auf. Bisher unveröffentlichte Details, Interviews mit involvierten Juristen und die Aufdeckung der dubiosen Machenschaften des italienischen Staatsanwalts, Giuliano Mignini, garantieren eine atemberaubende Lektüre, die es mit jedem Thriller aufnehmen kann.
(Verlagsinfo)

Taschenbuch, 256 Seiten
Originaltitel: The Witch of Perugia

Luca Novelli – Newton und der Apfel der Erkenntnis

Biographie light: Newton, der Vater der modernen Physik

Sein Gravitationsgesetz revolutionierte die menschliche Sicht auf das Universum. Der Forscher Newton, Vater der klassischen Mechanik und der Himmelsmechanik, Pionier in Mathematik und Optik, gilt als einer der herausragendsten Wissenschaftler aller Zeiten.

Luca Novelli beschreibt das Leben des Genies von den Schultagen auf dem Land über das Studium im ehrwürdigen Cambridge, die großen Entdeckungen, Widrigkeiten und Auseinandersetzungen mit Kollegen bis hin zu seiner Tätigkeit als hochgeschätzter Beamter. Eine spannende Begegnung mit einem der großen Köpfe der Menschheitsgeschichte. (Verlagsinfo)

Der Verlag empfiehlt diese szenische Lesung ab 10 Jahren.

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Novelli, Luca – Newton und der Apfel der Erkenntnis (Lesung)

_Biographie light: Newton, der Vater der modernen Physik_

Sein Gravitationsgesetz revolutionierte die menschliche Sicht auf das Universum. Der Forscher Newton, Vater der klassischen Mechanik und der Himmelsmechanik, Pionier in Mathematik und Optik, gilt als einer der herausragendsten Wissenschaftler aller Zeiten.

Luca Novelli beschreibt das Leben des Genies von den Schultagen auf dem Land über das Studium im ehrwürdigen Cambridge, die großen Entdeckungen, Widrigkeiten und Auseinandersetzungen mit Kollegen bis hin zu seiner Tätigkeit als hochgeschätzter Beamter. Eine spannende Begegnung mit einem der großen Köpfe der Menschheitsgeschichte. (Verlagsinfo)

Der Verlag empfiehlt diese szenische Lesung ab 10 Jahren.

_Der Autor_

Luca Novelli, Autor und Illustrator, arbeitet als wissenschaftlicher Berater für die RAI, das staatliche italienische Fernsehen, und leitete zehn Jahre lang eine Zeitschrift für Grafik und Design.

Für die Reihe „Lebendige Biographien“ erhielt er 2004 den italienischen Andersen-Preis als bester populärwissenschaftlicher Autor. Diese Biografien der genialsten Denker und Erfinder aller Zeiten sind im Arena Verlag erschienen – und bei Audiolino als Hörbücher. (Verlagsinfo)

_Die Sprecher_

Jürgen Uter ist der Erzähler. Peter Kaempfe, der Sprecher der Erklär-Texte, lebt als Schauspieler, Regisseur und Autor in Bremen. Nach dem Schauspielstudium gründete er mit zwei Kollegen die Bremer „Shakespeare Company“ sowie das „Theater aus Bremen“, mit dem er bis heute international weit über 2000 Vorstellungen gab.

Daneben tritt er in Funk und Fernsehen auf, unter anderem im „Tatort“ und in der Kinderradiosendung „Bücherwurm grüßt Leseratte“ des Norddeutschen Rundfunks. Dank seiner ausdrucksstarken Stimme wurde er zu einem der erfolgreichsten Kommentatoren für Fernsehdokumentationen aller deutschen Sendeanstalten. Heute ist er in etlichen Hörspielen und Hörbüchern zu hören und tourt mit Live-Lesungen und einem Soloprogramm durch die Lande. (Verlagsinfo)

In weiteren Rollen diverse andere Sprecher u. a.

Michael Bentzien spielt die Solo-Gitarre: J. S. Bach, Vincenzo Galilei, Giuseppe Brescianello, Fernando Sor u. a..

Regie führte Rainer Gussek.

_Inhalte_

Isaac Newton (1642/43-1726), der genauso wie sein Vater heißt, hat zwei Geburtsdaten. Weil Engalnd noch nicht den neuen gregorianischen Kalender übernommt hat (das folgt erst ca. 1752), wird sein Datum noch nach dem julianischen Kalender berechnet: Es ist der Weihnachtstag 1642, also der 25.12. Nach gregorianischer Zeitrechnung kommt er am 4.1. 1643 zur Welt. Wenige Tage später wird König Charles I hingerichtet, und die Diktator des Oliver Cromwell beginnt. Sie dauert bis 1658, also fast 20 Jahre, und ist von Foltern, Verfolgung und Massakern gekennzeichnet. Der strenge Puritanismus Crommwells duldet weder kluge Frauen („Hexen“) noch fromme Katholiken, in den katholischen Ländern Irland und Schottland werden Tausende hingemetzelt.

Woolthorpe, Isaacs Geburtsort, liegt in Lincolnshire, unweit der Nordsee. Von Anfang an sehnt sich der Junge nach der Ferne, und als er Gelegenheit hat, die Bibliothek seines Onkels William, eines Vikars, zu lesen, macht er sich mit Gusto darüber her. Er wird Klassenbester und spricht und liest mit 16 fließend Latein, die Sprache der Gelehrten, der Wissenschaft – und der Kirche. Als sich schnell zeigt, dass er nicht zum Bauern taugt, geht er zur Universität Cambridge, damals noch ein Ableger der Uni in Oxford. Er muss dienen, um sich seinen Aufenthalt zu verdienen.

Schon als Junge hat er für die schöne Stieftochter von Apotheker Clark in Grantham Dinge gebastelt, darunter eine faltbare Laterne und jede Menge Sonnenuhren. Als er 1661 nach Cambridge kommt und den Eid ablegt, begeistert er sich schnell für die Lehren eines gewissen Cartesius aus Frankreich: René Descartes‘ Naturphilosophie basiert auf einem mechanistischen Weltbild aus diesseitiger Ursache und Wirkung, in dem eine höhere Macht keinen Platz hat. Das ist ebenso revolutionär – und ketzerisch – wie die Ansicht, die Erde kreise um die Sonne. Newton schert sich deshalb wenig um die veralteten, auf der Antike basierenden Lehrpläne und schließt sein Studium der Naturphilosophie, des Latein usw. 1665 ohne Auszeichnung ab.

Die Pest beraubt 1665 und 1666 England eines großen Teils der Bevölkerung, besonders in den Städten wütet das Virus, das durch Rattenflöhe übertragen wird. Das Große Feuer vom September 1666 zerstört 80% aller Gebäude innerhalb der Stadtmauern. Doch Newton hat sich schon 1665 nach Woolthorpe und Grantham in Sicherheit gebracht. Dort notiert er binnen 18 Monaten seine wichtigsten Gedanken und Erkenntnisse, experimentiert mit Prismen usw. Er begründet die Infinitesimal- bzw. Differentialgleichung, stellt eine Theorie des Lichts (Teilchen) und der Schwerkraft auf. Christian Huygens, einer der größten Wissenschaftler seiner Zeit, widerspricht ihm: Licht besteht aus Wellen. Es dauert fast 250 Jahre, um herauszufinden, dass beide recht haben.

1667 öffnet die Uni Cambridge wieder, nachdem die Pest vorüber ist. Newton arbeitet sich vom Minor zum Major Fellow hoch und macht seinen Magisterabschluss. Statt zu faulenzen wie seine gut bezahlten Kollegen, richtet er ein Labor ein und erzeugt Arzneien nach alchimistischen Prinzipien. Wenigstens glaubt er nicht an Schwarze Magie, wenn auch seine Versuche, aus Blei Gold zu machen scheitern. Er schenkt der Royal Academy of Sciences ein neuartiges Teleskop, das mit Spiegeln statt Linsen arbeitet. Deshalb verzerrt es das Bild nicht, sondern ist viel genauer. Die Academy wählt ihn zum Mitglied. Hier trifft er auf seinen Dauerfeind Robert Hooke, der ihm alles neidet und vorwirft. Mit seinen ketzerischen religiösen Ansichten hält Newton deshalb wohlweislich hinterm Berg.

1682 erscheint der Komet, der später nach Edmund Halley, seinem bekanntesten Erklärer, benannt werden wird. Newton ist Halleys wichtigster Förderer. Newton berechnet die Flugbahn des Kometen und stellt das Universelle Gravitationsgesetz auf, das überall im Kosmos Gültigkeit haben soll. Natürlich attackiert ihn Hooke sofort mit anderen Ansichten.

1687 erscheint Newtons erstes und wichtigstes Buch, die „Principia Mathematica“. Er stellt die drei Newtonschen Gesetze auf, die bis Einstein Gültigkeit haben werden: 1) das Trägheitsgesetz, 2) das Beschleunigungsgesetz und 3) das Gesetz der Wechselwirkung. Die Folgen sind weitreichend: Die Tiden werden ebenso berechenbar wie das Gewicht, das sich je nach Ort von der Masse unterscheidet (auf dem Mond ein Sechstel der Erdschwere).

König James II, der katholische Nachfolger Cromwells, scheitert mit seiner Restauration, auch in Cambridge, und man importiert jetzt die Könige: William von Oranien, also aus den Niederlanden, heiratet Königin Mary. (Später importieren die Briten deutsche Monarchen aus Coburg-Sachsen-Gotha, und die in „Windsors“ umbenannten Deutschen sind ja bekanntlich immer noch auf dem Thron.) Doch nun hat das Parlament das Sagen, und die Monarchie existiert nur noch konstitutionell.

Der König macht den nunmehr in London wohnenden Newton zu seinem Münzwardein, das heißt zum Prüfer der königlichen Münzanstalt. Er deckt zahlreiche Betrügereien auf und macht sich unbeliebt, doch der König macht Falschmünzerei fortan zu einem Kapitalverbrechen. Eine lange Friedenszeit bricht an, die man später das Augusteische Zeitalter nennen wird. Es endet spätestens mit dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763), der eine neue Weltordnung etabliert – und Napoleon Bonaparte den Weg bereitet.

Newton erwirbt höchste Ehren und wird mit Titeln überhäuft. Sobald sein Intimfeind Robert Hooke gestorben ist, wagt er es, sein Buch über die Optik zu veröffentlichen – er ist ja jetzt auch Präsident der Royal Academy. Kritiker und Rivalen wie Leibniz macht er platt. Er hat immer noch nicht geheiratet, aber seine Nichte Catherine Barton führt ihm den Haushalt. Sie hat insgeheim ein Verhältnis zu Newtons Mentor und Gönner Charles Montague, dem Lord von Halifax, und erbt nach dessen Tod ungeheuere Ländereien. Als er am 20.3.1726 alter Zeitrechnung (also 31.3.1727 neuer Zeitrechnung) an einem Blasenstein und Quecksilbervergiftung (wegen der vielen Laborexperimente) stirbt, vererbt er ihr ein Vermögen, das nach heutigem Wert 10 Mio. Euro beträgt.

Die Grabprozession, die ihn in Westminster Abbey zur letzten Ruhe geleitet, ist extrem umfangreich, und, wie wir aus Dan Browns Roman „Sakrileg“ wissen, befand sich der Dichter Alexander Pope in der Menge. In Newtons Grabmal sind ein Prisma, ein Teleskop und eine Karte des Sonnensystems eingelassen. Sein Erbe: ein geordnetes Universum, das von universellen Gesetzen regiert wird. Lang lebe die Mathematik.

_Mein Eindruck_

Das Hörbuch geht leicht verständlich vor, von der Geburt bis zum Tod der Hauptfigur. Da gibt es keine Schnörkel, keine Rückblenden. Und die Musik mit der klassischen Gitarre lädt zum Speichern und Verdauen des soeben Gehörten ein, so dass dies eines der gemütlichsten Hörbücher ist, die ich seit Langem gehört habe. Das Glossar im Booklet liefert dem neugierigen – oder verwirrten – Hörer etliche Erklärungen, so etwa zu Grundbegriffen, Phänomenen und Personen der Zeitgeschichte wie Leibniz. Was kann also schiefgehen? Eigentlich nichts.

Andererseits. Es müsste ja auch ein verborgener Mensch namens Newton existiert haben. Mehr als einmal erwähnt der Erzähler, Newton haben religiöse Ansichten und Überzeugungen besessen, die im Widerspruch zu den akzeptierten Lehren seiner Zeit standen. Seine Mitgliedschaft bei den Freimaurern ist mittlerweile bekannt, wird aber ebenso wenig thematisiert oder erläutert wie seine ketzerischen Ansichten, den Unitarismus. Daran lässt sich ablesen, dass diese „Biographie light“ wirklich nur die Oberfläche kratzt. Man sollte sie eher als Einladung verstehen, sich näher mit diesem Menschen zu beschäftigen.

Gut fand ich hingegen, dass Newtons Epoche nicht unter den Teppich gekehrt, sondern vielmehr zu einem biografischen Faktor gemacht wird. Wenn es die Pest nicht gegeben hätte, wäre er nie aufs Land gereist und hätte dort nie seine „Principia Mathematica“ ausgetüftelt. Wenn es das Great Fire of London anno 1666 gegeben hätten, hätte es keinen Bedarf an Wiederaufbau mit neuen Ideen gegeben. Der große Brand, so wird klar, stellt eine Zäsur zwischen dem mittelalterlichen und dem neuzeitlichen London dar. Es ist Newtons große Chance.

Zu diesen neuen Ideen gehören, wie erwähnt, die drei Newtonschen Gesetze rund um die Universalkraft der Gravitation. Auch mit der Optik hat er sich eingehend befasst, wie detailliert erklärt wird. Dass er sich mit Alchemie beschäftigte, wird erwähnt, aber nicht weiter vertieft. Wie jedoch die Wikipedia deutlich macht, hatten alchimistische Ideen, die Newton aus 370 Büchern schöpfte, beträchtlichen Einfluss auf seine Grundideen der Orbitalmechanik und des Spektrums (was „Erscheinung“ bedeutet). Während er sich öffentlich politisch korrekt gab, betrieb er also insgeheim verbotene Forschungen.

_Die Sprecher_

Mein Eindruck ist naturgemäß eng mit der akustischen Präsentation der Inhalte verbunden. Wir haben es mit einer quasi-szenischen Lesung zu tun, die wie ein Hörspiel daherkäme, wenn es eine dramatische Handlung besäße. So aber bekommen wir eine Vielzahl von Stimmen präsentiert. Da ist zum einen ein Erzähler, der die Einleitung und den Begleittext spricht.

Und schließlich spricht noch Newton himself in der Ich-Perspektive. Das ist für mich der wichtigste Beitrag gewesen, denn hier erfahren wir endlich, wie es bei Newtons so zuging. Diverse Stimmen kommentieren Newton und Ereignisse, und auch Robert Hooke trägt den einen oder anderen – recht komischen – Satz bei. Auch Hochrufe gehören zum Repertoire der Stimmen.

|Geräusche|

Im Gegensatz zum „Einstein“-Hörbuch sind bei „Newton“ kaum irgendwelche Geräusche zu registrieren. Vielleicht wurden sie als störend in den Hintergrund gedrängt. Mal hören wir Newton zeichnen, mal einen Biss in den berühmten Apfel. Applaus brandet bei den beliebten öffentlichen Hinrichtungen auf – ein makabrer Kommentar auf Newtons Epoche.

|Die Musik|

Eine prominente Zutat ist die Musik, die man nicht ohne Weiteres erwarten würde. Der Konzertgitarrist Michael Bentzien spielt Lauten- und Gitarrenstücke aus dem 18. und 19. Jahrhundert: von J. S. Bach, Fernando Sor, Giuseppe Brescianello, Vincenzio Galilei u. a. Die meisten Stücke, die als Pausenfüller oder im Hintergrund gespielt werden, sind ruhig und heiter, manche auch getragen und gravitätisch, wenige flott und dynamisch. Die Gitarre spielt das Intro und das Outro, ist also durchaus wichtig. Eine warme, heitere und abgeklärte Stimmung durchzieht die ganze Lesung.

Ganz am Schluss ist noch der Audiolino-Jingle zu hören. Er klingt wie eine Kadenz auf einem Glockenspiel.

|Das Booklet|

… enthält ein Glossar der wichtigsten Begriffe, von A wie Alchimie bis Z wie Zentripetalkraft. Man erfährt aber auch etwas über kompliziertere Begriffe wie etwa die Refraktion (in Prismen) oder den Halleyschen Kometen, der alle 75,3 Jahre an der Erde vorüberfliegt.

_Unterm Strich_

Die inszenierte Lesung ist für junge Leser gedacht, die an die großen Erfinder und Forscher herangeführt werden sollen. Daher darf man weder umfassende noch tiefschürfende oder gar komplizierte Zusammenhänge erwarten. Immerhin aber ergibt sich aus Newtons Biografie ein oberflächlicher Eindruck: Ein neugieriger Bursche, der durch die klassischen Schriften mit größeren Ideen in Kontakt kommt und klar erkennt, dass er ein öffentliches und ein geheimes Leben führen muss, um Erfolg in beiden haben zu können.

In diesem Licht wirkt die Bestattungszeremonie umso ironischer, denn sie ehrt nur den öffentlichen Menschen Newton, nicht den Ketzer und Alchimisten Newton. Kein Geringerer als John Maynard Keynes, der immerhin ein einflussreiches Wirtschaftsmodell erfand, nannte Newton den „letzten Magier seiner Zeit“ und nicht etwa den ersten Wissenschaftler. Man sollte beide Erscheinungen – Spektren – dieses Forschers zusammensehen, will man ihn ganz verstehen. Zum Glück geht das Hörbuch auch auf seine allzu menschlichen Seiten ein, etwa auf das geckenhafte Auftreten, das Niederhalten von Rivalen und die intensive Imagepflege.

|Das Hörbuch|

Diese inszenierte Lesung lebt vor allem von den Stimmen und der Musik. Die Stimmen präsentieren Newton und seine Landsleute, während die Musik seine Zeit zumindest anklingen lässt. Ob die gespielten Stücke so richtiges Barock sind, wage ich zu bezweifeln, aber sie sind sehr angenehm zu hören – ganz besonders für Gitarristen wie mich. Bach (1685-1750) etwa kommt erst nach Newtons Tod richtig zur Geltung, und Sor (1778-1839) gehört ins 19. Jahrhundert. Brescianello hingegen lebte von ca. 1690 bis 1758, starb in Stuttgart und ist schon eher als Zeitgenosse Newtons zu bezeichnen. Wie auch immer: Die Gitarrenstücke laden zum Verdauen der vielen Fakten aus Newtons Leben und Ideengut ein.

|Audio-CD mit 70:27 Minuten Spieldauer
Originaltitel: Newton e la formula dell‘ antigravità, 2008;
Aus dem Italienischen von Anne Braun
ISBN-13: 978-3867371339|
http://www.audiolino.de