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Mathias Malzieu – Der kleinste Kuss der Welt

„Die Mechanik des Herzens“ war 2012 das erste Buch des Franzosen Mathias Malzieu, das auf Deutsch erschien. Mit der wunderbaren Covergestaltung von Benjamin Lacombe spricht es sofort heimliche Romantiker an, auf die im Inneren des Romans eine im besten Sinne fantastische, metaphorische, ein wenig sentimentale, aber dafür traumhaft schöne Liebesgeschichte wartete.

Dem bleibt Malzieu auch in seinem dritten Buch, „Der kleinste Kuss der Welt“, treu, ohne dass er beim Leser den unangenehmen Eindruck erweckt, immer wieder das gleiche Buch zu schreiben.. Wieder ist das Cover von Benjamin Lacombe, dessen Bilder mit hohem Wiedererkennungswert perfekt zu Malzieus verklärten Geschichten passen. Sowohl der geheimnisvolle Titel als auch das zauberhafte Coverbild machen sofort neugierig auf das Innenleben – und das ist dazu angetan, sofort zu fesseln.
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Malzieu, Mathias – Mechanik des Herzens, Die

Eigentlich ist Mathias Malzieu, Jahrgang 1974, im Hauptberuf Sänger der französischen Band Dionysos. Mit dieser Beschäftigung scheint er jedoch nicht recht ausgelastet zu sein, denn seit gut zehn Jahren versucht er sich auch als Schriftsteller. Erst jetzt ist jedoch sein in Frankreich bereits 2007 erschienener Roman „Die Mechanik des Herzens“ auch in deutscher Sprache verfügbar. Zum Glück, mag man als Leser erleichtert ausrufen, denn schon nach den ersten Seiten wird klar, dass man mit diesem Buch ein echtes Kleinod in den Händen hält. Kaum hat man den Roman ausgelesen, ereilt den Leser auch schon die Hoffnung, dass bald Übersetzungen von Malzieus anderen Werken folgen werden.

_“Die Mechanik des Herzens“_ ist ein schmaler Band, der aber vor Fantasie und bezaubernden Charakteren nur so strotzt. Es ist ein Märchen, das von der (Zerstörungs-)Kraft der Liebe und der Zerbrechlichkeit des menschlichen Herzens erzählt und dabei mit seiner bildreichen und träumerischen Sprache anrührt. Es geht um den kleinen Jack, der in einer eiskalten Nacht als Sohn einer Hure in einer Hütte auf dem Arthur’s Seat in Edinburgh geboren wird. Die Hütte gehört Doktor Madeleine, die als weise Frau und Hebamme fungiert. Die Hure macht sich aus dem Staub und lässt das Kind bei Madeleine zurück. Doch der kleine Jack hat einen Geburtsfehler: Sein Herz mag nicht schlagen und so baut Doktor Madeleine, eine leidenschaftliche Bastlerin, ihm eine Kuckucksuhr ein, die fortan den Takt des Lebens für den Kleinen schlägt. Madeleine wird eine Mutter für Jack und trotz ihres Rates, dass sein Uhrenherz sehr anfällig sei und sofort den Dienst verweigern würde, solle er sich eines Tages verlieben, geschieht natürlich genau das. Schließlich kann man das eigene Herz nicht regieren – auch wenn es eine Kuckucksuhr ist! Als er sich zum ersten Mal nach Edinburgh wagt, trifft er auf Miss Acacia, eine kurzsichtige Flamencotänzerin, die dazu neigt, gegen Türen zu laufen, weil sie nie ihre Brille aufsetzt. Fortan ist es um Jack geschehen und er soll viel Zeit und Geduld aufbringen, um seiner Angebeteten durch ganz Europa zu folgen, um sie schließlich im Extraordinarium – einer Art Rummelplatz und Kuriositätenkabinett – ausfindig zu machen. Um ihr nahe zu sein, heuert er in einer Geisterbahn als Erschrecker an. Zwar ist er in diesem Gewerbe nicht erfolgreich, doch gelingt es ihm, Miss Acacias Herz zu gewinnen. Rauschhaft ergeben sich die beiden ihrer jungen Liebe, doch ist das Glück nur von kurzer Dauer. Und da kommt Doktor Madeleines Rat wieder ins Spiel: „Wenn du dich verliebst, setzt du dein Leben aufs Spiel.“

_Malzieu ist ein_ wunderbares Buch gelungen, das effektiv mit einer eigentlich einfachen Metapher spielt. Denn natürlich ist es nicht nur das Uhrenherz des kleinen Jack, das durch die Liebe in Gefahr gerät. Jedes menschliche Herz ist in Gefahr zu brechen, sollte die Liebe uns ereilen: „Nun, dieser Schmerz ist nichts im Vergleich zu dem, den die Liebe verursacht. Jeden Augenblick der Freude und des Glücks bezahlst du früher oder später mit Schmerz, und je stärker man liebt, desto größer ist der Schmerz“, warnt Doktor Madeleine. Natürlich hat sie recht. Und doch stürzt sich Jack – stürzt sich die ganze Welt – kopfüber in dieses Abenteuer, weil er glaubt, dass die Momente der Liebe die Momente des Schmerzes aufwiegen. Uhrenherz hin oder her … Manch ein Leser mag diesen Kunstkniff gar zu simpel finden, doch gerade das Einfache, fast Kindliche dieser Idee macht die Effektivität aus. Malzieu bleibt seiner Metapher den ganzen Roman durch treu und exerziert sie aufs Genaueste durch – das, gepaart mit der wunderbaren Sprache macht „Die Mechanik des Herzens“ zu einem Buch, in dem einfach alles stimmig ist.

Malzieus feinsinnige und bildreiche Sprache macht den Roman zu einem Fest, einer Geschichte, die man genüsslich auskostet, weil jeder Satz ein Leckerbissen ist. Er platziert seine Charaktere in einer irgendwie realen und doch fantastisch angehauchten Welt. Diese Verfremdung, die eben nicht mehr realistisch, aber doch noch nicht gänzlich fantastisch ist – das macht den besonderen Reiz aus. Zwangsläufig stellt man sich „Die Mechanik des Herzens“ als Tim-Burton-Film vor. Malzieus Roman scheint stark von Burtons Ästhetik beeinflusst zu sein. Dass sich Burton des Stoffes tatsächlich filmisch annimmt, ist allerdings – zunächst – unwahrscheinlich. Die Franzosen haben den Roman selbst verfilmt – mit Malzieu als Regisseur. Man darf gespannt sein!

_“Die Mechanik des Herzens“_ ist ein rundherum wunderbares Buch. Eines, das man liest und wieder liest, das man verschenkt und das man Freunden empfiehlt. Es ist eines dieser wenigen Bücher, bei denen man das unbedingte Bedürfnis verspürt, andere an dem Zauber teilhaben zu haben. Zumindest eines ist gewiss: Die Liebe zu Büchern hat noch keinem Herzen geschadet. Deshalb lautet mein Rat: „Die Mechanik des Herzens“ lesen und träumen!

|Taschenbuch: 194 Seiten
Originaltitel: La Mécanique du Cœur
Übersetzung aus dem Französischen: Sonja Finck
ISBN: 9783570585085|
http://www.carlsbooks.de