Schlagwort-Archive: Diogenes

Eric Ambler – Topkapi

Tragikomisch: Der Duckmäuser unter Schatzräubern

Athen, Saloniki, Istanbul – das sind die Schauplätze, auf denen eine internationale Bande von Gangstern einen beispiellosen Coup plant. Es geht um nichts Geringeres als einen Raub in der absolut einbruchssicheren, mit modernsten Alarmanlagen ausgestatteten Schatzkammer des Palastmuseums Topkapi (https://de.wikipedia.org/wiki/Topkap%C4%B1-Palast) in Istanbul… (Verlagsinfo)

Eric Ambler erhielt für „Topkapi“ den Edgar-Allan-Poe-Preis. Das Buch wurde von Jules Dassin mit Melina Mercouri und Peter Ustinov verfilmt., siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Topkapi_(Film).

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Freeman Wills Crofts – Die Frau im Fass

crofts-frau-im-fass-diogenes-cover-kleinIm Londoner Hafen wird 1912 die Leiche der Annette Boirac in einem Weinfass entdeckt. Inspector Burnley von Scotland Yard nimmt die Spur in Frankreich auf und bringt schließlich mit einem Trick das scheinbar bombensichere Alibi des wahren Täters ins Wanken … – Rätselkrimi aus der guten, ganz alten Zeit; für den heutigen Geschmack verläuft die Geschichte etwas zu mechanisch, weil sie sehr konsequent um den Kriminalfall konstruiert ist.
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W. F. Harvey – Die Bestie mit den fünf Fingern

Harvey W F Bestie Cover 1979 kleinInhalt:

20 englische Gruselgeschichten der Jahre 1910 bis 1933 erzählen von heimgesuchten Häusern u. a. klassischen Spuk, stellen aber auch das menschliche Hirn als Stätte sehr irdischer Bosheit oder Verwirrung ins Zentrum:

Einleitung (von Maurice Richardson), S. 7-22

Das Werkzeug (The Tool, 1928), S. 23-48: An einsamer Stätte findet der Wanderer eine Leiche und verliert das Gedächtnis, wobei sich ihm nach und nach ein tragischer Zusammenhang enthüllt. W. F. Harvey – Die Bestie mit den fünf Fingern weiterlesen

Cyril Hare – Der Tod ist nicht fair

hare tod cover 1994 kleinDas geschieht:

Ein wohlgezielter Schuss in den Schädel reißt der den allseits unbeliebten Geschäfts- und Lebemann Sir Peter Packer aus dem Leben. Er hatte bis dahin für viel Unfrieden gesorgt in seinem kleinen Heimatort, der völlig zu Unrecht den eindrucksvollen Namen Didford Magna trägt, d. h. seine Gattin betrogen und der flatterhaften Dorfschönheit ein Kind angehängt, die Mitbürger durch Hochmut, sein hochfahrendes Wesen und das dünkelhafte Beharren auf überkommene Adelsprivilegien verärgert sowie die Angeltouristen erzürnt, indem er ein Sägewerk direkt am fischreichen Fluss Didder bauen ließ.

Dabei lebt Didford Magna praktisch von seinen Sommergästen, unter denen jene vier Männer, die für besagten Wasserlauf die Fischereirechte gepachtet haben, eine Sonderstellung einnehmen. Es sind fanatische Angler, die schon seit vielen Jahren ihren Urlaub in Didford Magna verbringen und alles anfeinden, was die Fische verscheuchen könnte. In der letzten Zeit sind die Mitglieder der Gruppe mehrfach mit Sir Peter aneinandergeraten, der ihnen den Zugang zum Didder über sein Land untersagt hat. Das Sägewerk mindert die Urlaubsqualitäten des Ortes zusätzlich. Zu allem Überfluss hat sich Jimmy Rendel, das jüngste Mitglied des Angler-Quartetts, unglücklich in die schöne Marian, Sir Peters Gattin, verliebt.

Die Schar der Verdächtigen deshalb kopfstark, als Inspektor Mallett von Scotland Yard die Ermittlungen aufnimmt. Sie nimmt an Zahl sogar noch zu, als dieser nach und nach die Geheimnisse einiger Bürger von Didford Magna aufdeckt. Mallett kommt irgendwann zu dem entmutigenden Schluss, dass sich praktisch jeder Bewohner des Weilers zum Zeitpunkt des Mordes in der Nähe des Tatorts aufgehalten hat. Dennoch ist die Aufklärung der Untat eine echte Überraschung, denn mit diesem Mörder konnte wirklich niemand rechnen …

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Raymond Chandler – Playback

Verschwundene Leichen, gedungene Killer, gefährliche Frauen

Privatdetektiv Philip Marlowe bekommt den Auftrag, eine junge Frau zu beschatten. Betty Mayfield fährt mit dem Zug von L. A. nach San Diego und mit dem Taxi weiter an die Küste. Anscheinend wird sie von einem gewissen Larry Mitchell, der ihr das Hotelzimmer reservierte, erpresst.

Doch nach einer heftigen Auseinandersetzung mit den beiden erwacht Marlowe mit brummendem Schädel, nur um von einem zweiten schrägen Vogel gefragt zu werden, was hier eigentlich gespielt wird. Das wüsste Marlowe allzu gern selbst, nicht zuletzt, weil er sich in die rothaarige Schönheit verliebt hat…

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Cyril Hare – Mord made in England

Hare Mord England Cover Diogenes kleinDas geschieht:

Dieses Weihnachtsfest wird das letzte sein, das die Familie Warbeck mit ihren Freunden in Warbeck Hall verbringen wird. Der einsam gelegene Stammsitz in der englischen Grafschaft Markshire wird nach dem Tod des siechen Lord Warbeck nicht mehr zu halten sein. Steuern und Unterhaltskosten machen ihm den Garaus. Pikanterweise ist der älteste Vetter des Lords mitverantwortlich für den Untergang. Sir Julius Warbeck gehört als Schatzkanzler (= Finanzminister) der Regierung an, die dem Hochadel finanziell die Daumenschrauben ansetzt. Der alte Lord ist Realist und nimmt ihm das nicht übel. Sohn Robert denkt anders. Er ist ein Taugenichts, der sich als „Führer“ der obskuren „Liga für Freiheit und Recht“ einen Namen zu machen sucht.

Ebenfalls unter den Gästen: Lady Camilla Prendergast, die eigentlich mit Robert verlobt ist, aber schon seit längerer Zeit unter fadenscheinigen Vorwänden hingehalten wird und nun dem Treulosen die Pistole auf die Brust setzen will. Mrs. Carstairs hat es auf Sir Julius abgesehen, denn ihr tüchtiger Gatte würde ihn gar zu gern in Pension sehen, um selbst den Ministerposten zu übernehmen. Hinter den Kulissen von Warbeck Hall wirkt seit Jahrzehnten diskret Butler Briggs, der ebenfalls ein ernstes Wort mit Robert reden will; da geht es um sein Töchterlein Susan, auf das offenbar nicht nur Roberts wohlwollendes Auge gefallen ist. Cyril Hare – Mord made in England weiterlesen

Cyril Hare – Selbstmord ausgeschlossen

Hare Selbstmord ausgeschlossen Cover Diogenes kleinDas geschieht:

Als der alte Leonard Dickinson sein Leben aufgrund einer allzu großzügig bemessenen Schlafmittel-Dosis im ländlich ruhigen Pendlebury Old Hall Hotel aushaucht, ist als Urlaubsgast und Zeuge zufällig Inspektor Mallet von Scotland Yard vor Ort. Er hatte Dickinson am Vorabend als schwermütigen Mann kennengelernt, was er auch zu Protokoll gibt. Da es keine verdächtigen Indizien gibt, wird der Fall als Selbstmord zu den Akten genommen.

Diese Nachricht sorgt bei den Hinterbliebenen für Aufregung. Gattin Eleanor, Sohn Stephen und Tochter Anne sind für ihren Lebensunterhalt auf das Erbe angewiesen. Leonard hinterließ zwar eine Lebensversicherung in Höhe von 25.000 Pfund, die jedoch bei Selbstmord des Versicherten nicht ausgezahlt wird.

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Nicholas Blake – Ende des Kapitels

Eine Manuskriptfälschung wird zum Mordfall; ein Ermittler fahndet inkognito hinter den Kulissen eines Verlagshauses und stößt auf eine teuflisch geschickt eingefädelte Rache-Intrige … – Klassischer Krimi mit doppelt und dreifach vertracktem Plot und erstaunlich scharf gezeichneten Figuren; nicht genretypisch skurril, sondern durchaus realistisch und vor allem im Finale überraschungsstark sowie überaus spannend.
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W. R. Burnett – Little Caesar

Burnett Little Caesar Diogenes Cover kleinIm Chicago des Jahres 1929 macht Nachwuchs-Gangster Rico eine steile Karriere, bis ihn sein Ehrgeiz und seine egoistische Skrupellosigkeit zu Fall bringen … – Die Romanvorlage zum Filmklassiker von 1931 bietet einen nicht nur spannenden, sondern auch psychologisch klaren Blick hinter die Kulissen der Gangsterwelt der Al Capones dieser Ära; die Sprache ist einfach und direkt, die Handlung fesselnd: „Little Caesar“ ist eines jener Werke, die der Krimi-Freund gelesen haben sollte.
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Guy Cullingford – Der Zauberer von Soho

cullingford-zauberer-coverDie Empfangsdame eines maroden Hotels in London verdächtigt einen Gast des Frauenmordes. Damit steht sie allein, zumal der mutmaßliche Mörder ein fähiger Bühnenmagier ist, der sich mit diversen Tricks aus der Affäre zu ziehen versucht … – Ein Krimi aus der „guten, alten Zeit“, betulich geschrieben und fast zu komplex geplottet, aber unwiderstehlich nostalgisch mit trockenem Witz und exzentrischen Figuren: ein Klassiker eben, der mühelos die Zeitläufe übersteht.
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Cyril Hare – Mit einer Nadel bloß

Hare Nadel Cover kleinDas geschieht:

In diesen Tagen des II. Weltkriegs möchte auch Anwalt Francis Pettigrew seinen Beitrag im Kampf gegen die Nazis leisten. Da er für den Frontdienst denkbar ungeeignet ist, versetzt man ihn in eine Behörde, die Herstellung und Verkauf eines äußerst kriegswichtigen Produktes kontrolliert: die britische Nadel.

Pettigrew wird nach Marsett Bay in einen abgelegenen Winkel der englischen Provinz versetzt, wo in dem ungemütlichen Schloss eines lange verstorbenen Landadligen eine Handvoll verschrobener Männer und Frauen der oben erwähnten Aufgabe nachgeht. Nach Feierabend trifft man sich in einer wenig gastlichen Pension wieder. Die Langeweile regiert, sodass die lebenslustige Witwe Hopkinson mit einem aufregend unanständigen Vorschlag aufwartet: Der Kollege Wood entpuppte sich als Verfasser leidlich bekannter Kriminalromane. Nun soll er eine Geschichte erfinden, in der seine Mitarbeiter als Opfer, Täter und Zeugen auftreten. Als Mörderin wird ausgerechnet die ältliche, psychisch labile Sekretärin Honoria Danville auserkoren. Cyril Hare – Mit einer Nadel bloß weiterlesen

John Buchan- Grünmantel

Das geschieht:

Im Jahr 1916 liefern sich die europäischen Großmächte auf dem Kontinent einen erbitterten Grabenkrieg. Noch ist nichts entschieden, die Deutschen halten buchstäblich ihre Stellungen. Dennoch suchen Kaiser Wilhelms Strategen nach einer Möglichkeit, vor allem die britischen Truppen der Front fernzuhalten. Im fernen Osmanischen Reich – der späteren Türkei – wird den islamischen Stämmen der Region die Ankunft eines ‚Propheten‘ vorgegaukelt, der sie zum „Heiligen Krieg“ gegen die „Ungläubigen“ aufrufen und durch Persien gen Indien schicken soll. Das Kronjuwel des britischen Empire müssten die Briten auf jeden Fall verteidigen.

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Jonathan Latimer – Rote Gardenien

Das geschieht:

Ein neuer Fall für William Crane, der in der Detektivagentur des knurrigen Colonel Black arbeitet. Der Industriemagnat Simeon March will den mysteriösen Tod seines Sohnes aufgeklärt wissen. John March wurde tot in der Garage gefunden, erstickt an den Abgasen seines Wagens, den er angeblich reparieren wollte. Leichtsinn, meint die Polizei, die nicht irritiert, das auch Johns Cousin Richard einem ähnlichen ‚Unfall‘ zum Opfer fiel.

Simeon March scheut den Skandal, den ein Mord in der Familie bedeuten würde. Er verdächtigt Carmel, seine Schwiegertochter, die mit John keine gute Ehe geführt hat. Auch mit Richard war sie sehr vertraut, und jetzt zieht sie die Aufmerksamkeit von Peter, dem jüngeren March-Sohn, auf sich. Zu denken gibt March sr. auch, dass über den Leichen von Richard und John deutlich der Duft von Gardenien schwebte, die in Carmels Lieblingsparfüm reichlich Verwendung finden. Jonathan Latimer – Rote Gardenien weiterlesen

Irving, John – Bis ich dich finde

Nach dem für Irvingsche Verhältnisse recht dünn geratenen Buch „Die vierte Hand“ ist Anfang des Jahres der elfte Roman des amerikanischen Erfolgsschriftstellers in deutscher Übersetzung erschienen. Zumindest äußerlich wird es seine Fangemeinde erfreuen, denn es ist mit 1140 Seiten mal wieder ein richtiger Wälzer geworden. Doch ist das Lesevergnügen ebenso groß, wie der Einband dies verheißt?

_Wovon es handelt_

Im Mittelpunkt des Romans steht die Geschichte des Schauspielers Jack Burns von seiner Geburt in den Sechzigern bis ins Jahr 2003.

Typisch für Irving, dass die Kindheit seines Helden weit mehr Raum einnimmt, als es üblicherweise der Fall ist, knapp die Hälfte des Romans beschäftigt sich mit Burns‘ Jugendjahren.

Mit ihrem vierjährigen Sohn und diversen Tätowierutensilien macht sich Jacks Mutter Alice auf eine ausgedehnte Europareise, um Jacks Vater und ihre Jugendliebe, den Kirchenorganisten Williams Burns, ausfindig zu machen. Alice ist Tätowiererin und heuert in nahezu allen Studios in europäischen Hafenstädten an: Amsterdam, Kopenhagen, Hamburg, Helsinki. Denn William ist ein „Tintensüchtiger“, einer, der sich von Kopf bis Fuß tätowieren lässt, bis sein ganzer Körper wie ein einziges Notenblatt aussieht. Doch wo immer die beiden auch ankommen, heißt es, William sei bereits wieder abgereist. Die Suche bleibt erfolglos und die beiden kehren ins heimische Toronto zurück, wo Jack bald eingeschult werden soll und Alice sich als Tätowiererin niederlässt.

Die nächste Station in Jacks Leben ist die Mädchenschule St. Hilda, die seit kurzem auch Jungs aufnimmt, wenn auch nur sehr wenige. Er findet sich wieder in einem „Meer von Mädchen“ und dort ist er keineswegs so sicher, wie ihn seine Mutter glaubt. Schon nach kurzer Zeit findet er sich von einer Clique älterer Mädchen umringt, die seine sehr langsam erwachende Sexualität im Auge behalten. Seine kindliche Unschuld verliert Jack noch im Grundschulalter, ausgerechnet in einem Selbstverteidigungskurs an die kräftig gebaute Mrs. Machado. Doch auch seine viel ältere „Sandkastenfreundin“ Emma zeigt frühzeitig Interesse an Jacks Penis, macht ihn zum Hauptinteresse des Jungen in einem Alter, in dem er normalerweise noch keine allzu große Rolle spielt.

„Mr. Penis“ steht hier auf eine Weise im Mittelpunkt, die für den Leser die Grenzen des Erträglichen zuweilen überschreitet. Damit meine ich nicht Pornographie, davon ist Irving zum Glück meilenweit entfernt. Viel schockierender ist die Perspektive eines Kindes, welches nicht begreift, dass es sich um sexuellen Missbrauch handelt. Eine Perspektive, welche die widerstrebenden Gefühle dabei schildert, und zwar nicht nur die negativen. Natürlich entbehrt diese sehr tragische Situation auch nicht einer gewissen Komik, zum Beispiel dann, wenn die älteren Mädchen Jack nötigen, ein Mädchen mit Zahnspange zu küssen, was zu Verletzungen führt. Die liebenswert-schrullige Emma weist Jack daraufhin zurecht: „Was machst du da, Zuckerbär? […] Sie haben ihre Lippe mit vier Stichen genäht! Da haben wir ja einen ganzen Berg Hausaufgaben vor uns. Du kannst doch ein Mädchen nicht so küssen, als wäre es ein Steak!“
Zugleich macht Jack in St. Hilda erste zweifelhafte Erfahrungen mit Religiosität und wird von seiner verehrten Lehrerin Caroline als Schauspieler entdeckt – in Frauenrollen.

Dass Jacks Jugend und sein Eintritt ins Erwachsenenalter nicht eben komplikationslos verlaufen, ahnen wir schon. Aus dem „Meer von Mädchen“ gerade entstiegen, schickt ihn seine Mutter auf ein Jungeninternat, wo er Ringen lernt und ein paar andere Dinge fürs Leben; er vermisst jedoch dort gelegentlich „sein früheres Leben als missbrauchtes Kind“. Diese Sehnsucht nach sexuellen Aktivitäten dauert nicht lange an. Scheinbar magisch fühlen sich ältere Frauen von dem gut aussehenden Teenager angezogen – und umgekehrt. Zugleich tut sich der Junge schwer mit gleichaltrigen Mädchen – der in ihren Anfängen gescheiterten Beziehungen mit der geradezu perfekten Michele Maher jedenfalls trauert er noch lange hinterher.

Als junger Erwachsener und Student verfestigt sich Jacks nicht ganz platonische Freundschaft zur immer noch ziemlich eigenwilligen Emma. Jack feiert als Travestiestar erste Erfolge, während Emma als Romanschriftstellerin weitaus berühmter wird. Doch Emma stirbt früh, ebenso wie Jacks Mutter.

Nach dem Tod der beiden Menschen, die ihm am meisten bedeutet haben, macht sich Jack auf die Suche nach seiner Vergangenheit – und nicht zuletzt auf die Suche nach seinem Vater. Und stellt fest, dass seine Erinnerung nicht immer das war, wofür er sie gehalten hat, und dass seine Mutter daran nicht ganz unschuldig war – um es einmal milde auszudrücken und den eigentlichen Wendepunkt des Romans nicht vorwegzunehmen.

_Die Rose von Jericho_

Eine Rose von Jericho ist im Tätowierer-Jargon eine Rose, die erst bei genauem Hinsehen zwischen den Blütenblättern ihr Geheimnis offenbart: Eine weibliche Vulva, die nur demjenigen auffällt, der danach sucht. Jacks Mutter beherrscht diese Kunst geradezu perfekt, und obwohl Jack schon als kleiner Jack gelernt hat, wie eine Rose von Jericho aussieht, muss er später feststellen, dass jede Vulva einzigartig und nicht vergleichbar ist.

Auch die Geschichte dieses Romans birgt eine weitere Geschichte in sich, so wie eine Rose von Jericho. Die eine Seite der Geschichte kennt Jack in- und auswendig, aus seiner trügerischen Erinnerung und dem, was seine Mutter erzählt hat, seit er denken kann. Die andere Seite der Geschichte erfährt der erwachsene Jack, als er die Stationen seiner Europareise noch einmal abklappert. Dazwischen bleibt trotz der detailreichen Schilderung noch Platz für die eigene Phantasie des Lesers. Für Mutmaßungen und Spekulationen. Ganz klar, John Irving gehört zu den ganz großen zeitgenössischen Geschichtenerzählern und stellt hier seine Kunst erneut eindrucksvoll unter Beweis.

Ein paar Widerhaken hat das Buch trotzdem, vielleicht sogar ein paar Längen. Angeblich hofft ein wahrer Irving-Fan laut Verlagswerbung, das Buch möge niemals zu Ende gehen. Ich muss gestehen, manchmal habe ich das Gegenteil gehofft. Manchmal gerät das ausufernd Fabulierende eben doch einen Tick zu langatmig, stellenweise wiederholt er sich gar. Ganz abgesehen davon, dass die für seine Romane typische Kombination aus Sex, Ringen und Identitätssuche so manchem Irving-Leser ohnehin bekannt vorkommen dürfte.

Manchmal berührt sie einen einfach nicht genug, die Geschichte des Schauspielers, der darunter leidet, dass ihn eigentlich nichts so richtig berührt. Die eindrucksvollsten und auch witzigsten Szenen finden rund um die beiden Beerdigungen statt. Bei denen war ich voll und ganz im literarischen Irving-Taumel, war begeistert, lachte, weinte, fühlte mit. Witzig und berührend zugleich, wie die Rockerfreunde von Jacks Mutter Alice deren Beerdigung in der Kapelle der Mädchenschule durcheinander bringen. Außerdem ist es einfach eine tolle Idee, Jack dieselbe Geschichte gewissermaßen zweimal durchleben zu lassen. Genial, wie er im ersten Teil die Köder dafür auslegt, wir ihm auf den Leim gehen und schließlich … nein, das verrate ich natürlich nicht. Nur so viel: Dafür haben sich dann auch die seitenlangen … ähm … Ergüsse über Jacks Penis gelohnt.

Angeblich ist „Bis ich dich finde“ Irvings persönlichster Roman. Irving selbst hat seinen Vater nie kennen gelernt und als Erwachsener noch Kontakt zu seinen Halbgeschwistern aufgenommen. Somit ist die Vatersuche als Sinnsuche ein Thema, mit dem sich der Autor intensiv auseinander gesetzt haben wird. Kann sein, dass er in seiner literarischen Verarbeitung ein klein wenig zu sentimental wird.

Dennoch ist und bleibt Irving natürlich ein fantastischer Geschichtenerzähler, dem man gern und meistens atemlos lauscht. Immer wieder.

Taschenbuch ‏ : ‎ 1152 Seiten

Dennis Lehane – Shutter Island

Lehane shutter island cover 2015 kleinAus einer abgeschiedenen Anstalt für wahnsinnige Straftäter ist eine Patientin verschwunden. Zwei US-Marshalls ermitteln vor Ort und kommen geheimen Menschenversuchen auf die Spur. Die Verantwortlichen bemühen sich daraufhin, die unerwünschten Zeugen auszuschalten … – Spannender Psycho-Thriller, in dem nichts und niemand ist, wie es und wer er scheint. Die Auflösung ist der Vorgeschichte wie so oft nicht gewachsen, was jedoch das Vergnügen an diesem gut erzählten Garn nur geringfügig schmälert.
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Jonathan Latimer – Der enthauptete Großonkel

latimer großonkel cover kleinEin alter, reicher Mann ruft die ungeliebte Verwandtschaft in sein einsames Heim. Bevor er diese über den Inhalt seines neuen Testaments in Kenntnis setzen kann, wird ihm der Kopf abgeschlagen. Die Sippe fahndet nach dem Erbe und setzt dabei grobe Mittel ein … – Die uralte Geschichte vom Mord im isolierten Haus wird mit Spannung und Schwarzhumor erzählt, bis mit des Onkels Schädel auch die reizvoll verwickelte Lösung gefunden wird: ein betagter aber putzmunterer Krimi-Klassiker.
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Shirley Jackson – Spuk in Hill House

Ein Forscher will das Rätsel des Hill House-Anwesens lüften, in dem es umgeht. Mit zwei parapsychisch begabten Begleitern zieht er ein. Unter ihnen: eine seelisch gestörte junge Frau, die sich als idealer Katalysator für das Grauen des Hauses erweist und einen wahren Totentanz des Schreckens entfesselt … – Ein Klassiker des phantastischen Genres und einer der besten Romane um Spuk und Besessenheit. Die Autorin entwirft mit infamem Geschick eine Atmosphäre der Unsicherheit: Spukt es wirklich in Hill House, oder wird das Unheimliche ‚importiert‘? Auch sprachlich weit über dem üblichen Geisterschmarrn.
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