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Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Sieper, Marc / Hank, Dickky / Weigelt, Thomas – Fall Valdemar, Der (Poe #24)

_Jack Sparrow lässt grüßen!_

Die Reihe bringt unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten Poe zu Gehör.

Ein geheimnisvoller Schlafwandler kommt Poe und Leonie auf der Seucheninsel zu Hilfe. Doch Dr. Baker besitzt mehr Macht, als sie beide wissen können. Das geplante Tauschgeschäft wird für Poe zum Albtraum.

Ulrich Pleitgen und Iris Berben haben auch an den ersten 23 Hörbüchern der Serie mitgewirkt:

#1: Die Grube und das Pendel
#2: Die schwarze Katze
#3: Der Untergang des Hauses Usher
#4: Die Maske des roten Todes
#5: Sturz in den Mahlstrom
#6: Der Goldkäfer
#7: Die Morde in der Rue Morgue
#8: Lebendig begraben
#9: Hopp-Frosch
#10: Das ovale Portrait
#11: Der entwendete Brief
#12: Eleonora
#13: Schweigen
#14: Die längliche Kiste
#15: Du hast’s getan
#16: Das Fass Amontillado
#17: Das verräterische Herz
#18: Gespräch mit einer Mumie
#19: Die Sphinx
#20: Scheherazades 1002. Erzählung (auch: Die 1002. Erzählung)
#21: Schatten (ursprünglicher Titel: Die Scheintoten)
#22: Berenice
#23: König Pest
#24: Der Fall Valdemar
#25: Metzengerstein

Nächste Staffel (02/2008):
#26: Der Kopf des Teufels
#27: Der Mann in der Menge
#28: Die Flaschenpost
#29: Landor’s Landhaus

Das Taschenbuch ist unter dem Titel [„Lebendig begraben“]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3404156757/powermetalde-21 bei |Bastei Lübbe| erschienen.

_Der Autor_

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia, auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Shortstory. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten.

_Die Inszenierung_

Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon mehrere Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. In der POE-Reihe interpretiert er den Edgar Allan Poe und andere Figuren.

Iris Berben gehört zu den bekanntesten und profiliertesten Schauspielerinnen hierzulande. Ihr Repertoire umfasst Krimis („Rosa Roth“) ebenso wie Komödien und klassische Werke. Für ihre Leistungen wurde sie u. a. mit dem Bambi und mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet. In der POE-Serie interpretiert sie die weibliche Hauptrolle Leonie Goron und andere Figuren.

Kapitän Hardy: Jürgen Wolters
Pater O’Neill: Jaecki Schwarz
Anna Rogêt: Clara Nicolai
George Appo: Gerald Schaale (Andy ‚Lorne‘ Hallett in „Angel“, Matt Craven)
Rick Ellis: Tilo Schmitz (Ving Rhames, Michael Clarke Duncan)
Edward Bunting: Hasso Zorn (David Kelly)

Der deutsche Prolog wird von Heinz Rudolf Kunze vorgetragen, der englische von Laurie Randolph, die Ansage erledigt André Sander. Die deutsche Hörspielfassung stammt von Melchior Hala nach einer Idee von Marc Sieper, Dickky Hank und Thomas Weigelt. Für Regie, Musik und Ton waren Christian Hagitte und Simon Bertling vom |STIL|-Studio verantwortlich.

|Das Booklet|

Jede CD enthält ein achtseitiges schwarz gehaltenes Booklet. Eingangs gibt es einen mittlerweile recht umfangreichen Abriss der Vorgeschichte der Episode. Kleine Biografien stellen die beiden Hauptsprecher Ulrich Pleitgen und Iris Berben vor. Die mittlere Doppelseite zeigt alle bislang veröffentlichten CDs. Danach folgt eine Seite, die sämtliche Credits auflistet. Die vorletzte Seite wirbt für das Hörbuch [„Edgar Allan Poe: Visionen“, 2554 das ich empfehlen kann. Die letzte Seite gibt das Zitat aus E. A. Poes Werk wieder, das am Anfang einer jeden Episode – jeweils abgewandelt – zu hören ist.

_Vorgeschichte_

Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert und mittlerweile entlassen wurde. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Schon zwanzig Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Alpträumen. Nach einem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führt. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe nicht von Alpträumen nicht verschont. Doch er findet etwas über seine und Leonies Vergangenheit heraus und welche finstere Rolle Dr. Templeton als Francis Baker darin spielt. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe nicht von Alpträumen nicht verschont. Doch er findet etwas über seine und Leonies Vergangenheit heraus und welche finstere Rolle Dr. Templeton darin spielt.

Am Anfang rekapituliert Poe sehr knapp die unmittelbare Vorgeschichte. Das erleichtert den Einstieg in die Serie ein wenig, aber nur minimal. Daher noch ein wenig mehr Inhaltsangabe:

|Episode 21:|

Kapitän Hardy, der süffelnde Kommandant des untergegangenen Segelschiffs „Independence“, hat Poe geraten, sich vor seinem unsichtbaren Verfolger ein gutes Versteck zu suchen. Wie wär’s mit dem Totenschiff der Armen, das im nördlichen Hafen New Yorks vor Anker liegt? Die „Rachel“ durchsucht bestimmt keiner. Gesagt, getan.

Allerdings macht dieser abgetakelte Segler keinen besonders vertrauenerweckenden Eindruck. Der einzige Lebende an Bord ist der alte Ismael. Als Poe ihm zwei Flaschen guten Whiskys in die Hand drückt, ist er überredet: Poe darf frei logieren. Ismael warnt ihn aber vor den Ratten, die recht groß werden können. Und eine der Türen sei für ihn verboten, da habe er keinen Zutritt. Alles klar? Alles klar.

Ismael geht von Bord, denn er wolle einen Freund besuchen. Auf Blackwell Island (dort liegt Dr. Bakers Klinik!) sei die Cholera ausgebrochen, und schon bald werde es die ersten Leichen abzuholen geben. Wenig später kommt Leonie Goron an Bord. Zusammen machen sie hinter der verbotenen Tür eine grausige Entdeckung.

|Episode 22:|

Leonie und Poe gelangen durch die Hilfe von George Appo, Kapitän Hardy und den Wirt Rick Ellis auf Blackwells Insel, die im East River liegt. Ihre erste Begegnung mit Pater Bunting ist kurz, denn er stirbt schon bald an der Seuche, die hier grassiert …

|Episode 23:|

Der Besuch im Asyl führt beinahe dazu, dass Poe durch Elektroschocks sein Gedächtnis verliert. Nur das beherzte Eingreifen Leonies rettet ihn, doch sie müssen in das Dorf der an der Seuche Erkrankten fliehen, wo nur König Pest herrscht. Und ihm entkommt man nur als Leiche, oder?

_Handlung von Episode 24_

Poe hat drei Tage Zeit, um in New York das Gegenmittel für die Seuche zu beschaffen, die Leonies Leben bedroht. Sie hat bereits mit dem Leben abgeschlossen, als ein Herr Valdemar auftritt und Poe einen kühnen Plan vorschlägt. Er selbst sei gegen die Seuche bereits immunisiert und wolle den Experimenten Dr. Bakers entkommen. Baker behandle seine, Valdemars, somnambule Anfälle, aber auf so grausame Weise, dass Valdemar ihm entkommen will.

Am Abend haben sie genügend Treibgut zusammengetragen, um ein behelfsmäßiges Floß zu basteln. Damit wollen sie sich an den Patrouillenbooten vorbeischmuggeln, die den Weg nach New York blockieren. Ein Feuer im Seuchendorf lenkt die Wärter wie auch König Pest von ihrer Abfahrt ab. Auf das Floß haben sie Leonie gebunden.

Kurz bevor sie die Kräfte verlassen, greift ein Fischerboot sie auf. Kapitän Starling ist stolz auf seine Abstammung von einem gewissen Jack Sparrow, seines Zeichens Pirat. Doch er will das Boot keineswegs zum Hafen lenken, sondern ist auf dem Weg zu Fischgründen. Poes Hoffnung schwindet völlig, das Gegenmittel binnen drei Tagen zu beschaffen. Doch in der Nacht wendet sich das Blatt …

Poe träumt von einer blutigen Mörderhand und glaubt, an Deck Geräusche, Rufe und Schreie zu vernehmen. Das Kribbeln in seinem Kopf ist heftig, eine geistige Verbindung ist hergestellt worden. Als sie endet, geht Poe am nächsten Morgen an Deck. Er macht eine grausige Entdeckung.

_Mein Eindruck_

Was für ein blutige Episode! Zum Glück erlebt Poe das Gemetzel nur durch die undeutliche Vermittlung der telepathischen Verbindung, die er ab und zu mit dem mysteriösen Anstaltinsassen hat. Als er an Deck geht, ist das wahre Ausmaß der empfangenen Szenen zu besichtigen: Das Blutbad ist nicht nur umfassend, sondern auch noch höchst real!

Erstaunlich ist die Gemütsruhe, zu der Poe wenig später zurückfindet, müsste ihm doch sein neuer Mitpassagier höchst unheimlich vorkommen. Die bewusstlose Leonie hat von alldem nichts mitbekommen, was wohl ganz gut ist. Sie wird nach einem actionreichen Gefecht auf der New-Jersey-Seite des Hudson River ins Krankenhaus nach New York gebracht. Bei diesem Gefecht hatte ich den Eindruck, dass die Macher der Hörspielreihe „Geisterjäger John Sinclair“ ihren Einfluss schon seit geraumer Zeit geltend machen: Die Action ist von realistischen Geräuschen begleitet, die das Geschehen noch eindrücklicher wirken lassen. Zwar spritzt nicht allenthalben das Blut wie bei Sinclair, aber Schläge werden durchaus freigiebig ausgeteilt.

Wie verhält es sich nun mit dem „Fall Valdemar“? Viel ist von der originalen Poe-Erzählung nicht übrig geblieben, bis auf den horriblen Schlusseffekt jener Story: Mr. Valdemars Körper zerfällt zu Staub. Der Arzt erklärt, es habe sich bei ihm nur um eine „Scheinlebendigkeit“ gehandelt, das Gegenstück zum „Scheintod“, und Valdemar wurde nur durch den Willen aufrecht und am Leben erhalten. Wie so vieles bei Poe kann man das glauben oder auch nicht.

Auch in diese Folge haben die Macher wieder einen Insider-Witz eingebaut, vielleicht um zu testen, ob die Rezensenten die Folge überhaupt ganz angehört haben. Wie auch immer es sich damit verhält, so dürfte doch wohl jedem Hörer auffallen, dass die Rede von einem gewissen Jack Sparrow ist, der seines Zeichens als Pirat die Karibik unsicher gemacht habe. Kapitän Starling ist zum Glück nicht verwandt mit Clarice Starling aus [„Das Schweigen der Lämmer“, 354 aber wenn man das Blutbad berücksichtigt, dann sind Hannibal Lecters „Heldentaten“ und diese Poe-Folge nicht weit voneinander entfernt.

_Die Inszenierung_

|Musik und Geräusche|

Der Sound liegt im Format PCM-Stereo vor, wie mir mein DVD-Spieler angezeigt hat, und klingt glasklar. Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt.

Die Geräuschkulissen sind entsprechend lebensecht und detailliert gestaltet. Wie schon durch den Hinweis auf „Geisterjäger John Sinclair“ klar sein dürfte, umfasst die actionbasierte Geräuschkulisse recht häufig Schlagen, Schreien, Rufen, Gurgeln, Lachen und Dröhnen. Flammen prasseln, Pferde wiehern, Wasser zischt – das volle Programm. Wenn alle Schreie wieder verklungen sind, erklingen wieder Glocken, wie in fast jeder Episode.

Auf die Dreidimensionalität wurde stärker geachtet: Stimmen von links und rechts, in der Ferne (leiser) und im Vordergrund (lauter), ja sogar innerer Monolog (spezielle Musikuntermalung mit ausgeblendeten Geräuschen) vermitteln den Eindruck einer Welt, in der sich ein Betrachter wie im Zentrum des Geschehens fühlen könnte.

Die Musik hat die Aufgabe, die emotionale Lage der zwei Hauptfiguren und ihres jeweiligen Ambientes darzustellen. Die Musik rückt diesmal eher in den Hintergrund, wie mir scheint, denn die Geräusche, die von der Action verursacht werden, verdrängen sie fast. Dennoch gibt es natürlich Musikeinlagen, um die Szenen voneinander abzutrennen sowie für Einleitung und Ausklang.

Ein Streichquartett, Musiker des Filmorchesters Berlin sowie die Potsdamer Kantorei an der Erlöserkirche wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen. Das Booklet führt die einzelnen Teilnehmer detailliert auf, so dass sich niemand übergangen zu fühlen braucht.

|Der Song|

|Edgar Allan’s Project|s „Ich bin nicht wahnsinnig“ ist ein Remix aus der Hörspielserie mit Originalauszügen und angereichert mit der Musik, die das Berliner Filmorchester für Visionen und auch für die Hörspielserie eingespielt hat. Produziert von Simon Bertling und Christian Hagitte (|STIL|).

Den Anfang macht ein gewohnt schauerliches Zitat, wie es jedem der Poe-Hörspiele vorangestellt ist: „Ich bin nicht wahnsinnig“. Weitere Zitate stammen aus „Die Grube und das Pendel“ sowie aus „Das Haus Usher“. Die Instrumentierung ist wie gehabt: Drums, Bass und – sehr dezent – Orchester. Die Sprecher sind schwer zu identifizieren, aber es könnte sich um die Originalsprecher der Hörspiele handeln, nur etwas verzerrt.

_Unterm Strich_

Diese Episode zerfällt ebenfalls in zwei Hälften und beide gipfeln in Actionszenen. Mich hat das Maß der Gewalt überrascht, das hier gezeigt wird. Diese Folge hat nichts mehr mit dem melancholisch-grüblerischen Ton der ersten Folgen zu tun, sondern folgt einem Ziel, das der Hörer schon frühzeitig erkennen kann. Damit das Gegenmittel Leonie retten kann, muss sie ins Krankenhaus, egal wie. Ein schauerliche Pointe liefert das Ende – Tod kann man es wohl kaum nennen – von Mr. Valdemar. Poe hat ihn kaum gekannt, aber das war vielleicht ganz gut so. Und weil Poe auch Leonie für verloren hält, endet die Folge wieder mal mit einem Cliffhanger.

Der Erfolg hat der Poe-Hörspielreihe zu langer Laufzeit verholfen. Würde der Erfolg fehlen, wäre sie schon längst abgebrochen worden, wie es unlängst der VAMPIRA-Reihe wiederfahren ist, die |Lübbe Audio| nach inoffiziellen Informationen nicht mehr weiterführen will. Der hohe Produktionswert der Poe-Reihe wird vor allem vom |STIL|-Studio gewährleistet, das für einwandfreie Musik- und Geräuschuntermalung sorgt. Hoffentlich bleibt das auch so.

|Basierend auf: The facts in the case of M. Valdemar, 1845
53 Minuten auf 1 CD|
http://www.poe.phantastische-hoerspiele.de
http://www.luebbe-audio.de

Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Sieper, Marc / Hank, Dickky / Weigelt, Thomas – schwarze Katze, Die (POE #2)

Diese CD ist die gelungene Fortsetzung für die Hörspielserie, in der |Lübbe| vier Erzählungen von E. A. Poe verarbeitet hat. Diesen Herbst wurde die Poe-Reihe mit vier weiteren Produktionen fortgesetzt.

|Der Autor|

Edgar Allan Poe (gestorben 1849) gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, Horrorstory, Science-Fiction, Short-Story. Er gab verschiedene Zeitschriften heraus, veröffentlichte aber nur wenige eigene Werke in Buchform, sondern sah seine Geschichten und Gedichte lieber in Zeitschriften gedruckt. Er starb im Alkoholdelirium. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas.

Mehr über den Autor bei [wikipedia.]http://de.wikipedia.org/wiki/Edgar__Allan__Poe

|Die Sprecher|

Ulrich Pleitgen spricht die Figur des „Fremden“, der den Namen E. A. Poe annimmt.
Wirt: Thomas Danneberg (dt. Stimme von S. Stallone, Arnold Schwarzenegger, John Travolta)
Dr. Templeton: Till Hagen (dt. Stimme von Kevin Spacey & „Bester“ aus Babylon 5)
Sheila: Yara Bümel
Eileen: Anna Thalbach
Gedicht am Anfang/Lied am Schluss: Heinz Rudolf Kunze

_Handlung_

Vorgeschichte: Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert wurde und jetzt entlassen wird. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan? Diese Fragen stellt sich der Mann ohne Gesicht, der im Gasthaus den ersten Namen wählt, der ihm in den Sinn kommt: Edgar Allan Poe. (Edgar heißt der zahme Rabe des Gastwirts.)

Obwohl die Ausstattung des ärmliches Gasthauses in der neuenglischen Provinz ärmlich ist und im Gastzimmer Spinnen ihre Netze weben, findet der Gast Zeit zum Träumen. Und in den Träumen kommen Erinnerungen aus dem Unterbewussten …

Er ist der trunksüchtige Ehemann der zartfühlenden und tierlieben Eileen. Er heiratete sie ein Jahr nach dem tragischen Tod ihrer jüngeren Schwester Sheila (16), die über die Brüstung des Balkons in die Tiefe stürzte. Während dieses Unglücks hatte Eileen Sheilas Lieblingslied auf dem Piano gespielt. An Sheila erinnert bald nur noch ein Porträt, das über dem Kamin hängt. Doch merkwürdig: Ihre Augen sind statt des realistischen Grüns in einem Gelb dargestellt, das viel eher zu einer Katze passen würde. Wann immer der Mann an dieses Unglück denkt oder erinnert wird, hört er eine Katze laut miauen und das Klavierstück in allen möglichen Intonationen.

Eileen hat als liebstes Haustier einen Kater, der laut schnurrt, wenn man ihn streichelt. Das tut der Ehemann jedoch nie. Im Gegenteil: Die Augen der Katze gemahnen ihn an Sheila, an deren Tod er möglicherweise er schuldig ist (er bedrängte sie mit seinen Avancen). Zu gerne würde er dem Katzenvieh einen Tritt verpassen, um es zu verjagen. Auch die Melodie, die Sheila auf dem Piano zu klimpern pflegte, geht ihm nicht mehr aus dem Sinn. Bei einem Feuer brennt das Haus bis auf die Grundmauern nieder und das Ehepaar muss umziehen, in eine verrufene Gegend, in der es nicht nur vierbeinige Ratten gibt.

Um diese Gedanken der Schuld zu vertreiben, ertränkt er sie immer öfter in Alkohol. Bis er schließlich auch im Wirtshaus eine schwarze Katze bemerkt, die er mit nach Hause nimmt. Einmal sticht er ihr vor Wut ein Auge aus, und seine Frau kehrt sich von ihm ab. Um nun auch das kätzische Gejaule aus dem Keller zu beenden, bringt er dort die Katze um. Auch Eileen muss daran glauben. Er mauert sie und die Katze in einem blinden Kamin im Keller ein.

Doch der Fluch der bösen Tat fordert Sühne. Als der Polizeiinspektor Fragen nach der verschwundenen Gattin stellt und das Haus durchsucht, wird der Trunkenbold und Frauenmörder ein wenig zu übermütig angesichts der Tatsache, dass der Inspektor nichts gefunden hat. Er schwingt die Hacke gegen die Ziegel des Kamins …

_Mein Eindruck_

Natürlich ist die Prämisse, dass eine Kette böser Taten – Sheilas verschuldeter Sturz, die Verstümmelung der Katze, der Mord an Eileen und der Katze – auf jeden Fall nicht ungesühnt bleiben kann und wird, eine romantische Wunschvorstellung. Es kommen allzu viele Verbrecher mit ihren Taten davon.

Doch das Neue an der Geschichte besteht darin, dass die Bestrafung nicht von außen erfolgt, etwa durch göttliche oder fürstliche Intervention (wie in Sagen, Legenden, Mythen und Märchen). Vielmehr kommt dieser Impuls von innen, aus der Psyche des unbestraften Verbrechers selbst: Er muss sich selbst entlarven, um Erlösung von der Last seiner Schuld zu erlangen. Schon lange vor Freud also wird tiefer schürfende Psychologie als Triebfeder einer Story-Handlung eingesetzt.

Interessant ist an dieser Inszenierung, dass nie eindeutig geklärt wird, wann eine Katze halluziniert wird und wann sie real vorkommt. Die Katze ist das Symbol der Schuld und somit vom Verbrecher bereits verinnerlicht – genauso wie das Klavierstück und das Bildnis Sheilas, das sie mit einem gelben Auge zeigt. Man spricht hier von Projektion. Was bricht also aus dem Kamin hervor, hinter der die eingemauerte Gattin zu vermuten ist? Eine gute Frage! Man höre selbst.

|Die Sprecher|

Pleitgen spielt E. A. Poe als den leicht verwirrten und träumerischen Geisteskranken, der ausgerechnet im Gasthaus „Zum verlorenen Poeten“ Zuflucht sucht und Unterkunft findet. Dann aber spielt er auch den vulgären Trunkenbold und Tierquäler, dessen Brutalität in seinen Flüchen und der Mordtat zum Ausdruck kommt. Die zwei Charaktere sind grundverschieden, und doch gelingt es Pleitgen, beide Figuren überzeugend darzustellen. Es ist etwa so, wie dem schizophrenen Gollum zuzuhören – nur dass hier die zwei Figuren in getrennten Storys vorkommen.

Es ist schade, dass dem Trunkenbold in Poes Geschichte niemand Ebenbürtiges gegenübersteht. Weder Eileen (Anna Thalbach) , die die unterwürfige treue Ehefrau spielt, noch der Wirt (Danneberg) können dem Killer Paroli bieten. Dadurch erscheint dieser sehr einseitig als der Schurke schlechthin, wodurch er sich einem Verständnis nicht gerade anbietet. Vielmehr freut sich der Zuhörer, wenn ihn endlich der Arm der Gerechtigkeit erreicht.

|Die szenische Musik|

Neben dem wiederkehrenden Klavierstück und dem leitmotivischen „Dies irae“ ist diesmal recht häufig die singende Säge zu hören, gespielt von Christhard Zimbel. Dieses Motiv ist eng verbunden mit dem Erscheinen der schwarzen Katze. Außerdem gibt es reichlich bassbetonte Effekte, die unterschwellig ein Gefühl der Bedrohung verbreiten. Wohl dem, der einen Tieftöner sein Eigen nennt.

|Die Katze – gequält oder nicht?|

Die Darstellung der realen wie der eingebildeten Katze (als Bote des Unterbewussten) erfolgt durch häufig ein markerschütterndes, kreischendes Miauen, das im Moment des Todeskampfes geradezu in menschliche Dimensionen wechselt. Deshalb beunruhigt uns folgender Hinweis im Booklet: „Bei der Produktion dieses Hörspiels wurden keine Tiere gequält“, denn dieser Verdacht könnte sehr leicht entstehen. Katzenliebhaber seien gewarnt.

|Der Song|

Das Stück klingt wieder mit H. R. Kunzes Lied über E. A. Poe, „Der weiße Rabe“, aus. Es ist quasi eine Moritat, die versucht, diesen Dichter als Warner seiner Zeitgenossen in einen soziokulturellen Kontext zu stellen. Der Fünf-Minuten-Song ist zwar textlastig wie jede Moritat, aber stimmungsvoll instrumentiert und vorgetragen: schön schräg intoniert, mit „singender Säge“ unterlegt und wohligen Schauder erzeugend.

_Unterm Strich_

In dieser psychologisch vorangetriebenen Story über Schuld und den Fluch der bösen Tat(en) erreicht der Horror recht handfeste Dimensionen: Es hagelt geradezu Leichen und Verstümmelte, ein Haus brennt ab, der Trunkenbold tobt, bis buchstäblich die Polizei kommt. Die Leitmotive sind immer wieder zu hören, und ein Zuhörer, der Subtilität wünscht, könnte durchaus vor dieser Penetranz kapitulieren.

Aber „Die schwarze Katze“ ist, wie „Das geschwätzige Herz“, die Geschichte eines vulgären Menschen, eines Verbrechers aus niederen Beweggründen. Genausowenig Subtilität, wie er in seinem Verhalten zeigt (er zertritt aus Versehen mal so nebenbei Eileens geliebte Schildkröte), ist auch von seinem weiteren Vorgehen und in dessen Darstellung zu erwarten. Daher finde ich diese Inszenierung in Ordnung.

Die Rahmenhandlung in Dr. Templetons Anstalt taugt durchaus dazu, die Serie zu tragen, allerdings sind die Traumreisen in Poe’sche Storywelten nur mit romantischen Mitteln zu erklären, es sei denn, der Patient Poe bekäme zur Heilung ein traumförderndes Medikament. Dies ist im Gasthaus „Zum verlorenen Poeten“ aber nicht der Fall: Poe zählt nur Spinnweben und Spinnen. Auch das kann ja einschläfernd wirken. Ein Angelsachse würde den naheliegenden Begriff „wool-gathering“ für Tagträumen verwenden.

Sprecherdarbietungen und Musik- & Soundkulissen verschmelzen zu einer stimmigen Einheit. Zusammen mit der dynamischen Handlung bietet „Die schwarze Katze“ daher ein unterhaltsames und wahrhaft Schauder erregendes Hörspiel. Die anderen beiden Hörspielen „Usher“ und „Maske des Roten Todes“ sind lange nicht so unterhaltsam, sondern wirken dagegen langweilig.

|Umfang: 53 Minuten auf 1 CD|

Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Sieper, Marc / Hank, Dickky / Weigelt, Thomas – König Pest (Poe #23)

_Der Elektroschockkandidat_

Die Reihe bringt unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör.

Auf dem Weg zu Dr. Baker werden Poe und Leonie von dichtem Nebel überrascht. Sie verirren sich zwischen seltsamen Häusern. Als der Nebel sich lichtet, erkennen sie, wo sie sind: im Reich von König Pest.

Ulrich Pleitgen und Iris Berben haben auch an den ersten 22 Hörbüchern der Serie mitgewirkt:

#1: Die Grube und das Pendel
#2: Die schwarze Katze
#3: Der Untergang des Hauses Usher
#4: Die Maske des roten Todes
#5: Sturz in den Mahlstrom
#6: Der Goldkäfer
#7: Die Morde in der Rue Morgue
#8: Lebendig begraben
#9: Hopp-Frosch
#10: Das ovale Portrait
#11: Der entwendete Brief
#12: Eleonora
#13: Schweigen
#14: Die längliche Kiste
#15: Du hast’s getan
#16: Das Fass Amontillado
#17: Das verräterische Herz
#18: Gespräch mit einer Mumie
#19: Die Sphinx
#20: Scheherazades 1002. Erzählung (auch: Die 1002. Erzählung)
#21: Schatten (ursprünglicher Titel: Die Scheintoten)
#22: Berenice
#23: König Pest
#24: Der Fall Valdemar
#25: Metzengerstein

Nächste Staffel (02/2008):
#26: Der Kopf des Teufels
#27: Der Mann in der Menge
#28: Die Flaschenpost
#29: Landor’s Landhaus

Das Taschenbuch ist unter dem Titel [„Lebendig begraben“]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3404156757/powermetalde-21 bei |Bastei Lübbe| erschienen.

_Der Autor_

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia, auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Shortstory. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten.

_Die Inszenierung_

Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon mehrere Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. In der POE-Reihe interpretiert er den Edgar Allan Poe und andere Figuren.

Iris Berben gehört zu den bekanntesten und profiliertesten Schauspielerinnen hierzulande. Ihr Repertoire umfasst Krimis („Rosa Roth“) ebenso wie Komödien und klassische Werke. Für ihre Leistungen wurde sie u. a. mit dem Bambi und mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet. In der POE-Serie interpretiert sie die weibliche Hauptrolle Leonie Goron und andere Figuren.

König Pest: Wolfgang Ziffer („C-3PO“, „Nummer 5“, „Murray Bozinsky“ in „Trio mit vier Fäusten“)
Herzog Pestilenz: Stefan Fredrich (John Turturro, Jim Carrey, Oliver Platt)
Junger Wärter: Gerrit Schmidt-Foß (Leonardo DiCaprio)
Alter Wärter: Kaspar Eichel (James „Scotty“ Doohan, Richard Dreyfuss)
Ein Irrer: Andreas Sparberg

Der deutsche Prolog wird von Heinz Rudolf Kunze vorgetragen, der englische von Laurie Randolph, die Ansage erledigt André Sander. Die deutsche Hörspielfassung stammt von Melchior Hala nach einer Idee von Marc Sieper, Dickky Hank und Thomas Weigelt. Für Regie, Musik und Ton waren Christian Hagitte und Simon Bertling vom |STIL|-Studio verantwortlich.

_Das Titelbild_

Das monochrome Titelbild, das [Simon Marsden]http://www.simonmarsden.co.uk geschossen und mit einer speziellen Technik entwickelt hat, zeigt eine alte, leicht verwitterte Statue eines alten, bärtigen Königs. Es könnte sich beispielsweise um Barbarossa auf dem sagenumwobenen Kyffhäuser handeln. Bemerkenswert ist, dass die linke (von uns aus gesehen rechte) Hand des Königs an sein Herz greift.

Das Motiv der Rückseite ist immer noch das gleiche wie in der ersten Serie: das von leuchtendem Nebel umwaberte ausgebrannte Gemäuer einer alten Abtei, deren leere Fenster den Betrachter ominös anstarren. Die Innenseite der CD-Box (die Inlay Card) zeigt einen spitzbogigen Mauerdurchgang in einem wilden, überwucherten Garten. Der Durchgang könnte die Passage zu neuen, gruseligen Erfahrungen symbolisieren, im Sinne von Huxleys „doors of perception“.

_Das Booklet_

Jede CD enthält ein achtseitiges schwarz gehaltenes Booklet. Eingangs gibt es einen mittlerweile recht umfangreichen Abriss der Vorgeschichte der Episode. Kleine Biografien stellen die beiden Hauptsprecher Ulrich Pleitgen und Iris Berben vor. Die mittlere Doppelseite zeigt alle bislang veröffentlichten CDs. Danach folgt eine Seite, die sämtliche Credits auflistet. Die vorletzte Seite wirbt für das Hörbuch [„Edgar Allan Poe: Visionen“, 2554 das ich empfehlen kann. Die letzte Seite gibt das Zitat aus E. A. Poes Werk wieder, das am Anfang einer jeden Episode – jeweils abgewandelt – zu hören ist.

_Vorgeschichte_

Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert und mittlerweile entlassen wurde. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Schon zwanzig Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Alpträumen. Nach einem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führt. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe nicht von Alpträumen nicht verschont. Doch er findet etwas über seine und Leonies Vergangenheit heraus und welche finstere Rolle Dr. Templeton als Francis Baker darin spielt. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe nicht von Alpträumen nicht verschont. Doch er findet etwas über seine und Leonies Vergangenheit heraus und welche finstere Rolle Dr. Templeton darin spielt.

Am Anfang rekapituliert Poe sehr knapp die unmittelbare Vorgeschichte. Das erleichtert den Einstieg in die Serie ein wenig, aber nur minimal. Daher noch ein wenig mehr Inhaltsangabe:

|Episode 21:|

Kapitän Hardy, der süffelnde Kommandant des untergegangenen Segelschiffs „Independence“, hat Poe geraten, sich vor seinem unsichtbaren Verfolger ein gutes Versteck zu suchen. Wie wär’s mit dem Totenschiff der Armen, das im nördlichen Hafen New Yorks vor Anker liegt? Die „Rachel“ durchsucht bestimmt keiner. Gesagt, getan.

Allerdings macht dieser abgetakelte Segler keinen besonders vertrauenerweckenden Eindruck. Der einzige Lebende an Bord ist der alte Ismael. Als Poe ihm zwei Flaschen guten Whiskys in die Hand drückt, ist er überredet: Poe darf frei logieren. Ismael warnt ihn aber vor den Ratten, die recht groß werden können. Und eine der Türen sei für ihn verboten, da habe er keinen Zutritt. Alles klar? Alles klar.

Ismael geht von Bord, denn er wolle einen Freund besuchen. Auf Blackwell Island (dort liegt Dr. Bakers Klinik!) sei die Cholera ausgebrochen, und schon bald werde es die ersten Leichen abzuholen geben. Wenig später kommt Leonie Goron an Bord. Zusammen machen sie hinter der verbotenen Tür eine grausige Entdeckung.

|Episode 22:|

Leonie und Poe gelangen durch die Hilfe von George Appo, Kapitän Hardy und den Wirt Rick Ellis auf Blackwells Insel, die im East River liegt. Ihre erste Begegnung mit Pater Bunting ist kurz, denn er stirbt schon bald an der Seuche, die hier grassiert …

_Handlung von Episode 23_

Nach dem Begraben Pater Buntings macht sich Poe allein auf den Weg, im Asyl, wo Dr. Baker arbeitete, nach Deibler zu suchen. Er hatte ihn zu Dr. Baker wegen des Tauschhandels Aufzeichnungen gegen Poe-Identität geschickt. Der junge Wärter, der ihn einlässt und für Pater Bunting hält, kennt ihn nicht und erzählt ihm, Dr. Baker sei auf dem Festland. Aber ein Telegraph erleichtert die Nachrichtenübermittlung dorthin.

Der Patient, der nach einem Pater verlangt hat, nennt sich Valdemar und liegt wie bewusstlos in seiner Zelle. Bei seinem Anblick erfüllt ein Kribbeln Poes Kopf und eine Stimme spricht zu ihm: „Sie sind nicht Pater Bunting. Sie haben nicht viel Zeit!“ Poe beeilt sich und schreibt einen Brief an Dr. Baker, da entdeckt er Deiblers Patientenakte. Deibler wurde im Dorf der Kranken isoliert. Oh je, bestimmt ist er schon an der grassierenden Seuche erkrankt. Ein älterer Wärter erkennt Poe, der hier einst Patient war, wieder und setzt ihn nach einem Handgemenge außer Gefecht.

Gerade will man ihm Elektroschocks verabreichen, als es unter den Insassen des Asyls zu einem Tumult kommt. Jemand hat sie freigelassen. Als die Wärter sich darum kümmern, befreit Leonie Poe aus seiner Zwangsjacke und flieht mit ihm aus dem Gebäude. Sie ist selbst bereits an der Seuche erkrankt und kann sich kaum aufrechthalten. Dennoch können sie ihren Verfolgern in das Krankendorf entkommen. Hier trauen sich die Wärter nicht.

Doch dies ist ein besonderes Reich: das von König Pest. Er heißt sie als Todgeweihte willkommen. Von dem sterbenden Deibler erfährt Poe, dass es ein teures Gegenmittel gegen die Seuche gebe. Aber sie sitzen hier offenbar fest, oder? Und Leonie geht es zusehends schlechter.

_Mein Eindruck_

Von der ursprünglichen Poe-Erzählung sind nur noch drei Figuren übrig geblieben: König Pest, Herzog Pestilenz und – als Insider-Witz – Anna Pest. Dazu muss man wissen, dass „Anapäst“ ein antikes Versmaß ist. Das ist der Grund, warum Anna Pest stets in rhythmischen Versen redet. König Pest ist zwar ein Herrscher, doch sein Reich wird offensichtlich vom Schnitter regiert, nicht von ihm selbst. Dennoch ist Pest ein fröhlicher Bursche, der seine besten Manieren an den Tag legt. Poe und Leonie ahnen jedoch, dass sie vom Regen in die Traufe geraten sind.

Interessant ist die Beschreibung des Falles Valdemar. Anders als in Poes gleichnamiger Erzählung geht es hier zunächst um eine telepathische Verbindung zwischen Poe und dem Insassen der Irrenanstalt. Dass dabei nicht unbedingt Wörter ausgetauscht werden müssen, wird die nächste Episode zeigen: Bilder reichen schon, um den Geist des „Empfängers“ Poe mit dem Erleben des „Senders“ Valdemar zu erfüllen.

Die Episode zerfällt in zwei Hälften. In der Mitte hat Poe – mal wieder – sein Bewusstsein verloren, weil ein Wärter ihn k.o. geschlagen hat. Und wieder mal befindet er sich tief in der Bredouille. Er braucht dringend einen Retter – Leonie kommt wie gerufen. Was würde Poe ohne sie machen? Das wagen wir uns gar nicht vorzustellen.

_Die Inszenierung_

|Mr. Poe|

Pleitgen spielt die Hauptfigur, ist also in jeder Szene präsent. Er moduliert seine Stimme ausgezeichnet, um das richtige Maß an Entsetzen, Erstaunen oder Neugier darzustellen. Poe kann sehr pragmatisch agieren, und Pleitgen weiß die scharfe Beobachtungsgabe seiner Hauptfigur wie auch dessen Hinterlist ebenso glaubwürdig darzustellen. Sein Poe ist kein hilflos durch die Gassen torkelnder Somnambuler, sondern ein hellwacher Geist, der nur ab und zu unter ein paar Bewusstseinstrübungen leidet, die ihn in Gestalt von Träumen heimsuchen.

|Miss Leonie Goron|

Iris Berben bietet Pleitgens melancholischem und nachdenklichem Poe einen lebhaften Widerpart mit ihrer Leonie Goron. Und wie der grüblerische Poe sogar selbst merkt, zeichnet sich Leonie durch ungewöhnlichen Scharfsinn und eine kluge Feinfühligkeit aus. Sie hat erheblichen Anteil an Poes Rettung in der Rahmenhandlung von Episode 5 („Mahlstrom“). Spätestens ab „Der Goldkäfer“ wirkt sie wie eine kluge Freundin, die durch ruhige Überlegung und kluge, verständnisvolle Fragen bald zu seiner unverzichtbaren Ratgeberin wird.

In Episode 15 „Du hast’s getan“ steht sie selbst ihren Mann als Detektivin und Ein-Frau-Polizeitruppe. In Episode 18 tritt sie als Ägyptologin auf, unter dem Namen Leonie Sander. Sie spielt Scully an der Seite von Poes Mulder. In dieser Folge hustet sie jedoch zum Steinerweichen – wie hat Berben das nur gemacht?

Neben den Wärtern und Mr. Valdemar sind die Herrschaften im Seuchendorf die interessantesten Figuren. Besonders König Pest hat mir gefallen, den Wolfgang Ziffer spricht. Ulrike Stürzbecher ist zwar nicht mit einer eigenen Rolle aufgeführt, aber es ist klar, dass sie die kleine Rolle der Anna Pest spricht.

|Musik und Geräusche|

Der Sound liegt im Format PCM-Stereo vor, wie mir mein DVD-Spieler angezeigt hat, und klingt glasklar. Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt.

Die Geräuschkulissen sind entsprechend lebensecht und detailliert gestaltet. Als der erste Donnerschlag krachte, zuckte ich überrascht zusammen, danach pladdert und plätschert der Regen. In den Gängen der Irrenanstalt dröhnt der Hall von schlagenden Türen. Als der Elektroschockapparat bereitgemacht wird, britzelt die Elektrizität gar unheilvoll. Am Schluss, wenn alles wieder friedlich ist, sind Wellenrauschen und Möwengekreisch zu hören.

Auf die Dreidimensionalität des Klangbilds wurde stärker geachtet: Stimmen von links und rechts, in der Ferne (leiser) und im Vordergrund (lauter), ja sogar innerer Monolog (spezielle Musikuntermalung mit ausgeblendeten Geräuschen) vermitteln den Eindruck einer Welt, in der sich ein Betrachter wie im Zentrum des Geschehens fühlen könnte.

|Musik|

Die Musik erhält eine wichtige Bedeutung: Sie hat die Aufgabe, die emotionale Lage der zwei Hauptfiguren und ihres jeweiligen Ambientes darzustellen. Diese untermalende Aufgabe dient diesmal mehr der Gestaltung der ganzen Episode, denn auf der Pestinsel ist die Gestaltung der beklemmenden Atmosphäre besonders wichtig, um die Aufmerksamkeit des Hörers zu fesseln und seine Emotionen zu steuern. Immer wieder erklingt das obligatorische Requiem „Dies irae, dies illa“. Ergänzt wird es diesmal von einem Wiegenlied: „Guten Abend, gute Nacht“. Damit kein Zuhörer dadurch einschläft, folgt gleich darauf ein Dröhnen, das selbst Tote aufwecken könnte.

Ein Streichquartett, Musiker des Filmorchesters Berlin sowie die Potsdamer Kantorei an der Erlöserkirche wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen. Das Booklet führt die einzelnen Teilnehmer detailliert auf, so dass sich niemand übergangen zu fühlen braucht.

|Der Song|

|Edgar Allan’s Project|s „Ich bin nicht wahnsinnig“ ist ein Remix aus der Hörspielserie mit Originalauszügen und angereichert mit der Musik, die das Berliner Filmorchester für „Visionen“ und auch für die Hörspielserie eingespielt hat. Produziert von Simon Bertling und Christian Hagitte (|STIL|).

Den Anfang macht ein gewohnt schauerliches Zitat, wie es jedem der Poe-Hörspiele vorangestellt ist: „Ich bin nicht wahnsinnig“. Weitere Zitate stammen aus „Die Grube und das Pendel“ sowie aus „Das Haus Usher“. Die Instrumentierung ist wie gehabt: Drums, Bass und – sehr dezent – Orchester. Die Sprecher sind schwer zu identifizieren, aber es könnte sich um die Originalsprecher der Hörspiele handeln, nur etwas verzerrt.

_Unterm Strich_

Kurz und knackig wie die ersten drei Episoden dieser Staffel nun mal sind – jeweils 53 bis 57 Minuten Länge – führt auch diese Folge actionorientiert durch die Handlung. Die Zeit drängt, denn Leonie droht an der Seuche – klar, dass es die Pest ist – zu sterben wie all die anderen Insassen des umzäunten Krankendorfes. Zwar ist informationsmäßig hier nicht viel zu holen, weil Dr. Baker gerade in der Stadt ist, aber durch die Bekanntschaft mit Mr. Valdemar findet sich wenigstens ein Weg, wieder von der Insel runterzukommen.

Der Erfolg hat der Poe-Hörspielreihe zu langer Laufzeit verholfen. Würde der Erfolg fehlen, wäre sie schon längst abgebrochen worden, wie es unlängst der VAMPIRA-Reihe widerfahren ist, die |Lübbe Audio| nach inoffiziellen Informationen nicht mehr weiterführen will. Der hohe Produktionswert der Poe-Reihe wird vor allem vom |STIL|-Studio gewährleistet, das für einwandfreie Musik- und Geräuschuntermalung sorgt. Hoffentlich bleibt das auch so.

|Basierend auf „King Pest“
57 Minuten auf 1 CD|
http://www.poe.phantastische-hoerspiele.de
http://www.luebbe-audio.de

Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Sieper, Marc / Hank, Dickky / Weigelt, Thomas – Grube und das Pendel, Die (POE #1)

Diese CD ist der äußerst gelungene und stimmungsvolle Auftakt für die erste Hörspielserie, in der |Lübbe| vier Erzählungen von E. A. Poe verarbeitet hat. Diesen Herbst wurde die Poe-Reihe mit vier weiteren Produktionen fortgesetzt.

|Der Autor|

Edgar Allan Poe (1809 – 1849) gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, Horrorstory, Science-Fiction, Short Story. Er gab verschiedene Zeitschriften heraus, veröffentlichte aber nur wenige eigene Werke in Buchform, sondern sah seine Geschichten und Gedichte lieber in Zeitschriften gedruckt. Er starb im Alkoholdelirium. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas.

Mehr Informationen bei [wikipedia.]http://de.wikipedia.org/wiki/Edgar__Allan__Poe

|Die Sprecher|

Ulrich Pleitgen spricht die Figur des „Fremden“, der den Namen E. A. Poe annimmt.
Joachim Kerzel, bekannt aus zahlreichen Horror-Hörspielen und -Audiobooks, spricht die Rolle des Abtes. Kerzel ist die deutsche Synchronstimme von z. B. Jean Reno, Dustin Hoffman, Harvey Keitel, Sir Anthony Hopkins oder Jack Nicholson.
Klaus Jepsen: Bruder Amontillado
Till Hagen: Dr. Templeton
Viola Morlinghaus: Schwester Berenike
Gedicht am Anfang/Lied am Schluss: Heinz Rudolf Kunze

_Handlung_

Vorgeschichte: Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert wurde und jetzt, nach zehn Wochen, entlassen wird. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Leider neigt sich sein Aufenthalt dem Ende zu: Die Anstalt soll dichtgemacht werden und er wird bald entlassen. Doch in seiner letzten Nacht erlebt der Erzähler in seiner kargen Zelle einen beängstigenden Traum …

Er erwacht in der Zelle eines Mönches, die sich im Kloster von Toledo in Spanien befindet. Am Kopf hat er eine schwere Wunde davongetragen, die eine freundliche Nonne namens Schwester Berenike mit Kräutern behandelt. Hat er diese Wunde im Krieg davongetragen, der sich Toledo in Form napoleonischer Truppen nähert? Man schreibt das erste Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts, und die Situation Toledos ist alles andere als sicher.

Wie sich herausstellt, haben ihn die Mönche niedergeschlagen, weil sie ihn für einen Spion der Franzosen hielten. Im Kloster herrscht die als grausam verrufene Inquisition der katholischen Kirche, und es herrscht eine Art Torschlusspanik. Der scheinbar freundliche Abt, der das Kloster leitet, verfügt über eine bemerkenswerte Standuhr: in das Zifferblatt sind Löcher für vier Finger eingelassen und das Pendel ist rasiermesserscharf zugeschliffen. Ein Omen? O ja, und nicht nur für Schwester Berenike, die hier eigentlich nur zu Besuch ist. Kurz zuvor sei der Bruder Botanicus gestorben, erzählt sie.

Das Kloster ist in der Tat das Gegenteil eines Kurortes: Als sich der Erzähler einmal in einem Krug Wasser von einem Auslassrohr holt, bemerkt er zu spät, dass es sich um fast pures Blut handelt. Es stammt von den in den Gewölben gefolterten Opfern der Inquisition. Als er und Berenike vor Entsetzen um Mitternacht fliehen wollen, stoßen sie auf einen Leichentransport, der gerade das Kloster verlässt: Auf dem Karren liegen zerschnittene und von Ratten angefressene Körperteile. Sekunden später werden die beiden Flüchtlinge gefangen genommen und später vom Abt verurteilt, damit das Geheimnis des Klosters gehütet wird.

Der Erzähler erwacht in einem lichtlosen Gewölbe neben einem Schacht, mit Riemen auf einen Block gebunden: neben sich Ratten, über sich ein riesiges rasiermesserscharfes Pendel, das hin und her schwingt, sich dabei aber unaufhaltsam auf den Wehrlosen herabsenkt …

_Die Umsetzung_

|Die Sprecher|

Ulrich Pleitgen und Joachim Kerzel dominieren das Hörspiel mit ihren tiefen Stimmen. Pleitgen spielt die Hauptfigur, ist also in jeder Szene präsent. Er moduliert seine Stimme ausgezeichnet, um das richtige Maß an Entsetzen, Erstaunen oder Neugier darzustellen. Kerzel ist als Abt nur in zwei Szenen zu hören, wirkt aber dabei bereits zwielichtig beziehungsweise kriminell – kein Wunder, denn der Abt ist einer der letzten Vertreter der grausamen spanischen Inquisition.

Klaus Jepsen ist uns inzwischen am besten als deutsche Stimme von Bilbo Beutlin vertraut, die des „Dr. Templeton“ als die Synchronstimme von Kevin Spacey, allerdings mit betonten Bässen. Meine besondere Bewunderung möchte ich Viola Morlinghaus aussprechen: Sie spielt die sympathische Botanikerin „Schwester Berenike“ absolut lebensecht, verzweifelt und schließlich niedergeschmettert, dass man mit ihr mitfühlen muss. Allerdings fällt auf, dass ihre Figur sehr oft „Ich weiß es nicht“ sagen muss.

|Der Song|

Das Stück klingt mit H. R. Kunzes Lied über E. A. Poe, dem „Weißen Raben“, aus. Es ist quasi eine Moritat, die versucht, diesen Dichter als Warner seiner Zeitgenossen in einen soziokulturellen Kontext zu stellen. Der Fünf-Minuten-Song ist zwar textlastig wie jede Moritat, aber stimmungsvoll instrumentiert und vorgetragen: schön schräg intoniert, mit „singender Säge“ unterlegt und wohligen Schauder erzeugend.

|Die szenische Musik und Klanggestaltung|

Die Musik besteht aus moderner Klassik, vermischt mit dem Kirchenlied „Dies irae, dies illa“ (Tag des Zorns) und einem Streichquartett. Getrennt werden die einzelnen Szenen durch besondere Klangelemente wie etwa eine Glocke.

Die Klangkulisse dieses ersten Teils der Serie ist im Vergleich zu den anderen Teilen ganz besonders ausgetüftelt und äußerst wirkungsvoll. Von dezenten Kirchenglocken, Chören, menschlichen Schreien bis hin zu Wolfsgeheul, Rattengefiepe und Windrauschen reicht die Geräuschpalette. Wer über eine ordentliche Anlage verfügt, sollte jedoch die Bässe bis zum Anschlag aufdrehen: Die Szene unter dem Pendel bietet ein paar besonders basslastige Soundeffekte – man kann das Schwingen des riesigen Pendels praktisch sehen, nicht nur hören.

_Unterm Strich_

„Die Grube und das Pendel“ treibt den Horror auf eine bis dato unerreichte Spitze: Folter durch die Inquisition, ein mysteriöser Todesfall, Gift im Wasser, ominöse Pendeluhren und schließlich der klaustrophobische Höhepunkt unter dem Pendel selbst. Kulturell gesehen herrscht im Kloster noch finsterstes Mittelalter, bis Napoleons Truppen Freiheit, Licht und Leben bringen. Der Abt verkörpert die Willkürherrschaft der katholischen Kirche in Spanien. Es herrscht Torschlusspanik und die Entwicklung der Dinge treibt auf einen Höhepunkt zu.

Die Rahmenhandlung in Dr. Templetons Anstalt taugt durchaus dazu, die Serie zu tragen, allerdings sind die Traumreisen in Poe’sche Storywelten nur mit romantischen Mitteln zu erklären, es sei denn, der Patient Poe bekäme zur Heilung ein traumförderndes Medikament.

Inszenierung und Sprecher sind von erster Güteklasse – schade, dass Kerzel nur in dieser Folge mit von der Partie ist. Die Musik und Klanggestaltung unterstützen die hervorragenden Sprecher wirkungsvoll. Kunzes Song am Schluss wirkt für mich etwas aufgesetzt, aber sei’s drum.

Zusammen mit „Die schwarze Katze“ bildet „Grube und Pendel“ meine bevorzugten Teile der vierteiligen Serie.

|Umfang: 59 Minuten auf 1 CD|

Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Sieper, Marc / Hank, Dickky / Weigelt, Thomas – Berenice (Poe #22)

_Vampirträume: Durchbruch zur Pestinsel_

Die Reihe bringt unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör.

Der Mann, der sich Poe nennt, bietet Dr. Baker einen Tausch an: die Aufzeichnungen zu Dr. Bakers Lebenswerk im Tausch gegen Poes wahre Identität. Ein unwiderstehliches Angebot, denkt Poe. Aber Dr. Baker schweigt. Poe und Leonie wagen sich in die Höhle des Löwen: eine Pestinsel …

Ulrich Pleitgen und Iris Berben haben auch an den ersten 21 Hörbüchern der Serie mitgewirkt:

#1: Die Grube und das Pendel
#2: Die schwarze Katze
#3: Der Untergang des Hauses Usher
#4: Die Maske des roten Todes
#5: Sturz in den Mahlstrom
#6: Der Goldkäfer
#7: Die Morde in der Rue Morgue
#8: Lebendig begraben
#9: Hopp-Frosch
#10: Das ovale Portrait
#11: Der entwendete Brief
#12: Eleonora
#13: Schweigen
#14: Die längliche Kiste
#15: Du hast’s getan
#16: Das Fass Amontillado
#17: Das verräterische Herz
#18: Gespräch mit einer Mumie
#19: Die Sphinx
#20: Scheherazades 1002. Erzählung (auch: Die 1002. Erzählung)
#21: Schatten (ursprünglicher Titel: Die Scheintoten)
#22: Berenice
#23: König Pest
#24: Der Fall Valdemar
#25: Metzengerstein

Das Taschenbuch ist im Mai 2007 unter dem Titel [„Lebendig begraben“]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3404156757/powermetalde-21 bei |Bastei Lübbe| erschienen.

_Der Autor_

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia, auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Shortstory. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten.

_Die Inszenierung_

Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon mehrere Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. In der POE-Reihe interpretiert er den Edgar Allan Poe und andere Figuren.

Iris Berben gehört zu den bekanntesten und profiliertesten Schauspielerinnen hierzulande. Ihr Repertoire umfasst Krimis („Rosa Roth“) ebenso wie Komödien und klassische Werke. Für ihre Leistungen wurde sie u. a. mit dem Bambi und mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet. In der POE-Serie interpretiert sie die weibliche Hauptrolle Leonie Goron und andere Figuren.

Kapitän Hardy: Jürgen Wolters
Pater O’Neill: Jaecki Schwarz
Anna Rogêt: Clara Nicolai
George Appo: Gerald Schaale
Rick Ellis: Tilo Schmitz
Edward Bunting: Hasso Zorn

Der deutsche Prolog wird von Heinz Rudolf Kunze vorgetragen, der englische von Laurie Randolph, die Ansage erledigt André Sander. Die deutsche Hörspielfassung stammt von Melchior Hala nach einer Idee von Marc Sieper, Dickky Hank und Thomas Weigelt. Für Regie, Musik und Ton waren Christian Hagitte und Simon Bertling vom STIL-Studio verantwortlich.

_Das Booklet_

Jede CD enthält ein achtseitiges schwarz gehaltenes Booklet. Eingangs gibt es einen mittlerweile recht umfangreichen Abriss der Vorgeschichte der Episode. Kleine Biografien stellen die beiden Hauptsprecher Ulrich Pleitgen und Iris Berben vor. Die mittlere Doppelseite zeigt alle bislang veröffentlichten CDs. Danach folgt eine Seite, die sämtliche Credits auflistet. Die vorletzte Seite wirbt für das Hörbuch [„Edgar Allan Poe: Visionen“, 2554 das ich empfehlen kann. Die letzte Seite gibt das Zitat aus E. A. Poes Werk wieder, das am Anfang einer jeden Episode – jeweils abgewandelt – zu hören ist.

_Vorgeschichte_

Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert und mittlerweile entlassen wurde. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Schon zwanzig Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Alpträumen. Nach einem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führt. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe nicht von Alpträumen nicht verschont. Doch er findet etwas über seine und Leonies Vergangenheit heraus und welche finstere Rolle Dr. Templeton als Francis Baker darin spielt. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe nicht von Alpträumen nicht verschont. Doch er findet etwas über seine und Leonies Vergangenheit heraus und welche finstere Rolle Dr. Templeton darin spielt.

Am Anfang rekapituliert Poe sehr knapp die unmittelbare Vorgeschichte. Das erleichtert den Einstieg in die Serie ein wenig, aber nur minimal. Daher noch ein wenig mehr Inhaltsangabe über Episode 21, denn Details werden in „Berenice“ wieder aufgegriffen.

_Episode 21:_

Kapitän Hardy, der süffelnde Kommandant des untergegangenen Segelschiffs „Independence“, hat Poe geraten, sich vor seinem unsichtbaren Verfolger ein gutes Versteck zu suchen. Wie wär’s mit dem Totenschiff der Armen, das im nördlichen Hafen New Yorks vor Anker liegt? Die „Rachel“ durchsucht bestimmt keiner. Gesagt, getan.

Allerdings macht dieser abgetakelte Segler keinen besonders vertrauenerweckenden Eindruck. Der einzige Lebende an Bord ist der alte Ismael. Als Poe ihm zwei Flaschen guten Whiskys in die Hand drückt, ist er überredet: Poe darf frei logieren. Ismael warnt ihn aber vor den Ratten, die recht groß werden können. Und eine der Türen sei für ihn verboten, da habe er keinen Zutritt. Alles klar? Alles klar.

Ismael geht von Bord, denn er wolle einen Freund besuchen. Auf Blackwell Island (dort liegt Dr. Bakers Klinik!) sei die Cholera ausgebrochen, und schon bald werde es die ersten Leichen abzuholen geben. Wenig später kommt Leonie Goron an Bord. Zusammen machen sie hinter der verbotenen Tür eine grausige Entdeckung.

_Handlung_

Poe und seine Freundin Leonie Goron sitzen in New York City fest. Seit drei Tagen warten sie vergeblich auf Barney Deibler, den früheren Gehilfen Dr. Bakers (vgl. Episoden 10 bis 13). Deibler sollte Dr. Baker im Austausch für das Geheimnis von Poes wahrer Identität diesem Bakers Arbeitsnotizen, sein Lebenswerk, anbieten, die Poe Baker gestohlen hat. Ein fairer Deal, will Poe meinen, aber Deibler taucht nicht auf.

Von Reverend O’Neill erfahren sie, dass auf Blackwell Island, wo Baker lebt, eine Seuche ausgebrochen sei und sie unter strikter Quarantäne stehe. Wer von dort zu fliehen versuche, werde mit Kanonenbooten der Hafenbehörde versenkt. Tatsächlich hören sie hin und wieder Kanonenschüsse im Dunst über dem East River. Als alle Stricke reißen, beschließt Poe, trotzdem zur Insel zu fahren. O’Neill gibt ihm einen Empfehlungsbrief für den Pfarrer der Insel, Edward Bunting, mit. Doch woher bekommen sie ein Boot?

Der Zufall kommt Poe auf grausige Weise zu Hilfe. Als er in der Schenke von Rick Ellis, wo der Leichenwärter der „Rachel“, Ismael, zu verkehren pflegte, eine Pastete isst, knirscht es zwischen Poes Zähnen. Es ist ein menschlicher Zahn! Alle Wetter, hat der alte Ismael doch auch Rick das Fleisch der Leichen verhökert. Nun, wenn Rick nicht angezeigt werden will, muss er etwas dafür tun. Wie wär’s mit einem Boot? Als Poe auch noch ein Stöhnen aus den Kellergwölben Ricks vernimmt, ist er nicht mehr zu halten. Es handelt sich um seinen alten Freund, den Bettler George Appo, der ihm in New Orleans mehr als einmal das Leben rettete. George ist gerne bereit, mit Poe zur Insel zu fahren, solange er ein zweites Boot bekommt.

Weil George als Ablenkung agiert, gelingt es Poe und Leonie, die keinesfalls zurückbleiben will, die verbotene Insel zu erreichen. Sie gelangen auch sicher in Buntings Kirche. Als Bunting dort stirbt, kann Poe dessen Stelle als Seelsorger annehmen. Auf diese Weise wird er Baker suchen können, ohne aufzufallen.

Doch bevor er sich auf den Weg machen kann, wird Poe von einem schrecklichen Traum heimgesucht, in dem er von Zähnen träumt, wie sie Rick Ellis ihm serviert hat. Doch diese Zähne stammen von Berenice, der geliebten Frau, und sie sind überaus weiß und lang …

_Mein Eindruck_

Diese Folge der Hörspielreihe knüpft direkt an das Ende von Folge 21 an. Schauplatz ist weiterhin der Hafen von New York City, und Leonie und Poe suchen weiterhin Kontakt mit Dr. Baker, jenem Mann, der als „Dr. Templeton“ offenbar Poe psychiatrisch behandelt hat. Nur er kann ihm auch seine frühere Identität zurückgeben. Leonie ist nicht nur Poes Freundin, sondern auch durch Familienbande mit ihm verbunden. Diese wurde in New Orleans (Folgen 10 bis 14) enthüllt. Klar, dass sie ihn keinesfalls allein nach Blackwells Island fahren lassen will. Verlöre sie ihn, wäre sie ganz allein auf der Welt.

Doch Poes Verhältnis zu den Menschen und zu Frauen im Besonderen ist nicht das einfachste. Seiner selbst unsicher, ist er auf Täuschung und Verrat gefasst. Das Knirschen eines menschlichen Zahnes in seinem Mund bestätigt ihn wieder einmal in dieser Grundhaltung. Rick Ellis serviert Pasteten aus Menschenfleisch – warum er ausgerechnet auch Zähne verarbeitet, muss wohl sein Geheimrezept bleiben, so unwahrscheinlich es auch klingt. Aber Zähne liefern das Leitmotiv für diese Folge, das eine Vampirgeschichte enthält.

|Der Berenice-Traum|

Der Träumer und die schöne Titelfigur sind Cousin und Cousine, doch während er sich schwächlich zurückhält, bewundert er an ihr das blühende Leben. Dieses Verhältnis ändert sich schlagartig, als Berenice – ähnlich wie Poes echte Frau und Cousine Virginia Clemm – an Tuberkulose und Auszehrung erkrankt. Dabei verfällt sie mitunter in einen todesähnlichen Zustand der Trance. Der Träumer wiederum ist einer Monomanie verfallen, die ihn in einen Geisteszustand verfallen lässt, in dem er sich stundenlang auf nur einen Gegenstand konzentriert. Er scheint dadurch in eine Art Geistesabwesenheit zu geraten. Trotzdem heiraten die beiden. Das Verhängnis ist unausweichlich, als ihm Berenices unglaublich weiße und lange Zähne auffallen …

Vielfach ist diese unheimliche Erzählung als Vampirgeschichte interpretiert worden, denn wozu sonst sollte Berenice derart lange Zähne aufweisen? Das Thema der verbotenen Beinahe-Geschwisterliebe erinnert zudem an das unselige Geschwisterpaar [Madeleine und Roderick Usher. 2347 Klar, dass daraus nichts Gutes entstehen kann.

Und dass es schließlich zu einer abscheulichen Grab- und Leichenschändung kommt, dürfte kaum noch jemanden verwundern. Allerdings ist die Schuldfrage nicht eindeutig zu klären. Hat Berenice Schuld an ihres Cousins somnambulem Zustand, so dass er unter Amnesie zu leiden beginnt? Wenn ja, dann kann er nicht für seine Untat verantwortlich gemacht werden.

Unserem Poe auf Blackwell Island kommt Berenice jedenfalls seltsam vertraut vor, als er ihr Gesicht in der Zeitung sieht, und den schauerlichen Grund dafür werden wir hoffentlich bald erfahren.

_Die Inszenierung_

|Mr. Poe|

Pleitgen „spielt“ die Hauptfigur, ist also in jeder Szene präsent. Er moduliert seine Stimme ausgezeichnet, um das richtige Maß an Entsetzen, Erstaunen oder Neugier darzustellen. Im ersten Teil des „Berenice“-Traumes schwelgt sein Poe in verliebter Seligkeit, und das kann man deutlich hören. Umso gequälter klingt Poe in der zweiten Traumhälfte, als ihn die sieche und dann tote Geliebte in seinen Albträumen heimsucht.

Aber Poe kann auch sehr pragmatisch agieren, und Pleitgen weiß die scharfe Beobachtungsgabe seiner Hauptfigur wie auch dessen Hinterlist ebenso glaubwürdig darzustellen. Sein Poe ist kein hilflos durch die Gassen torkelnder Somnambuler, sondern ein hellwacher Geist, der nur ab und zu unter ein paar Bewusstseinstrübungen leidet, die ihn in Gestalt von Träumen heimsuchen.

|Miss Leonie Goron|

Iris Berben bietet Pleitgens melancholischem Poe einen lebhaften Widerpart mit ihrer Leonie Goron. Und wie der grüblerische Poe sogar selbst merkt, zeichnet sich Leonie durch ungewöhnlichen Scharfsinn und eine kluge Feinfühligkeit aus. Sie hat erheblichen Anteil an Poes Rettung in der Rahmenhandlung von Episode 5 („Mahlstrom“). Spätestens ab „Der Goldkäfer“ wirkt sie wie eine kluge Freundin, die durch ruhige Überlegung und kluge, verständnisvolle Fragen bald zu seiner unverzichtbaren Ratgeberin wird. In Episode 15 „Du hast’s getan“ steht sie selbst ihren Mann als Detektivin und Ein-Frau-Polizeitruppe. In Episode 18 tritt sie als Ägyptologin auf, unter dem Namen Leonie Sander. Sie spielt Scully an der Seite von Poes Mulder.

|Nebenfiguren|

Die Nebenfiguren werden hauptsächlich durch redliche ältere Herren gestellt, mit einer Ausnahme, und das ist die junge Anna Rogêt, deren Schwester wohl die unglückliche Marie Rogêt ist, deren Tod in E.A. Poes Erzählung von Auguste C. Dupin aufgeklärt wird, wobei dieser kaum einen Fuß vor die Tür setzt. Die Schurken, die Poe und Leonie in den New-Orleans- und New-York-Folgen so zugesetzt haben, lassen noch auf sich warten.

|Musik und Geräusche|

Der Sound liegt im Format PCM-Stereo vor, wie mir mein DVD-Spieler angezeigt hat, und klingt glasklar. Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt.

Die Geräuschkulissen sind entsprechend lebensecht und detailliert gestaltet. Immer wieder erklingt eine Turmglocke, um subtil im Hintergrund anzuzeigen, welche Stunde geschlagen hat. Das ist ein Detail, das man sich beim genauen Hinhören nicht entgehen lassen sollte. In der Haupt- wie auch in der Binnenhandlung (Traum) wird Mitternacht geläutet. Recht eindrucksvoll sind die ab und zu dröhnenden Kanonenschüsse der Patrouillenboote. Ganz besonders gefiel mir das durchdringende Miauen von Rick Ellis‘ Katze. Sie erinnert Poes innige Bekanntschaft mit einer schwarzen Katze aus Folge zwei und symbolisiert kommendes Unheil.

Auf die Dreidimensionalität des Klangbilds wurde stärker geachtet: Stimmen von links und rechts, in der Ferne (leiser) und im Vordergrund (lauter), ja sogar innerer Monolog (spezielle Musikuntermalung mit ausgeblendeten Geräuschen) vermitteln den Eindruck einer Welt, in der sich ein Betrachter wie im Zentrum des Geschehens fühlen könnte.

|Musik|

Die Musik erhält eine wichtige Bedeutung: Sie hat die Aufgabe, die emotionale Lage der zwei Hauptfiguren und ihres jeweiligen Ambientes darzustellen. Diese untermalende Aufgabe dient diesmal mehr der Gestaltung der ganzen Episode, denn auf der Pestinsel ist die Untermalung der beklemmenden Atmosphäre besonders wichtig, um die Aufmerksamkeit des Hörers zu fesseln und seine Emotionen zu steuern. Immer wieder erklingt das obligatorische Requiem „Dies irae, dies illa“.

Ein Streichquartett, Musiker des Filmorchesters Berlin sowie die Potsdamer Kantorei an der Erlöserkirche wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen. Das Booklet führt die einzelnen Teilnehmer detailliert auf, so dass sich niemand übergangen zu fühlen braucht.

|Der Song|

|Edgar Allan’s Project|s „Ich bin nicht wahnsinnig“ ist ein Remix aus der Hörspielserie mit Originalauszügen und angereichert mit der Musik, die das Berliner Filmorchester für „Visionen“ und auch für die Hörspielserie eingespielt hat. Produziert von Simon Bertling und Christian Hagitte (|STIL|).

Den Anfang macht ein gewohnt schauerliches Zitat, wie es jedem der Poe-Hörspiele vorangestellt ist: „Ich bin nicht wahnsinnig“. Weitere Zitate stammen aus „Die Grube und das Pendel“ sowie aus „Das Haus Usher“. Die Instrumentierung ist wie gehabt: Drums, Bass und – sehr dezent – Orchester. Die Sprecher sind schwer zu identifizieren, aber es könnte sich um die Originalsprecher der Hörspiele handeln, nur etwas verzerrt.

_Unterm Strich_

In dieser Folge ist die äußere Handlung wesentlich interessanter als die auf Poes „Berenice“ basierende Binnenerzählung. Erfreulich ist die in der Serie zunehmende Actionorientierung, die schon in den New-Orleans-Episoden festzustellen war, aber in den New-York-Folgen noch eine deutlich finsterere Seite dazugewonnen hat.

Das Leitmotiv dieser Folge sind sicherlich Zähne. Der in einer Pastete gefundene Zahn – der auf Kannibalismus hindeutet – leitet über zur Berenice-Geschichte, in der Grab- und Leichenschändung sowie Vampirismus eine Rolle spielen. Sicherlich sind die Poe-Hörspiele nicht gerade Stoff für zart besaitete Gemüter, aber dann ist ja auch Poes Literatur von vornherein ein Fall für die etwas morbider empfindenden Zeitgenossen. Interessant, dass dieser Autor zurzeit so großen Erfolg hat.

Der Erfolg hat der Poe-Hörspielreihe zu langer Laufzeit verholfen. Würde der Erfolg fehlen, wäre sie schon längst abgebrochen worden, wie es unlängst der „Vampira“-Reihe widerfahren ist, die |Lübbe Audio| nach inoffiziellen Informationen nicht mehr weiterführen will. Der hohe Produktionswert der Poe-Reihe wird vor allem vom |STIL|-Studio gewährleistet, das für einwandfreie Musik- und Geräuschuntermalung sorgt. Hoffentlich bleibt das auch so.

|69 Minuten auf 1 CD|
http://www.poe.phantastische-hoerspiele.de
http://www.luebbe-audio.de

Edgar Allan Poe – Eleonora (POE #12)

X-Mystery: Die Wahrheit ist dort draußen

„Eleonora“ ist der zwölfte Teil der Edgar-Allan-Poe-Reihe von LübbeAudio, die unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör bringt.

Ulrich Pleitgen hat auch an den ersten Hörbüchern der Serie mitgewirkt:

Edgar Allan Poe – Eleonora (POE #12) weiterlesen

Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Sieper, Marc / Hank, Dickky / Weigelt, Thomas – entwendete Brief, Der (POE #11)

_Überlistet: Die Rache des Detektivs_

„Der entwendete Brief“ ist der elfte Teil der Edgar-Allan-Poe-Reihe von |LübbeAudio|, die unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör bringt.

Ulrich Pleitgen hat auch an den ersten acht Hörbüchern der Serie mitgewirkt:

#1: [Die schwarze Katze 755
#2: [Die Grube und das Pendel 744
#3: [Der Untergang des Hauses Usher 761
#4: [Die Maske des Roten Todes 773
#5: [Sturz in den Mahlstrom 860
#6: [Der Goldkäfer 867
#7: [Die Morde in der Rue Morgue 870
#8: [Lebendig begraben 872

Die vier neuen Folgen der POE-Reihe sind:

#9: [Hopp-Frosch 1906
#10: [Das ovale Portrait 1913
#11: Der entwendete Brief
#12: Eleonora

Die nächsten vier Folgen sind:

14. Die längliche Kiste
15. Du hast es getan
16. Das Fass Amontillado
17. Das verräterische Herz

(Folge 13 wird bewusst ausgelassen …)

_Der Autor_

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Short Story. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten. Seine Literaturtheorie nahm den New Criticism vorweg.

Er stellt meines Erachtens eine Brücke zwischen dem 18. Jahrhundert und den englischen Romantikern (sowie E.T.A. Hoffmann) und einer neuen Rolle von Prosa und Lyrik dar, wobei besonders seine Theorie der Short Story („unity of effect“) immensen Einfluss auf Autoren in Amerika, Großbritannien und Frankreich hatte. Ohne Poe sind Autoren wie Hawthorne, Twain, H.P. Lovecraft, H.G. Wells und Jules Verne, ja sogar Stephen King und Co. schwer vorstellbar. Insofern hat er den Kurs der Literaturentwicklung des Abendlands maßgeblich verändert.

_Die Sprecher_

Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon mehrere Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. In der POE-Reihe interpretiert er den Edgar Allan Poe und andere Figuren

Iris Berben gehört zu den bekanntesten und profiliertesten Schauspielerinnen hierzulande. Ihr Repertoire umfasst Krimis („Rosa Roth“) ebenso wie Komödien und klassische Werke. Für ihre Leistungen wurde sie u. a. mit dem Bambi und mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet. In der POE-Serie interpretiert sie die weibliche Hauptrolle Leonie Goron und andere Figuren.

Außerdem wirken Till Hagen als Dr. Templeton sowie eine Reihe anderer Sprecher mit. Till Hagen wurde 1949 in Berlin geboren und erhielt seine Schauspielausbildung an der Max-Reinhardt-Schule. Zeitgleich drehte er seinen ersten Kinofilm, „7 Tage Frist“. Es folgten Engagements an den Stadttheatern Dortmund und Bielefeld. Später studierte er Deutsch und Theaterpädagogik. Als Sprecher beim Deutsche-Welle-Fernsehen und im Hörfunk wurde er genauso bekannt wie als Synchronstimme u. a. von Kevin Spacey.

|Das Titelbild|

Das monochrome Titelbild, das Simon Marsden (www.simonmarsden.co.uk) geschossen hat, zeigt bei „Der entwendete Brief“ ein Treppenhaus. Aber nicht irgendein Treppenhaus in einem Mietsblock, sondern offenbar handelt es sich um eine Art Schloss, wie sich anhand der großen Halle und des fein gedrechselten Holzes des Geländers ablesen lässt. Wer genau hinsieht, wird verblüfft bemerken, dass der Boden des oberen Treppenabsatzes aus Holzbohlen besteht, wie man sie nur in sehr alten Gebäuden finden würde – allein schon wegen der permanenten Feuergefahr. Wieder einmal fällt die geniale Behandlung von Hell und Dunkel auf.

Das Motiv der Rückseite ist immer noch das gleiche wie in der ersten Serie: das von leuchtendem Nebel umwaberte ausgebrannte Gemäuer einer alten Abtei, deren leere Fenster den Betrachter ominös anstarren.

|Das Booklet|

Jede CD enthält ein achtseitiges schwarz gehaltenes Booklet. Neben dem Eingangszitat auf Deutsch und Englisch wird hier auch der gesamte Stab und die Sprecherbesetzung der Rollen aufgeführt. Es gibt einen kleinen Abriss der Vorgeschichte sowie Informationen zur Gothicband |L’ÂME IMMORTELLE|. Die Rückseite der CD fasst die Handlung zusammen und listet die wichtigsten Mitwirkenden auf.

_Vorgeschichte_

Hinweis: Das neu gestaltete Booklet enthält einen kleinen Abriss der Vorgeschichte, so dass der Einstieg leichter fällt.

Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert und mittlerweile wieder entlassen wurde. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Schon acht Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Albträumen. Nach einem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führt. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe von Albträumen – über „Die Morde in der Rue Morgue“ – nicht verschont.

_Handlung_

Aus dem vorherigen Abenteuer wissen wir nun, dass „Dr. Templeton“ ein Hochstapler ist, der in Wahrheit Francis Baker heißt. Seine Halbschwester ist (war?) Lucy Monaghan. Es gibt eine Andeutung, dass Lucy und Leonie Dinge getan haben, die nicht ganz koscher sind. Wird Poe dahinter kommen? Garantiert!

Leonie und Poe wollen der Polizei diese Hintergründe enthüllen und auf die Toten in dem Landhaus hinweisen. Da geraten sie aber an die Falschen! In der Polizeiwache ist alles völlig verwahrlost, und das hätte sie stutzig machen sollen. Sobald der Name „Dr. Templeton“ gefallen ist, wird Leutnant Creedon gerufen, um sich der beiden anzunehmen. Doch ein echter Schock ist der Auftritt Templetons selbst, der Creedon eindringlich vor dem Wahnsinn seiner Ex-Patienten warnt.

|Der Traum|

In seiner Zelle hat Poe einen sonderbaren Traum. Darin tritt wieder einmal der Pariser Meisterdetektiv Auguste Dupin auf. Poe ist Dupins Freund geworden und befindet sich gerade in dessen Wohnung, als eine wunderschöne Frau eintritt. Die Prinzessin ist inkognito und möchte um keinen Preis ihren Namen verraten, doch der kostbare Ring an ihrem Finger trägt die Farben der Republik und ist ein guter Hinweis darauf, warum sie ihren Besuch geheim halten muss. (Der Zeitpunkt liegt offenbar VOR der Französischen Revolution. Danach gab es plötzlich wesentlich weniger Prinzessinnen …)

Der Grund: Ein wichtiger Brief wurde entwendet, der dem Dieb große Macht über die Prinzessin verleiht, wegen der Enthüllungen, die sie darin macht. Der Dieb ist bekannt: Es ist der Minister D. Zunehmend missbraucht er den Besitz des Briefes, um die Position der Prinzessin zu schwächen und selbst an Einfluss zu gewinnen. Doch es gelingt ihr nicht, den Brief zurückzubekommen: Die Polizei hat die Wohnung des Ministers ebenso durchsucht wie dessen Person – nichts.

Auguste Dupin kennt den Minister persönlich und hat keine angenehmen Erinnerungen an ihn. Dieser ist außerdem Dichter und Mathematiker – eine gefährliche Kombination, wie Dupin findet. Er verspricht der Prinzessin nicht nur Diskretion, sondern auch, den Brief binnen drei Tagen an sie zurückzugeben. Dann setzt er mit Poes Hilfe einen genialen Plan in die Tat um …

Als Poe erwacht, brennt vor dem Polizeirevier ein Heuwagen, und Chaos verbindet sich mit Panik. Im Durcheinander hilft Poes Freund George Appo den beiden Häftlingen, zu entkommen und bestimmte Dokumente mitzunehmen. Er bringt sie zu Sullivan’s Insel, wo er sie in Sicherheit glaubt. Er ahnt nicht, dass die beiden Sullivan’s Insel nur zu gut kennen … (nämlich aus „Der Goldkäfer“).

_Mein Eindruck_

Die Binnenhandlung um den Pariser Meisterdetektiv Auguste Dupin wird von einer der bekanntesten und am besten aufgebauten Erzählungen Poes überhaupt bestritten: „The Purloined Letter“. Dupin ist ja der Wegbereiter für den weitaus berühmteren Kollegen Sherlock Holmes und verfügt über ein ebenso großes deduktives Einfühlungsvermögen wie dieser. Dass er aber auch über durchtriebene Initiative verfügt, belegt das Abenteuer um den „entwendeten Brief“. Ich werde mich hüten, die Pointe zu verraten.

Ist der Traum der verkappte Wunsch Poes, aus seiner misslichen Lage durch eine Vaterfigur befreit zu werden? Nun, wenigstens ein Freund hilft ihm aus seiner Zelle, und dass die liebe Leonie mitkommt, ist Poe sicherlich recht. Iris Berben, die die Leonie spricht, hat mit dieser Rolle wesentlich weniger Arbeit als mit ihrer Rolle als Prinzessin.

Die Story der Prinzessin erfordert eine lange Anlaufzeit, um richtig verstanden zu werden, und erst wenn der Zuhörer – vertreten durch Mr. Poe – kapiert hat, was denn an diesem elenden Brief so Wichtiges dran ist, darf die Action starten. Diese Szene kann man sich durchaus auch als Filmszene vorstellen, und vielleicht schlummern in irgendwelchen Senderarchiven sogar solche Episoden auf der Basis von Poe-Erzählungen. Kinofilme zumindest gäbe es in Hülle und Fülle, meist mit Vincent Price in der Hauptrolle.

_Die Sprecher / Die Inszenierung_

|Mr. Poe alias Jimmy Farrell|

Pleitgen spielt die Hauptfigur, ist also in jeder Szene präsent. Er moduliert seine Stimme ausgezeichnet, um das richtige Maß an Erstaunen und Neugier darzustellen, wenn sein Poe der Begegnung zwischen Prinzessin und Dupin zuhört. Dieses Poe-Imago des 18. Jahrhunderts ist ziemlich verzagt und unbeholfen im Umgang mit Waffen, geradezu ein Schreibtischhengst par excellence. Man kann nur froh sein, dass Dupins Plans aufgeht, wenn Poe mitwirkt.

|Miss Leonie Goron / Prinzessin|

Iris Berben bietet Pleitgens melancholischem und nachdenklichem Poe einen lebhaften Widerpart mit ihrer Leonie Goron. Und wie der grüblerische Poe sogar selbst merkt, zeichnet sich Leonie durch ungewöhnlichen Scharfsinn und eine kluge Feinfühligkeit aus. Sie hat erheblichen Anteil an Poes Rettung in der Rahmenhandlung von Episode 5 („Mahlstrom“). Spätestens ab „Der Goldkäfer“ wirkt sie wie eine kluge Freundin, die durch ruhige Überlegung und kluge, verständnisvolle Fragen bald zu seiner unverzichtbaren Ratgeberin wird.

|Minister|

Jürgen Thormann ist fast schon ein allgegenwärtiger Synchronsprecher, obwohl er vielen Hörern mit Namen nicht vertraut ist. Er spielt häufig distinguierte ältere Herren, meist von Rang, die ein wenig arrogant wirken. Dies trifft natürlich auf den Minister, der sich für besonders schlau hält, in ganz besonderem Maße zu.

|Auguste Dupin|

Ein ganz besonderes Schmankerl ist die Aufnahme von Manfred Lehmann in den Kreis der Sprecher in dieser Episode. Wie schon in „Die Morde in der Rue Morgue“ bestreitet er die Rolle des Meisterdetektivs Auguste Dupin, und zwar mit seiner Synchronstimme für Gerard Depardieu. Dementsprechend klingt Dupin keineswegs herablassend, sonders vielmehr hintergründig und autoritativ, wenn er dem ahnungslosen Poe, seinem Stichwortgeber, (und gleichzeitig uns) die Zusammenhänge erklärt.

_Musik und Geräusche_

Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt. Die Geräuschkulissen sind entsprechend lebensecht und detailliert gestaltet. Bis auf die Eingangsszene sind aber diesmal alle Szenen in Interieurs eingerichtet, so dass der Sound eine untergeordnete Rolle spielt. Immerhin sind Effekte wie etwa Hall und ein sehr tiefes Bassgrummeln festzustellen, das Gefahr anzeigt.

Die Musik erhält daher eine umso wichtigere Bedeutung: Sie hat die Aufgabe, die emotionale Lage der fünf Hauptfiguren (Poe, Goron, Dupin, Prinzessin, Minister) und ihres jeweiligen Ambientes darzustellen. Diese rein untermalende Aufgabe ist auf den ersten Blick leichter zu bewerkstelligen als die Gestaltung ganzer Szenen, doch wenn es sich um actionarme Szenen wie diesmal handelt, zählt jede Note, jede Tonlage.

Musiker des Ensembles „Musical Halensis“ und des Filmorchesters Berlin sowie die Potsdamer Kantorei an der Erlöserkirche – sie alle wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen. Das Booklet führt die einzelnen Teilnehmer detailliert auf, so dass sich niemand übergangen zu fühlen braucht.

|Der Song|

In der dritten Staffel der Serie hat |Lübbe| den Abschlusssong, den zunächst Heinz Rudolf Kunze beisteuerte, ausgetauscht durch den deutschsprachigen Song „Fünf Jahre“ von der österreichischen Gothicband |L’ÂME IMMORTELLE|. Im Booklet finden sich Angaben zur Sängerin Sonja Kraushofer und Bandleader Thomas Rainer. Der Song ist dem aktuellen Album „Gezeiten“ entnommen, dessen Cover im Booklet abgebildet ist.

Entsprechend der Musikrichtung ist die Instrumentierung heavy, düster, aber zugleich gefühlvoll. Das erinnert an die Werke der inzwischen umstrukturierten Band |EVANESCENCE|.Wenigstens ist aber der Abschlusssong in deutscher Sprache gehalten und somit halbwegs verständlich.

_Unterm Strich_

Während in der Rahmenhandlung reichlich wenig passiert – und obendrein relativ Unplausibles -, wartet die Binnenhandlung mit einer ausgezeichnet umgesetzten literarischen Vorlage auf, die auf einer der besten Detektivstorys Poes beruht. Hier gibt es zwar keine gruselige Action wie in „Die Morde in der Rue Morgue“, aber Poe hat mehrfach solche Plots der „ratiocination“ eingesetzt, um deduktives Denken in erfolgreichem Einsatz zu demonstrieren.

Die neue Staffel weist ein ebenso hohes Qualitätsniveau wie die bisherigen zwei Staffeln auf. Ob die nächste Staffel (s. o.) wirklich wie angekündigt im November kommt, ist noch nicht sicher, wie der Webseite http://www.poe-hoerspiele.de zu entnehmen ist. Ulrich Pleitgen war bis Mitte Oktober mit Dreharbeiten beschäftigt.

|Basierend auf: The purloined letter, ca. 1845
58 Minuten auf 1 CD
Mehr Infos unter: http://www.poe-hoerspiele.de & http://www.luebbeaudio.de |

Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Sieper, Marc / Hank, Dickky / Weigelt, Thomas – ovale Portrait, Das (POE #10)

_Poe-Horror: Doktor Frankenstein lässt grüßen!_

„Das ovale Portrait“ ist der zehnte Teil der Edgar-Allan-Poe-Reihe von |LübbeAudio|, die unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör bringt.

Ulrich Pleitgen hat auch an den ersten acht Hörbüchern der Serie mitgewirkt:

#1: [Die schwarze Katze 755
#2: [Die Grube und das Pendel 744
#3: [Der Untergang des Hauses Usher 761
#4: [Die Maske des Roten Todes 773
#5: [Sturz in den Mahlstrom 860
#6: [Der Goldkäfer 867
#7: [Die Morde in der Rue Morgue 870
#8: [Lebendig begraben 872

Die vier neuen Folgen der POE-Reihe sind:

#9: [Hopp-Frosch 1906
#10: Das ovale Portrait
#11: Der entwendete Brief
#12: Eleonora

Die nächsten vier Folgen sind:

14. Die längliche Kiste
15. Du hast es getan
16. Das Fass Amontillado
17. Das verräterische Herz

(Folge 13 wird bewusst ausgelassen …)

_Der Autor_

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Short Story. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten. Seine Literaturtheorie nahm den New Criticism vorweg.

Er stellt meines Erachtens eine Brücke zwischen dem 18. Jahrhundert und den englischen Romantikern (sowie E.T.A. Hoffmann) und einer neuen Rolle von Prosa und Lyrik dar, wobei besonders seine Theorie der Short Story („unity of effect“) immensen Einfluss auf Autoren in Amerika, Großbritannien und Frankreich hatte. Ohne Poe sind Autoren wie Hawthorne, Twain, H.P. Lovecraft, H.G. Wells und Jules Verne, ja sogar Stephen King und Co. schwer vorstellbar. Insofern hat er den Kurs der Literaturentwicklung des Abendlands maßgeblich verändert.

_Die Sprecher_

Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon mehrere Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. In der POE-Reihe interpretiert er den Edgar Allan Poe und andere Figuren

Iris Berben gehört zu den bekanntesten und profiliertesten Schauspielerinnen hierzulande. Ihr Repertoire umfasst Krimis („Rosa Roth“) ebenso wie Komödien und klassische Werke. Für ihre Leistungen wurde sie u. a. mit dem Bambi und mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet. In der POE-Serie interpretiert sie die weibliche Hauptrolle Leonie Goron und andere Figuren.

Außerdem wirken Till Hagen als Dr. Templeton sowie eine Reihe anderer Sprecher mit. Till Hagen wurde 1949 in Berlin geboren und erhielt seine Schauspielausbildung an der Max-Reinhardt-Schule. Zeitgleich drehte er seinen ersten Kinofilm, „7 Tage Frist“. Es folgten Engagements an den Stadttheatern Dortmund und Bielefeld. Später studierte er Deutsch und Theaterpädagogik. Als Sprecher beim Deutsche-Welle-Fernsehen und im Hörfunk wurde er genauso bekannt wie als Synchronstimme u. a. von Kevin Spacey.

|Das Titelbild|

Das monochrome Titelbild, das Simon Marsden (www.simonmarsden.co.uk) geschossen hat, zeigt eine äußerst kunstvolle Anordnung von Objekten in einem Salon. Die linke Hälfte des Bildes wird dominiert von einer ausgestopften Schneeeule, in der rechten Hälfte erblicken wir in einem ovalen Spiegeln ein antikes Zimmer, das auf ein französisches Fenster mit gotischem Spitzgiebel hinausblickt. Alles in allem ein Fest für das Auge eines kenntnisreichen Innenarchitekten. Ein Portrait, wie es im Titel erwähnt wird, ist jedoch weit und breit nicht zu entdecken (oder ich habe meine Lupe vergessen).

Das Motiv der Rückseite ist immer noch das gleiche wie in der ersten Serie: das von leuchtendem Nebel umwaberte ausgebrannte Gemäuer einer alten Abtei, deren leere Fenster den Betrachter ominös anstarren.

|Das Booklet|

Jede CD enthält ein achtseitiges schwarz gehaltenes Booklet. Neben dem Eingangszitat auf Deutsch und Englisch wird hier auch der gesamte Stab und die Sprecherbesetzung der Rollen aufgeführt. Es gibt einen kleinen Abriss der Vorgeschichte sowie Informationen zur Gothicband |L’ÂME IMMORTELLE|.Die Rückseite der CD fasst die Handlung zusammen und listet die wichtigsten Mitwirkenden auf.

_Vorgeschichte_

Hinweis: Das neu gestaltete Booklet enthält einen kleinen Abriss der Vorgeschichte, so dass der Einstieg leichter fällt.

Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert und mittlerweile wieder entlassen wurde. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Schon acht Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Albträumen. Nach einem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führt. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe von Albträumen – über „Die Morde in der Rue Morgue“ – nicht verschont.

_Handlung_

In New Orleans ist eine Feuersbrunst ausgebrochen, in deren Verlauf Appos Haus niederbrennt. Ob das wohl ein Zufall ist? In einer Hafenschenke bekommt Poe einen Tipp, an wen er sich wenden soll. Auf einer Landzunge trifft er George Appo wieder, Poes Freund. Der schickt ihn in eine Wäscherei, die offenbar ebenfalls zu Appos chinesischem Geheimbund gehört. So kommt es, dass Poe, verborgen in einem Wäschekorb, in Dr. Templetons Domizil Zugang findet. In diesem Landhaus sucht er die entführte Leonie.

Nach seinem Ausbruch aus dem verschlossenen Korb sieht sich Poe in der Wäschekammer im Keller um, muss sich aber sofort vor einem Bediensteten verstecken, der Templeton beim Namen „Deibler“ ruft. Nanu, so hieß doch Poes Wärter in der Nervenheilanstalt! Und da läuft auch die einäugige Katze, die Deibler sucht, herum – genau wie in Poes Traum.

Bei einer ersten Erkundung der verlassenen Halle entdeckt Poe ein Tagebuch und hinter einem Vorhang ein ovales Porträt: Es zeigt unverkennbar Lucy Monaghan, Leonies Schwester, die in Dr. Templetons Landhaus verschwand. Lebt sie noch? Und wo ist Leonie? Dieses Haus scheint einem ehemaligen Sklavenhändler gehört zu haben.

Mit Schlüsselbund und Laterne begibt sich Poe in die unteren Gewölbe des Hauses, wo früher die Sklaven eingesperrt wurden. Sie sind in den blanken Fels eingehauen und mögen Gott weiß was beherbergen. In einer Kette hängt noch ein einsamer menschlicher Armknochen – das verheißt nichts Gutes. Aus einer Zelle befreit er mit Hilfe der Schlüssel Leonie, der zum Glück nichts passiert ist, denn Templeton wollte sie bloß über Lucy Monaghan ausfragen.

Es gibt noch andere Gefangene … einen Alligator im Abwasserkanal … und einen piekfeinen Operationssaal. Offenbar hat der gute Doktor, ein Jünger Viktor Frankensteins, Versuche am Gehirn lebender Menschen vorgenommen. Auf dem OP-Tisch liegt ein toter, aber nicht verwester Körper. Anhand des Drachenrings an der Hand des Mannes erkennt Poe in ihm den verschwundenen Appo, den Bruder seines Freundes.

Da hören die beiden Stimmen von oben. Templeton und Deibler bereiten ihre Abreise in den Norden vor. Dem muss Poe Einhalt gebieten. Er stürzt sich auf Deibler und den teuflischen Doktor …

_Mein Eindruck_

Diese Episode hat in der Binnenhandlung herzlich wenig mit der literarischen Vorlage „The Oval Portrait“ zu tun, aber der Hörer wird dafür mit einer actionreichen Rahmenhandlung entschädigt. Der zuvor immer so verzagt wirkende Mister Poe alias Jimmy Farrell geht nun zum Angriff über und liefert sich mit Dr. Templeton alias Francis Baker ein Degenduell, das einem Douglas Fairbanks („Zorro“) zur Ehre gereicht hätte. Woran liegt es nur, dass er so wütend ist?

Der plausibelste Grund hat zwei schöne Augen und sicherlich zwei ebenso schöne Beine: Leonie Goron. Dass sie im Kerker in Lebensgefahr geraten ist, kann Poe als Gentleman alter Schule natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Außerdem hat Templeton/Baker einiges auf dem Kerbholz, was Poes eigene Familie und Vergangenheit anbelangt. Wer weiß, was da noch alles ans Tageslicht kommen wird. Dass Templeton Menschenversuche unternommen hat, lässt nichts Gutes erwarten.

_Die Sprecher_

|Mr. Poe alias Jimmy Farrell|

Pleitgen spielt die Hauptfigur, ist also in jeder Szene präsent. Er moduliert seine Stimme ausgezeichnet, um das richtige Maß an Entsetzen, Erstaunen oder Neugier darzustellen. In dieser Folge spielt die Entdeckung seiner Vergangenheit und Identität eine größere Rolle als irgendwelche Träume. Eine andere Figur kommt daher nicht vor. Aber die stimmliche Darstellung von Poes misslicher Lage in der Sargkammer fordert den Sprecher bis an die Grenzen seiner Ausdrucksmöglichkeiten: Anfängliche Panik wechselt ab mit Beruhigung und anschließendem Denken, nur um um erneut von einer Panikattacke hinweggefegt zu werden.

|Miss Leonie Goron|

Iris Berben bietet Pleitgens melancholischem und nachdenklichem Poe einen lebhaften Widerpart mit ihrer Leonie Goron. Und wie der grüblerische Poe sogar selbst merkt, zeichnet sich Leonie durch ungewöhnlichen Scharfsinn und eine kluge Feinfühligkeit aus. Sie hat erheblichen Anteil an Poes Rettung in der Rahmenhandlung von Episode 5 („Mahlstrom“). Spätestens ab „Der Goldkäfer“ wirkt sie wie eine kluge Freundin, die durch ruhige Überlegung und kluge, verständnisvolle Fragen bald zu seiner unverzichtbaren Ratgeberin wird. Leider sind diese Qualitäten diesmal fast gar nicht gefragt, so dass ihre Figur in dieser Episode unverdient blass erscheint.

|Dr. Templeton / Baker|

Die Figur des Dr. Templeton alias Francis Baker wird im Booklet als „Imago“ bezeichnet, das heißt, dass diese Figur in zahlreichen anderen Gestalten auftreten kann, quasi wie ein Archetyp des Psychologen Carl Gustav Jung. Till Hagens Stimme ist unverkennbar, und viele von uns erkennen sie als die Synchronstimme von Kevin Spacey. Allerdings spricht Till Hagen weniger leise als in den meisten Spacey-Filmen, sondern vielmehr deklamiert er wie Jonathan Pryce in „Fluch der Karibik“, sowohl in „Das ovale Portrait“ als auch in „Hopp-Frosch“ und „Der entwendete Brief“.

_Musik und Geräusche_

Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt. Die Geräuschkulissen sind entsprechend lebensecht und detailliert gestaltet. Bis auf die Eingangsszene sind aber diesmal alle Szenen in Interieurs eingerichtet, so dass der Sound eine untergeordnete Rolle spielt. Immerhin sind Effekte wie etwa Hall – für eine Art inneren Monolog – und ein sehr tiefes Bassgrummeln festzustellen, das Gefahr anzeigt. In der Sargkammer erklingt Poes Stimme verzerrt, als dränge sie aus einer Tonne.

Die Musik erhält daher eine umso wichtigere Bedeutung: Sie hat die Aufgabe, die emotionale Lage der zwei Hauptfiguren und ihres jeweiligen Ambientes darzustellen. Diese rein untermalende Aufgabe ist auf den ersten Blick leichter zu bewerkstelligen als die Gestaltung ganzer Szenen, doch wenn es sich um actionarme Szenen wie diesmal handelt, zählt jede Note, jede Tonlage.

Die serientypische Erkennungsmelodie erklingt in zahlreichen Variationen und wird von unterschiedlichsten Instrumenten angestimmt. Als Templeton erwähnt, er spiele – wie einst Roderick Usher – Geige, erklingt das Poe-Motiv erneut, allerdings gespielt auf einer Kirchenorgel. Und genau so eine Orgel spielte Usher in der entsprechenden Hörspiel-Episode. Danach wird das Motiv auf einer Harfe wiederholt, um die Wirkung romantischer zu gestalten.

Musiker des Ensembles „Musical Halensis“ und des Filmorchesters Berlin sowie die Potsdamer Kantorei an der Erlöserkirche – sie alle wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen. Das Booklet führt die einzelnen Teilnehmer detailliert auf, so dass sich niemand übergangen zu fühlen braucht.

|Der Song|

In der dritten Staffel der Serie hat Lübbe den Abschlusssong, den zunächst Heinz Rudolf Kunze beisteuerte, ausgetauscht durch den deutschsprachigen Song „Fünf Jahre“ von der österreichischen Gothicband „L’Âme Immortelle“. Im Booklet finden sich Angaben zur Sängerin Sonja Kraushofer und Bandleader Thomas Rainer. Der Song ist dem aktuellen Album „Gezeiten“ entnommen, dessen Cover im Booklet abgebildet ist.

Entsprechend der Musikrichtung ist die Instrumentierung heavy, düster, aber zugleich gefühlvoll. Das erinnert an die Werke der inzwischen aufgelösten Band „Evanescence“. Wenigstens ist aber der Abschlusssong in deutscher Sprache gehalten und somit halbwegs verständlich.

_Unterm Strich_

Die erfundene Rahmenhandlung übernimmt wieder einmal die Regie und drängt die Storyvorlage in den Hintergrund. Neue Entdeckungen, neuer Horror, neue Wut – so ließe sich der Plot lakonisch zusammenfassen. Aber der Zuhörer kommt dennoch durch die Actionszenen voll auf seine Kosten. Und Leonie ist mal wieder gerettet.

Die neue Staffel weist ein ebenso hohes Qualitätsniveau wie die bisherigen zwei Staffeln auf. Ob die nächste Staffel (s. o.) wirklich wie angekündigt im November kommt, ist noch nicht sicher, wie der Webseite http://www.poe-hoerspiele.de zu entnehmen ist. Ulrich Pleitgen war bis Mitte Oktober mit Dreharbeiten beschäftigt.

|Basierend auf: The oval portrait, ca. 1845
65 Minuten auf 1 CD|

Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Sieper, Marc / Hank, Dickky / Weigelt, Thomas – Hopp-Frosch (POE #9)

_Poe-Horror: Rache ist süß_

„Hopp-Frosch“ ist der neunte Teil der Edgar-Allan-Poe-Reihe von |LübbeAudio|, die unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör bringt.

Ulrich Pleitgen hat auch an den ersten acht Hörbüchern der Serie mitgewirkt:

#1: [Die schwarze Katze 755
#2: [Die Grube und das Pendel 744
#3: [Der Untergang des Hauses Usher 761
#4: [Die Maske des Roten Todes 773
#5: [Sturz in den Mahlstrom 860
#6: [Der Goldkäfer 867
#7: [Die Morde in der Rue Morgue 870
#8: [Lebendig begraben 872

Die vier neuen Folgen der POE-Reihe sind:

#9: Hopp-Frosch
#10: Das ovale Portrait
#11: Der entwendete Brief
#12: Eleonora

Die nächsten vier Folgen sind:

#14. Die längliche Kiste
#15. Du hast es getan
#16. Das Fass Amontillado
#17. Das verräterische Herz

(Folge 13 wird bewusst ausgelassen …)

_Der Autor_

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Short Story. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten. Seine Literaturtheorie nahm den New Criticism vorweg.

Er stellt meines Erachtens eine Brücke zwischen dem 18. Jahrhundert und den englischen Romantikern (sowie E.T.A. Hoffmann) und einer neuen Rolle von Prosa und Lyrik dar, wobei besonders seine Theorie der Short Story („unity of effect“) immensen Einfluss auf Autoren in Amerika, Großbritannien und Frankreich hatte. Ohne Poe sind Autoren wie Hawthorne, Twain, H.P. Lovecraft, H.G. Wells und Jules Verne, ja sogar Stephen King und Co. schwer vorstellbar. Insofern hat er den Kurs der Literaturentwicklung des Abendlands maßgeblich verändert.

_Die Sprecher_

Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon mehrere Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. In der POE-Reihe interpretiert er den Edgar Allan Poe und andere Figuren

Iris Berben gehört zu den bekanntesten und profiliertesten Schauspielerinnen hierzulande. Ihr Repertoire umfasst Krimis („Rosa Roth“) ebenso wie Komödien und klassische Werke. Für ihre Leistungen wurde sie u. a. mit dem Bambi und mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet. In der POE-Serie interpretiert sie die weibliche Hauptrolle Leonie Goron und andere Figuren.

Außerdem wirken Till Hagen als Dr. Templeton sowie eine Reihe anderer Sprecher mit. Till Hagen wurde 1949 in Berlin geboren und erhielt seine Schauspielausbildung an der Max-Reinhardt-Schule. Zeitgleich drehte er seinen ersten Kinofilm, „7 Tage Frist“. Es folgten Engagements an den Stadttheatern Dortmund und Bielefeld. Später studierte er Deutsch und Theaterpädagogik. Als Sprecher beim Deutsche-Welle-Fernsehen und im Hörfunk wurde er genauso bekannt wie als Synchronstimme u. a. von Kevin Spacey.

|Das Titelbild|

Das monochrome Titelbild, das Simon Marsden (www.simonmarsden.co.uk) geschossen hat, zeigt bei „Hopp-Frosch“ eine halb geöffnete, eisenbeschlagene Tür in einer mittelalterlichen Burgmauer. Der Kontrast zwischen Licht und Schatten ist wieder einmal exterm hervorgehoben. Das macht Marsdens spezielle Entwicklungsmethode möglich, die zugleich verfremdend wirkt.

Das Motiv der Rückseite ist immer noch das gleiche wie in der ersten Serie: das von leuchtendem Nebel umwaberte ausgebrannte Gemäuer einer alten Abtei, deren leere Fenster den Betrachter ominös anstarren.

|Das Booklet|

Jede CD enthält ein vierseitiges schwarz gehaltenes Booklet. Neben dem Eingangszitat auf Deutsch und Englisch wird hier auch der gesamte Stab und die Sprecherbesetzung der Rollen aufgeführt. Die Rückseite der CD fasst die Handlung zusammen und listet die wichtigsten Mitwirkenden auf.

_Vorgeschichte_

Hinweis: Das neu gestaltete Booklet enthält einen kleinen Abriss der Vorgeschichte, so dass der Einstieg leichter fällt.

Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert und mittlerweile wieder entlassen wurde. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Schon sieben Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Albträumen. Nach einem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führt. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe von Albträumen – über „Die Morde in der Rue Morgue“ – nicht verschont.

_Handlung_

Poe ist aus dem Grab entkommen, doch Dr. Templeton hat Leonie entführt und hält sich noch in New Orleans auf. Dorthin schleppt sich auch Poe, allerdings hat er keine Mittel, um sich Nahrung oder Obdach zu besorgen. Vor dem Regen sucht er Schutz in einem Torbogen. Dort stürzt ein Betrunkener hin, den Poe ins Trockene zieht. Er bringt ihn zu dessen Haus, wo der Mann, der sich Appo nennt, spurlos verschwindet.

Am nächsten Morgen suchen Poe drei Schlägertypen und er muss sich in Sicherheit bringen. Doch auf seiner Flucht erhält Poe unverhoffte Hilfe durch den Chinesen, der sich Appo nennt. Erstaunt schaut Poe zu, wie Appo alle drei Widersacher tötet. Er erweist sich auch als sehr geschickt im Umgang mit Messern: Die Ratten in seinem Haus erledigt er stets mit einem gut gezielten Wurf.

Beim anschließenden Essen und Informationsaustausch wird klar, dass Poe verpfiffen wurde und Dr. Templeton ihm die Schläger auf den Hals schickte. Appo kennt den Doktor ebenfalls: Der hatte seinen Bruder, einen Taschendieb, damit beauftragt, eine bestimmte Perle von einem Schiff zu stehlen, das von New Orleans nach New York City segelte (war es Leonie Gorons Schiff?). Appo bringt Poe das Messerwerfen bei, aber er werde nach acht Tagen weiterziehen müssen.

|Der Traum|

Wieder mal hat Poe einen seiner Träume. Darin ist er diesmal ein verkrüppelter Zwerg, Leonie taucht als Zwergenfrau Tripetta auf, und Dr. Templeton ist ein König, der Spaßmacher wie den Zwerg mag, aber keinen Wert auf geistreiche Witze legt. Chauvinistische Blondinenwitze hingegen kommen immer gut an.

Eines Tages beauftragen der König und seine drei Minister den Zwerg, den sie wegen seines Gangs boshaft „Hopp-Frosch“ nennen, mit der Gestaltung eines exotischen Maskenballs. Hopp-Frosch denkt an seine afrikanische Heimat, aus der man ihn als Sklave verschleppt hat. Und da ihm die geliebte Tripetta ihre Hilfe zugesagt hat, denkt er sich einen genialen Plan aus, wie er sich für die erlittenen Demütigungen rächen kann.

Er steckt den König und seine drei Minister in die Kostüme von Orang-Utans und kettet sie aneinander fest, damit die Ballbesucher glauben, sie seien frisch eingefangen worden, würden aber keine Gefahr darstellen. Allerdings sind die Affenfelle mit Teer getränkt und mit Flachs bedeckt. Ein Funke würde genügen, und die Felle mitsamt ihren Trägern in Flammen aufgehen. Aber so verrückt würde doch niemand sein. Oder doch?

Der Maskenball wird jedenfalls ein voller Erfolg …

|Erwachen|

Als erste Tat nach dem Erwachen erlegt Poe eine Ratte mit einem Messerwurf. Es geht offensichtlich aufwärts mit ihm, und nach vier weiteren Tagen des Versteckens begibt er sich auf die Jagd nach Dr. Templeton, ausgestattet mit einem Ring als Erkennungszeichen für Appo und seinen Bruder.

_Mein Eindruck_

„Hopp-Frosch“ war eine der letzten Erzählungen, die Poe vor seinem mysteriösen Tod verfasste und veröffentlichte. In einer von beißendem Spott, ja, von Verbitterung charakterisierten Darstellung führt er die idiotischen Minister mitsamt König ihrer Bestimmung zu: dem Verbrennen bei lebendigem Leib. Es ist die Rache für die Versklavung und Demütigung von „Hopp-Frosch“, dem Schwarzen, und seiner Geliebten Tripetta.

Ist also die Geschichte eine Streitschrift wider die Sklaverei? Das wäre gut möglich, denn schon in den vierziger Jahren des 19. Jahrhundert gab es zahlreiche Stimmen, die gegen die Sklavenhaltung auf amerikanischem Boden eintraten. In Großbritannien war die Sklaverei schon seit Mitte des 18. Jahrhunderts verboten, weshalb also sollte ausgerechnet die Nation, die sich der Freiheit aller (!) Menschen verschrieben hatte, weiter an der menschenverachtenden Praxis festhalten?

Der König und seine fiesen Minister sind nichts anderes als Sklavenhalter und verdienen es, dass ihr Sklave den Spieß umdreht. Da bei einem Maskenball die Rollen sowieso anders verteilt werden und sich häufig die Verhältnisse umkehren (siehe „Die Maske des Roten Todes“), betrachtet Hopp-Frosch das Orang-Utan-Kostüm für seine Opfer als angemessen. Schließlich spiegelt das Kostüm ihre wahre moralische Natur wider (ohne dabei die echten Affen beleidigen zu wollen): Sie agieren nur nach dem Lustprinzip und reagieren auf jede Laune des tumben Königs wie Speichellecker. Der König wiederum mag keine geistreichen Witze, sie sind ihm suspekt. Interessant ist, dass schon in der Detektivgeschichte „Die Morde in der Rue Morgue“ ein Orang-Utan auftaucht. Offenbar war Poe mit dieser Primatenart besonders vertraut.

Wer verbirgt sich nun hinter dem König? Es könnte sich um Poes zeitgenössisches Publikum handeln, das ihm seine bissigen Späße nicht mehr durchgehen ließ, oder um seine Gläubiger, die ihm keine Kredite gewähren wollten, oder sogar um die herrschende Klasse, was sich dann wieder mit dem Thema des Rassismus träge. In jedem Fall erfüllt sich der Autor einen Herzenswunsch: Mögen sie alle verbrennen! Hauptsache, er und sein Held entkommen dieser Hölle mit ihrer Liebsten. (Für Poe erfüllte sich dies nicht: Seine Frau starb 1847.)

Diese Wünsche entsprechen denen der Figur des Wanderers Poe ziemlich genau, die zumindest in deren Unterbewusstsein existieren. In der nächsten Episode, „Das ovale Portrait“, bricht sogar ein Feuer aus, während Poe und Leonie eingesperrt sind. Dort wäre die Übereinstimmung mit der Story „Hopp-Frosch“ wohl noch größer gewesen. Der Dramaturg hat sich für eine andere Kombination entschieden.

_Die Sprecher_

|Mr. Poe alias Jimmy Farrell / Hopp-Frosch|

Pleitgen spielt die Hauptfigur, ist also in jeder Szene präsent. Er moduliert seine Stimme ausgezeichnet, um das richtige Maß an Entsetzen, Erstaunen oder Neugier darzustellen.

|Miss Leonie Goron / Tripetta|

Iris Berben bietet Pleitgens melancholischem und nachdenklichem Poe einen lebhaften Widerpart mit ihrer Leonie Goron. Und wie der grüblerische Poe sogar selbst merkt, zeichnet sich Leonie durch ungewöhnlichen Scharfsinn und eine kluge Feinfühligkeit aus. Sie hat erheblichen Anteil an Poes Rettung in der Rahmenhandlung von Episode 5 („Mahlstrom“). Spätestens ab „Der Goldkäfer“ wirkt sie wie eine kluge Freundin, die durch ruhige Überlegung und kluge, verständnisvolle Fragen bald zu seiner unverzichtbaren Ratgeberin wird. Leider kommt sie in dieser Episode nicht vor.

|Dr. Templeton / König|

Die Figur des Dr. Templeton alias Francis Baker alias „König“ wird im Booklet als „Imago“ bezeichnet, das heißt, dass diese Figur in zahlreichen anderen Gestalten auftreten kann, quasi wie ein Archetyp des Psychologen Carl Gustav Jung. Till Hagens Stimme ist unverkennbar, und viele von uns erkennen sie als die Synchronstimme von Kevin Spacey. Allerdings spricht Till Hagen weniger leise als in den meisten Spacey-Filmen, sondern vielmehr deklamiert er wie Jonathan Pryce in „Fluch der Karibik“, sowohl in „Hopp-Frosch“ als auch in „Das ovale Portrait“ und „Der entwendete Brief“.

_Musik und Geräusche_

Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt. Die Geräuschkulissen sind entsprechend lebensecht und detailliert gestaltet.

Die Musik erhält daher eine umso wichtigere Bedeutung: Sie hat die Aufgabe, die emotionale Lage der zwei Hauptfiguren und ihres jeweiligen Ambientes darzustellen. Diese rein untermalende Aufgabe ist auf den ersten Blick leichter zu bewerkstelligen als die Gestaltung ganzer Szenen, doch wenn es um actionarme Szenen wie diesmal handelt, zählt jede Note, jede Tonlage. Die serientypische Erkennungsmelodie erklingt in zahlreichen Variationen und wird von unterschiedlichsten Instrumenten angestimmt.

Musiker des Ensembles „Musical Halensis“ und des Filmorchesters Berlin sowie die Potsdamer Kantorei an der Erlöserkirche – sie alle wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen. Das Booklet führt die einzelnen Teilnehmer detailliert auf, so dass sich niemand übergangen zu fühlen braucht.

|Der Song|

In der dritten Staffel der Serie hat |Lübbe| den Abschlusssong, den zunächst Heinz Rudolf Kunze beisteuerte, ausgetauscht durch den deutschsprachigen Song „Fünf Jahre“ von der österreichischen Gothicband „L’Âme Immortelle“. Im Booklet finden sich Angaben zur Sängerin Sonja Kraushofer und Bandleader Thomas Rainer. Der Song ist dem aktuellen Album „Gezeiten“ entnommen, dessen Cover im Booklet abgebildet ist.

Entsprechend der Musikrichtung ist die Instrumentierung heavy, düster, aber zugleich gefühlvoll. Das erinnert an die Werke der inzwischen aufgelösten Band „Evanescence“. Wenigstens ist aber der Abschlusssong in deutscher Sprache gehalten und somit halbwegs verständlich. Meinen Geschmack trifft der Song nicht, aber ich mag ja auch eher Led Zeppelin.

_Unterm Strich_

Die neunte Folge der Poe-Hörspiele fängt die Atmosphäre der literarischen Vorlage „Hopp-Frosch“ in der Binnenhandlung, dem Traum, gut ein: die allmähliche Enthüllung der Art und Weise, wie sich der verkrüppelte Sklave, der als Spaßmacher missbraucht wird, an seinen Peinigern rächt. Es ist nicht zu weit hergeholt, wenn man den Autor selbst zum Teil mit Hopp-Frosch identifiziert – alles Weitere siehe oben.

In der Rahmenhandlung passiert hingegen relativ wenig. Statt der entführten Leonie Goron hat Poe einen anderen Gefährten an der Seite, der ihm die nützliche Kunst des Messerwerfens beibringt. Zur Abwechslung kann sich Poe also künftig einmal seiner Haut erwehren. Das wird schon bald nötig sein.

Die neue Staffel weist ein ebenso hohes Qualitätsniveau wie die bisherigen zwei Staffeln auf. Ob die nächste Staffel (s. o.) wirklich wie angekündigt im November kommt, ist noch nicht sicher, wie der Webseite http://www.poe-hoerspiele.de zu entnehmen ist. Ulrich Pleitgen war bis Mitte Oktober mit Dreharbeiten beschäftigt.

|Basierend auf: Hopfrog, ca. 1845
62 Minuten auf 1 CD
Mehr Infos unter: http://www.poe-hoerspiele.de & http://www.luebbeaudio.de |

Edgar Allan Poe – Der Streit mit der Mumie

Mal Groteske, mal Horror: gelungene Erzählungen

Eine echte ägyptische Mumie erwacht zum Leben. Der Graf hat eine ganze Menge zu erzählen. Mit den Gelehrten, die seinen Sarg geöffnet haben, entspinnt sich ein boshafter und doch für uns vergnüglicher Disput, wer denn nun in den Errungenschaften der Zivilisation die Nase vorn hat: die alten Ägypter oder die anwesenden Amerikaner.

In der zweiten Erzählung erscheint dem Berichterstatter ein gar scheußliches Wesen wie aus einer Schreckensvision. Worum es sich handelt, erklärt ihm sein Gastgeber anhand eines Lexikons.

Der Autor

Edgar Allan Poe – Der Streit mit der Mumie weiterlesen

Wakonigg, Daniela / Harrsch, Peter – Mythos & Wahrheit: Edgar Allan Poe. Eine Spurensuche mit Musik und Geräuschen

_Populäre Poe-Biografie mit begrenztem Ansatz_

Edgar Allan Poe gilt als der große Autor des Düsteren. Mit seinen Schauer- und Detektivgeschichten beeinflusste er die moderne Literatur . Auch heute ist das Interesse an seinem Werk stärker denn je, insbesondere im Bereich des Hörbuchs.

Um Poe und sein Leben ranken sich viele Legenden, nicht zuletzt wegen der fleißigen Fälscherarbeit, die sein Widersacher Reverend Griswold an seinem Nachlass angerichtet hat. Wie viele der Legenden entsprechen der Wahrheit, welche sind nur Mythos? War Poe, wie Griswold behauptete, ein geisteskranker Trinker oder ein Genie, das mit seinen Einblicken in die Untiefen der menschlichen Seele seiner Zeit weit voraus war?

Das vorliegende Hörbuch gehört zu der Sach-Hörbuch-Reihe „STIMMBUCH Mythos & Wahrheit“ und will dem Hörer „spannende historische Spurensuche, untermalt von Musik und Geräuschen“ bieten. Ob das so hinhaut, wie gedacht, wird sich herausstellen.

_Der Autor_

|Sein Leben|

Edgar Allan Poe (1809-49), das Kind verachteter Schauspieler, wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia auf. Während der Vater ihn nie akzeptierte, liebt Edgar seine Ziehmutter, die sich seiner annahm, umso mehr. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich 1827 von seinem strengen Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die allesamt finanzielle Misserfolge waren. 1828 starb mit Mrs. Allan seine wichtigste Bezugsperson, und er zog zu seiner Tante „Muddy“ Clemm in Baltimore.

Von der Offiziersakademie in West Point wurde er am 28. Januar 1831 verwiesen, sein Bruder William stirbt im August. 1833 gewann er 50 Dollar für seine Story „MS. Found in a Bottle“, die einen Kaufmann auf ihn aufmerksam machte, der ihn förderte. Dadurch konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern. Allerdings schuf er sich durch seine scharfen Literaturkritiken zahlreiche Feinde.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, nachdem am 20. Januar 1845 sein Gedicht „The Raven“ auf größte Begeisterung gestoßen war, und das sowohl bei den Lesern als auch bei der Kritik. Er wurde Vortragsreisender und Partner bei einer Zeitschrift, die allerdings bankrott ging.

Dem Erfolg folgte bald ein ungewöhnlich starker Absturz, nachdem seine Frau Virginia, die Tochter seiner Tante (1822-1847, verheiratete Poe ab 1836, krank ab 1842), an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel mit der 45-jährigen Dichterin Sarah Helen Whitman – am 3. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden. Er starb an „Hirnfieber“ am 7. Oktober im Washington College Hospital. (Das Rätsel um seinen Tod wurde jüngst von Matthew Pearl [(„The Dante Club“) 406 zu einem spannenden Roman verarbeitet.)

|Seine Wirkung|

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Shortstory. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten. Seine Literaturtheorie nahm den New Criticism vorweg.

Er stellt meines Erachtens eine Brücke zwischen dem 18. Jahrhundert und den englischen Romantikern (sowie E.T.A. Hoffmann) und einer neuen Rolle von Prosa und Lyrik dar, wobei besonders seine Theorie der Shortstory („unity of effect“) immensen Einfluss auf Autoren in Amerika, Großbritannien und Frankreich hatte. Ohne Poe sind Autoren wie Hawthorne, Twain, H.P. Lovecraft, H.G. Wells und Jules Verne, ja sogar Stephen King und Co. schwer vorstellbar. Insofern hat er den Kurs der Literaturentwicklung des Abendlands maßgeblich verändert.

_Die Inszenierung_

Die Sprecher: Die Stimme des Erzählers gehört Bodo Primus (‚Jonas, der letzte Detektiv‘), den Poe spricht Matthias Haase, Kritiker und andere spricht Hans Bayer, Frauenrollen wie Tante Muddy u. a. werden von Daniela Wakonigg gesprochen. Wakonigg wirkte als Autorin, Übersetzerin, Regisseur und Sounddesignerin an diesem Hörbuch mit. Die Musik und Teile des Sounddesigns steuerte Peter Harrsch bei.

_Inhalte_

1. Mythos Poe
2. Dramatische Kindheit
3. Düstere englische Romantik
4. Jugend in den Südstaaten
5. Erste Schritte in die Freiheit
6. Muddy und Virginia
7. Southern Literary Messenger
8. New York und Philadelphia
9. Virginias Krankheit
10. Aufstieg und Fall des Edgar Allan Poe
11. Der Anfang vom Ende
12. Nur ein Traum in einem Traum

Das Hörbuch beginnt mit einer Szene am Meer, wo das Wellenrauschen die Rezitation der ersten Strophe von Poes Gedicht „Nur ein Traum in einem Traum“ untermalt. Dieses Gedicht beschließt auch das Hörbuch.

Dazwischen liegt die Schilderung von Poes Leben. Während ich es oben sehr knapp zusammengefasst habe, breitet das Hörbuch die Biografie in allen Einzelheiten aus. Schließlich soll hier „Spurensuche“ betrieben werden. Am interessantesten sind Poes schon früh beginnende Liebschaften, sei es in Richmond, wohin er immer wieder zurückkehrt, oder in New York City, wo er beruflich viel zu tun hat. In Richmond lernt er mit 16 die hübsche Almira Royster, 17, kennen, doch deren Vater hintertreibt die heimliche Verlobung und verheiratet „Mira“ kurzerhand anderweitig. Er sieht sie erst wieder kurz vor seinem Tod, woraufhin sie seinen Heiratsantrag akzeptiert. Zur Heirat sollte es nicht mehr kommen …

Seine Affären, seine Ehe und seine späten Ansätze, eine Ehe zu schließen, dauern bis kurz vor seinem Tod (siehe oben). Das lässt nicht gerade – wie andrenorts behauptet – auf einen rücksichtslosen Trinker schließen, und die Tatsache seines literarischen Erfolges in New York City beruht nicht ausschließlich auf dem Glück des von den Göttern begabten Genies, sondern auf harter Arbeit. Auf seinem Vortrag über das Gedicht „The Raven“, das in einer Szene vorgetragen und erläutert wird, erklärt Poe, das Gedicht sei mit mathematischem Kalkül geschrieben worden. Würde man dies von einem Genie erwarten? Wohl kaum.

Angesichts der zahlreichen Schicksalsschläge, die Poe trafen, verwundert es mich nicht, dass er immer wieder in ein tiefes Loch fiel. Dann trank er, rauchte Opium oder lag mit einem Nervenzusammenbruch danieder, gepflegt von seiner Frau oder Tante – wenn er Glück hatte. Nach dem Tod seiner Frau und der Vertreibung aus New York war es ebenfalls nicht leicht, wieder auf die Beine zu kommen, doch noch einmal unternahm Poe den Versuch, eine Ehe zu schließen und eine Familie zu gründen. Die Dame, eine Dichterin, war zwar schon 45 Jahre alt, aber man kann Kinder ja auch adoptieren. Leider wies sie seinen Antrag zurück, nachdem man ihr aus New York abgeraten hatte. Dort war Poe wegen seiner Feinde persona non grata. 1848 unternimmt er deshalb im November einen Selbstmordversuch, der fehlschlägt.

Dennoch wundert es die Historiker, so die Darstellung im Hörbuch, dass Poe schließlich unter so mysteriösen Umständen starb. Als er am 3. Oktober 1849 in Baltimore auf der Straße aufgefunden wird, ist er ohne Bewusstsein. Er deliriert im Hospital und stirbt am 7. Oktober. Die Theorie wird angeführt, dass Poe ein Opfer der damaligen rauen Wahlkampfmethoden wurde. Am 2. Oktober fand eine Wahlversammlung statt, und beim Stimmenfang, dem „Couping“, waren die Wahlhelfer offenbar nicht zimperlich. Sie zwangen offenbar ihre Opfer zur Stimmabgabe für den bevorzugten Kandidaten. Doch wenn Poe verletzt war, warum wurde dann als Todesursache „Hirnfieber“ angegeben?

Nach seinem Ableben scheinen die Literaten, die er sich zu Feinden gemacht hatte, einen Rufmord zu begehen: Fälschung, Unterschlagung, Zensur, Diffamierung – dies gehört zu ihren Methoden. Reverend Griswold, den Tante Clemm unglücklicherweise aus Geldnot zum Nachlassverwalter bestimmte, wütete derart, dass Poe fortan als in Amerika nicht lesbarer Autor gebrandmarkt wurde. Dagegen stieg Poes Stern in Frankreich durch Dichter wie Baudelaire.

_Mein Eindruck_

Eine kurze Zusammenfassung der Biografie findet sich auch im Booklet. Diese ist wesentlich weniger ermüdend als die – eh schon komprimierte – Langfassung, die von Bodo Primus angenehm sachlich und unaufgeregt vorgetragen wird. Die Darstellung wird natürlich in dieser Form nicht den geltenden literaturwissenschaftlichen Ansprüchen gerecht, denn alle Quellenangaben fehlen. Und diese wären das Minimum an Glaubwürdigkeit im Sinne der beanspruchten Spurensuche. Also handelt es sich um eine populärwissenschaftliche Darstellung, die möglichst auch unterhalten soll. Dazu tragen die Musik, die Geräusche und die Szenen wesentlich bei.

Die Konflikte, die Poes Leben auf so unglückselige Weise bestimmt haben, werden immerhin klar und deutlich herausgearbeitet, allerdings oft in wirtschaftlicher Hinsicht, ohne dabei jedoch auf künstlerische Auseinandersetzungen tiefer einzugehen. Das hätte ja eine theoretische Grundlage hinsichtlich Poes Ästhetik erfordert.

|Poes Revolution|

Wir erfahren immerhin, dass Poes Ansatz der Kritik an Literatur revolutionär war: Nicht Moral oder gesellschaftliche Relevanz sollten die Güte eines Werks bestimmen, sondern vielmehr die Qualität der künstlerischen Mittel im Verhältnis zum literarischen Ausdruck, den sie erzeugen. Will heißen: Wer mit Mitteln des Kitsches arbeitet, wird wohl kaum je hohe Kunst von Dauer produzieren. Das ist auch heute noch so. Ein Kunstwerk von Dauer muss in Poes Augen für sich allein stehen können, und so hat er es auch bewertet. Die Folgen waren verheerend: Nicht nur entlarvte er ein Plagiat nach dem anderen, sondern eckte mit einem Dichter- und Kritikerkollegen nach dem anderen an. Die Zeitungsleser mochten zwar seine Kritikfähigkeit und steigerten die Auflage, doch die Abrechnung der Feinde ließ nach Poes Tod – und schon davor – nicht auf sich warten.

Die Kenntnis der Werke Poes wird offensichtlich vorausgesetzt. Hier werden keine Eulen nach Athen getragen. Seine zwei bekanntesten Gedichten hören wir als direktes Zitat: „Der Rabe“ und das ebenfalls von Alan Parson’s Project vertonte „Nur ein Traum in einem Traum“ (A dream within a dream). Wir müssen nicht erfahren, wie diese Texte gemacht wurden, vielmehr scheint es für die Autorin des Textes wichtiger gewesen zu sein, dass wir verstehen, warum sie entstanden und was ihr Inhalt im Kontext von Poes Leben bedeuten kann. In „Der Rabe“ beklagt ein Student den Verlust seiner geliebten Leonore, doch der schwarze Unglücksbote nimmt ihm Schritt für Schritt jede verbliebene Hoffnung. Jedes weitere „Nevermore / Nimmermehr!“ fährt dem Studenten wie auch dem Leser / Zuhörer (früher wurden Gedichte noch vorgelesen) wie ein Dolchstoß ins Herz.

Dass Poe jede Menge lieber Menschen verlor, habe ich bereits erwähnt, und so ist der Zusammenhang offensichtlich. Aber warum bediente sich Poe dann einer mathematischen Methode, um seinen Seelenschmerz zu verarbeiten? Wir erfahren es nicht.

Meine eigene Theorie: Die Distanzierung durch die literarische Strenge der Kompositionstechnik dient nicht nur der leichteren Verarbeitung des Schmerzes, sondern erzeugt darüber hinaus den gewünschten maximalen Effekt beim Leser. Die Unerbittlichkeit des Raben steht im dramatischen Gegensatz zu der Seelennot des Studenten und lyrischen Ichs, so dass aus dieser Kluft eine aufrüttelnde Diskrepanz entsteht, die beim Leser ihre als tragisch empfundene Wirkung nicht verfehlt. Andere Dichter hätten mit kitschigen Worten an das Mitgefühl des Publikums appelliert – und hätten dabei nur abgedroschen klingen können. Die Wahl der ästhetischen Mittel entschied also über den immensen Erfolg des „Raben“, der bis heute zur amerikanischen Pflichtlektüre gehört. Wer Christopher Lee und Ulrich Pleitgen das Gedicht hat vortragen hören – etwa auf [„Visionen“ 2554 – der weiß auch, warum.

_Die Inszenierung_

Gedichtrezitationen und das Verlesen von Briefen und Artikeln wechseln sich mit Poes eigenen Worten und den Szenen ab, die den Text auflockern. Die Vorlesung über „The Raven“ ist dafür das beste Beispiel. Die Zuhörer husten und räuspern sich, während der verehrte Dichter ihnen seine erstaunliche Methode erklärt: Mathematik statt dichterischer Inbrunst! Wer hätte das erwartet.

_Unterm Strich_

Diese populärwissenschaftliche Darstellung bietet demjenigen, der Poe und sein Werk kennen lernen will, einen leicht verständlichen, aber begrenzten Zugang. Während das Leben in all seinen Verästelungen und Konflikten gut ausgeleuchtet wird, bleibt doch das meiste des Werks im Dunkeln. Offensichtlich wird dessen Kenntnis weitgehend vorausgesetzt. Das ist keine unberechtigte Annahme, denn wer mehrere von Poes Erzählungen gelesen oder gehört hat (die Filme werden heute kaum noch gezeigt), will sich vielleicht nun endlich auch dem Menschen Poe nähern.

Umgekehrt funktioniert der gebotene Ansatz nur sehr begrenzt. Dies würde nämlich einen literaturkritischen Ansatz erfordern, der darüber Auskunft erteilt, wie welche Werke aus heutiger Sicht einzuordnen und zu bewerten sind. Welche wissenschaftliche Autorität würde sich mit welchem der möglichen Ansätze dazu bereitfinden?

Ein weiteres Problem ist die Quellenlage. Der Text erwähnt es ja selbst, dass Poes Werke und auch sein Nachlass intensiv gefälscht und zensiert wurden. „Das Fass Amontillado“ beispielsweise liegt bis zum heutigen Tag nur in der von Rev. Griswold zensierten Fassung vor. Das Quellenproblem braucht von der Autorin und Herausgeberin Daniela Wakonigg nicht behandelt zu werden, weil die Poe-Texte kaum vorkommen. Die paar Zeilen aus „Ein Traum in einem Traum“ und „Der Rabe“ dürfen immerhin als gesichert gelten.

(Ich versuche mir vorzustellen, wie Wakonigg die Zensur der Nietzsche-Werke handhaben würde. Entweder geht sie wie bei Poe vor und verschweigt das meiste oder sie zitiert aus dem gefälschten Nachlass. Option Nr. 1 ist eindeutig vorzuziehen.)

Solange sich der Hörer der Begrenztheit des Ansatzes bewusst ist, bietet das Hörbuch einen vertretbaren Zugang zu Leben und Werk des Autors. Selbst mir als Anglist und Poe-Fan eröffneten sich noch neue Aspekte, insbesondere hinsichtlich des Literaturstreits in New York, den Poe entfachte. Und es hat mich dazu angeregt, mich näher mit Poes Literaturtheorie und dem philosophischen Essay „Heureka“ zu beschäftigen.

Es wäre zu begrüßen, wenn der Verlag auf seiner Website entsprechende Links zur Verfügung stellen würde. Per Suchmaschine stößt man schnell auf die Erzählungen, die sämtlich online zur Verfügung stehen. Aber Links zu Sekundärliteratur in deutscher Sprache sind etwas schwieriger zu finden. Hier kann sich der Verlag als Helfer beweisen.

Hinweis: Auf Amazon.de gibt es von jedem Kapitel eine Hörprobe im Realplayer-Format und auf www.stimmbuch.de eine im MP3-Format.

|76 Minuten auf 1 CD
Aus dem US-Englischen übersetzt von Daniela Wakonigg|
http://www.stimmbuch.de

Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Bertling, Simon / Hagitte, Christian / Sieper, Marc – Kopf des Teufels, Der (POE #29)

_Poes Absturz: ins Höllenloch_

Die Hörspiel-Reihe bringt unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör. Mit „Flaschenpost“ begann die 7. Staffel und der Auftakt zur zweiten Geschichte innerhalb des großen POE-Epos. Die Vorgeschichte finden man in den vorangegangenen 28 Folgen sowie in dem Roman [„Lebendig begraben“,]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3404156757/powermetalde-21 erschienen bei |Bastei Lübbe|.

USA um 1850. Der Mann, der sich POE nennt und kein Gedächtnis besitzt, versucht nach den schrecklichen Erlebnissen in New York City, ein neues Leben zu beginnen. Er glaubt, er ist Poe, wer sonst? Sicher ruht auf dem Friedhof von Baltimore ein Namenloser. Poe und Leonie mieten Landors Landhaus in den nördlichen Wäldern von New York. Doch sie kommen dort nicht zur Ruhe: Über dem Landhaus liegt ein Fluch. Und Leonies Vergangenheit ist dunkler, als Poe ahnt.

Leonie floh in Folge 28 vor den Geistern ihrer Vergangenheit nach New York City, und verzweifelt irrte sie durch die Straßen. Nun ist sie spurlos verschwunden. Eines Nachts erhält Poe eine geheimnisvolle Botschaft. Vielleicht kann er Leonie wiederfinden – aber ist die Botschaft echt? (Verlagsinfo)

Ulrich Pleitgen und Iris Berben haben auch an den ersten 28 Hörbüchern der Serie mitgewirkt:

#1: Die Grube und das Pendel
#2: Die schwarze Katze
#3: Der Untergang des Hauses Usher
#4: Die Maske des roten Todes
#5: Sturz in den Mahlstrom
#6: Der Goldkäfer
#7: Die Morde in der Rue Morgue
#8: Lebendig begraben
#9: Hopp-Frosch
#10: Das ovale Portrait
#11: Der entwendete Brief
#12: Eleonora
#13: Schweigen
#14: Die längliche Kiste
#15: Du hast’s getan
#16: Das Fass Amontillado
#17: Das verräterische Herz
#18: Gespräch mit einer Mumie
#19: Die Sphinx
#20: Scheherazades 1002. Erzählung (auch: Die 1002. Erzählung)
#21: Schatten (ursprünglicher Titel: Die Scheintoten)
#22: Berenice
#23: König Pest
#24: Der Fall Valdemar
#25: Metzengerstein

Siebte Staffel (03/2008):

#26: Die Flaschenpost
#27: Landors Landhaus
#28: Der Mann in der Menge
#29: Der Kopf des Teufels

_Der Autor_

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia, auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Shortstory. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten.

_Die Inszenierung_

Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon mehrere Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. In der POE-Reihe interpretiert er den Edgar Allan Poe und andere Figuren.

Toby Dammit: Simon Jäger (Heath Ledger, Josh Hartnett, Matt Damon)
Richter: Hans-Werner Bussinger (Michael Ironside, Jon Voight)
Landor: Peter Schiff (Louis de Funès, ‚HAL 9000‘)
Henker: Udo Schenk (Ray Liotta, Ralph Fiennes, Gary Oldman, Tim Roth, Kevin Bacon …)
Führer der Bürgerwehr: Claudio Maniscalco (Jimmy ‚The Haitian‘ Jean-Louis in „Heroes“)
Direktor: Friedhelm Ptok (Ian ‚Kanzler Palpatine‘ McDiarmid)
Templeton: Till Hagen (Kevin Spacey, Billy Bob Thornton)
Gorn: Lutz Riedel (Timothy Dalton)
Wärter: Andreas Sparberg

Der deutsche Prolog wird von Heinz Rudolf Kunze vorgetragen, der englische von Giuliana Ertl, die Ansage erledigt André Sander. Die deutsche Hörspielfassung stammt von Melchior Hala nach einer Idee von Marc Sieper, Dicky Hank und Thomas Weigelt. Für Regie, Musik und Ton waren Christian Hagitte und Simon Bertling vom |STIL|-Studio verantwortlich.

|Das Titelbild|

Das monochrome Titelbild, das Simon Marsden (www.simonmarsden.co.uk) geschossen und mit einer speziellen Technik entwickelt hat, zeigt den verwitterten Kopf eines Wasserspeiers, der eine Teufelsfratze aufweist. Der Teufel ist gehörnt, wie deutlich zu erkennen ist.

Das Motiv der Rückseite ist immer noch das gleiche wie in der ersten Serie: das von leuchtendem Nebel umwaberte ausgebrannte Gemäuer einer alten Abtei, deren leere Fenster den Betrachter ominös anstarren. Die Innenseite der CD-Box zeigt einen spitzbogigen Mauerdurchgang in einem wilden, überwucherten Garten. Der Durchgang könnte die Passage zu neuen, gruseligen Erfahrungen symbolisieren, im Sinne von Aldous Huxleys „doors of perception“.

|Das Booklet|

Jede CD enthält ein achtseitiges schwarz gehaltenes Booklet. Eine kleine Biografie stellt Ulrich Pleitgen vor. Die mittlere Doppelseite zeigt alle bislang veröffentlichten CDs. Danach folgt eine Seite, die sämtliche Credits auflistet. Die vorletzte Seite wirbt für das Hörbuch „Edgar Allan Poe: Visionen“, das ich empfehlen kann. Die letzte Seite gibt das Zitat aus E.A. Poes Werk wieder , das am Anfang einer jeden Episode – jeweils abgewandelt – zu hören ist.

_Vorgeschichte_

Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert und mittlerweile entlassen wurde. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Schon 28 Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Alpträumen. Nach einem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führt. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe nicht von Alpträumen nicht verschont. Doch er findet etwas über seine und Leonies Vergangenheit heraus und welche finstere Rolle Dr. Templeton als Francis Baker darin spielt.

Am Anfang rekapituliert Poe/Pleitgen sehr knapp die unmittelbare Vorgeschichte. Das erleichtert den Einstieg in die Serie ein wenig, aber nur minimal.

_Handlung_

Nach dem Verschwinden seiner Verlobten Leonie Goron grübelt Poe eine Weile über ihre Gründe nach, als ein Bote namens Toby Dammit an der Tür von Landors Landhaus eintrifft und ihm einen Brief übergibt. Die gesuchte Dame sei in den Höhlen zu finden – gezeichnet: ein Freund. Toby bietet Poe an, ihn dorthin zu führen. Von Landor leiht sich Poe dessen Schrotflinte, dann sucht er mit Toby den Eingang zu den besagten Höhlen. Er findet ihn in der Nähe einer alten Eiche, hier will Toby auf Poes Rückkehr warten.

In den Höhlen irrt Poe wie durch ein Labyrinth, irregeführt von Lichtpunkten in der Ferne, doch keine Leonie findet sich. Er stößt jedoch auf die Skelette zweier Menschen, die nebeneinander liegen, und nimmt einen rostigen Dolch an sich. Als er wieder aus dem Ausgang stolpert, wird er von Männerhänden grob gepackt. Die Bürgerwehr beschuldigen ihn des Mordes an Toby Dammit, der ohne Kopf unter der Eiche liegt. Trotz seiner Proteste führen ihn die Vigilanten ab, packen ihn auf einen Pritschenwagen neben die Leiche und karren ihn in die Stadt.

Doch der Weg führt nicht etwa zum Rathaus oder zu einer Polizeiwache, sondern zu einem alten grauen Haus: das Gefängnis, das man „Das Grab“ nennt. Nach einer Nacht in einem engen Schacht stellt man ihn vor ein städtisches geheimes Sondergericht, ein Femegericht. Die Anklage lautet auf Mord und Hexerei. Was hat Poe darauf zu entgegnen? Er sei unschuldig, beteuert er. Sein Fehler ist es allerdings, keinen Namen anzugeben. Das bringt ihm die Folter ein. Als er sich beugt, sich Poe nennt und auf einen gewissen Dr. Templeton beruft, findet er endlich Gehör und wird begnadigt. Halbwegs.

Denn zu seinem Horror beginnt sein Martyrium erst: auf Blackwell’s Island, in der Irrenanstalt. Dort trifft er einen alten Bekannten wieder …

_Mein Eindruck_

Dies ist eine sehr deprimierende Episode, wahrscheinlich sogar die Folge, die den Hörer am stärksten „runterzieht“. Erst findet Poe keine Spur von seiner Verlobten Leonie, dann wirft man ihn auch noch in ein finsteres Kerkerloch. Na, wenigstens dreht er dort nicht völlig durch. Aber das kann ja noch kommen, wenn er in der Irrenanstalt auf Blackwell’s Island landet. Aber wenigstens eines ist nun erreicht. Er trifft seinen alten Widersacher wieder, den er schon die ganze Zeit gebraucht hat, um seine in Episode 26 als dubios erkannte Identität festzustellen. Und sie vielleicht sogar zu korrigieren.

Parallel zu Leonies Konfrontation mit ihrer eigenen Vergangenheit in Episode 28 („Der Mann in der Menge“) sieht sich nun Poe den Schatten seiner eigenen Vergangenheit gegenüber. Das ist zwar wünschenswert, weil der Konflikt hoffentlich zu einer Lösung und Weiterentwicklung führt, aber der Weg dorthin ist doch für den Hörer ziemlich frustrierend: eine Kette von Nicht-Ereignissen.

Es ist wie in einem existenzialistischen Roman, in dem sich der Held einer Folge von Schicksalsschlägen gegenübersieht, die allesamt unverständlich und absurd erscheinen. Dass es einen Drahtzieher dafür gibt, lässt sich nur vermuten, aber auf diesen naheliegenden Gedanken verfällt Poe leider nicht. Denn sonst wäre ihm klar, was dies alles mit Leonie zu tun hat. Erst als der Drahtzieher vor ihm steht, erkennt er, was dieser ihm angetan hat, und plant seine Rache.

Worin die Verbindung mit dem Titel liegt, kann ich schlecht beantworten. Nur Toby Dammit, der Unglücksbote, faselt etwas von seinem Kopf, den er dem Teufel geben würde, wenn er Unrecht habe. Na, das passiert ihm denn auch. Nicht sonderlich erbaulich. Die zugehörige Poe-Geschichte dürfte zu den obskursten im ganzen Œuvre gehören, denn mir war sie bislang nicht bekannt.

_Die Inszenierung_

|Mr. Poe|

Pleitgen spielt die Hauptfigur, ist also in jeder Szene präsent. Er moduliert seine Stimme ausgezeichnet, um das richtige Maß an Entsetzen, Erstaunen oder Neugier darzustellen. Aber Poe kann auch sehr pragmatisch agieren, und Pleitgen weiß die scharfe Beobachtungsgabe seiner Hauptfigur wie auch dessen Hinterlist ebenso glaubwürdig darzustellen. Sein Poe ist kein hilflos durch die Gassen torkelnder Somnambuler, sondern ein hellwacher Geist, der nur ab und zu unter ein paar Bewusstseinstrübungen leidet, die ihn in Gestalt von Träumen heimsuchen.

|Musik und Geräusche|

Der Sound liegt im Format PCM-Stereo vor, wie mir mein DVD-Spieler angezeigt hat, und klingt glasklar. Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt.

Die Geräuschkulissen sind entsprechend lebensecht und detailliert gestaltet. Zunächst künden Donner und Regen einen Schicksalsschlag an. Das Höhlenlabyrinth gibt zwar nicht allzu viele akustische Spezialeffekte außer Hall her, aber dafür die Szene von Poes Gefangennahme umso mehr: ein Pferd wiehert oder schnaubt, wird mit einem Peitschenhieb gefügig gemacht, Ketten klirren, schließlich hämmert jemand eine metallene Kettenschelle fest.

|Musik|

Die Musik erhält eine wichtige Bedeutung: Sie hat die Aufgabe, die emotionale Lage der Hauptfigur und ihres Ambientes darzustellen. Poes Lage ist diesmal besonders verzweifelt, und die Musik vermittelt seine Stimmung ungemindert, indem mehrmals der Chor „Dies irae“ angestimmt wird, der mittlerweile zu Poes Signatur geworden ist, um seine Verzweiflung und Verlassenheit zu beschreiben. Weitere dramatische Passagen lassen keinen Zweifel an der Berechtigung von Poes düsterer Stimmung aufkommen. Selbst der abschließende Song „Elenore“ ist eine Klage des Verlustes.

Ein Streichquartett, Musiker des Filmorchesters Berlin sowie die Potsdamer Kantorei an der Erlöserkirche wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen. Das Booklet führt die einzelnen Teilnehmer detailliert auf, so dass sich niemand übergangen zu fühlen braucht.

|Der Song|

Der britische Schauspieler Christopher Lee singt „Elenore“, das schon auf der CD [„Visionen“ 2554 zu finden ist. Hier liegt der EAP-Mix vor. Die Musik stammt wieder von Gaitte & Bertling, der deutsche Text von Marc Sieper. Sopran singen Rosemarie Arzt und Ricarda Lindner. Es spielt das Berliner Filmorchester unter der Leitung von Christian Hagitte.

Christopher Lee wurde am 27. Mai 1922 in London geboren. Seine Schauspielkarriere begann 1947. Den meisten dürfte der britische Schauspieler als Dracula bekannt sein, den Lee 1958 das erste Mal verkörperte und damit weltberühmt wurde. Noch vor seiner Zeit als Schauspieler war Lee in diversen Opernhäusern zu hören – er genoss eine Ausbildung als Opernsänger. Einige seiner aktuellen Rollen sind die des Saruman in „Herr der Ringe“ und Count Dooku in „Star Wars“. Insgesamt wirkte Lee in über 250 Filmen mit.

Ich wusste auch nicht, wie toll Christopher Lee singen kann – bis ich seine Aufnahme auf der CD „Visionen“ hörte. Der Gesang ist klassisch, die Orchesterbegleitung ebenso, zwei Soprane begleiten den Meister, streckenweise im Duett. Er gibt die dramatische Ballade „Elenore“, in der um die verlorene Liebste geklagt wird, zum Besten, und zwar mit viel Gefühl und Sinn fürs Dramatische. Man stelle sich eine schmissige Arie aus einem bekannten Musical vor, z. B. „Elisabeth“ – so umwerfend gut kommt das rüber. Die vorliegende Fassung wurde neu gemischt, um zur Instrumentierung des Hörspiels zu passen.

_Unterm Strich_

In einer parallelen Bewegung wiederholt Poes Gefangennahme und Einkerkerung die gleichen Geschehnisse, die Leonie in der Folge zuvor erleben musste. Allerdings befreite sie sich erfolgreicher als ihr Verlobter aus dieser misslichen Lage. Dafür ahnt er nun wenigstens, welche Verbindung besteht und wer für seine Einweisung in die Irrenanstalt verantwortlich ist und kann nun seine Flucht und Rache planen. De profundis – von hier ab kann’s nur aufwärts gehen.

Die akustische Umsetzung ist vom Feinsten, und man merkt in jeder Szene, wie viel Sorgfalt die Mitwirkenden und Macher aufgewendet haben, um die Episode reizvoll und stimmungsvoll zu gestalten. Ein Highlight ist für mich zweifellos Christopher Lees Song, auch wenn dieser eher Musical-Freunde ansprechen dürfte.

Die Reihe wird fortgesetzt. Immer noch fehlt die Umsetzung bedeutender Erzählung wie „Ligeia“ (Rückkehr einer toten Geliebten) und „William Wilson“ (das Doppelgänger-Motiv).

|Basierend auf: The Devil’s Head, ca. 1845
65 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3429-2|
http://www.poe.phantastische-hoerspiele.de
http://www.luebbe-audio.de

Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Sieper, Marc / Hank, Dickky / Weigelt, Thomas – Mann in der Menge, Der (POE #28)

_Irrfahrt, Opium, Kerkerhaft_

Die Hörspiel-Reihe bringt unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör. Mit „Flaschenpost“ begann die 7. Staffel und der Auftakt zur zweiten Geschichte innerhalb des großen POE-Epos. Die Vorgeschichte finden man in den vorangegangenen 27 Folgen sowie in dem Roman [„Lebendig begraben“,]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3404156757/powermetalde-21 erschienen bei |Bastei Lübbe|.

USA um 1850. Der Mann, der sich POE nennt und kein Gedächtnis besitzt, versucht nach den schrecklichen Erlebnissen in New York City, ein neues Leben zu beginnen. Er glaubt, er ist Poe, wer sonst? Sicher ruht auf dem Friedhof von Baltimore ein Namenloser. Poe und Leonie mieten Landors Landhaus in den nördlichen Wäldern von New York. Doch sie kommen dort nicht zur Ruhe: Über dem Landhaus liegt ein Fluch. Und Leonies Vergangenheit ist dunkler, als Poe ahnt.

Leonie ist nun vor den Geistern ihrer Vergangenheit nach New York City geflohen. Verzweifelt irrt sie durch die Straßen. Ein Mann in der Menge ist der rettende Anker, aber nur scheinbar … (Verlagsinfo)

Die POE-Serie:

#1: Die Grube und das Pendel
#2: Die schwarze Katze
#3: Der Untergang des Hauses Usher
#4: Die Maske des roten Todes
#5: Sturz in den Mahlstrom
#6: Der Goldkäfer
#7: Die Morde in der Rue Morgue
#8: Lebendig begraben
#9: Hopp-Frosch
#10: Das ovale Portrait
#11: Der entwendete Brief
#12: Eleonora
#13: Schweigen
#14: Die längliche Kiste
#15: Du hast’s getan
#16: Das Fass Amontillado
#17: Das verräterische Herz
#18: Gespräch mit einer Mumie
#19: Die Sphinx
#20: Scheherazades 1002. Erzählung (auch: Die 1002. Erzählung)
#21: Schatten (ursprünglicher Titel: Die Scheintoten)
#22: Berenice
#23: König Pest
#24: Der Fall Valdemar
#25: Metzengerstein

Siebte Staffel (03/2008):

#26: Die Flaschenpost
#27: Landors Landhaus
#28: Der Mann in der Menge
#29: Der Kopf des Teufels

Das Taschenbuch ist unter dem Titel [„Lebendig begraben“]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3404156757/powermetalde-21 bei |Bastei Lübbe| erschienen.

_Der Autor_

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia, auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Shortstory. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten.

_Die Inszenierung_

Ulrich Pleitgen tritt diesmal nicht auf.

Iris Berben gehört zu den bekanntesten und profiliertesten Schauspielerinnen hierzulande. Ihr Repertoire umfasst Krimis („Rosa Roth“) ebenso wie Komödien und klassische Werke. Für ihre Leistungen wurde sie u. a. mit dem Bambi und mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet. In der POE-Serie interpretiert sie die weibliche Hauptrolle Leonie Goron und andere Figuren.

Gorn: Lutz Riedel (dt. Stimme von Timothy Dalton)
Mädchen: Marie-Luise Schramm
Trödler: Freimut Götsch

Der deutsche Prolog wird von Heinz Rudolf Kunze vorgetragen, der englische von Giuliana Ertl, die Ansage erledigt André Sander. Die deutsche Hörspielfassung stammt von Melchior Hala nach einer Idee von Marc Sieper, Dicky Hank und Thomas Weigelt. Für Regie, Musik und Ton waren Christian Hagitte und Simon Bertling vom STIL Studio verantwortlich.

|Das Titelbild|

Das monochrome Titelbild, das [Simon Marsden]http://www.simonmarsden.co.uk geschossen und mit einer speziellen Technik entwickelt hat, zeigt vier männliche, schwarze Silhouetten vor einem hellen, leeren Hintergrund. Das Quartett steht unter den hängenden Zweigen einer Eiche, die hell von der Seite beschienen wird. Dass die Männer keine Merkmale und kein Gesicht aufweisen, entmenschlicht sie und rückt sie in das Reich des Geisterhaften und Unheimlichen.

Das Motiv der Rückseite ist immer noch das gleiche wie in der ersten Serie: das von leuchtendem Nebel umwaberte ausgebrannte Gemäuer einer alten Abtei, deren leere Fenster den Betrachter ominös anstarren. Die Innenseite der CD-Box zeigt einen spitzbogigen Mauerdurchgang in einem wilden, überwucherten Garten. Der Durchgang könnte die Passage zu neuen, gruseligen Erfahrungen symbolisieren, im Sinne von Aldous Huxleys „doors of perception“.

|Das Booklet|

Jede CD enthält ein achtseitiges schwarz gehaltenes Booklet. Eine kleine Biografie stellt die Sprecherin Iris Berben vor. Die mittlere Doppelseite zeigt alle bislang veröffentlichten CDs. Danach folgt eine Seite, die sämtliche Credits auflistet. Die vorletzte Seite wirbt für das Hörbuch [„Edgar Allan Poe: Visionen“, 2554 das ich empfehlen kann. Die letzte Seite gibt das Zitat aus E. A. Poes Werk wieder, das am Anfang einer jeden Episode – jeweils abgewandelt – zu hören ist.

_Vorgeschichte_

Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert und mittlerweile entlassen wurde. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Schon 27 Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Alpträumen. Nach einem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führt. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe nicht von Alpträumen nicht verschont. Doch er findet etwas über seine und Leonies Vergangenheit heraus und welche finstere Rolle Dr. Templeton als Francis Baker darin spielt.

Am Anfang rekapituliert Leonie / Berben sehr knapp die unmittelbare Vorgeschichte. Das erleichtert den Einstieg in die Serie ein wenig, aber nur minimal.

_Handlung_

Leonie ist aus Landors Landhaus geflohen, nachdem sie einen Mann gesehen hat, den sie noch aus ihrer Heimat England kennt. Er ist ein „Meister der Verstellung an Körper und Seele“. Nun eilt sie voll Angst nach New York City, doch auch dort vermeidet sie jeden Kontakt, um nicht erkannt zu werden. Das führt dazu, dass sie von Straße zu Straße irrt, bis sie schließlich erschöpft Rast machen muss. Bei einem Trödler kauft sie Kleider aus zweiter Hand, mit denen sie sich verkleidet.

Sie driftet durch die anonyme Menschenmenge auf dem Bahnhofsvorplatz, als sie den Alten bemerkt. Sein weißes Haar und seine Brille lassen ihn ungewöhnlich aussehen, doch sein kalter, böser Blick ist abweisend. Auch er treibt wie entwurzelt durch die Menge. Ein erhaschter Blick auf Dolch und Diamant an seiner Weste entzünden ihre Phantasie. Sie folgt ihm wie ein Schatten durch die hereinbrechende Nacht, durch Nebel und enge Gassen, bis er schließlich ein Haus betritt, das leerzustehen scheint. Als sie aus dem Fenster eines leeren Zimmers im Obergeschoss blickt, spürt sie einen Schlag auf sich herabsausen …

Leonie erwacht in einem abgeschlossenen Zimmer und wartet, bis sie eine unsichtbare Stimme ihren Namen rufen hört: „Leonie, mein Liebling! Du Miststück!“ Ein Mädchen von etwa 16 Jahren bringt Essen und berichtet, der Kanarienvogel in seinem Käfig heiße ebenfalls Leonie. Das sind keine ermutigenden Nachrichten. Der Unsichtbare ist Gorn, der ihr wohlbekannte Meister der Verstellung, den sie aus England kennt. Er sollte eigentlich dafür hingerichtet werden, dass er ihre Eltern umgebracht hat.

Doch nun will er sie für sich, und er droht, ihren Verlobten Poe umzubringen …

_Mein Eindruck_

Der mittlere Teil der Handlung folgt erstaunlich getreu Poes literarischer Vorlage (siehe dazu [„Poes Meistererzähler“). 4832 Dies hat zwar seinen eigenen Charme und auch eine dramaturgische Funktion, aber eigentlich passiert ja nichts. Dieser Mittelteil könnte also relativ langweilig wirken. Doch erstens macht das Driften deutlich, dass Leonie inzwischen ziellos ist, zweitens Angst hat und drittens deshalb einem Lockvogel zum Opfer fällt, der ebenso wie sie zu sein scheint – ein verhängnisvoller Trugschluss.

Ganz nebenbei lernt der Hörer auch das Straßenleben einer amerikanischen Metropole kennen. Neben allerlei Fußgängern hören wir auch Droschken, eine Tram und sogar einen Omnibus rattern sowie eine Dampfeisenbahn mit Getöse abfahren. Neben anderen düsteren Orten landet Leonie auf ihrem Streifzug unter anderem in einer Opiumhöhle, wo sie versucht ist, sich einfach hinzulegen und auszuruhen.

Im dritten Teil der Handlung findet sich Leonie schließlich als Gefangene eines Unbekannten wieder, was sie natürlich ziemlich ängstigt. Doch nach einer Weile hat sie die Parameter ihrer Lage ziemlich gut erfasst und ihren Kidnapper als den alten Feind erkannt. Nun kann sie endlich handeln. Doch dafür muss sie selbst zu einer Verbrecherin werden. Keine leichte Wahl!

Auch wenn man kaum von einer Handlung reden kann, so hat mich diese Folge doch einigermaßen fasziniert. Sie ist in der ersten Hälfte voller Paranoia, doch die Raumangst der zweiten Hälfte mündet, wie so oft bei Leonie, in entschlossenes Handeln. Ihr Verbrechen ist dadurch gerechtfertigt, dass sie es begeht, um einen anderen Menschen vor dem Tod zu bewahren, nämlich ihren Verlobten, Mister Poe.

_Die Inszenierung_

|Die Sprecher:|

Miss Leonie Goron:

In der neuen Staffel tritt Iris Berben alias Leonie nicht mehr so energisch auf, sondern erscheint uns als mehrdimensionale Figur, die es zu ergründen gilt. Die weiteren Folgen legen ihre verborgenen Schichten offen und warten mit Überraschungen auf. Leonie hat uns (und Poe) beileibe nicht alles über sich erzählt. Zunehmend werden uns Einblicke in ihre Vergangenheit gewährt. Die Sprecherin stellt Leonie mit großem Einfühlungsvermögen dar, und das über die gesamte Episode hinweg. Das ist eine beeindruckende Leistung.

Dass sie ihre Leonie dabei in der ersten Hälfte als paranoid und gehetzt darstellt, liegt ausschließlich an der Handlung. Im letzten Viertel kehrt Leonie zu ihrer gewohnten Entschlossenheit zurück, ohne jedoch die Möglichkeit eines gegnerischen Angriffs auszuschließen. So bleibt die Spannung bis zuletzt erhalten.

Gorn:

Lutz Riedel ist es ein Leichtes, mit seiner tiefen Stimme einen Verbrecher wie Gorn entsprechend dämonisch darzustellen. Die Herausforderung besteht für ihn vielmehr darin, so freundlich zu tun, dass Leonie diesem Gorn, ihrem Kerkermeister, wieder vertraut. Als Gorn jedoch seine gewalttätige Seite aufblitzen lässt, verliert er dieses wieder. Schätzungsweise werden wir noch mehr von Mister Gorn hören.

|Geräusche|

Der Sound liegt im Format PCM-Stereo vor, wie mir mein DVD-Spieler angezeigt hat, und klingt glasklar. Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt.

Die Geräuschkulissen sind entsprechend lebensecht und detailliert gestaltet. Wie schon oben angedeutet, sind alle Gefährte der New Yorker Innenstadt zu hören. Ein Highlight ist sicherlich die Bahnhofszene mit der abfahrenden Dampflok. Ein weiterer Höhepunkt ist die Gestaltung der Opiumhöhle. Sie stützt sich jedoch stark auf die Musik, indem sie eine einlullende Flötenmelodie den Rauschzustand der Opiumraucher andeuten lässt.

|Musik|

Die Musik erhält eine wichtige Bedeutung: Sie hat die Aufgabe, die emotionale Lage der zwei Hauptfiguren und ihres jeweiligen Ambientes darzustellen. Diese untermalende Aufgabe dient diesmal mehr der Gestaltung der ganzen Episode, denn in der Umgebung der Opiumhöhle und des Gefängniszimmers ist die Ausarbeitung der beklemmenden Atmosphäre besonders wichtig, um die Aufmerksamkeit des Hörers zu fesseln und seine Emotionen zu steuern.

Die Emotionen der Hauptfigur werden relativ genau widergespiegelt. Doch statt der bekannten POE-Leitmotive muss der Komponist neue Elemente aufbieten, denn Leonie verfügt, so weit ich das erkennen konnte, über kein eigenes Leitmotiv. (Zeit dafür wäre es ja – nach 27 Episoden!) Die psychische und physische Qual in Leonies Kerker deutet ein völlig verstimmt klingendes Piano an.

Tiefe Bässe weisen auf sich nähernde Gefahr hin: Leonie fertigt ein Mordinstrument an. Die finale Actionszene wird musikalisch kaum entsprechend unterstützt, und die Nachwehen voll Anspannung sind mit einer tief gespielten Kirchenorgel unterlegt. Was dies ausdrücken soll, kann jeder für sich entscheiden.

Ein Streichquartett, Musiker des Filmorchesters Berlin sowie die Potsdamer Kantorei an der Erlöserkirche wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen. Das Booklet führt die einzelnen Teilnehmer detailliert auf, so dass sich niemand übergangen zu fühlen braucht.

|Der Song|

Der britische Schauspieler Christopher Lee singt „Elenore“, das schon auf der CD „Visionen“ zu finden ist. Hier liegt der EAP-Mix vor. Die Musik stammt wieder von Gaitte & Bertling, der deutsche Text von Marc Sieper. Sopran singen Rosemarie Arzt und Ricarda Lindner. Es spielt das Berliner Filmorchester unter der Leitung von Christian Hagitte.

Christopher Lee wurde am 27. Mai 1922 in London geboren. Seine Schauspielkarriere begann 1947. Den meisten dürfte der britische Schauspieler als Dracula bekannt sein, den Lee 1958 das erste Mal verkörperte und damit weltberühmt wurde. Noch vor seiner Zeit als Schauspieler war Lee in diversen Opernhäusern zu hören – er genoss eine Ausbildung als Opernsänger. Einige seiner aktuellsten Rollen sind die des Saruman in „Herr der Ringe“ und Count Dooku in „Star Wars“. Insgesamt wirkte Lee in über 250 Filmen mit.

Ich wusste auch nicht, wie toll Christopher Lee singen kann – bis ich seine Aufnahme auf der CD „Visionen“ hörte. Der Gesang ist klassisch, die Orchesterbegleitung ebenso, zwei Soprane begleiten den Meister, streckenweise im Duett. Er gibt die dramatische Ballade „Elenore“, in der um die verlorene Liebste geklagt wird, zum Besten, und zwar mit viel Gefühl und Sinn fürs Dramatische. Man stelle sich eine schmissige Arie aus einem bekannten Musical vor, z. B. „Elisabeth“ – so umwerfend gut kommt das rüber. Die vorliegende Fassung wurde neu gemischt, um zur Instrumentierung des Hörspiels zu passen.

_Unterm Strich_

Die Schatten der Vergangenheit holen Leonie Goron alias Sander endgültig ein. Ihr alter Widersacher aus England hat sie erwischt und gefangen gesetzt. Da er Poe bedroht, muss sie schleunigst ausbrechen, doch das ist leichter gesagt als getan. So kommt es zu einer finalen Actionszene. Bestimmender für diese Episode ist jedoch Leonies lange Irrfahrt durch die Innenstadt, die getreulich der Poe’schen Vorlage folgt. Über den Unterhaltungswert ließe sich trefflich streiten, aber ich fand diesen Teil unerlässlich, um Leonie und ihren Widersacher zu verstehen.

Die akustische Umsetzung ist vom Feinsten, und man merkt in jeder Szene, wie viel Sorgfalt die Mitwirkenden und Macher aufgewendet haben, um die Episode reizvoll und stimmungsvoll zu gestalten. Ein Highlight ist für mich zweifellos Christopher Lees Song, auch wenn dieser eher Musical-Freunde ansprechen dürfte.

Die Reihe wird mit „Der Kopf des Teufels“ fortgesetzt.

|Basierend auf: The Man of the Crowd, 1840/45
58 Minuten auf 1 CD|
http://www.poe.phantastische-hoerspiele.de
http://www.luebbe-audio.de

Edgar Allan Poe – Metzengerstein (Poe #25)

Showdown: Die ersehnte Enthüllung?

Die Hörspiel-Reihe bringt unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör.

Poe trifft Dr. Baker um Mitternacht auf einem Friedhof in New York. Hier soll Poe Leonie wiedersehen, die Baker in die Hände gefallen ist. Und hier soll er auch das Geheimnis seiner Identität erfahren. Doch nur im Austausch für Bakers Aufzeichnungen von unmenschlichen Experimenten. Kann Poe das zulassen? Aber Baker ist ihm einen Schritt voraus …

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Edgar Allan Poe – Faszination des Grauens. Erzählungen

Dieser voluminöse Sammelband enthält die bekanntesten Erzählungen von Edgar Allan Poe, wenn auch nicht alle guten. Am bemerkenswertesten und umfangreichsten sind die drei Detektivgeschichten um Poes Meisterschnüffler Auguste Dupin sowie eine Science-Fiction-Novelle über einen abenteuerlichen Besuch auf dem Erdtrabanten.

Der Autor

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

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Edgar Allan Poe – Faszination des Grauens. 11 Meistererzählungen

Schauergeschichten: Grusel aus der B-Liga

Der Band mit Erzählungen von Edgar Allan Poe versammelt die bekanntesten Geschichten wie etwa „Grube und Pendel“ oder „Das verräterische Herz“, bringt aber auch weniger bekannte wie „Eine Geschichten aus den rauhen Bergen“ und „Der Alb der Perversheit“. Alle Geschichten sind mit Anmerkungen versehen.

Der Autor

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Edgar Allan Poe – Detektivgeschichten

Die Methode der Deduktion: Dupin als erster Detektiv

Der Band mit Erzählungen von Edgar Allan Poe versammelt die bekanntesten detektivischen Geschichten wie etwa „Der Goldkäfer“ oder „Die Morde in der Rue Morgue“. Alle Geschichten sind mit Anmerkungen versehen. Das Nachwort eines deutschen Literaturwissenschaftlers ordnet die Geschichten in ihrer revolutionären Eigenart ein: Sie begründeten das Modell des Meisterdetektivs, der mit Logik über den Verbrecher triumphiert (und über die Polizei).

Der Autor

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Bionda, Alisha (Hg.) / Gruber / Büchner / Hohlbein / Siefener / Marzi / Koch u. a. – dünne Mann, Der (Edgar Allan Poes Phantastische Bibliothek 8)

_Achter Anlauf: Autoren-Armada._

Während sich „Edgar Allan Poes Phantastische Bibliothek“ während der ersten Bände jeweils auf einen Autor konzentriert hat, bietet „Der dünne Mann“ einen Spaziergang durch die deutschsprachige Phantastik-Szene. Dabei dürfen sich unbekanntere AutorInnen ebenso vor dem Erbe Poes verneigen wie renommiertere Schreiberlinge und nicht zuletzt Genregröße & Zugpferd Wolfgang Hohlbein.

|Andreas Gruber| legt mit „Wie ein Lichtschein unter der Tür“ eine Poe’sche Betrachtung sexueller Begierden vor und zeigt, wie ein junger Bursche eine Vorliebe für ältere Frauen entwickelt und dabei in immer krassere Dimensionen vordringt. Die Story hat eine schöne Bildsprache, die an gewählte Worte eines betagteren Tagebuchschreibers erinnert, und ist mit einem atmosphärisch dichten Spannungsaufbau versehen, wenn das Ende auch nicht unbedingt überrascht. Ein wenig aus der Stimmung wird der Leser gerissen, wenn zwischen der würdevollen Tagebuchsprache plötzlich unbeholfene Jugend-Dialoge auftauchen, die sich mit Bauchnabelpiercings befassen oder mit Linda Blairs Gekotze in „Der Exorzist“. Trotzdem: Unterhaltsame Story!

|Barbara Büchner| schwelgt mit „Spinnwebschleier“ in einer düstererotischen Fantasie, die sich ihrerseits mit würdig ergrauter Sprache und morbiden Bildern vor dem Meister des Düsteren verbeugt. Ein kurzes Vergnügen, aber durchaus stimmig.

|Eddie Angerhuber| hat mit „Nepenthe“ eine sehr klassische Geschichte vollbracht über Zivilisationsmenschen, die sich in einem geheimnisvollen Landhaus niederlassen, die allmählich von der düsteren Vergangenheit dieses Hauses eingeholt werden, von düsteren Stimmungen, beklemmenden Abschiedsbriefen und unheimlichen saphiräugigen Katzen. Der Spannungsaufbau ist grandios gebastelt, die Sprache passend pathetisch, die Stimmung meisterhaft morbide und das Ende wurde mit einem wunderbaren Schlusssatz perfekt auf den Punkt gebracht. Tolle Story! Kein Vergleich zu Angerhubers elitärsprachlich dahergeprotztem Nachwort im ersten Band der „Bibliothek des Schreckens“!

|Michael Siefener| enttäuscht zunächst etwas mit seiner „Abendstimmung mit Burgruine“, zu schwach ist der Spannungsaufbau und zu metaphernverliebt die Sprache. Am Schluss jedoch gewinnt die Story durch ihre kluge, düstere Auflösung.

|Dominik Irtenkauf| verlässt sich in „Sündflut“ ebenfalls etwas sehr auf seine Metaphern und erzählt in weitschweifigem Stil von unheilvoller Begierde, Opium, Tod und Wahnsinn. Fans altmodisch bebilderter Innenschauen werden an „Sündflut“ sicher ihre Freunde haben, auch wenn das Ende etwas abrupt über den Leser hereinbricht.

|Micha Wischniewski| scheint mit seiner Story „Die Firma“ eher eine Hommage an Thomas Ligotti und Mark Samuels verfasst zu haben als an Edgar Allan Poe, aber das ändert nichts an ihrer Stärke. Eine namenlose Firma kommt in eine namenlose Stadt, der Protagonist bewirbt sich dort und wird von dem seltsamen Ort und seinen Aufgaben verschlungen. Die Ähnlichkeit mit Samuels „Die Sackgasse“ ist nicht zu übersehen und auch der „Dominioweg“, in dem sich die „Firma“ befindet, dürfte definitiv als Verbeugung vor Ligotti verstanden werden, und vor Frank Dominio, jenem vom Weltekel zerfressenen Protagonisten in Ligottis „Meine Arbeit ist noch nicht erledigt“ (in: „Das Alptraum-Netzwerk“). „Die Firma“ ist demzufolge also nicht unbedingt originell, aber wunderbar zynisch, nihilistisch und düster!

|Christoph Marzi| wandelt mit „Die Raben“ – wie der Titel schon vermuten lässt – sicheren Fußes auf klar Poe’schem Story-Terrain und befasst sich mit alten Familien, toten Ehefrauen und, wie immer, mit dunklen Geheimnissen. Alastair Carfax wird von einer Armada Raben belagert, deren Geheimnis sein neuer Hausverwalter – und gleichzeitig Erzähler der Story – allmählich auf die Schliche kommt. Marzis Sprache ist kraftvoll und seine Bilder treffen, wie schon die tolle Charakterisierung von Alastair Carfax zeigt: „Der letzte knorrige und langsam verrottende Ast dieses Stammbaums, der laut den Einwohnern Baltimores in die tiefste Hölle zurückzureichen schien.“ Kunstvolle Düsterstory!

|Wolfgang Hohlbein|, der „Star“ dieser Anthologie, hat mit „Der dünne Mann“ eine flockig unterhaltsame Gruselmär geschrieben, über den irischen Hafenarbeiter Ian McGillicaddi, über das große Beben in London und über einen geheimnisvollen dünnen Mann, der plötzlich bei McGillicaddi auftaucht und alles über den trinkfesten Iren zu wissen scheint. Nach und nach, in ironischem und lockerem Stil, eröffnen sich die Motive des dünnen Mannes und gipfeln in ein wohlkonzertiertes Ende. „Der dünne Mann“ ist zwar kein Meisterstück, aber handwerklich hochsolide Unterhaltung ohne Fehl.

|Christian von Aster| widmet sich in „Stanchloams Erbe“ ebenfalls ergrauten Gruselmotiven: Asters Protagonist ist ein Viktor Frankenstein, der mit einer Prise Hochmut und Misanthropie angereichert wurde. Dem Poe’schen Erbe angemessen, bedient sich auch Aster des Tagebuchstiles, in dem er die Besessenheit seines Protagonisten darlegt und den epischen Vorverweis darauf, dass der Tagebuchschreiber damit kein glückliches Ende finden wird. Auch Aster kann man einen gekonnten Umgang mit verstaubtem Sprachspielzeug attestieren, und das Ende seiner Story hat einen angenehm düsteren Abgang, wenn es auch nicht vollkommen unerwartet über den Leser herfällt und der Weg dorthin kleine Unglaubwürdigkeiten zu verkraften hat.

|Jörg Kleudgen und Boris Koch| haben mit „Der Fluch von Mayfield“ keine so kraftvolle Verbeugung hinbekommen wie ihre Vorgänger. Auch hier wird der Leser mit alten Häusern, Familientragödien und schrecklichen Geheimnissen konfrontiert, aber leider ist es den beiden Autoren nicht geglückt, eine tragfähige Atmosphäre zu erzeugen, und die Story schleppt sich spannungsarm zu einem lahmen Ende. Schade!

|Mark Freiers| „Kleine Nachtgeschichte“ ist ein kurzer Sechsseiter, der sich ebenfalls den Themen Liebe, Mord und Wahnsinn widmet. Zwar ist die Story nicht brüllend originell und der Spannungsaufbau etwas holprig, dafür entschädigt einen aber die würdig poeske Auflösung.

_Schwächeres Licht in der Ahnengalerie._

Zwar habe ich Band 6 und Band 7 von |Edgar Allan Poes Bibliothek des Schreckens| noch nicht gelesen, aber von den Gelesenen führen noch immer folgende Bände diese Reihe an: „Die Weißen Hände“ von Mark Samuels (Band 4), „Spuk des Alltags“ von Alexander M. Frey (Band 3) und, konkurrenzlos, „Das Alptraum-Netzwerk“ von Thomas Ligotti (Band 2). „Der dünne Mann“ ist durchaus unterhaltsam und zeichnet sich durch unterschiedliche Autoren aus, aus deren Feder Werke von unterschiedlicher Qualität geflossen sind. Der Unterhaltungswert dieses Bandes ist hoch, hat aber auch unter einigen Einbrüchen zu leiden, brüllend originell ist hier nichts, aber an eine Hommage an Poe sollte man solche Ansprüche vielleicht auch nicht stellen. Für Genre-Fans durchaus interessant, Neueinsteiger sollten aber lieber auf die Originale zurückgreifen – oder auf die Bände zwei bis vier.

http://www.blitz-verlag.de

Samuels, Mark – weißen Hände und andere Geschichten des Grauens, Die (Edgar Allan Poes Phantastische Bibliothek 4)

Band 1: [„Grausame Städte“ 1018
Band 2: [„Das Alptraum-Netzwerk“ 1023
Band 3: [„Spuk des Alltags“ 1142

_Ring frei für Federfechter vier!_

Nachdem Markus K. Korb mit einem angemessenen Auftakt die Reihe gestartet und Thomas Ligotti einen grandiosen Meilenstein hinterhergeworfen hat, nachdem Alexander M. Frey mit kauzig verstaubter und rustikal charmanter Sprache die Lesegewohnheit auf den Kopf gestellt hat, wirft sich nun Mark Samuels in die Brust, um die Poe-Anhängerschaft mit neun Kurzgeschichten das Gruseln zu lehren. Der 1967 geborene Londoner veröffentlichte 2003 diese Sammlung über den Kleinverlag |Tartarus Press|, und der |BLITZ-Verlag sorgt hier und jetzt für die deutsche Erstveröffentlichung, löblicherweise ohne die Beschneidungen, die der britische Verlag vorgenommen hat.

_Gotisches Flair in modernen Häuserschluchten._

Samuels Geschichten spielen allesamt in der Moderne, verbreiten aber eine Stimmung, wie sie schon ein Lovecraft zu verbreiten wusste:

|Die weißen Hände.|

Die Geschichte des exzentrischen Literaturprofessors Alfred Muswell, der aufgrund seiner schrägen Ansichten von der Oxford University vertrieben wurde. Die Phantastik, behauptet er, ist die einzig wahre Form der Literatur, weil sie sich nicht dem lächerlichen Realismus verschreibe, sondern sich mit der Unendlichkeit befasse, die der Mensch durch „die Regeln der Realität“ zu ignorieren versuche. Der junge Journalist Harrington setzt sich mit dem kauzigen alten Mann in Verbindung, da er sich von ihm exklusive Informationen über die viktorianische Horror-Autorin Lilith Blake erhofft. Schnell zieht der Professor den jungen Mann in seinen Bann, sodass der selbst die realitätssprengende Kraft zu spüren beginnt, die hinter Blakes Worten lauert …

Diese Geschichte ist ein toller Tauchgang in den Wahnsinn, eine Fundgrube düsterer Ansichten und Zitate, und außerdem die perfekte Inspiration für die Bucheinkaufsliste des Phantastik-Interessierten. Auch wenn das Finale nicht ganz so hinreißend ist, schlägt einen doch die Stimmung in ihren Bann: Das langsame Gleiten von der „vernünftigen Sicht der Dinge“ in das Unheimliche, das durch Lilith Blakes Werke freigelegt werden kann.

|Das letzte Spiel des Großmeisters.|

Schach-Horror um einen Priester, der sein letztes, großes Spiel antreten muss.

Subtiler Grusel um zwei Figuren, die augenscheinlich vollkommen zufällig aufeinander prallen, deren Vergangenheit aber eine bizarre Verbindung aufweist, die sich erst im Laufe der Geschichte eröffnet. Stimmungsvoll und interessant, störend nur, dass Samuels hier die Hintergründe seiner Figuren über Gedankenrückblenden vermittelt.

|Momentaufnahmen des Schreckens.|

Mit Abstand die beste Erzählung in diesem Sammelband! Ein Architekt, der mit rätselhaftem Gedächtnisverlust aufgesammelt wurde, ist von einem Gebäude fasziniert, das er von seinem Büro aus betrachten kann: Ein kaltes Hochhaus, das scheinbar jeder Firma, die darin einzieht, den Ruin beschert. Eines Tages erfährt unser Architekt, dass der Erbauer dieses Hochhauses ein Kunstprojekt darin installiert hat. Eine Gelegenheit, die er sich nicht entgehen lassen kann …

Die Stimmung dieser Erzählung zerrt bis zum Ende an den Nerven, nur um dem Leser mit der finalen Wendung endgültig den Todesstoß zu verpassen! Mit einem Wort: Grandios!

|Appartement 205.|

Pieter Slokker wird mitten in der Nacht aus seinem Bett geholt, weil ein seltsamer Wohngenosse gegen seine Tür schlägt. Er könne keine Einsamkeit mehr aushalten, sagt sein Gast, verschwindet aber gegen Morgengrauen wieder und ist seitdem unauffindbar. Pieter begibt sich in das Appartement des mysteriösen Fremden, findet dort eine okkulte Vorrichtung, seltsame Bücher und Fenster, die allesamt mit Zeitungen abgeklebt wurden.

Zugegeben: Pieter Slokker verhält sich manchmal etwas arg erzwungen, „innerer Drang“ ist oft die einzige Erklärung für Entscheidungen, und „Schlüsselduplikationen“ via Wachsabdruck sind seit dem „Tatort“ von 1980 sicher auch nicht „up to date“. Aber das macht nichts. Die Geschichte selbst fängt diesen Schönheitsfehler auf, „Appartement 205“ ist erneut ein Tauchgang hinter die Fassaden der Realität; verstörend, unheimlich, und weit über plattem „Geister gibt es doch!“-Niveau. Wiederum hat es Samuels geschafft, die absolute Einsamkeit desjenigen darzustellen, der den Schein des Wirklichen durchstoßen hat, würdige Schritte auf Lovecrafts Pfaden also, und unbedingt lesenswert!

|Die Sackgasse.|

David Cohen nimmt eine Stelle in der Ulymas-Corporation an und bearbeitet dort extrem bizarre Fälle von Urheberrechts-Verletzungen. Scheinbar zerstörte Computer, mit Papier befüllt, apathische Angestellte und eine ultraschräge Firmenvorstellung von der Beschaffenheit der Zeit … Was David Anfangs noch für einen Scherz seiner zukünftigen Kollegen hält, bekommt schnell einen unheimlichen Sinn …

Die Stimmung ist wunderbar beklemmend und ausweglos, von Thomas Wagner im Nachwort sehr treffend als „Kafkaesker Alptraum“ beschrieben. Enttäuschend nur, dass das Finale zu rasch über uns herfällt, da wurde Potenzial verschwendet.

|Kolonie.|

Conrad Smith spürt den unerklärlichen Drang, in ein namenloses, verfallenes Viertel Londons zu ziehen. Gestalten streifen dort herum, mit maskenhaften Gesichtern praktizieren sie Rituale in der Dunkelheit. Conrad fühlt sich davon immer mehr in den Bann gezogen …

Definitiv die schwächste Geschichte dieses Bandes. Ein knapper, spannungsloser Abklatsch von Lovecrafts [„Schatten über Innsmouth“. 506

|Vrolyck.|

Die Geschichte von Trefusis Vrolyck, einem einzelgängerischen Autor, der sich während seiner Schlaflosigkeit in ein einsames Café setzt, um dort vor sich hin zu grübeln. Eines Nachts setzt sich Emily Curtis zu ihm an den Tisch, eine Gleichgesinnte, die ebenfalls nachts kein Auge schließen kann. Sie stört sich nicht an der weißen Schminklotion, die Vrolyck überzieht, sondern interessiert sich für seinen Roman „Die Dybbuk-Pyramide“. Nie hätte sie gedacht, welche Folgen die Lektüre dieses Werk haben könnte, für sich und den Rest der Welt …

Diese Story ist wieder wesentlich kraftvoller als der Vorgänger, mit schrägen Ideen gespickt, und mit überraschenden Wendungen aufgepeppt. Samuels hat die Titelfigur außerdem an Thomas Ligotti angelehnt, der selbst diese Kurzgeschichte gelesen hat und Samuels mit Verbesserungsvorschlägen zur Seite stand. Interessant!

|Auf der Suche nach Kruptos.|

Ein Student bricht auf, um nach Thomas Ariel zu suchen, einem Metaphysiker, der mit seinen Gedanken die Welt verstörte und in Aufruhr brachte. Sein Werk „Kruptos“ wurde nie veröffentlicht, obwohl gerade darin entscheidende Enthüllungen über das Universum und die Existenz im Allgemeinen zu stehen scheinen. Irgendwann glaubt der Student dann gefunden zu haben, wonach er sucht…

Was wie eine gewöhnliche Suchexpedition beginnt, wird, beinahe ohne Übergang, zu einem esoterischen Alptraum, in dem Zeit und Raum ihre Bedeutung verlieren. Aber gerade da, wo man denkt, sich in diesem Delirium zu verlieren, reißt einen das Finale in die „Realität“ zurück. Bizarr!

|Schwarz wie die Finsternis.|

Jack Wells findet die Spur seiner lang verflossenen Liebe und stößt dabei auf ein Geheimnis, das seinen besten Freund betrifft, aber auch das Verständnis vom Tod allgemein.

Nett sind hier die Querverweise zu den Ideen, die in „Die weißen Hände“ entwickelt wurden. Lilith Blake kommt hier zu Wort, und Professor Muswell, aber ansonsten ist diese Story eher mau, auch wenn das Geheimnis von Jacks bestem Freund dann doch etwas überrascht.

_Guter Kampf trotz gelegentlichen Punktabzugs._

Mark Samuels sagt es selbst in seinem Nachwort: „Meistens sind meine Figuren wenig mehr als Marionetten oder Affen in menschlichem Gewand“. Aber das macht nichts, die Figuren sind Statisten vor grandiosem Hintergrund, oft würde es sogar stören, wenn die kunstvollen Demontagen der Realität von allzu viel figürlicher Tiefe verwässert würden. Pieter Slokker ist Medizinstudent, und Schluss. Wen interessiert denn schon, für welche Fächer er sich eingeschrieben hat, warum er studiert, ob er reich oder arm ist, ob er sein Studium ernst nimmt oder nicht? Nein, das Einzige, was interessiert, ist das Unheimliche, das er in Appartement 205 vorfindet, das ihn verfolgt und an den Rand des Erträglichen treibt. Das Weltliche hat in den Storys von Mark Samuels nur wenig Platz, und genau das ist es auch, was ihnen diese herrlich entrückte Stimmung verleiht.

„Die weißen Hände und andere Geschichten des Grauens“ kann daher jedem Freund subtiler Horror-Storys nur wärmstens empfohlen werden. Hier gibt es keine Schlachtplatten und Gewaltausbrüche, die Angst schleicht sich auf leisen Sohlen an und bleibt einem lange im Genick sitzen. Die beiden schwächeren Storys „Kolonie“ und „Schwarz wie die Finsternis“ verringern die Qualität dieser Sammlung nur wenig, tun außerdem der Kaufempfehlung keinen Abbruch. Zwar würde ich nicht so weit gehen wie der Klappentext und behaupten, dass „[…]Machen, Lovecraft oder Ligotti stolz sein würden“, es geschrieben zu haben, aber schämen würden sie sich wohl auch nicht. Ein besonderes Lob auch an das Nachwort diesmal: Wie immer eine Beleuchtung des Autors und seines Werkes, aber auch ein Interview gibt es dort zu lesen, das einem die Hintergründe der Geschichten offenbart.

Samuels hat mit „Black Altars“ noch einen zweiten Kurzgeschichtenband geschrieben, der auf seine deutsche Erstveröffentlichung wartet. Mit viel Glück wird sich der BLITZ-Verlag auch diese Anthologie unter den Nagel reißen, ebenso wie die dritte Storysammlung, die sich gerade noch in Arbeit befindet. Zwar widmet sich Samuels momentan der Überarbeitung seines Romans „The Face of Twilight“, aber ehrlich gesagt halte ich nach dem, was ich hier gelesen habe, die Kurzgeschichte für Samuels ausgemachtes Territorium und befürchte, dass seinen Ideen und seinen Plastikfiguren auf Romanlänge schon die Puste ausgeht. Reine Spekulation, natürlich, und gerne werde ich mich eines Besseren belehren lassen. „Die Weißen Hände“ jedenfalls wird sich in jeder gut sortierten Gruselsammlung wohl fühlen.

http://www.BLITZ-Verlag.de

Edgar Allan Poe – Der Doppelmord in der Rue Morgue

Ein grausiger Doppelmord an einer Frau und ihrer Tochter stellt die Pariser Polizei vor ein Rätsel. Die beiden Frauen sind in ihrer Wohnung in der Rue Morgue auf brutale Weise zugerichtet worden. Das Mädchen fand man mit verrenkten Gliedern, wie sie in den Kamin geschoben wurde, ihre Mutter dagegen geköpft auf dem Straßenpflaster liegend, nachdem sie aus dem Fenster geschleudert worden war. Obwohl zahlreiche Zeugen befragt werden und sich die Aussagen bis auf wenige Abweichungen decken, fehlt von einem Täter jede Spur. Doch die Befragten berichten alle von mindestens einer weiteren, dritten Person, die sich zum Zeitpunkt des Mordes im Haus befand, das ansonsten völlig leer stand. Wie nur war es dem Mörder gelungen, unbemerkt zu fliehen und keine Spur zu hinterlassen, die die Polizei wenigstens auf eine Fährte gelockt hätte?

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