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Poe, Edgar Allan – Maske des roten Todes, Die (Gruselkabinett 46) (Hörspiel)

_Poe-Grusel im Kombipack: ein unvergesslicher Maskenball!_

Italien um 1750: Im ganzen Land wütet eine tödliche Seuche, genannt der Rote Tod. Der genusssüchtige Landesfürst Prinz Prospero verschließt die Augen vor den Nöten seiner Untertanen. Er lässt sogar die Zugänge zu seinem größten Landsitz, einer alten Abtei, verbarrikadieren und feiert dort mit Gleichgesinnten ein ausschweifendes Fest nach dem anderen. Für einen Maskenball fehlt ihm indes noch die rechte Idee, um ihn unvergesslich zu machen … (Verlagsinfo)

Der Verlag empfiehlt das Hörspiel ab 14 Jahren.

_Der Autor_

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia, auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Sciencefiction, Short Story. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Der Erzähler: Hasso Zorn
Roter Tod: Axel Lutter
Prinz Prospero: Ernst Meincke
Erster Minister: Uli Krohm
Zweiter Minister: Viktor Neumann
Dritter Minister: Alexander Turrek
Hopp-Frosch: Sven Plate
Tripetta: Daniela Reidies
Giulietta: Reinhilt Schneider
Kutscher: Peter Reinhardt

Das Skript schrieb Marc Gruppe, der mit Stepahn Bosenius auch Regie führte. Die Aufnahme erfolgte in den Planet Earth Studios. Die Illustration ist von Firuz Askin.

_Handlung_

Um das Jahr 1750 herum wütet der Rote Tod in Europa. Die Symptome sind grausig, denn es dauert nur eine halbe Stunde, bis das Opfer aus allen Poren blutet und elendig verendet. Es ist eine Nacht, in der das Käuzchen schreit und kein Wanderer allein unterwegs sein sollte. Doch die hübsche Tripetta hat sich mit ihrem Gefährten auf den Weg gemacht, um ein besseres Heim zu finden. Da hören sie eine Kutsche, die lärmend und peitschenknallend durch die Nacht rumpelt. Wer mag dies wohl sein und können sie sie wohl mitnehmen?

Es ist Prinz Prospero, der mit seinen drei Ministern lachend und wohlgelaunt vom Besuch eines gewissen Etablissements zurückkehrt. Als er die zwei Gestalten erblickt, lässt er halten. Der Prinz ist offen für alle Arten von Vergnügungen, und wer weiß, was hier wohl auf ihn wartet? Schon die Zwergin bringt ihn zum Kichern, doch erst recht ihr Freund, den er in einem Anfall von Inspiration „Hopp-Frosch“ tauft. Sie behaupten, sie kämen aus einem Zirkus, sie sei eine Tänzerin und er ein Luftakrobat. Als sie berichten, sie wären dem Roten Tod entkommen, tritt kurz Stille ein. Aber das war ja schon heute Morgen, es besteht also keinerlei Gefahr mehr. Sie dürfen mit. Was für ein leckeres Frauenzimmer!

Der Prinz hat – welch ein Genie – schon wieder einen Einfall: Er will dem anrückenden Roten Tod entkommen, in dem er sich und seine Gefolgsleute in der Festung der alten Abtei einschließt. Nur Geladene dürfen bei ihm bleiben, der Rest – nun ja. Und Hopp-Frosch wird sein Hofnarr, verstanden? Wenn sie nicht ausgesperrt werden, müssen Trippetta und ihr Freund wohl gute Miene zum bösen Spiel machen. Auch wenn die Ungerechtigkeit und Demütigung zum Himmel schreit.

Die neue Kurtisane des Prinzen ruft wenige Tage später die zwei Freunde zu ihrem Herrn. Er plant ein Fest, das anders als alle anderen sein soll, ein Maskenball, und dafür fordert er von seinem Hofnarren Einfälle. Na, wird’s bald! Wie alle wissen, bekommt Wein Hopp-Frosch nicht, doch er wird solange abgefüllt, bis die Ideen nur so aus ihm heraussprudeln.

Der Akrobat stellt sich sieben Zimmer vor, jeweils durch Türen abgetrennt und jedes von anderer Farbe. Zu jeder vollen Stunde dürfen die Gäste ins nächste Zimmer wechseln, doch die volle Stunde solle von einer riesigen Pendeluhr geschlagen werden. Das letzte Zimmer jedoch, das erst um Mitternacht betreten werden dürfe, soll schwarz gestrichen sein und nur ein rotes Fenster dürfe es erleuchten, um alle Gäste in blutrotes Licht zu tauchen. Dann sollten alle wie vom Prinzen vorgesehen ihre Masken abnehmen. Bravo, bravo! Welch ein Einfall, lobt der Prinz und lässt die beiden Zirkusleute alles in die Wege leiten. In einer Woche steigt die Fete!

Mit den drei Ministern hat Hopp-Frosch jedoch einen ganz anderen Plan. Sie sollen auf dem Maskenball nicht wie gewöhnliche Sterbliche auftreten, sondern sich als Orang-Utans verkleiden. So sollen sie die Gäste erschrecken, als wären sie aus ihren Käfigen ausgebrochen. Allerdings müssten die Kostüme von ganz besonderer Beschaffenheit sein, um ihren Auftritt unvergesslich werden zu lassen ….

Am Vorabend des Festes beraten sich Tripetta und Hopp-Frosch wieder einmal auf den Zinnen. Tripetta ist bang zumute und hat Zweifel an ihrem Plan, doch er ist rachelüstern. Da bemerken sie einen Unbekannten, der sie belauscht. Er bittet sie, keine Angst zu haben. Er sei ihnen dankbar für den Auftritt auf dem Fest, den sie ihm ermöglicht hätten. Als sie ihn anzweifeln, versichert er ihnen: „Ich spaße nie!“ Und weg ist er.

Der Abend ist gekommen, der Maskenball kann beginnen. Und ja, es werden wie vom Prinzen verlangt jede Menge Überraschungen geboten werden …

_Mein Eindruck_

Schon als ich die beiden Erzählungen Poes zum ersten Mal las, kamen sie mir einzeln ein klein wenig dürftig vor. Das lag daran, dass jede nur, Poes Literaturtheorie gemäß, eine einzige Idee ausspielte. Dabei passen „Die Maske des Roten Todes“ (masque bedeutet auch „Maskenball) und „Hopp-Frosch“ ausgezeichnet zusammen. In Kombination präsentieren sie vor dem Hintergrund einer einzigen Epoche eine doppelte Sensation, so dass der Gehalt dieser Inszenierung weitaus dichter und reichhaltiger erscheint. Es ist, als hätte diese Geschichte nur auf ihr Erscheinen gewartet.

Wie jeder Kenner weiß, ereilt die drei Minister schon bald ihr allzu feuriges Schicksal. Doch während sie kreischen, halten die adeligen und vergnügungssüchtigen Gäste ihr Herumhampeln für einen Teil der Attraktion. Nur die Kurtisane des Prinzen erfüllt ein Gefühl der Beklommenheit, so als stimme etwas nicht. Diese Befürchtung soll sich auf schrecklichste Weise erfüllen.

Denn schon Poe hat in seinen Vorlagen eine Kombination aus Moritat, schwarzer Romantik und Sozialkritik formuliert. Ein Herrscher, der seine Untertanen ihrem Schicksal überlässt und sich derweil dem Vergnügen widmet, hat in Poes Augen jede Legitimation verloren. Die Minister sind in dieser Haltung der Selbst- und Vergnügungssucht seine Komplizen und verdienen ein Schicksal, das keinen Deut besser ist.

Doch der Tod lässt sich vielleicht aufschieben und aussperren, doch man kann ihn nicht um seine Opfer betrügen. Schlag Mitternacht schlägt also den Anwesenden im schwarzroten Zimmer das letzte Stündlein. Und in dieser Stunde, da die Masken fallen, entpuppt sich nur der Totenschädel des roten Todes von beängstigender Authentizität, während alle anderen nur die Maske des schönen Scheins tragen. Und so ist ihr Schicksal besiegelt. Nun zeigt sich, wer in Wahrheit herrscht. Nur zwei Gestalten entkommen der alten Abtei: Die Rechtschaffenen.

Das Stück ist schon bei Poe eine Moritat über Verantwortung der Herrschaft und die Bürde der Schuld, wenn die Beherrschten im Stich gelassen werden. Doch man kann die Vorlage auch anders lesen: Sie erinnert fatal an den Holocaust während des Zweiten Weltkriegs und die neutrale Haltung des Vatikans. Sie wurde bereits von Rolf Hochhuth in seinem Stück „Der Stellvertreter“ angeprangert (und später sehr gut verfilmt).

Hochhuth stellt die Frage, ob sich Kirchenvertreter in ihren „alten Abtei“ einschließen und die Augen vor dem Schicksal der Juden verschließen dürfen. Der Rote Tod als metaphorische Vorwegnahme des Holocaust also. Die Frage von Schuld und Sühne stellt sich von alleine. Poe antwortet kategorisch: Die Schuldigen müssen sich ihrem Urteil stellen. Und für sie kann es nur eines geben.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Die Stimmen der Sprecher sind je nach ihrem Geschlecht, ihrem Alter und ihrer jeweiligen Rolle optimal ausgewählt. Der Prinz ist natürlich der Obermacker, und Ernst Meincke spricht ihn mit entsprechend befehlsgewohnter Autorität und Überheblichkeit. Die Minister hingegen sind namenlos und folglich sind sonderlich unterscheidbar. Meistens lassen sie bloß lüstern oder gehässig, es sei denn sie schreien wie am Spieß.

Ihnen steht der Rote Tod gegenüber, recht unheimlich gesprochen von Axel Lutter, aber natürlich auch die Zirkusleute Tripetta und Hopp-Frosch. Daniela Reidies spricht die Tänzerin recht furchtsam und zweifelnd, doch Hopp-Frosch macht eine erstaunliche Entwicklung durch, vom zurückhaltenden Akrobaten zum rachelüsternen Vernichtungsmeister. Sven Plate lässt diese Verwandlung plausibel werden.

Zwischen diesen beiden Parteien steht jedoch Giulietta, die Kurtisane Prosperos. Reinhilt Schneider spricht die Hofdame zunächst mit entsprechender Hinterlist, doch je mehr sich das Maskenfest seinem blutigen Ende nähert mehr Angst muss die Figur an den Tag legen. Einen vernünftigen Grund gibt es dafür natürlich nicht, und so bleibt die Erklärung dieses Wandels rein den Gefühlen überlassen. Die Sprecher stellt dieses entscheidende Element recht angemessen, aber nicht mit vollster Überzeugung dar. Daneben zählt das Booklet noch eine Unzahl von Sprechern auf, die die Gäste akustisch verkörpern.

|Geräusche|

Die Geräusche sind recht genau die gleichen, wie man sie in einem realistischen Horrorfilm erwarten würde, und die Geräuschkulisse wird in manchen Szenen dicht und realistisch aufgebaut, meist aber reichen Andeutungen aus. So steht etwa das Wiehern von Pferden, Hufgetrappel und das Peitscheknallen für eine Kutsche, der Schrei eines Käuzchens für den Nachtwald, das Wellenrauschen das Meer am Fuße der Abtei usw.

In meinem Handlungsabriss habe ich eine Szene ausgelassen: den Besuch in einem Dorf, das dem roten Tod zum Opfer gefallen ist. Es ist, als würden die Kutschenpassagiere von Zombies angegriffen: Man kann sich das Röcheln und Lechzen nach Rettung wohl gut vorstellen, aber auch die erschrockene Fluchtreaktion der Fahrgäste.

In der alten Abtei herrscht eine ganz eigenartige Geräuschkulisse. Zwei Elemente seien besonders hervorgehoben, die neben dem üblichen Gelächter und Gläserklingen zum Tragen kommen. Das Erste ist ein unerklärliches und unerklärtes tiefes Quietschen, wie es entsteht, wenn ein großer Metallkörper an einem anderen reibt. Das Zweite ist das zischende Rauschen eines sehr großen Uhrpendels: Wuuusch! Dieses spezielle Pendel ist zwar längst nicht so groß wie jenes titelgebende in „Grube und Pendel“, aber doch von einer unheimlichen Regelmäßigkeit und Lautstärke. Den tiefen Glockenschlag kann man sich leicht hinzudenken, der dann besonders unheilvoll Schlag Mitternacht erdröhnt, und ein kalter Hauch fährt wieder einmal über die Gäste hinweg …

Eine besonders dynamische Szene ist hingegen der Auftritt der „Orang-Utans“. Die verkleideten drei Minister sind aneinandergekettet, was zu einem fortwährenden Kettengeklirr führt. Und sobald ihre Kostüme in Brand gesetzt sind, sorgt ein knisterndes Feuerchen für zusätzliche akustische Reize. Hinzukommt das panische Kreischen der Opfer.

|Musik|

Gleich zu Anfang stimmt die Musik den Zuhörer auf ein bedrohliches und unheimliches Drama ein. Mehrere Intermezzi wissen diese düstere Grundstimmung aufzulockern, und die Tanzmusik des Maskenballs weiß die Vergnügungen, denen die Gäste nachgehen, wohl anzudeuten. All dies kann natürlich das grausige Ende des Dramas nicht aufhalten. Den Ausklang bilden die klagende Kantilene einer Sängerin, eine Violine und eine Harfe – ein sanft schreitendes Adagio, das in der Ewigkeit verklingt.

|Das Booklet|

… enthält im Innenteil lediglich Werbung für das Programm von Titania Medien. Auf der letzten Seite finden sich die Informationen, die ich oben aufgeführt habe, also über die Sprecher und die Macher. Die Titelillustration von Firuz Akin fand ich wieder einmal sehr passend und suggestiv.

Firuz Akin hat auch eine Seite Werbung für sein Buch „Illustration“ bekommen, das Mitte Dezember im Heider Verlag erscheinen soll.

Diesmal sind in einem zusätzlichen Katalog Hinweise auf die nächsten Hörspiele zu finden:

Nr. 48: Bram Stoker: Die Squaw (November)
Nr. 49: Frederick Marryat: Der weiße Wolf (November)
Nr. 50: Das Gespenst von Canterville (März 11)
Nr. 51: Arthur Conan Doyle: Die Mumie (März 11)
Nr. 52: Robert E. Howard: Tauben aus der Hölle (April 11)
Nr. 53: William Hope Hodgson: Die Herrenlose (April 11)
Nr. 54 + 55: Alice & Claude Askew: Aylmer Vance – Abenteuer eines Geistersehers (Mai 11)

_Unterm Strich_

Regisseur Marc Gruppe hat in seinem Drehbuch die beiden Poe-Erzählungen „Die Maske des roten Todes“ und „Hopp-Frosch“ miteinander verbunden. Die thematische Verbindung legt nahe, dass man die beiden Storys verknüpft, und doch findet dies meines Wissens erstmals in diesem Hörspiel statt. Die wirkungsvolle Inszenierung verhilft der Aussage zu einer Eindringlichkeit, die nicht auf taube Ohren stoßen dürfte. Der Aussage nämlich, dass es sich nicht auszahlt, die Not der Untertanen zu ignorieren und zu glauben, dem Tod ein Schnippchen schlagen zu können. In sozialkritischer Weise erinnert das Stück deshalb ein wenig an „Final Destination“.

|Das Hörspiel|

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und Stimmen von Hollywoodstars einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen. Diesmal sind der Grusel des Maskenballabschlusses und die Dynamik des Racheaktes an den Ministern zu einer wirkungsvollen Mischung kombiniert, die keinen Hörer kalt lassen dürfte.

|Audio-CD mit 65 Minuten Spieldauer
Originaltitel: The Masque of the Red Death; Hop Frog, 1845/46
ISBN-13: 978-3785743898|
[www.titania-medien.de]http://www.titania-medien.de
[www.luebbe-audio.de]http://www.luebbe-audio.de

_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)
[„Der Glöckner von Notre-Dame“ 5399 (Gruselkabinett 28/29)
[„Der Vampir“ 5426 (Gruselkabinett 30)
[„Die Gespenster-Rikscha“ 5505 (Gruselkabinett 31)
[„Jagd der Vampire. Teil 1 von 2“ 5730 (Gruselkabinett 32)
[„Jagd der Vampire. Teil 2 von 2“ 5752 (Gruselkabinett 33)
[„Jagd der Vampire“ 5828 (Gruselkabinett 32+33)
[„Die obere Koje“ 5804 (Gruselkabinett 34)
[„Das Schloss des weißen Lindwurms“ 5807 (Gruselkabinett 35)
[„Das Bildnis des Dorian Gray (Gruselkabinett 36/37)“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5919
[„Die Maske des roten Todes“ (Gruselkabinett 46)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6735
[„Verhext“ (Gruselkabinett 47)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6734

Edgar Allan Poe – Eleonora (POE #12)

X-Mystery: Die Wahrheit ist dort draußen

„Eleonora“ ist der zwölfte Teil der Edgar-Allan-Poe-Reihe von LübbeAudio, die unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör bringt.

Ulrich Pleitgen hat auch an den ersten Hörbüchern der Serie mitgewirkt:

Edgar Allan Poe – Eleonora (POE #12) weiterlesen

Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Sieper, Marc / Hank, Dickky / Weigelt, Thomas – entwendete Brief, Der (POE #11)

_Überlistet: Die Rache des Detektivs_

„Der entwendete Brief“ ist der elfte Teil der Edgar-Allan-Poe-Reihe von |LübbeAudio|, die unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör bringt.

Ulrich Pleitgen hat auch an den ersten acht Hörbüchern der Serie mitgewirkt:

#1: [Die schwarze Katze 755
#2: [Die Grube und das Pendel 744
#3: [Der Untergang des Hauses Usher 761
#4: [Die Maske des Roten Todes 773
#5: [Sturz in den Mahlstrom 860
#6: [Der Goldkäfer 867
#7: [Die Morde in der Rue Morgue 870
#8: [Lebendig begraben 872

Die vier neuen Folgen der POE-Reihe sind:

#9: [Hopp-Frosch 1906
#10: [Das ovale Portrait 1913
#11: Der entwendete Brief
#12: Eleonora

Die nächsten vier Folgen sind:

14. Die längliche Kiste
15. Du hast es getan
16. Das Fass Amontillado
17. Das verräterische Herz

(Folge 13 wird bewusst ausgelassen …)

_Der Autor_

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Short Story. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten. Seine Literaturtheorie nahm den New Criticism vorweg.

Er stellt meines Erachtens eine Brücke zwischen dem 18. Jahrhundert und den englischen Romantikern (sowie E.T.A. Hoffmann) und einer neuen Rolle von Prosa und Lyrik dar, wobei besonders seine Theorie der Short Story („unity of effect“) immensen Einfluss auf Autoren in Amerika, Großbritannien und Frankreich hatte. Ohne Poe sind Autoren wie Hawthorne, Twain, H.P. Lovecraft, H.G. Wells und Jules Verne, ja sogar Stephen King und Co. schwer vorstellbar. Insofern hat er den Kurs der Literaturentwicklung des Abendlands maßgeblich verändert.

_Die Sprecher_

Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon mehrere Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. In der POE-Reihe interpretiert er den Edgar Allan Poe und andere Figuren

Iris Berben gehört zu den bekanntesten und profiliertesten Schauspielerinnen hierzulande. Ihr Repertoire umfasst Krimis („Rosa Roth“) ebenso wie Komödien und klassische Werke. Für ihre Leistungen wurde sie u. a. mit dem Bambi und mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet. In der POE-Serie interpretiert sie die weibliche Hauptrolle Leonie Goron und andere Figuren.

Außerdem wirken Till Hagen als Dr. Templeton sowie eine Reihe anderer Sprecher mit. Till Hagen wurde 1949 in Berlin geboren und erhielt seine Schauspielausbildung an der Max-Reinhardt-Schule. Zeitgleich drehte er seinen ersten Kinofilm, „7 Tage Frist“. Es folgten Engagements an den Stadttheatern Dortmund und Bielefeld. Später studierte er Deutsch und Theaterpädagogik. Als Sprecher beim Deutsche-Welle-Fernsehen und im Hörfunk wurde er genauso bekannt wie als Synchronstimme u. a. von Kevin Spacey.

|Das Titelbild|

Das monochrome Titelbild, das Simon Marsden (www.simonmarsden.co.uk) geschossen hat, zeigt bei „Der entwendete Brief“ ein Treppenhaus. Aber nicht irgendein Treppenhaus in einem Mietsblock, sondern offenbar handelt es sich um eine Art Schloss, wie sich anhand der großen Halle und des fein gedrechselten Holzes des Geländers ablesen lässt. Wer genau hinsieht, wird verblüfft bemerken, dass der Boden des oberen Treppenabsatzes aus Holzbohlen besteht, wie man sie nur in sehr alten Gebäuden finden würde – allein schon wegen der permanenten Feuergefahr. Wieder einmal fällt die geniale Behandlung von Hell und Dunkel auf.

Das Motiv der Rückseite ist immer noch das gleiche wie in der ersten Serie: das von leuchtendem Nebel umwaberte ausgebrannte Gemäuer einer alten Abtei, deren leere Fenster den Betrachter ominös anstarren.

|Das Booklet|

Jede CD enthält ein achtseitiges schwarz gehaltenes Booklet. Neben dem Eingangszitat auf Deutsch und Englisch wird hier auch der gesamte Stab und die Sprecherbesetzung der Rollen aufgeführt. Es gibt einen kleinen Abriss der Vorgeschichte sowie Informationen zur Gothicband |L’ÂME IMMORTELLE|. Die Rückseite der CD fasst die Handlung zusammen und listet die wichtigsten Mitwirkenden auf.

_Vorgeschichte_

Hinweis: Das neu gestaltete Booklet enthält einen kleinen Abriss der Vorgeschichte, so dass der Einstieg leichter fällt.

Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert und mittlerweile wieder entlassen wurde. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Schon acht Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Albträumen. Nach einem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führt. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe von Albträumen – über „Die Morde in der Rue Morgue“ – nicht verschont.

_Handlung_

Aus dem vorherigen Abenteuer wissen wir nun, dass „Dr. Templeton“ ein Hochstapler ist, der in Wahrheit Francis Baker heißt. Seine Halbschwester ist (war?) Lucy Monaghan. Es gibt eine Andeutung, dass Lucy und Leonie Dinge getan haben, die nicht ganz koscher sind. Wird Poe dahinter kommen? Garantiert!

Leonie und Poe wollen der Polizei diese Hintergründe enthüllen und auf die Toten in dem Landhaus hinweisen. Da geraten sie aber an die Falschen! In der Polizeiwache ist alles völlig verwahrlost, und das hätte sie stutzig machen sollen. Sobald der Name „Dr. Templeton“ gefallen ist, wird Leutnant Creedon gerufen, um sich der beiden anzunehmen. Doch ein echter Schock ist der Auftritt Templetons selbst, der Creedon eindringlich vor dem Wahnsinn seiner Ex-Patienten warnt.

|Der Traum|

In seiner Zelle hat Poe einen sonderbaren Traum. Darin tritt wieder einmal der Pariser Meisterdetektiv Auguste Dupin auf. Poe ist Dupins Freund geworden und befindet sich gerade in dessen Wohnung, als eine wunderschöne Frau eintritt. Die Prinzessin ist inkognito und möchte um keinen Preis ihren Namen verraten, doch der kostbare Ring an ihrem Finger trägt die Farben der Republik und ist ein guter Hinweis darauf, warum sie ihren Besuch geheim halten muss. (Der Zeitpunkt liegt offenbar VOR der Französischen Revolution. Danach gab es plötzlich wesentlich weniger Prinzessinnen …)

Der Grund: Ein wichtiger Brief wurde entwendet, der dem Dieb große Macht über die Prinzessin verleiht, wegen der Enthüllungen, die sie darin macht. Der Dieb ist bekannt: Es ist der Minister D. Zunehmend missbraucht er den Besitz des Briefes, um die Position der Prinzessin zu schwächen und selbst an Einfluss zu gewinnen. Doch es gelingt ihr nicht, den Brief zurückzubekommen: Die Polizei hat die Wohnung des Ministers ebenso durchsucht wie dessen Person – nichts.

Auguste Dupin kennt den Minister persönlich und hat keine angenehmen Erinnerungen an ihn. Dieser ist außerdem Dichter und Mathematiker – eine gefährliche Kombination, wie Dupin findet. Er verspricht der Prinzessin nicht nur Diskretion, sondern auch, den Brief binnen drei Tagen an sie zurückzugeben. Dann setzt er mit Poes Hilfe einen genialen Plan in die Tat um …

Als Poe erwacht, brennt vor dem Polizeirevier ein Heuwagen, und Chaos verbindet sich mit Panik. Im Durcheinander hilft Poes Freund George Appo den beiden Häftlingen, zu entkommen und bestimmte Dokumente mitzunehmen. Er bringt sie zu Sullivan’s Insel, wo er sie in Sicherheit glaubt. Er ahnt nicht, dass die beiden Sullivan’s Insel nur zu gut kennen … (nämlich aus „Der Goldkäfer“).

_Mein Eindruck_

Die Binnenhandlung um den Pariser Meisterdetektiv Auguste Dupin wird von einer der bekanntesten und am besten aufgebauten Erzählungen Poes überhaupt bestritten: „The Purloined Letter“. Dupin ist ja der Wegbereiter für den weitaus berühmteren Kollegen Sherlock Holmes und verfügt über ein ebenso großes deduktives Einfühlungsvermögen wie dieser. Dass er aber auch über durchtriebene Initiative verfügt, belegt das Abenteuer um den „entwendeten Brief“. Ich werde mich hüten, die Pointe zu verraten.

Ist der Traum der verkappte Wunsch Poes, aus seiner misslichen Lage durch eine Vaterfigur befreit zu werden? Nun, wenigstens ein Freund hilft ihm aus seiner Zelle, und dass die liebe Leonie mitkommt, ist Poe sicherlich recht. Iris Berben, die die Leonie spricht, hat mit dieser Rolle wesentlich weniger Arbeit als mit ihrer Rolle als Prinzessin.

Die Story der Prinzessin erfordert eine lange Anlaufzeit, um richtig verstanden zu werden, und erst wenn der Zuhörer – vertreten durch Mr. Poe – kapiert hat, was denn an diesem elenden Brief so Wichtiges dran ist, darf die Action starten. Diese Szene kann man sich durchaus auch als Filmszene vorstellen, und vielleicht schlummern in irgendwelchen Senderarchiven sogar solche Episoden auf der Basis von Poe-Erzählungen. Kinofilme zumindest gäbe es in Hülle und Fülle, meist mit Vincent Price in der Hauptrolle.

_Die Sprecher / Die Inszenierung_

|Mr. Poe alias Jimmy Farrell|

Pleitgen spielt die Hauptfigur, ist also in jeder Szene präsent. Er moduliert seine Stimme ausgezeichnet, um das richtige Maß an Erstaunen und Neugier darzustellen, wenn sein Poe der Begegnung zwischen Prinzessin und Dupin zuhört. Dieses Poe-Imago des 18. Jahrhunderts ist ziemlich verzagt und unbeholfen im Umgang mit Waffen, geradezu ein Schreibtischhengst par excellence. Man kann nur froh sein, dass Dupins Plans aufgeht, wenn Poe mitwirkt.

|Miss Leonie Goron / Prinzessin|

Iris Berben bietet Pleitgens melancholischem und nachdenklichem Poe einen lebhaften Widerpart mit ihrer Leonie Goron. Und wie der grüblerische Poe sogar selbst merkt, zeichnet sich Leonie durch ungewöhnlichen Scharfsinn und eine kluge Feinfühligkeit aus. Sie hat erheblichen Anteil an Poes Rettung in der Rahmenhandlung von Episode 5 („Mahlstrom“). Spätestens ab „Der Goldkäfer“ wirkt sie wie eine kluge Freundin, die durch ruhige Überlegung und kluge, verständnisvolle Fragen bald zu seiner unverzichtbaren Ratgeberin wird.

|Minister|

Jürgen Thormann ist fast schon ein allgegenwärtiger Synchronsprecher, obwohl er vielen Hörern mit Namen nicht vertraut ist. Er spielt häufig distinguierte ältere Herren, meist von Rang, die ein wenig arrogant wirken. Dies trifft natürlich auf den Minister, der sich für besonders schlau hält, in ganz besonderem Maße zu.

|Auguste Dupin|

Ein ganz besonderes Schmankerl ist die Aufnahme von Manfred Lehmann in den Kreis der Sprecher in dieser Episode. Wie schon in „Die Morde in der Rue Morgue“ bestreitet er die Rolle des Meisterdetektivs Auguste Dupin, und zwar mit seiner Synchronstimme für Gerard Depardieu. Dementsprechend klingt Dupin keineswegs herablassend, sonders vielmehr hintergründig und autoritativ, wenn er dem ahnungslosen Poe, seinem Stichwortgeber, (und gleichzeitig uns) die Zusammenhänge erklärt.

_Musik und Geräusche_

Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt. Die Geräuschkulissen sind entsprechend lebensecht und detailliert gestaltet. Bis auf die Eingangsszene sind aber diesmal alle Szenen in Interieurs eingerichtet, so dass der Sound eine untergeordnete Rolle spielt. Immerhin sind Effekte wie etwa Hall und ein sehr tiefes Bassgrummeln festzustellen, das Gefahr anzeigt.

Die Musik erhält daher eine umso wichtigere Bedeutung: Sie hat die Aufgabe, die emotionale Lage der fünf Hauptfiguren (Poe, Goron, Dupin, Prinzessin, Minister) und ihres jeweiligen Ambientes darzustellen. Diese rein untermalende Aufgabe ist auf den ersten Blick leichter zu bewerkstelligen als die Gestaltung ganzer Szenen, doch wenn es sich um actionarme Szenen wie diesmal handelt, zählt jede Note, jede Tonlage.

Musiker des Ensembles „Musical Halensis“ und des Filmorchesters Berlin sowie die Potsdamer Kantorei an der Erlöserkirche – sie alle wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen. Das Booklet führt die einzelnen Teilnehmer detailliert auf, so dass sich niemand übergangen zu fühlen braucht.

|Der Song|

In der dritten Staffel der Serie hat |Lübbe| den Abschlusssong, den zunächst Heinz Rudolf Kunze beisteuerte, ausgetauscht durch den deutschsprachigen Song „Fünf Jahre“ von der österreichischen Gothicband |L’ÂME IMMORTELLE|. Im Booklet finden sich Angaben zur Sängerin Sonja Kraushofer und Bandleader Thomas Rainer. Der Song ist dem aktuellen Album „Gezeiten“ entnommen, dessen Cover im Booklet abgebildet ist.

Entsprechend der Musikrichtung ist die Instrumentierung heavy, düster, aber zugleich gefühlvoll. Das erinnert an die Werke der inzwischen umstrukturierten Band |EVANESCENCE|.Wenigstens ist aber der Abschlusssong in deutscher Sprache gehalten und somit halbwegs verständlich.

_Unterm Strich_

Während in der Rahmenhandlung reichlich wenig passiert – und obendrein relativ Unplausibles -, wartet die Binnenhandlung mit einer ausgezeichnet umgesetzten literarischen Vorlage auf, die auf einer der besten Detektivstorys Poes beruht. Hier gibt es zwar keine gruselige Action wie in „Die Morde in der Rue Morgue“, aber Poe hat mehrfach solche Plots der „ratiocination“ eingesetzt, um deduktives Denken in erfolgreichem Einsatz zu demonstrieren.

Die neue Staffel weist ein ebenso hohes Qualitätsniveau wie die bisherigen zwei Staffeln auf. Ob die nächste Staffel (s. o.) wirklich wie angekündigt im November kommt, ist noch nicht sicher, wie der Webseite http://www.poe-hoerspiele.de zu entnehmen ist. Ulrich Pleitgen war bis Mitte Oktober mit Dreharbeiten beschäftigt.

|Basierend auf: The purloined letter, ca. 1845
58 Minuten auf 1 CD
Mehr Infos unter: http://www.poe-hoerspiele.de & http://www.luebbeaudio.de |

Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Sieper, Marc / Hank, Dickky / Weigelt, Thomas – ovale Portrait, Das (POE #10)

_Poe-Horror: Doktor Frankenstein lässt grüßen!_

„Das ovale Portrait“ ist der zehnte Teil der Edgar-Allan-Poe-Reihe von |LübbeAudio|, die unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör bringt.

Ulrich Pleitgen hat auch an den ersten acht Hörbüchern der Serie mitgewirkt:

#1: [Die schwarze Katze 755
#2: [Die Grube und das Pendel 744
#3: [Der Untergang des Hauses Usher 761
#4: [Die Maske des Roten Todes 773
#5: [Sturz in den Mahlstrom 860
#6: [Der Goldkäfer 867
#7: [Die Morde in der Rue Morgue 870
#8: [Lebendig begraben 872

Die vier neuen Folgen der POE-Reihe sind:

#9: [Hopp-Frosch 1906
#10: Das ovale Portrait
#11: Der entwendete Brief
#12: Eleonora

Die nächsten vier Folgen sind:

14. Die längliche Kiste
15. Du hast es getan
16. Das Fass Amontillado
17. Das verräterische Herz

(Folge 13 wird bewusst ausgelassen …)

_Der Autor_

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Short Story. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten. Seine Literaturtheorie nahm den New Criticism vorweg.

Er stellt meines Erachtens eine Brücke zwischen dem 18. Jahrhundert und den englischen Romantikern (sowie E.T.A. Hoffmann) und einer neuen Rolle von Prosa und Lyrik dar, wobei besonders seine Theorie der Short Story („unity of effect“) immensen Einfluss auf Autoren in Amerika, Großbritannien und Frankreich hatte. Ohne Poe sind Autoren wie Hawthorne, Twain, H.P. Lovecraft, H.G. Wells und Jules Verne, ja sogar Stephen King und Co. schwer vorstellbar. Insofern hat er den Kurs der Literaturentwicklung des Abendlands maßgeblich verändert.

_Die Sprecher_

Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon mehrere Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. In der POE-Reihe interpretiert er den Edgar Allan Poe und andere Figuren

Iris Berben gehört zu den bekanntesten und profiliertesten Schauspielerinnen hierzulande. Ihr Repertoire umfasst Krimis („Rosa Roth“) ebenso wie Komödien und klassische Werke. Für ihre Leistungen wurde sie u. a. mit dem Bambi und mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet. In der POE-Serie interpretiert sie die weibliche Hauptrolle Leonie Goron und andere Figuren.

Außerdem wirken Till Hagen als Dr. Templeton sowie eine Reihe anderer Sprecher mit. Till Hagen wurde 1949 in Berlin geboren und erhielt seine Schauspielausbildung an der Max-Reinhardt-Schule. Zeitgleich drehte er seinen ersten Kinofilm, „7 Tage Frist“. Es folgten Engagements an den Stadttheatern Dortmund und Bielefeld. Später studierte er Deutsch und Theaterpädagogik. Als Sprecher beim Deutsche-Welle-Fernsehen und im Hörfunk wurde er genauso bekannt wie als Synchronstimme u. a. von Kevin Spacey.

|Das Titelbild|

Das monochrome Titelbild, das Simon Marsden (www.simonmarsden.co.uk) geschossen hat, zeigt eine äußerst kunstvolle Anordnung von Objekten in einem Salon. Die linke Hälfte des Bildes wird dominiert von einer ausgestopften Schneeeule, in der rechten Hälfte erblicken wir in einem ovalen Spiegeln ein antikes Zimmer, das auf ein französisches Fenster mit gotischem Spitzgiebel hinausblickt. Alles in allem ein Fest für das Auge eines kenntnisreichen Innenarchitekten. Ein Portrait, wie es im Titel erwähnt wird, ist jedoch weit und breit nicht zu entdecken (oder ich habe meine Lupe vergessen).

Das Motiv der Rückseite ist immer noch das gleiche wie in der ersten Serie: das von leuchtendem Nebel umwaberte ausgebrannte Gemäuer einer alten Abtei, deren leere Fenster den Betrachter ominös anstarren.

|Das Booklet|

Jede CD enthält ein achtseitiges schwarz gehaltenes Booklet. Neben dem Eingangszitat auf Deutsch und Englisch wird hier auch der gesamte Stab und die Sprecherbesetzung der Rollen aufgeführt. Es gibt einen kleinen Abriss der Vorgeschichte sowie Informationen zur Gothicband |L’ÂME IMMORTELLE|.Die Rückseite der CD fasst die Handlung zusammen und listet die wichtigsten Mitwirkenden auf.

_Vorgeschichte_

Hinweis: Das neu gestaltete Booklet enthält einen kleinen Abriss der Vorgeschichte, so dass der Einstieg leichter fällt.

Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert und mittlerweile wieder entlassen wurde. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Schon acht Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Albträumen. Nach einem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führt. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe von Albträumen – über „Die Morde in der Rue Morgue“ – nicht verschont.

_Handlung_

In New Orleans ist eine Feuersbrunst ausgebrochen, in deren Verlauf Appos Haus niederbrennt. Ob das wohl ein Zufall ist? In einer Hafenschenke bekommt Poe einen Tipp, an wen er sich wenden soll. Auf einer Landzunge trifft er George Appo wieder, Poes Freund. Der schickt ihn in eine Wäscherei, die offenbar ebenfalls zu Appos chinesischem Geheimbund gehört. So kommt es, dass Poe, verborgen in einem Wäschekorb, in Dr. Templetons Domizil Zugang findet. In diesem Landhaus sucht er die entführte Leonie.

Nach seinem Ausbruch aus dem verschlossenen Korb sieht sich Poe in der Wäschekammer im Keller um, muss sich aber sofort vor einem Bediensteten verstecken, der Templeton beim Namen „Deibler“ ruft. Nanu, so hieß doch Poes Wärter in der Nervenheilanstalt! Und da läuft auch die einäugige Katze, die Deibler sucht, herum – genau wie in Poes Traum.

Bei einer ersten Erkundung der verlassenen Halle entdeckt Poe ein Tagebuch und hinter einem Vorhang ein ovales Porträt: Es zeigt unverkennbar Lucy Monaghan, Leonies Schwester, die in Dr. Templetons Landhaus verschwand. Lebt sie noch? Und wo ist Leonie? Dieses Haus scheint einem ehemaligen Sklavenhändler gehört zu haben.

Mit Schlüsselbund und Laterne begibt sich Poe in die unteren Gewölbe des Hauses, wo früher die Sklaven eingesperrt wurden. Sie sind in den blanken Fels eingehauen und mögen Gott weiß was beherbergen. In einer Kette hängt noch ein einsamer menschlicher Armknochen – das verheißt nichts Gutes. Aus einer Zelle befreit er mit Hilfe der Schlüssel Leonie, der zum Glück nichts passiert ist, denn Templeton wollte sie bloß über Lucy Monaghan ausfragen.

Es gibt noch andere Gefangene … einen Alligator im Abwasserkanal … und einen piekfeinen Operationssaal. Offenbar hat der gute Doktor, ein Jünger Viktor Frankensteins, Versuche am Gehirn lebender Menschen vorgenommen. Auf dem OP-Tisch liegt ein toter, aber nicht verwester Körper. Anhand des Drachenrings an der Hand des Mannes erkennt Poe in ihm den verschwundenen Appo, den Bruder seines Freundes.

Da hören die beiden Stimmen von oben. Templeton und Deibler bereiten ihre Abreise in den Norden vor. Dem muss Poe Einhalt gebieten. Er stürzt sich auf Deibler und den teuflischen Doktor …

_Mein Eindruck_

Diese Episode hat in der Binnenhandlung herzlich wenig mit der literarischen Vorlage „The Oval Portrait“ zu tun, aber der Hörer wird dafür mit einer actionreichen Rahmenhandlung entschädigt. Der zuvor immer so verzagt wirkende Mister Poe alias Jimmy Farrell geht nun zum Angriff über und liefert sich mit Dr. Templeton alias Francis Baker ein Degenduell, das einem Douglas Fairbanks („Zorro“) zur Ehre gereicht hätte. Woran liegt es nur, dass er so wütend ist?

Der plausibelste Grund hat zwei schöne Augen und sicherlich zwei ebenso schöne Beine: Leonie Goron. Dass sie im Kerker in Lebensgefahr geraten ist, kann Poe als Gentleman alter Schule natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Außerdem hat Templeton/Baker einiges auf dem Kerbholz, was Poes eigene Familie und Vergangenheit anbelangt. Wer weiß, was da noch alles ans Tageslicht kommen wird. Dass Templeton Menschenversuche unternommen hat, lässt nichts Gutes erwarten.

_Die Sprecher_

|Mr. Poe alias Jimmy Farrell|

Pleitgen spielt die Hauptfigur, ist also in jeder Szene präsent. Er moduliert seine Stimme ausgezeichnet, um das richtige Maß an Entsetzen, Erstaunen oder Neugier darzustellen. In dieser Folge spielt die Entdeckung seiner Vergangenheit und Identität eine größere Rolle als irgendwelche Träume. Eine andere Figur kommt daher nicht vor. Aber die stimmliche Darstellung von Poes misslicher Lage in der Sargkammer fordert den Sprecher bis an die Grenzen seiner Ausdrucksmöglichkeiten: Anfängliche Panik wechselt ab mit Beruhigung und anschließendem Denken, nur um um erneut von einer Panikattacke hinweggefegt zu werden.

|Miss Leonie Goron|

Iris Berben bietet Pleitgens melancholischem und nachdenklichem Poe einen lebhaften Widerpart mit ihrer Leonie Goron. Und wie der grüblerische Poe sogar selbst merkt, zeichnet sich Leonie durch ungewöhnlichen Scharfsinn und eine kluge Feinfühligkeit aus. Sie hat erheblichen Anteil an Poes Rettung in der Rahmenhandlung von Episode 5 („Mahlstrom“). Spätestens ab „Der Goldkäfer“ wirkt sie wie eine kluge Freundin, die durch ruhige Überlegung und kluge, verständnisvolle Fragen bald zu seiner unverzichtbaren Ratgeberin wird. Leider sind diese Qualitäten diesmal fast gar nicht gefragt, so dass ihre Figur in dieser Episode unverdient blass erscheint.

|Dr. Templeton / Baker|

Die Figur des Dr. Templeton alias Francis Baker wird im Booklet als „Imago“ bezeichnet, das heißt, dass diese Figur in zahlreichen anderen Gestalten auftreten kann, quasi wie ein Archetyp des Psychologen Carl Gustav Jung. Till Hagens Stimme ist unverkennbar, und viele von uns erkennen sie als die Synchronstimme von Kevin Spacey. Allerdings spricht Till Hagen weniger leise als in den meisten Spacey-Filmen, sondern vielmehr deklamiert er wie Jonathan Pryce in „Fluch der Karibik“, sowohl in „Das ovale Portrait“ als auch in „Hopp-Frosch“ und „Der entwendete Brief“.

_Musik und Geräusche_

Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt. Die Geräuschkulissen sind entsprechend lebensecht und detailliert gestaltet. Bis auf die Eingangsszene sind aber diesmal alle Szenen in Interieurs eingerichtet, so dass der Sound eine untergeordnete Rolle spielt. Immerhin sind Effekte wie etwa Hall – für eine Art inneren Monolog – und ein sehr tiefes Bassgrummeln festzustellen, das Gefahr anzeigt. In der Sargkammer erklingt Poes Stimme verzerrt, als dränge sie aus einer Tonne.

Die Musik erhält daher eine umso wichtigere Bedeutung: Sie hat die Aufgabe, die emotionale Lage der zwei Hauptfiguren und ihres jeweiligen Ambientes darzustellen. Diese rein untermalende Aufgabe ist auf den ersten Blick leichter zu bewerkstelligen als die Gestaltung ganzer Szenen, doch wenn es sich um actionarme Szenen wie diesmal handelt, zählt jede Note, jede Tonlage.

Die serientypische Erkennungsmelodie erklingt in zahlreichen Variationen und wird von unterschiedlichsten Instrumenten angestimmt. Als Templeton erwähnt, er spiele – wie einst Roderick Usher – Geige, erklingt das Poe-Motiv erneut, allerdings gespielt auf einer Kirchenorgel. Und genau so eine Orgel spielte Usher in der entsprechenden Hörspiel-Episode. Danach wird das Motiv auf einer Harfe wiederholt, um die Wirkung romantischer zu gestalten.

Musiker des Ensembles „Musical Halensis“ und des Filmorchesters Berlin sowie die Potsdamer Kantorei an der Erlöserkirche – sie alle wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen. Das Booklet führt die einzelnen Teilnehmer detailliert auf, so dass sich niemand übergangen zu fühlen braucht.

|Der Song|

In der dritten Staffel der Serie hat Lübbe den Abschlusssong, den zunächst Heinz Rudolf Kunze beisteuerte, ausgetauscht durch den deutschsprachigen Song „Fünf Jahre“ von der österreichischen Gothicband „L’Âme Immortelle“. Im Booklet finden sich Angaben zur Sängerin Sonja Kraushofer und Bandleader Thomas Rainer. Der Song ist dem aktuellen Album „Gezeiten“ entnommen, dessen Cover im Booklet abgebildet ist.

Entsprechend der Musikrichtung ist die Instrumentierung heavy, düster, aber zugleich gefühlvoll. Das erinnert an die Werke der inzwischen aufgelösten Band „Evanescence“. Wenigstens ist aber der Abschlusssong in deutscher Sprache gehalten und somit halbwegs verständlich.

_Unterm Strich_

Die erfundene Rahmenhandlung übernimmt wieder einmal die Regie und drängt die Storyvorlage in den Hintergrund. Neue Entdeckungen, neuer Horror, neue Wut – so ließe sich der Plot lakonisch zusammenfassen. Aber der Zuhörer kommt dennoch durch die Actionszenen voll auf seine Kosten. Und Leonie ist mal wieder gerettet.

Die neue Staffel weist ein ebenso hohes Qualitätsniveau wie die bisherigen zwei Staffeln auf. Ob die nächste Staffel (s. o.) wirklich wie angekündigt im November kommt, ist noch nicht sicher, wie der Webseite http://www.poe-hoerspiele.de zu entnehmen ist. Ulrich Pleitgen war bis Mitte Oktober mit Dreharbeiten beschäftigt.

|Basierend auf: The oval portrait, ca. 1845
65 Minuten auf 1 CD|

Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Sieper, Marc / Hank, Dickky / Weigelt, Thomas – Hopp-Frosch (POE #9)

_Poe-Horror: Rache ist süß_

„Hopp-Frosch“ ist der neunte Teil der Edgar-Allan-Poe-Reihe von |LübbeAudio|, die unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör bringt.

Ulrich Pleitgen hat auch an den ersten acht Hörbüchern der Serie mitgewirkt:

#1: [Die schwarze Katze 755
#2: [Die Grube und das Pendel 744
#3: [Der Untergang des Hauses Usher 761
#4: [Die Maske des Roten Todes 773
#5: [Sturz in den Mahlstrom 860
#6: [Der Goldkäfer 867
#7: [Die Morde in der Rue Morgue 870
#8: [Lebendig begraben 872

Die vier neuen Folgen der POE-Reihe sind:

#9: Hopp-Frosch
#10: Das ovale Portrait
#11: Der entwendete Brief
#12: Eleonora

Die nächsten vier Folgen sind:

#14. Die längliche Kiste
#15. Du hast es getan
#16. Das Fass Amontillado
#17. Das verräterische Herz

(Folge 13 wird bewusst ausgelassen …)

_Der Autor_

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Short Story. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten. Seine Literaturtheorie nahm den New Criticism vorweg.

Er stellt meines Erachtens eine Brücke zwischen dem 18. Jahrhundert und den englischen Romantikern (sowie E.T.A. Hoffmann) und einer neuen Rolle von Prosa und Lyrik dar, wobei besonders seine Theorie der Short Story („unity of effect“) immensen Einfluss auf Autoren in Amerika, Großbritannien und Frankreich hatte. Ohne Poe sind Autoren wie Hawthorne, Twain, H.P. Lovecraft, H.G. Wells und Jules Verne, ja sogar Stephen King und Co. schwer vorstellbar. Insofern hat er den Kurs der Literaturentwicklung des Abendlands maßgeblich verändert.

_Die Sprecher_

Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon mehrere Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. In der POE-Reihe interpretiert er den Edgar Allan Poe und andere Figuren

Iris Berben gehört zu den bekanntesten und profiliertesten Schauspielerinnen hierzulande. Ihr Repertoire umfasst Krimis („Rosa Roth“) ebenso wie Komödien und klassische Werke. Für ihre Leistungen wurde sie u. a. mit dem Bambi und mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet. In der POE-Serie interpretiert sie die weibliche Hauptrolle Leonie Goron und andere Figuren.

Außerdem wirken Till Hagen als Dr. Templeton sowie eine Reihe anderer Sprecher mit. Till Hagen wurde 1949 in Berlin geboren und erhielt seine Schauspielausbildung an der Max-Reinhardt-Schule. Zeitgleich drehte er seinen ersten Kinofilm, „7 Tage Frist“. Es folgten Engagements an den Stadttheatern Dortmund und Bielefeld. Später studierte er Deutsch und Theaterpädagogik. Als Sprecher beim Deutsche-Welle-Fernsehen und im Hörfunk wurde er genauso bekannt wie als Synchronstimme u. a. von Kevin Spacey.

|Das Titelbild|

Das monochrome Titelbild, das Simon Marsden (www.simonmarsden.co.uk) geschossen hat, zeigt bei „Hopp-Frosch“ eine halb geöffnete, eisenbeschlagene Tür in einer mittelalterlichen Burgmauer. Der Kontrast zwischen Licht und Schatten ist wieder einmal exterm hervorgehoben. Das macht Marsdens spezielle Entwicklungsmethode möglich, die zugleich verfremdend wirkt.

Das Motiv der Rückseite ist immer noch das gleiche wie in der ersten Serie: das von leuchtendem Nebel umwaberte ausgebrannte Gemäuer einer alten Abtei, deren leere Fenster den Betrachter ominös anstarren.

|Das Booklet|

Jede CD enthält ein vierseitiges schwarz gehaltenes Booklet. Neben dem Eingangszitat auf Deutsch und Englisch wird hier auch der gesamte Stab und die Sprecherbesetzung der Rollen aufgeführt. Die Rückseite der CD fasst die Handlung zusammen und listet die wichtigsten Mitwirkenden auf.

_Vorgeschichte_

Hinweis: Das neu gestaltete Booklet enthält einen kleinen Abriss der Vorgeschichte, so dass der Einstieg leichter fällt.

Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert und mittlerweile wieder entlassen wurde. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Schon sieben Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Albträumen. Nach einem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führt. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe von Albträumen – über „Die Morde in der Rue Morgue“ – nicht verschont.

_Handlung_

Poe ist aus dem Grab entkommen, doch Dr. Templeton hat Leonie entführt und hält sich noch in New Orleans auf. Dorthin schleppt sich auch Poe, allerdings hat er keine Mittel, um sich Nahrung oder Obdach zu besorgen. Vor dem Regen sucht er Schutz in einem Torbogen. Dort stürzt ein Betrunkener hin, den Poe ins Trockene zieht. Er bringt ihn zu dessen Haus, wo der Mann, der sich Appo nennt, spurlos verschwindet.

Am nächsten Morgen suchen Poe drei Schlägertypen und er muss sich in Sicherheit bringen. Doch auf seiner Flucht erhält Poe unverhoffte Hilfe durch den Chinesen, der sich Appo nennt. Erstaunt schaut Poe zu, wie Appo alle drei Widersacher tötet. Er erweist sich auch als sehr geschickt im Umgang mit Messern: Die Ratten in seinem Haus erledigt er stets mit einem gut gezielten Wurf.

Beim anschließenden Essen und Informationsaustausch wird klar, dass Poe verpfiffen wurde und Dr. Templeton ihm die Schläger auf den Hals schickte. Appo kennt den Doktor ebenfalls: Der hatte seinen Bruder, einen Taschendieb, damit beauftragt, eine bestimmte Perle von einem Schiff zu stehlen, das von New Orleans nach New York City segelte (war es Leonie Gorons Schiff?). Appo bringt Poe das Messerwerfen bei, aber er werde nach acht Tagen weiterziehen müssen.

|Der Traum|

Wieder mal hat Poe einen seiner Träume. Darin ist er diesmal ein verkrüppelter Zwerg, Leonie taucht als Zwergenfrau Tripetta auf, und Dr. Templeton ist ein König, der Spaßmacher wie den Zwerg mag, aber keinen Wert auf geistreiche Witze legt. Chauvinistische Blondinenwitze hingegen kommen immer gut an.

Eines Tages beauftragen der König und seine drei Minister den Zwerg, den sie wegen seines Gangs boshaft „Hopp-Frosch“ nennen, mit der Gestaltung eines exotischen Maskenballs. Hopp-Frosch denkt an seine afrikanische Heimat, aus der man ihn als Sklave verschleppt hat. Und da ihm die geliebte Tripetta ihre Hilfe zugesagt hat, denkt er sich einen genialen Plan aus, wie er sich für die erlittenen Demütigungen rächen kann.

Er steckt den König und seine drei Minister in die Kostüme von Orang-Utans und kettet sie aneinander fest, damit die Ballbesucher glauben, sie seien frisch eingefangen worden, würden aber keine Gefahr darstellen. Allerdings sind die Affenfelle mit Teer getränkt und mit Flachs bedeckt. Ein Funke würde genügen, und die Felle mitsamt ihren Trägern in Flammen aufgehen. Aber so verrückt würde doch niemand sein. Oder doch?

Der Maskenball wird jedenfalls ein voller Erfolg …

|Erwachen|

Als erste Tat nach dem Erwachen erlegt Poe eine Ratte mit einem Messerwurf. Es geht offensichtlich aufwärts mit ihm, und nach vier weiteren Tagen des Versteckens begibt er sich auf die Jagd nach Dr. Templeton, ausgestattet mit einem Ring als Erkennungszeichen für Appo und seinen Bruder.

_Mein Eindruck_

„Hopp-Frosch“ war eine der letzten Erzählungen, die Poe vor seinem mysteriösen Tod verfasste und veröffentlichte. In einer von beißendem Spott, ja, von Verbitterung charakterisierten Darstellung führt er die idiotischen Minister mitsamt König ihrer Bestimmung zu: dem Verbrennen bei lebendigem Leib. Es ist die Rache für die Versklavung und Demütigung von „Hopp-Frosch“, dem Schwarzen, und seiner Geliebten Tripetta.

Ist also die Geschichte eine Streitschrift wider die Sklaverei? Das wäre gut möglich, denn schon in den vierziger Jahren des 19. Jahrhundert gab es zahlreiche Stimmen, die gegen die Sklavenhaltung auf amerikanischem Boden eintraten. In Großbritannien war die Sklaverei schon seit Mitte des 18. Jahrhunderts verboten, weshalb also sollte ausgerechnet die Nation, die sich der Freiheit aller (!) Menschen verschrieben hatte, weiter an der menschenverachtenden Praxis festhalten?

Der König und seine fiesen Minister sind nichts anderes als Sklavenhalter und verdienen es, dass ihr Sklave den Spieß umdreht. Da bei einem Maskenball die Rollen sowieso anders verteilt werden und sich häufig die Verhältnisse umkehren (siehe „Die Maske des Roten Todes“), betrachtet Hopp-Frosch das Orang-Utan-Kostüm für seine Opfer als angemessen. Schließlich spiegelt das Kostüm ihre wahre moralische Natur wider (ohne dabei die echten Affen beleidigen zu wollen): Sie agieren nur nach dem Lustprinzip und reagieren auf jede Laune des tumben Königs wie Speichellecker. Der König wiederum mag keine geistreichen Witze, sie sind ihm suspekt. Interessant ist, dass schon in der Detektivgeschichte „Die Morde in der Rue Morgue“ ein Orang-Utan auftaucht. Offenbar war Poe mit dieser Primatenart besonders vertraut.

Wer verbirgt sich nun hinter dem König? Es könnte sich um Poes zeitgenössisches Publikum handeln, das ihm seine bissigen Späße nicht mehr durchgehen ließ, oder um seine Gläubiger, die ihm keine Kredite gewähren wollten, oder sogar um die herrschende Klasse, was sich dann wieder mit dem Thema des Rassismus träge. In jedem Fall erfüllt sich der Autor einen Herzenswunsch: Mögen sie alle verbrennen! Hauptsache, er und sein Held entkommen dieser Hölle mit ihrer Liebsten. (Für Poe erfüllte sich dies nicht: Seine Frau starb 1847.)

Diese Wünsche entsprechen denen der Figur des Wanderers Poe ziemlich genau, die zumindest in deren Unterbewusstsein existieren. In der nächsten Episode, „Das ovale Portrait“, bricht sogar ein Feuer aus, während Poe und Leonie eingesperrt sind. Dort wäre die Übereinstimmung mit der Story „Hopp-Frosch“ wohl noch größer gewesen. Der Dramaturg hat sich für eine andere Kombination entschieden.

_Die Sprecher_

|Mr. Poe alias Jimmy Farrell / Hopp-Frosch|

Pleitgen spielt die Hauptfigur, ist also in jeder Szene präsent. Er moduliert seine Stimme ausgezeichnet, um das richtige Maß an Entsetzen, Erstaunen oder Neugier darzustellen.

|Miss Leonie Goron / Tripetta|

Iris Berben bietet Pleitgens melancholischem und nachdenklichem Poe einen lebhaften Widerpart mit ihrer Leonie Goron. Und wie der grüblerische Poe sogar selbst merkt, zeichnet sich Leonie durch ungewöhnlichen Scharfsinn und eine kluge Feinfühligkeit aus. Sie hat erheblichen Anteil an Poes Rettung in der Rahmenhandlung von Episode 5 („Mahlstrom“). Spätestens ab „Der Goldkäfer“ wirkt sie wie eine kluge Freundin, die durch ruhige Überlegung und kluge, verständnisvolle Fragen bald zu seiner unverzichtbaren Ratgeberin wird. Leider kommt sie in dieser Episode nicht vor.

|Dr. Templeton / König|

Die Figur des Dr. Templeton alias Francis Baker alias „König“ wird im Booklet als „Imago“ bezeichnet, das heißt, dass diese Figur in zahlreichen anderen Gestalten auftreten kann, quasi wie ein Archetyp des Psychologen Carl Gustav Jung. Till Hagens Stimme ist unverkennbar, und viele von uns erkennen sie als die Synchronstimme von Kevin Spacey. Allerdings spricht Till Hagen weniger leise als in den meisten Spacey-Filmen, sondern vielmehr deklamiert er wie Jonathan Pryce in „Fluch der Karibik“, sowohl in „Hopp-Frosch“ als auch in „Das ovale Portrait“ und „Der entwendete Brief“.

_Musik und Geräusche_

Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt. Die Geräuschkulissen sind entsprechend lebensecht und detailliert gestaltet.

Die Musik erhält daher eine umso wichtigere Bedeutung: Sie hat die Aufgabe, die emotionale Lage der zwei Hauptfiguren und ihres jeweiligen Ambientes darzustellen. Diese rein untermalende Aufgabe ist auf den ersten Blick leichter zu bewerkstelligen als die Gestaltung ganzer Szenen, doch wenn es um actionarme Szenen wie diesmal handelt, zählt jede Note, jede Tonlage. Die serientypische Erkennungsmelodie erklingt in zahlreichen Variationen und wird von unterschiedlichsten Instrumenten angestimmt.

Musiker des Ensembles „Musical Halensis“ und des Filmorchesters Berlin sowie die Potsdamer Kantorei an der Erlöserkirche – sie alle wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen. Das Booklet führt die einzelnen Teilnehmer detailliert auf, so dass sich niemand übergangen zu fühlen braucht.

|Der Song|

In der dritten Staffel der Serie hat |Lübbe| den Abschlusssong, den zunächst Heinz Rudolf Kunze beisteuerte, ausgetauscht durch den deutschsprachigen Song „Fünf Jahre“ von der österreichischen Gothicband „L’Âme Immortelle“. Im Booklet finden sich Angaben zur Sängerin Sonja Kraushofer und Bandleader Thomas Rainer. Der Song ist dem aktuellen Album „Gezeiten“ entnommen, dessen Cover im Booklet abgebildet ist.

Entsprechend der Musikrichtung ist die Instrumentierung heavy, düster, aber zugleich gefühlvoll. Das erinnert an die Werke der inzwischen aufgelösten Band „Evanescence“. Wenigstens ist aber der Abschlusssong in deutscher Sprache gehalten und somit halbwegs verständlich. Meinen Geschmack trifft der Song nicht, aber ich mag ja auch eher Led Zeppelin.

_Unterm Strich_

Die neunte Folge der Poe-Hörspiele fängt die Atmosphäre der literarischen Vorlage „Hopp-Frosch“ in der Binnenhandlung, dem Traum, gut ein: die allmähliche Enthüllung der Art und Weise, wie sich der verkrüppelte Sklave, der als Spaßmacher missbraucht wird, an seinen Peinigern rächt. Es ist nicht zu weit hergeholt, wenn man den Autor selbst zum Teil mit Hopp-Frosch identifiziert – alles Weitere siehe oben.

In der Rahmenhandlung passiert hingegen relativ wenig. Statt der entführten Leonie Goron hat Poe einen anderen Gefährten an der Seite, der ihm die nützliche Kunst des Messerwerfens beibringt. Zur Abwechslung kann sich Poe also künftig einmal seiner Haut erwehren. Das wird schon bald nötig sein.

Die neue Staffel weist ein ebenso hohes Qualitätsniveau wie die bisherigen zwei Staffeln auf. Ob die nächste Staffel (s. o.) wirklich wie angekündigt im November kommt, ist noch nicht sicher, wie der Webseite http://www.poe-hoerspiele.de zu entnehmen ist. Ulrich Pleitgen war bis Mitte Oktober mit Dreharbeiten beschäftigt.

|Basierend auf: Hopfrog, ca. 1845
62 Minuten auf 1 CD
Mehr Infos unter: http://www.poe-hoerspiele.de & http://www.luebbeaudio.de |

Edgar Allan Poe – Der Streit mit der Mumie

Mal Groteske, mal Horror: gelungene Erzählungen

Eine echte ägyptische Mumie erwacht zum Leben. Der Graf hat eine ganze Menge zu erzählen. Mit den Gelehrten, die seinen Sarg geöffnet haben, entspinnt sich ein boshafter und doch für uns vergnüglicher Disput, wer denn nun in den Errungenschaften der Zivilisation die Nase vorn hat: die alten Ägypter oder die anwesenden Amerikaner.

In der zweiten Erzählung erscheint dem Berichterstatter ein gar scheußliches Wesen wie aus einer Schreckensvision. Worum es sich handelt, erklärt ihm sein Gastgeber anhand eines Lexikons.

Der Autor

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Edgar Allan Poe – Die Brille

Horror der Liebe auf den zweiten Blick

Der junge Amerikaner Simpson verliebt sich auf den ersten Blick in eine wunderschöne Französin. Mit dem Heiraten kann es ihm gar nicht schnell genug gehen. Doch wie trügerisch ist der Schein, den ihm seine kurzsichtigen Augen vermitteln. Nur wenige Stunden nach der Trauung offenbart ihm eine Brille, die sie ihm gibt, den ganzen Horror der Situation, in die er sich durch seine Naivität gebracht hat.

Edgar Allan Poe – Die Brille weiterlesen

Wakonigg, Daniela / Harrsch, Peter – Mythos & Wahrheit: Edgar Allan Poe. Eine Spurensuche mit Musik und Geräuschen

_Populäre Poe-Biografie mit begrenztem Ansatz_

Edgar Allan Poe gilt als der große Autor des Düsteren. Mit seinen Schauer- und Detektivgeschichten beeinflusste er die moderne Literatur . Auch heute ist das Interesse an seinem Werk stärker denn je, insbesondere im Bereich des Hörbuchs.

Um Poe und sein Leben ranken sich viele Legenden, nicht zuletzt wegen der fleißigen Fälscherarbeit, die sein Widersacher Reverend Griswold an seinem Nachlass angerichtet hat. Wie viele der Legenden entsprechen der Wahrheit, welche sind nur Mythos? War Poe, wie Griswold behauptete, ein geisteskranker Trinker oder ein Genie, das mit seinen Einblicken in die Untiefen der menschlichen Seele seiner Zeit weit voraus war?

Das vorliegende Hörbuch gehört zu der Sach-Hörbuch-Reihe „STIMMBUCH Mythos & Wahrheit“ und will dem Hörer „spannende historische Spurensuche, untermalt von Musik und Geräuschen“ bieten. Ob das so hinhaut, wie gedacht, wird sich herausstellen.

_Der Autor_

|Sein Leben|

Edgar Allan Poe (1809-49), das Kind verachteter Schauspieler, wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia auf. Während der Vater ihn nie akzeptierte, liebt Edgar seine Ziehmutter, die sich seiner annahm, umso mehr. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich 1827 von seinem strengen Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die allesamt finanzielle Misserfolge waren. 1828 starb mit Mrs. Allan seine wichtigste Bezugsperson, und er zog zu seiner Tante „Muddy“ Clemm in Baltimore.

Von der Offiziersakademie in West Point wurde er am 28. Januar 1831 verwiesen, sein Bruder William stirbt im August. 1833 gewann er 50 Dollar für seine Story „MS. Found in a Bottle“, die einen Kaufmann auf ihn aufmerksam machte, der ihn förderte. Dadurch konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern. Allerdings schuf er sich durch seine scharfen Literaturkritiken zahlreiche Feinde.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, nachdem am 20. Januar 1845 sein Gedicht „The Raven“ auf größte Begeisterung gestoßen war, und das sowohl bei den Lesern als auch bei der Kritik. Er wurde Vortragsreisender und Partner bei einer Zeitschrift, die allerdings bankrott ging.

Dem Erfolg folgte bald ein ungewöhnlich starker Absturz, nachdem seine Frau Virginia, die Tochter seiner Tante (1822-1847, verheiratete Poe ab 1836, krank ab 1842), an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel mit der 45-jährigen Dichterin Sarah Helen Whitman – am 3. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden. Er starb an „Hirnfieber“ am 7. Oktober im Washington College Hospital. (Das Rätsel um seinen Tod wurde jüngst von Matthew Pearl [(„The Dante Club“) 406 zu einem spannenden Roman verarbeitet.)

|Seine Wirkung|

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Shortstory. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten. Seine Literaturtheorie nahm den New Criticism vorweg.

Er stellt meines Erachtens eine Brücke zwischen dem 18. Jahrhundert und den englischen Romantikern (sowie E.T.A. Hoffmann) und einer neuen Rolle von Prosa und Lyrik dar, wobei besonders seine Theorie der Shortstory („unity of effect“) immensen Einfluss auf Autoren in Amerika, Großbritannien und Frankreich hatte. Ohne Poe sind Autoren wie Hawthorne, Twain, H.P. Lovecraft, H.G. Wells und Jules Verne, ja sogar Stephen King und Co. schwer vorstellbar. Insofern hat er den Kurs der Literaturentwicklung des Abendlands maßgeblich verändert.

_Die Inszenierung_

Die Sprecher: Die Stimme des Erzählers gehört Bodo Primus (‚Jonas, der letzte Detektiv‘), den Poe spricht Matthias Haase, Kritiker und andere spricht Hans Bayer, Frauenrollen wie Tante Muddy u. a. werden von Daniela Wakonigg gesprochen. Wakonigg wirkte als Autorin, Übersetzerin, Regisseur und Sounddesignerin an diesem Hörbuch mit. Die Musik und Teile des Sounddesigns steuerte Peter Harrsch bei.

_Inhalte_

1. Mythos Poe
2. Dramatische Kindheit
3. Düstere englische Romantik
4. Jugend in den Südstaaten
5. Erste Schritte in die Freiheit
6. Muddy und Virginia
7. Southern Literary Messenger
8. New York und Philadelphia
9. Virginias Krankheit
10. Aufstieg und Fall des Edgar Allan Poe
11. Der Anfang vom Ende
12. Nur ein Traum in einem Traum

Das Hörbuch beginnt mit einer Szene am Meer, wo das Wellenrauschen die Rezitation der ersten Strophe von Poes Gedicht „Nur ein Traum in einem Traum“ untermalt. Dieses Gedicht beschließt auch das Hörbuch.

Dazwischen liegt die Schilderung von Poes Leben. Während ich es oben sehr knapp zusammengefasst habe, breitet das Hörbuch die Biografie in allen Einzelheiten aus. Schließlich soll hier „Spurensuche“ betrieben werden. Am interessantesten sind Poes schon früh beginnende Liebschaften, sei es in Richmond, wohin er immer wieder zurückkehrt, oder in New York City, wo er beruflich viel zu tun hat. In Richmond lernt er mit 16 die hübsche Almira Royster, 17, kennen, doch deren Vater hintertreibt die heimliche Verlobung und verheiratet „Mira“ kurzerhand anderweitig. Er sieht sie erst wieder kurz vor seinem Tod, woraufhin sie seinen Heiratsantrag akzeptiert. Zur Heirat sollte es nicht mehr kommen …

Seine Affären, seine Ehe und seine späten Ansätze, eine Ehe zu schließen, dauern bis kurz vor seinem Tod (siehe oben). Das lässt nicht gerade – wie andrenorts behauptet – auf einen rücksichtslosen Trinker schließen, und die Tatsache seines literarischen Erfolges in New York City beruht nicht ausschließlich auf dem Glück des von den Göttern begabten Genies, sondern auf harter Arbeit. Auf seinem Vortrag über das Gedicht „The Raven“, das in einer Szene vorgetragen und erläutert wird, erklärt Poe, das Gedicht sei mit mathematischem Kalkül geschrieben worden. Würde man dies von einem Genie erwarten? Wohl kaum.

Angesichts der zahlreichen Schicksalsschläge, die Poe trafen, verwundert es mich nicht, dass er immer wieder in ein tiefes Loch fiel. Dann trank er, rauchte Opium oder lag mit einem Nervenzusammenbruch danieder, gepflegt von seiner Frau oder Tante – wenn er Glück hatte. Nach dem Tod seiner Frau und der Vertreibung aus New York war es ebenfalls nicht leicht, wieder auf die Beine zu kommen, doch noch einmal unternahm Poe den Versuch, eine Ehe zu schließen und eine Familie zu gründen. Die Dame, eine Dichterin, war zwar schon 45 Jahre alt, aber man kann Kinder ja auch adoptieren. Leider wies sie seinen Antrag zurück, nachdem man ihr aus New York abgeraten hatte. Dort war Poe wegen seiner Feinde persona non grata. 1848 unternimmt er deshalb im November einen Selbstmordversuch, der fehlschlägt.

Dennoch wundert es die Historiker, so die Darstellung im Hörbuch, dass Poe schließlich unter so mysteriösen Umständen starb. Als er am 3. Oktober 1849 in Baltimore auf der Straße aufgefunden wird, ist er ohne Bewusstsein. Er deliriert im Hospital und stirbt am 7. Oktober. Die Theorie wird angeführt, dass Poe ein Opfer der damaligen rauen Wahlkampfmethoden wurde. Am 2. Oktober fand eine Wahlversammlung statt, und beim Stimmenfang, dem „Couping“, waren die Wahlhelfer offenbar nicht zimperlich. Sie zwangen offenbar ihre Opfer zur Stimmabgabe für den bevorzugten Kandidaten. Doch wenn Poe verletzt war, warum wurde dann als Todesursache „Hirnfieber“ angegeben?

Nach seinem Ableben scheinen die Literaten, die er sich zu Feinden gemacht hatte, einen Rufmord zu begehen: Fälschung, Unterschlagung, Zensur, Diffamierung – dies gehört zu ihren Methoden. Reverend Griswold, den Tante Clemm unglücklicherweise aus Geldnot zum Nachlassverwalter bestimmte, wütete derart, dass Poe fortan als in Amerika nicht lesbarer Autor gebrandmarkt wurde. Dagegen stieg Poes Stern in Frankreich durch Dichter wie Baudelaire.

_Mein Eindruck_

Eine kurze Zusammenfassung der Biografie findet sich auch im Booklet. Diese ist wesentlich weniger ermüdend als die – eh schon komprimierte – Langfassung, die von Bodo Primus angenehm sachlich und unaufgeregt vorgetragen wird. Die Darstellung wird natürlich in dieser Form nicht den geltenden literaturwissenschaftlichen Ansprüchen gerecht, denn alle Quellenangaben fehlen. Und diese wären das Minimum an Glaubwürdigkeit im Sinne der beanspruchten Spurensuche. Also handelt es sich um eine populärwissenschaftliche Darstellung, die möglichst auch unterhalten soll. Dazu tragen die Musik, die Geräusche und die Szenen wesentlich bei.

Die Konflikte, die Poes Leben auf so unglückselige Weise bestimmt haben, werden immerhin klar und deutlich herausgearbeitet, allerdings oft in wirtschaftlicher Hinsicht, ohne dabei jedoch auf künstlerische Auseinandersetzungen tiefer einzugehen. Das hätte ja eine theoretische Grundlage hinsichtlich Poes Ästhetik erfordert.

|Poes Revolution|

Wir erfahren immerhin, dass Poes Ansatz der Kritik an Literatur revolutionär war: Nicht Moral oder gesellschaftliche Relevanz sollten die Güte eines Werks bestimmen, sondern vielmehr die Qualität der künstlerischen Mittel im Verhältnis zum literarischen Ausdruck, den sie erzeugen. Will heißen: Wer mit Mitteln des Kitsches arbeitet, wird wohl kaum je hohe Kunst von Dauer produzieren. Das ist auch heute noch so. Ein Kunstwerk von Dauer muss in Poes Augen für sich allein stehen können, und so hat er es auch bewertet. Die Folgen waren verheerend: Nicht nur entlarvte er ein Plagiat nach dem anderen, sondern eckte mit einem Dichter- und Kritikerkollegen nach dem anderen an. Die Zeitungsleser mochten zwar seine Kritikfähigkeit und steigerten die Auflage, doch die Abrechnung der Feinde ließ nach Poes Tod – und schon davor – nicht auf sich warten.

Die Kenntnis der Werke Poes wird offensichtlich vorausgesetzt. Hier werden keine Eulen nach Athen getragen. Seine zwei bekanntesten Gedichten hören wir als direktes Zitat: „Der Rabe“ und das ebenfalls von Alan Parson’s Project vertonte „Nur ein Traum in einem Traum“ (A dream within a dream). Wir müssen nicht erfahren, wie diese Texte gemacht wurden, vielmehr scheint es für die Autorin des Textes wichtiger gewesen zu sein, dass wir verstehen, warum sie entstanden und was ihr Inhalt im Kontext von Poes Leben bedeuten kann. In „Der Rabe“ beklagt ein Student den Verlust seiner geliebten Leonore, doch der schwarze Unglücksbote nimmt ihm Schritt für Schritt jede verbliebene Hoffnung. Jedes weitere „Nevermore / Nimmermehr!“ fährt dem Studenten wie auch dem Leser / Zuhörer (früher wurden Gedichte noch vorgelesen) wie ein Dolchstoß ins Herz.

Dass Poe jede Menge lieber Menschen verlor, habe ich bereits erwähnt, und so ist der Zusammenhang offensichtlich. Aber warum bediente sich Poe dann einer mathematischen Methode, um seinen Seelenschmerz zu verarbeiten? Wir erfahren es nicht.

Meine eigene Theorie: Die Distanzierung durch die literarische Strenge der Kompositionstechnik dient nicht nur der leichteren Verarbeitung des Schmerzes, sondern erzeugt darüber hinaus den gewünschten maximalen Effekt beim Leser. Die Unerbittlichkeit des Raben steht im dramatischen Gegensatz zu der Seelennot des Studenten und lyrischen Ichs, so dass aus dieser Kluft eine aufrüttelnde Diskrepanz entsteht, die beim Leser ihre als tragisch empfundene Wirkung nicht verfehlt. Andere Dichter hätten mit kitschigen Worten an das Mitgefühl des Publikums appelliert – und hätten dabei nur abgedroschen klingen können. Die Wahl der ästhetischen Mittel entschied also über den immensen Erfolg des „Raben“, der bis heute zur amerikanischen Pflichtlektüre gehört. Wer Christopher Lee und Ulrich Pleitgen das Gedicht hat vortragen hören – etwa auf [„Visionen“ 2554 – der weiß auch, warum.

_Die Inszenierung_

Gedichtrezitationen und das Verlesen von Briefen und Artikeln wechseln sich mit Poes eigenen Worten und den Szenen ab, die den Text auflockern. Die Vorlesung über „The Raven“ ist dafür das beste Beispiel. Die Zuhörer husten und räuspern sich, während der verehrte Dichter ihnen seine erstaunliche Methode erklärt: Mathematik statt dichterischer Inbrunst! Wer hätte das erwartet.

_Unterm Strich_

Diese populärwissenschaftliche Darstellung bietet demjenigen, der Poe und sein Werk kennen lernen will, einen leicht verständlichen, aber begrenzten Zugang. Während das Leben in all seinen Verästelungen und Konflikten gut ausgeleuchtet wird, bleibt doch das meiste des Werks im Dunkeln. Offensichtlich wird dessen Kenntnis weitgehend vorausgesetzt. Das ist keine unberechtigte Annahme, denn wer mehrere von Poes Erzählungen gelesen oder gehört hat (die Filme werden heute kaum noch gezeigt), will sich vielleicht nun endlich auch dem Menschen Poe nähern.

Umgekehrt funktioniert der gebotene Ansatz nur sehr begrenzt. Dies würde nämlich einen literaturkritischen Ansatz erfordern, der darüber Auskunft erteilt, wie welche Werke aus heutiger Sicht einzuordnen und zu bewerten sind. Welche wissenschaftliche Autorität würde sich mit welchem der möglichen Ansätze dazu bereitfinden?

Ein weiteres Problem ist die Quellenlage. Der Text erwähnt es ja selbst, dass Poes Werke und auch sein Nachlass intensiv gefälscht und zensiert wurden. „Das Fass Amontillado“ beispielsweise liegt bis zum heutigen Tag nur in der von Rev. Griswold zensierten Fassung vor. Das Quellenproblem braucht von der Autorin und Herausgeberin Daniela Wakonigg nicht behandelt zu werden, weil die Poe-Texte kaum vorkommen. Die paar Zeilen aus „Ein Traum in einem Traum“ und „Der Rabe“ dürfen immerhin als gesichert gelten.

(Ich versuche mir vorzustellen, wie Wakonigg die Zensur der Nietzsche-Werke handhaben würde. Entweder geht sie wie bei Poe vor und verschweigt das meiste oder sie zitiert aus dem gefälschten Nachlass. Option Nr. 1 ist eindeutig vorzuziehen.)

Solange sich der Hörer der Begrenztheit des Ansatzes bewusst ist, bietet das Hörbuch einen vertretbaren Zugang zu Leben und Werk des Autors. Selbst mir als Anglist und Poe-Fan eröffneten sich noch neue Aspekte, insbesondere hinsichtlich des Literaturstreits in New York, den Poe entfachte. Und es hat mich dazu angeregt, mich näher mit Poes Literaturtheorie und dem philosophischen Essay „Heureka“ zu beschäftigen.

Es wäre zu begrüßen, wenn der Verlag auf seiner Website entsprechende Links zur Verfügung stellen würde. Per Suchmaschine stößt man schnell auf die Erzählungen, die sämtlich online zur Verfügung stehen. Aber Links zu Sekundärliteratur in deutscher Sprache sind etwas schwieriger zu finden. Hier kann sich der Verlag als Helfer beweisen.

Hinweis: Auf Amazon.de gibt es von jedem Kapitel eine Hörprobe im Realplayer-Format und auf www.stimmbuch.de eine im MP3-Format.

|76 Minuten auf 1 CD
Aus dem US-Englischen übersetzt von Daniela Wakonigg|
http://www.stimmbuch.de

Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Bertling, Simon / Hagitte, Christian / Sieper, Marc – Kopf des Teufels, Der (POE #29)

_Poes Absturz: ins Höllenloch_

Die Hörspiel-Reihe bringt unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör. Mit „Flaschenpost“ begann die 7. Staffel und der Auftakt zur zweiten Geschichte innerhalb des großen POE-Epos. Die Vorgeschichte finden man in den vorangegangenen 28 Folgen sowie in dem Roman [„Lebendig begraben“,]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3404156757/powermetalde-21 erschienen bei |Bastei Lübbe|.

USA um 1850. Der Mann, der sich POE nennt und kein Gedächtnis besitzt, versucht nach den schrecklichen Erlebnissen in New York City, ein neues Leben zu beginnen. Er glaubt, er ist Poe, wer sonst? Sicher ruht auf dem Friedhof von Baltimore ein Namenloser. Poe und Leonie mieten Landors Landhaus in den nördlichen Wäldern von New York. Doch sie kommen dort nicht zur Ruhe: Über dem Landhaus liegt ein Fluch. Und Leonies Vergangenheit ist dunkler, als Poe ahnt.

Leonie floh in Folge 28 vor den Geistern ihrer Vergangenheit nach New York City, und verzweifelt irrte sie durch die Straßen. Nun ist sie spurlos verschwunden. Eines Nachts erhält Poe eine geheimnisvolle Botschaft. Vielleicht kann er Leonie wiederfinden – aber ist die Botschaft echt? (Verlagsinfo)

Ulrich Pleitgen und Iris Berben haben auch an den ersten 28 Hörbüchern der Serie mitgewirkt:

#1: Die Grube und das Pendel
#2: Die schwarze Katze
#3: Der Untergang des Hauses Usher
#4: Die Maske des roten Todes
#5: Sturz in den Mahlstrom
#6: Der Goldkäfer
#7: Die Morde in der Rue Morgue
#8: Lebendig begraben
#9: Hopp-Frosch
#10: Das ovale Portrait
#11: Der entwendete Brief
#12: Eleonora
#13: Schweigen
#14: Die längliche Kiste
#15: Du hast’s getan
#16: Das Fass Amontillado
#17: Das verräterische Herz
#18: Gespräch mit einer Mumie
#19: Die Sphinx
#20: Scheherazades 1002. Erzählung (auch: Die 1002. Erzählung)
#21: Schatten (ursprünglicher Titel: Die Scheintoten)
#22: Berenice
#23: König Pest
#24: Der Fall Valdemar
#25: Metzengerstein

Siebte Staffel (03/2008):

#26: Die Flaschenpost
#27: Landors Landhaus
#28: Der Mann in der Menge
#29: Der Kopf des Teufels

_Der Autor_

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia, auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Shortstory. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten.

_Die Inszenierung_

Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon mehrere Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. In der POE-Reihe interpretiert er den Edgar Allan Poe und andere Figuren.

Toby Dammit: Simon Jäger (Heath Ledger, Josh Hartnett, Matt Damon)
Richter: Hans-Werner Bussinger (Michael Ironside, Jon Voight)
Landor: Peter Schiff (Louis de Funès, ‚HAL 9000‘)
Henker: Udo Schenk (Ray Liotta, Ralph Fiennes, Gary Oldman, Tim Roth, Kevin Bacon …)
Führer der Bürgerwehr: Claudio Maniscalco (Jimmy ‚The Haitian‘ Jean-Louis in „Heroes“)
Direktor: Friedhelm Ptok (Ian ‚Kanzler Palpatine‘ McDiarmid)
Templeton: Till Hagen (Kevin Spacey, Billy Bob Thornton)
Gorn: Lutz Riedel (Timothy Dalton)
Wärter: Andreas Sparberg

Der deutsche Prolog wird von Heinz Rudolf Kunze vorgetragen, der englische von Giuliana Ertl, die Ansage erledigt André Sander. Die deutsche Hörspielfassung stammt von Melchior Hala nach einer Idee von Marc Sieper, Dicky Hank und Thomas Weigelt. Für Regie, Musik und Ton waren Christian Hagitte und Simon Bertling vom |STIL|-Studio verantwortlich.

|Das Titelbild|

Das monochrome Titelbild, das Simon Marsden (www.simonmarsden.co.uk) geschossen und mit einer speziellen Technik entwickelt hat, zeigt den verwitterten Kopf eines Wasserspeiers, der eine Teufelsfratze aufweist. Der Teufel ist gehörnt, wie deutlich zu erkennen ist.

Das Motiv der Rückseite ist immer noch das gleiche wie in der ersten Serie: das von leuchtendem Nebel umwaberte ausgebrannte Gemäuer einer alten Abtei, deren leere Fenster den Betrachter ominös anstarren. Die Innenseite der CD-Box zeigt einen spitzbogigen Mauerdurchgang in einem wilden, überwucherten Garten. Der Durchgang könnte die Passage zu neuen, gruseligen Erfahrungen symbolisieren, im Sinne von Aldous Huxleys „doors of perception“.

|Das Booklet|

Jede CD enthält ein achtseitiges schwarz gehaltenes Booklet. Eine kleine Biografie stellt Ulrich Pleitgen vor. Die mittlere Doppelseite zeigt alle bislang veröffentlichten CDs. Danach folgt eine Seite, die sämtliche Credits auflistet. Die vorletzte Seite wirbt für das Hörbuch „Edgar Allan Poe: Visionen“, das ich empfehlen kann. Die letzte Seite gibt das Zitat aus E.A. Poes Werk wieder , das am Anfang einer jeden Episode – jeweils abgewandelt – zu hören ist.

_Vorgeschichte_

Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert und mittlerweile entlassen wurde. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Schon 28 Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Alpträumen. Nach einem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führt. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe nicht von Alpträumen nicht verschont. Doch er findet etwas über seine und Leonies Vergangenheit heraus und welche finstere Rolle Dr. Templeton als Francis Baker darin spielt.

Am Anfang rekapituliert Poe/Pleitgen sehr knapp die unmittelbare Vorgeschichte. Das erleichtert den Einstieg in die Serie ein wenig, aber nur minimal.

_Handlung_

Nach dem Verschwinden seiner Verlobten Leonie Goron grübelt Poe eine Weile über ihre Gründe nach, als ein Bote namens Toby Dammit an der Tür von Landors Landhaus eintrifft und ihm einen Brief übergibt. Die gesuchte Dame sei in den Höhlen zu finden – gezeichnet: ein Freund. Toby bietet Poe an, ihn dorthin zu führen. Von Landor leiht sich Poe dessen Schrotflinte, dann sucht er mit Toby den Eingang zu den besagten Höhlen. Er findet ihn in der Nähe einer alten Eiche, hier will Toby auf Poes Rückkehr warten.

In den Höhlen irrt Poe wie durch ein Labyrinth, irregeführt von Lichtpunkten in der Ferne, doch keine Leonie findet sich. Er stößt jedoch auf die Skelette zweier Menschen, die nebeneinander liegen, und nimmt einen rostigen Dolch an sich. Als er wieder aus dem Ausgang stolpert, wird er von Männerhänden grob gepackt. Die Bürgerwehr beschuldigen ihn des Mordes an Toby Dammit, der ohne Kopf unter der Eiche liegt. Trotz seiner Proteste führen ihn die Vigilanten ab, packen ihn auf einen Pritschenwagen neben die Leiche und karren ihn in die Stadt.

Doch der Weg führt nicht etwa zum Rathaus oder zu einer Polizeiwache, sondern zu einem alten grauen Haus: das Gefängnis, das man „Das Grab“ nennt. Nach einer Nacht in einem engen Schacht stellt man ihn vor ein städtisches geheimes Sondergericht, ein Femegericht. Die Anklage lautet auf Mord und Hexerei. Was hat Poe darauf zu entgegnen? Er sei unschuldig, beteuert er. Sein Fehler ist es allerdings, keinen Namen anzugeben. Das bringt ihm die Folter ein. Als er sich beugt, sich Poe nennt und auf einen gewissen Dr. Templeton beruft, findet er endlich Gehör und wird begnadigt. Halbwegs.

Denn zu seinem Horror beginnt sein Martyrium erst: auf Blackwell’s Island, in der Irrenanstalt. Dort trifft er einen alten Bekannten wieder …

_Mein Eindruck_

Dies ist eine sehr deprimierende Episode, wahrscheinlich sogar die Folge, die den Hörer am stärksten „runterzieht“. Erst findet Poe keine Spur von seiner Verlobten Leonie, dann wirft man ihn auch noch in ein finsteres Kerkerloch. Na, wenigstens dreht er dort nicht völlig durch. Aber das kann ja noch kommen, wenn er in der Irrenanstalt auf Blackwell’s Island landet. Aber wenigstens eines ist nun erreicht. Er trifft seinen alten Widersacher wieder, den er schon die ganze Zeit gebraucht hat, um seine in Episode 26 als dubios erkannte Identität festzustellen. Und sie vielleicht sogar zu korrigieren.

Parallel zu Leonies Konfrontation mit ihrer eigenen Vergangenheit in Episode 28 („Der Mann in der Menge“) sieht sich nun Poe den Schatten seiner eigenen Vergangenheit gegenüber. Das ist zwar wünschenswert, weil der Konflikt hoffentlich zu einer Lösung und Weiterentwicklung führt, aber der Weg dorthin ist doch für den Hörer ziemlich frustrierend: eine Kette von Nicht-Ereignissen.

Es ist wie in einem existenzialistischen Roman, in dem sich der Held einer Folge von Schicksalsschlägen gegenübersieht, die allesamt unverständlich und absurd erscheinen. Dass es einen Drahtzieher dafür gibt, lässt sich nur vermuten, aber auf diesen naheliegenden Gedanken verfällt Poe leider nicht. Denn sonst wäre ihm klar, was dies alles mit Leonie zu tun hat. Erst als der Drahtzieher vor ihm steht, erkennt er, was dieser ihm angetan hat, und plant seine Rache.

Worin die Verbindung mit dem Titel liegt, kann ich schlecht beantworten. Nur Toby Dammit, der Unglücksbote, faselt etwas von seinem Kopf, den er dem Teufel geben würde, wenn er Unrecht habe. Na, das passiert ihm denn auch. Nicht sonderlich erbaulich. Die zugehörige Poe-Geschichte dürfte zu den obskursten im ganzen Œuvre gehören, denn mir war sie bislang nicht bekannt.

_Die Inszenierung_

|Mr. Poe|

Pleitgen spielt die Hauptfigur, ist also in jeder Szene präsent. Er moduliert seine Stimme ausgezeichnet, um das richtige Maß an Entsetzen, Erstaunen oder Neugier darzustellen. Aber Poe kann auch sehr pragmatisch agieren, und Pleitgen weiß die scharfe Beobachtungsgabe seiner Hauptfigur wie auch dessen Hinterlist ebenso glaubwürdig darzustellen. Sein Poe ist kein hilflos durch die Gassen torkelnder Somnambuler, sondern ein hellwacher Geist, der nur ab und zu unter ein paar Bewusstseinstrübungen leidet, die ihn in Gestalt von Träumen heimsuchen.

|Musik und Geräusche|

Der Sound liegt im Format PCM-Stereo vor, wie mir mein DVD-Spieler angezeigt hat, und klingt glasklar. Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt.

Die Geräuschkulissen sind entsprechend lebensecht und detailliert gestaltet. Zunächst künden Donner und Regen einen Schicksalsschlag an. Das Höhlenlabyrinth gibt zwar nicht allzu viele akustische Spezialeffekte außer Hall her, aber dafür die Szene von Poes Gefangennahme umso mehr: ein Pferd wiehert oder schnaubt, wird mit einem Peitschenhieb gefügig gemacht, Ketten klirren, schließlich hämmert jemand eine metallene Kettenschelle fest.

|Musik|

Die Musik erhält eine wichtige Bedeutung: Sie hat die Aufgabe, die emotionale Lage der Hauptfigur und ihres Ambientes darzustellen. Poes Lage ist diesmal besonders verzweifelt, und die Musik vermittelt seine Stimmung ungemindert, indem mehrmals der Chor „Dies irae“ angestimmt wird, der mittlerweile zu Poes Signatur geworden ist, um seine Verzweiflung und Verlassenheit zu beschreiben. Weitere dramatische Passagen lassen keinen Zweifel an der Berechtigung von Poes düsterer Stimmung aufkommen. Selbst der abschließende Song „Elenore“ ist eine Klage des Verlustes.

Ein Streichquartett, Musiker des Filmorchesters Berlin sowie die Potsdamer Kantorei an der Erlöserkirche wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen. Das Booklet führt die einzelnen Teilnehmer detailliert auf, so dass sich niemand übergangen zu fühlen braucht.

|Der Song|

Der britische Schauspieler Christopher Lee singt „Elenore“, das schon auf der CD [„Visionen“ 2554 zu finden ist. Hier liegt der EAP-Mix vor. Die Musik stammt wieder von Gaitte & Bertling, der deutsche Text von Marc Sieper. Sopran singen Rosemarie Arzt und Ricarda Lindner. Es spielt das Berliner Filmorchester unter der Leitung von Christian Hagitte.

Christopher Lee wurde am 27. Mai 1922 in London geboren. Seine Schauspielkarriere begann 1947. Den meisten dürfte der britische Schauspieler als Dracula bekannt sein, den Lee 1958 das erste Mal verkörperte und damit weltberühmt wurde. Noch vor seiner Zeit als Schauspieler war Lee in diversen Opernhäusern zu hören – er genoss eine Ausbildung als Opernsänger. Einige seiner aktuellen Rollen sind die des Saruman in „Herr der Ringe“ und Count Dooku in „Star Wars“. Insgesamt wirkte Lee in über 250 Filmen mit.

Ich wusste auch nicht, wie toll Christopher Lee singen kann – bis ich seine Aufnahme auf der CD „Visionen“ hörte. Der Gesang ist klassisch, die Orchesterbegleitung ebenso, zwei Soprane begleiten den Meister, streckenweise im Duett. Er gibt die dramatische Ballade „Elenore“, in der um die verlorene Liebste geklagt wird, zum Besten, und zwar mit viel Gefühl und Sinn fürs Dramatische. Man stelle sich eine schmissige Arie aus einem bekannten Musical vor, z. B. „Elisabeth“ – so umwerfend gut kommt das rüber. Die vorliegende Fassung wurde neu gemischt, um zur Instrumentierung des Hörspiels zu passen.

_Unterm Strich_

In einer parallelen Bewegung wiederholt Poes Gefangennahme und Einkerkerung die gleichen Geschehnisse, die Leonie in der Folge zuvor erleben musste. Allerdings befreite sie sich erfolgreicher als ihr Verlobter aus dieser misslichen Lage. Dafür ahnt er nun wenigstens, welche Verbindung besteht und wer für seine Einweisung in die Irrenanstalt verantwortlich ist und kann nun seine Flucht und Rache planen. De profundis – von hier ab kann’s nur aufwärts gehen.

Die akustische Umsetzung ist vom Feinsten, und man merkt in jeder Szene, wie viel Sorgfalt die Mitwirkenden und Macher aufgewendet haben, um die Episode reizvoll und stimmungsvoll zu gestalten. Ein Highlight ist für mich zweifellos Christopher Lees Song, auch wenn dieser eher Musical-Freunde ansprechen dürfte.

Die Reihe wird fortgesetzt. Immer noch fehlt die Umsetzung bedeutender Erzählung wie „Ligeia“ (Rückkehr einer toten Geliebten) und „William Wilson“ (das Doppelgänger-Motiv).

|Basierend auf: The Devil’s Head, ca. 1845
65 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3429-2|
http://www.poe.phantastische-hoerspiele.de
http://www.luebbe-audio.de

Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Sieper, Marc / Hank, Dickky / Weigelt, Thomas – Mann in der Menge, Der (POE #28)

_Irrfahrt, Opium, Kerkerhaft_

Die Hörspiel-Reihe bringt unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör. Mit „Flaschenpost“ begann die 7. Staffel und der Auftakt zur zweiten Geschichte innerhalb des großen POE-Epos. Die Vorgeschichte finden man in den vorangegangenen 27 Folgen sowie in dem Roman [„Lebendig begraben“,]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3404156757/powermetalde-21 erschienen bei |Bastei Lübbe|.

USA um 1850. Der Mann, der sich POE nennt und kein Gedächtnis besitzt, versucht nach den schrecklichen Erlebnissen in New York City, ein neues Leben zu beginnen. Er glaubt, er ist Poe, wer sonst? Sicher ruht auf dem Friedhof von Baltimore ein Namenloser. Poe und Leonie mieten Landors Landhaus in den nördlichen Wäldern von New York. Doch sie kommen dort nicht zur Ruhe: Über dem Landhaus liegt ein Fluch. Und Leonies Vergangenheit ist dunkler, als Poe ahnt.

Leonie ist nun vor den Geistern ihrer Vergangenheit nach New York City geflohen. Verzweifelt irrt sie durch die Straßen. Ein Mann in der Menge ist der rettende Anker, aber nur scheinbar … (Verlagsinfo)

Die POE-Serie:

#1: Die Grube und das Pendel
#2: Die schwarze Katze
#3: Der Untergang des Hauses Usher
#4: Die Maske des roten Todes
#5: Sturz in den Mahlstrom
#6: Der Goldkäfer
#7: Die Morde in der Rue Morgue
#8: Lebendig begraben
#9: Hopp-Frosch
#10: Das ovale Portrait
#11: Der entwendete Brief
#12: Eleonora
#13: Schweigen
#14: Die längliche Kiste
#15: Du hast’s getan
#16: Das Fass Amontillado
#17: Das verräterische Herz
#18: Gespräch mit einer Mumie
#19: Die Sphinx
#20: Scheherazades 1002. Erzählung (auch: Die 1002. Erzählung)
#21: Schatten (ursprünglicher Titel: Die Scheintoten)
#22: Berenice
#23: König Pest
#24: Der Fall Valdemar
#25: Metzengerstein

Siebte Staffel (03/2008):

#26: Die Flaschenpost
#27: Landors Landhaus
#28: Der Mann in der Menge
#29: Der Kopf des Teufels

Das Taschenbuch ist unter dem Titel [„Lebendig begraben“]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3404156757/powermetalde-21 bei |Bastei Lübbe| erschienen.

_Der Autor_

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia, auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Shortstory. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten.

_Die Inszenierung_

Ulrich Pleitgen tritt diesmal nicht auf.

Iris Berben gehört zu den bekanntesten und profiliertesten Schauspielerinnen hierzulande. Ihr Repertoire umfasst Krimis („Rosa Roth“) ebenso wie Komödien und klassische Werke. Für ihre Leistungen wurde sie u. a. mit dem Bambi und mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet. In der POE-Serie interpretiert sie die weibliche Hauptrolle Leonie Goron und andere Figuren.

Gorn: Lutz Riedel (dt. Stimme von Timothy Dalton)
Mädchen: Marie-Luise Schramm
Trödler: Freimut Götsch

Der deutsche Prolog wird von Heinz Rudolf Kunze vorgetragen, der englische von Giuliana Ertl, die Ansage erledigt André Sander. Die deutsche Hörspielfassung stammt von Melchior Hala nach einer Idee von Marc Sieper, Dicky Hank und Thomas Weigelt. Für Regie, Musik und Ton waren Christian Hagitte und Simon Bertling vom STIL Studio verantwortlich.

|Das Titelbild|

Das monochrome Titelbild, das [Simon Marsden]http://www.simonmarsden.co.uk geschossen und mit einer speziellen Technik entwickelt hat, zeigt vier männliche, schwarze Silhouetten vor einem hellen, leeren Hintergrund. Das Quartett steht unter den hängenden Zweigen einer Eiche, die hell von der Seite beschienen wird. Dass die Männer keine Merkmale und kein Gesicht aufweisen, entmenschlicht sie und rückt sie in das Reich des Geisterhaften und Unheimlichen.

Das Motiv der Rückseite ist immer noch das gleiche wie in der ersten Serie: das von leuchtendem Nebel umwaberte ausgebrannte Gemäuer einer alten Abtei, deren leere Fenster den Betrachter ominös anstarren. Die Innenseite der CD-Box zeigt einen spitzbogigen Mauerdurchgang in einem wilden, überwucherten Garten. Der Durchgang könnte die Passage zu neuen, gruseligen Erfahrungen symbolisieren, im Sinne von Aldous Huxleys „doors of perception“.

|Das Booklet|

Jede CD enthält ein achtseitiges schwarz gehaltenes Booklet. Eine kleine Biografie stellt die Sprecherin Iris Berben vor. Die mittlere Doppelseite zeigt alle bislang veröffentlichten CDs. Danach folgt eine Seite, die sämtliche Credits auflistet. Die vorletzte Seite wirbt für das Hörbuch [„Edgar Allan Poe: Visionen“, 2554 das ich empfehlen kann. Die letzte Seite gibt das Zitat aus E. A. Poes Werk wieder, das am Anfang einer jeden Episode – jeweils abgewandelt – zu hören ist.

_Vorgeschichte_

Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert und mittlerweile entlassen wurde. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Schon 27 Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Alpträumen. Nach einem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führt. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe nicht von Alpträumen nicht verschont. Doch er findet etwas über seine und Leonies Vergangenheit heraus und welche finstere Rolle Dr. Templeton als Francis Baker darin spielt.

Am Anfang rekapituliert Leonie / Berben sehr knapp die unmittelbare Vorgeschichte. Das erleichtert den Einstieg in die Serie ein wenig, aber nur minimal.

_Handlung_

Leonie ist aus Landors Landhaus geflohen, nachdem sie einen Mann gesehen hat, den sie noch aus ihrer Heimat England kennt. Er ist ein „Meister der Verstellung an Körper und Seele“. Nun eilt sie voll Angst nach New York City, doch auch dort vermeidet sie jeden Kontakt, um nicht erkannt zu werden. Das führt dazu, dass sie von Straße zu Straße irrt, bis sie schließlich erschöpft Rast machen muss. Bei einem Trödler kauft sie Kleider aus zweiter Hand, mit denen sie sich verkleidet.

Sie driftet durch die anonyme Menschenmenge auf dem Bahnhofsvorplatz, als sie den Alten bemerkt. Sein weißes Haar und seine Brille lassen ihn ungewöhnlich aussehen, doch sein kalter, böser Blick ist abweisend. Auch er treibt wie entwurzelt durch die Menge. Ein erhaschter Blick auf Dolch und Diamant an seiner Weste entzünden ihre Phantasie. Sie folgt ihm wie ein Schatten durch die hereinbrechende Nacht, durch Nebel und enge Gassen, bis er schließlich ein Haus betritt, das leerzustehen scheint. Als sie aus dem Fenster eines leeren Zimmers im Obergeschoss blickt, spürt sie einen Schlag auf sich herabsausen …

Leonie erwacht in einem abgeschlossenen Zimmer und wartet, bis sie eine unsichtbare Stimme ihren Namen rufen hört: „Leonie, mein Liebling! Du Miststück!“ Ein Mädchen von etwa 16 Jahren bringt Essen und berichtet, der Kanarienvogel in seinem Käfig heiße ebenfalls Leonie. Das sind keine ermutigenden Nachrichten. Der Unsichtbare ist Gorn, der ihr wohlbekannte Meister der Verstellung, den sie aus England kennt. Er sollte eigentlich dafür hingerichtet werden, dass er ihre Eltern umgebracht hat.

Doch nun will er sie für sich, und er droht, ihren Verlobten Poe umzubringen …

_Mein Eindruck_

Der mittlere Teil der Handlung folgt erstaunlich getreu Poes literarischer Vorlage (siehe dazu [„Poes Meistererzähler“). 4832 Dies hat zwar seinen eigenen Charme und auch eine dramaturgische Funktion, aber eigentlich passiert ja nichts. Dieser Mittelteil könnte also relativ langweilig wirken. Doch erstens macht das Driften deutlich, dass Leonie inzwischen ziellos ist, zweitens Angst hat und drittens deshalb einem Lockvogel zum Opfer fällt, der ebenso wie sie zu sein scheint – ein verhängnisvoller Trugschluss.

Ganz nebenbei lernt der Hörer auch das Straßenleben einer amerikanischen Metropole kennen. Neben allerlei Fußgängern hören wir auch Droschken, eine Tram und sogar einen Omnibus rattern sowie eine Dampfeisenbahn mit Getöse abfahren. Neben anderen düsteren Orten landet Leonie auf ihrem Streifzug unter anderem in einer Opiumhöhle, wo sie versucht ist, sich einfach hinzulegen und auszuruhen.

Im dritten Teil der Handlung findet sich Leonie schließlich als Gefangene eines Unbekannten wieder, was sie natürlich ziemlich ängstigt. Doch nach einer Weile hat sie die Parameter ihrer Lage ziemlich gut erfasst und ihren Kidnapper als den alten Feind erkannt. Nun kann sie endlich handeln. Doch dafür muss sie selbst zu einer Verbrecherin werden. Keine leichte Wahl!

Auch wenn man kaum von einer Handlung reden kann, so hat mich diese Folge doch einigermaßen fasziniert. Sie ist in der ersten Hälfte voller Paranoia, doch die Raumangst der zweiten Hälfte mündet, wie so oft bei Leonie, in entschlossenes Handeln. Ihr Verbrechen ist dadurch gerechtfertigt, dass sie es begeht, um einen anderen Menschen vor dem Tod zu bewahren, nämlich ihren Verlobten, Mister Poe.

_Die Inszenierung_

|Die Sprecher:|

Miss Leonie Goron:

In der neuen Staffel tritt Iris Berben alias Leonie nicht mehr so energisch auf, sondern erscheint uns als mehrdimensionale Figur, die es zu ergründen gilt. Die weiteren Folgen legen ihre verborgenen Schichten offen und warten mit Überraschungen auf. Leonie hat uns (und Poe) beileibe nicht alles über sich erzählt. Zunehmend werden uns Einblicke in ihre Vergangenheit gewährt. Die Sprecherin stellt Leonie mit großem Einfühlungsvermögen dar, und das über die gesamte Episode hinweg. Das ist eine beeindruckende Leistung.

Dass sie ihre Leonie dabei in der ersten Hälfte als paranoid und gehetzt darstellt, liegt ausschließlich an der Handlung. Im letzten Viertel kehrt Leonie zu ihrer gewohnten Entschlossenheit zurück, ohne jedoch die Möglichkeit eines gegnerischen Angriffs auszuschließen. So bleibt die Spannung bis zuletzt erhalten.

Gorn:

Lutz Riedel ist es ein Leichtes, mit seiner tiefen Stimme einen Verbrecher wie Gorn entsprechend dämonisch darzustellen. Die Herausforderung besteht für ihn vielmehr darin, so freundlich zu tun, dass Leonie diesem Gorn, ihrem Kerkermeister, wieder vertraut. Als Gorn jedoch seine gewalttätige Seite aufblitzen lässt, verliert er dieses wieder. Schätzungsweise werden wir noch mehr von Mister Gorn hören.

|Geräusche|

Der Sound liegt im Format PCM-Stereo vor, wie mir mein DVD-Spieler angezeigt hat, und klingt glasklar. Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt.

Die Geräuschkulissen sind entsprechend lebensecht und detailliert gestaltet. Wie schon oben angedeutet, sind alle Gefährte der New Yorker Innenstadt zu hören. Ein Highlight ist sicherlich die Bahnhofszene mit der abfahrenden Dampflok. Ein weiterer Höhepunkt ist die Gestaltung der Opiumhöhle. Sie stützt sich jedoch stark auf die Musik, indem sie eine einlullende Flötenmelodie den Rauschzustand der Opiumraucher andeuten lässt.

|Musik|

Die Musik erhält eine wichtige Bedeutung: Sie hat die Aufgabe, die emotionale Lage der zwei Hauptfiguren und ihres jeweiligen Ambientes darzustellen. Diese untermalende Aufgabe dient diesmal mehr der Gestaltung der ganzen Episode, denn in der Umgebung der Opiumhöhle und des Gefängniszimmers ist die Ausarbeitung der beklemmenden Atmosphäre besonders wichtig, um die Aufmerksamkeit des Hörers zu fesseln und seine Emotionen zu steuern.

Die Emotionen der Hauptfigur werden relativ genau widergespiegelt. Doch statt der bekannten POE-Leitmotive muss der Komponist neue Elemente aufbieten, denn Leonie verfügt, so weit ich das erkennen konnte, über kein eigenes Leitmotiv. (Zeit dafür wäre es ja – nach 27 Episoden!) Die psychische und physische Qual in Leonies Kerker deutet ein völlig verstimmt klingendes Piano an.

Tiefe Bässe weisen auf sich nähernde Gefahr hin: Leonie fertigt ein Mordinstrument an. Die finale Actionszene wird musikalisch kaum entsprechend unterstützt, und die Nachwehen voll Anspannung sind mit einer tief gespielten Kirchenorgel unterlegt. Was dies ausdrücken soll, kann jeder für sich entscheiden.

Ein Streichquartett, Musiker des Filmorchesters Berlin sowie die Potsdamer Kantorei an der Erlöserkirche wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen. Das Booklet führt die einzelnen Teilnehmer detailliert auf, so dass sich niemand übergangen zu fühlen braucht.

|Der Song|

Der britische Schauspieler Christopher Lee singt „Elenore“, das schon auf der CD „Visionen“ zu finden ist. Hier liegt der EAP-Mix vor. Die Musik stammt wieder von Gaitte & Bertling, der deutsche Text von Marc Sieper. Sopran singen Rosemarie Arzt und Ricarda Lindner. Es spielt das Berliner Filmorchester unter der Leitung von Christian Hagitte.

Christopher Lee wurde am 27. Mai 1922 in London geboren. Seine Schauspielkarriere begann 1947. Den meisten dürfte der britische Schauspieler als Dracula bekannt sein, den Lee 1958 das erste Mal verkörperte und damit weltberühmt wurde. Noch vor seiner Zeit als Schauspieler war Lee in diversen Opernhäusern zu hören – er genoss eine Ausbildung als Opernsänger. Einige seiner aktuellsten Rollen sind die des Saruman in „Herr der Ringe“ und Count Dooku in „Star Wars“. Insgesamt wirkte Lee in über 250 Filmen mit.

Ich wusste auch nicht, wie toll Christopher Lee singen kann – bis ich seine Aufnahme auf der CD „Visionen“ hörte. Der Gesang ist klassisch, die Orchesterbegleitung ebenso, zwei Soprane begleiten den Meister, streckenweise im Duett. Er gibt die dramatische Ballade „Elenore“, in der um die verlorene Liebste geklagt wird, zum Besten, und zwar mit viel Gefühl und Sinn fürs Dramatische. Man stelle sich eine schmissige Arie aus einem bekannten Musical vor, z. B. „Elisabeth“ – so umwerfend gut kommt das rüber. Die vorliegende Fassung wurde neu gemischt, um zur Instrumentierung des Hörspiels zu passen.

_Unterm Strich_

Die Schatten der Vergangenheit holen Leonie Goron alias Sander endgültig ein. Ihr alter Widersacher aus England hat sie erwischt und gefangen gesetzt. Da er Poe bedroht, muss sie schleunigst ausbrechen, doch das ist leichter gesagt als getan. So kommt es zu einer finalen Actionszene. Bestimmender für diese Episode ist jedoch Leonies lange Irrfahrt durch die Innenstadt, die getreulich der Poe’schen Vorlage folgt. Über den Unterhaltungswert ließe sich trefflich streiten, aber ich fand diesen Teil unerlässlich, um Leonie und ihren Widersacher zu verstehen.

Die akustische Umsetzung ist vom Feinsten, und man merkt in jeder Szene, wie viel Sorgfalt die Mitwirkenden und Macher aufgewendet haben, um die Episode reizvoll und stimmungsvoll zu gestalten. Ein Highlight ist für mich zweifellos Christopher Lees Song, auch wenn dieser eher Musical-Freunde ansprechen dürfte.

Die Reihe wird mit „Der Kopf des Teufels“ fortgesetzt.

|Basierend auf: The Man of the Crowd, 1840/45
58 Minuten auf 1 CD|
http://www.poe.phantastische-hoerspiele.de
http://www.luebbe-audio.de

Edgar Allan Poe – Metzengerstein (Poe #25)

Showdown: Die ersehnte Enthüllung?

Die Hörspiel-Reihe bringt unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör.

Poe trifft Dr. Baker um Mitternacht auf einem Friedhof in New York. Hier soll Poe Leonie wiedersehen, die Baker in die Hände gefallen ist. Und hier soll er auch das Geheimnis seiner Identität erfahren. Doch nur im Austausch für Bakers Aufzeichnungen von unmenschlichen Experimenten. Kann Poe das zulassen? Aber Baker ist ihm einen Schritt voraus …

Edgar Allan Poe – Metzengerstein (Poe #25) weiterlesen

Edgar Allan Poe – Faszination des Grauens. Erzählungen

Dieser voluminöse Sammelband enthält die bekanntesten Erzählungen von Edgar Allan Poe, wenn auch nicht alle guten. Am bemerkenswertesten und umfangreichsten sind die drei Detektivgeschichten um Poes Meisterschnüffler Auguste Dupin sowie eine Science-Fiction-Novelle über einen abenteuerlichen Besuch auf dem Erdtrabanten.

Der Autor

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

Edgar Allan Poe – Faszination des Grauens. Erzählungen weiterlesen

Edgar Allan Poe – Faszination des Grauens. 11 Meistererzählungen

Schauergeschichten: Grusel aus der B-Liga

Der Band mit Erzählungen von Edgar Allan Poe versammelt die bekanntesten Geschichten wie etwa „Grube und Pendel“ oder „Das verräterische Herz“, bringt aber auch weniger bekannte wie „Eine Geschichten aus den rauhen Bergen“ und „Der Alb der Perversheit“. Alle Geschichten sind mit Anmerkungen versehen.

Der Autor

Edgar Allan Poe – Faszination des Grauens. 11 Meistererzählungen weiterlesen

Edgar Allan Poe – Detektivgeschichten

Die Methode der Deduktion: Dupin als erster Detektiv

Der Band mit Erzählungen von Edgar Allan Poe versammelt die bekanntesten detektivischen Geschichten wie etwa „Der Goldkäfer“ oder „Die Morde in der Rue Morgue“. Alle Geschichten sind mit Anmerkungen versehen. Das Nachwort eines deutschen Literaturwissenschaftlers ordnet die Geschichten in ihrer revolutionären Eigenart ein: Sie begründeten das Modell des Meisterdetektivs, der mit Logik über den Verbrecher triumphiert (und über die Polizei).

Der Autor

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Edgar Allan Poe – Der Doppelmord in der Rue Morgue

Ein grausiger Doppelmord an einer Frau und ihrer Tochter stellt die Pariser Polizei vor ein Rätsel. Die beiden Frauen sind in ihrer Wohnung in der Rue Morgue auf brutale Weise zugerichtet worden. Das Mädchen fand man mit verrenkten Gliedern, wie sie in den Kamin geschoben wurde, ihre Mutter dagegen geköpft auf dem Straßenpflaster liegend, nachdem sie aus dem Fenster geschleudert worden war. Obwohl zahlreiche Zeugen befragt werden und sich die Aussagen bis auf wenige Abweichungen decken, fehlt von einem Täter jede Spur. Doch die Befragten berichten alle von mindestens einer weiteren, dritten Person, die sich zum Zeitpunkt des Mordes im Haus befand, das ansonsten völlig leer stand. Wie nur war es dem Mörder gelungen, unbemerkt zu fliehen und keine Spur zu hinterlassen, die die Polizei wenigstens auf eine Fährte gelockt hätte?

Edgar Allan Poe – Der Doppelmord in der Rue Morgue weiterlesen

Thomas Ligotti – Das Alptraum-Netzwerk (Edgar Allan Poes Phantastische Bibliothek Band 2)

Wirtschafts-Horrorstorys?? Gut, der Job ist für viele Menschen oft Horror oder schlicht die Hölle, aber trotzdem lässt der Untertitel aufmerken: ein neues Subgenre? Oder muss es Wirtschaftshorror-Storys gelesen werden – das alltägliche Grauen in Geschichten dargestellt?

Oder kündigt die Etikettierung dunkle Ironie an?

Alles trifft zu. Die Wirtschaftsabläufe, deren Abbild den äußeren Rahmen für das Schicksal der Protagonisten Ligottis und zugleich für die philosophischen Betrachtungen des Autors liefert, sind eine der Manifestationen des absolut … Bösen(??). Bei aller Düsternis dieser Darstellung vermisst man aber auch den sprichwörtlichen schwarzen Humor nicht; und, ja, Ligotti zeigt Menschen, die unter ihrem Büro-Alltag leiden, Angehörige der Mittelklasse, die aufgefressen werden von Status- und Karrieredenken, vom täglichen Konkurrenzkampf und der täglichen Sinnlosigkeit.

Thomas Ligotti – Das Alptraum-Netzwerk (Edgar Allan Poes Phantastische Bibliothek Band 2) weiterlesen