Mit dieser meisterlichen Studie über die Geschichte der unheimlichen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart bewerkstelligt Lovecraft die Gratwanderung zwischen wissenschaftlichem Anspruch und geistreicher Unterhaltung. Die Literatur des Grauens gilt gemeinhin als beste kurzgefaßte Darstellung des Genres. Mit einem handsignierten Porträt des Autors von Helmut Wenske. Limitierte Auflage von 1000 Exemplaren.
Als Wardlin Stuart bei einem Streit in einer Bar einen Mann erschlägt, wird er zu zehn Jahren Haft verurteilt. Während er die Haftstrafe absitzt, beginnt er, Gebete niederzuschreiben. Das Besondere daran: Sie gehen alle in Erfüllung. Therese aus Arizona schreibt ihm auf seine Kontaktanzeige, nach einem Jahr heiraten sie, er kann endlich raus.
Nachdem seine gesammelten Bittsprüche unter dem Titel „Ein Handbuch amerikanischer Gebete“ veröffentlicht wurden und immer mehr Gebete in seiner neuen Heimat in Erfüllung gegangen sind, wird er zum Begründer einer neuen Religion und eine nationale Berühmtheit. Doch dieser Ruhm bringt ihn in Konflikt mit einem fundamentalistischen christlichen Fernsehprediger … und es scheint, als würde der Gott, zu dem Stuart betet, leibhaftig auf Erden wandeln.
_Der Autor_
Lucius Shepard, geboren 1947, zunächst ein Dichter, war in den achtziger Jahren einer der wichtigsten SF-Autoren, der mehrfach mit Preisen des Genres ausgezeichnet wurde. In seinen Erzählungen „Salvador“ (1984) und mit dem Roman „Das Leben im Krieg“ (1987) setzte er sich sehr kritisch und provokativ mit dem Engagement der Vereinigten Statten unter Präsident Reagan in Mittelamerika auseinander. Die CIA, das Pentagon und sicherlich noch andere Behörden des Geheimdienstapparates bildeten Contras aus: Sie sollten in El Salvador und Nicaragua gegen das sozialistische Regime operieren. Die Folge war ein Stellvertreterkrieg, in dem nicht nur tausende von Zivilisten ums Leben kamen, sondern auch die Iran-Contra-Affäre (Waffenschmuggel) die totale Amoralität der Verantwortlichen offenlegte.
Mit seinen anderen Werken war Shepard nicht so erfolgreich. In „Grüne Augen“ (1984) stellt die CIA illegale Experimente zur Wiederbelebung von Leichen an; in „Kalimantan“ wandelt die Hauptfigur auf den Spuren Joseph Conrads. Aber jede Erzählung Shepards hält ein gutes Leseerlebnis bereit, so etwa in „Delta Sly Honey“ (1989) und „Muschelkratzer-Bill“ (1994). „Der Mann, der den Drachen Griaule malte“ (1984) bildet mit „The Scalehunter’s Beautiful Daughter“ (1988) und „Father of Stones“ (1988) eine schöne Sequenz aus der High Fantasy.
_Handlung_
Wardlin Stuart ist im Winter 2001 ein friedliebender Barmann in einem abgelegenen Kaff in der Nähe von Seattle, als das Schicksal in Gestalt einer betrunkenen Frau hereinschneit. Sie nennt sich Wanda und sagt, sie brauche einen Drink. Sie habe aber kein Geld, denn sie sei gerade vor ihrem Freund weggelaufen und habe ihre Brieftasche vergessen. Wardlin bedauert, ihr nicht helfen zu können. Höchstens unter einer Bedingungen: Wenn sie ihm ihre Brüste zeigt. Gesagt, getan. Sie bekommt ihren Drink und fährt weg.
Damit ist aber nicht Feierabend. Ihr Freund schneit herein, beschuldigt Wardlin, es mit seiner Freundin getrieben zu haben (was nicht stimmt) und wird rabiat. Um ihn ruhigzustellen, haut ihm Wardlin eine Flasche übern Schädel – leider zerbricht nicht die Flasche, sondern das Blutgefäß unter dem Schädel. Der Typ stirbt und weil „Wanda“ die Bullen gerufen hat und ihnen die entsprechende Story auftischt, landet unser Barmann hinter Gittern. Mit zehn Jahren kommt er noch billig weg.
|Erhörte Gebete|
Sein erstes Gebet wird erhört, nachdem ihn ein Zellengenosse zusammengeschlagen hat. Zwei Tage später fällt der Typ eine Treppe runter und rennt sich den Schädel ein. Nach diesem offenkundigen Erfolg beginnt Wardlin seine Lage im Knast schrittchenweise zu verbessern. Das bleibt seinen Mithäftlingen nicht verborgen und sie fragen ihn nach seinem Erfolgsrezept. Beten! Na, toll, aber wie?
Er zeigt ihnen seine Art zu beten, und das sind in der Tat sehr merkwürdige Gebete, denn sie haben überhaupt nichts mit kirchlicher Sprache zu tun, noch nicht einmal viel mit Poesie. Aber worauf es ankommt, sagt Wardlin eindringlich, ist die Inbrunst, mit welcher der Betende sich an den Gott der Einsamkeit wendet, den Wardlin erfunden hat. Insgeheim betrachtet er seine Gebete als physikalische Akte, die auf die quantentheoretischen Zusammenhänge des Universums einwirken und dabei tatsächlich wahrnehmbare Veränderungen bewirken.
|Love of my life|
Nach acht Jahren kann sich Wardlin über seinen Erfolg nicht beklagen, denn immer mehr Mitinsassen geben funktionierende Gebete bei ihm in Auftrag. Was er aber wirklich will, sind eine Frau und Freiheit. Also betet er darum. Es ist Therese aus dem fernen Arizona, die ihm auf seine Kontaktanzeige antwortet. Anders als die anderen ist sie der No-nonsense-Typ: Sie werde erkennen, wenn er sie anlüge, schreibt sie. Beim nächsten Mal schickt sie schon ein Foto von sich, und das wird für ihn zu seinem neuen Himmel. Ein Jahr später heiraten sie und ziehen zu ihr nach Pershing, wo sie einen Esoterik-für-Touristen-Laden betreibt.
|Das erste Buch|
Die Liebe mit Therese ist fantastisch und sie vögeln wie die Karnickel. Hier schreibt Wardlin seine bisherigen Fürbitten zusammen und schickt das Manuskript an einen Verlag. Ein Traum wird wahr: Man will es dort veröffentlichen, und tatsächlich entwickelt es sich insgeheim zu einem Kultbuch. Also muss schnellstens eine zweite Auflage her, die noch mehr Gebete enthält. Wardlin erbittet Zeit.
Nach den ersten Abtastversuchen kreuzt eines Tages der erste Vertreter der Wirtschaft von Pershing auf, ein Versicherungsmakler. Er hat ein ganz profanes Ziel: Er will im nächsten Quartal seinen Umsatz erhöhen. Ganz einfach. Aber er weigert sich, das Gebet, das Wardlin für ihn schreibt, selbst zu sprechen, das muss der Autor selbst tun. Gegen eine Beteiligung an der Umsatzsteigerung erklärt sich Wardlin auch dazu bereit. Nachdem es bei dem Versicherungsmakler so gut geklappt hat, kann er sich vor Anfragen aus dem 4000-Seelen-Kaff kaum noch retten. Religion, die funktioniert: cool!
|Die neue Religion|
Aber es gibt, wie nicht anders zu erwarten, erste Proteste von Seiten der etablierten Kirchenvertreter. Insbesondere nimmt man Anstoß an Wardlins offenherzigem Sprachgebrauch. Beispiel gefällig? Dieses Gedicht wendet sich an Cheerleader:
|“Ihr posiert, meine Damen,
Mit keck geneigten Cowboyhüten,
Beugt euch nach vorn und zeigt uns
Die Rundungen eurer zarten Brüste,
Kurze Miniröcke und Strapse mit Firmennamen,
Roziers Geländewagen sei Dank,
Über Haut in Netzstrümpfen …“| (usw.)
Erst bei der Lesetournee nach der Veröffentlichung der zweiten Auflage macht ihm ein schwarzer Collegeprofessor in Chicago deutlich, dass Wardlin eine neue Religion gegründet habe. Das hält unser Autor erst einmal für absurd, um dann aber doch eines Besseren belehrt zu werden. Außerdem kommen die Argumente nicht unerwartet, denn Therese hat schon öfters ihre Zweifel an Wardlins Texten und seiner Haltung dazu geäußert. Sie hatten sogar ihren ersten handfesten Streit darüber. Ihm liegt nichts ferner, als eine verdammte Religion zu gründen und sich an die Spitze einer Bewegung zu setzen. Man könnte sich genauso gut eine Zielscheibe auf die Stirn malen …
|Wandelt Gott auf Erden – oder der Teufel?|
Was ihm neuerdings mehr zu schaffen macht, ist die Vorstellung, dass sein Gott der Einsamkeit auf Erden wandeln könnte. Der Typ taucht zu Wardlins Verwunderung tatsächlich in einem seiner frühen Texte auf: ein Mann ganz in Schwarz, mit einem gekrümmten, schwarz lackierten Fingernagel. Und als er mit Therese seinen Streit hatte und nach draußen ging, stand da tatsächlich ein Typ ganz in Schwarz und mit schwarz lackierten Fingernägeln. Er ließ sich von ihm einen Witz erzählen, aber der war so lang und völlig ohne Pointe, dass er sich nur darüber ärgerte und den Erzähler wieder vergaß. Jedenfalls bis der College-Professor vom Herrn der Einsamkeit anfing. Da kommt Wardlin ein wenig ins Grübeln.
|Religionskrieg|
Es kann nicht ausbleiben, dass sich die etablierten Fernsehprediger, die sich von der wachsenden Anhängerschaft Wardlins, den Wardliniten, bedrängt fühlen, diesen neuen Konkurrenten kritisieren. Doch keiner tut es so aggressiv wie Monroe Treat aus Arizona. Live in der „Larry King Show“ erklärt er Wardlin Stuart den Krieg. Und genau das bekommt er auch.
Erst wirft jemand die Schaufensterscheibe von Thereses Laden ein, doch schließlich ist es eine Brandbombe, die dem Laden den Garaus macht. Eine Krise. Der Herr der Einsamkeit hat ihn ja gewarnt, damals in Chicago. Aber Wardlin wollte ja nicht hören, hoffte, der Trubel würde sich legen. Doch im Gegenteil ging der Trubel und Medienrummel erst richtig los: Reporterscharen überfielen Pershing ebenso wie verfeindete Jünger von Treat und Wardlin.
|Versuchung|
Wardlin und Therese sind nach Phoenix geflüchtet. Dort besuchen sie eine Handelsausstellung. Wieder taucht der Schwarzgekleidete auf. Er lässt sich jetzt Darren nennen. Er bietet ihm an, ihm zu zeigen, wie er Treat fertigmachen kann. Ein für alle Mal. Die Versuchung ist in der Tat groß, Treat in der Wüste zu beobachten. Da drückt ihm Darren einen Revolver in die Hand …
_Mein Eindruck_
Ist dies das Neue Testament nach Shepard? Da haben wir also einen überführten, verurteilten und möglicherweise sogar reuigen Sünder. Eine Art Maria Magdalena, die ihn liebt und ihm so etwas Ähnliches wie eine Erlösung ermöglicht. Der reuige Sünder gründet eine neue Religion, verkündet die Frohe Botschaft (= Evangelium), dass jeder sein eigener Weltverbesserer sein könne, wenn er oder sie es nur genügend stark wolle. Selbstredend scharen sich Jünger um ihn, die er gar nicht wollte, aber wenigstens erwählt er keine Apostel, die seine Botschaft in die Welt hinaustragen sollen. Das tut Sue Billick, seine Lektorin, schön völlig freiwillig.
Doch der Versuchungen und Widersacher sind viele. Monroe erklärt unseren Religionsgründer zum Antichristen, zum Obersatan. Doch nicht Treat führt ihn in Versuchung. In der Wüste, in der Jehoschua von Nazareth vierzig Tage und Nächte verbrachte, gesellt sich ein anderer Versucher zu Wardlin. Dieser Schwarzgekleidete, der der erflehte „Herr der Einsamkeit“ sein mag oder auch nicht, drückt Wardlin die Waffe der Vernichtung in die Hand. Soll Wardlin selbst abdrücken und diesen „Darren“ zum Zeugen seiner Bluttat machen – sich ihm somit ausliefern? Oder soll er die Existenz dieses Darren einfach leugnen und sich elegant aus der Affäre ziehen – und sich selbst als Idioten bezeichnen?
Danach wird es noch einen weiteren Versucher geben, doch auf welcher Seite steht dieser zwielichtige Mr. Brauer? Kann er helfen, den Krieg mit Treat zu beenden, damit Wardlin und Therese wieder ein friedliches Leben führen können? Als Wardlin dieser Versuchung nachgibt, gerät er in die Hölle. Er hat eine Grenzlinie (nicht nur die nach Mexiko) überschritten und muss eine Höllenfahrt erleben, die ihn leicht sein Leben, seine Seele oder zumindest seinen Verstand kosten könnte. Er fleht das erste Mal aus größter Not zum „Herrn der Einsamkeit“. Und wer weiß? Vielleicht hilft ihm dieser – wieder einmal – aus der Patsche. Doch um welchen Preis?
|Eine Satire|
„Ein Handbuch amerikanischer Gebete“ ist eine handfeste und sehr eindrucksvolle Satire auf das Mediengeschäft mit der Religion in den USA. Aber das hat man schon öfters gelesen, zuletzt in Monteleones Horrorschinken [„Das Blut des Lammes“. 1490 Shepards Beschreibung eines „Tinnef-Christus“, wie Darren seinen Jünger spöttisch nennt, geht weit darüber hinaus. Er gräbt psychologische und kulturelle Tiefenschichten auf, die man bei anderen Autoren, die nicht so viel Welt- und Menschen-Erfahrung haben wie Shepard, vermisst.
Im letzten Drittel, dem mit Abstand stärksten Teil des Buches, erinnert Wardlins Höllenfahrt an der Oberfläche an die schönsten Auswüchse des Cyberpunk der kokaingetränkten achtziger Jahre, doch in der Tiefe geht es etwas anderes vor sich. Der Höllentrip führt zu einer Selbsterkenntnis (das ist ja wohl das Mindeste), wie sie uns von den Figuren Joseph Conrads am ehesten vertraut ist, sagen wir mal: von Lord Jim oder dem „Verdammten der Inseln“.
|Joseph Conrad|
Denn auch Wardlin Stuart ist ein Verdammter. Er hat fast zehn Jahre Knast hinter sich und sich entsprechende Verhaltensweisen antrainiert, die ihn im Knastsystem überleben ließen. Unbewusst setzt er diese Verhaltensweise schon wieder um, um sich zu behaupten: gegen Treat, gegen die Medien und seine Anhängerschaft, vielleicht sogar gegen Therese, die nicht besonders zufrieden mit ihm ist. An den Rand seiner Möglichkeiten gedrängt, einer Revolvermündung ins Auge blickend, ist Wardlin auf seine innersten Mechanismen zurückgeworfen. Wieder mal hat er ein Gebet geschrieben, auf eine 100-Dollar-Note, und gefleht: „Töte ihn für mich!“ Das ist sein ultimativer Sündenfall, und von hier kann es keinen Weg zurück geben. Der Autor der „amerikanischen Gebete“ – es gibt ihn nicht mehr. Stattdessen wird es von nun an ironischerweise Therese sein, die schreibt und Geschichten zu erzählen hat.
|Gratwanderung|
Mir hat der Roman eminent gut gefallen, und ich habe ihn in drei Tagen ausgelesen. Besonders hat mir gefallen, dass sich Wardlin nie dem Wahnsinn des Ruhms und des Erfolgs hingibt. Es gibt eine köstliche Szene, in der Wardlin in der „Larry-King-Show“ mit der live zugeschalteten Sharon Stone redet, die ihm eine Teilnahme an ihrer Party anbietet. Doch da bekommt Wardlin plötzlich kalte Füße, denn er erkennt die Falle, die sie für ihn aufgestellt hat. Der Ruhm, sprich: das Medieninteresse, soll auch ein bisschen auf diejenigen abfärben, die er, Wardlin, trifft – sozusagen als Geben und Nehmen unter Promis: „Du bist okay, ich bin okay.“
Diesen schmalen Grat wandelt Wardlin die ganze Zeit in der zweiten Hälfte des Buches (ab der Lesereise, die ihn nach Chicago führt). Der Leser merkt, über welche Macht der Verführung Wardlin verfügt – nicht nur direkt in der Beziehung zu seinen Zuhörern, sondern auch indirekt zu den Promis, die ihn wie Sharon Stone umgarnen. Und so verwundert es nicht, dass auch Sue Billick, seine Lektorin, ein „Pfund Fleisch“ von Wardlins Körper haben will (vgl. Shakespeares „Der Kaufmann von Venedig“).
|Sex als Währung|
Wieder eine der zahllosen Versuchungen, die aufzuzeigen der Autor nicht müde wird. Sex spielt als Währung eine ganz bedeutende Rolle im Leben Wardlin Stuarts, aber genau da liegt die Gefahr: Wenn auch Sex mit Therese zu einer Ware und Währung wird, dann ist Wardlins Ehe am Ende. So weit darf er es nicht kommen lassen. Und als Sue Billick ihm eine geile Nacht anbietet, da steht nicht nur der Moment auf dem Spiel, sondern auch Wardlins Ehe, die Liebe zu Therese, seiner Maria Magdalena, und nicht zuletzt seine Erlösung. Falls es so etwas für ihn geben kann.
|Die Übersetzung|
… von Joachim Körber trägt sehr viel zum Lesevergnügen am Buch bei. Denn er überträgt nicht wortwörtlich, sondern, wie es richtig ist, sinngemäß. Auch die Ausdrücke des Jugendslangs – vielleicht nicht der allerneueste auf der Straße – ist Körber geläufig, und so gelingen ihm sehr realistische und ironische Dialoge, die vor Sprachwitz sprühen. Das ist besonders in den Kneipenszenen wichtig und in den Unterhaltungen mit „Darren“.
Leider unterlaufen Körber immer wieder Flüchtigkeitsfehler, die den unverhofft darauf stoßenden Leser verwirren können. Ich haben mir neun Stück davon notiert und bin überzeugt, nur die wichtigsten bemerkt zu haben. Ich will meinen Leser nicht damit langweilen, diese Fehler herunterzubeten. Wer will, kann die Liste anfragen.
Die Fehler sind vermutlich darauf zurückzuführen, dass Bücher heute im Allgemeinen nicht mehr korrekturgelesen werden. Stattdessen lässt man nur noch die Rechtschreib- und Grammatikprüfung über den Text gehen. Allerdings werden dabei korrekt geschriebene, aber sinngemäß falsch eingesetzte Wörter nicht entdeckt. Ich muss das nicht zuletzt auch bei mir ab und zu feststellen.
_Unterm Strich_
Der Roman, der nur am Rande etwas mit Phantastik zu tun hat, verbindet zwei unterschiedliche Elemente zu einem beeindruckenden Ergebnis. Zum einen ist Wardlin Stuarts Weg zu Ruhm und Erfolg eine satirische Groteske, die dem Leser leider nur allzu bekannt vorkommt. Wieder einmal wird der amerikanische Drang nach ständiger Selbstverbesserung auf die Schippe genommen, der American Dream dem Spott preisgegeben.
Zum anderen ist es jedoch auch die Tragödie eines Mannes, der der Erlösung bedarf und ständig in Versuchung geführt wird. Was ist die richtige Erlösung für ihn? Ist es Sex, ist es Macht, ist es Liebe? Seine innere Psychologie, die er bis zum Schluss selbst nicht erkennt, obwohl er sich misstraut, stellt ihm immer wieder ein Bein. Es ist einer der großen Momente der Erzählung, in dem dies geschildert wird. Shepard setzt dafür eine Sprache ein, die man in der heutigen Literatur in ihrer Leuchtkraft und Treffsicherheit lange suchen muss, ganz besonders in der stark verarmten amerikanischen Phantastik (seltene Ausnahme: Ursula K. Le Guin).
Dies zu lesen, erfordert vom Leser sowohl Interesse als auch Sprachbegeisterung und Geduld. Diese Passagen sind sehr lang, meist mehrere Seiten, doch sie lohnen sich. Danach geben wieder Dialoge Gelegenheit zu einer geistigen Verschnaufpause. Nichts davon ist überflüssig, alles ist notwendig. Wer mal wieder so richtig in neuen Erfahrungsbereichen und sprachlichen Dimensionen schwelgen will, kommt bei diesem Shepard-Roman voll auf seine Kosten. Hier knüpft der Autor an seine frühen Meisterwerke wie „The Jaguar Hunter“ und „Life during Wartime“ an.
|Originaltitel: A Handbook of American Prayer, 2004
301 Seiten
Aus dem US-Englischen von Joachim Körber|
http://www.edition-phantasia.de
Weltuntergang en gros: fast so gut wie Philip K. Dick
Es ist ein geringfügiges Vergehen, wegen dessen sich George Orr einer psychologischen Therapie unterziehen muss: Medikamentenmissbrauch. Der Patient tut alles, um seine Träume zu unterdrücken, worauf sein behandelnder Arzt, der Psychiater Dr. Haber, eine gewöhnliche psychische Störung diagnostiziert. Doch George Orrs Träume können die Realität verändern. Ohne zunächst zu ahnen, worauf er sich einlässt, zwingt Dr. Haber seinen anbefohlenen Schützling, eine Reihe künstlich induzierter Träume zu erleben, bis sich Orr ganz und gar in diesen Träumen verliert und von der Welt, wie wir sie kennen, keine Spur mehr übrig ist. (Verlagsinfo)
Mit Hilfe einer chinesischen Puzzle-Box ruft Globetrotter und Glücksritter Frank Cotton die Zenobiten herbei, Dämonen aus der Anderswelt. Sie versprechen ihm das, was er am meisten begehrt: sinnliche Lust und Freuden des Fleisches, wie sie noch kein lebender Mensch erfahren hat.
Doch die Grenzen zwischen Lust und Schmerz sind fließend, und Frank sieht sich betrogen, gefangen in der Zenobiten-Hölle. Um in seine eigene Welt zurückzukehren, braucht er Julia, die Frau seines Bruders. Und Blut. Viel Blut…
Der Autor
Clive Barker, 1952 in Liverpool geboren, ist der Autor von bislang 18 Büchern, darunter die sechs „Bücher des Blutes“. Sein erstes Buch für Kinder trägt den Titel „The Thief of Always“ (Das Haus der verschwundenen Jahre). Er ist darüber hinaus ein bekannter bildender Künstler, Filmproduzent und -regisseur („Hellraiser 1“) sowie Computerspiel-Designer. Er lebt in Beverly Hills, Kalifornien, mit seinem Lebenspartner, dem Fotografen David Armstrong, und ihrer Tochter Nicole.
Los Angeles in naher Zukunft: Als Anführer der Moralpolizei lullt der reaktionäre Fernsehprediger John Mox die verarmten Massen mit seinen Predigten ein, doch der wahre Herrscher der Stadt ist der charismatische Dr. Adder, der jeden Wunsch erfüllt: einen neuen Körper, durch plastische Chirurgie modifizierte Geschlechtsorgane, halluzinogene Drogen – und das macht ihn zum Todfeind von Mox, der einen gnadenlosen Feldzug gegen ihn beginnt.
A Fisherman of the Inland Sea ist eine 1994 erschienene Sammlung von Kurzgeschichten der Autorin Ursula K. Le Guin, die 1998 unter dem Titel Ein Fischer des Binnenmeeres auf Deutsch herausgegeben wurde. In den letzten drei Geschichten des Bandes werden die Technik des „churten“, des Ortswechsels ohne Zeitintervall, sowie dessen Nebenwirkungen beschrieben; wie LeGuin im Vorwort anmerkt, sind die drei Geschichten um das „churten“ „Geschichten über Geschichten“, oder über das Erzählen. (Wikipedia)
„Ein Fischer des Binnenmeeres“ heißt die Anthologie, die Anfang 1998 in der Edition Phantasia erschienen ist. Allein die Einleitung dieser Sammlung halte ich für einen ausreichenden Grund, sich dieses Buch nicht entgehen zu lassen, denn was Le Guin „Über Science Fiction und Leute, die sie nicht lesen“ zu sagen hat, ist pointiert, voller Wortwitz und sanfter Ironie, kurz, ein Leckerbissen zum Aperitif. Außerdem lässt uns die Autorin einen Blick auf ihre eigene Sicht ihrer Geschichten werfen, was ich immer wieder sehr erhellend finde, gerade im Hinblick auf die mannigfaltigen Interpretationsmöglichkeiten. Der Band enthält drei neue HAINISH-Erzählungen.
Mittsommer. Grail, Louisiana, ist ein entlegenes Dorf mitten im Mississippi-Delta. In diesen Ort verschlägt es den Musiker Mustaine durch eine Autopanne. Der geheime große Macker des Dorfes Joe Dill lädt ihn in eine Bar ein, während sein Wagen repariert wird. In der Bar Le Bon Chance lernt Mustaine eine geheimnisvolle Frau kennen, die ihn sofort abschleppt und eine heiße Nacht mit ihm verbringt. Doch die Freude an der heißen Liebe zu Vida währt nur kurz, denn am nächsten Tag endet die 20-jährige Regentschaft der Mittsommerkönigin Vida. Gut, dass Mustaine noch nicht erfahren hat, was mit Vidas Vorgängerin passiert ist …
Nicht zuletzt die ambitionierte Internetseite deutsche-science-fiction.de machte auf Myra Çakan und ihren neuesten Roman aufmerksam, dessen Titel sich etwas eigentümlich liest in unserer Zeit der reißerischen Schlagworttitel. Er lässt eine humorvolle Geschichte erwarten und klingt gleichzeitig nach einer klassischen Oper – zwei Erwartungen, die die Autorin nicht enttäuscht.
Die deutsche Publizistin Myra Çakan wurde – Zufall oder nicht? – an Halloween geboren. Sie absolvierte ein Schauspiel- und Musikstudium und nahm u.a. an einem Workshop über Sit-Com-Writing sowie an Drehbuch- Seminaren bei Don Bohlinger teil. Myra Çakan ist definitiv die erste deutschsprachige Vertreterin des Cyberpunk. Als freie Autorin und Journalistin (schrieb sie u. a. für Die Woche, Konrad, c’t, Der Spiegel, Süddeutsche Zeitung; MAX, Marie Claire und Cinema) lebt sie mit ihren Burmakatzen in der Nähe von Hamburg. (Presseinfo Argument Verlag)
Mimsi Mimkovsky tritt an Bord der Stern von Beteigeuze die Reise zum Planeten Proxima Centauri Zwei an – so heißt es im Klappentext. So überrascht es den Leser, wenn im ersten Kapitel die Ereignisse aus dem Blickwinkel des Kabinenstewards Hurriberto geschildert werden. Hurriberto bleibt dabei im weiteren Verlauf der Geschichte ein Nebendarsteller, auch wenn er sich über seine Rolle an Bord des Kreuzfahrtschiffes eine andere Meinung bildet. Mimsi wird schließlich doch zu einem der Haupthandlungsträger, Gleiches gilt für ihren Verehrer Schalck von Schnabel und die Diva Banamarama Halcion, deren Stern bereits am verblassen ist. Ihr sogenannter Impresario, Herr von Luna, offenbart Mimsi gegenüber ein zwiespältiges Wesen, und die Kronprinzessin Silber von Sirius, dreizehn Jahre alt und als Blinder Passagier an Bord in einer Herzensangelegenheit, hat mehr Durchblick in der konfusen Ermittlungssituation, als man ihr zutraut.
Ermittlungssituation? Genau, denn auf diesem Luxusliner passieren während der wochenlangen Reise ungehörige Dinge: Während der Probem zur traditionellen Bordrevue „Schieß mich zum Mars, Liebling“, bei der Madame Halcion die Direktion übernimmt, verschwindet das entscheidende Requisit, ein Dolch, der schließlich im Körper eines undercover reisenden Mafiabosses steckend wieder auftaucht. Leider sind Mimsis Fingerabdrücke auf der Waffe (schließlich soll sie die Hauptrolle in der Revue spielen), so dass sich zu ihrem Leidwesen auch die Bordsicherheit für sie interessiert.
Wir sehen, es herrschen undurchsichtige Zustände auf dem Schiff, auf dem sich eine explosive Anhäufung verdeckt reisender Passagiere befindet, die irgendwie miteinander in Verbindung zu stehen scheinen. Herr von Luna wird als unfähiger Impresario geschildert, der immer im passenden Moment verschwunden ist, so dass die Missstimmung der Diva sich allein auf Mimsi konzentriert, die obendrein auch von Luna schikaniert wird. Dabei stellt sich der Eindruck ein, dass er erstens irgendetwas im Schilde führt, zweitens gar kein Impresario ist, sondern sich mit dieser Rolle Zutritt zum engsten Bereich der Diva – und nicht zuletzt ein Ticket nach PC2 – verschaffte, und drittens über Mimsis nebelhafte Vergangenheit mehr weiß, als ihr vorstellbar erscheint.
Die Diva wird in typischer Art völlig egozentrisch dargestellt, so dass in ihrer Weltsicht gar kein Platz für die Probleme des Lebens außer ihrer eigenen ist, und so geht der ganze Trubel um den Mord weitgehend an ihr vorbei. Einzig die häufigen Störungen der Revue-Proben reizen ihr Gemüt.
Mimsi Mimkovsky ist schließlich doch das Zentrum der Geschichte, denn ihre Vergangenheit, durch ein kindheitliches Trauma verschleiert, wird zwischen Proben, Mord und Liebesglück zum zentralen Aufhänger allen Trubels. Dann ist es immer wieder die kleine Silber, die sich einmischt und der Rätsel Lösungen mit Kinderzunge verkündet, ohne beachtet zu werden. Nur Schalck von Schnabel misst ihr eine tiefere Bedeutung bei und kümmert sich …
Die Lektüre ist wie ein Theaterstück. Szenenwechsel, dabei eine eingeschränkte Auswahl an Bühnenbildern, vor denen sich das Schauspiel entfaltet, diverse Blickwinkel und dabei der witzige Ton der Dialoge und Szenen, wie für ein reales Publikum inszeniert. Vor dieser Erkenntnis gewinnt der Roman eine ganz andere, herausragende Qualität, denn im Vergleich mit einer klassischen Space Opera sucht man hier die typischen Elemente vergeblich. Es gibt keine Raumschlachten, keine außergewöhnlichen innovativen Technikbeschreibungen, kein Sense of Wonder – wobei Letzteres erst den Flair einer klassischen Space Opera ausmacht. Çakan nutzt diesen eigentlich typischen klassischen Krimiplot (eine abgeschlossene Gesellschaft ohne die Möglichkeit für den Täter, sich zu verbergen, also weilt er unter den Anwesenden), um eine wortwörtliche Space Opera zu inszenieren. Das ist ein Kunststück, und sie schafft es, ihre Darsteller im Laufe der Aufführung so zu entwickeln, dass jeder seinen eigenen Charakter bekommt, Sympathie oder Antipathie ausstrahlt oder ein Mysterium wird, dessen Geschichte man erfahren will.
Erwartet man einen typischen, handfesten Roman, kann Çakan nicht mit großen neuen Ideen punkten; lässt man sich dagegen auf das Erlebnis eines Romans als Theaterstück ein, erkennt man mit einem großartigen Gefühl, wie dieses literarische Werk funktioniert und wo seine Stärken liegen. Nämlich nicht in Action und kosmischen Rätseln, sondern in den Gefühlen und im menschlichen Leben, das konzentriert in diesem abgeschlossenen System des Raumschiffs stattfindet.
Ach, und Hurriberto Wicknack, der Kabinenstewart, erhält schließlich als großer Schauspieler und Beobachter noch die Möglichkeit, das Drama dieses Fluges in Form eines Theaterstückes zu verarbeiten – einen Titel hat er ja schon …
Ausgerechnet eine Universität wird zum Stützpunkt eines Hexenclubs, der seine Privilegien mit tödlichen Flüchen zu sichern weiß. Ein junger Professor und seine Frau bekämpfen die Zauberfrauen mit ihren eigenen Mitteln … – Nach über einem halben Jahrhundert wirkt dieser phantastische Klassiker ungemein frisch. Spannend und überzeugend bringt Leiber das Thema in die Gegenwart: Qualitäts-Horror für Leser, die vom Genre mehr als scheinbrünstige Vampirchen fordern. Fritz Leiber – Hexenvolk weiterlesen →
Kaum ein Jahrhundert ist vergangen, seit die Erde den Van-Allen-Gürtel verlor, der sie vor den schädlichen Bestandteilen des Sonnenlichts schützte. Seitdem steigen die Temperaturen ständig, harte Röntgenstrahlen sorgen für Unfruchtbarkeit oder Mutationen. Die meisten Menschen sind gestorben, die wenigen Überlebenden haben sich in den äußersten Norden sowie die inzwischen eisfreie Antarktis zurückgezogen. Das Land zwischen den Polarkreisen musste aufgegeben werden. Es wird von mutierten Insekten, Reptilien und anderen urzeitlich anmutenden Tieren sowie gigantischen Pflanzen beherrscht.
Die neuen, durch Überflutung und Schlick völlig veränderten Küstenlinien der halb versunkenen Kontinente sollen neu kartiert werden. Zu den Wissenschaftlern, die diese Aufgabe übernehmen, gehört der Biologe Robert Kerans. Als Mitglied einer militärischen Expedition hält er sich in den Ruinen des ehemaligen London auf. Er schätzt die Privatsphäre, die ihm seine Arbeit beschert, und ist deshalb entsetzt, als die Order zum Abzug ergeht. James Graham Ballard – Paradiese der Sonne weiterlesen →
Nehwon ist eine mittelalterlich anmutende Welt, in der die Magie zum alltäglichen Leben gehört. Götter, der Tod und Dämonen mischen sich gern persönlich in die Geschicke der Menschen ein. Das Land zerfällt in große und kleine Länder und Stadtstaaten, die in der Regel feudal regiert werden. Recht und Ordnung werden vom jeweiligen Herrscher definiert und mit Schwert und Dolch durchgesetzt. Die Landkarte weist viele weiße Flecken auf, außerdem gibt es mysteriöse Stätten, die anscheinend Passagen in fremde Welten oder Dimensionen ermöglichen.
Der US-amerikanische Universitätsprofessor William Standish ist in seinem Leben festgefahren. Die Karriere an einer Provinzuniversität stagniert, daheim wartet Jean, die hochschwangere, hysterische Gattin, die ihn vor gar nicht langer Zeit betrogen hat. Da kommt ein Angebot aus dem englischen Esswood House gerade richtig: Standish wird eingeladen, in der Bibliothek des Hauses, das ein Treffpunkt berühmter Literaten und Poeten war, nach ungehobenen Schätzen zu suchen. Er arbeitet an einem Buch über seine Stiefgroßmutter Isobel Standish, eine unbekannt gebliebene Schriftstellerin des frühen 20. Jahrhunderts, um deren Schicksal sich ein Geheimnis rankt.
Esswood House ist seit jeher der Stammsitz der Seneschals. Die Familie ist auf zwei Mitglieder geschrumpft, die seit Jahren nicht mehr öffentlich in Erscheinung getreten sind. Standish wird nach komplizierter Anreise von Robert Wall, dem Verwalter, empfangen, einem mysteriösen Mann unbestimmbaren Alters. Er passt gut in die Atmosphäre von Esswood House, das sich als höchst merkwürdiges Anwesen erweist. Peter Straub – Esswood House weiterlesen →
Frank Cotton hat auf der Jagd nach dem ultimativen Vergnügen das Tor zur Hölle der Zenobiten aufgestoßen. Sie setzen Lust mit Schmerzen gleich und verschaffen Frank einen unvergleichlichen Abgang. Aber aus dem Jenseits begehrt er die Rückkehr in seine Welt. Seine ihm hörige Schwägerin Julia lockt ihm Menschenopfer in seine Höhle, von denen er sich nährt, bis die Zenobiten bemerken, dass ihnen ein Opfer entkommen ist … Horror-Novelle von bemerkenswerter Intensität, düster, böse, blutig, konsequent auf ein Happy-End verzichtend – eines der besten Werke des sonst gern allzu wortgewaltigen Clive Barker. Clive Barker – Hellraiser weiterlesen →
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