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Thomas Pfanner – Gott will es!

Mit dem Aufdruck „rasante, actiongeladene Mischung aus Detektivgeschichte, Verschwörungsthriller und Kirchenkritik […] mit einer Prise Erotik und sehr viel schwarzem Humor“ macht der |Eldur|-Verlag auf dem Buchdeckel Werbung für den aktuellen Roman von Krimimann Thomas Pfanner, der mit „Gott will es!“ auf den Spuren eines Dan Brown wandelt und sich düstere Machenschaften innerhalb der katholischen Kirche zum Thema seines Romans gemacht hat…

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Sträter, Torsten – Hit the Road, Jack! (Jacks Gutenachtgeschichten 3)

Band 1: [„Hamöglobin“ 1416
Band 2: [„Postkarten aus der Dunkelheit“ 1417

Ja, aber hallo! Man braucht gerade einmal die ersten beiden Kurzgeschichten von „Hit the Road, Jack!“ zu lesen, um zu wissen, dass man sich in der blutigen Welt Torsten Sträters befindet.

Der Mann ist meiner Meinung nach ein echter Könner. Niemand außer ihm schafft es innerhalb von nur wenigen Seiten komplette Storys zu erzählen, die zum einen flüssig wie Schmierseife, zum anderen boshaft wie Belzebub persönlich und zuletzt so unvergleichlich beißend ironisch sind, dass dem Leser beim Genuss der Kurzgeschichten vor inniger Schadenfreude die glasklaren Säfte aus den Augen schießen, wobei man sich gleichzeitig ernsthaft überlegt, ob man nun schallend lachen oder schmerzhaft kotzen soll. Nun, Alltagsgeschäft in Sachen Sträter!

Der Dortmunder schüttelt sich die Brachiallyrik im Dutzend aus den Gelenken, immer wohl bedacht, die biestigste Pointe ans Ende zu heften, die sich das abgedrehteste Hirn südlich des Nord- und nördlich des Südpols überhaupt vorstellen kann. Herr Sträter dürfte ahnen, dass dieses Kompliment aus tiefster Seele kommt.

Ein Koch, der sich mächtig über einen Gast freut, dem sein meisterliches Menü zu schmecken scheint und der sich umso mehr freut, seine erschaffenen Kreationen von jenem Gast auch nach dem Verzehr wieder zurückzubekommen. Diese reichlich geschmackvoll gestaltete Hirnakrobatik und stilgerecht wahnwitzig, ironisch und furztrocken beendete Geschichte startet ein Buch voller Kurzweil und grauenhaftem Perfektionismus. Voller Witz und Tücke, voller Humor und heftigstem Horror.

Torsten Sträter muss man als Horrorfan einfach lieben, weil er ein Mann der Extreme ist, der definitiv keine halben Sachen macht. Wenn man lacht, dann schmerzt der Magen. Wenn man kotzt, dann schmerzt er ebenfalls. Sträters Storys gehen also quasi so oder so durch den Magen. Wenn der Ruhrpöttler wie in der Kurzgeschichte „Zimt“ mit der Ekelkeule ausholt und von sich zersetzenden Gangstern und Agenten erzählt, von sekretierenden Gewebeklumpen, die in dumpf stinkenden Katakomben dem Ende entgegenatmen, steht einem die Magenbrühe eigentlich schon oberhalb des Pförtners, oberflächlich leicht zuckend durch die zerebral vibrierende Speiseröhre. Yeah, that´s it! Horror ist Spaß und Torsten Sträter ist der Beweis dafür!

Erwähnte ich eigentlich schon, dass „Hit the Road, Jack!“ der dritte und zugleich letzte Teil von Sträters Kultreihe „Jacks Gutenachtgeschichten“ ist, in der bereits die fabelhaften Werke „Hämoglobin“ und „Postkarten aus der Dunkelheit“ erschienen sind? Nun denn! Diejenigen, die von diesen Büchern überzeugt waren, dürfen blind zuschlagen. Denn Sträters Neustes ist eine Steigerung in jeder Hinsicht. Noch bestialischer, noch brutaler, noch zwingender und noch witziger. Definitiv keine leichte Kost. Wohl eher Vollwert für hartgesottene Mägen, aber immer mit einem deftigen Schalk im Nacken. Irgendwie erinnern mich die Storys an Filme wie „Creepshow“, die auf Horrorcomics aus den Sechzigern und Siebzigern basieren. Aus ähnlichem Holz strikt Sträter seine Bücher. Aus einem Tick Realität, einem noch größeren Tick Abnormität und einer dicken Schippe Absurdität.

Okay, wer bis hierhin durchgehalten hat, wird sich das Buch kaufen. Und Leute, ihr macht dabei keinen Fehler. Es sei denn, ihr kauft euch danach nicht auch noch die Vorgänger! Das |wäre| ein Fehler. Ich persönlich kann die Ideen des Autors und meinen Spaß an der Sache prima wie folgt mit den Worten Sträters zitieren und vergleiche das Buch mit einem in „Hit the Road, Jack!“ erwähnten Kühlschrank: |“Wie ein Sarkophag steht er da, bereit, tote Dinge aufzunehmen und zu bewahren, bis ich die Tür öffne. Oder lebende, bis ich die Tür öffne. Er funktioniert in dieser Hinsicht einwandfrei. Ich habe Hunger.“| Und wie ich Hunger habe …

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Lancester, Peter – Unterm Doppelmond (Die Chroniken der Anderwelten 2)

Eva, Otto und Friedrich begeben sich unter der Leitung Anders in Richtung Unterhessen, dem sagenumwobenen Land unterhalb der Erdschicht. Die Reise gerät nicht ungefährlich, da überall nicht gerade wohlgesonnene Charaktere in den dunklen Winkeln Unterhessens warten. Auch der Empfang gerät alles andere als herzlich. Für den verletzten Friedrich endet die Reise im Kerker, Eva und Otto sehen sich dahinvegetierend, ohne Habe und Dach über dem Kopf, auf der Straße wieder. Durch Unwissenheit über die Gesetze Unterhessens befinden sich auch Eva und Otto alsbald in einem saftigen Konflikt mit der Legislative des Landes. Ander kann den beiden gerade noch aus der Patsche helfen. Allerdings war es nicht das letzte Mal, dass sich kaum lösbare Probleme vor unseren Helden auftürmen …

Auch im zweiten Teil des „Chroniken der Anderwelten“-Zyklus werden die Protagonisten durch allerhand Abenteuer gescheucht. Dennoch wird der schnelle Erzählstil des [ersten Bandes 1507 gerade in der ersten Hälfte des zweiten Buchs etwas gedrosselt, in der die Gesetzeskonflikte auftreten und in der viel vor Gericht gestritten und geurteilt wird. Etwa ab der Mitte nimmt das Buch aber wieder ordentlich Fahrt auf, zieht den Spannungsbogen wie schon im ersten Band unbarmherzig an und mischt allerlei Stilelemente, von Horror über Grusel und Fantasy, zu einem stimmigen Gebräu, das die Traumthemen nach dem Einschlafen angenehm beeinflussen sollte.

Das größte Plus an Lancesters Werk ist und bleibt die Bildgewalt der Landschaften, die sich als fremde, dennoch wunderschöne Welten aus dem Nichts vor dem geistigen Auge erheben. Eine kleine Parallele sehe ich hier zu George Lucas‘ „Star Wars“-Filmen, in denen des Öfteren neue, skurrile und liebevoll gezeichnete Welten erschaffen wurden. Ähnlich gekonnt beschreibt Lancester sein Land, seine Schöpfung, die zu nicht geringem Anteil auch durch Tolkiens Schaffen beeinflusst sein sollte (aber welche Fantasy ist das heute nicht?).

Lancester verliert sich zudem nicht einzig in der Phantasie, sonderen bindet, vor allem bei den Gesetzeskonflikten, sozialkritische Fragen mit ein. Letztendlich bietet „Unterm Doppelmond“ einmal mehr spannende Unterhaltung und eine Welt, die jeder lieben wird. Man hat keine andere Möglichkeit, als gierig Seite um Seite zu verschlingen, um unsere Helden in Sicherheit zu wissen. Eine Sicherheit, die trügerisch und damit doch wieder unsicher ist. Gerade dieser Umstand gerät als wirklich quälend, denn irgendwann muss man den Roman ja mal auf die Seite legen.

Orthographisch einwandfrei zu Papier gebracht, überzeugen auch dieses Mal zudem das treffende Cover, die Schriftgröße und die Aufmachung des Buches. Lasst euch also nach Unterhessen entführen, ein Land, in dem nichts ist wie es scheint, in dem in jeder Ecke große Überraschungen warten und das im Leserhirn wie ein großer bunter Luftballon explodiert. Menschen, die mit „Herr der Ringe“ und „Krieg der Sterne“ klar kommen und denen auch ein Stück Horror und Grusel nichts ausmacht, dürften mit den „Anderwelten“-Büchern bestens unterhalten werden. Band drei kommt übrigens Ende des Jahres, die weiteren im Halbjahresrhythmus. Kaufen, es lohnt sich!

Lancaster, Peter – blaue Portal, Das (Die Chroniken der Anderwelten 1)

Eva, fünfzehn Jahre alt und mit ihren Eltern und ihrem Onkel Friedrich in einer Burg in Hessen lebend, hat ein verdammt zukunftsweisendes Aufeinandertreffen im Keller, als sie ihrem dem Alkohol verfallenen Onkel neuen Stoff für die Sinne holen will. Hinter einem Regal kommen kleine, sprechende, menschenähnliche Pferde hervor, die einem Portal in eine andere Welt entsprungen sind. Dort werden sie von den beheimateten Kreaturen als eine Art Sklaven gehalten.
Nach langer Flucht, bei der einige der Pferde ihr Leben lassen mussten, erreichen sie das bläulich schimmernde Portal über eine ellenlange Treppe, die schließlich in den Keller der Burg führt.
Nachdem sich die zwei Parteien zunächst nicht wohlgesonnen sind, kehren nach einiger Zeit Ruhe und Vertrauen im Umgang der ungleichen Schlossbewohner ein. Bis sich das Portal erneut öffnet und zum zweiten Mal Besucher anklopfen. Und die haben nichts Freundliches im Sinn …

Es folgt eine genreübergreifende Story, die jugendtaugliche Literatur über Phantastik bis hin zu Horror umfasst und auch vor geschichtsrecherchierten Fakten nicht zurückschreckt. Leider verzettelt sich der Autor (Peter Lancester; zugleich Chef des |Eldur|-Verlags) manchmal in zu vielen Querverweisen, Zeitsprüngen, Fußnoten und Charakterzeichnungen. Man muss aber sagen, dass es Lancester gelungen ist, liebevolle Typen auf seinen Seiten zu erschaffen, die abseits vom leidigen Heldenstatus als eher kauzige und unbedarfte Charaktere ihrer wahren Größe entgegensteuern.

„Das blaue Portal“ ist ein überwiegend locker zu lesendes Buch, das hier und da mal etwas verwirrend in den Zeiten umherspringt. Man muss aber dazu sagen, dass der Roman der erste Teil von insgesamt fünf Büchern ist. Somit werden noch viele Fragen in den folgenden Bänden aufzulösen sein und Lancester wäre schön blöd, würde er sein komplettes Pulver schon zu Beginn verschießen.

Ein Publikum für diese fremde Welt zu empfehlen, fällt mir etwas schwer, da für jüngere Leute die teilweise explizit derbe Gewalt doch eine Nummer zu heftig sein dürfte. Lassen wir also die Kleinsten mal weg und fangen bei gesetzteren Jugendlichen an, die man aufgrund der medialen Alltagsgewalt sowieso durch nichts mehr schocken kann. Wer sich vom Stress des täglichen Lebens erholen will und seine Gedanken in eine andere Welt transportieren lassen möchte, ist bei Peter Lancester bestens aufgehoben.

Die Aufmachung und der Druck des Buches sind, typisch für den |Eldur|-Verlag, professionell gestaltet und ansprechend. Die Schriftgröße ist für ein Taschenbuch perfekt gewählt und verhilft trotz der Größe des Romans nicht zu blutenden Augen.
Summa summarum freue ich mich bereits auf die restlichen Teile, bleiben doch so viele Fragen offen, die Lust auf ein tieferes Eintauchen ins blaue Portal machen. The show must go on …

|Nachtrag d. Ed.: Der Roman wurde für den Deutschen Phantastik-Preis 2005 nominiert. Es handelt sich um einen Leserpreis, zu dem jeder mit seiner Stimme beitragen kann. Zum Abstimmungsformular geht es hier entlang: http://www.foltom.de/phden05.html.|

Fried, Hel / Lancaster, Peter / Ninge, Joel E. / Först, Lukas / M., Manuel / Uffer, Matthias – Fleisch … und andere Appetitverderber

Leute, Kurzgeschichten sind einfach etwas Feines! Wenn sie von einem guten Autor ersponnen und verbrochen wurden, schaffen sie es in aller Kürze, den Leser zu fesseln und ihn in eine Parallelwelt zu entführen, in die man mal so zwischendurch entfliehen kann. In der Pause auf der Arbeit, beim Thronen auf der Schüssel oder zwischen den einzelnen Sexetappen. Solche Bücher zehre ich, sofern sie entsprechend gut geschrieben wurden, gern unter Volldampf in mich hinein, so dass es auch kein Wunder war, dass ich „Fleisch … und andere Appetitverderber“, eine Shortstory-Compilation des |Eldur|-Verlags, in null Komma nix verdaut hatte.

Siebzehn Geschichten von zehn verschiedenen Autoren, voller Leichenflederei, Sex, Gewalt, Tod, Blut und viel Gedärm; hier wird einem die fette Schlachtplatte |in personae| serviert. Herausragend im eigentlichen Sinne ist bei dieser Sammlung keine Story so recht, da sie alle auf einem ähnlich hohen Niveau kompetent verfasst wurden. Lediglich im Spannungsaufbau und letztendlich im Ekelfaktor stechen einige bestialisch hervor. So zum Beispiel „Der Messi“ von Salem Stoke, der von einem etwas unreinlichen Sammler allen Schrotts erzählt, der in seiner Wohnung aber auch Gütertrennung betreibt. Auch wenn ich dies im Falle von eigentlich zusammengehörigen Gliedmaßen reichlich merkwürdig finde.
Ein weiteres Highlight absoluten Ekels stellt „Das Bad“ dar, in dem der Protagonist für 30.000 Euro in einer Wanne umherschwimmen muss. Genauer gesagt, handelt es sich bei dieser Wanne jedoch um eine Kläranlage, was die Sache schon etwas erschwert und es dem Leser auch wirklich schwierig macht, seine Magensäfte bei sich zu behalten. ‚Widerlich und pervers‘ ist die treffende Umschreibung, doch ’spaßig und köstlich‘ passt in meinen Augen ebenso gut dazu.
Ein Sahnehäubchen des Sex-Gore stellt besonders die Titelgeschichte dar, in der man in der nahen Zukunft menschliches Fleisch für die oralen Bedürfnisse kaufen kann. Ein leicht verschrobenes Pärchen stellt aber noch bizarrere Dinge mit den Klumpen an. Als ob fressen nicht schon reichen würde …

Ich will und muss, denke ich, nicht jede Geschichte im Einzelnen auflisten, da sie sich in ihren Stilistiken sehr homogen zusammenfügen und sich im Schreib- und Lesefluss nicht großartig brechen. Mal werden Psychogramme kranker Seelen gezeichnet („Amputation“, „Ein Schmerz lang glücklich“, „Aeternitas“) und mal gehen die Storys deutlich ins Phantastische („Heinrichs Abendmahl“, „The Love Craft“). All diesen Geschichten ist aber definitiv der extreme Gorefaktor gemein, der manch einem Warmduscher die Kinnlade entgleisen lassen sollte.
Ich für meinen Teil hatte einhundertneunzig Seiten, die sich lesen wie ein paar geile Comics und runtergehen wie reines Olivenöl, puren Spaß.

Das ist nun einmal der Vorteil bei Kurzgeschichten: Die Autoren müssen sich nicht erst großartig Gedanken über einen komplexen Storyaufbau und ausführliche Charakterzeichnungen machen. Compuffter an und uff die Mutti! Genau so liest sich das Material auch.
Also wünsche ich viel Spaß und einen ordentlich fetten Happen verdorbenen Fleisches. Lasst es euch gut munden …

Sträter, Torsten – Postkarten aus der Dunkelheit (Jacks Gutenachtgeschichten 2)

„Postkarten aus der Dunkelheit“ ist Teil zwei der Kurzgeschichtensammlung aus der Feder Torsten Sträters, dessen erster Teil [„Hämoglobin“ 1416 im Jahre 2004 sensationelle Kritiken einheimsen konnte. Nun, was soll ich sagen? Teil eins fand ich schon sehr gelungen, aber stellenweise zu wenig im Bereich der Phantastik angesiedelt. Als hätte mich Herr Sträter in meinem Klagen erhört, erhöht er sogleich den Phantastikfaktor und hämmert einem zwölf ultraextreme Prosamonster vor die Birne, die in ihrer schreiberischen Bildgewalt in Deutschland ihresgleichen suchen. Man nehme als Beispiel die Geschichte ‚Heiliger Krieg: Einer muss es ja machen‘, bei der der Vatikan sich mit Hilfe freiwilliger, heiliger Krieger zum großen Schlagabtausch mit dem Bösen aufmacht. So schlicht sich dieses Grundgerüst auch anhören mag, so deftig heftig explodieren die Worte im Leserkopf. Man kann fast nicht anders und verschluckt Geschichte für Geschichte, in meinem Fall in nur knapp drei Stunden.

Wieder einmal balanciert Sträter seine Storys gut aus, hängt seicht gifttriefende, beißend ironische Geschichten und pure Splatterorgien hintereinander und bekommt so eine exzellent ausgewogene Mischung aus Grusel und purem Horror hin, die von der ersten Seite an fesseln kann. Ob da jetzt Geisterbahnwärter ihre Aufgabe etwas zu genau nehmen oder Luzifer höchstpersönlich in den Berliner Bunkern von zwei ahnungslosen Polizisten erweckt wird, ein Geist in einer Achterbahn verzweifelt darauf wartet, dass sich jemand das Genick bricht, damit ihm seine Seele fortan Gesellschaft leisten kann oder der klassische Serienmörder in ‚Der Kasper will kein Snickers‘ seine Huldigung erfährt – Sträter erweist sich als wahrer Künstler auf der Klaviatur des Grauens. Dabei fliegen einem die Knochenfetzen und Gewebestreifen recht blutig aus den Seiten entgegen, wenn Herr Sträter mit seinem Schreibstil richtig ausholt. Teilweise geht das schon ziemlich weit über meine Definition von Ekelgrenze hinaus, und die liegt bei mir weiß Gott nicht gerade niedrig.

Wer mit dem extrem bildgewaltigen Stil von Torsten Sträter klarkommt und auch mit bärbeißigem und pechschwarzem Humor leben kann, der sollte „Postkarten aus der Dunkelheit“ auf jeden Fall klemmen. Im Vergleich zum Erstling „Hämoglobin“ ist Band zwei eine weitere, einhundertprozentige Steigerung und ich wage es jetzt einmal ganz forsch, Torsten Sträter als den neuen deutschen |king of horror| zu bezeichnen. Für alle Horrorfans ist definitives Zugreifen angesagt.

Torsten Sträter- Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten 1)

Irgendwie ist Torsten Sträter ein kleines Phänomen, seines Zeichens Autor der beiden Kurzgeschichtensammlungen „Hämoglobin“ und „Postkarten aus der Dunkelheit“. Er ist deshalb ein Phänomen, weil er es blind schafft, in kürzester Zeit Schreckensszenarien ungeahnten Ausmaßes zu erschaffen und diese entweder zum guten oder auch zum bitteren Ende hin mit beißender Ironie und jeder Menge pechschwarzen Humors aufzulösen. Sträter holt sich dabei viele Ideen aus zeitgenössischer wie auch klassischer Zelluloidware, zieht sich aber auch Grundgerüste seiner Storys aus dem banalen Alltag. So ist zum Beispiel seine Geschichte ‚Mr. Daniels und ich an der Tankstelle der lebenden Toten‘ eine beißende Parabel auf die heutige Konsumgesellschaft und das Problem des Menschen, als Funktionsobjekt seinen täglichen Gang antreten zu müssen. Auf der anderen Seite steht mit ‚Der Mitbewohner‘ eine klassische Werwolfstory oder mit ‚Der Geruch von Blau‘ eine Geschichte, die dem Vampir sein unsterbliches und grauenvolles Gesicht zurückgibt. Der Protagonist in ‚Jägerlatein‘ gewährt einen kurzen Einblick in seine kranke, dem Wahnsinn verfallenen Psyche.

Anders als in seinem zweiten Band, begibt sich Sträter mit „Hämoglobin“ noch nicht so stark auf die phantastische Seite, sondern verwurzelt seine Kurzgeschichten überwiegend im Hier und Jetzt. Dabei forciert Sträter Kindheitsängste, wie die Angst vor der Dunkelheit oder die Verlustangst, bis ins Endlose und zieht meist sehr unterschwellig, aber letztendlich unaufhaltsam die dramaturgische Schlinge um den Leserhals zu. Die Auflösungen der Storys sind eigentlich immer sehr ironisch und tiefschwarz, wobei sich jeder Zyniker bei Sträter auf der sicheren Seite fühlen dürfte.

Hinzu kommt Sträters in meinen Augen unverwechselbarer Schreibstil, zu dem selbst der Begriff „blumig“ als Umschreibung mehr als untertrieben scheint. Wenn Herr Sträter so richtig loslegt und seine lyrischen Ergüsse durch Splatterfelder und Knochengebirge jagt, könnte Zartbesaiteten schon mal die Magensäure retour aus dem Hals quellen. Liebhaber klassischer Gruselkost sollten also die Finger von Torsten Sträter lassen. „Hämoglobin“ beherbergt zehn hundertprozentige Horrorstorys mit dem Blutgehalt einer Schlachtbank. Dabei werden einem die Bilder durch den hammerharten Schreibstil fast manifest im Kopf geparkt. Mann, was würde ich gerne mal die Verfilmung einer Sträter-Geschichte in der Flimmerkiste sehen! Das geht ganz sicher ab wie Schmitts Katz‘. Allerdings benötigte man dann einen Regisseur, der die leichenfledderige Ironie eins-zu-eins auf sein Medium übertragen könnte. Und da fällt mir leider Gottes kein einziger ein.

Lange Rede, gar kein Sinn: „Hämoglobin“ ist Horror, Spaß, Witz, Ekel und Gore im Überfluss. Zehn fremde Welten, die sich kurz und knapp vor dem geistigen Auge erschließen und einem das Grauen in seiner derbsten Form vorführen. Wer sich auf den sehr eigenen Witz von Torsten Sträter einlassen kann, wird an seiner horriblen Kost sicherlich mehrfach satt werden.
Da sehe ich auch gerne mal über die orthographischen und grammatikalischen Schnitzer hinweg, die mehr als nur einmal auf den Seiten verewigt sind.

Taschenbuch: 184 Seiten