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Eberlein, Norbert / Schitzler, Georg – Doppelter Einsatz: Der Fluch des Feuers

_Diamantenräuber!_

Ein achtjähriger Junge ist ermordet worden. Die Spur führt zu seinem gleichaltrigen Freund. Die beiden Kinder haben Detektiv gespielt und waren einem Diamantenraub auf der Spur …

Die TV-Reihe „Doppelter Einsatz“ wurde laut Verlag mehrfach mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. Dass dies völlig gerechtfertigt ist, stellt auch diese Episode unter Beweis.

_Die Macher und Sprecher_

Es sprechen die Originalschauspieler der gleichnamigen RTL-Verfilmung, allerdings mit zusätzlichen Erzählertexten, gesprochen von Despina Pajanou, die im Film die Polizistin Sabrina Nikolaidou spielt. Es gibt noch einen zusätzlichen Erzähler, den Frank Gustavus spricht. Diese Texte stammen alle aus der Feder von Frank Gustavus (|Ripper Records|).

Die ziemlich wichtige Musik und die Hörbuch-Postproduction übernahmen Horst-Günter Hank und Dennis Kassel. Zusätzliche Aufnahmen, Schnitt und Mastering erfolgten durch die d.c. Tonstudios in Breckerfeld/Berlin.

Zu den zu hörenden Darstellern gehören: Despina Pajanou, Eva Herzig, Gerhard Garbers, Jürgen Janza, Jockel Tschiersch, Konstantin Graudus, Hans-Werner Meyer, Caroline Redl, Julian Weigend, Anian Zollner u.v.a.

Das Drehbuch schrieb Norbert Eberlein, Regie führte Georg Schitzler, und Producer war Peter Otto.

_Handlung_

Thomas Menz hat vor sechs Jahren seine Tochter Julia verloren. Seine Wohnung brannte, seine Frau Jessica konnte Sohn Hannes aus den Flammen retten. Doch das Feuer versetzt Thomas jedes Mal in eine Erstarrung der Angst: Er rührte keinen Finger, um Julia aus den Flammen zu holen. Das warf ihm später Sabrina Nikolaidou vom Kriminalkommissariat (KK) 15 vor: unterlassene Hilfeleistung. Doch dabei erlitt sie Schiffbruch, erzählt ihr Chef Jensen der Kollegin Caro Behrends. Sie kann froh sein, wenn sie noch bei der Truppe vom KK 15 arbeiten darf.

Doch ihren wunden Punkt hat Sabrina immer noch. Sie ist beispielsweise völlig entsetzt, als sie ein verwahrlostes Mädchen in der Wohnung des Autoknackers Lambert findet. Lambert erschießt erst seine krebskranke Frau, als man ihn aufs Revier abholt. Dann will er auch noch seine Tochter abknallen, schließlich sich selbst. Die Beamtinnen können dies gerade noch verhindern.

Deshalb reagiert Sabrina auch sehr heftig auf die Nachricht, dass ein achtjähriger Junge, Tim Dietzek, erschossen in einer Tiefgarage aufgefunden worden sei. Tims Vater Arno ist am Boden zerstört, aber Tims Spielgefährte Hannes Menz, der Sohn des ihr wohlbekannten Thomas Menz, ist ebenfalls verstört. Hat er den Mord gesehen? Wer ist der Täter? Hannes schweigt.

Als Sabrina und Caro wieder gegangen sind, gibt Hannes seinem Vater die Diamanten, die er in der Tiefgarage aus einem offenen Kofferraum gestohlen hat. Sie stammen, wie Thomas nicht ahnt, aus dem Raub an dem belgischen Diamantenhändler Verheyen, den die Polizei wenig später tot im Hotel Hanseat auffindet. Der Mörder ist Andreas Tiege, der auch Tim auf dem Gewissen hat. In der Tiefgarage sollte er seine Millionenbeute dem Auftraggeber Walter Proske gegen Lohn übergeben. Nun sind beide aufgeschmissen und suchen fieberhaft nach den Klunkern.

Da Thomas Menz knapp bei Kasse ist, hat er die verrückte Idee, die Steine auf eigene Faust zu verhökern. Er stellt sich dabei reichlich stümperhaft an und erregt Aufsehen. Schließlich nimmt er Kontakt zu einem Türken namens Mehmet im Kiez auf. Doch in letzter Sekunde kneift er: Gut so, denn Mehmet hatte eine Waffe als Verhandlungsargument mitgebracht. In einer billigen Absteige glaubt sich Thomas mit Hannes sicher, doch das ist ein Trugschluss.

Tiege hat die Adresse von Hannes Menz herausbekommen und ist in die Wohnung der Menz’ eingedrungen. Er hat zwar keine Edelsteine gefunden, aber dafür ihr Telefonverzeichnis. Dieses klappert er ab, bis es „Bingo!“ macht …

Unterdessen haben Sabrina und Caro herausbekommen, was eigentlich läuft. Jessica Menz ist entsetzt, als sie erfährt, dass ihr Mann Hannes mitgenommen hat. Sie erinnert sich, dass ihre Familie vor sechs Jahren nach dem Brand in einer billigen Absteige untergebracht wurde. Dorthin führt sie die Polizistinnen. Ob sie wohl noch rechtzeitig vor Andreas Tiege eintreffen?

_Mein Eindruck_

Also sprach Nikolaidou: „Überall sehe ich Erwachsene, die die Welt in ein Trümmerfeld zerlegen, ohne an ihre Kinder zu denken. Ich finde, dass Verantwortung nicht nur eine Pflicht sein sollte, sondern ein Gesetz.“

Dies ist das Generalthema, das über die ganze Handlung hinweg variiert und ausgelotet wird. Wer die betroffenen Kinder sind, habe ich oben bereits ausgeführt: Julia, Tim, Hannes und das Lambert-Mädchen. Doch was veranlasst die Täter, also die Erwachsenen, zu ihrem kinderverachtenden Handeln bzw. Nichtstun? Dass Thomas mit den Diamanten nicht gleich zur Polizei geht, ist sein erster Fehler. Dieser Fehler treibt ihn weiter ins Verbrechensmilieu und wird noch weitere Opfer fordern.

Anscheinend hält sich Thomas für den größten Feigling, der herumläuft. Vielleicht aus falsch verstandenem Stolz möchte er einmal im Leben etwas richtig machen und seine Familie versorgen. Die Wahl, wie er das tut, ist jedoch grundfalsch. Er beruft sich nicht auf filmische Vorbilder, das wäre auch lächerlich. Das Leben ist schließlich viel grausamer, als ein Film es je sein darf. Dann macht Thomas weitere Fehler: Er nimmt Arno mit, der sich für Tims Tod rächen will. Durch Thomas’ Gedankenlosigkeit muss erstens der Falsche dran glauben und zweitens Arno ebenfalls.

Den schlimmsten Fehler aber macht Thomas, als er den gekidnappten Hannes mit den Edelsteinen auslösen will: Es ist natürlich eine Falle, in die er blindlings tappt. Da er schließlich selbst einen Menschen auf dem Gewissen hat, richtet er sich selbst. Vergeblich ruft der kleine Hannes ihm „Papa!“ nach …

Ein Kind gegen Diamanten einzutauschen, scheint symbolisch zu sein für den Konflikt zwischen liebevoller Humanität, wie sie Kinder beanspruchen, und den Zwängen des Materialismus, denen die Eltern unterworfen sind. Dass die Eltern beide Ansprüche mehr schlecht als recht unter einen Hut bringen können, verdeutlicht Thomas Menz nur allzu deutlich.

Sein Ende wird im Hörspiel nicht eindeutig benannt, sondern nur angedeutet. Geht er wirklich ins Feuer oder nicht? Wir können nur aus dem fortgesetzten Ruf „Papa!“ schließen, dass es sich Thomas Menz nicht anders überlegt hat. Der „Fluch des Feuers“ hat ihn eingeholt. Keine besonders konstruktive Wahl, die er da getroffen hat. Wieder einmal zeigt sich die Bedeutung der Verantwortung, die Nikolaidou anmahnt. Thomas Menz übernimmt Verantwortung nur für sich, aber nicht auch für seinen Sohn, obwohl letztere viel wichtiger wäre. Menz hat nicht erkannt, dass Kinder auch einen erlösenden Ausgleich bieten können für die Schuld (uneingelöste Verantwortung usw.), die wir uns im Laufe des Lebens aufbürden.

_Die Sprecher / Die Inszenierung_

Am besten wirken die Stimmen der Schauspielerinnen, die ja direkt vom TV-Band stammen, wenn sie sehr emotional sind. Das fällt Despina Pajanou, die zudem Ich-Erzählerin ist, nicht schwer. Ihre Sabrina würde Typen wie Thomas Menz am liebsten auseinander nehmen und neu zusammensetzen. Aber das geht natürlich nicht. Sabrina muss sich auf also auf Schadensbegrenzung beschränken – kein sehr dankbarer Job. Entsprechend wenig sympathisch wirkt auch Sabrina.

Caro kommt in ihrer Rolle weniger gut weg als Sabrina, folglich muss Caros Darstellerin Eva Herzig (siehe Titelfoto, links) etwas härter daraufhin arbeiten, Eindruck zu machen. Dies gelingt ihr allerdings nur bedingt, ob als Mutter oder Polizistin: Sie bleibt eben immer nur die Nummer zwei hinter Sabrina / Pajanou. In dieser Episode erscheint Caro wie eine kleine Nebendarstellerin, ganz im Gegensatz zu ihrer fulminanten Rolle in Episode 2 „Gefährliche Liebschaft“. Das könnte am Drehbuch liegen, das bei Episode 3 von einem anderen Autor stammt und von einem anderen Regisseur umgesetzt wurde.

Die einzige weibliche Rolle, die wegen ihrer unkonventionellen Charakterisierung im Gedächtnis bleibt, ist die der Susanne. Sie arbeitet auf der Reeperbahn, aber im Umfeld eines Juweliers, und hat Kontakt zu dem Unterwelttürken Mehmet. Susanne ist auf Droge, hyperaktiv, spielt gerne mit Hannes Menz, erweist sich aber in einer Krise als völlig abgedreht und hilflos.

Es gibt jede Menge männlicher Darsteller, aber außer „Thomas Menz“ und „Andreas Tiege“ macht keiner davon einen nachhaltigen Eindruck. Auch der psychologische Einblick in „Thomas Menz“ ist denkbar kurz, nämlich nur während seiner kurzen Wutausbrüche gegenüber der „Supermutter Jessica Menz“. Auch „Andreas Tiege“ legt einen Wutausbruch hin, der sich gewaschen hat, seltsamerweise erfolgt dieser aber erst, als sein einziger Ansprechpartner auf der Welt, eine geistig umnachtete Heiminsassin, gestorben ist.

_Musik und Geräusche_

Die Geräusche entsprechen denen im Film und der Zuhörer kann sich ohne weiteres die zugehörige Umgebung vorstellen. Mir ist die realistische akustische Wiedergabe der Schüsse aufgefallen. Als gleich am Anfang der Autoknacker Lambert seine Frau erschießt, zuckte ich zusammen. Der abgegebene Schuss kommt völlig unvermittelt, quasi aus heiterem Himmel. Ein Herzpatient sollte vor solchen Effekten gewarnt werden! Es fallen noch viele weitere Schüsse, besonders im letzten Viertel.

Die Musik ist recht eindrucksvoll gelungen und meist passend. Jede Szene hat ja ihre eigene Stimmung und erfordert die entsprechende Instrumentierung. Nach dem rockigen Intro rückt die Musik in den Hintergrund, bis sie sich in Gestalt einer melancholischen Ballade wieder in den Vordergrund drängt. Die akustische Gitarre illustriert Trauer und Nachdenklichkeit überdeutlich. Eine Pianomelodie deutet zerbrechliche Emotionen an. In weiteren Szenen werden diese Hand voll Musikmotive variiert oder auch nur einfach wiederholt. Sie alle stammen aus dem Hause Horst-Günter Hank und Dennis Kassel, das neuerdings auch für die Produktion von Hohlbeins Hörbuch-Serie „Raven“ herangezogen wurde.

Das Hörspiel wird eröffnet von einem sehr auffälligen Streichermotiv. Es ist lebhaft und von einer fiebrigen Instabilität und Dynamik, die unmelodiös und disharmonsich wirkt, fast als ob der Komponist ein Heavy-Metal-Riff für Streicher transponiert hätte. Nicht zufällig wird das Motiv, das ständig wiederholt und nur wenig variiert wird, zunehmend schneller gespielt. Ich kann dies nur als Symbol für Feuer interpretieren. Dieses Leitmotiv taucht im Verlauf der Handlung immer wieder auf. Der Hörer sollte mal darauf achten.

_Unterm Strich_

Diese dritte Episode von „Doppelter Einsatz“ unterscheidet sich deutlich von den anderen beiden, die als Hörbuch verfügbar sind. Diesmal stehen nicht polizeiinterne Querelen im Vordergrund wie in „Gefährliche Liebschaft“, auch kein Attentäter nimmt die Gesetzeshüter ins Fadenkreuz, sondern ganz normale Eltern geraten auf die schiefe Bahn und bringen ihre Kinder ins Lebensgefahr.

Diese Art der Handlungsführung ist zwar einerseits wenig actionträchtig, wirkt aber auf erziehende Menschen mit Kindern sicherlich umso beunruhigender. Der Showdown ist zwar auch von den obligaten Explosionen begleitet, als ob die Apokalypse hereinbräche, aber das sind nur Showeffekte. Viel schmerzvoller ist der vergeblich verhallende Ruf „Papa!“.

Gut finde ich, dass der Killer, der den Diamantendieb jagt, nicht als ausgerasteter Psychopath hingestellt wird, sondern als ganz normaler Verbrecher, der die letzten Bande der Normalität im Laufe der Handlung verliert und darauf eine menschliche Reaktion zeigt: Verzweiflung.

|82 Minuten auf 2 CDs|