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Francis Marion Crawford – Denn das Blut ist das Leben (Gruselkabinett Folge 160)

Blutdürstige Liebe

Süditalien, 1905: Der skandinavische Maler Holger besucht seinen Freund in dessen einsamem Turm nördlich von Kap Scalea. Als beide im Mondschein auf eine Anhöhe schauen, bemerken sie einen wie ein Grab anmutenden Erdhügel, auf dem ein Menschenkörper zu liegen scheint. Neugierig nähert sich Holger der Stelle, findet jedoch nichts vor, obwohl sein Gastgeber eindeutig eine neblige Gestalt beobachtet, die sich an Holger heranpirscht …
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George Allan England – Das Ding (Gruselkabinett Folge 152)

Wer geht da? Ein Monster der Gedankenkontrolle

Anno 1930. In der Wildnis jenseits des Hudson Rivers sammelt eine Gruppe Wissenschaftler Aufzeichnungen und Gesteinsproben für eine Untersuchung, als ihre Führer auf bestialische Weise getötet werden. Aufgeschreckt stellen die Forscher fest, dass nun sie die nächste Beute für ein Wesen werden könnten, das nicht von dieser Welt zu sein scheint … (Verlagsinfo)

Der Verlag empfiehlt das Hörbuch ab 14 Jahren.
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Robert E. Howard – Die Toten vergeben nichts (Gruselkabinett Folge 164)

Rache aus dem Grabe

Texas, 1877: Vom Alkohol berauscht erschießt der Cowboy Jim Gordon den ehemaligen Sklaven Joel und dessen Gattin, die ihn vor ihrem Ableben mit einem Todesfluch belegt. Haben die Alpträume, die ihn von nun an Nacht für Nacht heimsuchen, etwas mit den mysteriösen Unfällen zu tun, die ihn und die anderen Cowboys von nun an erschüttern? Gordon beginnt, um sein Leben zu fürchten… (Verlagsinfo)

Der Verlag empfiehlt das Hörbuch ab 14 Jahren.
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Kipling, Rudyard / Gruppe, Marc / Bosenius, Stephan – Gespenster-Rikscha, Die (Gruselkabinett 31)

_Ausgleichende Gerechtigkeit: Verbrechen an der Liebe_

Die Themsemündung bei Gravesend im Jahr 1882: Theobald Jack Pansay lernt auf einem Schiff nach Indien die dort mit einem Offizier der britischen Armee verheiratete Agnes Keith-Wessington kennen. Sie beginnen während der Überfahrt eine leidenschaftliche Affäre miteinander. Als Theobald die Verbindung nach einem gemeinsam verbrachten Sommer in Simla beendet, kommt es zu einer Katastrophe mit ungeahnten Folgen … (Verlagsinfo)

_Der Autor_

Rudyard Kipling (1865-1936) war 1907 der erste Brite, der den Literaturnobelpreis erhielt. Kipling wurde als inoffizieller Hofdichter angesehen. 1901 veröffentlichte er mit dem Roman „Kim“ sein Meisterwerk. Am bekanntesten wurde er jedoch mit seinen „Dschungelbüchern“. Sein ganzes Werk ist durchzogen von Geschichten mit fantastischen, übernatürlichen und sogar Science-Fiction-Elementen und -Motiven.

Die vorliegende Erzählung „The Pantom Rickshaw“ erschien zuerst 1888 in Indien und 1890 in England. Die gleichnamige Storysammlung wurde 1889 in die Sammlung „Wee Willie Winkie“ aufgenommen.

_Die Inszenierung_

Die Rollen und ihre Sprecher:

Theobald Jack Pansay: Matti Klemm (Robert Gant)
Agnes Keith-Wessington: Arianne Borbach (Diane Lane, Catherine Zeta-Jones)
Kitty Mannering: Uschi Hugo (Brittany Murphy, Tara Reid, Julie ‚Darla‘ Benz)
Dr. Heatherlegh: Bodo Wolf (Christopher Walken, William H. Macy)
Juwelier Hamilton: Wilfried Herbst (Charles Hawtrey, Max ‚Rom‘ Grodenchick in „Deep Space Nine“)
Rikscha-Verleiher: Tommy Morgenstern (‚Son-Goku‘, ‚Butt-Head‘)
Wirt: Jochen Schröder (James Cromwell, Lionel ‚Max‘ Stander)
Damen der Gesellschaft: Gisela Fritsch und Eva-Maria Werth

Marc Gruppe schrieb wie stets das Buch und gemeinsam mit Stephan Bosenius setzte er es um. Die Aufnahme fand in den |Planet Earth Studios| und bei |Kazuya c/o Bionic Beats| statt. Die Illustration stammt von Firuz Askin.

_Handlung_

Die Themsemündung bei Gravesend im Jahr 1882. Im Gewühl dieses Hafens sucht der junge Londoner Theobald Jack Pansay das Schiff „Pacific Pearl“, das ihn nach Indien bringen soll. Eine freundliche junge Dame weist ihm den Weg und lädt ihn ein, sie zu begleiten. Doch Agnes Keith-Wessington macht ihm von Anfang an klar, dass sie mit einem Offizier der britischen Armee verheiratet ist. Jack jedoch sucht ein Abenteuer, mit dem er sich die Wochen der Überfahrt vertreiben kann. Sie beginnen eine leidenschaftliche Affäre miteinander.

|Indien: ein Versprechen|

In Bombay heißt es dann, Abschied zu nehmen. Er ist verlegen, als er merkt, dass sie sich total in ihn verliebt hat, er sie aber loswerden will. Er schließt einen Kompromiss mit sich. Sie soll ihn in drei bis vier Monaten in Simla treffen, wo die Bürokraten der Hitze des indischen Sommers in der Kühle des mittleren Himalayas entgehen. Agnes willigt sofort ein, denn sie will ihn um keinen Preis verlieren. Die Monate vergehen und er stellt fest, dass er Agnes‘ Zuwendung vermisst.

Das ändert sich jedoch, als er sie in Simla wiedersieht. Sie sind sehr vorsichtig, als sie sich in einer Mietrikscha zu den Sehenswürdigkeiten und Ausflugspunkten der reizvollen Umgebung fahren lassen. Die zwei Jampanis, die die Rikscha ziehen, seien diskret, sagt Agnes. Eines Tages fährt sie mit Jack zum Tempel der Schutzgättin Simlas. Shyamala sei eine Verkörperung der Todesgöttin Kali, die sowohl Zerstörung als auch Geburt und Erneuerung verkörpere. Agnes bekennt, sie fühle sich sehr mit Kali verbunden, deren Legende sie Jack erzählt. Dann verlangt sie von ihm, sie genau hier, vor dem Tempel und den Augen der Jampanis, zu lieben, und Jack gibt ihrem Begehren nach.

|Trennung – für immer?|

Doch er muss im Laufe der Zeit feststellen, dass sein eigenes Begehren erlischt. Wenig später macht er Schluss mit Agnes und leugnet, dass er sie jemals geliebt habe. Ihre Liebe erdrücke ihn und sei ein Fehler gewesen. Sie bittet um Vergebung und ist sogar bereit, weitere Opfer zu bringen, nur um ihn zu halten. Doch es ist zu spät. Alle ihre Briefe lässt er unbeantwortet, und es sind eine Menge.

Als er Agnes unbeabsichtigt bei einer Abendgesellschaft wiedersieht, bietet sie ihm an, alles zu opfern, um ihn zurückzugewinnen. Er wehrt sie ab, und sie weint. Bei einem weiteren Wiedersehen in Simla geht er von ihr mit den Worten „Fahr zur Hölle!“ In seinem Zorn gerät er einer anderen Reiterin in die Quere, deren Pferd scheut: Es ist Kitty Mannering, energiegeladen, jung und reich. Er verliebt sich auf der Stelle in sie. Eine Rikscha holpert vorbei, und sie glaubt, Agnes Keith-Wessington zu sehen, doch Jack ignoriert die Rikscha – ein Fehler.

Denn wieder und wieder begegnet ihm nun Agnes‘ Rikscha. Er soll zu ihr einsteigen. Sie warnt ihn davor, Kitty zu heiraten, und das erzürnt ihn wieder. Agnes magert ab und wird bleich. Als er die Nachricht von ihrem Tod erhält, ist er erleichtert und verbrennt all ihre ungeöffneten Briefe. Er versucht sie zu vergessen.

|Die Erscheinung|

Im April 1885 reitet er mit Kitty zum Juwelier und kauft ihr einen schönen Verlobungsring. Vor dem Laden hört er, wie Agnes‘ Stimme seinen Namen ruft. Er und Kitty sitzen auf, doch Agnes‘ Rikscha fährt mitten durch Kittys Araberpferd hindurch! Aber Kitty hat nichts gesehen und findet die Erschütterung und Verwirrung, die Jack an den Tag legt, höchst verwunderlich. Indigniert reitet sie von dannen. Er hingegen braucht erst einmal eine Stärkung.

Die Erscheinungen wiederholen sich, und er versucht herauszufinden, ob er verrückt geworden ist. Dass Agnes tot ist, weiß er ja, aber der Rikscha-Verleiher sagt ihm, dass auch die Jampanis gestorben seien, an der Cholera, und er die Rikscha der Memsahib Keith-Wessington eigenhändig zu Kleinholz zerhackt habe. Das solle Unglück abwehren. Jack grübelt, wie er die immer wieder erscheinende Gespenster-Rikscha loswerden könne. Er hat den Verdacht, dass sie, wie Kali, Fluch und Segen zugleich sei. Und dass er eines Tages doch noch einsteigen wird …

_Mein Eindruck_

Offensichtlich verknüpfte der Literaturnobelpreisträger Kipling in dieser kleinen Geschichte seine eigenen Indien-Erfahrungen mit dem alten Motiv um Verbrechen und Sühne. Ob es sich wirklich um ein Verbrechen an der Ehre der liebenden Agnes handelt, steht jedoch zur Debatte. Jack sieht das jedenfalls nicht so, doch er muss einsehen, dass die Sitten in Indien wesentlich strenger sind als im heimischen London.

Den ersten Vorgeschmack erhält er von seinem Therapeuten, dem Arzt Dr. Heatherlegh, der allerdings auch ein Freund der Mannerings ist. Der Doktor nennt ihn einen „Schuft“. Als Jack auch noch Kitty seine Vergangenheit mit der inzwischen verstorbenen Agnes offenbart, löst diese die Verlobung auf, die ihm ein sorgenloses Leben in Saus und Braus versprochen hatte. Kitty erklärt ihm klipp und klar, dass er ein Schwein sei, erstens eine Affäre mit einer Verheirateten angefangen und ihr dies zweitens verschwiegen zu haben. Ein Peitschenhieb ins Gesicht bekräftigt ihre Entrüstung. In Indien sind die Sitten nicht nur streng, sondern auch rau.

Die Gespenster-Rikscha symbolisiert zwei Dinge. Sie ist die äußere Verkörperung seiner Erinnerung an die Affäre und sein schlechtes Gewissen. Das ist der abendländische Aspekt. Was jedoch rein indisch ist, bildet den zweiten Aspekt: nämlich Agnes als Verkörperung der Todesgöttin. Kali ist eine Kraft, die der Liebe Dauer verleiht, die im Schatten ihres Tempels besiegelt wurde (die Tempelszene). Sie ist aber auch die Kraft, die den Tod bringt und überwindet. Sie zu missachten, bringt nichts, wie Jack erkennen muss. Er kann der Erscheinung selbst durch Kasteiung nicht entkommen.

Aber Agnes wird auch zu seinem Schutzgeist. Als eine Steinlawine Jack und Dr. Heatherlegh bedroht, warnt sie ihn, so dass er sich in Sicherheit bringen kann. Ihre Erscheinung ist Fluch und Segen zugleich und somit der doppelte Aspekt Kalis, der die meisten abendländischen Besucher Indiens verwirrt. Indem Kipling diese Geschichte ganz anders als andere Dreiecksgeschichten erzählt, macht er sie nicht typisch indisch, sondern zu einer Brücke zwischen Indien und dem Abendland. Möge derjenige, der sie begreift, daraus lernen.

_Die Inszenierung_

|Die Sprecher|

Die Sprecher könnten direkt aus einem viktorianischen Stück stammen. Matti Klemm spricht den jungen Mann ebenso kraftvoll wie den alten Mann, der auf die Indien-Episode 35 Jahre später zurückblickt und uns erklärt, wie es zu seinem traurigen Schicksal kommen konnte. Agnes Keith-Wessington wird von Arianne Borbach als eine ebenso leidenschaftliche wie aufopferungsvoll liebende Frau dargestellt. Über die Schnelligkeit, mit der sich Agnes in Jack verliebt, habe ich mich allerdings gehörig gewundert. Das hätten die ollen Viktorianer nur mit tiefsten Stirnrunzeln gesehen!

Über die Darstellung Uschi Hugos von Kitty Mannering habe ich mich sehr gefreut. Junge, energische Damen aus reichem Hause treten in Gruselgeschichten ja nicht allzu häufig auf. Wenn sie schon jung, hübsch und reich sind, dann wenigstens todkrank. Man denke nur an Poes Lady Madeleine Usher, Ligeia, Morella, Eleonora und wie sie alle heißen. Die restlichen Figuren sind alle nebensächlich, doch die Sprecher verleihen ihnen durch ihren Einsatz nichtsdestoweniger große Glaubwürdigkeit. So könnte es in Simla, dieser Sommerfrische der Kolonialherren, wirklich zugegangen sein.

|Musik|

Über den Score habe ich mich schier übermütig erfreut, denn anders als in den abendländischen Geschichten spielt hier Indien die erste Geige. Und was für einen tollen Sound hat der ungenannte Komponist gezaubert! Ich fühlte mich von den Flöten, Sitars, Gitarren und Tablas sofort auf einen anderen Kontinent transportiert. Das ist eine erfrischende Abwechslung zu den immergleichen westlich-romantischen Tonarten, die man im |Gruselkabinett| sonst so hört. Fehlt nur noch „Kashmir“ von |Led Zeppelin|, ebenfalls eine nordindische Melodie. (Leider bekommt |Titania| dafür niemals die Lizenz, weil sie zu teuer ist.)

Es ist klar, dass es sich um einen romantischen Stoff handelt. Schicksal, Tragik, Liebe, Tod spielen bestimmende Rollen. Dementsprechend dramatisch und abwechslungsreich ist auch die Musik komponiert worden. Es handelt sich um Originalmusik, nicht etwa um Kopien aus diversen romantischen Opern. Zusätzlich zu den orchestralen Parts hat der Komponist auch Chöre eingearbeitet, um der tragischen Geschichte mehr Schicksalhaftigkeit zu verleihen.

Die Musik gibt sehr genau die vorherrschende Stimmung einer Szene wieder und ist mit klassischem Instrumentarium produziert – keine Synthesizer für klassische Stoffe! Die Musik steuert nicht nur die Emotionen des Publikums auf subtile Weise, sondern bestreitet auch die Pausen zwischen den einzelnen Akten. Dann stimmt sie das Publikum auf die „Tonart“ des nächsten Aktes ein.

Heitere Klänge wie etwa Sitars und Tablas wechseln sich mit düsteren Passagen ab, die von Streichern und Chören bestritten werden. Tiefe Bässe, die Unheil ankünden, fehlen jedoch, und das macht das unheimliche Geschehen, das erzählt wird, doppelt zweideutig. Auch dies gehört zum Doppelgesicht der Göttin Kali.

|Geräusche|

Die Geräusche sind genau die gleichen, wie man sie in einem realistischen Spielfilm erwarten würde, und die Geräuschkulisse wird in manchen Szenen dicht und realistisch aufgebaut, meist aber reichen Andeutungen aus. Auf der Seereise herrschen Möwenschreie und das Rauschen des Kielwassers vor, unterlegt mit dem Stimmengewirr in den beiden Häfen.

In Simla ist die Geräuschkulisse völlig anders. Wie es sich für einen Bergwald gehört, ist er mit den Stimmen von Vögeln und Affen erfüllt. Ab und zu hört man einen Wasserfall rauschen – sehr idyllisch. Durch diese Idylle galoppieren die englischen Herrschaften wie der Elefant im Porzellanladen (falls Elefanten galoppieren). Oder eine unheimliche Rikscha mit einer Toten darin rattert vorüber. Das liefert ein paar schöne Stereoeffekte.

Musik, Geräusche und Stimmen wurde so fein aufeinander abgestimmt, dass sie zu einer Einheit verschmelzen. Dabei stehen die Dialoge natürlich immer im Vordergrund, damit der Hörer jede Silbe genau hören kann. An keiner Stelle wird der Dialog irgendwie verdeckt.

|Das Booklet|

… enthält im Innenteil lediglich Werbung für das Programm von |Titania Medien|. Auf der letzten Seite finden sich die Informationen, die ich oben aufgeführt habe, also über die Sprecher und die Macher. Die Titelillustration von Firuz Akin fand ich wieder einmal sehr passend und suggestiv. Man achte auf den weißen Schimmer, der die Rikschau samt Jampanis umgibt!

Der Verlag empfiehlt sein Werk ab 14 Jahren.

Diesmal sind in einem zusätzlichen Katalog Hinweise auf die nächsten Hörspiele zu finden:

Nr. 30: J. W. Polidori: [Der Vampir 5426 (November 2008)
Nr. 31: Rudyard Kipling: Die Gespenster-Rikscha (November 2008)
Nr. 32 + 33: Barbara Hambly: Die Jagd der Vampire (2 CDs, erscheint im März 2009)
Nr. 34: F. M. Crawford: Die obere Koje (erscheint im April 2009)
Nr. 35: Bram Stoker: Das Schloss des weißen Lindwurms (erscheint im April 2009)
Nr. 36+37: Oscar Wilde: Das Bildnis des Dorian Gray (erscheint im Herbst 2009)

_Unterm Strich_

Obwohl die Gespenstergeschichte ein wenig unspektakulär erscheinen mag, so kommt es doch auf ihre Umsetzung an. Die Handlung selbst ist völlig klar herausgearbeitet, und es ist klar, worauf dies alles hinausläuft: auf ausgleichende Gerechtigkeit, die den Delinquenten früher oder – wie in diesem Fall – später ereilen wird.

Wichtig ist es zu begreifen, warum Agnes Keith-Wessington als Gespenst wiederkehrt, um Jack Pansays Gewissen zu plagen. Indien ist ja nicht gerade für Gespenster bekannt, doch wenn es um die Gunst der Todesgöttin geht, die Agnes erhalten hat, so ist mit ihrem Gespenst nicht zu spaßen.

Auch mit den strengen moralischen Maßstäben des kolonialen Indien muss Jack unangenehme Bekanntschaft machen. Die Story baut eine Brücke zwischen den beiden Kulturen und ihren jeweiligen Maßstäben dafür, was ein moralisches Verbrechen sein könnte. Auf diese Weise zeigt der Autor, wie relativ die britischen Maßstäbe im Vergleich mit einem anderen Land sein können.

Dass Jack früher oder später in Agnes‘ Gespenster-Rikscha einsteigen muss, um sie ins Jenseits zu begleiten, erinnerte mich an Emily Dickinsons berühmtes Gedicht über die Kutsche, die für sie hielt: Es war die Kutsche, die vom Tod gelenkt wurde.

|Das Hörspiel|

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und Stimmen von Hollywoodstars einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen. Ganz besonders gelungen fand ich den nordindisch angehauchten Score, der mich in eine andere Weltgegend entführte, und die Darstellung der drei Hauptsprecher Arianne Borbach, Matti Klemm und Uschi Hugo.

Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für gruselige Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert und die Stimmen der Hollywoodstars vermitteln das richtige Kino-Feeling. Wer jedoch mit Melodramatik absolut nichts am Hut hat, sich aber trotzdem zünftig gruseln will, der sollte zu härterer Kost greifen.

|Basierend auf: The Pantom Rickshaw, 1888
55 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3639-5|

Home – Atmosphärische Hörspiele


http://www.luebbe-audio.de

_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)
[„Der Glöckner von Notre-Dame“ 5399 (Gruselkabinett 28/29)
[„Der Vampir“ 5426 (Gruselkabinett 30)

Polidori, John William / Byron, Lord George / Gruppe, Marc / Bosenius, Stephan – Vampir, Der (Gruselkabinett 30)

_Ursprung des Vampirmythos: der ewige Versucher_

England 1823: Percy Aubrey, der Spross einer noblen englischen Familie, begibt sich auf eine ausgedehnte Reise zu den Stätten der Antike. Sein Begleiter ist ein geheimnisvoller junger Mann, den er auf einem Ball in London kennengelernt hat und der ihn fasziniert: Lord Ruthven, ein notorischer Verführer, wie sich herausstellt – aber bei weitem nicht nur das …

Der Autor Polidori machte seinerzeit selbst mit Lord Byron Bekanntschaft und verarbeitete dessen Vorlage zu seiner Story „Der Vampir“. Mehr dazu im nächsten Abschnitt.

_Die Autoren_

|John William Polidori:|

John William Polidori wird 1795 in London geboren. Er geht auf ein kirchliches College in Yorkshire und studiert danach erfolgreich Medizin an der Universität von Edinburgh. Im Frühjahr des Jahres 1816 zieht er mit dem bereits sehr erfolgreichen Schriftsteller Lord Byron an den Genfer See. Nach ihrer Trennung im Herbst desselben Jahres arbeitet Polidori das beim Autorenwettstreit entstandene – und auf Eingebungen Byrons basierende – „Vampyr“-Bruchstück zur fertigen Geschichte aus, welche 1819 in einer englischen Zeitschrift veröffentlicht wird – wobei Byron als Ko-Autor genannt wird!

Es bleibt sein einziger erfolgreicher Versuch als Schriftsteller, denn seine Stücke und späteren Prosatexte werden fast durchweg abgelehnt. Er praktiziert danach wieder recht erfolglos als Arzt. Im August 1821 stirbt Polidori im Alter von nur 26 Jahren; vermutlich durch Selbsttötung mittels Gift.

|Lord Byron:|

Der berühmte englische Dichter Lord George Gordon Noel Byron (1788-1824), genannt Lord Byron (und unter Freunden „Albie“), stellte zeitlebens seine recht zwiespältige Natur zur Schau. Leidenschaftliche Liebe, ausschweifende Lebensfreude, Weltschmerz und Selbstmitleid kennzeichneten ihn. Seine als Belastung empfundene körperliche Behinderung durch ein verkrüppeltes Bein (ein Klumpfuß) kompensierte er durch gelebte Sinnlichkeit und diabolische Ablehnung von Teilen seiner Umwelt (so etwa Polidori).

Inzestverdacht sowie finanzielle Exzesse machten ihn 1816 in der englischen Gesellschaft zu einem Exoten und Außenseiter. 1824 entschloss er sich zur Reise nach Griechenland, um die Nation in ihrem Kampf gegen die Türken zu unterstützen. Er starb jedoch kurz nach der Landung an Malaria. Berühmt wurde er bereits durch sein Frühwerk »Childe Harold’s Pilgrimage« (deutsch »Ritter Harolds Pilgerfahrt«) von 1812, in dem er Erlebnisse auf einer Jahre zuvor unternommenen Mittelmeer- und Orientrundreise verarbeitet.

Das Urbild des Vampyrs erfand er bereits 1813 in seinem Versepos „The Giaour“ (Der Ungläubige). Die Stelle ist im Booklet abgedruckt: „Doch zunächst, als Vampir gesandt zur Erden, / Soll dein Leichnam dem Grab entrissen werden / Um sodann deine Geburtsstätte gespenstisch heimzusuchen / Und das Blut all deiner Artverwandten auszusaugen.“ (meine Übersetzung)

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Percy Aubrey: Patrick Bach (Synchronstimme in „Silas“ und „Jack Holborn“)
Lord Ruthven: Christian Stark (‚Robin‘ in „Batman & Robin“, Justin Whalin)
Jane Aubrey: Kristine Walther
Onkel Henry: Jochen Schröder (James Cromwell, Lionel ‚Max‘ Stander)
Onkel Edgar: Kaspar Eichel (James ‚Scotty‘ Doohan)
Ianthe: Sarah Riedel (Teal ‚Louise Grant‘ Redmann in „Gilmore Girls“, Samaire ‚Emily‘ Armstrong in „Entourage“)
Wirt, Ianthes Vater: Bodo Wolf (Christopher Walken, William H. Macy)
Lady Hamilton: Anita Lochner (Miou-Miou, Isabelle Adjani, Samantha ‚Moneypenny‘ Bond)
Damen der Gesellschaft: Philine Peters-Arnolds (Joan Cusack) und Ursula Heyer (Joan Collins, ‚Lwaxana Troi‘)

Marc Gruppe schrieb wie stets das Buch und gemeinsam mit Stephan Bosenius setzte er es um. Die Aufnahme fand in den |Planet Earth Studios| und bei |Kazuya c/o Bionic Beats| statt. Die Illustration stammt von Firuz Askin.

_Handlung_

|PROLOG.|

Während Percy Aubrey seine Geschichte niederschreibt, wird es Mitternacht. Nun läuft die Eidesfrist ab, die ihn bisher daran gehindert hat, die Wahrheit zu sagen und seine Umgebung vor jenem Monster zu warnen, das drauf und dran ist, seine Familie ins Unglück zu stürzen: der Vampir.

(Binnenhandlung)

|London: die Begegnung|

Percy und seine Schwester sind nach dem Tod ihrer Eltern als Vollwaisen von ihren Vormündern Onkel Henry und Onkel Edgar aufgezogen worden. Doch weil sie auf dem Lande aufwuchsen, sind sie unvorbereitet auf die Schliche der Londoner Gesellschaft, in die Percy nun eintritt. Jane muss noch warten. Schon zerreißen sich die Klatschtanten das Maul über den hübschen jungen Mann, an den sie gerne ihre heiratsfähigen Töchter verschachern würden. Percy hält ebenso wenig von diesem Verhalten wie der hochgewachsene, gutaussehende junge Gentleman, der sich nun neben ihn stellt.

Der Mann stellt sich als Lord Ruthven (ausgesprochen [riwen]) vor und drückt seinen Abscheu in gewählten Worten aus, so dass Percy ihm seine Bewunderung nicht versagen kann. Der Lord umschmeichelt Percy und bietet ihm an, ihn auf der traditionellen Reise junger englischer Gentlemen zu begleiten, welche von jeher zu den Stätten der Antike führt, von denen ihre Schulen so schwärmen. Percy fühlt sich gebauchpinselt und sagt sofort zu. Endlich käme er mal raus aus diesem Land der Bēl und des Regens. Seine Vormünder geben ihr Plazet, und schon bald sieht er sich neben dem Lord auf der Fähre nach Calais stehen. Freiheit!

Der einzige Wermutstropfen ist der, dass Jane ihn schrecklich vermissen wird, wie sie zum Abschied sagte. Was Percy in Frankreich zunehmend Verdruss bereitet, ist die Vielzahl von Mädchen, die der Lord in wahlloser Abfolge zu vernaschen pflegt. Sein Freund scheint sich auch kein Gewissen daraus zu machen, jede Wirtstochter und jedes Dienstmädchen flachzulegen. Ganz im Gegensatz zu Percy, der kein einziges weibliches Wesen, das diese Bezeichnung verdient, auch nur anrührt. Zunehmend fühlt sich Percy in Gesellschaft seines Begleiters unwohl.

|Italien: der Bruch|

In Rom kommt es zum Bruch. Zwei Briefe warten schon auf Percy. Seine Vormünder warnen ihn vor dem schlechten Leumund des Lords, der eine Spur der Verwüstung unter den jungen Damen hinterlassen haben muss. Und die liebe Jane sehnt sich nach Percys baldiger Rückkehr. Percy schreibt ihr, wie der Lord die junge Tochter des Hauswirts bereits verführt habe. Für Marias Zukunft erwarte er nichts Gutes. Er protestiert gegenüber dem Lord gegen dessen verwerfliches Betragen. Das habe mit Liebe sicher nichts zu tun. Lord Ruthven ist ungerührt und bietet Percy einen „Anteil“ an Maria an: eine reife Frucht, die es zu pflücken gelte. Percy lehnt entrüstet ab und warnt insgeheim die Eltern Marias vor der Gefahr, bevor er abreist.

|Griechenland: der Vampir|

Percy erholt sich in der griechischen Natur und tut zugleich etwas für seine Bildung. Die Ruinen antiker Stätten besucht er regelmäßig, gerne an der Hand von Ianthe, der hübschen, freundlichen Tochter seiner Wirtseltern. Als die Nacht hereinbricht und sie immer noch nicht zu Hause sind, warnt sie ihren Begleiter ängstlich vor den Gefahren der Umgebung. Nicht die Räuber und Wegelagerer gelte es zu fürchten, sondern den Vampir, der hier vor Jahren sein Unwesen getrieben habe.

Er lebte in seiner Höhle und zahlreiche junge Frauen fielen ihm zum Opfer, berichtet Ianthe. Der Vampir verlängerte sein Leben, indem er das Blut der Jungfrauen trank. Und als sie ihn beschreibt, ersteht vor Percys geistigem Auge das Gesicht von Lord Ruthven, dem Schürzenjäger. Ein großer Schreck fährt ihm in die Glieder, und er verspricht, Ianthe vor diesem Ungeheuer zu beschützen und der Vampirhöhle fernzubleiben.

Sogleich schreibt er seiner Schwester Jane über seinen Verdacht, um sie zu warnen. Ianthes Eltern bestätigen ihre Geschichte, doch das hält ihn keineswegs davon ab, weiterhin Spaziergänge zu unternehmen. Diesmal kann seine Freundin nicht mitkommen. Als ein Gewitter aufkommt, ist es bereits später Abend. Der Regen rauscht herab, und Percy sucht Unterschlupf. Im Licht eines Blitzes erblickt er eine Höhlenöffnung. Ist es die Vampirhöhle? Das ist ihm im Augenblick gleichgültig, solange er nur trocken bleibt.

Da hört er ein Wimmern und Flüstern in der Tiefe der Höhle. Ianthes Stimme erschallt, als sie ihn vor der Gefahr warnt, die ihm droht. Er attackiert ihren Peiniger, der sie gepackt hält, doch der Typ lacht bloß hämisch, bevor er zusticht und an Percy vorbeihuscht, hinaus in die regnerische Nacht. Percy hört Ianthes Vater nach ihr rufen. Gemeinsam suchen sie das Mädchen. Weiter hinten in der Höhle finden sie sie tot vor. Entsetzt fragen sie sich, wer das getan haben mag. Da entdeckt Percy nicht nur den verzierten Dolch, sondern auch die Bisswunden am Hals der Toten. Der Vampir ist zurück!

_Mein Eindruck_

Die Begegnung mit dem Vampir ist nur die nächste Runde in Percys Ringen mit dem teuflischen Treiben des Gegners, den er in Lord Ruthven hat. Dieser Lord ist völlig ohne Gewissen, was ihn umso gefährlicher macht. In dieser Geschichte wird erstmals der Mythos vom unsterblichen Vampir erzeugt, wie wir ihn heute kennen und als bekannt voraussetzen. Ironisch, dass der Vampir ausgerechnet in Griechenland, der Wiege von Philosophie und Demokratie, auftaucht. Er spiegelt die dunkle Seite der klassischen Aufklärung wider.

Doch für Polidori war der Vampir mehr als ein aristokratischer Übermensch, der den Tod überwunden hat. Er ist ein Fluch, der über die Menschheit gekommen ist: ein Wesen, das ewige Jugend gewinnt, indem es sich vom Lebenssaft junger Damen ernährt. Der Fluch entspringt dem Glauben, man könne die Sterblichkeit überwinden, aber nicht, wie von der Kirche gepredigt, durch Aufgehen der Seele in Gott, sondern durch ewiges Wandeln dieser Seele auf Erden. Dadurch ist der Vampir zutiefst unchristlich, weil er ein Jenseits nicht nur leugnet, sondern es zudem von sich weist. Für einen Schriftsteller christlichen Glaubens (wie auch Leser) wird der Vampir so automatisch zum Antichristen.

Für Percy Aubrey, das Alter Ego des Autors Polidori, ist es selbstverständlich, dass er den Kampf gegen dieses Wesen aufnimmt. Doch er selbst ist zwiegespalten und lässt sich von Lord Ruthven ein zweites Mal täuschen. Das führt dazu, dass Ruthven ihn im Sterben schwören lässt, sein Geheimnis für ein Jahr zu bewahren. Diese Frist erweist sich als verhängnisvoll, denn wenn er den Schwur einhält, kann er seine Umgebung nicht vor der möglichen Gefahr warnen. Folglich hält man ihn für verrückt – das Schicksal eines jeden Propheten.

Als er erfährt, dass seine Schwester einen gewissen Earl of Marston heiraten will und dieser mit seinem Erzfeind identisch ist, stürzt seine Welt zusammen. Die Frage ist aber, nach welcher Logik die Fristen eingehalten werden. Während sich Percy an seinen Schwur gehalten hat, ist dies Ruthven nicht eingefallen, wie sein freches Auftreten vor Ablauf der Frist beweist. Ruthven ist also auch nicht von seiner Wiederkehr her an die Frist gebunden – er ist wirklich unsterblich. Jedenfalls solange er seine Nahrung bekommt.

Das dramatische Finale läuft nun erwartungsgemäß darauf hinaus, die nichts ahnende Jane vor dem Mörder zu bewahren, vor dem Percy sie gewarnt hat. Es soll nicht verraten werden, ob Percy und seine Helfer noch rechtzeitig eintreffen.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Patrick Bach spricht seinen Percy als anfangs naiven, aber zunehmend energischen jungen Mann, der offenbar in dem Wahn gefangen ist, er werde von einem Unwesen namens „Vampir“ verfolgt. Kein Wunder, dass Schwesterherz Jane – sehr zärtlich: Kristine Walther – sich große Sorgen um ihn macht.

Lord Ruthven ist ein Wesen mit zwei Gesichtern und verlangt darum eine besondere Darstellung. Das sollte man erwarten, doch Christian Stark erhält nur selten Gelegenheit, der hellen Seite Ruthvens einen sinistren Unterton zu verweilen. Das passiert beispielsweise auf dem Ball, auf dem der Lord Percy kennenlernt. Er warnt diesen davor, er könne seine Unschuld verlieren.

Doch wenn der Vampir erscheint, ist vom feinen Lord rein gar nichts wiederzufinden. Das ist ein wenig schade. Die Dramaturgie muss zu einem Notbehelf greifen, indem sie den Vampir aus dem Off sprechen lässt, als befinde er sich im Unterbewusstsein von Percy. Mit diesem etwas altmodischen Kniff gelingt es dem Hörspiel, dem Vampir das letzte Wort zu überlassen: Er macht Percy das ewige Leben zum Geschenk – aber das setzt eben die Missachtung aller Gebote für das Leben eines Sterblichen voraus.

So wird der Vampir nicht nur zum Fluch, sondern auch zum Versucher – eine Verkörperung des Bösen. Kein Wunder, dass der Vampir hämisch lacht, und zwar so oft, dass es schon wieder zum Klischee wird. Das fand ich nicht besonders elegant, sondern reichlich plump.

|Musik|

Auffallend ist die Häufung von Walzer-Rhythmen, die offenbar zum Standard einer Abendgesellschaft in England gehörten, wenn es nach den Machern geht. Walzer signalisieren Fest, Tanz und Fröhlichkeit – kein Wunder, dass Jane ganz außer Atem gerät. Diesen Festen stehen die Vampirszenen sowie die Seelenqualen Percys gegenüber, die völlig anders instrumentiert sind: mit düsteren Streichern und unheilkündenden Chören.

Die Musik gibt also sehr genau die vorherrschende Stimmung einer Szene wieder und ist mit klassischem Instrumentarium produziert. Für klassische Stoffe werden in der Regel keine Synthesizer verwendet, mit der Ausnahme des Prologs. Dieser ist mit einer melancholischen Kadenz aus dem elektronischen Instrumentarium unterlegt.

Die Musik steuert nicht nur die Emotionen des Publikums auf subtile Weise, sondern bestreitet auch die Pausen zwischen den einzelnen Akten. Dann stimmt sie das Publikum auf die „Tonart“ des nächsten Aktes ein. Heitere Klänge wie etwa ein Tamburin oder helle Glocken wechseln sich mit düsteren Passagen ab, die von Streichern und Chören bestritten werden. Mitunter sind sehr tiefe Bässe zu hören, die Unheil verkünden. Als Ruthven erstmals erscheint, so wird dies mit einem Gongschlag begleitet.

|Geräusche|

Die Geräusche sind genau die gleichen, wie man sie in einem realistischen Spielfilm erwarten würde, und die Geräuschkulisse wird in manchen Szenen dicht und realistisch aufgebaut. Bemerkenswert ist der ständige Wechsel zwischen heiter gestimmten Landszenen, etwa in Griechenland, die mit Vogelgezwitscher unterlegt sind, und düsteren Szenen, in denen der Vampir auftritt. Dann kracht regelmäßig der Donner, und Regen rauscht hörbar. Nächtliche Gefahr kündet regelmäßige der dunkle Ruf des Käuzchens an – keine Nachtigallen für Percy und seine Ianthe.

|Das Booklet|

… enthält im Innenteil lediglich Werbung für das Programm von |Titania Medien|. Auf der letzten Seite finden sich die Informationen, die ich oben aufgeführt habe, also über die Sprecher und die Macher. Die Titelillustration von Firuz Akin auf dem Schubereinband fand ich wieder einmal sehr passend und suggestiv. Aber den Vampir hätte ich mir etwas weniger blauhäutig vorgestellt. Der Verlag empfiehlt sein Werk ab 14 Jahren.

Diesmal sind in einem zusätzlichen Katalog Hinweise auf die nächsten Hörspiele zu finden:

Nr. 31: Rudyard Kipling: Die Gespenster-Rikscha (November)
Nr. 32 + 33: Barbara Hambly: Die Jagd der Vampire (2 CDs, erscheint im März 2009)
Nr. 34: F.M. Crawford: Die obere Koje (erscheint im April 2009)
Nr. 35: Bram Stoker: Das Schloss des weißen Lindwurms (erscheint im April 2009)
Nr. 36+37: Oscar Wilde: Das Bildnis des Dorian Gray (erscheint im Herbst 2009)

_Unterm Strich_

Die Story ist dramatisch und geschickt auf dramaturgische Höhepunkte verteilt. Das Finale sieht einen Wettlauf um Leben und Tod. Der Vampir erscheint als ein fremdes Wesen, das nicht der menschlichen Rasse angehört. Und doch handelt es sich um die zweite Natur des adeligen Lord Ruthven, ein Raubtier in Menschengestalt. Es ist das überspitzte Zerrbild von Lord Byron, dem berühmt-berüchtigten Verführer.

Neben Frankensteins Ungeheuer ist der Vampir die wichtigste Ausgeburt jener Gespensternacht des Jahres 1816 am Genfer See. Erst Bram Stoker sollte dem Vampir-Mythos die wichtigsten Konturen verleihen, einem Mythos, der uns heute so geläufig ist wie die Grimmschen Märchen. In Polidoris Fassung findet man die Urversion.

Mehr dazu in der Hörspielbesprechung von [„Der Vampyr oder Gespenstersommer am Genfer See“. 525

|Das Hörspiel|

Ich selbst kenne diese Geschichte inzwischen aus den beiden Hörbüchern, die Andreas Fröhlich mitgestaltet hat. Der Unterschied ist jedoch sehr deutlich. Wo sich Fröhlich & Gustavus auf den AUTOR konzentrieren, legt das vorliegende Hörspiel den Schwerpunkt ganz auf die GESCHICHTE. Es weiß nichts von seinem Schöpfer und seinen Lebensumständen.

Dadurch ist es ironischerweise zugleich unterhaltsamer als auch belangloser als die Fröhlich-Fassung. Belanglos in dem Sinne, als die literaturhistorische Relevanz des Textes überhaupt keine Rolle spielt. Der Text steht für sich allein, und für anspruchslose Hörer genügt dies vollauf: Er ist spannend und dramatisch, romantisch und an drei Stellen sogar actionreich – was will man mehr?

Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für gruselige Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert und die Stimmen der Hollywoodstars vermitteln das richtige Kino-Feeling. Wer jedoch mit Melodramatik absolut nichts am Hut hat, sich aber trotzdem zünftig gruseln will, der sollte zu härterer Kost greifen.

|Basierend auf: The Vampire, ca. 1818
60 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3638-8|

Home – Atmosphärische Hörspiele


http://www.luebbe-audio.de

_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)
[„Der Glöckner von Notre-Dame“ 5399 (Gruselkabinett 28/29)

Ambrose Bierce – Das Auge des Panthers (Gruselkabinett Folge 157)

In Liebe mit einem Werpanther

USA, 1890: Der Anwalt Jenner Brading ist einigermaßen überrascht, dass Irene Marlowe, die ihn zweifellos liebt, seine Heiratsanträge vehement ablehnt. Indes hat die begehrenswerte junge Frau mit den faszinierenden blauen Augen mehr als einen guten Grund, unverheiratet zu bleiben, wie sie ihm eines Abends in der freien Natur offenbart… (Verlagsinfo)
Ambrose Bierce – Das Auge des Panthers (Gruselkabinett Folge 157) weiterlesen

Hugo, Victor / Gruppe, Marc / Bosenius, Stephan – Glöckner von Notre-Dame, Der (Gruselkabinett 28/29)

_Mitreißendes Drama aus Schicksal und Sozialkampf_

Paris 1466: Die Pest wütet im Umland von Paris. Der junge Geistliche Claude Frollo macht sich auf, seine Eltern zu retten, und kommt zu spät. Ihm fällt die Sorge für seinen Bruder Jean zu, der noch ein Säugling ist. Im Jahr darauf – am Sonntag Quasimodogeniti – wird ein missgestalteter kleiner Junge im Findelkinder-Bettchen vor der Kathedrale von Notre-Dame niedergelegt …

Paris 1482: Quasimodo hat sich durch das Geschehen am Pranger, an den er gestellt wurde, merklich verändert. Dies bleibt seinem Meister, dem düsteren Erzdiakon Claude Frollo, nicht verborgen. Ebenso wenig, dass La Esmeralda neuerdings einen Begleiter an ihrer Seite hat, den Dichter Pierre Gringoire. Aber auch der schneidige junge Hauptmann Phoebus de Châteaupers hat ein Auge auf das schöne Zigeunermädchen geworfen. Das Unheil nimmt seinen Lauf …

_Der Autor_

Victor Hugo (1802-1885) war ein sehr fruchtbarer französischer Schriftsteller. Am bekanntesten wurde sein Roman „Notre-Dame de Paris“, der 1831 erschien und mehrmals als „Der Glöckner von Notre-Dame“ oder „The Hunchback of Notre-Dame“ verfilmt wurde. Eine der besten ist die Verfilmung mit Charles Laughton in der Titelrolle.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Die Rollen und ihre Sprecher:

Erzähler: Roland Hemmo (Brendan Gleeson, James Gandolfini)
Claude Frollo: Udo Schenk (Ray Liotta, Ralph Fiennes, Gary Oldman, ‚Gríma Schlangenzunge‘)
Jean Frollo du Moulin: Christian Stark (‚Robin‘ in „Batman & Robin“, Justin Whalin)
Quasimodo: Tommy Morgenstern alias Thomas Lührig (‚Son-Goku‘ in „Dragonball-Z“, ‚Butt-Head‘, ‚Charlie Pace‘ in „Lost“, Charles Laughton)
La Esmeralda: Kristine Walther (Hörspieldebüt der Schauspielerin)
Pierre Gringoire: Julien Haggège (Synchronbuch und -regie für „Bubba Ho-tep“)
Phoebus de Châteaupers: Patrick Bach (Sean ‚Sam Gamdschie‘ Austin)
Clopin Trouillefou: Matti Klemm (Robert Gant)
Paquette, Büßernonne: Anita Lochner (Miou-Miou, Isabelle Adjani)
Mildtätige Frau: Eva-Maria Werth
König Louis XI.: Jochen Schröder (James Cromwell, Lionel ‚Max‘ Stander)
Dr. Jaques Coictier: Kaspar Eichel (James ‚Scotty‘ Doohan)
Madame Frollo: Inken Sommer
Richter: Wilfried Herbst (Charles Hawtrey)
Fleur-de-Lys: Ilona Otto (Emily Perkins, Michelle ‚Dawn Summers‘ Trachtenberg in „Buffy“)
Fleurs Mutter: Philine Peters-Arnolds (Joan Cusack, Loretta Devine)
Henker: Bodo Wolf (Christopher Walken, William H. Macy, Robin Williams)
Und andere.

Marc Gruppe schrieb wie stets das Buch und gemeinsam mit Stephan Bosenius setzte er es um. Die Aufnahme fand in den |Planet Earth Studios| und bei |Kazuya c/o Bionic Beats| statt. Die Illustration stammt von Firuz Askin.

_Handlung_

Im Jahr 1466 bricht die Pest in den Vororten von Paris aus. Doch als im Kloster der Mönche von Notre-Dame die Nachricht eintrifft, geraten diese nur in Panik und flehen mit Gebeten um ihr Heil. Nicht so Pater Claude Frollo. Der Neunzehnjährige aus dem niederen Adel ist ein kluger Student der Theologie, der Rechte, der Medizin und der freien Künste. Nachdem er all diese Studiengänge erfolgreich abgeschlossen hat, wendet er sich jedoch seltsamerweise der Alchimie und Astrologie zu. Dennoch soll er dereinst ein geistliches Amt bekleiden.

Als er bei seinen Eltern eintrifft, fleht ihn seine todgeweihte Mutter an, sich seines Bruders Jean anzunehmen, der noch ein Baby ist. Durch Berge von Leichen und flehende Erkrankte reitet Claude zurück ins Kloster, wo er, wie versprochen, seinen Bruder aufzieht. Claude wird Kaplan in der Kathedrale Notre-Dame. Am Sonntag, der Quasimodogeniti heißt, wird ein Findelkind in den Abgabestelle der Kirche gefunden. Während die alten Weiber lästern, dass dies nur ein Hexenkind sein könne, so verkrümmt und einäugig, erbarmt sich Claude des Kindes und adoptiert es. Daraufhin erklären ihn die Weiber selbst zum Hexenmeister.

Quasimodo, wie er das Findelkind nennt, ist zwar bucklig und hässlich mit seinem einen Auge, aber keineswegs völlig taub, wie Claude zuerst befürchtet hat. Er lernt durchaus einige Wörter, doch leider beeinträchtigen die Glocken, die er seit seinem 14. Lebensjahr täglich läutet, zusätzlich sein Hörvermögen. Das macht den Buckligen trübsinnig, aber Claude hält trotzdem zu ihm, und für den Krüppel ist Frollo wie ein Vater.

An Dreikönig des Jahres 1482 soll wie stets in Paris der Narrenkönig gekürt und gekrönt werden. Im Justizpalast hat sich neben allerlei Pöbel auch der 16-jährige Student Jean Frollo, der Bruder des Erzdiakons von Paris, eingefunden und treibt seine derben Späße. Nachdem man den Dichter Pierre Gringoire von der Bühne vertrieben hat, krönt man Quasimodo zum Narrenkönig und fährt ihn in einem Eselskarren zur Place de Grêve, dem Richt- und Festplatz von Paris. La Esmeralda, die schöne Zigeunerin, soll vor ihm tanzen.

Pierre Gringoire ist wie verzaubert vom Tanz des Mädchens, und Jean Frollo scheint ihr Freund zu sein. Wie schade. Doch sie behauptet, nur ihre Ziege Gialli zu lieben, und demonstriert, wie klug das Tier ist. Eine Stimme verflucht das gottlose Treiben und nennt Esmeralda eine Hexe und Gotteslästerin. Es ist die Stimme der Büßernonne aus dem Rolandsturm. Der armen Frau wurde einst ihre kleine Tochter entführt, und sie verflucht seitdem alle Menschen, die auch nur im entferntesten wie Zigeuner aussehen.

Als jedoch der Erzdiakon auftritt, ist Schluss mit lustig. Quasimodo fleht seinen „Meister“ um Vergebung an, doch der verjagt ihn von dem bunten Treiben. Jean Frollo klärt seinen neuen Bekannten Pierre Gringoire über seinen merkwürdigen Bruder auf, und Pierre merkt, wie sehr Jean dem Kirchenmann und Alchimisten misstraut. Möglicherweise habe er sogar dem Teufel seine Seele verschrieben, um mehr Macht zu erhalten und den Stein der Weisen zu finden. Wer weiß. Pierre schaudert es.

Nach einem erfrischenden Trunk im Gasthaus sucht Pierre nachts wieder nach Esmeralda. Doch sie bemerkt seine Verfolgung und stellt ihn, mit einem Messer in der Hand. Offenbar ist sie nicht ganz wehrlos. Als er sich vorstellt und seine Harmlosigkeit deutlich wird, lässt sie ihn wieder laufen. Doch da sieht er aus dem Schatten, wie sie gepackt wird – von einem Buckligen. Es ist Quasimodo! Pierre springt ihr zu Hilfe, doch ein zweiter Mann geht dazwischen und bezwingt ihn in einem Kampf.

Als plötzlich der Hauptmann der Wache eintrifft, verschwindet dieser Kapuzenmann, doch Quasimodo wird verhaftet. Esmeralda bezirzt den Hauptmann für seine ritterliche Hilfe und wird in Schutz genommen. Pierre schaut dem Treiben verwirrt zu, während er sich aufrappelt. Wer war dieser Unbekannte, in dessen Auftrag der Glöckner sich die Zigeunerin schnappen wollte? Und zu welchem finsteren Zweck, fragt sich Pierre.

Schon bald wird er die Antworten auf seine Fragen finden, doch freuen kann er sich darüber nicht. Ganz im Gegenteil: Die Lage spitzt sich dramatisch zu.

_Mein Eindruck_

Die Geschichte lässt sich dem Untergenre der Urban Fantasy zuordnen, wobei man es mit der Fantasy nicht zu genau nehmen darf. Dabei geht es um die Beschreibung eines Ortes in einem bestimmten Modus, der diesem Ort eine höhere Bedeutung verleiht und ihn zu einer Ikone macht. Kennzeichnend ist in diesem Roman die zentrale Bedeutung des Ortes der Kathedrale. Sie hat viele Funktionen, nicht nur als Brennpunkt des Geschehens, sondern auch für die Figuren.

|Diakon und Glöckner|

Während die Kathedrale für die Kirche und die Gläubigen in erster Linie ein Gotteshaus zu sein scheint, so ist sie für ihren eigentlichen Herrn, den Erzdiakon Claude Frollo, lediglich die Behausung für sich und sein alchimistisches Labor. Dort geben sich die antireligiösen und weltlichen Mächte die Klinke in die Hand. Ganz oben im Glockenturm weilt sein Schützling und Ziehsohn Quasimodo. Dem buckligen Glöckner ist die Kathedrale nicht nur ein Ort des Schutzes vor der Verfolgung durch die Bürger (sie wollen ihn entweder als Narren krönen oder als Abscheulichkeit verbrennen), sondern auch der Freude – seine Freunde sind die Glocken, denen er Namen gegeben hat.

|Esmeralda|

Dieses Gefüge aus festen Beziehungen gerät ordentlich in Bewegung, als das Schicksal der jungen, schönen Zigeunerin La Esmeralda in der Waagschale liegt. Sie gibt dem bedauernswerten Buckligen als Einzige auf dem Richtplatz Wasser, was ihr seine Dankbarkeit und Liebe einbringt. Dadurch gerät Quasimodo unwissentlich auf Kollisionskurs zu seinem Ziehvater, der ebenfalls ein Auge auf Esmeralda geworfen hat. Doch sein Begehren ist unheilig, unkeusch, und wird von Esmeralda mehrfach zurückgewiesen, als ob Gehorsam sie vor dem Tod retten würde.

|Der König|

Das Schicksal Esmeraldas als Angehörige der Unterschicht und Freundin der Bettlergilde lässt die Konflikte in dieser Ständegesellschaft offen ausbrechen. Wieder wird die Kathedrale zum Brennpunkt, als die rebellischen Bettler vor den Soldaten Asyl in der Kirche suchen, das ihnen auch nach altem Recht gewährt wird. Dieses Recht gedenken Erzdiakon und König, vereint in ihrem alchimistischen, quasi-faustischen Pakt, zu brechen. Sie heben einfach das Asylrecht auf. Das wiederum hat weitere Ausschreitungen zur Folge. Die Insel der Kathedrale wird zum Schlachtfeld, stellvertretend für ganz Paris, der Hauptstadt der Franzosen.

|Entscheidung|

Der Einzige, der sich noch ein wenig dem Kampf entziehen kann, scheint der Glöckner zu sein, doch er beschützt Esmeralda, den begehrten Zankapfel des Erzdiakons und des Pöbels. Kein Wunder also, dass auch Quasimodo im Finale sich für eine Seite entscheiden muss. Aber wie kann er es wagen, die Hand gegen seinen Ziehvater, die Verkörperung der geistlichen Stands mit weltlicher Macht, zu erheben? Offenbar wird ihm ein größeres moralisches Recht gewährt, dies zu tun, und so seine Handlungsweise sanktioniert: Er stürzt seinen Vater in einem rebellischen, wenn nicht sogar revolutionären Akt aus höchster Höhe in die Tiefe.

|Parallelen|

Ein Jahr vor dem Erscheinen des Romans fand in Paris wieder einmal (wie auch 1848) eine kleine Revolution statt. 1830 wurde in der Julirevolution König Charles X. vertrieben und der Bürgerkönig Louis Philippe (1830-48) eingesetzt. 1824 regierte Charles X. mit kirchlicher Macht, was unter anderem zur Rückkehr der Jesuiten führte. Nach einem liberalen Tauwetter 1828 kehrten die reaktionären Kräfte wieder an die Macht zurück, und es kam zum Ausbruch von Aufständen, die zur Vertreibung des Königs führten.

|Kritik|

Victor Hugos Roman lässt ebenfalls ein sehr kritisches Licht auf die kirchlichen Standesvertreter fallen: Frollo tut sich mit dem König zusammen, um Gold herzustellen, aber nicht mit koscheren Mitteln, sondern mit unheiligen, nämlich alchimistischen. Sein Bruder Jean (s. o.) verdächtigt ihn sogar der Geisterbeschwörung. Der Autor zieht klare Parallelen zwischen dem Jahr 1830 und 1482. Diese Ähnlichkeiten waren sicherlich nicht an seine Leser verschwendet, die dies als Kommentar auf das Tagesgeschehen verstanden.

Statt sich aber auf das banale Niveau des Klassenkampfes hinabzubegeben, hebt Hugo den Kampf der Unterprivilegierten (Bettler, Zigeuner usw.) gegen Kirche und König auf eine poetisch wirksamere Ebene von Schicksal und tragischer Liebe. Darin sehe ich wie viele Literaturhistoriker den enormen Einfluss der romantischen Bewegung, die aus Deutschland kommend (Tieck, Brentano, E.T.A. Hoffmann, Uhland usw.) bestimmend auf die junge Generation der französischen Autoren einwirkte. Wie man an der noch heute bestehenden Bekanntheit des Romans ablesen kann, hatte dieser überzeitliche Ansatz eine weitaus größere und nachhaltigere Wirkung als ein Pamphlet zum Klassenkampf.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Dass dieses Hörspiel in der Reihe „Gruselkabinett“ erscheint, mag zunächst ein wenig verwundern. Wo bitteschön ist denn hier der Vampir, der klassische Grusler, versteckt? Aber den konnte man ja auch in „Frankenstein“ vergeblich suchen. Offenbar hat der Macher der Serie, Marcel Gruppe, eine neue Strategie eingeschlagen, um ein größeres Publikum zu erreichen. Nicht mehr nur unmittelbare Schauergeschichten sind nun im Repertoire (siehe etwa „Jagd der Vampire“ von Hambly, Folgen 32/33), sondern zunehmend auch Klassiker, die bislang des Grusels völlig unverdächtig erschienen.

Doch wen es wie schaudert, ist völlig unterschiedlich. Diesmal setzt der Macher auf die mystische Atmosphäre, die ein alchimistisches Labor verbreitet, ebenso auch auf die sinistren, womöglich unheiligen Machenschaften seines Besitzers, der ausgerechnet der Obermacker der Kathedrale ist. Nicht nur ist Claude Frollo vom rechten geistlichen Weg abgekommen – Macht ist ihm wichtiger als Seelsorge -, nein, er versucht auch, eines seiner hilflosesten Schäfchen zu seinem wehrlosen Opfer zu machen, um es ausbeuten zu können: Esmeralda, das Waisenkind, das immer noch seine Mutter sucht. Wie teuflisch ist das denn?

Frollos Sprecher Udo Schenk hat im Peter Jacksons „Herr der Ringe“ auch Gríma Schlangenzunge die teuflisch-hinterlistige Synchronstimme geliehen. Auch hier weiß er seine zwielichtige Erscheinung richtig wirkungsvoll in Szene zu setzen. Lange weiß der Hörer nicht, was er von Frollo halten soll, bis dieser schließlich gegenüber Esmeralda seine wahren Absichten enthüllt: ein Monster in Menschengestalt. Udo Schenks entsprechender Monolog ist ein Höhepunkt an Darstellungskunst in dieser Produktion. Es ist, als würde Gríma Schlangenzunge letzten Endes triumphieren.

Außer dem König und anderen Kumpanen Frollos erscheinen alle Figuren als Frollos Opfer. Dementsprechend sympathisch treten sie auf. Insbesondere Esmeralda und Pierre Gringoire, die für einander bestimmt zu sein scheinen, stehen im Vordergrund. Doch das Schicksal hat anderes mit ihnen vor, und so wird ausgerechnet der bucklige Glöckner zu Esmeralda wichtigstem männlichen Partner. Diese Begegnung ist sehr bewegend und von beiden Sprechern mit einem Maximum an Einsatz und Einfühlungsvermögen dargestellt. Die hohle, an Charles Laughton orientierte Stimme von Tommy Morgenstern als dem Buckligen kontrastiert bezaubert mit Kristine Walthers hoher Esmeralda-Stimme.

Daneben gibt es noch jede Menge Nebenfiguren, von denen mir besonders Jean Frollo, ein schlauer Tunichtgut, und der König der Bettler, Clopin, im Gedächtnis geblieben sind. Es gibt mehrere Mauerschauszenen, bei denen eine Mittelklassefamilie das Geschehen auf dem Richtplatz kommentiert: Der Kontrast zwischen den zwei Ebenen könnte nicht größer sein und wird sauber herausgearbeitet. Das Hörspiel arbeitet ständig mit Gegensätzen, so dass die Figuren plastisch wie einem Film hervortreten.

|Musik und Geräusche|

Es ist klar, dass es sich um einen romantischen Stoff handelt. Schicksal, Tragik, Liebe, Tod spielen bestimmende Rollen. Dementsprechend dramatisch und abwechslungsreich ist auch die Musik komponiert worden. Es handelt sich um Originalmusik, nicht etwa um Kopien aus diversen romantischen Opern. Der Komponist wird allerdings nicht genannt.

Die Musik gibt sehr genau die vorherrschende Stimmung einer Szene wieder und ist mit klassischem Instrumentarium produziert – keine Synthesizer für klassische Stoffe! Die Musik steuert nicht nur die Emotionen des Publikums auf subtile Weise, sondern bestreitet auch die Pausen zwischen den einzelnen Akten. Dann stimmt sie das Publikum auf die „Tonart“ des nächsten Aktes ein. Heitere Klänge wie etwa ein Tamburin oder helle Glocken wechseln sich mit düsteren Passagen ab, die von Streichern und Chören bestritten werden. Mitunter sind sehr tiefe Bässe zu hören, die Unheil verkünden.

Die Geräusche sind genau die gleichen, wie man sie in einem realistischen Spielfilm erwarten würde, und die Geräuschkulisse wird in manchen Szenen dicht und realistisch aufgebaut. Von Anfang an spielen Glocken eine Rolle, entweder schlagen sie die Stunde oder Quasimodo macht sie zu einem Revolutionslied: Er läutet Sturm. Wer den Glocken folgt, weiß genau, in welcher Lage sich Paris gerade befindet. Natürlich gehören auch Pferde, Ziegen, aber auch Böller und Tanzmusik zur Geräuschkulisse des Hörspiels. Auf dieser Ebene ist das Geschehen am ehesten mit dem aus den Verfilmungen zu identifizieren.

Musik, Geräusche und Stimmen wurden so fein aufeinander abgestimmt, dass sie zu einer Einheit verschmelzen. Dabei stehen die Dialoge natürlich immer im Vordergrund, damit der Hörer jede Silbe genau hören kann. An keiner Stelle wird der Dialog irgendwie verdeckt.

|Das Booklet|

… enthält im Innenteil lediglich Werbung für das Programm von |Titania Medien|. Auf der letzten Seite finden sich die Informationen, die ich oben aufgeführt habe, also über die Sprecher und die Macher. Die Titelillustration von Firuz Akin auf dem Schubereinband fand ich wieder einmal sehr passend und suggestiv. Der Verlag empfiehlt sein Werk ab 14 Jahren.

Diesmal sind in einem zusätzlichen Katalog Hinweise auf die nächsten Hörspiele zu finden:

Nr. 30: J. W. Polidori: Der Vampyr (November)
Nr. 31: Rudyard Kipling: Die Gespenster-Rikscha (November)
Nr. 32 + 33: Barbara Hambly: Die Jagd der Vampire (2 CDs, erscheint im März 2009)
Nr. 34: F.M. Crawford: Die obere Koje (erscheint im April 2009)
Nr. 35: Bram Stoker: Das Schloss des weißen Lindwurms (erscheint im April 2009)
Nr. 36+37: Oscar Wilde: Das Bildnis des Dorian Gray (erscheint im Herbst 2009)

_Unterm Strich_

Ich habe mich gefragt, ob dieses Hörspiel es denn mit all den Verfilmungen, die ich kenne, aufnehmen kann. Es kann, und zwar mit Links. Es gibt einige Szenen, insbesondere die gruseligen, die man in den Hollywood-Bearbeitungen des Stoffes offenbar unterdrückt hat, wohl um die kleinen Kinder nicht zu erschrecken. Doch in dieser Fassung kommt der brutale Charakter des Kirchenfürsten Frollo sehr deutlich zum Ausdruck. Und darüber, welche Art von Gewalt er Esmeralda antun will, gibt es nicht den Schatten eines Zweifels. Sie soll ihm zu Willen sein.

Als Machtmensch agiert Frollo skrupellos auf einer Ebene mit dem König. Beide haben sich offenbar gegen die niederen Stände, die Rechtlosen verschworen. Es kommt, wie es kommen muss: Der Kampf vor, in und auf der Kathedrale als dem Stein gewordenen Symbol von kirchlicher Präsenz, das mehrere Bedeutungen annimmt. Statt eines Ortes der Seelsorge und des Asyls, dessen Türme zu Gott emporragen, ist die Kathedrale zu einem Hort des Bösen verkommen. Im Finale findet ein reinigendes Gewitter der Gewalt statt, das mit einem tiefen Fall des Kirchenfürsten seinen Höhepunkt findet.

|Das Hörspiel|

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und Stimmen von Hollywoodstars einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen. Besonders gelungen fand ich die Darstellung des Erzdiakons durch Udo Schenk, aber auch das Duo aus Glöckner und Esmeralda. Mehrere Genreszenen wie etwa auf dem Richtplatz, beim Tanz, in der Kneipe usw. verleihen der Präsentation einen realistischeren Anstrich, dienen aber auch dem Kontrast zwischen banalem Alltag und dramatischem Schicksalskampf. Ich jedenfalls fand das Hörspiel ungeheuer fesselnd.

Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für gruselige Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert und die Stimmen der Hollywoodstars vermitteln das richtige Kino-Feeling. Wer jedoch mit Melodramatik absolut nichts am Hut hat, sich aber trotzdem zünftig gruseln will, der sollte zu härterer Kost greifen.

Fazit: ein Volltreffer.

|Basierend auf: Notre-Dame de Paris, 1831
120 Minuten auf 2 CDs
ISBN-13: 978-3-7857-3637-1|

Home – Atmosphärische Hörspiele


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_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)

Apel, Johann August – Die Bilder der Ahnen (Gruselkabinett 23)

_Spannend & romantisch: Detektive in der Ahnengalerie_

Süddeutschland 1811. Graf Ferdinand von Panner weilt zu Besuch auf dem Schloss der Familie seines Schulfreundes. Eine düstere Legende verdunkelt zeitweise das Gemüt der dort Wohnenden. Was hat es auf sich mit der gefürchteten Geistererscheinung eines unheimlichen Ritters, die nachts an das Lager der männlichen Nachkommen tritt? Ferdinands Neugier ist geweckt, denn ein tragisches Geheimnis harrt seiner Enthüllung …

_Der Autor_

Johann August Apel (1771-1816) ist ein Autor aus der Zeit der schwarzen Romantik. Unter anderem schrieb er die Vorlage zu Carl Maria von Webers berühmter Fantasy-Oper [„Der Freischütz“. 3038

_Die Inszenierung_

|Die Rollen und ihre Sprecher:|

Ferdinand von Panner: Dennis Schmidt-Foß (u. a. dt. Stimme von Freddie Prinze jr. und Scott Speedman)
Emilie von Wartburg: Melanie Hinze (Jennifer Love Hewitt, Holly Marie Combs)
Baron von Hainthal: Lutz Riedel (Timothy Dalton, Richard Gere)
Ritter Dietmar von Wartburg: Bert Stevens (Moderator & Sprecher)
Pfarrer: Wilfried Herbst (Rowan Atkinson, ‚Morty Seinfeld‘)
Frau Pfarrer: Dagmar Biener (Goldie Hawn, Miou-Miou)
Graf Wartburg: Klaus-Dieter Klebsch (Alec Baldwin, Gabriel Byrne)
Gräfin Panner: Marianne Gross (Anjelica Huston, Cher)
Baronin von Hainthal: Viola Sauer (Michelle Forbes, Charlotte Rampling)
Allwill von Wartburg: Daniel Werner
Klotilde von Hainthal: Cathlen Gawlich (Jaime King)
Philipp von Wartburg: Aljoscha Fritzsche (Malcolm David Kelley in „Lost“)
Felix von Wartburg: Albert Werner
Postillion: Jochen Schröder (James Cromwell, Lionel ‚Max‘ Stander in „Hart aber herzlich“)
Bertha von Hainthal: Monica Bielenstein (Emma Thompson, Cybill Shepherd)
Juliane von Panner: Anja Stadlober (Paris Hilton)
Mönch Tutilo von St. Gallen: Kammerschauspieler Heinz Ostermann

Marc Gruppe schrieb wie stets das Buch und gemeinsam mit Stephan Bosenius setzte er es um. Die Aufnahme fand bei Rotor Musikproduktion und bei Kazuya statt. Die Illustration stammt von Firuz Askin.

_Handlung_

Im Jahr 1811 ist Ferdinand von Panner nach Studienjahren im Ausland in sein Elternhaus zurückgekehrt. Da Vater und Schwester gestorben sind, ist er nun das Oberhaupt der Familie. Seine Mutter hat ihm klargemacht, dass es seine Pflicht sei, für einen Stammhalter zu sorgen und eine Frau zu heiraten, aber nicht irgendeine, sondern es müsse Klotilde von Hainthal sein. An diesem Abend fährt er nun zur Residenz, wo sich Klotilde beim Karneval aufhalten soll.

Als Ferdinand in einem Gasthaus einkehren will, vernimmt er Musik aus einem hübschen Haus. Neugierig geht er darauf zu und wird sogleich hereingebeten. Der Pfarrer gibt hier a) eine musikalische Gesellschaft und b) einen Gespenstertee. Einen Gespenstertee? Der Pfarrer erklärt ihm, dass es sich um eine kleine Runde handle, in der Gespenstergeschichten erzählt würden. In dem düsteren Zimmer fällt Ferdinand sofort eine schöne junge Blondine auf. Sie ist die Erste, die eine Geschichte zum Besten geben muss …

|Die Geschichte der Blondine|

Ihre Freundin Juliane lebte auf ihrem Schloss auf dem Lande. Jeden Abend musste das junge Mädchen in einem Saal speisen, in dem die Bilder der Ahnen hingen, und diese Momente empfand sie stets als unheimlich und furchteinflößend. Ein Bild erregte ihr besonderes Grauen, denn so lebendig erschien ihr das Bild der abgebildeten Frau, dass sie sie mit Blicken zu durchbohren schien. Nach zwei Jahren Aufenthalt auf dem Schloss wird Juliane endlich Braut. Am Tag vor der Trauung führt sie ihren Verlobten durch die Zimmer. Als sie im Speisesaal das bewusste Bild erblickt, schreit Juliane auf und will fliehen. Doch in diesem Moment fällt das riesige Porträt von der Wand und begräbt sie unter sich.

Ein weibliches Mitglied der Teegesellschaft bestätigt die Geschichte. Sie habe tatsächlich stattgefunden. Und wenn Ferdinand reden würde, dann könnte er ihr verraten, dass es sich bei Juliane um seine eigene Schwester handelt. Er erwähnt auch nicht, dass er seine eigene Geschichte selbst erlebt hat, sondern tut so – mit einem Versprecher hie und da -, als hätte sie ein Freund namens Ferdinand erlebt.

|Ferdinands Geschichte|

Der junge Student Ferdinand kehrt mit seinem Freund Allwill von der Uni zurück in dessen Elternhaus, ein Schloss auf dem Lande. Dort wird Ferdinand als Allwills Freund herzlichst empfangen. Besonders Emilie hat ihn in ihr Herz geschlossen, und bis zum Ende des Sommers haben sie einander versprochen. Im Schloss befindet sich ein Saal mit Familienporträts, unter denen Ferdinand eines besonders auffällt. Nicht nur, weil es einen furchteinflößenden Ritter zeigt, sondern weil es direkt in die Wand eingelassen ist. Emilie sagt, dies sei Dietmar, der Stammvater des Geschlechts. Ihr Bruder Allwill vermutet ein tragisches Familiengeheimnis hinter der Entstehung des Bildes. Da hat er nur zu sehr Recht.

In der Nacht hört der ruhelos wandelnde Ferdinand klagende Rufe aus dem Bildersaal. „Weh euch! Sie sollen verschont werden! Erlösung! Ruhe!“ Aus dem Ritterbild blicken ihn glühende Augen an, bis die Gestalt vor seinen Augen verschwindet. Die Turmuhr schlägt Mitternacht. Als Ferdinand aus dem Fenster schaut, sieht er im Mondschein die Gestalt des Ritters, der vom alten Turm am Ende der Lindenallee auf das neue Schloss zuschreitet. Ferdinand ignorierend, geht der Geist durch den Bildersaal weiter zu den Schlafgemächern, und Ferdinand bekommt es nun mit der Angst zu tun. Er beobachtet, wie der Geist die beiden jüngeren Söhne des Grafen, Felix und Philipp, küsst und sodann verschwindet. Da keine Gefahr mehr besteht, geht nun auch Ferdinand schlafen.

Am nächsten Morgen darf Ferdinand nur unter vier Augen mit dem Grafen von seinem Erlebnis berichten. Offenbar ist es nicht das erste Mal, dass sich der Geist so gezeigt hat. Aber was bedeutet es? Der Graf lässt Ferdinand schwören, niemandem etwas davon zu erzählen, außerdem sei das Unglück sowieso unabwendbar. Kaum ist Ferdinand abgereist, hört er wenig später, dass Felix, Philipp und sogar der Graf selbst gestorben seien. Doch Ferdinand sieht Emilie nicht wieder.

|Erkenntnisse|

Kaum hat Ferdinand seine Geschichte beendet, geht die Blondine aufgewühlt aus dem Zimmer. Offenbar ist sie recht betroffen von den Neuigkeiten. Ein Teilnehmer der Gesellschaft entlarvt Ferdinands Identität, die dieser sogleich entschuldigend gesteht. Da sagt ihm dieser Teilnehmer, dass Emilie von Wartburg ihn immer noch suche, weil sie nun, nachdem auch ihr Bruder Allwill starb, die Alleinerbin ist. Und noch mehr: Das furchtbare Familiengeheimnis der Wartburgs betreffe auch ihn selbst und die Panners!

Damit ihn nicht das gleiche Schicksal ereilt wie die Wartburgs, muss Ferdinand schnellstens herausbekommen, was es mit dem Porträt des Ritters und dem damit verbundenen Geheimnis auf sich hat.

_Mein Eindruck_

Dies ist noch nicht einmal der ganze 1. Akt der ungewöhnlich langen Handlung. Es folgen noch zwei weitere Akte und natürlich ein Epilog. Ob die Geschichte für Ferdinand und seine Herzensdame Emilie gut ausgeht, soll hier nicht verraten werden, um die Spannung nicht zu verderben.

Wie schon aus dem Inhaltsabriss deutlich geworden sein dürfte, spielt die ganze Story zwischen drei Adelsgeschlechtern, die sich nun nicht nur in einer existenzbedrohenden Krise befinden, sondern auch noch erkennen und bewältigen müssen, dass ein Fluch sie seit nicht weniger als neun Jahrhunderten heimsucht. Damals fing die ganze Geschichte mit – wie zu erwarten – einer Missetat des Ritters Dietmar von Wartburg an. Er diente seinerzeit unter Kaiser Otto dem Großen (936-973), insbesondere bei der Eroberung Oberitaliens (Lombardei).

Die ganze Geschichte entfaltet daher mit ihrem Fortschreiten eine zunehmende geschichtliche Tiefe. Für den nicht mit der deutschen Geschichte vertrauten Hörer könnte es ein wenig verwirrend sein, von irgendwelchen Grafen zu erfahren, die um die Gunst des Kaisers ringen, weil es um die Hand einer wertvollen Frau (wie könnte es anders sein?) geht. Jeder will sein eigenes Adelsgeschlecht mit der Lady gründen – und geht dabei sogar über Leichen. Bei der Lady handelt es sich übrigens um jene Dame, deren gewichtiges Porträt die arme Juliane von Panner erschlug.

In mehreren Rückblenden führt uns das Hörspiel in jene durchaus interessante und dramatische Epoche vor fast elfhundert Jahren. Und ich zumindest fühlte mich aufgrund des Auftretens des Mönches Tutilo von St. Gallen (diese Klosterkirche hat eine wunderbare und prächtige Bibliothek) stark an Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“ erinnert. Aber der Umstand, dass ein einfacher Mönch einen Ritter mit einem Sühnefluch belegen kann, der alle männlichen Nachgeborenen – bis auf jeweils einen – das Leben kostet, kam mir als Strafe Gottes ziemlich überzogen vor.

|Die neue Zeit|

Wie auch immer: „Der Fluch der bösen Tat“ wirkt durch die Jahrhunderte fort. Weil immer nur der letzte männliche Nachkomme auf dem Sterbebett seines Vorfahren unter dem Siegel der Verschwiegenheit davon erfährt, kann der Fluch auch ungebrochen fortwirken. Nun aber, so suggeriert der Autor, bricht eine neue Zeit an. Kein Wunder, denn um 1811, als die Handlung spielt, hat das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, das einst Otto zu Größe führte, aufgehört zu existieren. Napoleons Truppen haben ihm den Garaus gemacht, ihr Befehlshaber, der Kaiser, mit dem Code Napoleon ein neues bürgerliches Gesetzbuch in allen eroberten Ländern zum Standard gemacht. Höchste Zeit also, alte Zöpfe abzuschneiden.

|Detektivarbeit|

Doch bevor Ferdinand seine Emilie vor den Altar führen kann, sind noch etliche Hindernisse zu bewältigen. In der Manier von [„Sakrileg“ 1897 sind alte Dokumente zu lesen, die Aufschluss über die Vergangenheit geben und Aufschluss erteilen über den Fluch und wie man ihn beenden kann. Wie kann man dem alten Rittergespenst die letzte Ruhe verschaffen und jene Erlösung, nach der es ihn verzweifelt verlangt? Das ist schon fast Detektivarbeit und macht den langen dritten Akt doch noch relativ spannend. Wäre Ferdinand Sherlock Holmes, so müsste jeden Moment der Hund der Baskervilles auftauchen. Wie so viele Stücke der deutschen (und anderssprachigen) Romantik lässt sich auch „Die Bilder der Ahnen“ als ein Aufruf zur Erneuerung lesen.

_Die Inszenierung_

|Sprecher|

Unter den Sprechern wie unter den Rollen sind diesmal alle Genrationen vertreten, von den Kindern bis zu den Senioren. Zwar sollte die Figur der Ferdinand von Panner, der ja auch der Ich-Erzähler ist, stets im Mittelpunkt stehen, doch das ist im dritten Akt eher die Ausnahme. Die Ermittlungsarbeit der drei Familien Wartburg, Panner und Hainthal ist vielmehr echtes Teamwork und erfordert die Mitarbeit auch der Senioren.

Besonders bezaubernd fand ich die Stimme der „Emilie“, die Melanie Hinze gehört, der deutschen Stimmbandvertretung von Jennifer Love Hewitt (die Hauptdarstellerin in „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“). Besonders beeindruckt war ich hingegen von Bert Stevens, der den verfluchten Ritter Dietmar spricht. Stevens legt in seine Darstellung so viel emotionale Bewegung, dass man nicht anders kann, als sich in seine Lage zu versetzen und mit ihm zu fühlen. Ein würdiger Beichtvater ist ihm Mönch Tutilo, den Heinz Ostermann spricht.

Als enttäuschenden Totalausfall empfand ich jedoch die Stimme der Juliane, die Anja Stadlober zuzuordnen ist, welche normalerweise Paris Hilton synchronisiert. Mag sein, dass Frau Stadlober die Schwester von Schauspielerass Robert Stadlober ist, aber deswegen muss sie noch lange wie ein Roboter vom Blatt ablesen. Stimmliche Darstellungskunst ist etwas anderes. (Ich hoffe, ich verwechsle sie nicht mit einer anderen Sprecherin; wäre dem so, würde ich mich entschuldigen.)

|Musik und Geräusche|

Die Geräusche sind genau die gleichen, wie man sie in einem Spielfilm aus dem schauerlichen Genre erwarten würde, und die Geräuschkulisse wird in manchen Szenen dicht und realistisch aufgebaut. Die zwitschernden Vöglein des Tages werden daher stets mit Nachtgeräuschen wie etwa der Mitternacht schlagenden Turmuhr, dem kühlen Wind und manchmal sogar Donner kontrastiert. Die Story bietet Gelegenheit für den Einsatz von Halleffekten, so etwa in der Ahnengalerie und im Gewölbe unter dem alten Turm. Die Sprengung dieses alten Turms konnte sich der Tonmeister natürlich nicht entgehen lassen: Eine mordsmäßige Explosion erschüttert die Lautsprecherboxen des Zuhörers! Zum Glück nur in akustischer Hinsicht …

Die Musik gibt sehr genau die vorherrschende Stimmung einer Szene wieder und ist mit klassischen Instrumentarium produziert – keine Synthesizer für klassische Stoffe! Die Musik steuert nicht nur die Emotionen des Publikums auf subtile Weise, sondern bestreitet auch die Pausen zwischen den einzelnen Akten. Dann stimmt sie das Publikum auf die „Tonart“ des nächsten Aktes ein. Zwischen drei Akten lässt sich das Hörspiel Zeit, das Intermezzo etwas auszudehnen. Beginnt der nächste Akt, so ist das unschwer an einer anderen Tonart und einem anderen Tempo zu erkennen. Der erste Akt beginnt wie der zweite mit einer frisch-fröhlichen, dynamischen Weise, die schon fast volksmusikhafte Züge trägt.

Mehrmals konnte ich feststellen, dass die Hintergrundmusik auf dezente Weise erst Mozarts „Kleine Nachtmusik“ und dann, eine Weile später, das Wiegenlied „Guten Abend, gute Nacht“ zitiert. Solche Zitate hört man nicht allzu häufig in Originalhörspielen, aber weil sie sich im Hintergrund halten (und womöglich nur wenigen Hörern auffallen), seien sie hier ausdrücklich willkommen geheißen.

Musik, Geräusche und Stimmen wurde so fein aufeinander abgestimmt, dass sie zu einer Einheit verschmelzen. Dabei stehen die Dialoge natürlich immer im Vordergrund, damit der Hörer jede Silbe genau hören kann. An keiner Stelle wird der Dialog irgendwie verdeckt.

|Das Booklet|

… enthält im Innenteil lediglich Werbung für das Programm von |Titania Medien|. Auf der letzten Seite finden sich die Informationen, die ich oben aufgeführt habe, also über die Sprecher und die Macher. Die Titelillustration von Firuz Akin fand ich wieder einmal recht passend. Ich bin aber nicht sicher, ob die Ritter des 10. Jahrhunderts schon Rüstungen trugen, die man im 13. und 14. Jahrhundert zu fertigen pflegte. Aber da ich diesbezüglich keine Experte wie John Howe bin, ist mir dies einerlei. Der Verlag empfiehlt sein Werk ab 14 Jahren.

Diesmal sind in einem zusätzlichen Katalog Hinweise auf die nächsten Hörspiele zu finden:

Nr. 24 und 25 wird von H. P. Lovecrafts „Der Fall des Charles Dexter Ward“ bestritten (2 CDs).
Nr. 26: Theophile Gaultier: „Die Liebe der Toten“
Nr. 27: Robert Louis Stevenson: „Der Leichendieb“ (nach historischen Tatsachen)

_Unterm Strich_

Der Aufbau der Geschichte ist zwar ein wenig komplex, aber das ist auch von einer Geschichte, in der ein Familienfluch die Hauptrolle spielt, zu erwarten. Man denke nur an die Holmes-Geschichte [„Der Hund der Baskervilles“ 1896 und erkennt sofort, dass irgendwie mehrere Rückblenden folgen müssen. Der vorliegende Autor bedient sich des Kniffs der beim Tee erzählten „Gespenstergeschichte“, die damals wohl noch recht en vogue gewesen sein dürfte, was aber heute nur noch belächelt werden kann. (Geschichten erzählt uns heute nur noch das Fernsehen oder die Oma – schade, nicht?)

Bemerkenswert ist an dieser Familiengeschichte, dass sie praktisch das gesamte Heilige Römische Reich Deutscher Nation umspannt, das immerhin mehr als 1000 Jahre existierte (bis 1806). Das bietet Gelegenheit, diesem untergegangenen Reich einen Nachruf hinterherzuschicken und zugleich auszudrücken, dass es höchste Zeit ist, mit diesen alten Zöpfen – in Gestalt des Familienfluches – aufzuräumen. Nur dann habe die neue Zeit – in Gestalt der vom Fluch erlösten Emilie und Ferdinand, aber auch des alten Ritters – eine Chance, Neues und Besseres aufzubauen, auch in Form einer neuen Idealen verschriebenen Familie. Romantik muss also nicht immer rückwärtsgewandt sein.

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und Stimmen von Hollywoodstars einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen. Besonders im dritten Akt hatte ich Mühe, die Fülle der gelieferten neuen Informationen zu erfassen.

Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für gruselige Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert und die Stimmen der Hollywoodstars vermitteln das richtige Kino-Feeling. Wer jedoch mit Melodramatik absolut nichts am Hut hat, sich aber trotzdem zünftig gruseln will, der sollte zu härterer Kost greifen.

|75 Minuten auf 1 CD|

Home – Atmosphärische Hörspiele


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_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)

Heine, Heinrich / Gruppe, Marc – fliegende Holländer, Der (Gruselkabinett 22)

_Kongeniale Umsetzung der romantischen Legende_

Mit einer Hörspielversion des fliegenden Holländers findet nun auch der Themenkreis rund um die Geister auf hoher See Einlass in das Gruselkabinett. Schauriges Seemannsgarn vom Feinsten – nach Motiven von Heinrich Heine und einer wahren Begebenheit.

Bis in alle Ewigkeit verflucht, muss das Geisterschiff des fliegenden Holländers die Weltmeere auf der Suche nach der ersehnten Erlösung der Mannschaft durchstreifen. Unheil droht demjenigen, der dem rot glühenden Dreimaster in stürmischer Nacht begegnet. Verderben hingegen wird dem zuteil, der sich mit dem verfluchten Kapitän des Seglers einlässt …

_Der Autor_

Heinrich Heine (1797-1856) ist wohl einer bekanntesten deutschen Dichter. Leider musste er in unruhigen Zeiten ins Pariser Exil gehen, wo er mit deutschen Revolutionären wie Ludwig Börne an der Änderung der reaktionären deutschen Verhältnisse arbeitete. 1834 erschien sein Buch „Die Memoiren des Herrn von Schnabelewopski“ und darin findet sich die Legende vom Fliegenden Holländer wiedergegeben. Dass der Holländer – sowohl der Kapitän als auch sein Schiff – „fliegt“, ist wohl nicht wörtlich zu verstehen. Vielmehr ist mit „fliegen“ fliehen gemeint, und zwar sowohl vor den Menschen, die ihn meiden, als auch vor dem Fluch, mit dem ihn Gott belegt hat.

_Die Inszenierung_

|Die Rollen und ihre Sprecher:|

John Neale Dalton, Tutor: Wolfgang Condrus (u. a. dt. Stimme von Ed Harris und Sam Neill)
Der Holländer: David Nathan (Johnny Depp, Christian Bale)
Donald Mackenzie: Roland Hemmo (Brendan Gleeson, Brian Cox, Colm Meaney)
Katharina Mackenzie: Dascha Lehmann (Katie Holmes, Jennifer Love Hewitt)
Großmutter Mackenzie: Barbara Adolph (Rosemary Harris, Nina Foch, Vanessa Redgrave)
Kapitän von Mackenzie: Uli Krohm (Omar Sharif in „Monsieur Ibrahim …“, Ghassan ‚Saladin‘ Massoud in „Königreich der Himmel“)
Prinz Albert Victor: Simon Jäger (Matt Damon, Josh Hartnett, Heath Ledger)
Junger Albert Victor: Nicolas Artajo (Jamie Bell)
Wachhabender Offizier: Tommy Morgenstern (Dominic Monaghan in „Lost“, ‚Butt-Head‘)
Ausguck der „Inconstant“: Thomas-Nero Wolff (Hugh ‚Wolverine‘ Jackman, Woody Harrelson)
Steuermann des Holländers: Kammerschauspieler Heinz Ostermann

Marc Gruppe schrieb wie stets das Buch und gemeinsam mit Stephan Bosenius setzte er es um. Die Aufnahme fand bei |Rotor Musikproduktion| und bei |Kazuya| statt. Die Illustration stammt von Firuz Askin.

_Handlung_

PROLOG. Zirka 17. Jahrhundert. Sturm am Kap der Guten Hoffnung. Ein Segler trotzt der schäumenden See jedoch. Als der Steuermann vorsichtshalber die Segel reffen will, befiehlt ihm der Kapitän wütend, er solle das Schiff dennoch durch die tobenden Urgewalten lenken, und koste es seines, des Kapitäns Leben. Er fordert sogar Gott heraus, es ihm zu verwehren. Ein Krachen, ein Schrei …

September 1888. John Neale Dalton besucht mit seinem Schüler und Schützling, der Kgl. Hoheit Prinz Albert Victor, die Oper. Es handelt sich um Richard Wagners „Der Fliegende Holländer“. Beide erinnern sich noch gut an ihr gemeinsames Erlebnis mit eben jenem Geisterschiff …

Es ist der 11. Juni 1881, als die „Inconstant“ mit Kurs aufs australische Melbourne dem Geisterschiff begegnet. Prinz Albert Victor ist ein 17-jähriger Kadett an Bord des Schiffes, das ihn ausbildet, und Dalton ist auch hier sein Tutor. Der Ausguck ruft am Morgen plötzlich: „Schiff ahoi! Ein Dreimaster!“ Der Segler hat zerfetzte Segel und glüht in einem unheimlichen Rot, doch an Bord ist keine Menschenseele zu sehen. So schnell, wie es aufgetaucht ist, so schnell ist das Schiff auch wieder verschwunden. Dem wachhabenden Offizier ist gar nicht wohl bei der Sache, denn er fürchtet den Fluch, der denjenigen trifft, der des Geisterschiffs ansichtig wird.

Mr. Dalton erzählt dem Prinzen, was er selbst über das Schiff weiß. Es ist die Geschichte des Kaufmanns Donald Mackenzie aus Schottland, der eines Tages vor etwa hundert Jahren in einer Bucht, wo er vor dem Sturm Zuflucht suchte, das Schiff des Holländers in Augenschein nahm – persönlich! Denn mit dem Fluch, der seit Jahrhunderten auf dem Holländer liegt, verhält es sich so, dass er zwar dazu verdammt ist, bis zum Jüngsten Tag die Weltmeere zu durchsegeln, aber durch die Liebe einer treuen Frau erlöst werden kann. Und dazu erhält er alle sieben Jahre Gelegenheit, an Land zu gehen.

Als Donald Mackenzie trotz der Proteste seines Kapitäns an Bord des Holländerschiffes geht, begegnet ihm dessen Kapitän durchaus freundlich, wenn auch von der Crew nichts zu sehen ist. Der Mann zeigt ihm riesige Diamanten, die augenblicklich das Interesse, wenn nicht sogar die Gier im Kaufmann wecken. Der Holländer bietet ihm ein Tauschgeschäft an: Diamanten gegen Mackenzies Tochter Katharina. Der Mann ist einverstanden. Zusammen segeln sie nach Schottland.

Zu ihrem Entsetzen sehnt sich Katharina geradezu danach, den Mann, den sie von einem verblichenen Gemälde kennt, von seinem Fluch zu erlösen. Und als Katharina dann auch noch das Original zu diesem Bild erblickt, stutzt sie zwar ob der verblüffenden Ähnlichkeit, doch willigt sie freudig in den Antrag des Holländers ein, seine treu liebende Frau zu werden.

Jedoch der Mann ist merkwürdig zurückhaltend in seinen Kontakten zu ihr, so dass sie einen unruhigen Albtraum erlebt. Am Morgen ihres Hochzeitstages ist sie jedoch bereit, mit ihm vor den Altar zu treten. Da bringt ihre Großmutter einen Brief vom Hafen, der Unheil verheißt …

_Mein Eindruck_

Man kann sich durchaus fragen, woher Heinrich Heine, der bekanntlich 1856 in Paris starb, vom Tod des Prinzen Albert Victor im Jahr 1892 – war der Fluch des Holländers schuld? – wissen konnte, aber das wäre nun wirklich Beckmesserei. Wie auch immer: Heine schrieb 1834 über den Fliegenden Holländer. Vanderdecken erzählt dabei von einer Theateraufführung in Amsterdam, bei welcher der Teufel Vanderdecken zu einem Pakt zwingt und zu einem ewigen Segeln auf den Meeren verflucht, es sei denn, er werde durch die Liebe einer treuen Frau erlöst.

Heine bezog sich auf einen Artikel aus dem Jahr 1821, doch die erste Erwähnung des fliegenden Holländers findet sich laut „Encyclopedia of Fantasy“ in Anmerkungen von Sir Walter Scott aus dem Jahr 1813. Die Sage ist also relativ jung, verglichen mit anderen. (Ungefähr zur gleichen Zeit entstand auch der romantische Mythos vom Vampir.) Schon neun Jahr nach Heines Erzählung veröffentlichte Richard Wagner seine Oper (1843), die im Hörspiel zweimal zu hören ist. Wagner, der sich auf Heine beruft, lieferte die definitive Version der Legende, die bis heute recht häufig verarbeitet wurde.

Das Hörspiel verknüpft die Legende mit staatstragenden Personen aus der viktorianischen Ära und natürlich mit der Oper. Aber der Kern der Story dreht sich um Mackenzie und seine Tochter, die um ein Haar den verfluchten Holländer (und seine ebenso unglückliche Crew) erlöst hätte. Ein Abenteuer zur See mündet in eine tragisch endende Liebesgeschichte – könnte es etwas Romantischeres geben?

Doch was wird aus dem Fluch, der denjenigen trifft, der den Holländer erblickt? Hier findet der Hörer das Spannungselement, das bis zum Schluss aufrechterhalten wird. Ich habe die durchdachte Erzählstruktur bewundert, die dem Hörspiel trotz der Komplexität der Geschichten eine elegante Kompaktheit verleiht, die in sich ruht. Diesem kompletten Ganzen lässt sich nichts mehr hinzufügen, ohne seine Ausbalanciertheit zu stören. Klasse.

_Die Inszenierung_

Die akustische Umsetzung hat mich ebenfalls zu überzeugen gewusst. Schon der Prolog stimmt den Hörer voll auf die harte Umgebung des Meeres ein, denn wenn ein Sturm am Kap tobt, dann hat der Mensch gefälligst klein beizugeben. Das tut der Kapitän jedoch nicht, sondern er fordert vielmehr Gott heraus, ihn zu strafen bis zum Jüngsten Tag.

Diese Vorgeschichte wird durch die Erzählung von Oma Mackenzie nahtlos ergänzt. Von einem Teufelspakt ist hier keinerlei Rede, sondern nur vom Fluch, der auf dem Holländer liegt und allen, die ihn erblicken. Die Großmutter berichtet auch – mit Vanessa Redgraves kultivierter Stimme -, dass die verdammte Crew des Holländers bei Begegnungen mit anderen Schiffen versucht, diesen Briefe an ihre Angehörigen mitzugeben. Nur dass diese Angehörigen natürlich schon längst unter der Erde liegen …

Dass der Fluch des Holländers auch auf diejenigen fällt, die ihm begegnen, ist wahrscheinlich Einbildung, legen Mackenzie und Dalton nahe. Aber Dalton zweifelt ein wenig an dieser vernünftigen Erklärung. Warum sonst stürzte der Ausguck der „Inconstant“ aus seinem Krähennest aufs Deck – und verfehlte dabei die Kgl. Hoheit Albert Victor nur um Haaresbreite?! Auch dies gehört natürlich zu einem gruseligen Stück wie diesem, denn es trägt nicht wenig zur Spannung bei.

Geradezu entzückt war ich von David Nathans feinfühliger Darstellung der zentralen Figur. Sein Holländer ist wahrlich ein Verdammter, zwar ein Gentleman statt eines groben Klotzes, welcher der Menschheit entfremdet ist, aber gerade deshalb umso geeigneter als Ehemann für die liebliche Katharina. Warum also klappt es mit den beiden nicht, fragt sich der Hörer zu Recht, doch ich werde es hier nicht verraten. Der Holländer wird also weiterhin die Meere als ein Ahasveros des Wassers heimsuchen.

|Musik und Geräusche|

Die Geräusche sind genau die gleichen, wie man sie in einem realistischen Spielfilm erwarten würde, und die Geräuschkulisse wird in manchen Szenen dicht und wirklichkeitsgetreu aufgebaut. Auf hoher See herrschen stets die Geräusche des Meeres und der Küste vor, so etwa Wind bzw. Sturm, Wellenrauschen und immer wieder Möwenschreie. An Deck der Schiffe halten sich diese Geräusche aber im Hintergrund, um die Dialoge nicht zu verdecken. Szenen im Innern von Gebäuden gibt es kaum, außer in der Oper und im Hause Mackenzie. Dort fehlen Nebengeräusche fast gänzlich, denn entweder steht die Musik der Oper oder der Dialog der Mackenzies im Vordergrund.

Die Musik gibt sehr genau die vorherrschende Stimmung einer Szene wieder und ist mit klassischen Instrumentarium produziert – keine Synthesizer für klassische Stoffe! Die Musik steuert nicht nur die Emotionen des Publikums auf subtile Weise, sondern bestreitet auch die Pausen zwischen den einzelnen Akten. Dann stimmt sie das Publikum auf die „Tonart“ des nächsten Aktes ein.

Nach einem furiosen Auftakt im Sturm am Kap leitet eine längere Musikpassage zum Geschehen des Jahres 1888 über und der Erzählung Mr. Daltons. Beeindruckend ist die Ouvertüre zur Oper von Wagner wiedergegeben – großes Lob an das Orchester! Leider wird es nicht in den Credits genannt. Die Ouvertüre wie auch die andere Passagen geben vollständig die Stimmung aus Verdammnis, Sehnsucht und Liebesversprechen wieder, das sowohl tragisch als auch romantisch gefärbt ist.

Musik, Geräusche und Stimmen wurde so fein aufeinander abgestimmt, dass sie zu einer Einheit verschmelzen. Dabei stehen die Dialoge natürlich immer im Vordergrund, damit der Hörer jede Silbe genau hören kann. An keiner Stelle wird der Dialog irgendwie verdeckt.

|Das Booklet|

… enthält im Innenteil lediglich Werbung für das Programm von |Titania Medien|. Auf der letzten Seite finden sich die Informationen, die ich oben aufgeführt habe, also über die Sprecher und die Macher. Die Titelillustration von Firuz Akin fand ich wieder einmal sehr passend und suggestiv. Der Verlag empfiehlt sein Werk ab 14 Jahren.

Diesmal sind in einem zusätzlichen Katalog Hinweise auf die nächsten Hörspiele zu finden:

Nr. 24 und 25 wird von H. P. Lovecrafts „Der Fall des Charles Dexter Ward“ bestritten (2 CDs).
Nr. 26: Theophile Gaultier: „Die Liebe der Toten“
Nr. 27: Robert Louis Stevenson: „Der Leichendieb“ (nach historischen Tatsachen)

_Unterm Strich_

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und Stimmen von Hollywoodstars einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen. Der Aufbau der Geschichte ist zwar ein wenig komplex, aber sobald man aufgehört hat, sich über die zweite Rückblende zu wundern, findet man sicherlich Gefallen an dem tragisch-romantischen Kern der Handlung. Schließlich handelt es sich um eine Legende, die einen Fluch beinhaltet, und was wäre ein Fluch ohne seine Bewahrheitung? Durch diese Frage wird doch noch ein erhebliches Maß an Spannung erzeugt, die bis zum Schluss anhält.

Dass die Geschichte zwar unter Engländern spielt, aber zu einem großen Teil den deutschen Künstlern Heine und Wagner zuzuschreiben ist, hat mich sehr gefreut. Zwar sind Apel, Laun usw. ebenfalls deutschsprachige Autoren, aber längst nicht von einem solchen Rang wie Heine und Wagner.

Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für gruselige Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert und die Stimmen der Hollywoodstars vermittelt das richtige Kino-Feeling. Wer jedoch mit Melodramatik absolut nichts am Hut hat, sich aber trotzdem zünftig gruseln will, der sollte zu härterer Koste greifen. Die Hörbücher der „Necroscope“-Reihe von Brian Lumley dürften eine ausreichend starke Dosis verabreichen.

|60 Minuten auf 1 CD|

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_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)

Shelley, Mary / Gruppe, Marc – Frankenstein. Teil 2 von 2 (Gruselkabinett 13)

_Frankenstein: der zweite Sündenfall_

Unterhalb des Montblanc 1815: Die Suche nach Vergeltung für das Leid, das über seine Familie kam, treibt Victor Frankenstein ins Hochgebirge. Schöpfer und Geschöpf treffen erstmals wieder aufeinander. Frankenstein wird sich allmählich der erdrückenden Verantwortung bewusst, die er durch seinen unüberlegten Schöpfungsakt auf sich genommen hat. Sein Geschöpf verspricht, ihn und die Seinen zukünftig unter einer einzigen schrecklichen Bedingung zu verschonen …

Vom Verlag wird das Hörbuch empfohlen für Hörer ab 14 Jahren.

Die Autorin

Mary Wollstonecraft Shelley (1797-1851) war 19 Jahre alt, als sie das Manuskript zu ihrem berühmtesten Roman „Frankenstein“ schrieb. Sie war die Tochter eines Philosophen und einer Feministin, welche bei ihrer Geburt starb. Mit 17 brannte sie mit dem Dichter Percy B. Shelley (1792-1822) durch, dessen Frau Selbstmord beging, und heiratete ihn.

Im Jahr 1816, dem „Jahr ohne Sommer„. erbrachte das Paar den Sommer mit Lord Byron und dessen Leibarzt Dr. John Polidori am Genfer See in der Villa Diodati. Nach dem Vorlesen deutscher Geistergeschichten schlug jemand vor, selbst Geistergeschichten zu schreiben. Daraus entstand „Frankenstein“, doch Byrons Geschichte „Der Vampyr“ wurde erst 1819 von Polidori vollendet. Mary verwässerte ihren 1818 veröffentlichten Roman durch das Polieren in der Fassung von 1831.

Mary W. Shelley schrieb neben mehreren Erzählungen auch den Roman „The Last Man“ (1826), in dem eine Epidemie die Menschheit dezimiert: Als die Amerikaner England übernehmen, bleibt nach den Auseinandersetzungen ein letzter Mann übrig (der viel Ähnlichkeit mit Percy Shelley hat), der jedoch mit seinem Boot aufs offene Meer hinaussegelt. Dieses Motiv eines letzten weltlichen Überlebenden hat ebenfalls viele Autoren inspiriert.

Unsere Rezensionen zur Hörspielfassung von „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“ im |Gruselkabinett| von |Titania Medien|:
http://buchwurm.org/shelley-mary-gruppe-marc-frankenstein-teil-1-von-2-gruselka-13649/
http://buchwurm.org/shelley-mary-gruppe-marc-frankenstein-teil-2-von-2-gruselka-13650/

Außerdem von Shelley auf Buchwurm.info „Die Verwandlung„.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Robert Walton: Norman Matt (Jonathan Rhys-Meyers, „Seraph“ in „Matrix“)
Kapitän: Heinz Ostermann
Steuermann: Andreas Mannkopff (John Candy)
Victor Frankenstein: Peter Flechtner (Ben Affleck, „Riley“ in „Buffy“)
Alphonse Frankenstein: Christian Rode (Christopher Plummer, Michael Caine, „Spock“ in „Star Trek“)
Caroline Frankenstein: Rita Engelmann („Dr. Beverly Crusher“ in „Star Trek“)
Elisabeth Lavenza: Melanie Pukaß (Helena Bonham Carter, Halle Berry)
William Frankenstein: Lucas Mertens
Justine Moritz: Petra Barthel (Uma Thurman, Nicole Kidman)
Henry Clerval: Nicola Devico Mamone (Jake Gyllenhall)
Das Geschöpf: Klaus-Dieter Klebsch (Alec Baldwin, Gabriel Byrne)
Blinder: Jürgen Thormann (Michael Caine, Max von Sydow)
Felix: Marius Clarén (Tobey Maguire)
Agatha: Luise Helm (Scarlett Johansson)

Marc Gruppe schrieb wie stets das Buch und gemeinsam mit Stephan Bosenius setzte er es um. Die Aufnahme fand im Studio AudioCue, Rotor Musikproduktion, Scenario Studio und bei Kazuya statt. Die Illustration stammt von Firuz Askin.

_Handlung_

Die Geschichte setzt am 5. August 1816 an Bord eines Forschungsschiffes ein, das sich ins Eismeer vorwagt. Es gehört dem Forscher Robert Walton, 28, doch natürlich wird es vom Kapitän und seinem Steuermann gesegelt. Da das Schiff im Treibeis steckt, können alle drei verfolgen, wie ein Riese mit einem Hundeschlitten vorüberrast, als wären ihm die Höllenhunde auf den Fersen. Am nächsten Tag taucht ein zweiter Mann auf, doch er treibt auf einer Eisscholle. Walton besteht darauf, ihn an Bord zu holen. Er stellt sich als Dr. Victor Frankenstein vor und gibt an, den Riesen vom Vortag, diesen „Dämon“, zu verfolgen. Als er erfährt, was Walton vorhat, warnt er ihn eindringlich vor zu viel Wissensdurst und erzählt ihm als Beleg für seine Warnung seine dramatische Lebensgeschichte. Diese macht den Löwenanteil der Geschichte aus.

|Frankensteins Erzählung, Teil 2|

Nach seinem Nervenfieber muss Victor erst in der Obhut seines Freundes Henry Clerval genesen, bevor er die weite Reise nach Genf antreten kann. Nach elf Monaten erst trifft er im Herbst 1814 dort ein. Sein Vater ist inzwischen herzkrank, denn die Ermordung seines Sohnes William hat ihn schwer getroffen und Elisabeth Lavenza, seine Adoptivtochter, pflegt ihn liebevoll.

Kaum ist Victor nach Hause zurückgekehrt, gibt es eine neue Überraschung: Seine Quasi-Kusine Justine ist als Mörderin Williams angeklagt worden und hat sogar gestanden! Viktor sieht sich als Urheber dieser Katastrophen, denn offenbar hat sein Geschöpf seine Finger in diesem Unglück. Doch als er es auf dem Gletscher des Montblanc stellt, erzählt es ihm erst einmal, was mit ihm passiert ist.

Vertrieben von seinem angeekelten Schöpfer, schlug es sich in Ingolstadt und dessen Umgebung durch. In einer Scheune fand es Zuflucht, las drei Bücher, die es gefunden hatte – und Victor Frankensteins persönliches Tagebuch! Als es dort einer nahbei lebenden Familie zusah, merkte es, was ihm vorenthalten wurde. Es betätigte sich als guter Geist der Familie und eines Tages, als die Jungen fort sind, besucht es den Alten, der blind ist. Weil er das Geschöpf nicht sehen kann, kommt es ihm ganz normal vor, und erstmals fühlt sich das Geschöpf als menschliches Wesen anerkannt. Doch die Rückkehr der Jungen wird zur Katastrophe: Es wird vertrieben. Da beschloss es, zu seinem Schöpfer zurückzukehren.

Nun verlangt es von ihm eine Wiederholung des Verbrechens Frankensteins. Es will nicht mehr alleine sein und verlangt eine Gefährtin. Dann werde es Frankenstein in Ruhe lassen und mit ihr weit fort zurückgezogen leben. Doch falls nicht, werde er seinen Schöpfer und dessen ganze Familie auslöschen.

Viktor Frankenstein hat die Wahl: Sein Verbrechen zu wiederholen oder alles zu verlieren, was ihm lieb und teuer ist, allen voran Elisabeth. Doch Victor zerstört sein beinahe vollendetes Werk und pfeift auf die Drohungen der Kreatur. Er heiratet Elisabeth und trifft Vorkehrungen, die Kreatur zu töten, sollte sie sich blicken lassen. Doch es ist bereits später, als er denkt. Ein Schrei gellt aus dem Schlafzimmer der Braut …

_Mein Eindruck_

Meinen Ausführungen und Eindrücken, die ich zum 1. Teil formulierte, habe ich im Grunde nur wenig hinzuzufügen. Alles andere könnte als Zeilenschinderei aufgefasst werden. Daher wird dies ein ziemlich kurzer Abschnitt. Wer mehr wissen will, lese bitte die [Rezension zum 1. Teil. 2960

So mancher Hörer könnte sich fragen, mit welcher Absicht Victor Frankenstein in der Rahmengeschichte seinem Retter Walton von seinem gescheiterten Leben erzählt. Am Schluss wird deutlich, was er im Sinn hat. Er warnt den jungen Arktisforscher vor allzu großer Neugier, denn das Vordringen in unbekannte Regionen des Wissens – hier wörtlich zu verstehen – berge zu große Gefahren. Denn der Forscher habe nicht nur für sich selbst die Verantwortung zu tragen, sondern auch für seine Angehörigen, Schutzbefohlenen und Freunde. Und dies nicht nur direkt durch sein Tun und Lassen, sondern auch indirekt durch das, was aus seiner Arbeit entstehe. Bei Victor ist es sein Geschöpf. Es tötete alle Menschen, die Victor etwas bedeuteten, und nun ist es Victor Aufgabe, es aus der Welt zu schaffen. Dieser Erfolg gelingt ihm allerdings nicht.

Nun ist es an Robert Walton, Victors Warnung und Lehre zu akzeptieren oder abzulehnen. Die Entscheidung ist, genau wie Victor sagte, eine über Leben und Tod. Denn wenn Walton weitersegeln lässt, dann wird sein Schiff garantiert ein Opfer des Packeises und einfach wie eine Nussschale zerquetscht. Kapitän und Steuermann warnen ihn eindringlich vor dieser Gefahr. Walton willigt ein umzukehren.

Doch vor der Rückkehr in die Zivilisation übergibt er Frankensteins Leichnam dessen Geschöpf, das schon darauf wartet, um ihn zu bestatten. Mir gehen die letzten Worte des Geschöpfes nicht mehr aus dem Sinn: „Auch ich habe eine Seele! Einst war sie unschuldig und voller Hoffnung.“ Genau wie die eines jeden Kindes …

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Dies ist nicht nur Kino für die Ohren, sondern auch noch Hollywoodkino. Denn hier sprechen nicht irgendwelche Sprecher, sondern die deutschen Stimmen bekannter Stars aus der amerikanischen, englischen und französischen Filmgeschichte. Dass diese Profis eine solide Performance abliefern, versteht sich fast von selbst, und der Hörer kann entsprechend zufrieden sein.

Solche geübten und prestigeträchtigen Sprecher und Sprecherinnen einzusetzen, gehört zum Marketing von Marc Gruppe bzw. |Titania Medien|. Hinzu kommen jeweils traditionsreiche Schauergeschichten, die den nötigen emotionalen Rahmen für die Entfaltung solcher Stimmtalente liefern. Zu Anfang waren es eher unbekannte Geschichte wie etwa Launs „Totenbraut“, doch mittlerweile wagt sich Marc Gruppe an die Klassiker heran. Nach den Weihnachtsstandards von Charles Dickens’ Scrooge und Burnetts „kleinem Lord“ nimmt sich der Produzent zentraler Stoffe an. „Frankenstein“ macht den Anfang, dann folgt im April 2007 „Dracula“.

Dramaturgische Schwächen gibt es in diesem zweiten Teilen eigentlich nicht, wenn man davon absieht, dass es meist doch recht ruhig zugeht. Aber die Ruhe täuscht: Drei der Figuren finden hier einen vorzeitigen Tod, und bekanntlich geht es Victor selbst auch nicht so gut. Mit ihm kehrt die Rahmenhandlung zurück und findet ein mehr oder weniger befriedigendes Ende. Anders als in vielen Verfilmungen ist es nicht das „Monster“, das hier den Tod findet, sondern sein Schöpfer.

|Musik und Geräusche|

Die Geräusche sind genau die gleichen, wie man sie in einem realistischen Spielfilm erwarten würde, allerdings ist die Geräuschkulisse im zweiten Teil eine ganz andere als im ersten Teil. Auf dem Gletscher, wo Victor sein Geschöpf trifft, pfeift ein eisiger Wind um Eis und Höhle, und am Schluss herrscht ebenfalls wieder Kälte. Dazwischen nur wenige Momente der Unbeschwertheit, nämlich an Victor Hochzeitsabend. Recht eindrucksvoll gestaltet ist Victors Besuch bei der unschuldig verurteilten Jugendfreundin Justine Moritz: Das Wasser tropft von den Wänden ihrer Kerkerzelle, und ihre Stimme hallt von den kahlen Wänden wider. Am nächsten Morgen erleben wir ihre Hinrichtung durch das Henkersbeil nur indirekt mit: in der klassischen Mauerschau der antiken Bühnenstücke.

Die Musik gibt sehr genau die vorherrschende Stimmung einer Szene wieder. So ist etwa die Auferstehungsszene höchst dramatisch inszeniert, so dass sie an die beekannten B-Movies der dreißiger, als der erste „Frankenstein“-Film entstand, und sechziger Jahre erinnert, als Roger Corman die Stoffe Edgar Allan Poes so trefflich in Szene zu setzen wusste. Musik, Geräusche und Stimmen wurden so fein aufeinander abgestimmt, dass sie zu einer Einheit verschmelzen. Dabei stehen die Dialoge natürlich immer im Vordergrund, damit der Hörer jede Silbe genau hören kann.

|Das Booklet|

… enthält im Innenteil lediglich Werbung für das Programm von |Titania Medien|. Auf der letzten Seite finden sich die Informationen, die ich oben aufgeführt habe, also über die Sprecher und die Macher.

_Unterm Strich_

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und Stimmen von Hollywoodstars einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen. Lesern, die sich nie für das Original des „Frankenstein“ interessiert haben, könnten hier endlich einen Zugang finden, der sie unterhält statt sie schulmeisterlich zu langweilen. Der Verlag empfiehlt sein Werk ab 14 Jahren.

|Originaltitel: Frankenstein or The Modern Prometheus, 1818
75 Minuten auf 1 CD|

Home – Atmosphärische Hörspiele


http://www.luebbe-audio.de

_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)

Shelley, Mary / Gruppe, Marc – Frankenstein. Teil 1 von 2 (Gruselkabinett 12)

Eindrucksvoll: Schauerroman mit Hollywoodstimmen

Ingolstadt 1811: Dem jungen Studenten Victor Frankenstein genügen die Erkenntnisse der herkömmlichen Wissenschaft nicht mehr. Er wagt sich an vermessene Forschungen über das Geheimnis der Schöpfung. Aus Leichenteilen flickt er in seinem Laboratorium ein Geschöpf von beträchtlicher Größe und abstoßender Hässlichkeit zusammen. In einer düsteren Novembernacht gelingt es Frankenstein schließlich, dem Wesen Leben einzuhauchen …

Vom Verlag wird das Hörbuch empfohlen für Hörer ab 14 Jahren.
Shelley, Mary / Gruppe, Marc – Frankenstein. Teil 1 von 2 (Gruselkabinett 12) weiterlesen

Bulwer-Lytton, Edward / Gruppe, Marc – verfluchte Haus, Das (Gruselkabinett 6)

_Schaurig-romantisches Geister-Hörspiel_

London, 1865: Daniel Douglas ist vom Wunsch besessen, einmal eine Nacht in einem Spukhaus zu verbringen. Durch seinen Freund Timothy Collins erfährt er von einem wohl mehr als geeigneten Objekt: In dem offenbar verfluchten Haus in der Oxford Street hat es Timothy nur wenige Tage ausgehalten.

Seit Jahren blieb dort kein Mieter länger als ein paar Tage. Doch der zynische Geisterjäger Daniel glaubt nicht an Gespenster und beschließt, dennoch die Nacht dort zu verbringen, begleitet nur von seinem unerschrockenen Diener Edward und seinem Terrier Mermaid.

Zusammen kommen sie einer Tragödie und einem doppelten Verbrechen auf die Spur, was ihr Nervenkostüm bis zum Äußersten strapaziert, wenn nicht sogar überfordert …

_Der Autor_

Edward George Bulwer-Lytton, 1803-73, war ein adliger Londoner, dessen politische Karriere ihn ins House of Lords brachte., das parlamentarische Oberhaus. Als Autor wurde er vor allem durch das verfilmte „Die letzten Tage von Pompeji“ (1834) bekannt. Aber er verfasste auch einige interessante SF-Romane, darunter die reaktionäre Utopie „The Coming Race“ (1879, dt. als „Geschlecht der Zukunft“, bei |dtv|) und „The Haunted and the Haunters“ (1905).

_Die Sprecher & Macher_

Der besondere Reiz der Schauerromantikreihe bei [Titania Medien]http://www.titania-medien.de/ liegt darin, dass hier vor allem Sprecher zum Einsatz kommen, die wir mit bekannten Hollywoodstimmen verbinden. So tritt beispielsweise Claus Wilcke auf, dessen Stimme bei uns Alain Delon und Omar Sharif synchronisiert. Er selbst trat in der 70er-Detektiv-Reihe „Percy Stuart“ auf, die ich immer recht witzig fand, weil die Sprüche der Hauptfigur so cool waren.

William Jacobs, Vermieter: Claus Wilcke (s. o.)
Daniel Douglas: Patrick Winczewski (Hugh Grant)
Timothy Collins: Torsten Michaelis (diverse Stimmen, darunter Wesley Snipes)
Marian Wilcox: Dagmar Altrichter (Elizabeth Taylor)
Florence: Evelyn Maron (Ornella Muti)
Und sechs weitere Sprecher.

Das Skript für das Hörspiel stammt wie in der ganzen Reihe von Marc Gruppe. Zusammen mit Stephan Bosenius führte er auch Regie und produzierte das Hörbuch. Der gute Sound stammt von AudioCue & Kazuya und wurde von Kazuya c/o Bionic Beats abgemischt.

_Handlung_

Als der Ich-Erzähler Daniel Douglas seinen Freund Timothy Collins im Klub besucht, erschrickt er über dessen abgezehrtes Aussehen. Der Gute ist offenbar völlig mit den Nerven fertig. Die Rede kommt auf das Londoner Modethema Esoterik und Spuk. Oh, Tim weiß ganz genau, dass es Häuser gibt, in denen es spukt: Er war selbst in einem und sieht deshalb so fertig aus. Er hatte es vor sechs Wochen mit seiner Frau gemietet und hielt es dort nur drei Tage aus. Daniel, der Geisterjäger, ist trotz Timothys ernster Warnung sofort interessiert, in dem „verfluchten Haus“ in der Oxford Street seine Standfestigkeit auf die Probe zu stellen.

Er bietet dem derzeitigen Verwalter William Jacobs an, das Haus zu „untersuchen“. Dafür verlangt Jacobs kein Geld, denn Daniel täte ihm einen Gefallen, könnte er den Spuk dort aufklären, wenn nicht sogar vertreiben. Die vorherige Hausverwalterin Mrs. Wilcox ist leider keine Hilfe, denn sie verstarb drei Wochen zuvor. Schon 35 Jahre besteht der Spuk, Jacobs selbst hielt es dort nur drei Stunden aus.

Das wird ja immer besser! Tatendurstig zieht Daniel mit seinem unerschrockenen Diener Edward und seinem Terrierweibchen Mermaid ein. Es dauert nicht lange, und trotz des prasselnden Kaminfeuers laufen den Besuchern kalte Schauer über den Rücken. Ein Luftzug, Schritte, ein kindliches Flehen: „Helft mir!“ Der Hund führt zur richtigen Tür im Keller. Sie öffnet sich zu einem rundum von hohen Mauern umgebenen Hinterhof. Daniel sieht, wie Fußabdrücke auf ihn zukommen, ihn passieren und im Nichts verschwinden. Im Wohnzimmer huscht ein Gespenst vorbei, das mit Frauenstimme „Elliott!“ ruft.

Soso: ein Junge namens Elliott und eine Frau – vielleicht Mrs. Wilcox selig? Hinauf geht’s in jenes ominöse Zimmer, von dem ihm Timothy erzählt hat. Und in der Tat ist es dort am grausigsten. Der Raum ist eiskalt, mal verschlossen, mal nicht, das Zimmer liegt direkt über dem Hinterhof, und die Stimmen von Elliott und Mrs. Wilcox sind zu hören. Etwas Schreckliches hat sich hier zugetragen. Unterm Dachboden entdeckt er endlich Mrs. Wilcox’ Mansardenzimmer und findet dort zwei alte Briefe.

Das hätte er aber bleiben lassen sollen, denn ein dritter Unsichtbarer von gewalttätiger Natur will die Briefe unbedingt zurückhaben und versetzt Daniel mit seiner eiskalten Hand in Angst und Schrecken. Doch er widersteht dem ersten Angriff und gelangt so in den Besitz der Kenntnis über eines der grausamen Verbrechen, deren Geheimnis im verfluchten Haus gehütet wird.

Dies ist erst der Anfang, und bevor der Spuk vorüber ist, muss Daniel mit Edward noch so manche Probe bestehen. Denn auf dem Haus lastet seit seiner Erbauung vor 80 Jahren ein Fluch – und somit auf allen seinen Bewohnern, ob lebendig oder tot …

_Mein Eindruck_

Die Erzählung ist spannend wie eine Detektivgeschichte, in der die Wahrheit ebenfalls erst durch hartnäckige Ermittlungen ans Tageslicht befördert werden muss. Und doch folgt sie auch den Gesetzen der Horrorgeschichte, in der in der Regel ein uralter Fluch aufgehoben werden muss, um die Welt von einem alten Übel zu befreien, das immer neue Opfer fordert.

Am interessantesten ist dabei stets die Figur des Geisterjägers, der die Aufgabe hat oder übernimmt, die Welt zu erlösen. Mit welchen Überzeugungen und Mitteln wird er (oder seltener sie) ans Werk gehen? Wird er auf die höheren Mächte des Guten vertrauen? Oder vermag er ganz aus eigener Rationalität heraus den Kampf mit dem Bösen aufzunehmen? Braucht er dazu nicht ebenfalls irgendeine Art von Glauben, an den er sich klammern kann? Genauso wie sich die Zeiten ändern, so auch die Geisterjäger. Durch sie als Stellvertreter stellt der Autor die eigene Zeit auf den Prüfstand: Wird sie dem Bösen standhalten und es vielleicht sogar beseitigen?

Zweifel sind von vornherein bei Daniel Douglas angebracht. Zu selbstsicher erscheint uns seine zynische Manier. Und da er die Geschichte seiner Heldentaten selbst erzählt, können wir seinem Bericht vielleicht nicht einmal trauen. Wenigstens heißt der Autor nicht Henry James, denn sonst hätten wir es von vornherein mit einem „unzuverlässigen Chronisten“ zu tun.

Doch Daniel können wir trauen, selbst wenn er in seinem Bericht schließlich doch gesteht, tatsächlich Angst gehabt zu haben. Schließlich besteht er ja auch nicht aus Eis, wenn er auch ein hartgesottener Zyniker zu sein scheint. Seine Neugier und das Mitgefühl mit dem Jungen Elliott bringt ihn dazu, nach dem Schlüssel zu suchen, wie er den Geist des armen Jungen erlösen kann. Das ist aber nur die erste Phase. Wie Dante, so muss auch Daniel in den untersten Kreis der Hölle, um den Fluch aufzuheben. Solch einen Geisterjäger loben wir uns, auch wenn wir mit Indiana Jones viel mehr Spaß hätten.

Immer wieder gelingt es dem Autor, eine konkrete Szene aufzubauen und wie einen Film ablaufen zu lassen. Das mutet uns recht modern an und ist vielleicht auf den Einfluss des immens erfolgreichen Charles Dickens zurückzuführen, dem es ja auch immer gelang, in seinen Zeitungsromanen den Leser durch emotionale Szenen zu fesseln. (Vielleicht liegt es aber am dramaturgischen Geschick von Marc Gruppe.) Die Kette der Szenen dient dazu, die Geheimnisse des verfluchten Hauses zu lüften, bis in einem packenden Finale der Urheber des Fluches, den wir aus dem Prolog kennen, dorthin zurückgeschickt wird, wo er hingehört.

|Die Sprecher|

Die Macher dieser Hörspiele suchen ihren Vorteil im zunehmend schärfer werdenden Wettbewerb der Hörbuchproduktionen offensichtlich darin, dass sie dem Zuhörer nicht nur spannende Gruselunterhaltung bieten, sondern ihm dabei auch noch das Gefühl geben, in einem Film voller Hollywoodstars zu sitzen. Allerdings darf sich niemand auf vergangenen Lorbeeren ausruhen: bloßes Namedropping zieht nicht, und So-tun-als-ob ebenfalls nicht.

Die Sprecher, die vom Starruhm der synchronisierten Vorbilder zehren, müssen selbst ebenfalls ihre erworbenen Sprechfähigkeiten in die Waagschale werfen. Zum Glück machen sie dies in hervorragender und glaubwürdiger Weise. Statt gewisse Anfänger zu engagieren, die mangels Erfahrung bei den zahlreichen emotionalen Szenen unter- oder übertreiben könnten, beruht der Erfolg dieser Hörspielreihe ganz wesentlich darauf, dass hier zumeist langjährige Profis mit schlafwandlerischer Sicherheit ihre Sätze vorzutragen wissen. (Wir wissen allerdings nicht, welche Pannen ihnen dabei unterlaufen sind. Fest steht aber, dass keine Pannen oder Fehler zu hören sind.)

|Musik und Geräusche|

Schauerromantik lebt von den entsprechenden Emotionen, die von ausgefallenen Szenen, die über die übliche Realität hinausweisen, hervorgerufen werden. Es ist die Qualität dieser Emotionen, die unser Erleben, unsere „Unterhaltung“ ausmacht. Während die Geräusche für einen gewissen Realismus in der Präsentation der Handlung sorgen, ist es hingegen die filmische Musik, die die Emotionen direkt steuert.

Das Hörspiel hebt sich von der Konkurrenz darin ab, dass sich die Musik ziemlich zurückhält. Das bedeutet, dass es keine längeren Pausenfüller gibt, in denen bombastische Klänge so tun, als gäbe es etwas Aufregendes zu bewundern. Fehlanzeige. Gut so. Aber auch bei hochdramatischen Szenen wie etwa dem Angriff des Unsichtbaren auf unseren Helden, tritt die Musik nicht unbedingt in den Vordergrund, denn das würde auch stören. Wie man sieht, ist auch der Einsatz von Musik eine Frage der Dosierung. Dieses Hörspiel bietet genau die richtige Dosis.

_Unterm Strich_

„Das verfluchte Haus“ bietet eine Geschichte, die sich ausgezeichnet für diese Hörspiel-Reihe eignet – zumindest in der von Marc Gruppe redigierten Fassung. Die Originalerzählung, die mir leider nicht bekannt ist, könnte ganz anders aussehen. Der Geisterjäger jedenfalls mutet uns ziemlich modern an: unerschrocken, rational, zynisch, dann aber wieder mit einem sympathischen Eifer, wenn es um das Seelenheil des Geisterjungen geht. Dabei hat er aber wenig mit dem jugendlichen Übermut eines (jungen!) Indiana Jones gemeinsam, sondern wandelt vielmehr in den Fußstapfen eines Sherlock Holmes – obwohl dieser, als die Story entstand, noch gar nicht erfunden worden war.

Das Hörspiel bietet wie ein Gruselfilm eine sich steigernde Abfolge horrormäßiger Szenen. Dabei kann es mitunter recht handgreiflich zugehen, was die Action angeht. Daher ist die Produktion von ihren Machern erst ab 14 Jahren empfohlen. Für die Game-Junkies dürfte das wenig abschreckend erscheinen. Sie sind meist schon an eine härtere Dosis Gewalt gewöhnt.

|1 CD, ca. 63 Minuten|

_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)

Stevenson, Robert Louis / Gruppe, Marc / Bosenius, Stephan – Leichendieb, Der (Gruselkabinett 27)

_Unheimlich: Jede Menge Leichen im Keller_

Edinburgh 1829: Der Handel mit Leichen für anatomische Forschungszwecke ist in England im frühen 19. Jahrhundert ein blühendes und grausiges Gewerbe. Aber sind es wirklich ausschließlich auf den Friedhöfen ausgegrabene Leichen? Oder handeln korrupte Leichendiebe am Ende auch mit nur zu diesem speziellen Zweck zum Tode gebrachten Körpern …?

_Der Autor_

Die Geschichte von Robert Louis Stevenson (1850-1894), dem unsterblichen Autor des Abenteuerromans „Die Schatzinsel“ und Erfinder von [„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“, 2349 beruht auf Tatsachen. Die erwähnten Namen gab es wirklich. Ich habe selbst auf einer Touristenführung in Edinburgh die Geschichte von den Leichendieben – den „body snatchers“ – erzählt bekommen.

_Die Inszenierung_

|Die Rollen und ihre Sprecher:|

Fettes: Michael Pan (Martin Short, Brent ‚Data‘ Spiner)
Dr. Macfarlane: Torsten Michaelis (Wesley Snipes)
Prof. Knox: Hans-Werner Bussinger (Michael Ironside, Jon Voight)
Skinner: Andreas Mannkopff (John Candy)
Jane Galbraith: Melanie Hinze (Jennifer Love Hewitt in „Ghost Whisperer“, Morena Baccarin)
Gray: Wilfried Herbst (Rowan Atkinson in „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“)
Robert: David Turba (Shia LeBeouf, Zac Efron in „Hairspray“)
Dick, Wirt: Ernst Meincke (Patrick Stewart)
Alfred, Totengräber: Frank Schaff (Ethan Hawke, Joseph Fiennes)

Marc Gruppe schrieb wie stets das Buch und gemeinsam mit Stephan Bosenius setzte er es um. Die Aufnahme fand in den |Planet Earth Studios| und bei |Kazuya c/o Bionic Beats| statt. Die Illustration stammt von Firuz Askin.

_Handlung_

|PROLOG.| Im sonst so freundlichen Debenham des Jahres 1849 weht zurzeit ein stürmischer, kalter Winterwind. Doch drinnen in der Kneipe |The George| sitzen die Gäste gemütlich bei einem Gläschen Rum. Robert, der Kleine (unser erster Erzähler), und Alfred, der Totengräber, sitzen mit Dick, dem Wirt, beisammen, um der schaurigen Geschichte zu lauschen, die der etwa vierzig Jahre alte Fettes erzählt.

Sie nennen ihn alle den „Doktor“, denn er scheint medizinische Vorkenntnisse zu haben. Und als ein gewisser Dr. Macfarlane nach einem verunglückten Mann in den Zimmern des Gasthauses schaut, regt sich der sonst so phlegmatische und melancholische Fettes unglaublich über diesen Dr. Macfarlane auf. Um seine Aufregung und seinen Hass auf diesen Mediziner zu erklären, erzählt ihnen Fettes die Geschichte vom Leichendieb.

|Edinburgh 1829.|

Fettes ist ein Medizinstudent im zweiten Jahr, als er in einer netten Kneipe Edinburghs Dr. Macfarlane kennenlernt, der schon einen Abschluss hat und der Assistent des berühmten Anatomieprofessors Knox ist. Macfarlane bietet ihm einen Job bei Knox an. Fettes ist ehrgeizig, intelligent und will es weit bringen, daher sagt er, dass er zu allem bereit sei.

Wie sich herausstellt, kann er sofort anfangen, bekommt einen guten Lohn, muss aber ein paar Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen. So etwa muss er Nachtdienst versehen und in einem Zimmer über dem Seziersaal logieren. Der Job besteht einfach darin, Leichen an einer Seitentür in Empfang zu nehmen, in ein Buch einzutragen und den Lieferanten auszuzahlen. Das findet Fettes ungewöhnlich, denn laut Gesetz dürfen ausschließlich Hingerichtete als Leichen zu Anatomiezwecken herangezogen werden. Doch Knox‘ Leichen sind etwas völlig anderes. Knox sagt, sie kämen von allen möglichen, ähem, „Fundorten“. Deshalb werden die Händler, die sie liefern, mit stattlichen 20 Pfund bezahlt. Fettes schwört Verschwiegenheit.

Von seinem ersten Lohn feiert Fettes ordentlich mit den „Ladys“ der Stadt, und die hübsche Jane Galbraith wird seine Favoritin. Um sich interessant zu machen, erzählt er ihr von seinem Schlüsselbund, der ihm Zutritt zum Seziersaal der Uni verschaffe. Jane hat damit kein Problem: Wäre dieser Seziersaal nicht ein guter Ort, um sich Fettes‘ hartnäckigen Problems in seiner Hose anzunehmen?

Der Leichenhändler, der am häufigsten an der Seitentür pocht, ist Skinner, etwa um die 50, und mit einer fiesen Lache ausgestattet. Er raubt die Leichen, die er anbringt, zuvor aus, und bei Frauen schneidet er sogar das Haar ab, um es an Perückenmacher zu verscherbeln. So auch bei der Frauenleiche, die er im kalten November anschleppt. Zu seinem Entsetzen stellt Fettes fest, dass es seine käufliche Freundin Jane ist, mit der noch am Abend zuvor zusammen war.

Fettes wendet sich an Macfarlane. Dem ist klar, dass Jane erdrosselt wurde. Nun ja, nicht gerade ein spektakulärer Sonderfall. Mit massiven Drohungen bringt er Fettes dazu, die Klappe zu halten. Doch in seinen Träumen sucht ihn Jane immer noch heim.

Weil Fettes Skinner verschreckt hat, verdonnert Professor Knox seine beiden Assistenten dazu, selbst eine frische Leiche zu besorgen. In Glencorse sei eine 60 Jahre alte Bauersfrau bestattet worden. Sie sollen sie aus dem frischen Grab holen, bevor ihnen andere Leichenlieferanten zuvorkommen, also dalli!

Doch dieser Auftrag stellt sich als eine Mission des Grauens heraus. Denn auch Macfarlane hat eine Nemesis, die ihm und Fettes nun einiges Ungemach bereitet …

_Mein Eindruck_

Robert Louis Stevenson griff in seinen Erzählungen und Romanen mehrfach das tatsächliche Leben in seiner Heimatstadt Edinburgh und ihrer Highland-Umgebung auf. Einmal berichtete er vom Doppelleben eines Bürgers namens Brodie, der ein Vorbild für den ehrbaren Dr. Jekyll und den anarchischen Mr. Hyde lieferte.

Auch die Leichenräuber gab es wirklich. Da die Anatomie der medizinischen Fakultät zu Lehrzwecken ständig frische Leichen benötigte, gingen die ursprünglichen Gasthausbetreiber Burke & Co. (sie werden im Text erwähnt) dazu über, nicht mehr auf das Ableben ihrer gesundheitlich angeschlagenen Gäste zu warten, sondern ihnen aktive „Sterbehilfe“ zu leisten. Als auch dies den Bedarf der Ärzte nicht mehr decken konnte oder weil Burke & Co. zu gierig wurden, mussten zunehmend auch Prostituierte und Landstreicher etc. dran glauben, ein grausiges Vorbild für Jack the Ripper (1888). Wie im Text erwähnt, wurde Burke wegen 17 Morden zum Tode durch den Strang verurteilt – und landete prompt im Seziersaal.

Wie Fettes im Epilog anmerkt, wurde wegen dieser Unsitten im Jahr 1832 das Gesetz geändert. Es trocknete die Einnahmequelle der Leichenräuber aus. Denn die Angehörigen beliebiger Verstorbener durften nun die Leiche der Medizin vermachen, wodurch der Nachschub endlich auf legale Weise gesichert war.

Doch das Gesetz hilft unserem bedauernswerten Antihelden Fettes in keiner Weise. In den schlaflosen Nächten suchen ihn Albträume von Jane Galbraith und jener entsetzlichen letzten Mission nach Glencorse heim. Und darin erklingt stets das unheimliche und gehässige Lachen von Macfarlanes Erpresser namens Gray. Welche Rolle dieser Gray in Macfarlanes Vorleben gespielt haben muss, lässt sich unschwer rekonstruieren. Die beiden müssen Komplizen beim Leichenraub gewesen sein. Diese Mitwisserschaft ist es, die Macfarlane zum Opfer für Grays Erpressung macht. Natürlich landet auch Gray früher oder später auf Macfarlanes Seziertisch. Doch das ist leider nicht sein Ende.

Auf dem Rückweg von Glencorse nach Edinburgh ist es also nicht genug, eine frische Leiche in der Kutsche spazierenzufahren, sondern Macfarlane und Fettes erleben eine grausige Geistererscheinung. Der Geist, so würde ich es deuten, personifiziert ihr schlechtes Gewissen dafür, dass sie ihr moralisches Empfinden völlig unterdrückt haben. Die ganze Geschichte dreht sich letzten Endes darum, dass sich Fettes für sein Gewissen und gegen die skrupellosen Machenschaften in der damaligen Medizin entschieden hat, mithin also für Armut statt Reichtum. Dafür wird er von Robert, Dick und Alfred mit einer Lokalrunde belohnt.

_Die Inszenierung_

|Atmosphäre & Sprecher|

Es gibt drei Stimmungsebenen in diesem Hörspiel. Die erste ist die von Pro- und Epilog und hat ihren Schauplatz im Gasthaus |The George|. Die Stimmung ist relativ freundlich, doch bei Fettes kippt sie in Furcht und Verzweiflung um, die sich auf seine Erlebnisse in Edinburgh bezieht. Die Stimmen der Sprecher sind ziemlich normal, doch die von Michael Pan als Fettes ragt bei weitem heraus. Pan ist sehr eindrucksvoll, nicht nur in seinem intensiven Ausdruck, sondern auch aufgrund seiner Flexibilität.

Denn im heiteren Teil der Edinburgh-Backstory gibt er den Fettes als ganz normal vergnügungssüchtigen und etwas zu ehrgeizigen Studenten. Fettes ist den Freuden geistiger Getränke ebenso wenig abgeneigt wie denen fleischlicher Gelüste. Dieser freundlichen Tageszeit Edinburghs steht die düstere, weil kriminelle Nachtseite von Fettes‘ Geschäften mit Leichen gegenüber. Pocht einmal ein Leichenhändler wie Skinner (wörtlich: der Häuter oder Abdecker) an die Seitentür, so klingt es, als würde das Verhängnis persönlich Einlass begehren.

Zu dieser düsteren Seite kommt in der Exkursion nach Glencourse noch das unheimliche und groteske Element hinzu. Hat die Handlung schon zunehmend Fahrt aufgenommen und an Dramatik gewonnen, so überschlagen sich nun die Ereignisse, bis die Kutsche sozusagen aus der Kurve fliegt. Erst im Epilog beruhigt sich die Stimmung wieder – siehe oben.

Prof. Knox wird von Hans-Werner Bussinger mit dessen üblicher Autorität des Älteren und Mächtigeren dargestellt, und dass Fettes klein beigibt, erscheint plausibel. Trotz seiner Gewissensbisse will er es doch in seinem Studium noch weit bringen. Nur Skinner kann ihm hinsichtlich Alter und Grausamkeit das Wasser reichen. Andreas Mannkopff spielt ihn mit Gusto als |dirty old man|, der noch Mackie Messer in den Schatten stellen würde.

Macfarlane, gesprochen von Torsten Michaelis, hingegen ist nicht nur ein gewissenloser Karrierist, sondern zudem ein intelligenter Fallensteller und Erfinder von Ausreden. Er schreckt vor massiven Drohungen nicht zurück. Wir erleben Macfarlane nur einmal kleinlaut, und zwar dann, als Gray sich über ihn lustig macht und ihn demütigt. Man kann sich lebhaft vorstellen, welche Lust es Wilfried Herbst bereitet haben muss, die Sau rauszulassen und den |imp of the perverse|, den Dämon der Perversion und Schadenfreude, zu spielen! Sein fieses Lachen verfolgt die armen Leichenräuber noch bis in ihre Träume. Man kann dies aber auch als übertrieben ansehen. Jedenfalls ist Herbsts Darstellung hart an der Grenze des Erträglichen – und jenseits des guten Geschmacks sowieso.

Melanie Hinze spricht als Jane Galbraith die einzige weibliche Rolle des Stücks. Sie ist die deutsche Stimmbandvertretung von Jennifer Love Hewitt, die in „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“ eine der Hauptrollen spielte. Ihre Stimme ist nicht die einer abgetakelten Hure, die auf dem letzten, ähem, Loch pfeift, sondern eher die einer guten Freundin, wie sie sich jeder junge Mann wie Fettes wünschen würde.

|Musik und Geräusche|

Die Geräusche sind genau die gleichen, wie man sie in einem realistischen Spielfilm erwarten würde, und die Geräuschkulisse wird in manchen Szenen dicht und realistisch aufgebaut. Besonders der Prolog und die Exkursion auf den Friedhof von Glencorse sind so dicht und effektreich inszeniert, dass es für jeden Gruselfreund eine Freude sein dürfte. Unheimlich gut fand ich auch das Pochen an der Seitentür. Durch das Unterlegen mit Hall klingt es wie das Nahen des Schicksals, das bei Fettes Einlass begehrt.

Die Musik gibt sehr genau die vorherrschende Stimmung einer Szene wieder und ist mit klassischem Instrumentarium produziert – keine Synthesizer für klassische Stoffe! Allenfalls ein paar Soundeffekte verursachen dem Hörer Gänsehaut. Die Musik steuert nicht nur die Emotionen des Publikums auf subtile Weise, sondern bestreitet auch die Pausen zwischen den einzelnen Akten. Dann stimmt sie das Publikum auf die „Tonart“ des nächsten Aktes ein.

Die heiteren Szenen aus Edinburgh sind mit fröhlichen Stimmen und Gelächter ebenso unterlegt wie mit dem Spiel einer fröhlichen Jahrmarktsmusik. Sie erinnert an eine Spieluhr, die eine romantische Melodie erklingen lässt. Die Hintergrundmusik entspricht dem 19. Jahrhundert, wirkte aber manchmal unpassend und irrelevant, als habe sie nichts mit der Handlung zu tun. Hin und wieder konterkariert ein düsterer oder dramatischer Akkord den heiteren Anschein. Die Musik kann im letzten Akt der Binnenhandlung richtig loslegen, mit Tempo und Dramatik.

Musik, Geräusche und Stimmen wurde so fein aufeinander abgestimmt, dass sie zu einer Einheit verschmelzen. Dabei stehen die Dialoge natürlich immer im Vordergrund, damit der Hörer jede Silbe genau hören kann. An keiner Stelle wird der Dialog irgendwie verdeckt.

|Das Booklet|

… enthält im Innenteil lediglich Werbung für das Programm von |Titania Medien|. Auf der letzten Seite finden sich die Informationen, die ich oben aufgeführt habe, also über die Sprecher und die Macher. Die Titelillustration von Firuz Akin auf dem Schubereinband fand ich wieder einmal sehr passend und suggestiv. Allerdings frage ich mich, ob die Schaufel des linken Gräbers nicht gleich das Bein des rechten Gräbers treffen wird. Der Verlag empfiehlt sein Werk ab 14 Jahren.

Diesmal sind in einem zusätzlichen Katalog Hinweise auf die nächsten Hörspiele zu finden:

Nr. 26: Theophile Gaultier: Die liebende Tote.
Nr. 27: Robert Louis Stevenson: Der Leichendieb (nach historischen Tatsachen).
Nr. 28 + 29: Victor Hugo: Der Glöckner von Notre-Dame (2 CDs, Herbst 2008)
Nr. 30: J. W. Polidori: Der Vampyr
Nr. 31: Rudyard Kipling: Die Gespenster-Rikscha
Nr. 32 + 33: Die Jagd der Vampire (2 CDs, ohne Autorenangabe)

_Unterm Strich_

Viele gute Schauererzählungen sind eine Kombination aus Mystik, Grusel und Verbrechen, so etwa „Das Phantom der Oper“ oder [„Der Fall Charles Dexter Ward“. 4851 Am langweiligsten sind diejenigen, die nur aus Verbrechen bestehen und daher den Schauer des Entsetzens nicht ins Metaphysische steigern. Stevensons Erzählung gelingt es, sowohl das Verbrechen anschaulich zu schildern und zu begründen, als auch die metaphysische Dimension einzubauen. Diese ist lediglich eine Manifestation der Psychologie der Protagonisten, insbesondere die ihres schlechten Gewissens. Der Geist von Gray wird nie rational erklärt – wozu auch? Es ist doch jedem Hörer klar, dass den Leichendieben die Stunde ebenso schlägt wie das Gewissen.

Die drei Abschnitte des Hörspiels sind räumlich und zeitlich klar voneinander getrennt, so dass keine Verwirrung aufkommen kann, was nun wohin gehört. Das Personal sorgt für gehörig Abwechslung, aber auch für die Kontinuität, die nötig ist, um das Verhalten von Fettes und Macfarlane zu erklären. Bis zum Schluss bleibt es ziemlich spannend, wie ihr Ausflug nach Glencorse ausgeht. Denn es muss die Erklärung folgen, warum Fettes noch 20 Jahre nach den von ihm geschilderten Ereignissen Albträume hat. Und warum Macfarlane immer noch so schlecht angesehen ist, dass er sich gleich nach dieser Nacht in Debenham aus dem Staub macht.

|Das Hörspiel|

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und Stimmen von Hollywoodstars einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen. Besonders gelungen fand ich einige Soundeffekte wie etwa das unheimliche Pochen an der Tür zum Seziersaal, aber auch die heitere-romantische Musik zum Auftakt des Edinburgh-Teils. Herausragende Sprecher sind Andreas Mannkopff als Skinner und Wilfried Herbst als der durchgeknallte Mr. Gray. Deren Darstellung ist aber schon hart an der Grenze zur Karikatur und vielleicht nicht jedermanns Geschmack (von gutem Geschmack ganz zu schweigen).

Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für gruselige Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert und die Stimmen der Hollywoodstars vermitteln das richtige Kino-Feeling. Wer jedoch mit Melodramatik absolut nichts am Hut hat, sich aber trotzdem zünftig gruseln will, der sollte zu härterer Kost greifen.

Fazit: Wieder ein Volltreffer von |Titania Medien|.

|Originaltitel: The Body Snatcher, 1884
Aus dem Englischen übersetzt von Harry Rowohlt
68 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3579-4|

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_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)

Stoker, Bram / Gruppe, Marc – Amulett der Mumie, Das (Gruselkabinett 2)

_Mystisch: Das Juwel der sieben Sterne_

London 1904: Abel Trelawny fällt in seinem mit Pharaonenschätzen bestückten Haus in ein mysteriöses Koma. Seine Tochter Margaret und sein junger Anwalt sind ratlos. Eigenartigerweise hat Trelawny offenbar mit einem solchen Vorfall gerechnet und entsprechende Verfügungen hinterlassen.

Es scheint ein unheimlicher Zusammenhang mit Tera, einer magiekundigen Pharaonin, zu bestehen. Teras Mumien-Sarkophag hatte Trelawny just in dem Augenblick entdeckt, als seine Frau während der Geburt Margarets in London starb …

_Der Autor_

Bram Stoker ist der Künstlername des irischen Schriftstellers und Theatermanagers Abraham Stoker (1847-1912), dessen wichtigste Karriere mit der des damals berühmten Theaterschauspielers Henry Irving verbunden war, der von 1838 bis 1905 lebte. Stoker begann schon 1872 mit dem Veröffentlichen seiner Erzählungen, was 1897 in der Publikation des Horrorklassikers „Dracula“ gipfelte, der aber 1901 kräftig revidiert wurde. Stoker schrieb noch ein paar weitere unheimliche Romane („The Lair of the White Worm“ wurde erst 1986 vollständig veröffentlicht und prompt verfilmt) und etliche Erzählungen.

|Bram Stoker bei Buchwurm.info|:

[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16 – 19)
[„Das Schloss der Schlange“ 2987
[„Draculas Gast“ 1086
[„Dracula“ 622 (Hörspiel 2004)
[„Dracula“ 210 (Buch)

_Die Sprecher / Die Inszenierung_

Die Rollen und ihre Sprecher:

Malcom Ross, Anwalt: Herbert Schäfer
Abel Trelawny, Archäologe: Christian Rode (Christopher Plummer, Michael Caine, Telly „Kojak“ Savalas)
Margaret, seine Tochter: Janina Sachau (Max-Ophüls-Preisträgerin)
Mrs. Grant, seine Haushälterin: Dagmar von Kurmin
Dr. Eugene Corbeck, Archäologe: Jürg Löw
Dr. Winchester: Lothar Didjurgis
Sgt. Daw: Jens Hajek
Schwester Kennedy: Regina Lemnitz (dt. Stimme von Kathy Bates & Whoopi Goldberg)

Marc Gruppe schrieb wie stets das Buch und gemeinsam mit Stephan Bosenius setzte er es um. Die Aufnahme fand im Studio AudioCue, Rotor Musikproduktion, Scenario Studio und bei Kazuya statt. Die Illustration stammt von Firuz Askin.

_Handlung_

Der Archäologe Abel Trelawney hat sich in sein Arbeitszimmer zurückgezogen und möchte nicht mehr gestört werden, denn ein wichtiger Zeitpunkt nähert sich. Auch das Katzenvieh seiner Tochter Margaret darf sein Heiligtum auf keinen Fall betreten, das mit allen möglichen Raritäten aus dem alten Ägypten vollgestopft ist. Im Zentrum steht der riesige Sarkophag der Königin Tera, inklusive ihrer Mumie. Daneben ist der kleinere Sarkophag eines Tieres aufgestellt, das Tera vielleicht als Schutzgeist im Jenseits betrachtet hat, als sie sich bestatten ließ.

Sobald die Haushälterin Mrs. Grant den Raum verlassen hat, steigt ein merkwürdiger Geruch aus dem Sarkophag auf und eine Stimme ruft Trelawney zu, ihr endlich das Amulett zu geben, damit sie wiederauferstehen kann. „Vollziehe das Ritual“, befiehlt die Stimme. Dann ertönt ein Fauchen, ein Klirren – schließlich Stille …

Der Anwalt Malcolm Ross öffnet morgens um drei Uhr verschlafen seine Wohnungstür, denn das Klopfen will einfach nicht aufhören. Mrs. Grant, die er gut kennt, gibt ihm einen Brief von Margaret Trelawney: Es ist ein Hilferuf! Ross eilt sofort zum Haus des Archäologen, denn für Margaret hat er sehr viel übrig, um nicht zu sagen: Liebe. Margaret ist froh über sein Kommen und duzt ihn verstohlen ebenfalls. Offenbar erwidert sie seine Zuneigung.

Mr. Trelawney liegt in einem Koma, und der herbeigerufene Arzt Dr. Winchester ist sehr besorgt. Diese Kratzspuren am Handgelenk des Patienten hätten zum Verbluten führen können. Daran ist ein Armband befestigt, an dem wiederum ein Schlüssel hängt. Und wie kam es, dass der schwere Körper vom Schreibtisch zum Tresor an der Wand geschleift werden konnte, zu dem der Schlüssel passt? Sergeant Daw von Scotland Daw steht ebenfalls vor einem Rätsel. Die präsentierten Lösungsansätze erscheinen allesamt absurd. Da bringt Mrs. Grant einen Brief Trelawneys, welcher genaue und strenge Anweisungen enthält. Man müsse seinen Körper streng bewachen.

Malcom Ross erklärt sich natürlich gerne bereit, die erste Nachtwache neben dem Patienten zu verbringen und hofft auf Margarets charmante Gesellschaft. Seine Hoffnung wird enttäuscht, als eine Krankenschwester ihren Platz einnimmt, damit die junge Frau schlafen kann. Die Nacht vergeht ereignislos, bis auf die Tatsache, dass die Krankenschwester ebenfalls ins Koma fällt und Ross nur durch die Tatsache vor dem gleichen Schicksal gerettet wird, dass er sich ein Sauerstoffgerät gekauft hat, um wachzubleiben. Margaret ist außer sich: Nennt man das vielleicht aufpassen?! Trelawney wurde ein zweites Mal verwundet und zum Tresor geschleppt. Was mag darin verborgen sein?

Daw, Winchester und Ross wird die Sache allmählich unheimlich. Und ihnen scheint, es gebe nur einen Mensch, der Gelegenheit hatte, die Tat erneut zu begehen: Margaret. Sie wohnt erst seit kurzem im Haus, seit sie das Internat verlassen hat. Ihre Mutter starb bei ihrer Geburt, just als ihr Vater gerade in Ägypten das Grab der Königin Tera entdeckte. Als ob sie ahnte, dass man über sie spricht, tritt die Genannte auch schon ein. Hat sie einen sechsten Sinn entwickelt? Und was haben die Trancezustände zu bedeuten, in die sie immer häufiger verfällt?

Den Schlüssel zum Rätsel scheint endlich die Ankunft von Dr. Eugene Corbeck zu liefern. Er ist sehr aufgeregt, denn ihm wurde etwas Wertvolles gestohlen, das Trelawney unbedingt zum 31. Juli – also heute – haben wollte. Als er den komatösen Kollegen sieht, ist Corbeck erschüttert und beginnt zu erzählen. Daw will wissen, was ihm geraubt wurde. Es waren sieben Leuchten aus dem Grab Teras, und Trelawney braucht sie für das Ritual, mit dem er Tera wieder zum Leben erwecken will. Seine Zuhörer sind nicht nur befremdet, sondern erschüttert. Eine Mumie zum Leben erwecken – geht das überhaupt?

Und ob, antwortet Corbeck, denn Tera war keine gewöhnliche Pharaonin. Weil ihr Vater fürchtete, sie werden einem Putsch der Priester zum Opfer fallen, ließ er sie in schwarzer Magie ausbilden, in der sie sich als Meisterin erwies. Und die Art und Weise, wie sie ihren Tod herbeiführte, lässt durchaus die Hoffnung zu, dass sie mit Hilfe des korrekt ausgeführten Rituals zum Leben erwacht. Allerdings war Tera von den Priestern mit einem Fluch belegt worden. Sie nannten sie „die Namenlose“ …

Da tritt Mrs. Grant ein. Sie hat sieben Leuchten gefunden! Und die Krankenschwester meldet, Trelawny sei wie durch ein Wunder erwacht. Nun kann das Ritual wie geplant stattfinden. Die Frage ist nur: In welcher Gestalt wird die Königin wiederauferstehen? Und wie wird sich der Fluch auswirken, der auf ihr liegt und schon mehrere Opfer gefordert hat?

_Mein Eindruck_

Das alte Ägypten ist seit den Filmen um „Die Mumie“ – das Remake eines Klassikers der Dreißigerjahre – wieder sehr beliebt geworden, und der ägyptischen Altertümerverwaltung unter Dr. Hawass ist die neu erwachte Begeisterung für Pharaonen und Pyramiden sicher nicht unrecht, spült sie doch Scharen von zahlungskräftigen Touristen ins Land, die helfen, ihre Kassen zu füllen.

Dass der Kern der altägyptischen Religion nicht nur mit Jenseitsverehrung, sondern auch mit Magie zu tun haben könnte, ist jedoch wohl eine Erfindung westlicher Schriftsteller. Sie schreiben vom „Fluch des Pharao“, der Howard Carter und seine nächste Umgebung heimgesucht habe, zur Strafe dafür, dass er das Grab Pharao Tutenchamuns entdeckt und geplündert habe.

Bram Stoker, der Schöpfer des Grafen Dracula, suchte natürlich für seine Erzählungen weitere fruchtbare Felder, die er beackern konnte, und stieß mit dem alten Ägypten auf eine sprudelnde Quelle. Auch wenn seine Story meines Wissens noch nicht verfilmt worden ist, so hält die Figur der Tera eine Fülle von faszinierenden Archetypen bereit: Die mächtige, junge und schöne Frau ist quasi untot und sucht – wie der Gott Osiris – die Auferstehung. Ihre Magie wirkt über die Jahrhunderte hinweg auf das Leben eines Mannes ein, der sich zu ihrem Diener erklärt: Abel Trelawny.

In diesem mystischen Kontext ist die Idee nicht absurd, dass es zu einer Art Seelenwanderung gekommen sein könnte. Madame Blavatsky von der Theosophischen Gesellschaft, die mit ihrem Mystizismus den Geister- und Elfenglauben der Viktorianer förderte, hätte sich jedenfalls sehr über Stokers Idee gefreut. Stoker veröffentlichte die Erzählung „The Jewel of Seven Stars“ anno 1907, ein paar Jahre nach seinem fulminanten Erfolg mit „Dracula“.

Die Seelenwanderung ist deshalb wichtig, weil zwei Elemente zusammenkommen müssen, damit die mumifizierte, in Trelawnys Sarkophag liegende Königin zum Leben erwachen kann. Erstens muss das Ritual korrekt ausgeführt werden, wobei das titelgebende Siebengestirn eine wesentliche Rolle spielt. Und zweitens muss das Amulett auf die Mumie gelegt werden, das als Schlüssel und Kompass für die Seele Teras dient. Diese Seele kehrt also von den Sternen zurück. Doch in welcher Gestalt soll sie sich materialisieren, wenn doch der Körper der Königin danach sofort zu Staub zerfallen würde? Mehr darf nicht verraten werden.

Das Hörspiel ist mit seinen Rückblenden dramaturgisch recht geschickt aufgebaut. Ich liebe gerade die klassische Entdeckerszene, als Corbeck und Trelawny Teras Gruft betreten – das könnte direkt aus einem Indiana-Jones-Film stammen. Natürlich mangelt es auch nicht an Geheimtüren und tödlichen Fallen. Während Trelawny beschließt, den Willen der Magierkönigin zu vollstrecken, liest Corbeck die Geschichte von Teras schrecklichem Schicksal vor. Wir wissen gleich, dass das Verhängnis naht – und vielleicht sogar schon zugeschlagen hat. Denn Mrs. Trelawny starb nicht zufällig im Kindbett …

Das Hörspiel steigert die Spannung zu einem Finale, das sich in puncto Action nicht zu verstecken braucht. Man muss es vielleicht mehrmals hören, um alles mitzubekommen, was dabei vorgeht. Ein langer qualvoller Schrei ist zu hören, doch von wem stammt er?

|Die Sprecher / Die Inszenierung|

Diesmal hat mir besonders Janina Sachau als Margaret gefallen. Sie muss nämlich sehr wandlungsfähig sein. Zunächst erscheint Margaret als unschuldige junge Frau, die kein Wässerchen trüben könnte, weshalb Ross sie ja liebt. Doch warum lauscht sie an Türen und klagt ihn lautstark an, er habe seine Pflicht vernachlässigt? Außerdem verfällt sie in rätselhafte Trancen, in denen sie – mit verzerrter Stimme – Sätze über Dinge äußert, von denen die bewusste Margaret keine Ahnung haben dürfte. Die Margaret, die wir im Epilog kennen lernen, hat nur noch wenig mit jener im Prolog gemein. Sie ist selbstsicher und scheint sogar zu wissen, was die Zukunft bringt.

Sachau wird von einer Riege erprobter Bühnenschauspieler flankiert, die das Drama zum Leben zu erwecken wissen. Wie so häufig in |Titania|-Hörspielen sind Christian Rode, Dagmar von Kurmin, Lothar Didjurgis (der Inspektor in „Das indische Tuch“) und Regina Lemnitz mit von der Partie. Lemnitz ist uns als Stimmbandvertretung von Kathy Bates bestens vertraut.

|Geräusche und Musik|

Die Musik ist wie fast jede andere Filmmusik nach konventionellem Muster gestaltet, und niemand, der auf alte Dracula-Filme steht, wird sich daran stören. Die Musik lenkt die Emotionen auf wirkungsvolle Weise, aber von Subtilität kann diesmal leider keine Rede sein. Nach dem Prolog, der dem armen Trelawny fast das Leben kostet, dröhnt das klassische Orchester gar bombastisch aus den Lautsprecherboxen.

Vielleicht lag es ja daran, dass ich diesmal lauter als sonst aufgedreht hatte, aber dieser Bombast war einfach zu viel. Auch die Übergänge zu den beiden Rückblenden sind durch Musik begleitet, die von Posaunen dominiert wird. Chöre werden eingesetzt und in der Gruftszene sogar eine Solosängerin. Man hat offenkundig keine Kosten und Mühen gescheut, aber das Ergebnis ist einfach zu viel des Guten.

Recht interessant ist diesmal der Einsatz von Filtern, um die Stimmen zu verzerren. Meist betrifft dies die Sprecherinnen, vor allem die Figur der Margaret. Verfällt sie in Trance, wird ihre Stimme undeutlicher und mit Hall unterlegt, so dass ihre Worte einen mystischen Beiklang erhalten. Die Stimme Teras klingt ähnlich, aber noch einen Tick geisterhafter. Recht witzig fand ich die „Katzenviecher“, von denen es möglicherweise zwei gibt: Silvio, Margarets Kater, und die Katze, die Tera aus der Vergangenheit mitgebracht hat … Da wird gehörig gefaucht und geschnurrt.

_Unterm Strich_

Auch dieses Hörspiel aus der renommierten und preisgekrönten „Gruselkabinett“-Reihe kann mit einer relativ spannenden Storyline aufwarten. Interessanter ist aber wohl noch die altägyptischen Szene, die jeden an den ersten Indiana-Jones-Film erinnern dürfte. Natürlich ist das Beschwörungsritual, das Trelawny ausführen soll, eine Inspiration für die entsprechenden Szenen in „Die Mumie 1 und 2“ gewesen, und Zauberlehrling Harry Schotter hat sicher auch seinen Teil davon abbekommen.

Allerdings gibt es ein Konzept hinter der Handlung, das uns nicht ohne weiteres geläufig ist: die Seelenwanderung eines Astralleibes. Dies ist die Bedingung, damit sowohl das Überdauern als auch die Wiederauferstehung der ollen Pharaonenhexe funktionieren können. Für den Archäologen Trelawny scheint dieses ungewohnte Konzept jedoch täglich Brot zu sein – vielleicht weil er mit den altägyptischen Göttern per Du ist und das Totenbuch in- und auswendig kennt. Für mich trifft das jedenfalls nicht zu. Und deshalb brauchte ich auch wenig Zeit, um zu kapieren, was Trelawny und Corbeck im Einzelnen genau vorhaben. Die Ergebnisse des Rituals erschienen mir deshalb umso erstaunlicher.

Diesmal gebührt die Palme für die herausragende Sprechrolle Janina Sachau, denn sie muss ihre Margaret auf vielfältige und nicht leicht zu durchschauende Weise darstellen. Schade, dass ihre gute Performance von der Bombast-Musik derart überdeckt wird, dass man sich nur mit Mühe an sie erinnert. Weniger wäre diesmal mehr gewesen.

|78 Minuten auf 1 CD|

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_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)

Arthur Machen – Der gewaltige Gott Pan (Gruselkabinett Folge 144)

Verbotene Experimente: Das Rätsel der Panstochter

Mr. Clarke willigt ein, als Zeuge einem gewagten Experiment seines Freundes Dr. Raymond beizuwohnen, welches eine leichte Gehirn-Operation beinhaltet und der siebzehnjährigen Probandin Mary so Zugang zu geistigen Dimensionen eröffnen soll, in denen der gewaltige antike Gott Pan herrscht… (Verlagsinfo)
Arthur Machen – Der gewaltige Gott Pan (Gruselkabinett Folge 144) weiterlesen

James, M. R. – Der Eschenbaum (Gruselkabinett 71) (Hörspiel)

Die Weltenesche im Vorgarten

Ost-England im Jahre 1690: Zu seinem grenzenlosen Missfallen muss Sir Matthew Fell im Park seines Anwesens Castringham Hall in Suffolk in den Vollmondnächten immer wieder eine unheimliche Frau aus dem Dorf beobachten, die sich an einem gewaltigen Eschenbaum zu schaffen macht. Wie er nur zu gut weiß, steht die Frau im Ruf, eine mächtige und sehr gefährliche Hexe zu sein… (Verlagsinfo)

Der Verlag empfiehlt das Hörspiel ab 14 Jahren.

Der Autor

Montague Rhodes James (1862-1936) war ein englischer Altertumsforscher und Autor von Geistergeschichten. Außerdem war er Provost von Cambridge University und Eton College. Der Öffentlichkeit bekannt wurde James ab 1894 durch seine Geistergeschichten, wobei er sich auf zahlreichen Reisen auf dem europäischen Kontinent Anregungen holte. Seine profunden historischen Kenntnisse, die er in seine Erzählungen einfließen ließ, geben diesen einen Anstrich von Authentizität.

James bediente sich häufig der Elemente von „klassischen“ Geistergeschichten und perfektioniert diese: Der Schauplatz ist oft eine ländliche Gegend, Kleinstadt oder eine ehrenwerte Universität mit einem verschrobenen Gelehrten als Protagonisten. Die Entdeckung eines alten Buches oder einer anderen Antiquität beschwört das Unheil oder eine dunkle Bedrohung herauf. Dabei wird das Böse eher angedeutet und der Vorstellung des Lesers überlassen, wogegen die Charaktere und der Schauplatz detailliert beschrieben werden. (Quelle: Wikipedia)

Die Sprecher/Die Inszenierung

Die Rollen und ihre Sprecher:

Erzähler: Hasso Zorn
Sir Matthew Fell: Frank-Otto Schenk
Vicar Crome: Hans-Jürgen Dittberner
Mrs. Mothersole: Katarina Tomaschewsky
Sir Richard Fell: Sebastian Schulz
William Crome: Martin Kautz
Mrs. Chiddock: Sonja Deutsch
Bischof von Kilmore: Lutz Mackensy
Hexenjäger: Peter Weis
Totengräber: Ronald Nitschke
Diener: Louis Friedemann Thiele
Gärtner: Filipe Pirl

Marc Gruppe schrieb wie stets das Buch und gemeinsam mit Stephan Bosenius setzte er es um. Die Aufnahme fand im Titania Medien Studio und in den Planet Earth Studios statt und wurde bei Kazuya abgemischt. Die Illustration stammt von Firuz Askin.

Handlung

Ein Vollmond bescheint im März des Jahres 1690 Schloss Castringham Hall, in dem Sir Matthew Fell residiert. Er und Vikar Crome begeben sich nach einer Unterredung zum Tor. Sie sind sich einig darüber, dass das hiesige Hexenunwesen nachdrücklich bekämpft werden muss. Da ertönt ein tiefes Geräusch von der vor dem Schloss emporragenden, uralten Esche, und ein kalter Hauch zaust das Haar der beiden Herren. Sie trennen sich, mit frischen Plänen im Kopf.

Fell ist der stellvertretende Sheriff der Gemeinde Castringham, die in der Grafschaft Suffolk liegt. Er geht gerade zu bett, als er ein Flüstern von der Esche vernimmt: „Adams erste Braut, komm herauf zu mir.“ Fell weiß genau wie Crome, dass Adams erste Braut Lilith war und Eva erst später kam. Die verstoßene Lilith jedoch gilt als Königin der Dämonen. Aufgeregt eilt deshalb Fell zur Tür, um der Frau, die da geflüstert hat, nachzugehen und sie zur Rede zu stellen. Zu Pferde und mit Begleitern verstärkt fordert er vor dem Haus von Mrs Mothersole, die als Hexe gilt.

Mothersole bestreitet, bei Fell gewesen zu sein. Sie habe geschlafen. Er nennt sie dennoch eine Teufelin und droht ihr mit dem Hexenjäger, dem Wichtfinder General. Obwohl sie aufschreit und sich gegen die zupackenden Schergen wehrt, lässt Fell sie in den Kerker werfen. Beim Prozess des Hexenjägers klagt Fell sie an, den Eschenbaum erklommen zu haben, um Äste zu okkulten Zwecken abzuschneiden. Alles Protestieren hilft der Angeklagten nichts – der Witchfinder General verurteilt sie zum Tod durch den Strang.

Der Fluch

Der Kirchplatz vor Bury Saint Edmunds ist verregnet. Dennoch hat sich viel Volk eingefunden, um den Tod der Hexe mitzuverfolgen. Die ist ungebrochen und prophezeit: „Es werde Gäste nach Castringham Hall kommen.“ Der empörte Sir Fell wird nur durch ihren gebrochenen Hals wieder besänftigt.

Im Mai desselben Jahres lässt Sir Fell das Fenster offen, um sich vom Blätterrauschen der Esche in den Schlaf der Gerechten wiegen zu lassen. Stattdessen vernimmt er die tiefe Stimme von Mrs. Mothersole, die er doch sterben gesehen hat. Ein seltsam teuflisches Kichern, ein Glockenschlag – am nächsten Morgen finden die Diener den Hausherrn tot vor, das Gesicht blau angelaufen.

Das zweite Glied

45 Jahre später lässt der Erbe Richard das Grab der Hexe öffnen. Es ist leer. Neun Jahre später lässt sich der unverzagte und durchaus der Aufklärung anhängende Sir Richard Fell ein ruhigeres Zimmer geben. Das Einzige, das seinen exklusiven Wünschen genügt, ist das Sterbezimmer Sir Matthews. Es wurde seit jenem Todestag nicht mehr benutzt und riecht entsprechend.

Der Enkel des Vikars Crome, William Crome, warnt ihn vergebens. William hat den Bericht seines Großvaters gefunden. Die Beschreibung von Matthew Fells Leiche ist wahrlich grauenerregend. Die Leichenwäscherinnen verbrannten sich an ihr die Hände. Williams Sorge wächst, als er Fells Bibel von 1659 als Orakel benutzt. Er schaut auf die Esche, in die ein Blitz einen tiefen Spalt geschlagen hat. Wer weiß, was an dessen Grund lauert? Er kommt ihm alles andere als geheuer vor.

Richard dekretiert, dass der Baum am übernächsten Tag umgehauen werde, wenn der Bischof von Irland zu Besuch kommt. Diese Nacht verbringt Sir Richard unruhig, denn die Eschenzweige kratzen am Fenster. Missgelaunt geht er zu Bett. Bald darauf hört er ein seltsam spöttisches Keckern und die Stimme einer Frau …

Mein Eindruck

Der Autor stammte selbst aus Suffolk, jener südöstlich gelegenen britischen Grafschaft, die in seinen Geistererzählungen häufig als Schauplatz dient. In vielen Fällen stellt der äußerst gelehrte Autor, der in Cambridge und Eton arbeitete und für die Königin schrieb, die Institutionen der jeweiligen Epoche den Kräften älterer, aber mächtigerer und daher immer noch wirksamer Zeiten gegenüber. „Der Eschenbaum“ ist ein ausgezeichnetes Beispiel für diesen Konflikt, der die Zivilisation infrage stellt.

Hexerei

Hier bekommen es in zwei verschiedenen Epochen jeweils zwei Spitzen der Gesellschaft von Suffolk mit solchen Kräften zu tun. Matthew Fell ist der Gesetzeshüter und Vicar Crome der kirchliche Vorsteher des Dorfes. Folglich verfügen sie über große moralische und gesetzliche Autorität. Das erlaubt es ihnen, mir nichts, dir nichts eine Frau aus dem Dorf festzunehmen und verurteilen zu lassen, bloß weil sie glauben, sie sei eine Hexe. Und Hexenjäger gab es im England des 17. Jahrhunderts wirklich. Es gibt sogar einen Spielfilm über sie.

Aufgeklärt

Nun sollte man meinen, dass die Nachkommen Sir Fells 54 Jahre später nicht mehr an Hexen glauben, denn mittlerweile hat die Aufklärung auch England erreicht und sogar das entlegene Suffolk. Doch ironischerweise ist es genau diese Aufgeklärtheit, die Sir Richard zum Verhängnis wird. Hexen? Wer glaubt denn noch an Hexen?!

Wir erwarten, dass er weiß, dass sich der Fluch, dem sein Vater zum Opfer fiel, sich an ihm ebenfalls erfüllen werde. Doch noch nicht einmal die gruseligen Details, die ihm der neue Vicar unterbreitet und die den Fluch furchterregend machen, bringen Richard von seiner Haltung ab. Den vermaledeiten Baum fällen zu lassen, ordnet er mehr aus Bequemlichkeit an, nach dem Motto: Man kann ja nie wissen, wozu es mal gut ist. Das wird er bald bereuen.

Die dunkle Macht

Welche Macht ist es also, die sowohl abergläubischen Hexenjägern als auch aufgeklärten Geistern zum Verhängnis werden kann, fragt sich der Hörer. Es sieht ja ganz so aus, als könne man dieser Macht so oder so nicht entkommen, es sei denn, man lässt sie in Ruhe. Stets meldet sich die Stimme einer Frau aus dem Eschenbaum, und eine Frau ist es auch, die Mathhew Fell noch auf dem Galgen, auf den er sie geschickt hat, verflucht. Offenbar sind die beiden Geschlechter in einen uralten Konflikt verstrickt. Ein Hinweis auf Lilith, die erste Frau Adams, macht uns bewusst, dass dieser Konflikt schon von Anbeginn der biblischen Zeiten, also seit ca. 6600 v.Chr., andauert. (Die Alten glaubten ja noch an die Bibel, und sei es nur um der Fiktion willen.) Aber woher rührt er?

Liliths Brut

Der Tod von Matthew Fell und von Richard Fell, so vorhersehbar, der Zweite auch sein mag, lässt den Hörer doch gespannt auf die Lösung des Rätsels warten. Dieses Geheimnis soll beim Fällen des vermaledeiten Baums gelüftet werden. Es gibt schlimme Vorzeichen, die den vom Blitzeinschlag geöffneten Spalt betreffen: Es erwischt erst eine Katze, dann den Gärtner, dann beginnt das Pandämonium, dessen Flammen den Baum verschlingen. Erst ganz am Schluss findet man den ersten handfesten Beweis, was aus der Hexe Mothersole geworden ist …

Symbolik

Der Eschenbaum ist ein mächtiges Symbol für die Macht der Weiblichkeit in der Gemeinschaft. Sie bildet den Konterpart zur männlich definierten christlichen Kirche. Dort wird Mrs Mothersole, die Vertreterin weiblicher Macht geopfert. Die Esche ist auch ein Symbol von Leben und Wachstums, sie ist nichts Gemachtes oder Erbautes. Sie verändert sich fortwährend und nimmt andere Gestalt an, etwa in Fingern statt Zweigen. Sie ist folglich auch eine spirituelle Kraft, die außerhalb des Wirkungskreises der Religion steht. Womöglich vertritt sie eine viel ältere Religion, nämlich jene Mutterreligion, die von den patriarchalen Kulturen, die aus Mittelasien einwanderten (Achaier, Dorer usw.), bekämpft und vertrieben wurde. Man lese dazu „Die Weiße Göttin“ von Ranke-Graves.

Dass die Esche nichts Böses ist, will den männlichen Herrschern des Weltlichen nicht in den Kopf. Sie müssen unbedingt das Primat haben und dulden keine „Hexen“, also Frauen mit eigenen, geheimen Kenntnissen. „Weise Frauen“ sind aber nur die eine Seite der Macht in der Esche, die andere sind „Dämonen“. So erscheinen diese Geister zumindest jenen Christen, die beim Ende des Baumes zugegen sind. „Dämonen“ jedoch sind nur eine Deutung für alles, was das sogenannte Böse oder Fremde verkörpert und daher Furcht verbreitet. Ob dagegen wohl Beten hilft?

Frauenstimme, Niemands Stimme

Es ist bemerkenswert, dass in der Geschichte nur eine einzige Frau vor dem Fluch der Esche warnt, nämlich Sir Richards Haushälterin. Wie nicht anders zu erwarten, werden alle ihre Warnungen in den Wind geschlagen. Sie sollte wirklich besser auf ihren guten Ruf in der Gemeinde achten, bevor es ihr wie Mrs Mothersole ergeht. Die Unterdrückung der Frau dauert schließlich bis heute an. Ob aus dem Schuldgefühl Adams gegenüber Lilith, wie es Bibelfeste tun mögen, heraus oder aus Furcht vor der weiblichen Macht des Erschaffens, sei dahingestellt. Der Name „Mrs. Mothersole“ spricht Bände. Er bedeutet „die Seele der Mutter“ (in alter Schreibweise).

Die Sprecher/Die Inszenierung

Wir haben es bei den Figuren mit zwei Generationen zu tun, daher muss ihnen auch das Sprecherensemble entsprechen. Der alte Sir Fell, der alte Vicar Crome und die Haushälterin Mrs. Chiddock gehören der alten Generation an. Sie machen ihre Sache ausgezeichnet und wirken keineswegs senil oder träge, ganz im Gegenteil.

Zur jungen Generation gehören Sir Richard Fell, der junge William Crome und der Bischof von Irland (in einem Mini-Auftritt). Doch welcher Generation gehört Mrs. Mothersole an, die im ersten Akt ein frühes Ende am Galgen nimmt? Katarina Tomaschewsky verleiht ihr eine Altstimme mittleren Alters, was sie zwischen die beiden Generationen stellt. Dass die Leiche von Mrs. Mothersole nicht in ihrem Grab liegt, deutet ebenfalls auf eine überzeitliche Existenz hin. Sie wird noch ein drittes Mal auftauchen, aber auf welche Weise, darf hier nicht verraten werden.

Geräusche

Die Geräusche sind die gleichen, wie man sie in einem realistischen Spielfilm erwarten würde, und die Geräuschkulisse wird in manchen Szenen dicht und realistisch aufgebaut, meist aber reichen Andeutungen aus. Diese Andeutungen sollte man angesichts ihrer häufigen Wiederholung beachten. Regelmäßig läutet die Glocke der Kirche von Castringham, stets rauschen die Blätter der Esche und immer wieder sind in der Esche seltsame Laute und zu vernehmen. Eichhörnchen? Aber welche der dämonischen Art, nehme ich an.

Mit Geräuschen und Musik baut das Hörspiel eine dichte Atmosphäre auf, die den Hörer gespannt auf die Lösung des Rätsels warten lässt. Vollmondnächte haben ihre eigene Stimmung, ebenso Blitz und Donner über einem Galgen. Diesen Outdoor-Geräuschkulissen steht die heimeligere des Herrenhauses derer von Fell gegenüber. Da klappert Geschirr, da quietschen Türen, und Diener klopfen sorgenvoll an unheimlich stille Schlafzimmertüren.

Im zweiten Akt im Sir Richard findet eine faszinierende |Überblendung| statt. Sie transportiert uns aus dem Jahr 1744 zurück ins Jahr 1690, als säßen wir in einer Zeitmaschine. Wir sehen, was Vicar Crome sieht, wenn er den Leichnam seines Freundes Matthew Fell ansieht: entsetzliche Dinge. Der Vikar nutzt dessen Bibel aus dem Jahr 1659, um ein Orakel zu lesen. Es verheißt nichts Gutes. Nach der Rückkehr in die „Gegenwart“ des Jahres 1744 tut es Cromes Enkel gleich und liest ein Orakel aus ebendieser Bibel (Papierseiten rascheln). William Cromes Sorge nimmt zu, die Spannung steigt. Doch was hat der Eschenbaum damit zu tun?

Katzenfreunde seien gewarnt: Qualvollere Schreie aus Feliden-Kehlen hat man selten vernommen …

Musik

Die Musik entspricht der eines Scores für ein klassisches Horrormovie, übertreibt es aber nicht durch übermäßige Dramatik. Vielmehr finden die Einsätze der Musik stets nur ganz gezielt dort statt, wo sie auch wirklich gebraucht wird. Wenn Suffolk beschrieben wird, erklingen tiefe und hohe Flöten, die nostalgische Romantik vermitteln. Wenn die Esche dem jeweiligen Herrn von Castringham Hall Unheil bringt, sind neben dem Blätterrauschen auch diverse Sounds und ein Chor zu hören. Dies wiederholt sich am Ende des zweiten Aktes, verstärkt durch eine Vielfalt von Geräuschen.

Das Ende des Baumes geht einher mit einer Sinfonie von unheimlichen Geräuschen, zahlreichen Schreien, Fauchen, Geheul und vielem mehr. Danach spielen ein Dudelsack und eine Flöte eine klagende Melodie, doch den Ausklang bildet eine unheimliche Musik, die den Hörer daran erinnert, dass es noch viele ähnliche Bäume auf der Welt gibt. Man denke nur an die Donareiche, die der Mönch Bonifatius anno 723 fällte, um die heidnischen Chatten (Hessen) zu bekehren (vgl. dazu http://de.wikipedia.org/wiki/Donareiche ).

Musik, Geräusche und Stimmen wurden so fein aufeinander abgestimmt, dass sie zu einer Einheit verschmelzen. Dabei stehen die Dialoge natürlich immer im Vordergrund, damit der Hörer jede Silbe genau hören kann. An keiner Stelle wird der Dialog irgendwie verdeckt.

Das Booklet

… enthält im Innenteil lediglich Werbung für das Programm von Titania Medien. Auf der letzten Seite finden sich die Informationen, die ich oben aufgeführt habe, also über die Sprecher und die Macher.

Im Booklet finden sich Verweise auf die kommenden Hörspiele aufgeführt:

Nr. 72: R. L. Stevenson: Markheim (03/12)
Nr. 73: A. Conan Doyle: Das Grauen im Blue-John-Stollen (03/12)
Nr. 74: E. Nesbit: Die Macht der Dunkelheit (04/12)
Nr. 75: Mary Fortune: Weiß (04/12)
Nr. 76: Bram Stoker: Das Teufelsloch (05/12)
Nr. 77: R. E. Howard: Das Feuer von Asshurbanipal (05/12)

Unterm Strich

In den drei Akten des Hörspiels erleben wir die dreimalige Auseinandersetzung mit dem Eschenbaum, der die uralte Macht des weiblichen Prinzips verkörpert. Vergeblich nehmen es Hexenjäger, Vikare und andere Verteidiger der Christenheit mit dem Baum auf. Eine der Dorffrauen wird stellvertretend für die Esche als Hexe verurteilt und hingerichtet.

Die Ironie ist unübersehbar, dass der Fluch der Hexe nicht nur den Deputy Sheriff Mathhew Fell trifft, sondern auch seinen Sohn Richard, obwohl der die Existenz von Hexen und Flüchen aus Gründen der Vernunft rundweg ablehnt. So kann es nicht ausbleiben, dass sich der Fluch auch an ihm erfüllt.

Doch was hat es nun mit der Magie der Esche wirklich auf sich? M.R. James war gebildet genug, um alles über die Weltenesche Yggdrasil zu wissen. Dieser nimmt nicht nur für die Götter eine ganz besondere Stellung, sondern daraus entstanden auch die Menschen: Ask, der erste Mensch, und aus Ask und Embla, seiner Frau, der Rest der Menschheit. (Siehe dazu: http://de.wikipedia.org/wiki/Yggdrasil ). Auch die weisen Frauen, die drei Nornen, saßen zu Füßen der Weltenesche.

Dass die Esche eng mit Fruchtbarkeit und Wachstum verbunden ist, aber im Gegensatz zum Christentum steht, scheint der Autor mit seiner Geschichte auszusagen. Das gekürzte Hörspiel lässt keine weiteren Deutungen zu, die in den Bereich der Religion vorstoßen könnten. (Odin hing tagelang an Yggdrasil, ähnlich wie Jesus am Kreuz, und beide erlebten eine Wiederauferstehung.)

Auf jeden Fall gibt diese bekannte Erzählung einen spannenden und unheimlichen Stoff für dieses stimmungsvolle Hörspiel ab. Die drei Akte steigern sich in Dramatik bis zu einem erstaunlichen Pandämonium, das man so von einem wohlanständigen Viktorianer, der für die Bibliothek der Queen schrieb, nicht gerade erwarten würde.

Das Hörspiel

Die Sprecher, die Vielzahl der Geräusche und die angemessene, zurückhaltende Musik bilden eine gelungene Einheit, um den Hörer zu unterhalten. Was mir allerdings im dritten Akt, der das Ende des Baumes schildert, fehlt, ist eine zentrale Perspektive durch eine wichtige Figur. Vikar Crome wäre dafür geeignet gewesen, oder noch besser die alte Mrs. Chiddock (die allerdings wohl beizeiten in Ohnmacht gefallen wäre).

Stattdessen nehmen wir die Szene durch eine Art Panoramablick wahr. Dadurch fehlt es an einer Identifikationsfigur, an deren Gefühlen wir Anteil nehmen könnten. Stattdessen fährt. Die „Kamera“ quasi zurück, und der Erzähler versorgt uns reportermäßig mit den Details des Geschehens. So werden wir mit einer emotionalen Distanz informiert, die uns zurück in unsere Realität entlässt.

Audio-CD mit 58 Minuten Spieldauer
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Das |Gruselkabinett| bei |Buchwurm.info|:

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
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[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
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[„Der Glöckner von Notre-Dame“ 5399 (Gruselkabinett 28/29)
[„Der Vampir“ 5426 (Gruselkabinett 30)
[„Die Gespenster-Rikscha“ 5505 (Gruselkabinett 31)
[„Jagd der Vampire. Teil 1 von 2“ 5730 (Gruselkabinett 32)
[„Jagd der Vampire. Teil 2 von 2“ 5752 (Gruselkabinett 33)
[„Jagd der Vampire“ 5828 (Gruselkabinett 32+33)
[„Die obere Koje“ 5804 (Gruselkabinett 34)
[„Das Schloss des weißen Lindwurms“ 5807 (Gruselkabinett 35)
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[„Die Maske des roten Todes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6735 (Gruselkabinett 46)
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[„Stimme in der Nacht“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8167 (Gruselkabinett 69)
[„Schwarze Krallen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8227 (Gruselkabinett 70)

Hambly, Barbara / Gruppe, Marc / Bosenius, Stephan – Jagd der Vampire (Gruselkabinett 32+33)

|Titania Medien| versorgt seit einigen Jahren mit schöner Regelmäßigkeit Liebhaber des gepflegten Grusels mit Hörstoff. Die solide produzierte Hörspielreihe „Gruselkabinett“ widmete sich zunächst den Klassikern des Genres, wie z. B. Stokers „Dracula“ oder Stevensons [„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349, mittlerweile werden allerdings auch jüngere Romane vertont, wie im vorliegenden Fall von Barbara Hamblys „Jagd der Vampire“, ein vampirischer Detektivrroman in klassischer Anmutung aus dem Jahr 1988, der seinerzeit den |Locus Award| für den besten Horrorroman gewann und den Hambly 1995 in „Gefährten des Todes“ fortsetzte.

Barbara Hambly lässt ihren Vampirroman zu Beginn des 20. Jahrhunderts in London spielen. Protagonist ist Professor James Asher, graumeliert und distinguiert, jedoch mit einer illustren Vergangenheit. Bevor er es sich nämlich in der Behäbigkeit des englischen Universitätstrotts gemütlich gemacht hat, war er ein erfolgreicher Spion für die englische Krone. Diese Zeiten sind zwar lange vorbei, doch soll Asher gleich zu Anfang des Hörspiels herausfinden, dass die Vergangenheit einen immer einholen wird. Als er nämlich von der Universität heimkehrt, findet er seine Frau und die Dienerschaft in einem künstlichen Schlaf vor. Dessen Urheber ist der Vampir Don Simon Ysidro, der Asher eben wegen seiner Erfahrung als Spion aufsucht.

Die Vampirgemeinschaft von London hat nämlich ein schwerwiegendes Problem: Bereits vier Vampire sind ums Leben gekommen, als tagsüber ihre Särge geöffnet wurden. Sie verbrannten oder wurden enthauptet. Da Vampire tagsüber praktisch bewusstlos und damit wehrlos sind, sieht sich Ysidro nicht in der Lage, den Mörder selbst zu finden. Und so zwingt er Asher dazu, ihm zu helfen, und droht damit, Ashers Frau Lydia zu töten, sollte dieser sich weigern.

Asher sieht also keine andere Möglichkeit, als sich auf Ysidros Angebot einzulassen. Und so bilden die beiden fortan an sehr ungleiches Paar, als sie versuchen, dem Vampirmörder auf die Spur zu kommen, während Ashers hochgebildete Frau Lydia ihre eigenen Untersuchungen anstellt, um Asher Hintergrundinformationen liefern zu können.

Hamblys „Jagd der Vampire“ ist weniger eine Vampir- als eine klassische Detektivgeschichte. Sicher, die Vampirmorde sind der Aufhänger für die detektivische Jagd und Hambly macht sich ihre eigenen, durchaus interessanten Gedanken zum Vampirmythos (so lässt sie die Pathologin Lydia eine Theorie aufstellen, nach der Vampirismus eine Krankheit, hervorgerufen von einem Virus, sein könnte), doch im Vordergrund der Geschichte stehen Asher, der Detektiv, und seine deduktive Suche nach dem Mörder der Vampire. Zwar ist dem ehemaligen Spion alles andere als wohl dabei, gerade einem Blutsauger zu helfen, doch hat er kaum eine Wahl. Und so heißt es, seine Skrupel und Zweifel zu schlucken und stattdessen kaltblütig und objektiv an das Problem heranzugehen. Darum muss Asher, ganz wie die Detektive in früheren Geschichten des Genres (also beispielsweise bei Doyle oder Poe), logisch vorgehen, Hinweise und Indizien prüfen und durch stetiges Vortasten schließlich auf die Spur des Übeltäters kommen.

Um auch die Fans des Horrorgenres zu bedienen, lässt Hambly ihre Protagonisten in den Pariser Katakomben umherwandern, schickt sie auf den stimmungsvollen Londoner Highgate-Friedhof oder lässt sie verkohlte Leichen inspizieren. Und natürlich wäre da noch Ysidro selbst zu erwähnen, der als ältester Vampir Londons eine durchaus beeindruckende und furchteinflößende Figur abgibt. Er und Asher bilden ein ungleiches Team, dessen Beziehung auf Abhängigkeit und Angst aufgebaut ist. Im Laufe der Handlung lernen beide Männer jedoch, den anderen zu schätzen und zu respektieren, auch wenn Asher nie so weit geht, dem Vampir tatsächlich zu vertrauen. Wie sich die Dynamik zwischen den beiden Charakteren verändert, ist einer der faszinierendsten Punkte der Erzählung und wird von Barbara Hambly meisterhaft vermittelt.

Wie immer hat sich |Titania Medien| für die Hörspielbearbeitung bekannte deutsche Stimmen ins Boot geholt. So wird James Asher von niemand Geringerem als Wolfgang Pampel gesprochen, der auch Harrison Ford seine Stimme leiht. Das gibt dem Hörspiel eine interessante Richtung, da es einfach unmöglich ist, Pampels Stimme zu lauschen, ohne das wettergegerbte Gesicht Indiana Jones‘ vor Augen zu haben. Ebenfalls ein Volltreffer ist Nicola Devico Mamone als Ysidro, dessen starker spanischer Akzent nicht nur nach altem Adel klingt, sondern der es auch schafft, Ysidro gefährlich und unberechenbar erscheinen zu lassen. Claudia Urbschat-Mingues als Lydia erweist sich dagegen als weniger glückliche Wahl. Die deutsche Stimme von Angelina Jolie sprüht geradezu vor Erotik, was dem kühlen Intellekt und der Kombinationsfähigkeit Lydias nicht unbedingt entgegenkommt.

Von diesem kleinen Kritikpunkt abgesehen, gibt es an „Jagd der Vampire“ absolut nichts auszusetzen. Das zwei CDs umfassende Hörspiel gibt sich viel Mühle, den Leser mit Hilfe der Geräuschkulisse an den Anfang des letzten Jahrhunderts zu versetzen, und ist damit mehr als erfolgreich. Die Straßen Londons, das nächtliche Paris, die Zugfahrten mit Ysidro – all das atmet den Geist der Jahrhundertwende, und das wird auch beim Hören mehr als deutlich.

Hamblys „Jagd der Vampire“ ist ein gefundenes Fressen sowohl für Fans von Vampirgeschichten als auch für Liebhaber von klassischer Detektivliteratur. Beides verknüpft die Autorin äußerst wirkungsvoll zu einem Roman weit jenseits der leidenden Vampire mit den traurigen Augen und stumpfen Zähne, die Anne Rice zuerst geprägt hat und die heutzutage große Teile des vampirischen Bücherregals bevölkern.

|Originaltitel: Those who hunt the Night, 1988
148 Minuten auf 2 CDs
ISBN-13 der Doppel-CD-Ausgabe: 978-3785738238|

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[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
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[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
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[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)
[„Der Glöckner von Notre-Dame“ 5399 (Gruselkabinett 28/29)
[„Der Vampir“ 5426 (Gruselkabinett 30)
[„Die Gespenster-Rikscha“ 5505 (Gruselkabinett 31)
[„Jagd der Vampire. Teil 1 von 2“ 5730 (Gruselkabinett 32)
[„Jagd der Vampire. Teil 2 von 2“ 5752 (Gruselkabinett 33)
[„Die obere Koje“ 5804 (Gruselkabinett 34)
[„Das Schloss des weißen Lindwurms“ 5807 (Gruselkabinett 35)

Gautier, Théophile / Gruppe, Marc / Bosenius, Stephan – liebende Tote, Die (Gruselkabinett 26)

Mit „Die liebende Tote“ (frz. „La morte amoreuse“) von Théophile Gautier ist in der Reihe „Gruselkabinett“ von |Titania Medien| eine weitere Hörspielbearbeitung eines klassisches Textes der fantastischen Literatur erschienen. Fast zweihundert Jahre hat die Erzählung auf dem Buckel, 1836 wurde sie in Frankreich erstveröffentlicht.

Romuald, ein Priester in fortgeschrittenem Alter, der für seine Frömmigkeit und Gottesfürchtigkeit bekannt ist, schildert dem jungen Bruder Mathieu Ereignisse aus seiner Jugend. Damals, gerade im Moment seiner Priesterweihe, wurde er in der Kirche einer wunderschönen Frau gewahr. Romuald ist von ihrer Schönheit geblendet und er, der er nie viel Kontakt mit der Welt außerhalb der Kirche hatte, meint sofort, sich unsterblich in die Unbekannte verliebt zu haben. Trotzdem legt er seinen Schwur ab und muss fortan als Priester leben.

Die Erinnerung an die unbekannte Schöne lässt ihm jedoch keine Ruhe. Er erfährt, dass ihr Name Clarimonde ist und dass sie in einem Schloss wohnt, das ihr ein Prinz einst schenkte – offensichtlich als Dank für ihre Liebesdienste. Clarimonde ist eine äußert exklusive Kurtisane und zu Romualds Verwunderung hat sie scheinbar ein Auge auf den unscheinbaren Priester geworfen. Sie lässt ihm Botschaften zukommen, doch Romuald findet immer wieder einen Vorwand, ihr nicht zu antworten.

Stattdessen wird ihm vom seinem Vorgesetzten Abbé Serapion eine Priesterstelle in einem kleinen Dorf zugewiesen. Dort angekommen, versucht sich Romuald damit abzufinden, dass so nun der Rest seines Lebens aussehen wird. Seine Verzweiflung währt jedoch nicht lange, denn eines Nachts wird er aus dem Tiefschlaf geweckt als ein Diener Clarimondes ihn auffordert, ihn auf das Schloss der Kurtisane zu begleiten. Sie liege im Sterben und verlange nach der letzten Ölung.

Es stellt sich heraus, dass auch der Teufelsritt auf zwei schwarzen Hengsten nicht verhindern kann, dass Romuald zu spät kommt. Als er Clarimonde erreicht, findet er sie nur noch tot auf ihrem Bett vor. Er verbringt die Nacht betend an ihrer Schlafstätte und meint von Zeit zu Zeit, ein Lebenszeichen an der Angebeteten zu erkennen. Und tatsächlich – auf wundersame Weise kann Romuald Clarimonde ins Leben zurückholen, um fortan an ihrer Seite ein Leben voller Leidenschaft und Ausschweifungen zu führen.

Die beiden ziehen nach Italien und Romuald erliegt all den neuen Reizen, die auf ihn einwirken. Doch auch wenn die Gesellschaft Clarimonde bald zu Füßen liegt, so bleibt sie ihrem Geliebten treu. Als sie allerdings von einem plötzlichen Schwächeanfall ans Bett gefesselt wird, stellt sie fest, dass es Romualds Blut ist, das ihre Gesundheit ganz plötzlich wiederherzustellen vermag. Wird Clarimonde also fortan ihren Geliebten als Blutspender missbrauchen? Wird Romuald eines Tages von der Vergangenheit eingeholt oder ist eine Liebe zwischen den beiden wirklich möglich?

Schon der Titel, „Die liebende Tote“, legt nahe, dass es sich bei Clarimonde um eine wahrhaft Liebende handelt. Zwar ist sie ein Dämon – und Sprecherin Sabine Arnhold betont auch diesen Aspekt ihres Charakters immer wieder -, doch ist es nicht ihr Ziel, ihren Geliebten ins Unglück zu stürzen oder gar zu töten. Ihre Blutmahlzeiten fallen geradezu spartanisch aus, und immer ist sie bemüht, Romuald nur so viel abzuzapfen, wie dessen Gesundheit vertragen kann.

Stattdessen ist es Abbé Serapion, der sich schlussendlich als dämonisch und zerstörerisch entpuppt. Immer ist er es, der sich auf die ein oder andere Art zwischen die Liebenden stellt, auch um Romuald am Ende in den Schoß der Kirche zurückzuholen. Bei dem Priester bleibt jedoch ein fahler Nachgeschmack. Zwar fügt er sich fortan in sein Schicksal und ist später für die Festigkeit seines Glaubens bekannt, doch es vergeht kein Tag, an dem er nicht an die Ereignisse in seiner Jugend denken würde. Romuald leidet zeitlebens unter Abbé Serapions Eingreifen, und so entpuppt sich der herrschsüchtige Kirchenmann als der eigentliche Blutsauger, der ohne Gewissensbisse zwei Leben zerstört hat.

Die Hörspielbearbeitung von Marc Gruppe bleibt sehr nah am Originaltext von Gautier. Wie in der Originalerzählung auch, wird ein Großteil der Handlung von Romuald (Sprecher: Kaspar Eichel) in der Rückschau erzählt. Dass „Die liebende Tote“ in der Ich-Form geschrieben wurde, scheint Gruppe vor das Problem gestellt zu haben, wo tatsächliche Spielszenen einzufügen seien. Manchmal erscheinen die Passagen, in denen Kaspar Eichel nur erzählt, recht lang und man sehnt sich nach etwas Abwechslung, d. h. einer Szene mit verschiedenen Sprechern. Dabei sind alle Sprecher gut ausgewählt. Der alte Romuald, gesprochen von Kaspar Eichel, klingt altersweise und auch etwas lebensmüde, wogegen Julien Haggère, der den jungen Romuald spricht, dessen Naivität wunderbar verkörpert. Clarimonde mit der Stimme von Sabine Arnhold changiert zwischen der liebenden Seele und der leidenschaftlichen Frau.

Schlussendlich sollte noch die durchaus passend eingefügte Musik Erwähnung finden, die das Hörspiel abrundet. Man hört alles von kirchlichen Gesängen bis zu dramatischen Orchesterpassagen, je nach Szene und Handlungsort. Da macht das Lauschen gleich doppelt so viel Spaß.

Mit „Die liebende Tote“ ist dem |Gruselkabinett|-Team unter Leitung von Marc Gruppe wieder eine solide gemachte Hörspielfassung eines Textes gelungen, auf den die Zielgruppe (das Hörspiel ist ab 14 Jahren geeignet) wohl sonst eher schwerlich stoßen würde. Und auch denjenigen, die die Erzählung bereits kennen, dürfte die alte Geschichte in neuem Gewand großen Spaß machen!

|Originaltitel: La morte amoureuse, 1836
57 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3578-7|

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Raupach, E. B. S. / Gruppe, Marc – Blutbaronin, Die (Gruselkabinett 14)

_Trivialliteratur aus der Gruft._

Ernst Benjamin Salomo Raupach hat 1784 in Schlesien das Licht der Welt erblickt, Theologie studiert, als Privatlehrer in Russland unterrichtet, wurde schließlich an der Philosophischen Fakultät in St. Petersburg zum Professor ernannt, fiel dort in Ungnade und kehrte nach Deutschland zurück, wo er sich als Autor für dramatische Stücke einen kurzlebigen Ruhm erschreiben konnte. Es heißt, seine Werke seien in der Tradition eines gewissen August von Kotzebue entstanden, und jener gilt heute als der Vater der Trivialliteratur.

Raupachs Kurzgeschichte „Lasst die Todten ruhen“, die von |Titania| ausgebuddelt und zur „Blutbaronin“ erhoben wurde, könnte einen passenderen Stempel kaum aufgedrückt bekommen:

_Finger weg von toten Liebsten!_

Baron Ferenc vergießt bittere Tränen am Grab von Elisabeth Bathory: Was seiner Angebeteten einfiele, klagt er, ihn so kalt anzustarren, während er im Reich der Lebenden vor Verlangen vergeht. Eine gruslige alte Kräuterhexe, von jedem im Ort gemieden, lauscht dem Lamentieren des armen Barons und erbarmt sich seiner, indem sie ihm jene verderbte Hilfe in Aussicht stellt, die gruslige alte Kräuterhexen immer im Futteral haben, wenn sie auf Friedhöfen herumschleichen: Sie kann die Geliebte zurück ins Leben holen. Natürlich wird Ferenc von ihr gewarnt, dass Elisabeth nicht mehr dieselbe sein wird, wenn sie erst einmal von den Toten auferstanden ist. Außerdem wird es sehr schwierig sein, droht sie, Elisabeth wieder in die Gruft zurückzubefördern, falls dem Baron dämmern sollte, welch grausliger Fehler ihm unterlaufen ist.

Ferenc lässt sich natürlich von niemandem verunsichern und pocht auf die Wiedererweckung. Bald schon nimmt er Elisabeth Bathory in sein Waldschloss und wundert sich nur wenig über Elisabeths Bitte, sie keinesfalls mit dem Tageslicht zu konfrontieren. Es ist allerdings nicht sehr geschickt von Ferenc, seiner Flamme zu beichten, dass er noch mit Katharina verheiratet ist und zwei Kinder hat. Elisabeth ist erbost. Sie verweigert sich dem Entbrannten und verlangt von ihm, sich von seiner Frau zu trennen. Der Baron lässt sich nicht zweimal bitten.

Bald darauf zieht Elisabeth Bathory selbst wieder in die Festung des Barons ein und erschreckt dort jeden, der sie erblickt: Das kann doch unmöglich die Baronin sein? Natürlich kann Ferenc niemandem gestehen, dass eine eigentlich Verblichene die Dienerschaft durch die kühlen Gänge hetzt, und versucht, die Belegschaft der Festung deshalb mit haarsträubenden Geschichten zu besänftigen: Die hübsche Dame habe er in der Fremde aufgetan und wegen ihrer Ähnlichkeit zu Elisabeth sei sein Herz sogleich zu ihr entbrannt – sogar ihr Name gleicht der Verstorbenen!

Gelinde Zweifel halten sich dennoch in Ferencs Festung, als Elisabeth ungebührliches Interesse an jungen Bediensteten findet, als immer mehr unerklärliche Todesfälle auftreten, ausgemergelte Leichen, grauhaarig trotz jungen Alters und leer (im wahrsten Sinne des Wortes). Irgendwann geht Ferenc auf, dass auch er nicht verschont wird, von der unheimlichen „Bluttrinkerin“ die umgeht – ganz im Gegenteil …

_Staub und Spinnweben._

Davon ist Raupachs Geschichte geradezu verkrustet. Natürlich muss man die Zeit bedenken, in der „Lasst die Todten ruhen!“ entstanden ist, und ich kann mir durchaus vorstellen, dass die Blutbaronin kräftig an den damaligen Moralvorstellungen gerüttelt hat: Da wird eine heilige Ehe annulliert, um eine Tote ins Schlafgemach zu hieven, und Elisabeth Bathory, ihrerseits eine pechschwarze Legendengestalt, ist die Sünde selbst. Eine schwarzhaarige Schöne mit vollen roten Lippen und einer kräftigen Stimme, ein Loch dort, wo eigentlich die Seele sein sollte. Es gibt Tränke aus Menschenblut, Hexenzauber, Versündigung gegen den Allmächtigen, außerdem haufenweise Anzüglichkeiten und subtile Erotik. Der „Bluttrinker“ ist zu jener Zeit noch eine frische Idee gewesen, ein unheimliches Wesen, weit weg vom heutigen Vampir, der schwarzgewandeten Modegestalt, der man viel zu oft die Zähne abgefeilt hat, um sie durch belanglose Vorabendserien zu scheuchen.

Den heutigen Hörer kann „Die Blutbaronin“ aber kaum hinter dem Ofen hervorlocken. Es gibt nichts, aber auch gar nichts, was man in dieser Form nicht irgendwann schon mal vorgesetzt bekommen hat. Elisabeth kommt ins Schloss, der Baron ist entzückt, die Bediensteten schöpfen Verdacht, der Baron ist blind vor Verlangen, die Bediensteten werden dezimiert, der Baron weigert sich mit Händen und Füßen, die Wahrheit anzuerkennen … Noch dazu fließt die Story so zähflüssig dahin wie abkühlendes Wachs: Endlose Belehrungen an den Baron („Bedenke, was du dir wünscht, Ferenc!“) und ewige Dialoge zwischen Bediensteten und der fiesen Baronin („Bitte nicht, verzeiht, Herrin!“ „Tu, was dir gesagt wird!“) Dazu ist Elisabeth Bathory eine energische Vertreterin des Schurken-Monologs. Ausschweifendst erzählt sie einer Amme von ihren finsteren Plänen, ehe sie ihr den Garaus macht.

_Gebrechlicher Geschichten-Greis im Profi-Klanggewand._

Auch der „Blutbaronin“ hat so manch illustre Persönlichkeit die Stimme geliehen: Ferenc wird von Uwe Büschken gesprochen (Hugh Grant), seine Frau Katharina spricht Arianne Borbach (Uma Thurman) und Hartmut Neugebauer, der sonst den Hagrid knarzt, übernimmt die Erzählerrolle. Der gesamte Sound enttäuscht wie immer nicht, aber auch er kann keine Atmosphäre schaffen, wenn der Story die Puste ausgeht. Hall-Effekte, Streicher, murmelnde Menschenmassen, pfeifender Wind um knirschende Grabsteine, schön und gut, aber ohne geschichtentechnische Rückendeckung nichts weiter als eine hübsche Schatulle.

Wie gesagt, der Story selbst soll hier kein Strick gedreht werden. Wer weiß, wie die Filmfans am Ende des 22. Jahrhunderts über die Idee von „Matrix“ urteilen! Schon jetzt setzt diese „die Realität ist nur eine virtuelle Illusion“-Idee ersten Staub an. Das ändert aber nichts daran, dass das damals eine wirklich knackfrische Herangehensweise war, ein Wendepunkt, wie ein Tritt in den Magen. Raupach mag der deutschen Phantastik einen Meilenstein der grusligen Trivialliteratur erschaffen haben, aber selbst das würde nichts daran ändern, dass „Die Blutbaronin“ heute ein staubiges Relikt ist. Hardcore-Nostalgiker mögen durchaus ihren Spaß an diesem Hörspiel haben und auch Komplettisten können sich „Die Blutbaronin“ ohne weiteres ins Regal stellen – es ist eine schwächere Story, kein Totalausfall. Für alle anderen aber gilt: Lasset die Todten ruhen!

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Apel, Johann August / Gruppe, Marc – Freischütz, Der (Gruselkabinett 15)

_Die Jägerbraut, die Oper und die Wiedererweckung von den Toten._

Johan August Apel selbst durfte nicht mehr miterleben, wie seine Erzählung „Die Jägerbraut“ 1821 uraufgeführt wurde, von Carl Maria von Weber zur Oper adaptiert. Zusammen mit Friedrich August Schulze hat Apel „Das Gespensterbuch“ verfasst und konnte damit einiges an Aufmerksamkeit erlangen; am 9. August 1916 starb der Autor.

Die Oper variiert Apels Erzählung (neben vielen Namen und Nebensächlichkeiten) vor allem am Ende, das um einiges gefälliger ausfällt. Aber |Titania| haben gottlob die Ur-Version aus ihrer Gruft gehoben und sorgen für wohlig romantischen Schauder:

_Waidmannspech um 1800._

Amtsschreiber Wilhelm will unbedingt des Försters Tochter Käthchen heiraten, aber den beiden wird die Hochzeit verwehrt, weil Wilhelm kein Jäger ist. Käthchen soll stattdessen den Jäger Rudolf heiraten! Aber Wilhelm ging bei seinem Onkel in die Jägerslehre, dem Oberförster Finsterbusch, und deswegen willigt Vater Bertram doch in die Heirat ein.

Es entsteht eine gute Familienbande, schon vor der Hochzeit. Wilhelm ist ein sehr guter Schütze, so gut, dass ihn Pappa Bertram sogar mit Urahn Kuno vergleicht. Kuno schoss dereinst einen Hirsch, an den ein Mensch gebunden war, und der Herzog vermachte dem kundigen Schützen daraufhin die Försterei, die Wilhelm später erben soll. Weil man Kuno aber die Försterei neidete, unterstellte man ihm einen „Freischuss“, einen Schuss also, der durch Zauberei in sein Ziel ging. Deswegen verlangte man noch einen Probeschuss von Kuno und er bestand. Da das zur Tradition wurde, verlangt man nun von jedem angehenden Erben der Försterei einen Probeschuss, damit der sich der Försterei auch würdig erweist.

Wilhelm allerdings verliert seit dieser Offenbarung immer mehr von seiner Treffsicherheit. Jägerbursche Rudolf freut sich hämisch über Wilhelms Jagdpech, redet ihm ein, dass sein Gewehr verhext worden sei und raunt ihm zu, dass er seinen Probeschuss nur dann bestehen kann, wenn er sich mit Samiel einlässt, um die unsäglichen Freikugeln zu gießen … Wilhelm will nicht, verschießt weiterhin, verzweifelt allmählich und trifft den unheimlichen Stelzfuß. Der verlockt Wilhelm zu einem Freikugelschuss, steckt ihm weitere zu und versichert ihm, dass ein kundiger Jäger keine Angst bei der Herstellung dieser Kugeln zu haben braucht …

Wilhelms Jagdglück kehrt zurück, mit ihm düstere Vorzeichen: Das Bild des Urahnen Kuno stürzte von der Wand, in jener Nacht, da Wilhelm den Stelzfuß traf. Wilhelm hat Tagträume, Vater Betram hat Alpträume und warnt seinen zukünftigen Schwiegersohn mit Geschichten von Dämonen, die versagende Freikugelgießer verstümmelten. Wilhelms Zweifel werden immer größer. 63 Patronen würde er haben, wenn er sich auf das Ritual einlasse, 60 davon würden das gewünschte Ziel treffen, die drei übrigen jedoch fänden das Ziel, das der Teufel für sie ausersehen hat. Nur eine Kugel, um sich des zukünftigen Glückes mit Käthchen sicher zu sein. Wilhelm muss sich nur dazu durchringen …

_Atmosphärische Talfahrt ins Verhängnis._

Die Erzählstruktur der Geschichte ist sehr dicht, die Schlinge um Wilhelm zieht sich immer enger, er muss Freikugeln gießen, um Käthchen heiraten zu können, aber gleichzeitig häufen sich die Anzeichen, dass etwas Unsägliches passieren wird, falls er sich tatsächlich auf diese Teufelspatronen verlassen sollte. Wilhelm wird immer seltsamer, und immer wieder werfen ihm seltsame Mächte Steine in den Weg. Mächte mit guter oder böser Absicht? Das wird sich herausstellen.

Schon der Anfang des Hörspieles jedenfalls nimmt vorweg, dass Wilhelm ein unheilvolles Ende beschert sein wird, aber das zerstört die Spannung keineswegs. Wilhelm ist uns von Beginn an sympathisch, ebenso Käthchen und Mutter und Vater Förster ebenfalls. Alles würde glattgehen, sich ideal entwickeln, wären da nicht dieser vermaledeite Probeschuss und Wilhelms versiegendes Jagdglück. Man empfindet das Dilemma, das Wilhelm zu zerreißen droht, man möchte, dass er Stelzfuß mit seinen Freikugeln in die Wüste schickt, gleichzeitig ertappt man sich selbst bei dem Gedanken, dass es doch nur um den einen Schuss geht … Was soll denn da schief gehen, bei 60 Kugeln? Nun, wie gesagt, der Anfang des Freischütz macht deutlich, dass etwas schiefgehen wird, und zwar gründlich. Bleibt nur noch die bange Frage, wie schlimm es werden wird …

_Premium-Gänsehaut für die Ohren._

Es ist ja schon fast überflüssig anzumerken, dass die Stimmen von |Titania| vortrefflich ausgewählt wurden, denn diese Disziplin beherrschen die Burschen wahrlich: Marius Clarén (u. a. Tobey Maguire) spricht den Wilhelm und das Käthchen bekommt von Luise Helm (u. a. Scarlett Johannson) die sympathisch niedliche Stimme geliehen. Jochen Schröder (James Cromwell; Gregory Peck) knarzt den urigen Jägersvater, Jürgen Thormann (Michael Caine; Max von Sydow) gibt den verlockend schrägen Stelzfuß und Tobias Kluckert (Joaquin Phoenix in „Walk the Line“) darf als Jägersbursche Rudolf durch die Gegend stänkern – herrlich!

Die Soundatmosphäre ist von |Titania|-Produktion zu |Titania|-Produktion unterschiedlich: mal minimalistisch, mal bombastisch, mal musikorientiert, mal stark auf Soundeffekte ausgerichtet. „Der Freischütz“ ist dezent und überaus stimmig vertont, das Klangbild vermittelt wunderbar die düsterromantische Einsamkeit eines Lebens in der Försterhütte: knarrende Bodendielen, quietschende Türen, knisternde Kaminfeuer, tickende Standuhren und ständig der Wind, der um die Dächer streicht, mal leise und behaglich, mal laut und bedrohlich. Aufgelockert wird das Ganze von gelegentlicher Kammermusik oder von dunklen Streichern, die Unheilvolles ankündigen. Der Wald ist, natürlich, erfüllt vom Geschrei der Waldkäuzchen, von raschelndem Laub und krähenden Raben. Sauber dosierter Hall auf den Stimmen unterstreicht die unheimliche Leere des Waldes, aber auch die behagliche Nähe in der Försterhütte – wunderbar!

Unter dem Strich ist „Der Freischütz“ für mich bisher der absolute Gewinner unter den |Titania|-Produktionen, zumindest unter den mir bekannten: „Spuk in Hill House“, „Frankenstein“ und „Die Blutbaronin“. Die Stimmung ist perfekt, die Story atmet Zeitgeist und Waldmannsnostalgie ins abendliche Wohnzimmer, Aberglaube und Geisterfurcht werden wieder lebendig, der Wald vor der Haustüre wieder unheimlich. Alt bedeutet keinesfalls veraltet, Apels quicklebendige Erzählung beweist das, und |Titania| dürfen weiterhin verdiente Lobeslorbeeren einfahren. Unbedingt empfehlenswert!

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