An der schwedischen Küste stürzt ein Sportflugzeug von Drogenkurieren ab. In dem ansonsten so idyllischen Städtchen Ystad, wo Kommissar Kurt Wallander tätig ist, explodiert wenig später das Haus zweier ehrbarer Schwestern. Und zu guter Letzt wird Wallanders Vater in Ägypten wegen Pyramidenbesteigung verhaftet. Unser Serienheld hatte es offenbar schon im Jahr 1989 nicht leicht in seinem Beruf.
Ein altes Ehepaar wird auf seinem abseits gelegenen Bauernhof grausam überfallen und ermordet. Als der schwedische Polizist Kurt Wallander am Tatort eintrifft, ist die Frau noch am Leben und gibt mit dem Wort „Ausländer“ einen verwirrenden und hochbrisanten Hinweis auf die Täter. Denn keinerlei Spuren deuten auf Ausländer hin, im Gegenteil: Ein Bekannter der Toten enthüllt den Beamten, dass eher eine ehemalige Geliebte des Ermordeten und ihr gemeinsamer Sohn als Täter in Frage kommen, weil diese um das geheim gehaltene Vermögen des Bauern wussten.
Als an die Öffentlichkeit gelangt, dass auch nach Ausländern gefahndet wird, geben ein Brandanschlag auf ein Asylheim und ein nachfolgender Mord an einem Somalier den Polizisten zusätzliche Arbeit und setzen sie unter Zwang, den Doppelmord schnellstmöglich aufzudecken. Doch die Ermittlungen in Richtung Familie der Ermordeten enden schnell in einer Sackgasse und keine neue Hinweise durch mögliche Zeugen gehen ein. Wallander und seine Kollegen sind ratlos und befürchten, dieses grausame Verbrechen zu den ungelösten Fällen ablegen zu müssen, bis eine Bankangestellte sich an etwas erinnert …
Der „Mörder ohne Gesicht“ läutete die Wallander-Erfolgsstory ein und schnell wird klar, warum diese Romane süchtig machen: Die Figur Wallander wird binnen weniger Kapitel zum alten Bekannten, den man bemitleidet, bewundert und gleichzeitig mag und nicht mag. Der Leser folgt ihm wie unter Zwang auf seinen zwei Lebenswegen: Auf der einen Seite sein Polizistendasein, mit dem er hadert, in dem er leidet, das ihm menschliche Seiten zeigt, die er nicht versteht, aber auf’s Argste bekämpfen möchte und das ihn zur Verzweiflung treibt, wenn es scheinbar nicht möglich ist.
Auf der anderen Seite Wallanders Privatleben: Geschieden, der Tochter entfremdet, oft in Alkohol fliehend, vegetiert er dahin, von utopischen Wünschen und Hoffnungen erfüllt, die doch nie wahr werden. Eine jämmerliche Existenz, die jedoch vielleicht gerade deswegen den Leser fasziniert und in einem Gefühlschaos versinken lässt.
Stilistisch gesehen bietet Henning Mankell in seinen Romanen nicht sehr viel. Seine Stärke ist die Darstellung der Charaktere, nicht seine Ausdruckskraft. Viele Wiederholungen, vor allem Passagen Wallanders persönliches Dilemma betreffend, stoßen doch öfter auf, da sie einfach den Lesefluss stören und der Leser aus der eigentlichen Geschichte herausgerissen wird. So leidet auch der Spannungsbogen hauptsächlich in der Mitte des Romans ganz erheblich.
Mankell versteht es zwar, Bilder von seiner Hauptfigur in allen Situationen im Leser auferstehen zu lassen, doch bleibt alles andere größtenteils verschwommen, was meiner Meinung nach sehr schade ist, denn Mankells schriftstellerisches Potenzial ist deutlich erkennbar. Durch Wallander entsteht zwar eine melancholische Atmosphäre, diese könnte aber weit mehr ausgefeilt werden – so weit, dass der Roman schließlich von ihr beherrscht und der Leser durch sie gnadenlos bis zum tiefsten Abgrund geführt wird.
Doch Wallander-Fans werden diese kleinen Schwächen dem schwedischen Autor (nähere Infos im Review zu [„Hunde von Riga“) 95 verzeihen und das ist auch richtig so, denn „Mörder ohne Gesicht“ ist allemal lesenswert und lädt zum kniffligen Ratespiel ein: Wer ist denn nun der Mörder ohne Gesicht?
Homepage von „Kurt Wallander“: http://www.wallander-web.de
Die Aufklärung eines mysteriösen Flugzeugabsturzes in Schonen, Südschweden, führt Wallander in die schwedische Drogenszene. Dass der Mord an zwei biederen Schwestern in ihrem Kurzwarenladen damit zusammenhängt, erkennt er erst spät. Denn er muss seinen eigenen Vater aus dem Gefängnis holen, weil er versucht hat, in Ägypten auf eine Pyramide zu klettern. Es bleibt Wallander nichts anderes übrig, als selbst nach Kairo zu fliegen, nicht ahnend, dass ihn die Rettung seines Vaters auf eine entscheidende Beobachtung für die aktuelle Ermittlung führt … (Verlagsinfo)
An einem kalten Februartag des Jahres 1991 wird ein Rettungsboot bei Mossby Strand an die schwedische Küste getrieben. Darin liegen zwei Männer, beide tot, und wie Kurt Wallander feststellt, schon vor Tagen ermordet. Die Spuren führen ihn nach Riga, wo er Baiba Liepa kennen lernt, die Frau eines ermordeten Polizisten, der zu viel wusste über die Verbrechen in seinem Land. Wallander verliebt sich in Baiba, und sie hilft ihm bei seinen waghalsigen Ermittlungen, die ihn tief hineinführen in ein perfides Komplott
Drei junge Leute werden im Wald von einem Unbekannten erschossen. Sie hatten es gewagt, die Mittsommernacht am 22. Juni in Rokoko-Kleidern zu feiern. Merke: Only try this at home!
_Der Autor_
Henning Mankell, 1948 in Härjedalen geboren und jetzt in Mosambique lebend, sieht sich selbst weniger als Krimiautor denn als Gesellschaftskritiker. Bereits mit 20 arbeitete er in Stockholm als Autor und Regisseur an einem Theater. In den siebziger Jahren veröffentlichte er mehrere Werke, die sich den Klassenkampf und die Arbeiterbewegung zum Thema machten.
Seit 1990 widmet er sich seinem Hauptwerk: den neun Fällen des Kommissars Wallander. Sie wurden Weltbestseller und alle im |Hörverlag| in Hörspielfassungen veröffentlicht. „Mittsommermord“ wurde 2001 von Wolfgang Butt ins Deutsche übersetzt.
Deutsche Verlagshomepage von Henning Mankell: http://www.henning-mankell.de/ (|dtv|)
|Henning Mankell bei Buchwurm.info|:
[Die Brandmauer 704
[Hunde von Riga 95
[Mörder ohne Gesicht 143
[Die Pyramide 567 (Hörspielfassung)
[Die Rückkehr des Tanzlehrers 1058
_Die Sprecher_
Ulrich Pleitgen spricht diesmal den Kommissar. Pleitgen kann auf eine lange, erfolgreiche Sprecher- und Schauspielerkarriere zurückblicken. Geboren 1946 in Hannover, erhielt er seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon zahlreiche Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken.
_Handlung_
Am Mittsommerabend, dem 22. Juni, feiern drei junge Leute im Wald von Ystad ein feuchtfröhliches Fest. Sie sind in Rokoko-Kostüme gekleidet und gepudert. Ein Mann tritt zwischen den Bäumen hervor und jagt jedem eine Kugel durch die Stirn. Er ist zufrieden: Ihnen ist das Lachen vergangen. Eine von ihnen war Astrid Hillström.
Etwa sechs Wochen später wird Wallanders Kollege Kalle Svedberg ermordet in seiner durchwühlten Wohnung aufgefunden. Nun endlich erfahren die Kollegen mehr über ihren zurückhaltenden Kollegen. Wie sein bester Freund Bror Sundelius verrät, hatte Svedberg eine Freundin namens Louise. Die ist nicht aufzutreiben, lediglich ihr Foto fällt dem Kommissar in die Hände. Und das Foto von vier jungen Leuten in Kostümen des 18. Jahrhunderts. Eine der abgebildeten Frauen ist Astrid Hillström, die ihrer Mutter noch nach dem 22.6. eine Postkarte schrieb, die die Mutter als Fälschung bezeichnet.
Wallander und seine (nicht mehr ganz so neue) Kollegin Ann Britt Höglund ahnen einen Zusammenhang zwischen dem Mord an Svedberg und den verschwundenen jungen Leuten, als Astrids Mutter erzählt, Svedberg habe schon im Juli und August nach ihrer Tochter gesucht und Fragen gestellt. Er hatte ihr offenbar geglaubt, im Gegensatz zu seinen Kollegen.
Als das vierte Mädchen auf dem Foto stellt sich Isa Edengren heraus, eine junge, von ihren reichen Eltern seelisch misshandelte Frau, die versucht hat, sich das Leben zu nehmen. Wallander ist verblüfft: Das Mittsommerfest war völlig geheim, und Isa überlebte, weil sie krank geworden war. Woher kannte der Mörder Ort und Zeitpunkt des Treffens?
Als er nach dem Verhör in Isas Versteck auf einer Insel schläft, weckt ihn ein Schrei. Er kommt zu spät, um Isa vor dem unsichtbaren Killer zu retten. Doch woher konnte dieser Mann oder diese Frau wissen, wo sich Isa befand?
Schon bald hat sich der Mörder neue Opfer ausgesucht, denen das Lachen vergehen soll. Ob Wallander noch rechtzeitig erkennt, wie der Killer seine Opfer findet?
_Mein Eindruck_
Die Dramaturgin Valerie Stiegele hat das Hörspiel für den Westdeutschen Rundfunk bearbeitet. Sie achtete dabei auf die Herausarbeitung eines logischen roten Fadens, den Aufbau von Spannung und einen Action-Höhepunkt. Das gelingt auch ganz gut.
Allerdings gibt es auch Brüche oder Lücken, die dem schnellen Fluss der Handlung geopfert werden: So besitzt Isa Edengren zu Wallanders größtem Erstaunen eine Tonbandaufnahme von dem Verhör, dem Svedberg auch sie unterzog. Wir bekommen diese Aufnahme allerdings nicht zu hören. Das wäre auch überflüssig gewesen, denn auch Wallander verhört sie ja, so dass wir das Wesentliche erfahren, was mit den Morden zu tun hat.
Die Kriminalisten von Ystad sind ja auch nur Menschen. Ann-Britt Höglund steht kurz vor der Scheidung, und der Kommissar macht sich Sorgen wegen Diabetes. Na, vielleicht ergibt sich noch etwas zwischen den beiden. Denn Ann-Britt heißt in den bekannten ZDF-Verfilmungen Maja …
Angesichts von Wallanders physischer Schwäche überrascht den Zuhörer dann doch ziemlich, welche Energie er bei der Verfolgung des Mörders, der ihm an der Wohnung aufgelauert hat, entwickelt. Ja, eine veritable Verfolgungsjagd schließt sich an, die dort endet, wo alles begann: im Wald von Ystad. Dort zeigt sich auch, wozu ein Brett vor dem Kopf alles gut ist.
Was das gesellschaftliche Engagement Mankells in diesem Roman angeht, so macht es sich an dem Grund fest, aus dem der Mörder seine Verbrechen begeht: Er will seinen Opfern das Lachen austreiben. Dies hat etwas mit seiner Rache an dem zu tun, was man ihm als Kind angetan hat.
|Die Sprecher|
Alle Sprecher sind Profis, wie deutlich zu hören ist. Am wichtigsten ist natürlich die Figur des Kurt Wallander: Ulrich Pleitgen verleiht dem ebenso beliebten wie beleibten Kommissar eine imposante Statur: einmal voller Energie, dann wieder lethargisch, denn er hat offenbar Diabetes. Dieser Energiemangel wird Wallander fast zum Verhängnis. Im Vergleich zu Heinz Kloss in „Der Mann, der lächelte“ wirkt Ulrich Pleitgen allerdings zu nervös, beinah schon aggressiv.
Von den übrigen Sprechern ist mir kaum einer im Gedächtnis geblieben. Sie folgen in rascher Abfolge aufeinander. Nur Anne Weber als Ann-Britt und Kathrin Bühring als Isa Edengren ragen heraus: Sie haben längere Parts und beindrucken durch ihre Modulationsfähigkeit, die besonders im rein akustischen Medium wichtig ist.
|Die Musik|
Auch diesmal ist die Musik eine Geschmacksfrage. Sie wird nur von Saiteninstrumenten gestaltet, also Violinen und Celli etc. Es handelt sich laut Booklet um drei verschiedene Urheber, was aber nicht von Belang ist. Die Musik erzeugt eine angespannte Atmosphäre durch dissonante Harmonien. Dann aber, wenn Action in die Handlung kommt, kippt das Dahinplätschern in recht rhythmische Kadenzen, so dass man fast meinen könnte, in einem James-Bond-Film zu sitzen.
Geräusche gibt es diesmal nur sehr wenige, so etwa Babygeschrei oder klingelnde Telefone. Daher treten auch keine Fehler wie etwa beim erwähnten „Der Mann, der lächelte“ auf.
_Unterm Strich_
Insgesamt würde ich das Hörspiel „Mittsommermord“ im oberen Mittelfeld einordnen: Hier wird nichts falsch gemacht, es werden aber auch keine künstlerischen Gipfel erklommen. Das Hörspiel eignet sich also recht gut für den Einstieg in Mankells Werk, zumal es nicht mal zwei Stunden lang ist. Dafür wiederum ist es mit 20 Euro recht teuer.
|ca. 110 Minuten auf 2 CDs
Originaltitel: Steget efter, 1997
Aus dem Schwedischen von Wolfgang Butt|
_Asylanten killen: die Mörder mit der Schrotflinte_
Auf einem abgelegenen Hof in der Nähe von Ystad wird ein altes Ehepaar überfallen und auf unerklärlich grausame Weise getötet. „Ausländer!“ hört man noch von der sterbenden Frau. Als die Öffentlichkeit davon erfährt, wird Schonen von einer Welle ausländerfeindlicher Gewalt überrollt. Wallander ermittelt, geplagt von privaten Problemen, die einen Höhepunkt erreichen, als seine Tochter sich mit einem Kenianer einlässt. (z. T. Verlagsinfo)
_Der Autor_
Henning Mankell wurde 1948 in Schweden geboren. Heute verbringt der Schriftsteller, Drehbuchautor und Intendant die eine Jahreshälfte in Mocambique, wo er seit 1996 das Teatro Avenida in der Hauptstadt Maputo leitet. Die andere Jahreshälfte verbringt er in Schweden. Für sein vielseitiges Werk wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, so etwa mit dem Deutschen Krimi-Preis und mit dem Deutschen Bücherpreis.
_Der Sprecher_
Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. 1994 wurde er mit dem „Bambi“ ausgezeichnet. Er hat schon zahlreiche Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. Am bekanntesten ist er wohl für seine Mitwirkung an der POE-Hörspiel-Reihe des |Lübbe-Audio|-Verlags.
Regie führte Margrit Osterwold, den Ton steuerte Fabian Küttner. Pleitgen liest eine gekürzte Fassung, die aber immer noch dreimal so lang ist wie jene, die der |Hörverlag| anbietet. Das Titelbild zeigt einen Ausschnitt eines Freskos von Giambattista Tiepolo.
_Handlung_
Es ist der 8. Januar 1990, als morgens um 4:45 Uhr der 70 Jahre alte Bauer Nyström aus dem südschwedischen Dorf Lenhap von der Stille erwacht. Normalerweise ist sein Pferd um diese Zeit schon unruhig, heute aber nicht. Als er zum Stall geht, sieht er, dass das Küchenfenster seines Nachbarn Lövgren offen steht. Dabei ist Johannes Lövgren immer so auf Sicherheit bedacht. Sonderbar. Dann hört er einen Schrei. Auch Nyströms Frau Hanna hört ihn – und das Küchenfenster wurde eingeschlagen! Nyström holt seine Taschenlampe und leuchtet ins Schlafzimmer der Lövgrens: Von Johannes sieht man nur den Fuß auf dem Boden, aber Maria sitzt an der Wand: blutüberströmt, gefesselt. Nyström ruft die Polizei.
Krimonalkommissar Kurt Wallander findet im Schlafzimmer der Lövgrens ein Schlachthaus vor. Blutspritzer bis an die Decke. Lövgren ist seinen schweren Verletzungen erlegen, aber die Frau lebt noch. Er lässt sie schleunigst ins Krankenhaus bringen, doch Stunden später erliegt sie ihren Verletzungen. Sie sagt nur ein letztes Wort: „… Ausländer …“.
Das hat Wallander gerade noch gefehlt. Statt eines „normalen“ Raubüberfalls, für das er diese Wahnsinnstag vorerst hält, soll nun eine Attacke von „Ausländern“ stattgefunden haben? In der Teambesprechung vergattert er alle Kollegen zum Schweigen, und auch in der Pressekonferenz sagt er kein Sterbenswörtchen von „Ausländern“. Dennoch muss es irgendwo ein Informationsleck gegeben haben, denn das schwedische Fernsehen behauptet, der Kommissar ermittle im Zusammenhang mit Ausländern und Asylbewerbern. Von seinen Kollegen beteuert jeder, er habe den Mund gehalten. Es hätte ja jemand aus dem Krankenhaus gewesen sein können. Auch wieder wahr.
Der 9.1.1990. In aller Frühe fährt Wallander zu Nyströms Hof und wird sofort beschossen! Er wirft sich auf den Boden in Deckung und ruft: „Polizei! Nicht schießen!“ Nyströms hat seine Schrotflinte nur in die Luft abgefeuert, ein Warnschuss. Dennoch kann man wohl den Alten als Doppelmörder ausschließen. Wallander überbringt die Nachricht, dass Maria Lövgren verstorben sei.
Lars Herdin, ein Landwirt aus Lenhap, sagt aus, der alte Lövgren sei „ein Schwein“ gewesen. Herdin ist Lövgrens Schwager: Maria war seine „kleine Schwester“. Lövgren habe sie nach Strich und Faden betrogen. Nicht nur hatte er seit den fünfziger Jahren ein Liebchen in Kristianstad, von dem er ein Kind hatte und für das er eine Menge Unterhalt zahlte – mehr als an Maria selbst. Außerdem war Lövgren stinkreich, seit er und sein Vater im Krieg Schlachtvieh an die Deutschen verhökert hatten. Tatsächlich, so findet Wallander heraus, stimmen Herdins Angaben, was das Geld betrifft: Lövgren hatte über eine Million schwedische Kronen in Aktien, Obligationen und Bargeld. Drei Tage vor seinem Tod, also am 4. Januar, hob er 27.000 Kronen ab und im Jahr zuvor jedes Quartal nochmals um die 25.000 Kronen. Wofür brauchte er so viel Geld? Für die Unterhaltszahlungen? Er steckte das Geld auf der Raiffeisenbank in eine braune Aktentasche, doch diese ist spurlos verschwunden. Also war es doch ein Raubüberfall, oder?
Doch die Gegend um Ystad und Malmö ist mittlerweile in Aufruhr. Die Rechtsextremen rufen Wallander an und setzen ihm eine Frist von drei Tagen, um den Täter zu schnappen. Ansonsten würden sie selbst für „Gerechtigkeit“ sorgen. Was dies bedeuten könnte, wird Wallander klar vor Augen geführt, als er am 10. Januar ein Auffanglager für Asylbewerber inspiziert. Ein Molotow-Cocktail setzt eine der Barracken in Brand. Schnell füllt sich die Hütte mit giftigem Rauch. Wallander schlägt beherzt die Scheibe ein und dringt in den Rauch vor. Zum Glück findet er niemanden darin, und was er für einen Schläfer gehalten hat, stellt sich als Matratze heraus. Aber nun greift das Feuer auf die anderen Hütten über. Er schlägt Alarm und befiehlt dem Lagerleiter, die Feuerwehr zu rufen. Auch Ambulanz und Polizei rücken ein.
Nachdem Wallander seine Wunden hat verarzten lassen, ist er der Held des Tages. Doch schon gibt es einen ersten Dämpfer, als die Einwanderungsbehörde anruft und sich über den mangelhaften Schutz der Asylantenheime beschwert. Er sagt der Beamtin gehörig die Meinung, die aufgebracht auflegt. Die Ministerin werde sich bei ihm melden, droht sie. Wallander kann es gar nicht erwarten.
Von seinem Vater, der schon fast 80 und ein erfolgreicher Landschaftsmaler ist, hat Wallander erfahren, dass seine Tochter Linda, die in der Gegend von Malmö lebt, offenbar einen netten Freund hat. Es ist ein Schwarzer, aus Afrika. Wallander weiß nicht, was er davon halten soll, aber er hat kein gutes Gefühl dabei. Als er nach Malmo fährt, um Mona, seine seit drei Monaten geschiedene Frau, zu treffen, entdeckt er Linda und ihren schwarzen Freund am Bahnhof. Er spioniert ihnen nach – und kommt sich dabei wie ein Idiot vor. Das Gespräch mit Mona bringt nichts außer Ärger. Die Info, der Schwarze sei ein angehender Mediziner, beruhigt ihn auch nicht gerade. Als sie geht, beschattet er auch sie. Ein Mann, der die ganze Zeit gewartet hat, holt sie im Auto ab. Wallander fühlt sich elend.
Wenig später wird in der Nähe des Asylantenauffanglagers Hageholm einem Somalier der Kopf mit einer Schrotflinte weggeschossen. Der Rechtsradikale, der Wallander schon zweimal angerufen hat, droht mit einem weiteren Mord: Der wäre die Vergeltung für Maria Lövgren. Der Aufruhr ist erheblich, und Wallander wird vom schwedischen Reichspolizeichef angerufen. Seine Ermittlung in Sachen Ausländermord habe oberste Priorität! Nun, immerhin stehen Wallander nun unbegrenzte Mittel zur Verfügung.
Die Jagd geht nun erst richtig los. Aber der Mordfall Lövgren wird dadurch in keiner Weise gelöst. Wallander bringt sich so gesehen völlig umsonst in höchste Lebensgefahr.
_Mein Eindruck_
Mankell kontrastiert wieder einmal das von seltenen Höhen und vielen Tiefpunkten gekennzeichnete Privatleben seines Helden mit dessen beruflichen Erfolgen, die doch ganz beträchtlich sind. Es ist merkwürdig, dass Wallanders Kollegen – zumindest bis zu einer gewissen Hierarchiegrenze, wo die Politik anfängt – durchweg alle auf seiner Seite stehen, und sogar die Staatsanwältin ihn bewundert und unterstützt. Sicher würde er sich insgeheim wünschen, dass auch sein Privatleben so funktionieren würde, aber das gesteht er sich erstens nicht ein und zweitens hat Kriminalkommissar Wallander auf privater Ebene eh nichts zu befehlen. Daraus resultiert eine ganze Menge Leid für ihn. Ich bewundere, dass es ihm gelingt, die beiden konträren Verhaltensweisen stets auseinander zu halten. Misslingt ihm dies auf privater Ebene, gibt es meist Stunk. Seine Entschuldigung: Er war angetrunken. Und er schickt Blumen.
Das Thema dieses Wallander-Romans ist unübersehbar die Ausländerproblematik. Sie war Anfang der neunziger Jahre nicht das alleinige Problem Schwedens, sondern aller europäischen Länder. Das Ende des Kalten Krieges, der Zusammenbruch der Sowjetunion, der neu entbrannte Balkankrieg, der zweite Golfkrieg – sie alle erzeugten damals eine Flut von Flüchtlingen, die in aller Herren Länder vertrieben wurden. Doch unter die berechtigten Asylsuchenden mischten sich auch skrupellose Verbrecher aus dem ehemaligen Ostblock. Und auf die Unterscheidung dieser beiden Gruppen achtete bis dahin niemand. Das Asylantengesetz Schwedens war ebenso großzügig ausgelegt wie das deutsche, und Leute, die aus den Asylantenlagern verschwanden, wurden nicht verfolgt. Die Erlebnisse Wallanders spiegeln genau die damalige Wirklichkeit wider.
Wallander ist, als er auf diese Zustände stößt, verständlicherweise aufgebracht, aber er wirkt hilflos: nur ein kleiner überarbeiteter Beamter, der von den Politikern und Bürokraten auch nur in den Hintern getreten wird, weil er angeblich nichts unternehme. Die sollten sich seiner Ansicht nach mal an die eigene Nase fassen und dafür sorgen, dass den Rechtsradikalen der geistig-moralische Nährboden entzogen wird statt über Symptome ihrer eigenen Politik zu jammern. (In „Der Tod des Tanzlehrers“ greift Mankell das Thema erneut auf und zeigt eine faschistische Untergrundorganisation mit Verbindungen zur hohen Politik.)
Über all diesem Tohuwabohu gerät der Doppelmord an den Lövgrens fast in Vergessenheit. Die ungewöhnliche Schlinge, das Wort „Ausländer!“, Lövgrens rätselhaftes Verhalten, vor allem aber die sinnlose Brutalität des Überfalls beschäftigen und erschüttern Wallander. Und der Fall wäre um ein Haar bei den Akten gelandet, wenn Wallander nicht Kommissar Zufall zu Hilfe gekommen wäre. Dadurch wird dem Leser bzw. Hörer noch ein actionreiches Finale geliefert, das sich sehen lassen kann. Allerdings habe ich den beeindruckenden psychologischen Horror, den Mankell in „Die fünfte Frau“ evozieren konnte, sehr vermisst. Dafür ist die Handlung in „Mörder ohne Gesicht“ zu unausgeglichen, zu disparat.
_Der Sprecher_
Ulrich Pleitgen ist am besten, wenn er die Sprechweise von Männern gesetzteren Alters nutzen darf, um sie angemessen zu charakterisieren. Ein Wucherer, der sich als Eisenwarenhändler getarnt hat, wird beispielsweise von Wallander ausgefragt, bleibt aber die ganze Zeit äußerst ruhig und beherrscht. Die Stimmlage dieser Figur ist tief, die Sprechweise langsam, die Ausdrucksweise umgangssprachlich – ein selbstsicherer Typ aus der Arbeiterklasse.
Am beeindruckendsten ist hingegen die Figur von Rudberg, dem alten Mentor Wallander, der im Buch an Krebs stirbt. Er klingt heiser, langsam, insgesamt sehr alt, aber seine Meinung ist fest und willensstark: „Bring die Verbrecher zur Strecke, Kurt!“ Noch heftiger drückt sich Wallanders Vater aus, denn er legt seine volle väterliche Autorität in seine Ausdrucksweise. Als Wallander zaghaft protestiert, fühlt sich sein Vater angegriffen und brüllt ihn nieder. Kein netter Typ, der Opa, aber man muss sich dennoch um ihn kümmern.
Etwas gewöhnungsbedürftig ist Pleitgens Darstellung von jüngeren Männern und von Frauen. Ich weiß nicht, ob es nur mir so geht, aber Figuren wie Martinsson, ein junger Kriminaler, der beherzt zupacken kann, klingen doch nur etwas schwach im Vergleich zu den älteren Herrschaften. Am sympathischsten unter den Frauenrollen ragen Annett Brolin, die äußerst attraktive Staatsanwältin, und Britta Lena Bodén, die Bankangestellte mit dem phänomenalen Gedächtnis, heraus.
Was ich noch unbedingt erwähnen muss: Pleitgen spricht die schwedischen Namen einwandfrei aus, so dass sie genauso klingen wie aus dem Munde eines Einheimischen, aber natürlich ganz anders, als man sie auf gedrucktem Papier vorfinden würde. Lund wird „Lünd“ ausgesprochen, „Peters“ wie „petersch“ und „Kristianstad“ klingt wie „krischanstad“. Das ist schon ein wenig gewöhnungsbedürftig. Aber ich verlasse mich darauf, dass das seine Richtigkeit hat, denn in den Liza-Marklund-Hörbüchern spricht Judy Winter ebenfalls auf diese Weise.
_Unterm Strich_
Nach einem horrormäßigen Anfang gleitet die Handlung unmerklich in einen ganz anderen Handlungsstrang hinüber, nur um nach dessen actionreicher Abwicklung in einer Sackgasse zu landen. Mankell kann es wirklich spannend machen, und erst kurz vorm Finale lässt er seinen Helden die rettende Erleuchtung zuteil werden. Ich kann mir gut vorstellen, aus welchen Gründen Wallander Millionen Lesern in aller Welt ans Herz gewachsen ist und sie ihm mittlerweile nachtrauern, weil Mankell ihn durch Wallanders Tochter Linda hat ablösen lassen.
Dieser Fall sorgt für etliche Überraschungen, Leidens- und Liebesszenen, aber auch für drei Verfolgungsjagden, bei denen ich mich wunderte, dass Wallander mit seinen 45 Jahren noch so sportlich agiert, wenn auch nicht immer glücklich. Einmal bricht er sich um ein Haar das Genick und wird zweimal fast erschossen. Offenbar hat der Kommissar einen wirkungsvollen „Schutzengel“. Dennoch fehlte mir die psychologische Spannung aus „Die fünfte Frau“.
Der Sprecher Ulrich Pleitgen macht seine Sache gewohnt gut und erweckt die Figuren zum Leben. Das zeigt sich besonders an den älteren Herrschaften, denen seine raue und tiefe Stimme am meisten zugute kommt. Auch zwei Frauengestalten gestaltet er auf sympathische Weise, wie es der Autor vorgesehen hat. Daher konnte ich mich kaum von Pleitgens Vortrag losreißen. Ständig wechselndes Personal und etliche Überraschungen sorgten dafür, dass ich wie gebannt zuhörte, was denn Wallander als nächstes widerfährt. Ein Wermutstropfen in dieser Freunde war lediglich der hohe Preis von knapp 30 Euroenen, aber bei Amazon.de gibt es das Hörbuch eventuell günstiger.
|Originaltitel: Mördare utan Ansikte, 1991
448 Minuten auf 6 CDs|
http://www.hoerbuch-hamburg.de
Elisabeth und Stefan hatten gegen Ende der Schulzeit eine flüchtige Beziehung. Jetzt treffen sie sich kurz nach dem Abitur auf dem Flug nach Afrika wieder. Während Stefan das Strandleben genießt und in einer Bar ein einheimisches Mädchen aufreißt, will Elisabeth das fremde Land verstehen. Sie freundet sich mit einem Lehrer aus ihrer Reisegruppe an, der ihr die historischen Hintergründe erklärt, und der einheimische Guide Ndou führt sie durch die ärmsten Viertel. Elisabeth lernt, die Welt und ihr eigenes Leben mit anderen Augen zu sehen. (Verlagsinfo)
Nach dem Brand seines Hauses auf einer einsamen Schäreninsel sind dem ehemaligen Chirurgen Fredrik Welin nur Wohnwagen, Zelt, Boot und zwei ungleiche Gummistiefel geblieben. Und wenige Menschen, die ihm nahestehen: Jansson, der pensionierte Postbote, die Journalistin Lisa Modin und seine Tochter Louise, die schwanger ist und in Paris lebt. Als Louise wegen eines Diebstahls in Untersuchungshaft gerät, ruft sie Fredrik zu Hilfe. Während er in Paris über ihre Freilassung verhandelt, erfährt er, dass auf den Schären schon wieder ein Haus in Flammen steht. (Verlagsinfo)
Taschenbuch: 368 Seiten
Originaltitel: Svenska Gummistövlar
dtv
Die Geschichte von Sofia und ihrer Familie, die versuchen, dem Krieg zu entfliehen.
Sofia und ihre Familie müssen vor dem Bürgerkrieg in Mosambik fliehen und werden auch von den harten Auswirkungen des Kriegs nicht verschont. Doch Sofia gibt nicht auf… (Verlagsinfo)
Ein altes Bauernpaar ist auf seinem Hof brutal ermordet worden. Kurz vor ihrem Tod hatte die Bäuerin noch einen letzten seltsamen Hinweis gegeben Wallanders zweiter Fall
Kurt Wallander stieß die Tür mit dem Fuß auf. Es war schlimmer, als er es sich vorgestellt hatte. Viel schlimmer. Später würde er sagen, daß es das Schlimmste war, was er je gesehen hatte. Und dabei hatte er weiß Gott schon eine Menge gesehen. Ein altes Bauernpaar ist auf seinem Hof ermordet worden.
Nicht nur das Motiv der Tat liegt völlig im Dunkeln, vor allem deren furchtbare Brutalität irritiert die ermittelnden Polizisten um Kurt Wallander. Und dann hatte die alte Bäuerin, kurz bevor sie im Krankenhaus starb, den Beamten noch einen letzten, seltsamen Hinweis gegeben …
Ein raffinierter psychologischer Kriminalroman in der Tradition Sjöwall/Wahlöös. “Mörder ohne Gesicht“ wurde 1992 als bester Thriller Skandinaviens ausgezeichnt. (Verlagsinfo)
Taschenbuch: 336 Seiten
Originaltitel: Mördare utan ansikte
dtv
Eine Ära geht zu Ende. Vermutlich ist kein Kriminalkommissar in der gesamten Literatur so bekannt wie Kurt Wallander – der alternde, teils zynische und manchmal schlecht gelaunte und grüblerische Kommissar aus dem schwedischen Ystad, den Henning Mankell vor zig Jahren ins Leben gerufen hat. Mit dem vorliegenden Buch nun endet die Ära Kurt Wallanders …
Henning Mankell ist nicht nur einer der erfolgreichsten Schriftsteller der Neuzeit, sondern auch einer der vielseitigsten. Einen Namen gemacht hat er sich mit seiner legendären Krimireihe rund um den kauzigen Kommissar Kurt Wallander, den Millionen Krimifans weltweit ins Herz geschlossen haben. In seinen gefühlvollen Romanen über Afrika verarbeitet Mankell, der mehr als die Hälfte des Jahres in Mosambik lebt, seine Erlebnisse auf dem schwarzen Kontinent. Dass er auch ein exzellenter Menschenkenner ist, beweist er in der neuen Hörspielproduktion, in der Nadja Tiller und Walter Giller die Sprecherrollen übernommen haben.
Jesper Humlin veröffentlicht genau ein Buch pro Jahr und zwar eine Gedichtsammlung, die sich im Schnitt etwa tausendmal verkauft, doch seinem Verleger ist das nicht mehr genug, er möchte Jesper davon überzeugen, endlich einen Kriminalroman zu schreiben. Dabei ist Jesper doch erfolgreich auf seinem Gebiet, seine Gedichte sind anerkannt und gerade erst ist er von einer monatelangen Südseereise zurückgekommen, die er sich nur durch ein Stipendium finanzieren konnte. Sein wichtigstes Anliegen ist ihm nun eigentlich seine Sommerbräune, die er so lange wie möglich aufrecht erhalten möchte, doch neben seinem unzufriedenen Verleger stellt auch seine Freundin Andrea immer mehr Ansprüche. Sie möchte endlich ein Kind mit ihm und droht mit der Trennung und der Veröffentlichung ihres Privatlebens in Romanform. Es ist nicht so sehr die Angst vor der Trennung, die ihm schwer im Magen liegt, sondern die Möglichkeit, dass Andreas Buch sich besser verkaufen könnte als seine Gedichtsammlung.
Stefan Lindman, 37, Kommissar bei der Kriminalpolizei im südschwedischen Borås, lebt in Angst, seit bei ihm Zungenkrebs diagnostiziert wurde. Bald steht die Strahlentherapie an. Lindman sucht Ablenkung. Er findet sie im Mord an seinem ehemaligen Mentor Herbert Molin. Der Ex-Polizist hatte sich nach seiner Pensionierung in die Wälder von Härjedalen zurückgezogen. Dort wurde er in der Nacht überfallen, von seinem Mörder zum Tangotanz gezwungen und mit einem Ochsenziemer brutal zu Tode gepeitscht.
Mit dem Fall betraut wird Giuseppe Larsson, der mit seinen Kollegen vor einem Rätsel steht. Wer hasste den alten Molin so sehr? Lindman, der aus Borås angereist ist, wird als „inoffzielle Verstärkung“ eingesetzt, zumal er sich ohnehin nicht von dem Fall fernhalten lässt.