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Wolfgang und Heike Hohlbein – Anders 2: Im dunklen Land (Lesung)

Nachdem Anders‘ und Kats Flucht über die Berge ihr jähes Ende vor einer unüberwindlichen Betonmauer fand, wurden sie endlich doch noch von dem sie verfolgenden Elder eingeholt. Kat liegt in tiefer Bewusstlosigkeit, doch Anders muss sich dem Krieger stellen. Doch was sich unter dem schweinsgesichtigen Helm verbirg ist nicht etwa die erwartete pervertierte Mutation eines Schweines, sondern ein Wesen mit edlen Gesichtszügen und – Anders glaubt es kaum – spitzen Ohren.

Der Elder und seine Familie nehmen Anders (der weiterhin etwas Besonderes in diesem unbegreiflichen Land zu sein scheint) und – widerstrebend – auch Kat auf und bringen sie nach Tiernan, der Stadt der Elder, wo sie sich „Oberons Rat“, dem Triumvirat der Elder, stellen müssen. Kats Herkunft und Eigenart als sogenannter Tiermensch wird verschleiert, und Anders stößt erneut auf keine Antworten, sondern nur auf Hinhaltetaktiken – ja, die Elder wollen ihn gar mit einer der menschlichen Dienerinnen verkuppeln, um ihn an sich zu binden.

Bei seinen geheimen Streifzügen, durch die Anders erstens einen Fluchtweg finden will und zweitens Informationen über diese nicht offiziell existierende Enklave sucht, entdeckt er, dass auch Tiernan ein verfallenes und verlassenes Produkt „seiner“ Menschen ist: Bunkeranlagen, verlassene Büros, zerstörte Laboratorien … Hier scheinen geheime Experimente gehörig schief gegangen zu sein! Doch als er von den Elder nur hingehalten wird, diese sich brutal an Kats Sippe vergehen und Kat ausgewiesen werden soll, kommt es zum Desaster, bei dem Anders fast einen Elder tötet und – zu ihrem scheinbaren Bedauern – einem langwierigen Gottesurteil ausgesetzt wird …

Die Geschichte bezweckt vor allem eins: Ein unglaubliches Geheimnis der realen Welt, bei dem ein schiefgelaufenes, absurdes Experiment vertuscht werden soll, aufzudecken und dabei den Helden durch möglichst haarsträubende Abenteuer zu schicken, aus denen er trotz seiner jugendlichen Trotz- und Großmäuligkeit schließlich und stets erfolgreich hervorgeht. Dem erwachsenen Hörer fällt ziemlich deutlich auf, wie unsinnig das Verhalten der Elder ist, wenn sie Anders an der langen Leine verhungern lassen und nicht einmal versuchen, ihm ihr Leben zu erklären. Sie arbeiten regelrecht daran, seine Widerspenstigkeit zu schüren und ihn zum Kontern zu animieren, obwohl sie ihn eigentlich halten wollen. Natürlich ist das ein strategisches Hilfsmittel der Autoren, die Geschichte über die vielen Bände auszudehnen und den Hörer mit der interessanten Welt zu binden, durch die sich Anders bewegt und in der er immer neue Rätselteile entdeckt, die gelöst werden wollen. Da sie dabei einen schmalen Grat beschreiten zwischen Empörung über die Hinhaltetaktik und Interesse an der Fortsetzung, rechnen sie offenbar mit dem Sog einer einmal begonnenen Geschichte, die man normalerweise nicht wegzulegen anstrebt, bis man ihr Ende kennt.

Der zweite „Anders“-Roman beginnt ungefähr genau dort, wo der erste Band endetet, nur erfährt man sofort, dass sich hinter den Schweinsmasken keine brutalen Schlächter, sondern charismatische Wesen mit den typischen Akzenten elbischer Charaktere verbergen. Sie sind hochgewachsen, haben spitze Ohren und edle Gesichtszüge und einen messerscharfen Verstand – und sind Meister der Intrige und Verschleierungstaktik, wie sich hier wieder zeigt, denn Anders – und mit ihm der Hörer – wird weiter im Dunkeln gelassen und erfährt so gut wie keine neuen Informationen.

Einen jugendlichen Hörer mag das nicht weiter stören, wenn die Geschichte drum herum spannend erzählt ist, doch verärgert es den wissbegierigen doch zusehends, wenn man in der Geschichte eigentlich kaum voranschreitet. Weiterhin bleibt Anders‘ überragende Intelligenz unbemerkt, deutlich zu Tage tritt dagegen sein hitzköpfiges Temperament, von dem bei seiner Selbstvorstellung in Band 1 nichts erwähnte. War er im ersten Teil noch der sympathische Junge, macht er sich mehr und mehr unbeliebt, und das nicht nur bei den Elder …

Hörenswert ist die Geschichte allemal, denn trotz der Mängel an der Informationsvermittlung, gelingt es den Autoren, ihre Welt interessant zu machen, und der Sprecher Bernd Stephan hat keinen geringen Anteil an der fließenden und unterhaltenden Atmosphäre, die die Aufmerksamkeit des Hörers durchaus zu binden vermag. Insgesamt dürfte der jugendliche Hörer gierig nach der nächsten Folge greifen, um das Schicksal des eingeschlossenen Anders mitzuerleben, doch täte eine energischere Raffung der Geschichte nur gut.

4 Audio CDs
Spieldauer: 4:51 Std.
ISBN-13: 978-3833721199
Gelesen von Bernd Stephan

Der Autor vergibt: (3/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Wolfgang und Heike Hohlbein – Anders 1: Die tote Stadt

Mit „Märchenmond“ ist dem Ehepaar Hohlbein einst der große Wurf gelungen. Seither präsentiert sich vor allem Wolfgang als äußerst produktiver Schreiberling, doch auch die Co-Produktionen mit seiner Frau Heike finden immer wieder großen Anklang. Mit „Anders“ verfassten sie ein weiteres Mal die Geschichte um einen Jugendlichen, der durch irgendwelche Umstände Zugang zu einem phantastischen Abschnitt der Welt erhält und dort gefährliche Abenteuer erlebt. Meist drehen sich diese Geschichten um nichts weniger als eine Bedrohung der Welt; ob das auch bei „Anders“ der Fall ist, bleibt nach dem ersten Band noch offen.

Anders ist anders. Natürlich. Und darüber wurden schon alle erdenklichen Sprüche geklopft, was ihn mittlerweile nicht mehr belustigt, sondern nervt. In ihm vereinigt sich sehr hohe Intelligenz mit Geld, denn sein Vater ist Führer eines großen, erfolgreichen Unternehmens. Dieses Jahr will Anders mit ihm und ihrem Angestellten Jannik Urlaub auf einer Yacht machen. Als Jannik ihn vom Internat abholt, ist er merkwürdig nervös – nicht ohne Grund, denn kaum besteigen die beiden die Privatcessna, werden sie von zwei Männern bedroht und zu einem unvorhergesehenen Kurs gezwungen. Der führt sie durch eine Gewitterfront in einem Gebirge, die selbst Jannik in Furcht versetzt.

Natürlich stürzt die Cessna ab. Nicht nur das Gewitter ist schuld, sondern auch ein merkwürdiger Hubschrauber, der im Anschluss auch eine Hetzjagd auf die beiden Überlebenden, Jannik und Anders, veranstaltet und – mit tödlichen Lichtstrahlen um sich schießt!

Außerdem hat es sie in einen unwirklichen Teil der Welt verschlagen, in eine düstere Ruinenstadt, menschenleer, ja, völlig tot erscheint sie Anders während ihrer Flucht.

Auf die Entführung sowie auf die außerirdisch anmutenden Hubschrauber und ihre schutzanzugverpackten Insassen wirft ein Geschehen ein veränderndes Licht: Einer der Männer deutet auf Anders, woraufhin kurz gestikuliert wird, ehe sie ihre tödliche Jagd umwandeln in eine Hatz, die ihn am Leben lassen soll. Und während Jannik erschossen vom Dach eines Hauses stürzt, entkommt Anders vorerst – mit Hilfe des ersten Wesens, auf das er hier stößt und das ihn in einen helleren Teil der toten Stadt bringt, in dem ihr „Volk“ lebt: grausige Missbildungen, Kreuzungen zwischen Menschen und allen möglichen Tierarten. Hier erlebt Anders den Kampf ums Überleben mit, und als eine überlegene Truppe riesenhafter Schweine auftaucht und brutal mordend durch die Stadt zieht, sucht er sein Heil in der Flucht …

Der Roman beginnt ein wenig langweilig mit der Einführung Anders‘ und seiner Eigenarten, seiner sozialen Einbindung (die eher mangelhaft ausfällt) sowie der recht unglaubwürdigen Mischung seiner Attribute. Man ist versucht, die ersten Seiten nur zu überfliegen, nur die handlungs- und dialogintensiven Abschnitte lassen die hohlbeinsche Erzählkunst durchblitzen und fangen den Leser immer wieder ein. Auch die amateurhaft durchgeführte Entführung und erst recht die zwar paranoide, aber auch gleichzeitig ahnungslose Art, mit der Anders und sein Diener in die Falle laufen, lassen einen unwillig die Stirn runzeln.

Mit dem Auftauchen der unbekannten Hubschrauber und der plötzlichen Nervosität Janniks ist dem Leser schon klar, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zu geht. Und sobald man die tote und versteckte Ruinenstadt erblickt, zweifelt man mit Anders an der Echtheit des Ganzen, da zumindest Satelliten von ihrer Existenz hätten wissen müssen. Hier bleibt die Erklärung, nämlich das dauerhafte schwere Gewitter, etwas mager.

Und plötzlich ist es soweit – man wird vom Strom der Erzählung erfasst und mit gerissen und findet sich, ohne es gemerkt zu haben, mitten in einer phantastischen Geschichte wieder, die es einem schwer macht, das Buch aus den Händen zu legen. Bis dahin zieht es sich gewaltig und man erwartet misstrauisch ständig neue klischierte Charakteristika, doch trotzdem schafft es das Autorenpaar, Spannung und Faszination zu erzeugen.

Bei den Charakteren sind es vor allem die beiden Schwestern, mit denen Anders eine merkwürdige Beziehung führt: Die eine, halb Katze (treffender Weise Katt genannt), rettet ihn mehrmals vor dem Tod und scheint sich auch sonst in ihn verliebt zu haben (und er natürlich umgekehrt auch). Die andere, halb Ratte (heißt natürlich Ratt), ist eifersüchtig und ärgert ihn, wo sie nur kann. Andererseits unterstützt sie ihn in seinen Versuchen, der kleinen Gruppe verstörend veränderter Wesen technische Erleichterung zu verschaffen oder auch an Informationen zu kommen, die ihm die Situation verstehen helfen könnten.

Die anderen Charaktere bleiben relativ blass, sie sind recht übliche Vertreter ihrer Stellung in solchen primitiven Gruppen: Der starke Anführer mit einem irgendwo verbuddelten Verständnis für die Protagonisten, der Stellvertreter, der ängstlich alles Neue ablehnt und mit Hass auf den Eindringling reagiert, die noch fremdartigeren Nachbarn, mit denen die Gruppe in Zwietracht liegt.

Das Eintreffen einer anderen Gruppe, die kräftiger, reicher und etwas technisierter sind, bringen eine Wendung in die Geschichte, die Anders in typischer Weise zur Flucht treibt – dass ihm dabei der Erfolg versagt bleibt und er mehr Kontakt zu den brutalen Schweinen (im wahrsten Sinne) bekommt, als ihm lieb ist, war auch keine Überraschung. Nur der radikale Cliffhanger am Ende des Buches ist so extrem, dass man das Buch auf keinen Fall eigenständig lesen kann. Es endet völlig abrupt mitten in der Handlung – warten wir also auf den zweiten Teil.

Dieser erste Teil beginnt sehr zäh, fängt sich aber überraschend und bietet ein spannendes Spektakel in einer phantastischen Umgebung. Von Anders‘ übermäßiger Intelligenz ist wenig zu bemerken, doch wird er recht sympathisch geschildert. Das radikal offene Ende ist etwas enttäuschend in diesem Moment, macht aber sehr gespannt auf den zweiten Teil, da man kurz vor einer scheinbar wichtigen Offenbarung steht.

Taschenbuch: 448 Seiten
Auflage: Februar 2010
ISBN-13: 978-3453533257

Der Autor vergibt: (3/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 2,00 von 5)

Bionda, Alisha / Kleudgen, Jörg – Seelentor, Das (Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik, Band 8)

Im letzten Band der Serie, [„Zorn des Drachen“, 5032 begann das Autorenduo Alisha Bionda und Jörg Kleudgen einen neuen Gegner für den Bund der Fünf und die Vampire im Allgemeinen vorzustellen: Ein geheimnisvoller Chinese pirschte sich an Dilara und ihre Gefährten heran und hatte offensichtlich nichts Gutes im Sinn. Bisher hielten sich die Autoren allerdings reichlich bedeckt zu der Frage, was es mit dieser neuen Unbekannten in der Welt der Schattenchronik auf sich hatte. Der achte Band der Serie, „Das Seelentor“, soll nun jedoch etwas Licht ins Dunkel bringen.

Lee Khan ist der Name des Drachens, der in London Unruhe in der Gemeinschaft der Vampire verbreitet. Wie ein Schnitter geht er durch ihre Reihen und befördert sie in die ewigen Jagdgründe, ohne dass jemand dazu fähig wäre, den Drachen aufzuhalten. Zu allem Überfluss entführt er dann auch noch Dilara ins ferne China, um den Bund zu spalten und ihre Freunde in eine Falle zu locken.

Natürlich ist Calvin, Dilaras Gefährte, außer sich vor Wut und Sorge. Zwar kann er selbst über diese Entfernung spüren, dass Dilara noch am Leben ist, doch ist der Drachen noch immer eine unbekannte Größe, und so ist es schwierig, seinen nächsten Schachzug vorherzusagen. Zusammen mit dem Cop Mick macht sich Calvin also nach China auf, um die Fährte des Drachen aufzunehmen und Dilara aus seinen Fängen zu befreien.

Dilara wiederum wird vom Drachen in einem fensterlosen Zimmer gehalten und bekommt von Zeit zu Zeit ein Kaninchen zugeschoben, damit sie nicht vollkommen vom Fleische fällt. Da sie nichts hat, womit sie sich die Zeit vertreiben könnte, erinnert sie sich an ihren ersten Besuch in China im Jahre 1908. Damals hatte sie Antediluvian ins Reich der Mitte geschickt, um der dort herrschenden Vampirin ein Geschenk zu überreichen. Dilara ist fasziniert von der vollkommen gegensätzlichen Kultur und lässt sich gern von Tai Xian, der Antediluvians Statthalter in Shanghai ist, führen, um diese fremde Welt zu erkunden. Gemeinsam reisen sie in die Verbotene Stadt, wo sie feststellen muss, dass dieses Zentrum chinesischer Macht ausschließlich von Vampiren bewohnt wird. Selbst Tze Hsi, die Nebenfrau des verstorbenen Kaisers, die nun die Geschicke des Landes führt, hat den Kuss der Verdammnis empfangen, und sie ist es, für die Antediluvians Geschenk bestimmt ist.

Tze Hsi findet Gefallen an Dilara (und ihrem Geschenk) und lädt sie ein, der Vernichtung einiger Vampire beizuwohnen, die die Gunst der Kaiserwitwe verloren haben. Die chinesischen Vampire bedienen sich dazu des Seelentors, durch das ein in Ungnade gefallener Vampir treten muss, um daraufhin ins ewige Nichts einzugehen. Die Vampire verschwinden einfach und niemand weiß so genau, was eigentlich mit ihnen geschieht. Das Schauspiel ist faszinierend und angsteinflößend zugleich.

Während Dilara also ihren Gedanken nachhängt, reisen Calvin und Mick nach Shanghai, um dort die Spur des Drachen aufzunehmen. Durch seinen Job bei der Polizei kann Mick der ganzen Sache einen halboffiziellen Anstrich verleihen, und so wird ihnen bei ihrer Ankunft die Geheimdienstlerin Suemi an die Seite gestellt, die sie bei ihren Ermittlungen unterstützen soll. Es dauert nicht lange, bis die beiden Männer wissen, wo der Drache zu finden ist. Doch Dilara zu befreien, wird sich schwierig gestalten, schließlich rechnet Lee Khan mit der Ankunft der beiden und sehnt sie sogar herbei. Die Befreiungsaktion der beiden ist das letzte Puzzlestück in Lee Khans Racheplan.

Nach dem eher beschaulicheren siebten Teil dreht die „Schattenchronik“ nun wieder auf und liefert mehr Action, mehr wechselnde Schauplätze und mehrere Zeitebenen, auf denen die Geschichte spielt. Bionda und Kleudgen haben sich diesmal China vorgenommen und entführen den Leser sowohl in das heutige Shanghai, das sich als pulsierende Metropole präsentiert, als auch in das vergangene Kaiserreich China, das exotisch und gleichzeitig gefährlich daherkommt. Wieder einmal sind diese Passagen das Highlight des Bandes – sie erweisen sich als gut recherchiert und überzeugend dargestellt. Besonders die Tatsache, dass die Autoren reale Personen in ihre Handlung einweben, macht die China-Passagen reizvoll.

Hinter dem schillernden China des beginnenden 20. Jahrhunderts verblasst das heutige Shanghai etwas, in das es Calvin und Mick verschlägt. Die beiden geben kein besonders gutes Team ab: Während Calvin von einer Depression in die nächste verfällt, weil er sich Sorgen um Dilara macht, versucht Mick mit coolen Sprüchen zu punkten, die zu salopp und gekünstelt für die eher ernste Situation wirken. Beide Charaktere verfallen in Extreme, die übertrieben wirken – der eine erscheint zu leidend, während der andere zu forsch wirkt. Ein wirklich gutes Gleichgewicht stellt sich nicht ein.

Auch der Drache Lee Khan gibt längst nicht alle seine Geheimnisse preis. Der Leser lernt zwar, warum er Rache an den Vampiren nehmen will, doch bleibt im Dunkeln, warum es gerade diese Vampire sein müssen. Ist Dilara persönlich für Lee Khans Unglück verantwortlich oder hofft er, die Vampirgemeinschaft völlig zu zerschlagen, indem er ihre Führer tötet? Lee Khan lässt sich nicht vollkommen in die Karten schauen, und so steht zu vermuten, dass der Leser noch nicht alles von ihm gesehen hat.

In guter Serienmanier dreht „Das Seelentor“ gerade am Schluss so richtig auf, wenn es zur Konfrontation zwischen den Vampiren und dem Drachen kommt. Der Showdown ist actionlastig und schnell, und mit sadistischer Freude reißen Bionda und Kleudgen auf der letzten Seite das Ruder noch einmal komplett herum und drehen die Handlung in eine neue beunruhigende Richtung. Wie immer darf man gespannt sein, wie Dilara und Calvin sich aus dieser misslichen Lage befreien!

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_Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik auf |Buchwurm.info|:_

Band 1: [„Der ewig dunkle Traum“ 1899
Band 2: [„Kuss der Verdammnis“ 1900
Band 3: [„Die Kinder der fünften Sonne“ 1949
Band 4: [„Blutopfer“ 1977
Band 5: [„Der Schattenkelch“ 2483
Band 6: [„Calvin“ 2490
Band 7:
[„Zorn des Drachen“ 5032
Band 9: [„Der Vampir von Düsseldorf“ 4100
Band 10: [„Vabanque“ 4787
Band 11: [„Der Sturz des Drachenthrons“ 4809

Bionda, Alisha / Kleudgen, Jörg – Zorn des Drachen (Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik, Band 7)

Der sechste Band der „Schattenchronik“ – [„Calvin“ 2490 – endete mit großen Umstürzen: Der Schattenkelch ist gefunden und entfaltet in einem Blutritual seine ganze Kraft. Aus Dilara, ihrem Gefährten Calvin, ihrem Bruder Guardian, dem Vampircop Mick und der unberechenbaren Vampirin Luna Sangue wird der Bund der Fünf. Solange der Bund einig ist, werden die Fünf wirklich unsterblich sein, und ihre Macht über die Vampire der Welt ist grenzenlos.

Guardian, der Besonnene und Nachdenkliche, ist sofort in seinem Element. Zusammen mit Dilara arbeitet er an einer Art Gesetzessammlung für Vampire und lädt die Ältesten ein, zusammen mit dem Bund so etwas wie den Bundestag der Vampire zu bilden.

Lunas Konzentration ist während dieser Formungsphase etwas abgelenkt: Ein Unbekannter versucht ihr Kosmetikimperium zu unterwandern. Es sind bereits Nachahmerprodukte ihrer überaus erfolgreichen LUNATICS-Reihe auf dem Markt aufgetaucht, und es wird höchste Zeit, dass sie dem Problem ihre ganze Aufmerksamkeit schenkt. Dazu stellt sie einen neuen Mitarbeiter – Mike O’Connell – ein, der mit allen verfügbaren Mitteln zum Kern der Wirtschaftsspionage vordringen soll.

Auch Calvins Freude über die Bildung des Bunds der Fünf ist getrübt. Ihn plagt die Tatsache, dass er praktisch nichts über seine Mutter und deren Familie weiß. Nach dem Bruch mit seinem Vater fühlt er sich – abgesehen von Dilara – vollkommen allein gelassen und wünscht sich nichts sehnlicher als seine Familie ausfindig zu machen. Er hat jedoch wenig mehr als nebulöse Erinnerungen: Diese führen ihn in ein verschlafenes Nest in Wales, wo er hofft, mit seinen Nachforschungen, wenn nicht auf seine Mutter, so doch wenigstens auf den Rest seiner Familie mütterlicherseits zu stoßen.

All diese Vorkommnisse werden jedoch überschattet von einer Reihe von Morden in der Vampirgemeinde. Jemand will den Untoten wohl wirklich ans Leder, doch lange bleiben sein Name und seine Motivation im Dunkeln. Nur eines ist schnell klar: Sein Zeichen ist ein Drache.

Nachdem der „Schattenkelch“ nun die fünf Hauptcharaktere der Serie in einem machtvollen Bund vereint, könnte man annehmen, dass Ruhe in Dilaras Leben einkehrt. Und tatsächlich startet „Zorn des Drachen“ durchaus gemächlich. Die neue Situation in der Gemeinschaft der Vampire will erkundet und ausgelotet werden. Es gilt, neue Regeln des Zusammenlebens aufzustellen und seinen Platz in der veränderten Hierarchie zu finden. So ganz trauen sich die fünf Bündler allerdings nicht über den Weg. Besonders die undurchschaubare Luna Sangue ist den anderen vier ein Dorn im Auge. Sie halten sie für die Schwachstelle im Bund, müssen sie doch jederzeit damit rechnen, dass Luna sich entscheidet, fortan doch nur ihre eigenen Ziele zu verfolgen. Sollte das geschehen, wäre die Macht des Bundes zerschlagen und keiner der fünf könnte künftig vom Schattenkelch profitieren.

In „Zorn des Drachen“ gibt es – und das ist ungewöhnlich für die „Schattenchronik“ – keinen zweiten Handlungsstrang, der in Rückblenden erzählt wird. Ausnahmsweise widmen sich Alisha Bionda und Jörg Kleudgen nicht fremden Kulturen und vergangenen Zeiten, um Dilaras Unleben auszuloten. Stattdessen konzentriert sich das Autorenduo auf Calvin, der allein nach Wales reist, um dort Näheres über seine Familie zu erfahren. Diese Passagen sind die besten und spannendsten des Romans – denn im Gegensatz zur nur angedeuteten Gefahr des titelgebenden Drachen gelingt es ihnen, den Leser sofort zu fesseln. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Calvin eine Reise in die Vergangenheit unternimmt. Brynddumaen, der kleine Küstenort, den Calvin in Wales besucht, erscheint dem Leser fast wie unter einer Glasglocke konserviert. Die Urlaubssaison ist vorüber und die Bürgersteige wurden hochgeklappt. Kaum jemand lässt sich in dem Örtchen blicken. Die meisten Hotels scheinen bereits für den Winter geschlossen zu haben. Calvin kommt in einem Hotel unter, das offenbar auch schon bessere Tage gesehen hat – man sieht förmlich den Staub im faden Sonnenlicht tanzen. Nur noch ein Angestellter ist anzutreffen und Calvin ist der einzige Gast. Das Hotel wird sein Hauptquartier, von dem aus er seine Nachforschungen anstellt. Bald stößt er auf erste Anzeichen, dass die Familie seiner Mutter tatsächlich aus dieser Gegend stammt. Außerhalb des Ortes lebte sie zurückgezogen in einem Haus am Meer, das in einem tragischen Feuer komplett zerstört wurde. Doch was hatte das Feuer verursacht?

Die Kapitel in Wales atmen Lokalkolorit. Sie machen schon durch das leicht staubige und gottvergessene Ambiente unglaublich Spaß, denn als Leser hat man fast das Gefühlt in einem Horrorfilm aus den 50ern gelandet zu sein, in dem es Protagonisten in ein menschenleeres Hotel verschlägt. Und auch das Geheimnis, das Calvin im Verlauf des Romans aufzudecken beginnt, passt sich in diese Gefühlswelt ein. Dahinter verblassen allerdings die anderen Handlungsstränge des Romans. Gerade der Drache, der Vampire mordend durch London zieht, ist bisher nicht mehr als ein Schemen. Seine Identität wird nicht preisgegeben – ein Vergnügen, das sich Bionda und Kleudgen offenbar für den nächsten Band aufheben -, und so bleibt dem Leser nichts anderes übrig als Vermutungen anzustellen. Aber auch das ist schließlich ein Teil der Lektüre, der ungemein Spaß machen kann!

„Zorn des Drachen“ entbehrt eines wirklichen „Gegners“. Die Autoren Alisha Bionda und Jörg Kleudgen konzentrieren sich im Gegenzug auf ihre Charaktere und versuchen, sie im siebten Band der „Schattenchronik“ etwas mehr auszuleuchten und ihnen mehr Tiefe zu geben. Das bietet dem Leser eine wohlverdiente Verschnaufpause zwischen den actiongeladenen Teilen der Romanserie. Denn vermutlich wird es schon im Nachfolger, „Das Seelentor“, wieder heiß hergehen.

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_Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik auf |Buchwurm.info|:_

Band 1: [„Der ewig dunkle Traum“ 1899
Band 2: [„Kuss der Verdammnis“ 1900
Band 3: [„Die Kinder der fünften Sonne“ 1949
Band 4: [„Blutopfer“ 1977
Band 5: [„Der Schattenkelch“ 2483
Band 6: [„Calvin“ 2490
Band 9: [„Der Vampir von Düsseldorf“ 4100
Band 10: [„Vabanque“ 4787
Band 11: [„Der Sturz des Drachenthrons“ 4809

Bionda, Alisha / Kleudgen, Jörg – Blutopfer (Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik, Band 4)

Dilara ist schockiert. Was sie Calvin über ihre Reise nach Italien, über Gelophee und Cippico berichtet hat, sind Ereignisse, an die sie sich bisher gar nicht erinnern konnte! Sie vermutet zunächst ihren damaligen kleinwüchsigen Diener als Ursache dieses Übels, doch welche Motivation könnte er gehabt haben? Und dann stellt sich heraus, dass Dilaras Amnesie viel tiefer reicht …

Im vierten Band der „Schattenchronik“ mit dem Titel „Blutopfer“ reisen wir wieder zurück in die Vergangenheit, und langsam dürfen wir die ersten Blicke auf alte Hochkulturen werfen, die mit der Geschichte der Vampire scheinbar unlösbar verbunden sind. Diesmal geht es nämlich nach Mexiko, tief ins Reich der Atzeken.

1895 begleitete Dilara den Londoner Archäologen Roger Gallet auf seiner Expedition zu der geheimnisvollen Atzeken-Stadt Aztlan. Die erste Überraschung: Die verschollene Stadt existiert tatsächlich und ist immer noch bewohnt. Die zweite Überraschung: Dilara stellt verwundert fest, dass sie die Sprache der Einwohner nicht nur versteht, sondern auch fließend spricht. Könnte das mit dem geheimnisvollen Kind zusammenhängen, das einst in der Aztekenstadt geboren wurde? Was macht Dilara so besonders? Ist sie eine Schlüsselfigur in der ominösen Schattenchronik? Kann sie Prophezeiungen erfüllen, oder soll sie sie doch eher verhindern? All dies bleibt uns weiterhin verborgen – und so heißt es, weiterlesen!

Dilara hatte sich nach Mexiko begeben, um Antworten zu finden auf Fragen, die sie nicht genau formulieren konnte. Doch was sie schließlich an ihrem Ziel findet, soll all ihre Vermutungen übertreffen. Nicht zufällig wird nämlich in Aztlan der Blutopfer-Kult zelebriert. Man ahnt es schon: Dilara ist nicht der einzige Vampire dort. Und so landet sie bald Hals über Kopf in einem Abenteuer, bei dem es nicht nur ihr, sondern auch Gallet an den Kragen geht.

Die „Schattenchronik“ erweist sich mit jedem neuen Band – „Blutopfer“ ist schließlich schon der vierte – erneut als literarische Zwiebel. Alisha Bionda und ihre wechselnden Gastautoren verstehen es mühelos, mit jedem neuen Roman (und damit jedem neuen Abenteuer) eine Haut der Zwiebel abzustreifen und dafür eine neue Haut zu enthüllen, die auf neue, noch mysteriösere Geheimnisse schließen lässt: getreu dem Gesetz der Serie, immer mehr Fragen aufzuwerfen als beantwortet werden. Und so lösen sich zwar einige Fragen zu Dilaras Ursprung und der Mythologie der Vampire im Allgemeinen, doch sollte das nicht dazu verführen zu glauben, man wüsste nun, wohin die Reise geht! Mit Sicherheit hat die „Schattenchronik“ noch mehr in petto.

Wie auch schon in „Der Kuss der Verdammnis“ und „Die Kinder der fünften Sonne“ ist „Blutopfer“ sauber recherchiert. Man merkt der Romanreihe das Interesse an anderen Zeiten und Kulturen an, was der Handlung und den Charakteren die nötige Tiefe gibt, um auf lange Sicht interessant zu bleiben. Bisher durfte der Leser zusammen mit Dilara London, Italien und Mexiko erleben – da gibt es also noch einiges zu entdecken; die Welt ist schließlich groß!

Stilistisch unterscheidet sich „Blutopfer“ sehr vom Vorgängerband. Trotz der zwei Erzählebenen ist der Roman rein sprachlich weniger experimentell und bewegt sich auf eher bekannten Pfaden. Es geht also geradliniger voran, was allerdings nur für die Sprache gilt, nicht für die Handlung! Bionda/Kleudgen haben großes Vergnügen daran, durch die Jahrhunderte und Handlungsebenen zu springen, Verbindungen zu ziehen und Andeutungen zu machen. So wird natürlich Spannung aufgebaut, aber die „Schattenchronik“ verlangt auch einen aufmerksamen Leser. Schließlich macht die Lektüre ungleich mehr Spaß, wenn man die Andeutungen der bisherigen Bände in zukünftigen Romanen dann endlich zu deuten weiß.

Zugegeben, die Azteken haben mich weit weniger begeistert als beispielsweise Dilaras Fahrt durchs mediterrane Italien im letzten Band. Doch dies ist eine rein subjektive Präferenz und ich bin sicher, dass Fans der Azteken oder der Geschichte Mexikos an „Blutopfer“ besonderen Spaß haben werden. In jedem Fall war es eine originelle Idee, Dilara auf der Suche nach ihrer Geschichte gerade dorthin zu führen. Anne Rice verortete seinerzeit den Ursprung der Vampire ins Alte Ägypten. Mal sehen, wohin uns die „Schattenchronik“ in dieser Hinsicht noch führt!

Und da uns Bionda/Kleudgen am Ende von „Blutopfer“ mit einem ordentlichen Cliffhanger zurücklassen, empfiehlt es sich unbedingt, gleich in Band fünf weiterzulesen. Es kann dem BLITZ-Verlag nicht nachgesagt werden, seine Leser nicht bei Laune zu halten!

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E.-E., Marc-Alastor – Kinder der fünften Sonne, Die (Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik, Band 3)

Eine Romanserie über eine Vampirin – die Idee ist so einfach wie genial. In Einzelbänden verschiedener Autoren verfolgt man so Dilaras (eben jene Vampirin) Reise durch die Jahrhunderte, ihre Abenteuer und ihre Bekanntschaften. Unter Wolfgang Hohlbeins schützender Hand erscheint genau diese Serie unter dem Titel „Schattenchronik“ im BLITZ-Verlag und verspricht nicht nur reichhaltiges (mittlerweile ist der sechste Band erschienen), sondern auch abwechslungsreiches Lesefutter.

Marc-Alastor E.-E. zeichnet für den dritten Band, „Die Kinder der fünften Sonne“, verantwortlich und enthüllt auf 330 spannenden Seiten mehr von Dilaras Vergangenheit, wobei – in guter Serientradition – mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet werden. Wir befinden uns im Frankreich des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Dilara und ihr zwergenwüchsiger Diener Cippico versuchen, in einem urigen Hotel in Avignon auszuspannen. Doch dieser Plan wird schnell von Antediluvian vereitelt, der Dilara zu sich ruft, um sie zu beauftragen, den Codex Vaticanus aus einem römischen Geheimarchiv zu beschaffen. Was bleibt Dilara anderes übrig als zuzustimmen – wäre jede andere Entscheidung ihrer Gesundheit doch kaum zuträglich. Selbst so kann sie nur knapp mit ihrem (Un)Leben entkommen.

Zurück im Hotel, wird sie von der so geheimnisvollen wie schönen Gelophee Roche davor gewarnt, sich mit Antediluvian einzulassen. Doch enthüllt die Rosenkreuzerin auch, dass sie Informationen besitzt, wie man an den ominösen Codex Vaticanus gelangen kann. Und so begibt sich eine Zweckgemeinschaft, bestehend aus Dilara, Cippico und Gelophee (zunächst gefesselt), auf eine lange Zugreise nach Rom. Natürlich verläuft diese alles andere als beschaulich. Zwischen den Dreien gibt es immer wieder Spannungen, ist doch nicht ganz klar, ob Gelophee, die ihre Hilfsbereitschaft immer wieder beteuert, tatsächlich zu trauen ist. Darüber hinaus wird Dilara von ihrem abgelegten Liebhaber verfolgt, der offensichtlich noch ein Hühnchen mit ihr zu rupfen hat.

Ob es die Drei nach Rom schaffen, ob sie den Codex Vaticanus ausfindig machen können, was in ihm steht und was Antediluvian wohl mit diesen Informationen anzufangen wünscht – das lese am besten jeder selbst.

In Band zwei, „Kuss der Verdammnis“, verließen wir Dilara im London der heutigen Zeit. Band drei macht also einen gewaltigen Sprung rückwärts und beleuchtet Dilaras Vergangenheit und ihre (schon immer) gestörte Beziehung zu Antediluvian. Außerdem werden einige mysteriöse Informationsbrocken eingestreut, die mehr als neugierig darauf machen, wie sich die Vampirmythologie der „Schattenchronik“ wohl genau gestalten wird. Sicher scheint eins: In zukünftigen Bänden werden wohl einige alte Hochkulturen wieder aufleben!

Marc-Alastor E.-E. malt ein sehr genaues, wenn auch verstörendes Bild von Dilara. Sie selbst scheint sich als durchaus empfindsam wahrzunehmen, wenn sie sich ihrer vampirischen Natur auch ständig bewusst ist. Doch auf ihre Umwelt (selbst auf ihren Diener Cippico) wirkt sie gefährlich, angsteinflößend und doch betörend. Der geneigte Leser jedoch ist uneingeschränkt fasziniert – von Dilaras Gefühlsschwankungen, ihren Wutausbrüchen, ihrer aufbrausenden Art.

„Die Kinder der fünften Sonne“ ist auch stilistisch eine Kehrtwende vom Vorgängerband. Marc-Alastors geradezu historisch anmutende Sprache mag gewöhnungsbedürftig sein. Es kommt schließlich nicht häufig vor, dass man in einem aktuellen Roman Worte wie „itzt“ oder „alsdann“ liest. Je weiter man jedoch in die dichten Sprachgebilde des Autors vordringt, desto mehr weiß man sie zu schätzen. Rein sprachlich ist „Die Kinder der fünften Sonne“ ein wahres Vergnügen. Da ist jedes Wort am richtigen Platz. An jedem Satz wurde bis zur Perfektion gefeilt. Und wenn Marc-Alastor so richtig aufdreht, dann entstehen surreale Wortwelten, die den Leser eintauchen lassen in den Roman – mehr aber noch in die Wunderwelt der Sprache.

Was den dritten jedoch augenfällig mit dem zweiten Band verbindet, ist die Freude an den sich verändernden Settings. Schon in „Kuss der Verdammnis“ entführte Alisha Bionda den Leser ins historische und heutige London. Marc-Alastor E.-E. tut nun selbiges mit Italien. Neben der spannenden Handlung macht es ebenso Spaß, den Roman als Reiseführer zu lesen, haben die Charaktere doch während ihrer Zugreise (wenn sie nicht gerade verfolgt werden) ausreichend Muße, die vorbeiziehende Landschaft zu betrachten. Und dann stoßen in einer kurzen Passage auch noch zwei besondere Personen dazu (wer, soll hier nicht verraten sein), die noch eine ganz andere Art zu sehen propagieren. Solch angenehme Überraschungen in einem fantastischen Roman darf es ruhig öfter geben!

Auch für den dritten Band der Serie kann damit eine uneingeschränkte Leseempfehlung ausgesprochen werden. Hoffen wir, der Romanzyklus kann die Spannung halten!

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Bionda, Alisha – Kuss der Verdammnis (Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik, Band 2)

Wolfgang Hohlbeins „Schattenchronik“ geht mit „Kuss der Verdammnis“ in die zweite Runde. Oder, um es anders auszudrücken: Mit dem zweiten Roman legt die Serie um die 400 Jahre alte Vampirin Dilara erst so richtig los. Eröffnet wurde die Serie nämlich mit [„Der ewig dunkle Traum“, 1899 einer Anthologie von Horror- und Fantasyerzählungen, in denen Dilara, die Heldin der Serie, nur eine untergeordnete Rolle spielte. Wolfgang Hohlbein stellte sie in der Titelerzählung dem geneigten Lesepublikum vor. Alisha Bionda bringt sie uns in „Kuss der Verdammnis“ nun endlich näher.

Wir befinden uns im London der Gegenwart. Dilara lebt, recht einsam und verlassen, in einer alten Villa am Hyde Park und weigert sich, sich dem Urvampir Antediluvian anzuschließen, der sie einst zur Untoten machte. Dilara widersetzt sich dem gängigen vampirischen Regelwerk, auch wenn dem Leser bisher noch verborgen bleibt, um was für Regeln es sich dabei genau handelt. Wenn Dilara die Langeweile packt, besucht sie die Galerie des Aplsey House und schaut sich in der Ecke für gehängte Verbrecher ihr eigenes Porträt an. Die „doppelte Dilara“ fällt einem gewissen Roderick auf, der sich sofort unsterblich in die Unbekannte verliebt und es sich zur Aufgabe macht, mehr über sie zu erfahren. Doch scheinbar hat er sich damit mehr eingehandelt, als er bewältigen kann. Denn dieser Kontakt mit der dunklen Seite ruft Gefühle und Erinnerungen wach, die lieber vergessen hätten bleiben sollen.

Währenddessen lernt Dilara auf einem Trödelmark den Buchhändler Calvin kennen; ein Mann ganz nach ihrem Geschmack. Die beiden werden ein Paar und schließlich macht sie Cal zu ihrem Gefährten. Die Idylle hält jedoch nicht lang. Antediluvian fordert Gefolgschaft – ein Aufruf, dem Dilara immer noch nicht nachkommen will. Eine offene Auseinandersetzung steht damit kurz bevor …

Dilara ist eine Protagonistin, mit der sich der Leser sicherlich schnell anfreunden wird. Natürlich ist sie schön: Lange Haare, grüne Augen und exotische Kleider gehören selbstverständlich zum Standardrepertoire. Sie ist verführerisch und doch keineswegs eine Männerfresserin. Sie selbst ist innerlich zerrissen, ihre lange Existenz hat sie bitter und pessimistisch gemacht. Dilara ist Alisha Biondas große Stärke. Es ist kaum zu übersehen, dass die Autorin auf ihren Hauptcharakter viel Zeit verwendet hat. Sie ist der dreidimensionalste und überzeugendste Charakter in „Kuss der Verdammnis“, dicht gefolgt von Roderick, der langsam vom Wahnsinn zerfressen wird. Daneben bleibt Cal seltsam farblos, wohl weil er bisher hauptsächlich im Schatten Dilaras steht – etwas, das sich sicher in späteren Bänden ändern wird.

Biondas Charaktere sind in ein sehr lebendiges London eingebettet. Besonders Dilara, mit ihren 400 Jahren Lebens- und Geschichtserfahrung, weiß viel zu berichten, und so erfährt selbst der gut informierte Londontourist noch etwas Neues, wobei Bionda es aber immer vermeidet, oberlehrerhaft zu klingen oder solche Passagen als reine Füller einzubauen. Die farbenfrohen Beschreibungen Londons (und auch des London Below, wie Neil Gaiman wohl Biondas Schattenwelt unter Londons Tempeln der Macht nennen würde) unterstützen die Geschichte, sie behindern sie nicht.

Da es sich bei „Kuss der Verdammnis“ erst um den zweiten Band einer Serie handelt (sechs sind bisher lieferbar), scheint Alisha Bionda besonderes Vergnügen daran zu finden, den Leser mit Anspielungen neugierig zu machen. So erfahren wir, gerade über die offensichtlich stark reglementierte Vampirkultur, nur wenig. Wir wissen, Antediluvian ist das Oberhaupt der Londonder Vampire (oder der Vampire überhaupt?), doch seine Geschichte bleibt bisher im Dunkeln, ebenso wie seine genaue Verbindung zu Dilara und was die beiden schlussendlich auseinander getrieben hat. Bionda wirft dem Leser Häppchen zu, kleine Informationsschnipsel, die sich jedoch bisher noch zu keinem ganzen Bild zusammenfügen lassen. Es bleibt also spannend – zumindest ist nicht zu befürchten, dass Alisha Bionda und ihren Gastautoren in absehbarer Zeit die Ideen ausgehen werden!

„Kuss der Verdammnis“ ist also ein Buch, das man nur ungern aus der Hand legt: Es ist kurzweilig, spannend und flüssig geschrieben. Die Charaktere sind glaubhaft und agieren in einer lebendigen Kulisse. Bewusste Löcher in Handlung oder Hintergrund werden an strategisch günstiger Stelle platziert, um die Neugier des Lesers zu wecken – ein Unterfangen, das mehr als gelingt. Eine uneingeschränkte Leseempfehlung!

Bionda, Alisha / Borlik, Michael (Hrsg.) – ewig dunkle Traum, Der (Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik, Band 1)

Dämonenjäger, Vampire, Zombies, Mumien, wiederauferstandene Tote, ekelerregende Monster – das ist der Stoff, aus dem die Träume des Horrorliebhabers gemacht sind. „Der ewige dunkle Traum“, eine Anthologie, herausgegeben von Alisha Bionda und Michael Borlik, entführt meisterlich in die dunklen Abgründe menschlicher Existenz und deckt durch die Auswahl der Erzählungen ein breites Spektrum bekannter Gruselmotive ab.

Sechzehn Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen – mit einer Länge von zwei bis fünfzig Seiten – füllen den umfangreichen Band, und als kleine Draufgabe gibt es am Schluss noch kurze Essays zu dunklen Themen wie Vampiren, Werwölfen oder dem ägyptischen Totenkult.

„Der ewig dunkle Traum“ ist der Auftakt zu der von Wolfgang Hohlbein herausgegebenen „Schattenchronik“, einer Romanserie beim |BLITZ|-Verlag, die die Vampirin Dilara durch die Jahrhunderte begleiten soll. Zusammen mit Alisha Bionda wird jeweils ein Gastautor für einen Roman der Serie verantwortlich zeichnen und so – hofft zumindest der Leser – vergangene Jahrhunderte wieder auferstehen lassen. Die hier vorliegende Anthologie jedoch soll den geneigten Leser zunächst neugierig machen, in geheimnisvolle Welten entführen und Autoren des deutschen Fantasy- und Horrorgenres vorstellen: ein Vorhaben, das grandios gelingt!

Wolfgang Hohlbein, seines Zeichens Vielschreiber und ungekrönter König der deutschen Fantasy, leiht der „Schattenchronik“ seinen Namen. Und er bringt die Kugel ins Rollen, denn in der Titelgeschichte „Der ewig dunkle Traum“ aus seiner Feder begegnen wir Dilara zum ersten Mal. Da ist sie noch menschlich und erlebt ihren ersten Zusammenstoß mit den Wesen, die in den Schatten hausen. Ein Vampir nähert sich ihr, kennt sie scheinbar. Und ja, etwas beginnt sich in Dilaras Gedächtnis zu regen. Unbekannte Namen plagen sie, halbe Erinnerungen, die sie nicht zuordnen kann, und so fürchtet sie den Abstieg in den Wahnsinn. Eine wunderbare Novelle, die vieles nur anreißt und so nur noch neugieriger darauf macht, wie es denn nun mit Dilara weitergeht.

Die Qualität der in die Anthologie aufgenommenen Geschichten ist durchweg hoch. Nie hat man das Gefühl, einen Autor vor sich zu haben, der sein Handwerk nur halb versteht. Dazu kommt, dass thematisch für jeden Leser etwas dabei sein dürfte. Es gibt die verschiedensten Vampire, Geister und sonstigen Schattenwesen – bekannt oder unbekannt – zu entdecken. Einige der (meiner Ansicht nach) gelungensten Erzählungen sollen hier kurz erwähnt werden.

Da wäre zunächst Eddie E. Angerhubers „Das Nachtbuch“, die mit der Widmung an E.A.P. und T.L. schon zeigt, wohin uns Angerhuber entführen will. Hier wird das Spiel um die wiedererweckte Geliebte, das besonders Poe so gern betrieb, bis zu Ende gespielt. Ein Paar; er offensichtlich ein obsessiver Liebhaber, sie die Leiche, aufbewahrt und wiedererweckt zu seinem Vergnügen. Gerade die Anspielungen zu Poes „Berenice“ sind kaum zu übersehen. Die Erzählung lässt noch einmal die Schönheit des Todes auferstehen, die in der Literatur des 19. Jahrhunderts so beliebt war. Die sehr suggestige Prosa tut ein Übriges.

Alisha Biondas Erzählung „Seelenpfand“ ist ebenfalls technisch überzeugend. Die reine Form der Geschichte ist originell, ebenso wie Biondas Interpretation des Seelenvampirs. Diese Form des Vampirs, der seinem Opfer die Lebenskraft aussaugt, ist an sich keine neue Erfindung. Doch fragt sich Bionda: Wo fängt ein Seelenvampir an? Ist er überhaupt ein übernatürliches Wesen oder nur eine Metapher für einen verzehrenden Menschen, dessen Liebe seinem Gegenüber geradezu die Lebensenergie aussaugt? Und so bleibt es dem Leser überlassen, ob „Seelenpfand“ nun eine übernatürliche Erzählung oder die psychologische Betrachtung einer (zu?) intensiven Liebesbeziehung ist.

Frank H. Haubolds „Die Stadt am Fluss“ ist von einem gänzlich anderen Kaliber. So realistisch und beschaulich die Geschichte auch beginnt, so steigert sie sich doch unweigerlich ins Bedrohliche und Surreale. Haubolds Protagonist Robert begibt sich auf eine Reise in seine provinzielle Heimatstadt, ein Ort, in den er seit Jahren keinen Fuß mehr gesetzt hat. Doch seine Reise in die Vergangenheit wird bald zu einer Reise ins Verderben, denn was einmal verloren ist, das kann nicht so einfach wiederbeschafft werden. Roberts Suche nach seiner verlorenen Jugend scheitert nicht nur, sie endet in einer Katastrophe. Erscheint Robert die Stadt zunächst nur einsam, so wird die Atmosphäre bald unheilschwangerer. Die Straßen sind verlassen, das Haus seines ehemaligen Schulfreundes verwahrlost. Und als die Dunkelheit hereinbricht, wird er gar von einem Rudel streunender Hunde angefallen. Und was hat es mit seiner Jugendliebe Sara auf sich, die eines Tages spurlos verschwand? Als Schmankerl ist die Geschichte von musikalischen Anspielungen durchzogen, versorgt Roberts Autoradio ihn doch nicht nur ständig mit Musik, sondern lockt in schließlich auch in die zuschnappende Falle. Und so dröhnt nicht nur Jim Morrison aus den Boxen, sondern gar „In a Gada da Vida“- die Langversion wohlgemerkt!

Abschließend sei noch Christel Schejas „Der Verfluchte von Tainsborough Manor“ erwähnt, eine Liebeserklärung der Autorin an die schwarze Romantik. An der walisischen Küste lässt sie die Stimmung der Schauergeschichten des 19. Jahrhunderts wiederauferstehen, ganz im Stile der damaligen Größen wie Byron und Shelley. Selbst ihr Vampir hat grüne Augen, ein kleines aber feines Detail, das Liebhaber zum Schmunzeln bringen wird. Doch anstatt bei den tatsächlich blutrünstigen Vampiren des 19. Jahrhunderts stehen zu bleiben, vermischt sie Elemente der schwarzen Romantik mit der modernen Vorstellung vom Vampir als sensiblem Einzelgänger und schreibt eine überzeugende Erzählung, ohne jemals in den Kitsch abzurutschen.

Über „Der ewig dunkle“ Traum gibt es noch viel zu sagen, vereint die Anthologie doch Geschichten von Markus Heitz, Eddie M. Angerhuber, Mark Freier, Alisha Bionda, Armin Rößler, Frank H. Haubold, Dominik Irtenkauf und Javier Hurtado, Wolfgang Hohlbein, Barbara Büchner, Marc-Alaster E.-E., Michael Borlik, Boris Koch, Linda Budinger, Christel Scheja und Markus K. Korb. Es soll an dieser Stelle jedoch genügen, zu versichern, dass die Anthologie 400 Seiten reinstes Lesevergnügen bietet. Da ist garantiert für jeden Geschmack etwas dabei – Gänsehaut garantiert!

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