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Iain M. Banks – Vor einem dunklen Hintergrund. Zukunftsroman

Ins Chaos

Sharrow war einst Anführerin einer schlagkräftigen Kampftruppe in einem kleinen Handelskrieg. Sie lebt auf dem Planeten Golter im Exil, wo ein Glasstrand noch von älteren Kämpfen zeugt. An diesem Strand bemerkt sie, dass sie von den Huhsz verfolgt wird, einer fanatischen religiösen Gruppe, die ihren Tod fordert. Vorerst bleibt ihr allein die Flucht. Aber sie macht sich auf die Suche nach einer der legendären, verfemten apokalyptischen Waffen der Vergangenheit: einer Lazy Gun. Ihre abenteuerliche Reise, die sie durch das ganze Golter-System führt, wird zu einem Wettlauf mit den Fundamentalisten, die gnadenlos Jagd auf sie machen und bereit sind, die Apokalypse zu entfesseln … (Verlagsinfo)

Ausnahmsweise spielt dieser SF-Roman nicht in Banks‘ Culture-Universum. Anders als in „Exzession“ kommen hier weder intelligente Drohnen noch Agenten der BG vor. Das könnte ein Grund sein, warum das menschliche Ausmaß der Tragödie umso stärker betroffen macht – vorausgesetzt, der Leser ist in der Lage oder bereit, sich mit der Heldin Sharrow zu identifizieren. Da die Welt und die Handlung sowie alle Charaktere aus Sharrows Sicht gesehen werden, sollte die Identifizierung nicht schwer fallen.

Der Autor

Iain Banks ist der wahrscheinlich bedeutendste schottische Schriftsteller der Gegenwart. Seine Mainstream- und Science-Fiction-Romane befassen sich mit aktuellen Themen, sein SF-Zyklus über das Culture-Universum gehört zu den wichtigsten Werken des Genres. Er starb 2013.
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Iain M. Banks – Exzession. Ein Roman aus dem KULTUR-Universum

Der Autor erhielt für diesen Roman 1998 den British Science Fiction Award. Banks ist inzwischen der erfolgreichste SF-Autor von den Britischen Inseln.

Exzession (englischer Originaltitel Excession) ist ein 1996 erschienener Science-Fiction-Roman von Iain M. Banks. Auf Deutsch erschien der Roman zuerst 1997 als Hardcover unter dem Titel „Die Spur der toten Sonne“, erst die Taschenbuchausgabe von 2002 hieß „Exzession“. „Exzession“ ist der vierte Roman, den Banks innerhalb seines Kultur-Zyklus veröffentlichte.

Dieses Buch erschien anno 1997 als Hardcover-Ausgabe in der normalen |Heyne|-Kategorie – natürlich wurde es dort ein ziemlicher Flop. Bei diesem Roman handelt es sich um pure Science-Fiction – dementsprechend erschien es nun bei Heyne in der richtigen Reihe. Außerdem wurde dem Titel eine schöne neue Illustration spendiert, die durchaus zum Lesen animiert. Sie erinnert im Stil an die Planetenromane Ben Bovas – keine schlechte Empfehlung.

Der Autor

Iain Banks ist der wahrscheinlich bedeutendste schottische Schriftsteller der Gegenwart. Seine Mainstream- und Science-Fiction-Romane befassen sich mit aktuellen Themen, sein SF-Zyklus über das Culture-Universum gehört zu den wichtigsten Werken des Genres. Er starb 2013.

Folgende Bücher gehören zum Kultur-Zyklus (deutsch alle im Heyne Verlag erschienen) (Quelle: Wikipedia.de):

Consider Phlebas (1987)
Deutsch: Bedenke Phlebas. Übersetzt von Rosemarie Hundertmarck. Heyne SF&F #4609, 1989, ISBN 3-453-03479-1.
The Player of Games (1988)
Deutsch: Das Spiel Azad. Übersetzt von Rosemarie Hundertmarck. Heyne SF&F #4693, 1990, ISBN 3-453-04275-1.
Use of Weapons (1990)
Deutsch: Einsatz der Waffen. Heyne SF&F #4903, 1992, ISBN 3-453-05826-7.
The State of the Art (Erzählungen, 1991)
Deutsch: Ein Geschenk der Kultur. Übersetzt von Irene Bonhorst. Heyne SF&F #4904, 1992, ISBN 3-453-05827-5.
Excession (1996)
Deutsch: Die Spur der toten Sonne. Übersetzt von Irene Bonhorst. Heyne, 1997, ISBN 3-453-12909-1. Auch als: Exzession. Heyne SF&F #6392, 2002, ISBN 3-453-19679-1.
Inversions (1998)
Deutsch: Inversionen. Übersetzt von Irene Bonhorst. Heyne SF&F #6346, 2000, ISBN 3-453-16198-X.
Look to Windward (2000)
Deutsch: Blicke windwärts. Übersetzt von Irene Bonhorst. Heyne SF&F #6443, 2003, ISBN 3-453-87066-2.
Matter (2008)
Deutsch: Sphären. Übersetzt von Andreas Brandhorst. Heyne SF & F #52500, 2008, ISBN 978-3-453-52500-9.
Surface Detail (2010)
Deutsch: Krieg der Seelen. Übersetzt von Andreas Brandhorst. Heyne, 2012, ISBN 978-3-453-52871-0.
The Hydrogen Sonata (2012)
Deutsch: Die Wasserstoffsonate. Heyne, 2014, ISBN 978-3-453-31546-4.

Handlung

Das Buch hat eine Haupt- und eine Nebenhandlung. Im Universum der „Kultur“ leben biologische und elektronische Intelligenzen einträchtig/utopisch zusammen, meistens. Die KIs werden als „Minds“ bezeichnet und kommt vor allem in Form von Raumschiffen vor, die es natürlich in verschiedenen Funktionsklassen gibt. Wie jede Regierung hat die Kultur auch eine Art Geheimdienst, die Abteilung für Besondere Gegebenheiten, kurz BG. Der sogenannte Diplomat Byr Gen-Hofoen – zur Zeit der Handlung gerade ein Mann – wird auf eine Mission geschickt, um einerseits ein Alien-Objekt – die Exzession – zu untersuchen und andererseits an Bord des Raumschiffes „Sleeper Service“ (Schlafwagen/Schläfer-Service) eine alte Freundin zu besuchen: Dajeil Gelian. Sie ist seit 40 Jahren von ihm schwanger. An Bord soll er außerdem die eingelagerte Seele einer Kapitänin wiedererwecken, die vor über 2000 Jahren schon einmal auf das Alien-Objekt gestoßen war, um ihm Infos zu liefern. Alles ganz einfach. Leider wird Byr von einer BG-Aspirantin bei der Arbeit erheblich behindert, ist also nicht sonderlich produktiv.

Allerdings belässt es Banks nicht dabei. Schließlich betrifft die Exzession, die fünfzigmal älter als das bekannte Universum ist, die ganze Kultur. Die Fraktionen der Minds verdächtigen sich gegenseitig, Vorteil aus dem Exzessionskontakt schlagen zu wollen, und behindern sich. Hinzu kommt, dass die abstoßende Zivilisation der Affronter einen Krieg gegen die Rest-Kultur vom Zaun bricht, um sich gleichzeitig die Exzession anzueignen. Es stellt sich heraus, dass sie dazu verleitet wurden, um ihre Flotte zu vernichten und sie so zur Räson zu bringen.

Zahlreiche fein gesponnene Handlungsfäden laufen am Ende zusammen. Finale: Die „Sleeper Service“ hatte sich ihrer Fracht entledigt, nun setzt sie auch noch Dajeil und Byr aus und konstruiert in Nullkommanichts 80.000 Mini-Kriegsschiffe, um damit mit Karacho die Exzession anzugreifen!

+++ SPOILER-ALARM! +++
Obwohl der Leser um die vernichtende Kraft der Exzession weiß – es scheint sich um ein intelligentes Schwarzes Loch beziehungsweise Wurmloch zu handeln -, kommt es nicht zur Zerstörung der „Sleeper Service“ – die Exzession zieht sich zurück und verschwindet vollends. Damit ist auch das kleine Fahrzeug mit Byr und Dajeil außer Gefahr. Nach einem klärenden aber tränenreichen Gespräch haut Byr wieder ab, doch Dajeil schenkt bald danach einem Mädchen das Leben.
+++ Ende des SPOILER-ALARMs +++

Mein Eindruck

Die erzählten Handlungen sind leider wesentlich verschachtelter als meine Darstellung. Immerhin ist der Roman weitaus stringenter erzählt als etwa „Bedenke Phlebas“ oder „Einsatz der Waffen“. Der Humor ist häufig von feiner Ironie. Er spiegelt sich beispielsweise in den ungewöhnlichen Namen der Minds wider: „Erschieß sie später“ und „Wundersame Wege des Schicksals“ sind nur zwei harmlose Beispiele (Banks-Fans dürfen weitere Namen vorschlagen). Auch die in Computerschrift gesetzten Dialoge der Minds entbehren nicht der Ironie. Lästig sind allerdings die jeweils vorangestellten Daten über eine Übertragung, die für viele Leser unverständlich sind.

Die menschlichen Romanfiguren sind allerdings weniger lebendig als die Minds, wohl weil sie weniger zu sagen haben. Einzige Ausnahme ist die BG-Aspirantin Ulver Seich, eine verzogene junge Jetset-Lady, die sich als Agentin betätigt, um daheim mal wieder im Gespräch zu sein. Wie bitter sie enttäuscht ist, als sie herausfindet, dass sie aufgrund ihrer langen Reise schon lange kein Thema mehr ist!

Von Krähen und Kultur

Und natürlich gibt es mal wieder eine Krähe in diesem Buch, wie stets bei Banks – Gravious ist ein Spion und berichtet an eine Fraktion der Minds, die den BG nicht gerade loyal gegenübersteht. Wenigstens kommen keine Schotten vor! (Banks ist Schotte und lebt bei Edinburgh.)

Die Exzession hat eine Parallele im schwarzen Monolithen in Arthur C. Clarkes „Odyssee 2001“ – an diesem Rätsel scheiden sich die Geister. Das „Kultur“-Universum erinnert an das „Low-Down“-Universum, das Altmeister Vernor Vinge in „Ein Feuer auf der Tiefe“ (|Heyne|-SF) entwarf.

Taschenbuch: 656 Seiten
Originaltitel: Excession, 1996
Aus dem Englischen von Irene Bonhorst.
ISBN-13: 978-3453196797

www.heyne.de

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Iain Banks – Träume vom Kanal. Zukunftsroman

Mit Cello und Bazooka in die Apokalypse

Eine junge japanische Cellistin gerät im Panamakanal in die Wirren des lokalen Bürgerkriegs. Unter dem Druck tragischer Ereignisse an Bord der festsitzenden Schiffe wandelt sich ihre Persönlichkeit zu etwas Schrecklichem, das schon lange in ihr schlummerte.

Der Autor

Iain Banks ist der wahrscheinlich bedeutendste schottische Schriftsteller der Gegenwart. Seine Mainstream- und Science-Fiction-Romane befassen sich mit aktuellen Themen, sein SF-Zyklus über das Culture-Universum gehört zu den wichtigsten Werken des Genres. Er starb 2013.
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WEIHNACHTSEMPFEHLUNGEN 2014: Science-Fiction

Jetzt aber los!

Wem jetzt noch nichts für seine Liebsten eingefallen ist, dem wird hier geholfen! Darf es doch auch mal ein Buch sein? Wir lesen uns durch Dick und Dünn, und nun seht, was dieses Jahr an Science Fiction hängen geblieben ist:

ullswaterSteffen König – Die Dämonen vom Ullswater.

Der Roman, der im Stil der frühen 1900er geschrieben zu sein scheint und neben einer herausragend packenden Erzählweise auch eine sehr unterhaltsame Geschichte erzählt, ist vor allem eines: Eine Verneigung vor einem der größten Erzähler des Jahrhunderts, H.G. Wells.

Unsere Rezension zum Buch.

Die neunte Expansion.

Die shared-universe-Reihe brachte im Jahr 2014 vier neue Romane auf den Markt. Den Anfang machte Nicklas Peinecke mit »Das Haus der blauen Aschen«, dem Start einer eigenen Trilogie, die im Januar 2015 fortgesetzt wird. Dieser Roman ist ein starkes Stück Unterhaltungsliteratur mit einigen sehr interessanten Ansätzen und Überlegungen zur Künstlichen Intelligenz.

Von Nadine Boos erschien der Titel »Der Schwarm der Trilobiten«, der weithin als der bisher beste Roman der Reihe betrachtet wird. Vielschichtig und dabei gelassen und pointiert startet Boos in diese neue Welt.

Unsere Rezensionen zu den Büchern:

Das Haus der blauen Aschen
Kristall in fernem Himmel
Der Schwarm der Trilobiten
Ein Leben für Leeluu

 

Matt Haig – Ich und die Menschen.

Scheinbar nicht sehr originell hört sich die grundlegende Idee an: Ein Außerirdischer wird unter die Menschen verschlagen und erlebt ihre Eigenheiten. Haig versteht es aber, päzise und dabei ungemein gefühlvoll die Stärken und Schwächen von uns Menschen zu thematisieren und gleichzeitig eine spannende Geschichte zu erzählen.

Unsere Rezension zum Buch.

 

Andy Weir – Der Marsianer.

Die Entdeckung des Jahres! Eine NASA-organisierte bemannte Marsmission schlägt fehl, ein Mitglied bleibt allein zurück und überlebt in der Hoffnung, gerettet zu werden. Dabei erzählt Weir seine Geschichte in Form eines Logbuchs des Gestrandeten und bringt sowohl die Gefühlswelt als auch die technischen Seiten unglaublich plastisch ins Geschehen. Der absolute Toptitel!

Unsere Rezension zum Buch.

 

Iain Banks – Die Wasserstoffsonate.

Viel zu jung verstarb Iain Banks und hinterließ unter anderem sein grandioses KULTUR-Universum. »Die Wasserstoffsonate« ist nunmehr sein letzter Beitrag und fügt seinem Werk nochmals erstaunliche Facetten hinzu.

Unsere Rezension zum Buch.

 

Dirk van den Boom – Habitat C.

Ein zweiter Roman um den Diplomaten Kasimir Daxxel, diesmal mit einem spannenden Kriminalfall und einer heftigen Prise Sense of Wonder. Kurz und intensiv in allerbester van-den-Boom-Manier.

Zum Buch.

 

Andreas Brandhorst – Das Kosmotop.

Eine überbordende Space-Opera aus deutschen Landen, wie sie Brandhorst in schöner Regelmäßigkeit jährlich abzuliefern weiß. Hervorragende Unterhaltung und ein erneuter Blick in das Universum seines Romans »Die Kinder der Ewigkeit«.

Unsere Rezension zum Buch.

 

Uwe Post – Sterne in Asche.

Eine weitere Space-Opera deutscher Herkunft, diesmal intensiv auf engstem Raum und der erste Ausflug des Preisträgers für »Walpar Tonnraffir und der Zeigefinger Gottes« in die Sphären dieses Subgenres. Die Sterne verlöschen – doch niemand fragt nach der Ursache. Die Wirtschaft mit den Problemen der Flüchtlinge boomt, die Situation wird ohne Weitblick ausgenutzt. Bis die Unzufriedenheit kumuliert und einen Weg sucht. Spannende, intelligente Lektüre.

Unsere Rezension zum Buch.

Iain Banks – Die Wasserstoffsonate

Iain Banks verstarb viel zu früh mit 59 Jahren. Zu seinem literarischen Vermächtnis gehörrt neben Whiskyfachliteratur vor allem seine viele Werke umfassende Romanreihe um die KULTUR, ein panzivilisatorisches Gebilde unter dem Einfluss der künstlichen Intelligenzen der Raumschiffsgehirne. Regelmäßig beschrieb er neue Seiten und Geschichten dieses Universums und fügte ihm bis zum Schluss farbenprächtige Facetten hinzu. So ist der vorliegende Roman sein letzter Science-Fiction-Roman und der letzte, der sich mit der KULTUR beschäftigt. Er behandelt neben einer spannenden Intrigengeschichte die komplexe Problematik rund um die Sublimation, das »Aufsteigen« einer Spezies auf die nächsthöhere Daseinsebene – ein Problem, das offenbar eng mit der Gründung der KULTUR zusammen hängt.

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Iain Banks – Förchtbar Maschien

Nur noch wenige Menschen bevölkern eine dem Untergang geweihte Erde. Die vergessene Hochtechnik der Vergangenheit setzt einen komplizierten Rettungsplan in Gang … – Science Fiction in Reinkultur: Hier wird ein ungemein komplexes Zukunftsbild entworfen, das nicht den Regeln der Spannungsliteratur folgt, sondern das Fremde, Unverständliche thematisiert: anspruchsvolle und etwas ‚andere‘ SF jenseits der üblich gewordenen Military-Space-Operas.
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Iain Banks – Welten

Science-Fiction-Romane erscheinen selten bis nie zwischen echten Pappdeckeln, doch um vom Kuchen überhöhter Buchpreise etwas abzuzwacken, verlegen sich die Verlage bei den Erstausgaben bekannter Autoren vermehrt darauf, sie in Form der sogenannten „Tradepaberbacks“ zu produzieren. Die Bücher erhalten dadurch die Maße und Ausmaße eines Hardcovers, ohne mit ihrem Inhalt diesem Umfang gerecht zu werden – die Täuschung des Kunden, der hier ein unhandliches Taschenbuch in Übergröße teuer bezahlen muss. Iain Banks‘ Romane eignen sich besonders für diese Art der Veröffentlichung, da man von ihm traditionell dicke und umfangreiche Romane erwartet. So hält sich die Augenwischerei in Grenzen.

Obwohl er sich mit der Space Opera „Der Algebraist“ in faszinierender Weise ein neues Universum schuf, kehrte er mit „Die Sphären“ in seine KULTUR zurück, konnte damit aber nicht überzeugen. Sein vorliegender neuester Roman entfaltet trotzdem nicht neue Facetten des Algebrauniversums, sondern entwirft erneut was eigenständiges, das zusammenhangslos in dem Kosmos Banks’scher Erzählungen steht. Trotz seines augenscheinlichen, paperbackinduzierten Umfangs ein schneller, intensiver Roman ohne die typischen ausufernden Längen Banks’schen Erzählstils.

Der Mann, dessen wahrscheinlichster und gebräuchlichster Name Temudschin Oh ist, hat ein besonderes Talent: Er kann mit Hilfe einer Droge zwischen den unendlichen Realitäten der Erde wechseln, in die Körper ausgesuchter Personen springen und dort eigenständig handeln. So erfüllt er im Auftrag des Konzerns (einer realitätsumfassenden Organisation) verschiedene Aufträge, deren Erfüllung Einfluss auf die Entwicklung der jeweiligen Realität nimmt und sie positiv lenkt. So denkt er.

Im Hintergrund arbeiten jedoch Strippenzieher, die neben der persönlichen Macht und Unsterblichkeit auch andere, den Forscherdrang der Menschen unterdrückende Ziele verfolgen und Temudschin und seinesgleichen für ihre Zwecke benutzen. Bis Tem eines Tages neue Talente entdeckt, die ihn der Kontrolle des Konzerns entziehen …

Adrian Cubbish hat offenbar gerade eine Glückssträhne: Er steigt vom gerissenen Drogendealer zu einem der mächtigsten Finanzmanager der Welt auf. Doch als sich ihm seine Mittelsmänner offenbaren, kann er es kaum glauben. Denn es gibt neben unserer Realität noch eine Vielzahl weiterer Welten, die von einem mächtigen Konsortium überwacht werden. Ehe sich Adrian versieht, ist er in ein weitreichendes Komplott zwischen diesen Welten verstrickt – und nicht nur sein Leben, sondern unsere gesamte Realität steht auf dem Spiel …
(Verlagsinfo)

Und wieder ein Beispiel für das ungeschickte Händchen, mit dem die Heyne-Redaktion die Klappentexte ihrer Romane gestaltet. Der erwähnte Adrian ist nicht viel mehr als eine Nebenfigur, die weder großen Einfluss auf die Geschichte nimmt, noch die im Klappentext suggerierte Erkenntnis der Zusammenhänge erlangt. Vielmehr thematisiert die Geschichte Intrigen, Machtgelüste, Geschlechtsverkehr in allen möglichen Spielarten, Folter, Solipsismus und Mord sowie den kleinen Menschen, der zwischen den Fronten steht und außergewöhnliche Leistungen erbringen muss, um nicht zerquetscht zu werden.

Banks nutzt in bisher unbekannter Ausführlichkeit sexuelle Begegnungen als erzählerische Untermalung für signifikante Dialoge, Stützpfeiler der Erzählung und Entwicklungs- und Wendepunkte. Selten sitzen die Entscheidungsträger und Protagonisten im stillen Kämmerlein zur Besprechung, sondern ergehen sich meist in ausschweifenden, durch die Realitätswechsel teils spektakulären Sexspielen, während ihre Unterhaltungen die Geheimnisse der Geschichte zu entschleiern suchen. Ob damit die Charaktere glaubwürdig geschildert werden, mag strittig sein, doch bezieht sich Banks dabei meist auf Temudschin Oh, der dadurch ja eine gewisse Charakterisierung erhält, die scheinbar auf beiden Seiten der Gegner bekannt ist und ausgenutzt werden soll. Andererseits erzählen sich die Figuren auch von ihren Erfolgen, die sie per Sex (in Hinsicht auf die Weltenwechsel) erzielten, sodass es ein Charakterzug des Konzerns wird und damit übertragbar auf jeden Angehörigen.

Banks zeigt aber mit den beiden wichtigsten Methoden zur Erzeugung starker Gefühle (Sex und Folter), wie in der Geschichte der Realitätswechsel funktioniert und beschreibt dadurch glaubwürdig, dass für dieses Talent die stärksten Gefühle nötig sind. Damit gewinnt der allgegenwärtige Sex eine neue Bedeutung, er ist quasi ein Resultat, eine logische Folge und Bedingung des Grundgedankens von „Welten“, denn wer würde sich für die andere Methode des induzierten Weltenwechsels entscheiden, wenn man es auch so kann?

Der Roman bewegt sich auf einigen unterschiedlichen Ebenen, die im ständigen Wechsel eine fast kaleidoskopische Reise durch die Erzählung darstellen und den Leser erstens rasch und intensiv in sich hinein ziehen (quasi den Realitätswechsel für uns erzeugen), zweitens von ihm auch geistige Beweglichkeit und Zusammenhangsgefühl fordern. So schleudert Banks den Leser zwischen den Ebenen hin und her und man kann nicht genau festlegen, auf welcher sich die Fäden endlich verbinden, um die Geschichte zum nötigen Zentrum zu leiten.

Es bleibt also überall gleichermaßen spannend und fordert beim Leser mehr Konzentration, um die oft angedeuteten Verbindungen zu erfassen und richtig einzuordnen. Gerade zum Ende muss man sich der Anfänge neuerlich gewärtig sein.

Während sich alles gut aus der Geschichte entwickelt, wirkt eine Figur fast wie ein Deus ex machina: die übermächtige, Realitäten kontrollierende und darüber verrückte Entität Bisquitine, derer sich der Konzern bedienen will, ohne die Folgen überblicken zu können. Zwar bemüht sich Banks um eine Einführung und man könnte sie als Produkt geheimer Forschungen sehen, doch in ihrer Wirkung drängt sich der leichte Verdacht einer Notlösung auf. Zum Glück gewinnt die Geschichte dadurch noch eine gute Seite: Sie lässt den Protagonisten nicht als Superhelden da stehen, sondern relativiert seine Talente wieder.

Trotz manchen abschreckender Dicke und unnütz aufgeblähtem Format als Tradepaperback einer der wertvollsten phantastischen Romane des Jahres. Banks hält seine Ausführlichkeit im Zaum zu Gunsten einer komplexen, faszinierenden Weltenschöpfung und intensiver Unterhaltung – eigenständig, einbändig und abgeschlossen.

Taschenbuch: 560 Seiten
ISBN-13: 978-3453527102
Originaltitel: Transition
Deutsch von Friedrich Mader

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Iain Banks – Die Sphären

Nach seinem letzten großartigen Roman »Der Algebraist«, der ein neues Universum mit Leben füllt, widmet sich Iain Banks mit dem vorliegenden Buch wieder seinem KULTUR-Universum. Der Heyne-Verlag preist diese Erzählung als »Opus Magnum« des Autors an und bietet mit dem Trade-Paperback eine schöne Plattform zwischen Taschenbuch und Hardcover. Die Titelbildgestaltung bedient sich eines Motivs aus dem Prolog des Romans und veranschaulicht wunderbar die Arbeit einer wichtigen Person des Geschehens.

Das war’s dann auch schon an Pluspunkten für den Verlag. Man schlägt das Buch auf und sieht große, angenehm lesbare Schrift auf dickem Papier, dem ein breiter unbedruckter Rand gelassen wird. Schon allein ohne diesen Rand bleibt die Größe eines Taschenbuchs, was sich natürlich im Preis widerspiegeln würde, denn mit 16 Euro ist er doch sehr hoch gesteckt.

Wie man bei der Lektüre feststellen wird, trifft der Klappentext in seinen wichtigen Aussagen daneben. Der Roman ist kein Trip durch die Galaxis in diesem Sinne. Wichtigste Bühne ist die Welt Sursamen. Die KULTUR, zu der auch die Menschen und ihre Modifikationen gehören, besteht keineswegs nur aus Menschen und widerlegt so die Behauptung, die Menschheit wäre bei ihrem Aufbruch ins All auf die Schalenwelten gestoßen. Und die Schalenwelten sind nach dem Tenor des Romans keinesfalls eine gigantische Falle für die menschliche Zivilisation.

Vielmehr handelt es sich um eine königliche Familiengeschichte voller Intrigen, Flucht und Suche nach Hilfe, in deren Begleitung eine äonenalte Gefahr für die ganze Welt befreit wird und bekämpft werden muss. Dabei entwickelt Banks neue interessante Facetten der Gesellschaftsform der KULTUR und der galaktischen Gemeinschaft und wirft neue Fragen auf, die nicht alle in dieser Geschichte beantwortet werden.

Trotz Banks‘ unbestreitbaren Hangs zu wortreichen Beschreibungen gibt es in Bezug auf technische Details keine unnötig pseudowissenschaftlichen Abhandlungen. Es wird nicht die Funktion beschrieben, sondern der Effekt, so dass von dieser Seite der Erzählfluss nicht verzögert wird. Anders ist es mit anderen Beschreibungen: Vor allem die Örtlichkeiten werden so detailliert und weitschweifig geschildert, dass man sich zeitweise gebremst fühlt und versucht ist, den Absatz zu überspringen. So wandern die Protagonisten mal durch einen endlosen Gang und verlieren sich in Gedanken über die Vergangenheit (teilweise wichtig zur Charakterisierung der Figur) oder komplett zusammenhangslosen Überlegungen. Hier hätte man sich einen rotstiftverliebteren Redakteur gewünscht.

An Sprache, Vokabular, Kreativität, Individualität und bewundernswerter Fantasie gibt es nichts zu kritteln. Es ist eine typisch Bankssche frische Erzählung von hohem Unterhaltungswert und mit diesem Adrenalin ausschüttenden Sog, der keine Müdigkeit zulässt.

Betrachtet man den Erzählungsverlauf, fällt Folgendes auf: Es läuft alles ganz zielgerichtet und flüssig und dreht sich auf zwei Ebenen um den Versuch der zwei Parteien, sich zu treffen. Hintergrund ist der Mord am König und Vater der beiden Personen. Der Weg dieser beiden Gruppen ist natürlich mit Problemen gepflastert. Ab dem Moment ihres Treffens strebt alles plötzlich dem Finale entgegen und wandelt sich in das kosmisch umfangreiche Thema, das nicht nur diese Familienkrise betrifft, sondern die ganze Galaxis. Es taucht ein unbemerkt eingeführter Gegner auf und fordert komplexen hochtechnischen Einsatz. Durch gnadenlose Vernichtung von Menschen löst sich der familiäre Konflikt auf und wandelt sich auf diesem letzten Abschnitt in den verzweifelten Versuch, diesen Gegner auszuschalten. Damit wird ein Großteil der erzählerischen Vorarbeit und Entwicklung des Romans in einem Schlag beiseite gewischt. Natürlich erhält das Ende durch seine kosmische Gültigkeit das wahre Flair der Science-Fiction-Erzählung gegenüber einem banalen Aufeinandertreffen von Mörder und Rächer. Aber der Weg dorthin liegt etwas zu sehr versteckt hinter dieser oberflächlichen persönlichen Geschichte.

Auf den Epilog kann man verzichten. Er dient nur als Rechtfertigung für die emotionale Entscheidung der Protagonistin im Prolog und die sich daraus ergebenden Konsequenzen. Dem Ende selbst fügt er keine spannende oder zu mehr Befriedigung führende Facette hinzu.

Insgesamt bietet der Roman ein sehr schönes, spannendes und befriedigendes Leseerlebnis in der grandiosen Welt von Iain Banks‘ KULTUR.

Originaltitel: Matter
Übersetzt von Andreas Brandhorst
Paperback, Broschur, 800 Seiten
ISBN-13: 978-3-453-52500-9

Der Autor vergibt: (3.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 4,00 von 5)

Iain Banks – Der Algebraist

In einer Welt, in der die Menschheit in hauptsächlich zwei Wellen in die Galaxis vorgestoßen ist, steht das System Ulubis kurz vor einer Invasion. Man reist entweder dicht unterhalb der Lichtgeschwindigkeit und braucht Jahrzehnte für eine intergalaktische Reise, oder man benutzt die aufwändig installierten Wurmlöcher der Merkatoria, dem politischen Zusammenschluss der meisten Völker. Im Ulubis-System haben Angriffe von Merkatoria-Feinden das Systemwurmloch in einer spektakulären Aktion zerstört. Uralte Hinweise auf ein geheimes Wurmlochnetzwerk, dem die meisten Sonnensysteme angehören, gewinnen bei verschiedenen galaktischen Interessengruppen plötzlich an Bedeutung. Eine algebraische Formel, eine Transformation auf diese uralten Hinweise, soll den Zugang zu diesem Netzwerk ermöglichen – und diese Formel wird im Ulubis-System vermutet. Nicht nur die Invasoren schicken eine gigantische Flotte, auch die Merkatoria bringt ihre Streitkräfte auf den Weg. Ulubis bereitet sich auf schwere Zeiten vor …

Der »Langsamen«-Seher Fassin Taahk bekommt den Auftrag von höchster Priorität, auf dem Gasriesen Nasqueron nach der Transformation zu suchen. Fast alle Gasriesen der Galaxis werden von einem äußerst langlebigen Volk bewohnt, das bereits seit Milliarden Jahren existiert und den Aktionen der von ihnen sogenannten »Schnellen« – aller Völker mit Existenzerwartung von wenigen tausend bis Millionen Jahren – gelassen gegenübersteht. Selbst die Individuen dieses Volkes, der Dweller, leben oft mehrere Millionen Jahre. In ihren Forschungen verlangsamen sie ihre Denkgeschwindigkeit um ein Vielfaches, und »Langsamen«-Seher beherrschen diese Fähigkeit ebenfalls. Sie forschen in den unendlichen Bibliotheken der Dweller, um Wissenswertes für die Merkatoria zu entdecken.

Fassin Taahk ist einer der begabtesten Seher und entdeckte auf einem seiner Trips eben jene Hinweise auf die Transformation. Nun ist er derjenige, der mit Hilfe der Dweller oder auch gegen ihren Willen die algebraische Formel sicherstellen soll. Während dieses Einsatzes muss er sich mit vielen Problemen herumschlagen. Die Dweller führen ihn an der Nase herum, die Merkatoria attackiert ihn versehentlich und setzt ihn unter Druck, selbst unter den Dwellern gibt es Saboteure und nebenbei wird das System von einer Invasion heimgesucht …

Was sofort auffällt, ist die Komplexität dieses Romans und des Universums, in dem er spielt. Hier entwickelt Iain Banks eine Welt, die es sicher mit seiner »Kultur« aufnehmen kann. Vergleiche zwischen beiden mögen noch unangebracht sein, da sich das Kultur-Universum aus vielen Romanen zusammensetzt, allerdings kommt man aus eben diesem Grund nicht daran vorbei und ist beinahe genötigt, Banks an seinem umfang- und erfolgreichen Werk zu messen. Erleben wir hier den Beginn einer neuen großen Reihe, oder bleibt »Der Algebraist« ein eigenständiger Roman? Anfang und Ende packen die Geschichte ein und schließen sie ab, doch ist es wie bei so vielen guten Romanen, aus denen eine Serie gemacht wurde: Die Geschichte ist eingebettet in ein hochkomplexes, vielschichtiges, wundervolles und rätselhaftes Universum, dass es fast zu schade ist, nicht mehr hierüber zu erfahren.

Es gibt Aspekte, die unangebracht und wie Beiwerk wirken; zum Beispiel tritt schon auf den ersten 50 Seiten ein grausamer Diktator auf, dessen Grausamkeit Banks sehr deutlich beschreibt, wie es für ihn typisch ist. Im Zusammenhang mit der Geschichte wirkt diese Grausamkeit deplaciert. Es erweist sich aber als nötiges Element, um die Handlungen des Diktators bei seiner Invasion zu erklären und ebenso die Gelassenheit der Dweller und ihre Überlegenheit in Höchstform darzustellen.

Dagegen sind die Erlebnisse von Taince, Saluus und Fassin auf dem verbotenen Raumschiffswrack wirklich nur Beiwerk, was sich erst am Ende erschließt. Daraus entwickelt sich zwar eine schöne Geschichte über verschiedene Charaktere und ihren Weg, bis hin zur Rache (die Banks übrigens in ausnehmend gelungenem Stil schildert), trägt aber nicht ausschlaggebend zum Geschehen bei. Als Erklärung könnte man anführen, über diese Charaktere hätte man Einblick in die verschiedenen Bereiche wie Merkatoriaflotte, Ulubissystem kurz vor der Invasion und Dwellerwelt mit der Suche nach der Transformation. Die Beziehung zwischen diesen Charakteren ist interessantes Beiwerk, aber letztlich »ist es halt nur da, was das Gleiche ist, als wäre es nicht da«, um einen guten Freund zu zitieren. Vielleicht das i-Tüpfel. Aber: Während seiner Suche trifft Fassin mehrfach auf den Hinweis auf das »zweite Schiff«, auf dem die Transformation gefunden werden könnte. Dem Leser drängt sich der Verdacht auf, jenes Wrack, das Taince, Saluus und Fassin verbindet, könnte mit dem zweiten Schiff identisch sein, und man erwartet dadurch eine höhere Bedeutung für diese Episode. Vorstellbar wäre zum Beispiel, dass Saluus nun im Besitz der Transformation ist und es darüber zu einer Tragödie zwischen den Bekannten kommt. Diese Erwartung wird in keiner Weise erfüllt (auch nicht im Entferntesten), obwohl – es liegt im Ulubis-System, die Transformation wird im Ulubis-System vermutet – wer weiß? Vielleicht ist es ja wirklich das »zweite Schiff« …

Auch wenn der Umfang des Romans abschrecken mag oder Längen erwarten lässt, es lohnt sich uneingeschränkt, ihn zu lesen und in seinen phantastischen Tiefen zu versinken. Er ist spannend, unterhaltsam und steigert sich von der ersten Seite an bis zum Epilog, der nach altem griechischen Vorbild die Spannung ausklingen lässt. Mit diesem Roman hat Iain Banks ein Universum erschaffen, in dem die Fantasie keine Grenze findet.

http://www.heyne.de