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Interview mit Florian Knöppler zu seinem neuen Roman „Südfall“

„Dave überlebt den Abschuss seines Fliegers über dem nordfriesischen Wattenmeer und entgeht nur knapp dem Ertrinken. Der britische Soldat könnte das Kriegsende in einem Versteck abwarten, doch er wagt die Flucht von Husum die Küste entlang nach ­Dänemark. Dabei trifft er auf den jungen, sensiblen Paul, der von sich selbst Härte verlangt, seine Tante Anna, die sich ­entschließt, Dave zu helfen, und ­Cecilie, ein ­schillerndes und doch verschlossenes Mädchen. Auf einem Boot nahe der dänischen Grenze entsteht ein Plan, wie Dave es bis nach England ­schaffen könnte.

​Ruhig, menschlich, bewegend – ein Roman, in dem Begegnungen zu Wendepunkten werden.“ (Knöpplers Homepage)

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Interview mit Richard Montanari

_Buchwurm.info:_
Hallo, Richard, wie geht es Ihnen? Wo sind Sie gerade?

_Montanari:_
Danke, mir geht es gut. Im Augenblick befinde ich mich in meinem – Gottseidank klimatisierten – Heimbüro im nordöstlichen Ohio, USA. Draußen herrschen 33 bis 34 Grad Celsius.

_Buchwurm.info:_
Ich kenne Sie als den Autor der Thriller „Crucifix“ (The Rosary Girls) und „Mefisto“ (The Skin Gods). Warum schreiben Sie über Serienmörder? Sind Sie von diesem gesellschaftlichen und kriminalistischen Phänomen besonders fasziniert oder sind Sie darüber besorgt?

_Montanari:_
Ich gebe zu, dass ich vom krankhaft kriminellen Bewusstsein eher fasziniert als darüber besorgt bin. Wenn ich beispielsweise einen neuen Roman zu schreiben beginne, fange ich nie mit der Handlung oder gar den Figuren an, sondern stets mit dem Wahnsinn. Ich frage mich (wie es auch der Leser tun wird): Warum tut diese Person das, was er oder sie tut? Durch welches Prisma der Geisteskrankheit betrachtet sie die Welt?

Jeder meiner Romane weist eine unterschiedliche Art der Pathologie auf: der Rosenkranz (The Rosary Girls), Filme (The Skin Gods), Märchen (Merciless) als zentrale Motive. In jedem Roman verdreht der Mörder die Logik aller Dinge, bis diese, wie der Verstand des Mörders, aus den Fugen geraten. Dies ist zugegebenermaßen ein relativ seltenes Phänomen bei Serienverbrechen, aber sobald ich einmal in der Realität darauf stoße, bin ich davon gefesselt.

_Buchwurm.info:_
Worum geht es in Ihrem neuesten Roman? Kommen darin ebenfalls ein Serienkiller vor und die gleichen Hauptfiguren wie zuvor?

_Montanari:_
Der nächste in Europa erscheinende Roman heißt „Merciless“ (obwohl er bereits im April 2007 in Großbritannien unter dem Titel „Broken Angels“ veröffentlicht worden ist, wo er fünf Wochen auf der Bestsellerliste der „Sunday Times“ stand). Dies ist das dritte Buch in meiner Philadelphia-Serie, und diesmal führt die Ermittlung die Angehörigen der Mordkommission jenseits der Stadtgrenze den Schuylkill River hinauf, mitten ins Herz des Wahnsinns. Der Schuylkill River ist etwa 130 Meilen lang (ca. 200 km) und windet sich durch vier oder fünf Distrikte im südöstlichen Pennsylvania, wobei er sich manchmal bis auf wenige hundert Meter verengt. Auf dieser Wegstrecke gibt es jede Menge Gelegenheiten für Mord, Chaos und Verstecken. „Merciless“ ist der erste Roman, in dem zwei verschiedene Widersacher auftreten.

Der Roman sollte im Sommer 2008 in Europa in die Buchläden kommen. [Dazu bietet die Website http://www.richardmontanari.com unter „Gallery“ einen Trailer. Anm. des Interviewers.]

_Buchwurm.info:_
Aus welchem Grund sind diese Themen und Probleme für Sie wichtig? Gibt es dafür persönliche Gründe?

_Montanari:_
Nein, da gibt es keinen persönlichen Hintergrund, außer vielleicht ein Interesse an Verbrechen und Spannung. Anfang der neunziger Jahre war ich Filmkritiker und eingeteilt für Thriller. Ich habe so viele schlecht geschriebene Filme gesehen, dass ich (wie viele Filmkenner) dachte, ich könnte ja mal versuchen, eine Kriminalgeschichte zu schreiben. Das tat ich dann 1995, und mein erster Krimi „Deviant Way“ wurde 1996 von |Simon & Schuster| [einem der großen US-Verlage] veröffentlicht.

_Buchwurm.info:_
Ich nehme an, es erfordert eine Menge Recherchen, um auf glaubwürdige Weise über Serienmörder und die Arbeit von Kripo-Beamten zu schreiben. Vermutlich ist es auch nicht ganz einfach, über die emotionale Seite einer solchen Geschichte zu schreiben. Wie gehen Sie vor?

_Montanari:_
Was den technischen Aspekt einer Story angeht, so bin ich gesegnet mit einem sehr engen Verhältnis zur Mordkommission des Philadelphia Police Department wie auch zu Beamten in deren Crime Scene Unit (Spurensicherung). Ich habe viele Stunden Kripo-Beamte auf ihren Einsätzen begleitet, aber auch viel Zeit in ihrem fantastisch eingerichteten rechtsmedizinischen Labor verbracht.

Was die emotionalen Aspekte einer Story angeht, so sind die am schwierigsten zu schreibenden Stellen jene, in denen die Auswirkungen eines Gewaltverbrechens auf die überlebenden Familienmitglieder eines Opfers gezeigt werden. Ich wurde davon vielfach Augenzeuge und es ist jedes Mal eine große Belastung. Ich glaube, dass dies ein sehr wichtiger und notwendiger Bestandteil der Geschichte ist.

_Buchwurm.info:_
Was hat Sie dazu gebracht, ein Schriftsteller zu werden, noch dazu ein Krimiautor?

_Montanari:_
Ich war schon immer ein Geschichtenerzähler, sogar als Kind. Ich war obendrein ein Amateurzauberer, so dass die Begriffe des Verbergens und des Irreführens (des Betrachters) mich immer fasziniert haben. Als Leser liebe ich die Vorstellung, dass die Dinge nicht ganz so sind, wie sie erscheinen. Daher besteht die Möglichkeit, dass alles Mögliche als Nächstes passieren kann. Etwa dass eine Maske abgerissen wird, um eine neue und furchterregende Identität zu enthüllen.

Ich muss zugeben, dass das Fernsehen der sechziger Jahre mich dazu inspiriert hat, ein Schriftsteller zu werden, ganz besonders „The Twilight Zone“, „Alfred Hitchcock Presents“ und „Thriller“. Als ich etwas älter wurde, fing ich an, die Hitchcock-Klassiker zu analysieren, und wusste, dass ich Spannungsliteratur schreiben wollte. Nachdem ich Thomas Harris‘ Thriller „Roter Drache“, „Das Schweigen der Lämmer“ und Shane Stevens‘ Roman „By Reason of Insanity“ gelesen hatte, wusste ich, dass der Roman meine literarische Form ist.

_Buchwurm.info:_
Gibt es Krimiautoren, die Sie bewundern und denen Sie nacheifern?

_Montanari:_
Da gibt es so viele. Shirley Jackson, James M. Cain, Charles Willeford, Ray Bradbury, James Ellroy, Richard Price, Dennis Lehane, Shane Stevens, Russell Banks, Thomas H. Cook, William Trevor und viele weitere. Ich bewundere jeden, der mir eine Tür zeigen kann und mich dazu bringt hindurchzugehen und mich dann mit dem überrascht, was sich jenseits davon befindet. Während jeder der genannten Autoren mit einem anderen Stil schreibt, haben sie doch alle die gleiche Wirkung auf mich: ein inneres Bedürfnis weiterzulesen. Thomas H. Cook und Russell Banks haben ein erstaunlich gutes Händchen für den Aufbau einer Geschichte, und William Trevors sparsamen Umgang mit Wörtern finde ich wunderbar.

_Buchwurm.info:_
Kennen Sie auch europäische Autoren?

_Montanari:_
Ich mag die Arbeit von Jack O’Connell („Word made Flesh”, „Box nine”) und Michael Marshall („The Straw Men“, „The Intruders“). Aber was die Herkunft der Autoren anbelangt, ist das Verlagswesen heutzutage so weltumspannend, dass ich nicht sicher bin, ob es noch viele Unterschiede zwischen amerikanischen und europäischen Autoren gibt. Ich bekomme elektronische Post von Lesern aus aller Welt und finde es höchst befriedigend zu wissen, dass sich sowohl die Story als auch meine Ausdrucksweise überall übersetzen lassen und beim Leser ankommen. Ich gebe jedoch zu, dass die britischen Fernsehkrimiserien viel besser sind als die amerikanische Krimikost. Ich verschlinge geradezu DVDs von „Prime Suspect“ [„Heißer Verdacht“ mit Helen Mirren], „Cracker“, „Wire in the Blood“, „Touching Evil“, „Messiah“ und vielen anderen. Was europäische Autoren angeht, so mag ich Mo Hayder, Henning Mankell, Ian Rankin und viele andere.

_Buchwurm.info:_
Üben Sie noch andere berufliche Tätigkeiten neben Ihrem Schreiben aus?

_Montanari:_
Zurzeit nicht, obwohl ich eine Menge Jobs gehabt habe – auf dem Bau, im Einzelhandel, als persönlicher Begleiter, im Anzeigengeschäft.

_Buchwurm.info:_
Was sind Ihre liebsten Freizeitbeschäftigungen?

_Montanari:_
Ich liebe es zu kochen. Man mag mich zwar nicht als Gourmet bezeichnen, aber ich kenne mich in der Küche und im Weinkeller aus. Ich ziehe viele italienische Gerichte vor, aber ich mag auch Cajun- [aus dem Mississippi-Delta], vegetarische und japanische Küche. Außerdem bin ich ein großer Fan des Boxsports und liebe es, Filme zu sammeln und anzusehen, besonders Film-noir-Krimis.

_Buchwurm.info:_
An welchen Projekten sind Sie zurzeit beteiligt? Engagieren Sie sich auch in sozialen Projekten?

_Montanari:_
Zurzeit arbeite ich an zwei Theaterstücken. Eines ist eine romantische Fantasy, das andere ein Thriller mit übernatürlichen Elementen. Was soziale Projekte angeht, so unterstütze ich das Mentorenprojekt „Big Brothers Big Sisters“ (Erwachsene übernehmen die Ausbildung von bedürftigen Kindern) sowie verschiedene Alphabetisierungsprojekte und beginne gerade, mich an Wiederverkaufsläden zu beteiligen, deren Erlöse der American Cancer Society, der Krebshilfe, zugutekommen.

_Buchwurm.info:_
Was wird Ihr nächstes Buch sein? Wird es Verfilmungen Ihrer Romane geben?

_Montanari:_
Ich schreibe gerade an der noch unbetitelten vierten Folge in der Philadelphia-Thriller-Serie. Er soll im Sommer 2008 in den USA und in Großbritannien erscheinen. Diesmal liegt der Schwerpunkt auf dem Thema Magie und Magier im Deutschland der 1930er-Jahre, die Story spielt aber auch im Philadelphia der 40er und 50er Jahre. Diese Hintergrundgeschichte ist verknüpft mit einer Serie von bizarren und brutalen Morden im gegenwärtigen Philadelphia.

Was die Verfilmung angeht, so führe ich zurzeit Diskussionen mit einer französischen Filmfirma hinsichtlich einer Kinofassung von „The Rosary Girls“ („Crucifix“). Ich glaube, daraus könnte ein recht düsterer und emotional fesselnder Film entstehen.

_Offizielle Biografie von Richard Montanari*_

Richard wurde am 6. Dezember 1952 in Cleveland, Ohio, als Spross einer traditionellen italienisch-amerikanischen Familie geboren, was bedeutete, dass er zwei Dinge schon sehr früh lernte: erstens, dass Ravioli viel besser schmecken als Babynahrung, und zweitens, dass, wenn man nicht rechtzeitig zu Tisch kommt, keine Ravioli mehr übrig sind.

Nach einer akademischen Laufbahn ohne besondere Auszeichnungen bereiste Richard Europa intensiv, lebte eine Zeitlang in London, wo er in Chelsea Kleider und in Hampstead Heath Fremdsprachenlexika an der Haustür verkaufte. Es erübrigt sich zu sagen, dass er ein paar Krawatten mehr verhökerte als Schmöker, doch weder der eine noch der andere Job brachte ihm genügend ein, um ihn mit Bier und Proviant zu versorgen. Indem er seinen Traum aufgab, der nächste Bryan Ferry zu werden, kehrte er in die Vereinigten Staaten zurück und trat in die Baufirma seiner Familie ein.

Fünf Jahre und eine Menge zerschlagene Daumen später entschied er, dass das Schreiben eine bessere Arbeit ist. Nach jahrelanger Arbeit als freier Journalist, wobei er in mehr als 200 Zeitschriften veröffentlichte, schrieb Richard drei Seiten, aus denen das erste Kapitel seines Romans „Deviant Way“ (= Abweichung) werden sollte. Er wurde sofort von einer New Yorker Literaturagentur verpflichtet. Als er das Buch beendet hatte, vermittelte ihm Michael Korda einen Zwei-Romane-Vertrag mit dem Verlagshaus |Simon & Schuster|. 1996 errang „Deviant Way“ den OLMA-Preis für das „Beste Krimidebüt des Jahres“.

Danach veröffentlichte Richard die Romane „The Violet Hour” (1998), „Kiss of Evil” (2001), „The Rosary Girls” (2005, dt. als „Crucifix”) und „The Skin Gods” (2006, dt. als „Mefisto”). Seine Romane sind inzwischen in mehr als 20 Ländern erschienen. In Großbritannien wird Richard von |Random House U.K.| veröffentlicht. Alle drei Bücher seiner Philadelphia-Kripo-Reihe schossen sofort in die Bestsellerliste der „Sunday Times“.

Richards neuester Roman mit dem Titel „Merciless“ (Gnadenlos) ist seit 2007 in einer Hardcover-Ausgabe bei |Ballantine Books| erhältlich (und seit April 2007unter dem Titel „Broken Angels“ auch in England bei |Random House U.K.|).

* veröffentlicht auf http://www.richardmontanari.com

_Richard Montanari auf |Buchwurm.info|:_

[„Crucifix“ 2818
[„Mefisto“ 3681

Interview mit Jutta Weber-Bock

_Buchwurm.info:_
Was machst du gerade? Bist du zu Hause? Fühlst du dich wohl in deinem Wohnort – wo ist das überhaupt?

_Weber-Bock:_
Gerade komme ich zurück von der Stuttgarter Karlhöhe. Der Blick hinunter auf die Stadt bringt mir im Sommernieselregen einen Hauch Norwegen, in der Sommerhitze hingegen erinnern mich Stuttgarts Hügel an San Francisco. Als Schriftstellerin fühle ich mich sehr wohl in Stuttgart. Ich wohne in der Nähe des Stuttgarter Schriftstellerhauses und genieße es, schnell in der Stadt zu sein und im Heusteigviertel, in dem ich wohne, eine Atmosphäre vorzufinden, die mich jeden Tag aufs Neue inspiriert.

_Buchwurm.info:_
Du hast am 24. Mai in Stuttgart aus deinem Roman „Liebesprobe“ vorgelesen. Wie war die Veranstaltung für dich persönlich? Und warum machst du überhaupt Lesungen?

_Weber-Bock:_
Die Lesung zusammen mit Jana Jürß in der Gedok Stuttgart hat sehr viel Spaß gemacht, weil es so möglich war, das Thema „Liebe und andere Radikalitäten“ aus zwei ganz verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Und die Einbindung der Lesung in die Veranstaltungsreihe der Autorinnenvereinigung zum Thema „Das Land der Dichterinnen und Denkerinnen – Poesie und Radikalität“ hat mir bei der Auswahl der Textpassagen einen neuen Blick auf meinen eigenen Roman eröffnet.

Bei Lesungen gefällt mir der unmittelbare Kontakt zu meinen Lesern, dieses Herüberschwingen der Worte ins Publikum hinein. Und das möchte ich mit meinen Lesungen: die Leserinnen und Leser persönlich erreichen.

_Buchwurm.info:_
Worum geht es denn in diesem Roman überhaupt?

_Weber-Bock:_
Mein Roman „Liebesprobe“ erzählt vor dem Hintergrund eines Mountainbike-Urlaubs auf Gran Canaria von einer heimlichen Liebe, von einer Frau, die als Geliebte eines verheirateten Mannes lebt. Ich verknüpfe dabei den Mythos der Insel, also diese romantische Sehnsucht nach den Elysischen Gefilden, mit dem Ideal einer Verschmelzung von Ich und Du, das sich in der Landschaft Gran Canarias widerspiegelt. Die Frau macht sich Hoffnungen auf Erfüllung ihrer Liebe, und ihr Geliebter hat Angst vor einer Entdeckung ihres Verhältnisses.

In diesem Spannungsfeld bewegen sich die beiden radelnd über die Insel. Er will sich mit ihr nicht öffentlich zeigen und möchte, dass sie sich unter falschem Namen vorstellt. Sie fordert ihn zu einer Entscheidung auf und setzt ihm eine Frist. Er geht darauf ein, sie schöpft Hoffnung, dass nun alles gut wird, stellt ihn aber auf die Probe und entdeckt dann, dass die Dinge noch sehr viel schlimmer sind, als sie es sich hat vorstellen können.

_Buchwurm.info:_
Ich kenne dich ja auch als Lyrikerin. Ziehst du jetzt, nach Jahren der Lyrik, die erzählende Prosa dem Gedichteschreiben vor? Worin liegt der Unterschied für dich? Möchtest du unterschiedliche Ziele erreichen?

_Weber-Bock:_
Begonnen habe ich mein Schreiben tatsächlich mit Gedichten, aber schnell festgestellt, dass ich die Prosa brauche, um auch Geschichten erzählen zu können. So ist es phasenweise verschieden, ob ich mich mehr auf das Erzählen oder das Dichten konzentriere. Außerdem kommt es natürlich auf den Stoff, auf das Thema an, das ich bearbeiten möchte. Und da kann ich sehr schnell erkennen, welche Gattung ich brauche. Die Ziele sind bei Prosa und Lyrik die gleichen, nur die Mittel verschieden.

_Buchwurm.info:_
Was sind deine Themen, mit denen du dich in Lyrik und Prosa befasst? Spielt auch dein Wohnort Stuttgart eine Rolle?

_Weber-Bock:_
Im übergeordneten Sinne sind immer Menschen mein Thema und die Kommunikation zwischen ihnen. Oft helfen mir auch Themen wie zum Beispiel das Reisen, das Joggen oder das Wandern, um klarer formulieren zu können, was ich sagen möchte. Allerdings sind diese Sub-Themen mehr als bloße Kulisse – so ist die Insel Gran Canaria zwar ein Ort, an dem sich die Personen meines Romans befinden. Der Mythos der Insel aber wird erst virulent durch die Landschaft und die besondere Atmosphäre in den Bergen und löst seinerseits bei den Personen bestimmte Gefühle aus. Ähnlich geht es mir mit Stuttgart. Zurzeit arbeite ich an einem Roman, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Stuttgart spielt. Und wenn ich heute durch die Stadt laufe, versuche ich dieser historischen Atmosphäre nachzuspüren und meinen Figuren dann diese Gefühle mitzugeben.

_Buchwurm.info:_
Deiner Webseite entnehme ich, dass du auch eine pädagogische Ader hast. Ich habe selbst an den von dir organisierten Schreibseminaren und Literaturwerkstätten teilgenommen. Siehst du in diesem Zweig deiner Tätigkeiten einen wichtigen Teil deiner Persönlichkeit verwirklicht, oder warum machst du das?

_Weber-Bock:_
Von meiner Ausbildung her bin ich Lehrerin. Es gab zu einem gewissen Zeitpunkt, 1989 war das, den Wunsch, zu schreiben und gleichzeitig meinem Beruf auch wieder näher zu kommen. Ich merke immer wieder, dass ich meine Teilnehmerinnen und Teilnehmer „beflügeln“ kann. Umgekehrt erhalte ich von ihnen aber auch viele Inspirationen zum eigenen Schreiben. Insofern folge ich einer doppelten Berufung und erfahre, das dies gut bei Lesern und Seminarteilnehmern ankommt.

_Buchwurm.info:_
Wer interessiert sich für deine Seminartätigkeit? Hoffentlich viele werdende Schriftsteller – aber vielleicht auch Kulturämter?!

_Weber-Bock:_
Vor allem haben natürlich Schreibende, die sich fortbilden und professionalisieren wollen, Interesse an meinen Seminaren. Dazu biete ich inzwischen einige Themen als „inhouse-Seminare“ für kleine Gruppen an, in denen dann sehr intensiv gearbeitet wird und ein Projekt bis zur Veröffentlichungsreife gebracht werden kann. Es interessieren sich natürlich auch Kulturveranstalter für meine Angebote, wie etwa Volkshochschulen oder Fortbildungsakademien. Doch in diesem Bereich würde ich meine Tätigkeiten gerne noch ausweiten. Ich verstehe mich als Schriftstellerin und Literaturvermittlerin – für den Schriftstellerverband, den Förderkreis, die Gedok, die Autorinnenvereinigung oder den Volkshochschulverband.

_Buchwurm.info:_
Wie bist du zum Schreiben gekommen?

_Weber-Bock:_
Die Frankfurter Vorlesungen von Paul Nizon „Am Schreiben gehen“ haben bei mir als Initialzündung gewirkt. Seitdem gehe ich am Schreiben, wie Paul Nizon sagt. Schreiben ist „matière, die ich schreibend befestigen muss, damit etwas stehe, auf dem ich stehen kann.“ Ich bilde mich ab im Schreiben und vergegenwärtige mich darin. So bekomme ich mein Leben in den Griff, Stück für Stück. Ich schreibe, also bin ich.

_Buchwurm.info:_
Wer sind deine schriftstellerischen Vorbilder, denen du nacheiferst?

_Weber-Bock:_
In der Prosa sind es Isabel Allende und Philippe Djian, in der Lyrik Hilde Domin und Werner Dürrson. Zu nennen wären natürlich noch mehr Kolleginnen und Kollegen, aber ich denke, die vier umspannen ganz gut das Feld, auf dem ich mich bewege.

_Buchwurm.info:_
„Liebesprobe“ war meines Wissens dein Romandebüt. Würdest du es als erfolgreich bezeichnen? Wie konnte es dir überhaupt gelingen, den Roman zu veröffentlichen?

_Weber-Bock:_
Von meinen Lesern habe ich, soweit sie mir zugänglich sind, durchweg sehr positive Rückmeldungen erhalten. Es gibt zwei Buchrezensionen bei Amazon.de, außerdem hat die „Stuttgarter Zeitung“ im letzten Jahr anlässlich meiner Lesung im Stuttgarter Schriftstellerhaus im Rahmen des Literatursommers „Im Spiegel der Romantik“ über das Buch berichtet. Aber ich würde den Roman natürlich gerne noch mehr bekannt machen. Gerade bin ich dabei, die drei Haupt-Zielgruppen Frauen (in den besten Jahren), Liebhaber (nicht nur) der Kanarischen Inseln sowie Radfahrer/Mountainbiker gezielter auf das Buch aufmerksam zu machen. Wichtig war es mir bei der Auswahl des Verlags, dass das Buch langfristig am Markt verfügbar ist.

_Buchwurm.info:_
Kannst du vom Scheiben leben? Oder hast du noch andere berufliche Tätigkeiten?

_Weber-Bock:_
Zurzeit verkauft sich mein autobiographisches Buch [„Wir vom Jahrgang 1957 – Kindheit und Jugend“ 3882 ganz gut, und so lebe ich quasi von meiner Kindheit. Beim Schreiben bin ich mir mit der Zeit immer mehr auf die Spur gekommen und kann heute sagen und zugeben, dass alle meine Geschichten natürlich vor meinem eigenen Lebenshintergrund spielen. Ich nenne das „autobiographische Matrix“. Darauf baue ich beim Schreiben auf. Eine Konsequenz ist mein Handbuch „Autobiographisches Schreiben“, das eine Anleitung für Schreibende und Kursleitende bietet. Vom Schreiben und Unterrichten zusammen kann ich gerade einigermaßen gut leben, aber sowieso ist beides für mich untrennbar miteinander verbunden.

_Buchwurm.info:_
Mit welchen Projekten können wir in Zukunft von dir rechnen?

_Weber-Bock:_
Derzeit arbeite ich, wie gesagt, an einem historischen Roman, der in Stuttgart spielt, und an einem Lyrikband, wobei die Gedichte thematisch in der Wüste Namib angesiedelt sind. Geplant ist außerdem zum Frühjahr 2008 ein Handbuch „Reisen und Schreiben“, mit dem ich das Thema Reisen aus meinem Roman „Liebesprobe“ wieder aufnehme.

|Das schriftliche Interview führte Michael Matzer im Juni 2007.|

_Kurzbiografie_

* geboren 1957 in Melle/Niedersachsen, lebt seit 1983 in Stuttgart

* Studium Philosophie und Deutsch an der Universität Osnabrück; abgeschlossene Lehrerausbildung

‚ Arbeit als Schreibkraft, Chefsekretärin, Direktionsassistentin und Sachbearbeiterin an einem Forschungsinstitut

* seit 2004 freie Schriftstellerin, Dozentin und Lektorin in Stuttgart; schreibt Romane, Erzählungen und Gedichte

* seit 1990 Dozentin in Schreibwerkstätten

* seit 1997 für den Volkshochschulverband in der Fortbildung von Schreibwerkstättenleiter-/innen tätig

* Stellvertretende Vorsitzende des Schriftstellerverbandes (VS) in Baden-Württemberg, Mitglied in der GEDOK Stuttgart und in der Autorinnenvereinigung e. V.

* Projektleiterin des „Basisnetzwerks: Schreibwerk- und Autorenförderung in Baden-Württemberg“ (http://www.schreibwerkstaetten.de )

* Eintrag im 65. Jahrgang von Kürschners Deutschem Literaturkalender 2006/2007

* im Juni 2006 Aufenthaltsstipendium des „Internationalen Schriftstellerzentrums Three Waves“ auf Rhodos, Griechenland

Internet: http://www.weber-bock.de

Interview mit Norbert Sternmut

_Buchwurm.info:_
Was machen Sie gerade? Sind Sie zu Hause? Fühlen Sie sich wohl in Ihrem Wohnort – wo ist das überhaupt?

_Norbert Sternmut:_
Zu Hause? Sicherlich in der Sprache, insgesamt, wie im Gedicht „Sprache als Heimat“ in „Seelenmaschine“ beschrieben. Aber auch zu Hause in Pflugfelden, in der Wohnung gegenüber der Haltestelle Bücherbus der Stadtbibliothek Ludwigsburg. Zu Hause: hoffentlich im Kopf, wo sich die Bilder über Heimat, Gefühle, Sicherheiten, Vorstellungen usw. bilden.

_Buchwurm.info:_
Sie sind mir seit den achtziger Jahren als Lyriker bekannt. Schon als ich noch bei der Stuttgarter Literaturzeitschrift Redakteur war, haben sie uns Ihre Lyrikbände zugeschickt. Ihr neuester Lyrikband erschien Anfang diesen Jahres: „Seelenmaschine“. Worum geht es darin – was sind die Themen diesmal?

_Norbert Sternmut:_
„Sprache als Heimat“. Liebe, Leidenschaft, Enthüllung, im Netzwerk. Über die Liebe gelangen wir zum Tod, zurück in die Historie, beispielsweise Buchenwald, Weimar. Die Frage nach „Menschlichkeit“ in heutiger Zeit wird gestellt, in der Vernetzung die Frage nach einer „Seelenneubestimmung“, einem „besseren Scheitern“ (nach Samuel Beckett). Auch hat die erneute Beschäftigung mit der Psychoanalyse ihren Niederschlag gefunden, werden Grüße gesandt an alte Poetenkollegen wie Krolow oder Celan, wird erneut ein Abstecher in die Malerei unternommen (Chagall, Matisse).

Insgesamt geht es um die Heimatlosigkeit am Puls der Zeit, in der Vernetzung, im Spiegel der Hormone, der Sprachverwirrung in „Schland“ (Deutschland). Dass sich am Ende von „Seelenmaschine“ die lyrische Sprache in einer Form der Auflösung selbst verwirrt, zeigt, wie sich hier das Scheitern am Wort ergibt, wenn die Worte, die bisherigen Worte und Wortmelodien nicht mehr ausreichen oder es gewissermaßen gleichgültig wird, wie sich die Buchstaben anordnen, aufgrund der inneren Zerrüttung der Außenwelt (der Innenwelt…), der gefühlten absurden Verlorenheit in den Dingen der Wahrnehmung, im Geworfensein. Dieses „Scheitern“ zeigt sich stets in den „berühmten drei Sternmut-Pünktchen“: „Verdichtet … nie wirklich … verduftet … / Wund … was Titel wird … es war.“

_Buchwurm.info:_
Was sind die Themen, die Sie mit Ihren Gedichten verarbeiten?

_Norbert Sternmut:_
Von „Sprachschatten“ bis zur Fotografie und zum „Maschinenöl“. Es gibt keine thematische Grenze. Liebe, Tod, eben die üblichen Dichterthemen, seit es Dichtung gibt. Hierzu gehört die Annäherung an das liebende Individuum, als einzige Möglichkeit der Versinnlichung von Existenz im weitesten Sinne. Liebe, als reinstes Muster des „Scheiterns“ an den Grenzen, aber auch hier eingebunden ins Denkmuster der Existenzphilosophie bis hin zu Beckett und dem Nihilismus.

Ein wiederkehrendes Thema ist seit „Sprachschatten“ (1989) die „Sprache hinter der Sprache“. Ausgehend von Wittgenstein und Sartres „Die Wörter“, verwirkliche ich dies vor allem in der Lyrik, beeinflusst von Celan als lyrischer Grunderfahrung. Man sieht dies in den drei Gedichten zu Buchenwald in „Seelenmaschine“.

Über den „Themen“ steht als „Thema“ aber auch die Musikalität von Wörtern, Zeilen, lyrischen Zusammenhängen, Gespinsten, ausgehend von Trakl, der musikalischen, malerischen Lyrik, der Übergriff der Lyrik auf andere Kunstmuster (Musik, Malerei).

_Buchwurm.info:_
Aber Sie schreiben auch Romane und Erzählungen, mitunter sogar phantastischen Inhalts. Inzwischen sind von Ihrer aktuellen Trilogie die Bände „Der Tote im Park“ und „Marlies“ erschienen, mit „Norman“ soll sie abgeschlossen werden. Was sind die Themen und Aussagen dieser Romane?

_Norbert Sternmut:_
Die Trilogie ist in einem Zeitraum von zehn Jahren entstanden. Es geht um Erstarrungslösung, Zeilenschichten, Veränderung, aus einer Beziehung in eine andere, durchgehend um Leidenschaft, Liebe, Eifersucht, die daraus entstehenden Fragen und Komplikationen. Es sind die Themen der Lyrik in eine andere Form gebracht.

Also geht es wie stets bei mir auch um das Instrument der Sprache, die Werkzeuge des Bewusstseins, die Aufbrechung von eingefahrenen Schemata, die Wahrlegung [sic!] innerer Abläufe in einem Menschen, also die Innerlichkeit, um eine psychologische, musikalische Spielwiese der Absurdität, die sich hier meist in Liebe und Leidenschaft offenbart.

Das wird im abschließenden Roman „Norman“, der im Sommer oder Herbst 2007 erscheinen wird, nicht anders. Auch hier hat es Norman, der Protagonist und Schriftsteller, mit Sehnsucht, Liebe, aber auch mit psychopathologischen Hintergründen (Norman-Bates-Psycho …) zu tun. Ob es eine endgültige Aufklärung der Ebenen, der Morde aus „Der Tote im Park“ und aus „Marlies“ gibt, möchte ich nicht verraten.

Aber es geht in „Norman“ auch um die Frage, ob ein Individuum in einer kranken Gesellschaft nicht krank werden muss, wenn es von gesunder Veranlagung ist (nach dem Grundsatz von Adorno: „es gibt kein richtiges Leben im falschen …“). Der Text stellt die Frage, ob Norman krank sei oder er die Vorstellung einer kranken Gesellschaft gibt, und so entlarvt er die heutigen idealtypischen Vorstellungen und Zielmuster der heutigen Epoche als krank machend.

Darüber hinaus geht es um keine Geschichte, geht es um Romane in Romanen, haben die Romane unterschiedliche Sprachebenen, geht es letztendlich um die Verwirrung eines menschlichen Protagonisten in der Zeit, in die er geworfen wurde, suchend, kaum erkennend, fragend nach dem Urgrund der Seele, wie er die unbewussten Denkmuster aufdecken und verstehen will und dabei doch stets an seine Grenzen stößt.

_Buchwurm.info:_
Wie haben Sie zum Schreiben gefunden?

_Norbert Sternmut:_
Über eine bestimmte Sozialisation in einer bestimmten Familie mit Brüdern und Schwestern, einem Vater, der starb, als ich elf Jahre alt war, einer Mutter, einem ganzen Umfeld. Es ist eine simple, hochinteressante Frage an einen Schriftsteller, weshalb er schreibt, wie er zum Schreiben gekommen ist, auch wenn die meisten Schriftsteller kaum etwas darüber sagen möchten, sagen können.

Insgesamt bin ich aus einem innerpsychischen Defizit zum Schreiben gekommen, einer Art Verlassenheit, wie Harry in „Steppenwolf“, den ich in meiner Jugend las und der mich zum Schreiben gebracht hat, zumindest als Auslöser. Im Roman „Die Couch“ (geplant für 2009) werde ich darüber schreiben, was in diesen Zusammenhängen psychologisch und was philosophisch begründet ist.

_Buchwurm.info:_
Wer sind Ihre schriftstellerischen Vorbilder, denen Sie nacheifern?

_Norbert Sternmut:_
Paul Celan war eine lyrische Grunderfahrung, als ich in Stuttgart die Technische Oberschule (TO) besuchte. Lyrik und Deutsch kam eher am Rande vor, wichtig waren vor allem Mathematik, Physik, Chemie. Dann im Deutschunterricht: „Die Todesfuge“! Ja, ich denke, hier wurde klar, dass ich nicht Maschinenbauingenieur werden wollte, sondern Dichter. Welch ein Unterschied. Ich hatte Werkzeugmacher gelernt und war auf dem Weg zum Maschinenkonstrukteur, da kam plötzlich Celan …

Celan – mit 18 Jahren habe ich ihn nicht verstanden, aber jedes unverstandene Wort hat mich gefesselt, als zentrale Erfahrung. Über das eigentliche Unverständnis war es eine „Denkstimmung“, ein Gefühl, dass hiermit mein „Nerv“ getroffen wurde, eine geistige Innerlichkeit. Aus dieser Erfahrung heraus frage ich nicht in erster Linie bei Lyrik nach „Verständlichkeit“. Lyrik „funktioniert“ nicht. Oder: Sie „funktioniert“ darüber hinaus. Darunter hindurch. Nach meiner Erfahrung muss Lyrik nicht verstanden werden, um zu wirken. Vielmehr soll sie Bereiche beschreiben, die wir eben nicht verstehen, die durchaus über unser ICH hinaus gehen, die uns vorausleiten, uns meinetwegen überfordern. Also Celan – diese tiefe, nebulöse, sensible Worterfahrung.

In der Lyrik gehören zu meinen Vorbildern: Celan, Trakl, Rimbaud, Verlaine, Baudelaire, Benn, Rilke und andere. In der Philosophie: Schopenhauer, Kierkegaard, Nietzsche, Sartre, Camus, Heidegger, Laotse und andere. In der Psychologie: Alfred Adler (Individualpsychologie), Sigmund Freud, Begründer der Psychoanalyse (mit einer Diplomarbeit über „Suizid und Suizidversuch als notwendige Folge haltloser Existenz“).

_Buchwurm.info:_
Wie gelang es Ihnen, so viele Lyrikbände – es müssen inzwischen etwa zehn Stück sein – zu veröffentlichen? Haben Sie Sponsoren?

_Norbert Sternmut:_
Keine Sponsoren. Ich veröffentliche aus einer Freude an der Absurdität heraus. Aus meinem Hang, die „Sinnlosigkeit“ ins Handeln zu überführen, ins Schreiben zu zementieren. Stets hatte ich einen Hang, das zu tun, was keiner sehen wollte, das zu schreiben, was keiner hören wollte: Lyrik – es ist die Aussage zur Unabhängigkeit, Verrücktheit, wenn heute von einem „Lyriker“ gesprochen wird. Es heißt, er könne nicht (finanziell natürlich) von dem leben, was er tut. Was er schreibt, interessiert eigentlich niemanden. Lyrik? Heute? Diese Frage gibt es seit Jahrzehnten. Ich ignoriere sie, kenne sie, weiß, dass ich nicht aufhören werde, Lyrik zu schreiben, solange sie keiner lesen will.

Ich bewege mich gerne in absurden Bereichen, maroden Abläufen, Abbrucharbeiten des Seins, die keiner sehen will. Ich beweise mir gerne meine Freiheit, meine Unabhängigkeit, indem ich in meinem Sein, meinem Schreiben zum Sein nur mir selbst verpflichtet sein soll. Deshalb wird sich Sternmut (der Autor) niemals nach einem so genannten Trend richten. Er schreibt, was er schreibt. Dass ich kein Bestsellerautor werde, sollte in der Psychologie der Zusammenhänge niemanden wundern.

_Buchwurm.info:_
Gehen Sie noch anderen beruflichen Tätigkeiten nach?

_Norbert Sternmut:_
Natürlich lebe ich ausschließlich und zwar innerlich vom Schreiben. Ich bin das Schreiben. Sternmut lebt durch sein Schreiben. Er schreibt, indem er lebt. Bei aller Beschreibung der Hinausschiebung der Grenzen – ich werde nicht ewig von der Literatur leben können, genauso wenig wie die Kollegen Jelinek, Handke, Beckett. Ich arbeite teilzeitlich in der psycho-sozialen Betreuung von Jugendlichen, der psychologischen Einzelbetreuung, der Vermittlung in Therapie, der Einzelfallhilfe.

_Buchwurm.info:_
Mit welchen Projekten können wir in Zukunft von Ihnen rechnen?

_Norbert Sternmut:_
Mit dem Roman „Norman“, der Weltanhänger betrifft. Was ich sagen kann: Sternmut arbeitet und 2008 kommt der Lyrikband „Fadenwürde“ heraus und 2009 der Roman „Die Couch“. Für 2008 ist eine Ausstellung von Sternmuts Werken in der darstellenden Kunst vorgesehen, also von Radierungen und Ölbildern.

|Das schriftliche Interview führte Michael Matzer im Juni 2007.|

Der Autor

Norbert Sternmut
Norbert Sternmut

Norbert Sternmut (= Norbert Schmid), geboren 1958, lebt in Ludwigsburg und arbeitet als Sozialpädagoge. Der Theaterautor, Rezensent, Maler, Lyriker und Romanschreiber erhielt Stipendien vom Land Baden-Württemberg und der Stadt Gerlingen. Er veröffentlichte zwanzig Einzeltitel seit 1980 und ist in über 50 Anthologien vertreten. Als Maler trat er mit 75 Ausstellungen an die Öffentlichkeit. Der gelernte Werkzeugmacher wurde nach einem Studium zwischen 1982 und 87 Sozialpädagoge und ist seit 1993 in der Bildungsarbeit im Bildungszentrum Stuttgart tätig. Mehr Infos gibt’s auf seiner Website www.sternmut.de.

Seit 1980 hat Sternmut eine ganze Reihe von Lyrikbänden veröffentlicht, darunter die von mir vorgestellten Bücher „Photofinish“, „Triebwerk“ und „Absolut, du“. In dem Band „88 Rätsel zur Unendlichkeit“ arbeitete er mit dem Grafiker Volker Funke zusammen: Die Rebus-artigen Rätselgrafiken harmonierten mit den frei assoziierenden Gedichttexten Sternmuts. Eine Webseite ergänzte das multimediale Werk auf der Zeit angemessene Weise.

Auf der Prosaseite ist seine Romantrilogie hervorzuheben, zu der „Der Tote im Park“ (1999), „Marlies“ (2003) und sein Roman mit dem Titel „Norm@n“ gehören. Eine Reihe von z.T. phantastischen Erzählungen erschienen in dem Band „Das Zeitmesser“ (Rainar Nitzsche Verlag, Kaiserslautern, 1997).

_Norbert Sternmut auf |Buchwurm.info|:_

[„Triebwerk. Gedichte“ 3752
[„Marlies“ 1935
[„Der Tote im Park“ 3751

Interview mit der Autorin Dagmar Petrick

BUCHWURM.info sprach mit Dagmar Petrick, einer Autorin und Dozentin aus Ludwigsburg.

Art is about making something, not about making ourselves something special.

Julia Cameron

Dagmar Petrick (c) Matthias Ritzmann

BUCHWURM: Hallo, Frau Petrick, was machen Sie gerade?

Petrick: Eben habe ich die Druckfahne für eine Anthologie mit Texten schreibender Schülerinnen und Schüler an den Verlag geschickt; die wird bald erscheinen und ist bereits der dritte Band, den ich als Redakteurin begleite. Noch ein bisschen früher war ich Gassi mit meinem Hund. Sodann schreibe ich am nächsten Buch. Aber genau jetzt lese ich natürlich Ihre Fragen und der Hund, der sich ausgetobt hat, aber auch schon ziemlich alt ist, döst dabei zu meinen Füßen. Das sind doch gute Voraussetzungen für ein Gespräch, nicht wahr?

Unbedingt. Sie leben jetzt mit Ihrer Familie in Ludwigsburg, wo in Sachen Kunst bekanntlich der Bär los ist. Wie hat es Sie von Ihrem Geburtsort dorthin verschlagen? Sie waren ja im Vereinigten Königreich und in USA.

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Interview mit Norbert Sternmut zum unveröffentlichten Gedichtband „Abschied vom Feuer“

BUCHWURM: Der Titel Ihres neuen Gedichtbandes lautet „Abschied vom Feuer“. Das würden die Menschen in der Ukraine, denen es an Strom und Gas mangelt, die ihnen Wärme, Licht und Energie spenden, als eher negativ interpretieren. Was verstehen Sie also unter dem Begriff „Feuer“?

Norbert Sternmut

Sternmut: Zunächst ist „Feuer“ weder gut noch schlecht, und so wie jeder andere Begriff und jedes andere Element allein durch die menschliche Bestimmung und Definition eine Zuordnung in bestimmte Kategorien bekommt. Ebenso steht auch der Begriff „Abschied“ zunächst ohne Zuordnung, und allein durch die subjektive oder objeZektive Zuweisung einer Bedeutung kann der Begriff übersetzt und betrachtet und zum sprachlichen Austausch verwendet werden.

Wie in vielen vorangegangenen Büchern wie etwa „Sprachschatten“ (1989) oder „Schattenpalaver“ (2011) bleibt auch hier die Sprache an sich in ihrer Semantik, Verwendung und Verwendbarkeit ein grundlegender Teil der Auseinandersetzung in den Gedichten, auch wenn im Unterschied zu früheren Bänden die Metaphorik eher in den Hintergrund tritt und eher eine eindeutig verständliche Sprache als Transportmittel des Inhalts in den Vordergrund gerückt wird.

Interview mit Norbert Sternmut zum unveröffentlichten Gedichtband „Abschied vom Feuer“ weiterlesen

Interview mit Falko Löffler, Schriftsteller und Podcaster

Interview mit Falko Löffler, Schriftsteller und Podcaster

Löffler stellt sich selbst vor: „Hallo, mein Name ist Falko, ich bin 48 Jahre alt und meine Hobbys sind Lesen, Schreiben, Filme und Telespiele. Dummerweise habe ich die alle zu meinem Beruf gemacht, weswegen ich ohne finanzielle Interessen und rein zum Spaß nur noch durch den Wald schlurfen und es joggen nennen kann.“

Falko Löffler (c) Maria Manneck, 2019

Vita:
Jahrgang 1974, geboren in Lauterbach/Hessen, Studium der Germanistik, Anglistik und Medienwissenschaft in Marburg, Abschluss mit einer Magistarbeit über narrative Strukturen in Computerspielen. Über ein Praktikum beim Spiele-Distributor Bomico in die Gamesbranche eingestiegen und von 1996 bis 1999 als studentischer Freiberufler im Marketing mitgearbeitet. Von 1999 bis 2003 Autor und Leveldesigner beim Spieleentwickler Neon Studios (heute keen games) in Frankfurt/Main. Freier Autor und Übersetzer seit 2003. Seit 2018 auch Podcaster.

Bislang hat Löffler eine ganze Reihe Bücher veröffentlicht und übersetzt:

Romane

Drachenwächter. Die Prophezeiung. Roman, Spreeside Verlag, Berlin 2007. ISBN 978-3-939994-02-2 (auch als Hörbuch, gesprochen von David Nathan, ISBN 978-3-939994-03-9)
Cademar. Günstling der Magie. Roman, Spreeside Verlag, Berlin 2008. ISBN 978-3-939994-04-6 (auch als Hörbuch, gesprochen von Thomas Nero Wolff, ISBN 978-3-939994-05-3)
Drachenwächter. Die Jagd. Roman, Spreeside Verlag, Berlin 2009. ISBN 978-3-939994-38-1 (auch als Hörbuch, gesprochen von David Nathan, ISBN 978-3-939994-39-8)
Im Funkloch. Roman, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2010. ISBN 978-3-423-78244-9
Tiefe Saat. Roman, Spreeside Verlag, Berlin 2017. ISBN 978-3-939994-40-4

Humoristische Sachbücher

Bin ich blöd und fahr in Urlaub? Zuhausebleiben ist der beste Trip. Humor, Goldmann Verlag, München 2014. ISBN 978-3-442-15819-5
Ich kann da nicht nüchtern hin: Familienfeiern und wie man sie überlebt. Humor, Goldmann Verlag, München 2014. ISBN 978-3-442-15843-0

Kurzgeschichtensammlung

Ausgewählt. Fantastische Geschichten. Kurzgeschichtensammlung, kindle direct publishing / Createspace, 2013. ISBN 978-1492133087

Übersetzungen

D.M. Pulley: Das verlassene Haus, amazon crossing, 2019
D.M. Pulley: Das vierzehnte Opfer, amazon crossing, 2018
Tom Bale: Listige Brut, amazon crossing, 2018
Tom Bale: Sieh, wie sie fliehen, amazon crossing, 2017
Jen Williams: Das Kupferversprechen, beBEYOND by Bastei, 2017
D.M. Pulley: Das begrabene Buch, amazon crossing, 2017
D.M. Pulley: Der tote Schlüssel, amazon crossing, 2016
Bryan James: LZR-1143: Kontamination, amazon crossing, 2014

Was machst du gerade, Falko?

Jetzt gerade im Frühsommer 2022 bin ich mit Story und Texten eines größeren Computerspiels beschäftigt. Es ist noch nicht offiziell angekündigt, daher kann ich nicht viel dazu sagen, zumal ich nur eine von vielen Personen bin, die da mitwirkt und nicht – anders als bei einem eigenen Buch – der alleinige Entscheider. Wegen dieses umfangreichen Jobs liegt mein nächstes Buch beim Stand von 2/3 fertig auf Eis. Ansonsten bin ich an einem Podcast beteiligt, für den vier Folgen pro Monat produziert werden wollen.

Jetzt GERADE sitze ich im Dahliengarten des Kunstvereins Fulda, wo meine Frau Mona an einer Gemeinschaftsausstellung beteiligt ist und gerade aufbaut, und schwitze.

Ich habe dich auf einer Jahrestagung der Inklings Gesellschaft kennengelernt. Auf deiner Visitenkarte stand „Schriftsteller“. Bist du das geworden und wenn ja, was hast du alles veröffentlicht?

Zu diesem Zeitpunkt – ist ja schon ein paar Jahre her – hatte ich gerade meine ersten paar Romane veröffentlicht. Ich habe diese schreckliche Angewohnheit, dass meine Visitenkarten möglichst meinen aktuellen Schwerpunkt widerspiegeln müssen, weswegen ich immer neue Karten drucken lasse und einen Stapel alter Karten wegschmeiße. Als ich meinen Magister-Abschluss in der Tasche hatte, musste sofort eine neue Karte her, auf der „M.A.“ hinter dem Namen stand. Ein Jahr später war mir das schon wieder zu prätentiös, also habe ich neue drucken lassen, auf denen schlicht „Autor“ stand. Und als die ersten Romane draußen waren … nun ja … die hast du.

Zuletzt hatte ich eine Visitenkarte, die extrem beliebt war, denn sie war gleichzeitig ein Bonusheft, auf dem ich Treffen mit den Leuten abgezeichnet habe, und wer mich fünf Mal getroffen hat, bekam von mir eine individuelle Kurzgeschichte. Das ist dann etwas ausgeufert, daher verteile ich die nicht weiter.

Meine aktuelle Visitenkarte zeigt dann auch meine derzeitige berufliche Gewichtung. Darauf steht als Jobtitel: „Autor, Übersetzer, Podcaster“.

Worum geht es meist in deinen Geschichten?

Eigentlich mache ich es strategisch völlig falsch. Die erfolgreichen Autor*innen da draußen haben ein klares Profil und eine eindeutige Nische, in der sie sich etablieren. Bei mir hat sich das noch nicht ergeben, aber ich veröffentliche ja erst seit 30 Jahren.

Meine eigene Arbeit spiegelt oft meinen Konsum wider, und der geht in allen Medien querbeet durch die Genres. Ich kann mich für alle Spielarten der Fantastik begeistern, für anarchischen Blödsinn, für kleine und menschliche Geschichten. In meinen eigenen sind die besten Geschichten diejenigen, die mehr als nur ein Flair bieten, die versuchen, einen neuen Blick auf etwas zu werfen. Aber sie sind dann uneindeutig, also schlecht zu platzieren und zu verkaufen.

Daher kann ich es bei mir gar nicht so klar quantifizieren, worum es in den meisten Geschichten geht. Objektiv sind die meisten meiner Bücher Fantasy, aber das heißt nicht, dass ich mich dort am ehesten selbst verorte.

Du hast geschrieben, dass du Computer-Games mit Texten versiehst. Was darf ich mir darunter vorstellen?

Die Textarbeit an Computerspielen ist teilweise deckungsgleich mit der Arbeit an Romanen oder Drehbüchern, manchmal völlig anders. Das Berufsbild „Autor*in von Computerspielen“ ist nicht klar umrissen, nicht mal bei der Begrifflichkeit, wo mal von „Game Writer“, mal von „Narrative Designer“, mal von „Game Designer“ gesprochen wird. Manchmal geht es wirklich um den Entwurf einer Welt oder Dramaturgie wie bei einem linearen Medium.

Aber in den meisten Fällen führt Interaktivität dazu, dass eine Menge Text für eine Menge Situationen und Umstände gebraucht wird. Spielefirmen haben oft versucht, bekannte Autor*innen für ihre Games anzuheuern, und das funktioniert in den wenigsten Fällen, denn nur, wenn diese Leute einen Bezug zum Medium haben. Wer nicht zockt, kann kein Game Writer werden, sondern nur den eigenen Namen vermieten.

Verdienst du daran besser als an Romanen und Geschichten?

Solange man keinen Bestseller schreibt, verdient man mit ALLEM besser als mit Romanen. Nur der kleinste Teil der Veröffentlichungen da draußen rechnet sich, sowohl im Hinblick auf die Gesamtbilanz, wie auch umgerechnet auf die Arbeitszeit, die ich als Autor in ein Buch stecken muss. Ein Roman ist ein Lottoschein mit etwas besseren Gewinnchancen als ein normaler Lottoschein.

Natürlich kann ein Roman auch Abstrahleffekte haben, aber Lesungen, Verfilmungen, Übersetzungen in andere Sprachen – all das ist nur gefragt, wenn das Buch AN SICH schon erfolgreich ist. Der gleiche Fall mit den Vorschüssen. Die meisten Autor*innen können froh sein, wenn die reine Arbeitszeit auf Mindestlohnniveau bezahlt ist.

Bei den Computerspielen bin ich in einer anderen Rolle. Niemand klopft bei mir an, damit ich eine Story aus der Schublade zaubere, aus der ein Spiel gemacht wird. Nein, da bin ich ein Zahnrad im ganzen Team, und ich bin da eher Dienstleister als der kreative Oberhoschi. Entsprechend habe ich in den nun fast 20 Jahren als Freelancer in der Regel von Story- und Textarbeit an Spielen gelebt, und die Bücher kamen immer dann in den Mix, wenn ich entweder eine gute Verkaufschance oder einfach Bock darauf hatte.

Inzwischen bietest du auch Podcasts an. Was ist der Inhalt bzw. die Inhalte dieser Podcasts?

Jochen Gebauer und ich betreiben seit Sommer 2018 den Buchpodcast „Kapitel Eins“. Jochen ist erfahrener Journalist in der Gamesbranche und schon länger professionell im Podcast-Geschäft mit dem Gamespodcast „Auf ein Bier“, den er mit André Peschke betreibt.

Wir veröffentlichen meist alle 14 Tage eine Folge, in der wir ein neues oder altes Buch besprechen oder allgemeine Bücherthemen beackern. Wir führen seit 2020 auch ergänzend eine Crowdfunding-Kampagne durch. Leute, die uns fünf Euro im Monat geben, erhalten exklusiv zwei Bonusfolgen pro Monat – eine weitere Buchbesprechung und ein Interview, das ich führe. Aktuell tun das 300 Leute, und das erlaubt es uns auch, eine professionelle Aufnahme und Nachproduktion zu finanzieren. Unsere Domain ist www.buchpodcast.de

Für mich selbst ist das eine lustige Entwicklung, weil ich Zeit meines Lebens kein großes Interesse am Audio-Medium hatte. Mal eine Drei-Fragezeichen-Kassette als Kind, okay, aber Hörbücher waren nie meins und Radio brauchte ich nur für Musik. Glücklicherweise hatte ich gerade Zugang zum Medium Podcast gefunden, als Jochen bei mir angeklopft hat, sonst hätte ich wahrscheinlich lachend abgewunken.

Bestimmt das Medium den Inhalt bzw. dessen Form (Länge usw.)?

Ich habe für meine Bücher schon einige Radio-Interviews gegeben, und es war immer sehr anstrengend, in ein paar Minuten gepresst zu werden, kurz und prägnant sein zu müssen. Beim Podcast ist das Schöne, dass man höchstens sich selbst eine Längenvorgabe geben kann, aber nicht muss, und natürlich lässt sich in der Nachbearbeitung auch noch etwas ändern.

Podcasts werden in allen möglichen Alltagssituationen gehört, mal ganz intensiv, mal nebenbei. Aber daran denke ich während der Aufnahme nicht. Wir versuchen, eine grobe Struktur einzuhalten, aber erlauben uns auch, in unterschiedliche Richtungen zu galoppieren. Wir können mit Form und Länge auch experimentieren, und das finde ich toll.

Wie groß ist die mögliche Nachfrage im Netz bzw. auf den Smartphones?

Die Nachfrage auf unser Crowdfunding habe ich oben schon erwähnt. Was freie Folgen angeht: Eine öffentlich einsehbare Zahl ist beispielsweise in der populären App „Podcast Addict“ zu sehen, in der die Abo-Zahl jedes Kanals angezeigt wird. Allein dort haben wir im freien Kanal aktuell über 5000 Abonnent*innen.

Nimmt die Nachfrage zu?

Es fluktuiert immer etwas, scheint mir sogar saisonal abhängig zu sein, aber im Schnitt haben wir immer noch leichtes Wachstum. Natürlich haben wir es etwas schwerer, auf uns aufmerksam zu machen, als Kulturkanäle von Öffentliche-Rechtlichen Sendern oder rein kommerzielle Anbieter, die ein Marketingbudget haben.

Wie lässt sich damit Geld verdienen – durch Abos?

Ja, und da ist auch viel in Bewegung. Es gibt Crowdfunding-Seiten wie „Steady“ (dort sind wir mit unserem Buchpodcast), aber auch internationale Anbieter wie Patreon oder Ko-Fi, die sich in ihren konkreten Ausprägungen etwas unterscheiden, aber alle im Prinzip eine Paywall und ein Bezahlsystem als Infrastruktur bieten. Das zu nutzen, heißt natürlich auch, dass zwar einige Gebühren fällig werden, aber der Aufwand, diese Infrastruktur aufzubauen, hält sich für uns sehr in Grenzen.

Was hast du noch so für Pläne?

Wenn ich mit dem Schwitzen im Dahliengarten zu Fulda fertig bin, werde ich mich dem Spiel widmen, das mich weiter auf Trab hält. Dann werde ich ausschlafen. Dann den Roman fertigschreiben. Und der Podcast läuft sowieso.

Darüber hinaus: keine Ahnung. Ich sage schon seit langem, dass ich als Freiberufler nicht weit im voraus plane. Nur immer die nächsten drei Monate. Die sind verplant, also ist alles gut.

Wenn die Frage im ganz großen Bogen gemeint ist: Ich wäre glücklich, einfach weiter mein Zeug querbeet in den Medien zu machen. Um Buzz Lightyear halb zu zitieren: to Ruhestand and beyond!

Das schriftliche Interview führte Michael Matzer.

Interview mit Jutta Weber-Bock anlässlich der Veröffentlich ihres Romans „Das Mündel des Hofmedicus“

Die Stuttgarter Schriftstellerin Jutta Weber-Bock hat am 8. September 2020 im Hospitalhof Stuttgart ihren ersten historischen Roman „Das Mündel des Hofmedicus“ vorgestellt.

Kurz zum Inhalt:

Stuttgart 1804. In einem Stuttgarter Gasthof bringt eine adelige Dame heimlich das Mädchen Christiane zur Welt. Der Hofmedicus nimmt es seiner Mutter weg und unterwirft es einem Erziehungsexperiment. Die Spielkarten Herzsieben und Ecksteinsieben spielen dabei eine geheimnisvolle Rolle. Bis zu ihrem achten Lebensjahr wächst Christiane kindgerecht in einer Pfarrersfamilie auf, dann wird sie von der Schwester des Hofmedicus nach Stuttgart geholt. Diese gibt sich als Christianes wahre Mutter aus. Beim geringsten Vergehen züchtigt sie das Kind. Christiane lernt, sich zu wehren. Der Hofmedicus unterstützt das Mädchen heimlich. Christianes Versuch, mit der Mutter Frieden zu schließen, nutzt ihr nichts, ihre Zeit bei der Schwester des Hofmedicus endet dramatisch. Mit siebzehn Jahren tanzt Christiane auf einem Maskenball und verliebt sich unglücklich. Aus Verzweiflung isst sie eine ganze Schokoladentorte, doch diese ist vergiftet. Zufall oder Mordversuch?
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Interview mit der Stuttgarter Krimiautorin Sigrid Ramge

BUCHWURM.org: Hallo Sigrid, was machst du gerade? Schreibst du an einem neuen Krimi?

Sigrid Ramge: Ein neuer Roman? Da muss ich dich wie alle meine Fans enttäuschen. Die Corona-Pandemie hat nicht nur meine Schreibsucht, sondern auch meine öffentlichen Lesungen ausgebremst. Doch da es jetzt scheint, als ob hierzulande die Pandemie abflaut, hoffe ich, meine Ideen, die darauf warten, in Geschichten verwandelt zu werden, bald aus dem Corona-Schlaf befreien zu können.

Wie fühlst du dich? Bist du bedrückt durch die Folgen der Corona-Pandemie? Gibt es auch Grund zur Freude?

Wer fühlt sich in dieser Hinsicht nicht bedrückt? – Du fragst gleichzeitig, ob es auch Grund zur Freude gibt. Falls die Frage in Verbindung mit der Corona-Pandemie gemeint ist – dann freue ich mich, dass die Luft sauberer ist, weniger Autoverkehr herrscht und der Himmel nicht von Kondensstreifen zerstückelt wird. Grund zur Freude ist auch, dass der Umweltschutz ernster genommen wird als je zuvor.

Du schreibst ja schon viele Jahre. Wie kam es, dass du angefangen hast, auch oder nur noch Krimis zu schreiben? Aus Vorliebe oder wegen eines gewissen Interesses deiner Leser oder deines Verlags?

Bevor 2009 mein erster Krimi veröffentlicht wurde, waren von mir bereits mehrere Bücher anderer Genres in verschiedenen Verlagen erschienen (siehe unten).
Mein erstes Krimi-Manuskript hatte den Arbeitstitel „Endstation Sahara“, weil eine wichtige Nebenhandlung in Tunesien spielt.
Die Haupthandlung ist in und um Stuttgart angesiedelt. Da das Mordopfer mit vergiftetem Trollinger umgebracht wird, schlug der Silberburg-Verlag, der ausschließlich Regionales für Baden-Württemberg herausgibt, den Titel Tod im Trollinger vor. Damit war mein erster Weinkrimi geboren.

Jeder Titel deiner Krimis trägt, wenn ich das richtig deute, den Namen eines lokalen Weins. Wie kam es dazu? Und wie reagieren deine Leser darauf?

Der Krimi Tod im Trollinger war auf Anhieb so erfolgreich, dass die Leser und der Verlag eine Fortsetzung verlangten. In den folgenden zehn Jahren entstanden vier weitere Krimis mit Weinsorten aus der Region Baden-Württemberg im Titel: Cannstatter Zuckerle, Lemberger Leiche, Das Riesling-Ritual und Blutburgunder.

Meine Leser lieben die Weintitel und zusätzlich stieg mit jedem neuen Krimi die Beliebtheit des Ermittlerteams. Jeder, der einen Krimi aus der Serie kennengelernt hatten, wollte wissen, welchen Mordfall das Stuttgarter Ermittlerteam als nächsten zu lösen hat. Hauptkommissar Schmoll, ein gestandenes Mannsbild und hervorragender Weinkenner, die junge clevere Kommissarin Irma Eichhorn aus Itzehoe und der Urschwabe Kommissar Steffen Katz waren den Lesern schon beim ersten Krimi der Reihe ans Herz gewachsen. Die positive Reaktion der Leser zeigt sich an hohen Verkaufszahlen, begeisterter Fanpost und vollen Sälen bei Leseveranstaltungen.

Ist es dir wichtig, in deinen Kriminalgeschichten einen lokalen Bezug zu haben, und wenn ja, warum?

Ich denke, dass jedes Buch und jede Geschichte einen lokalen Bezug braucht, sei es ein fiktiver Ort oder wie in meinen Krimis, eine reale Region. Für den Haupthandlungsort in allen fünf Krimis habe ich Stuttgart gewählt, weil ich seit vielen Jahren in dieser Stadt lebe und mich auskenne. Es hat Spaß gemacht, altbekannte Orte durch die Augen meiner Romanpersonen neu zu entdecken.

Um dem Schwäbischen etwas Exotik beizumischen, spielen die Nebenhandlungen jeweils in einem anderen Land. In Gegenden, in denen ebenfalls Wein angebaut wird. Der Leser lernt nicht nur Stuttgart und besonders schöne Flecken in Baden-Württemberg kennen, sondern wird nach Tunesien, Ägypten, Mallorca, Sizilien und im fünften und vorläufig letzten Krimi in eine der geheimnisvollen Höhlenstädte Kappadokiens geführt. Für mich war es eine dankbare und spannende Möglichkeit, meine Reisetagebücher aufzuarbeiten oder neue Recherchereisen zu unternehmen.

Bist du mit dem Erfolg deiner Krimis zufrieden? Könntest du dir auch andersartige Bücher vorstellen? Und wenn ja welche?

Der Erfolg der Krimireihe ist für mich und auch für den der Verlag durchaus zufriedenstellend. Du fragst, ob ich mir vorstellen kann, andersartige Bücher zu schreiben.

Bevor 2009 Tod im Trollinger erschienen ist, waren von mir bereits mehrere Bücher in anderen Genres veröffentlicht. Zwei Bände mit Erzählungen Die Fäden der Träume und Das Lächeln der Steine.

Inspiriert durch Aufenthalte in Kenia entstand der Jugendroman Wanjiko und die schwarzen Störche. 2006 erschien der Roman Strahlenkinder, 20 Jahre nach Tschernobyl und im gleichen Jahr das Kinderbuch Die unsichtbare Wilhelmine. Diese Bücher mit sozialkritischem Unterton sind auch außerhalb Baden-Württembergs für Schullesungen begehrt.

Zwischen dem vierten und fünften Krimi habe ich mir endlich Zeit genommen für das Manuskript des Romans, der mir, seit ich zu schreiben angefangen habe, am Herzen liegt. Maifrost, eine deutsch-deutsche Familiensaga, erzählt von menschlichen Schicksalen, wie sie in Deutschland im letzten Jahrhundert unzählige Familien erleben und erleiden mussten. Das Buch erschien 2016.

Hinweis

Wer mehr über mich und meine Bücher wissen möchte, findet auf meiner Homepage www.sigrid-ramge.de eine kurze Vita und alle Buchveröffentlichungen mit Inhaltsangaben, Leseproben, Presseberichten und Fotos von Lesungen.

Eigene Lebensbeschreibung:

„Sigrid Ramge stammt aus Bad Köstritz, einer Kleinstadt in Thüringen, in der Schwarzbier gebraut wird und der Komponist Heinrich Schütz geboren ist.
19-jährig floh sie aus der DDR in die Freiheit und studierte Gartenarchitektur. In diesem Beruf arbeitete sie zwei Jahre lang in Zürich.
Zarte Bande führten nach Stuttgart und endeten in Ehe und Sesshaftigkeit.
Nach gelungener Brutpflege folgten beharrliche Schreibversuche und Weiterbildung in Sachen Literatur.
Reisen und Auslandsaufenthalte nach Ägypten, Kenia und Kanada lieferten Ideen für den ersten Erzählungsband.
2001: Der 1. Preis für Kinder- und Jugendliteratur finanzierte eine neue PC-Ausrüstung, aus der sogleich ein hochgelobter Jugendroman purzelte, der aber letztendlich, genau wie vier weitere Bücher, zwar zu Ehre, aber leider nicht zu Weltruhm führte.

Sigrid Ramge hat bisher (Stand 2019) mehr als 100 Lesungen in Buchhandlungen, in Bibliotheken, auf Buchwochen und in Schulen gehalten. Außer im süddeutschen Raum auch in Thüringen, Bayern, Nordrhein-Westfalen und in Berlin.

Sie leitete zehn Jahre lang die Schreibwerkstatt an der Universität Stuttgart im Studium Generale und gab Schreibseminare in verschiedenen literarischen Institutionen. Sie ist Mitglied des Schriftstellerverbandes.“

Das schriftliche Interview führte Michael Matzer.

Interview mit Sprecherin Eva Mattes über Elena Ferrantes „Das lügenhafte Leben der Erwachsenen“

Seit mehr als vier Jahren ist Eva Mattes die deutsche Stimme und – bei öffentlichen Lesungen auf der Bühne auch das „Gesicht“ – von Elena Ferrante. 177.000 Mal haben sich ihre Interpretationen der Ferrante-Werke bisher verkauft. Intensive 91 Stunden können Hörerinnen und Hörer mit ihnen verbringen.

Nun kommen weitere 11 Stunden und 37 Minuten hinzu. Denn in diesen Tagen erscheint Elena Ferrantes aktueller Roman „Das lügenhafte Leben der Erwachsenen“ als Hörbuch im Hörverlag parallel zur Buchausgabe bei Suhrkamp.
Anlässlich der Studioaufnahmen ließ sich Eva Mattes von Regisseur Roman Neumann zu ihrer persönlichen Verbindung zur Autorin und deren Werken befragen, zu ihrem Umgang mit den Figuren, ihrem Eintauchen in die Stoffe.

Schnell wird deutlich: Auch für eine erfahrene und renommierte Schauspielerin sind die Geschichten Elena Ferrantes etwas ganz Besonderes, setzen vielschichtige Gefühle, Gedanken und Assoziationen frei.
Interview mit Sprecherin Eva Mattes über Elena Ferrantes „Das lügenhafte Leben der Erwachsenen“ weiterlesen

Interview mit Norbert Sternmut zu seinem Buch „Winterdienst“ (2020)

In einer Wohngruppe für schwer traumatisierte Kinder beginnt der Ich-Erzähler seinen Dienst als sozialpädagogischer Mitarbeiter im Winter auf einem abgelegenen Dorf. Trotz langer Erfahrung in der pädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gelangt er schnell an seine Grenzen. Jeder neue Tag wird zur absoluten Herausforderung. Doch wie die Kinder in der Gruppe kann auch er nicht einfach fliehen, scheint gefangen in einer aussichtslosen Lage.Winterdienst

Der Ich-Erzähler beginnt ein Tagebuch, schreibt seine Eindrücke nieder, doch die Sätze zerfließen, fließen ineinander, lösen sich auf, treten aus ihrer gewohnten Struktur. Die üblichen Zeichen verlieren ihre Bedeutung, verschwinden, verlieren ihren Grund und Boden. Die Form verliert sich, die Sprache passt sich dem Inhalt an.

Doch im Prozess findet eine Entwicklung statt. Die Kinder und der Ich-Erzähler nähern sich an. Am Ende der Erzählung feiern sie Weihnachten zusammen, beginnt ein neues Jahr, auf dem Dorf, im Winter.
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Anstiftung zum Selberdenken. Interview mit Ralf Isau

Ralf Isau (c) Isabelle Grubert
Ralf Isau (c) Isabelle Grubert

Buchwurm.info: Lieber Ralf, wie geht es Dir? Wo bist Du?

Ralf Isau: Danke, mir geht es gut. Ich bin gerade überall und nirgendwo. Kürzlich hat mich das „Haus der Technik“ in Essen zum Botschafter für den Deutschen Weiterbildungspreis ernannt. Mitte März ging es zur Buchmesse nach Leipzig. Und im Mai fliege ich nach Südkorea. Ich darf am Changwon International Children’s Literature Festival 2013 teilnehmen. An der Uni von Changwong halte ich eine Vorlesung zur deutschen Kinder- und Jugendliteratur im Allgemeinen sowie der Phantastik von Michael Ende und Ralf Isau im Besonderen. Anschließend geht es zum Goethe-Institut nach Seoul. Du siehst, ich bin ein Globetrotter in Sachen Literatur.

Manche Leser kennen Dich und Deine zahlreichen Werke noch nicht. Stell Dich doch bitte ein wenig selbst vor.

Ich bin Baujahr 1956, in Berlin geboren. Seit 30 Jahren lebe ich mit meiner Frau Karin in der Nähe von Stuttgart. (Eine ausführliche, mit Fotos dokumentierte Biografie findet sich unter der URL http://www.isau.de/vita.html.) Bücher der Phantastischen Literatur veröffentliche ich seit 1994. Alles begann mit dem „Drachen Gertrud“, einem Kinderbuch, das ich Michael Ende schenkte. Es hat ihm gefallen und er empfahl mich seinem Verlag. Seitdem sind fast 40 Bücher entstanden, fast alle im Genre der Phantastik. Viele davon wurden ins Ausland verkauft, in 14 verschiedene Länder. Mein neuer All-age-Roman „Die Masken des Morpheus“ erscheint am 18. März beim Verlag CBJ. (Mehr zum Roman ist unter http://www.isau.de/werk/masken.html nachzulesen.)

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Interview – Andreas Eschbach über seine Romane „NSA“ und „Perry Rhodan“


Buchwurm.org: In deinem Roman „NSA – Nationales Sicherheits-Amt“ geht es um die Bedingungen, unter denen Liebe in einem totalitären System der computerisierten Überwachung existieren kann; a) Helene: Liebe vs. Kontrolle; b) Lettke: Rache und Kontrolle. Sind das zwei Varianten, wie sich NSA-Kontrolle auswirken kann?

Andreas Eschbach : Totalitarismus ist eine Herrschaftsform, die dich in eine mechanische Gesellschaftsform einzwängt. Dagegen steht Liebe als Ausdruck des Menschseins an sich: das nicht Mechanisierbare, das nur existiert, wenn es echt ist. Man kann Liebe nicht synthetisieren und auf Flaschen ziehen, auch nicht vortäuschen. Dann ist es keine Liebe. Insofern hat der Totalitarismus nicht speziell mit Digitalisierung zu tun; die Digitalisierung erleichtert ihn nur, erweitert die Möglichkeiten, die dieser hat, um den Lebensimpuls abzutöten, prädiktiv, mit Gesichtserkennung und Vorauswissen, was der Beobachtete vorhaben könnte.
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Interview mit Norbert Sternmut

Buchwurm.info:
Wie geht es Ihnen?

Norbert Sternmut:
Es geht gut genug. Es geht mir so weit gut, wenn ich arbeiten kann, in meinen Projekten bin, wie ich es gerade bin, also geht es gut.

_Buchwurm.info:_
Wo sind Sie gerade und was machen Sie gerade? Schreiben Sie ein Gedicht?

_Norbert Sternmut:_
Ich arbeite stets an neuen Gedichten, so auch jetzt, nachdem ich den Gedichtband „Nachtlichter“ gerade abgeschlossen habe, der zur Leipziger Buchmesse 2010 im |Pop|-Verlag, Ludwigsburg erscheinen wird. |Die Lesung ist am 19. März in Leipzig.|

Des Weiteren arbeite ich am neuen Gedichtband, den wir als Veröffentlichung für das Jahr 2012 mit dem |Pop|-Verlag einplanen.

Für das Jahr 2011 ist mit dem |Wiesenburg|-Verlag das nächste Prosamanuskript unter dem Titel „Wildwechsel“ geplant, eine Art Tagebuch, in dem ich einmal die sogenannte fiktive Ebene verlasse und durchaus konkret über mein sogenanntes „wahres Dasein“ in Vergangenheit und Gegenwart berichte. Das ist für mich eine ganz neue Form, ganz ohne Metaphern und irgendwelche Verstellungen.

_Buchwurm.info:_
|Buchwurm.info| hat Sie bereits einmal [vorgestellt,]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=77 deshalb können wir diesen Part überspringen und gleich medias in res gehen. Inzwischen haben Sie zwei Gedichtbände und einen Roman vorgelegt. Ich würde mich freuen, wenn Sie „Seelenmaschine“, „Fadenwärme“ und „Norm@n“ jeweils kurz charakterisieren könnten; zum Beispiel, welche Bedeutung „Norm@n“ als Abschluss einer Trilogie zukommt.

_Norbert Sternmut:_
Insgesamt ist die Romantrilogie aus „Der Tote im Park“, „Marlies“ und „Norm@n“ für mich ein zentraler Bestandteil meines Werks. Ein Mittelstück und ein Hauptstück. Zumal ich kaum annehmen kann, noch mal eine entsprechende Trilogie zu schreiben, über die „Natur der Dinge“ hinaus.

Also bleibt für mich „Der Tote im Park“ ein zentrales Romanwerk, wie etwa „Sprachschatten“ im Bereich der Lyrik. Dass ich die Trilogie geschrieben habe, war für mich wichtig, auch wenn sie zunächst gar nicht als Trilogie geplant war.

Wichtig, ich muss meine Bücher schreiben, kann mich meinem Dasein nur schreibend nähern. Die geschriebenen Bücher bleiben dann alleine zurück, ungelesen meist, aber es kommt mir scheinbar auch nicht unbedingt darauf an, dass sie jetzt und hier gelesen werden. Ich denke, irgendwann werden sie gelesen, und da bin ich mir auch einigermaßen sicher, auch wenn jetzt noch nicht unbedingt ihre Zeit gekommen ist.

Weiterhin will ich meinen „Charakter“ eher nach vorne beschreiben. Die Trilogie, das sind drei Bücher, die ich entlassen habe, wie die anderen auch. Jetzt versuche ich mir neue Ziele zu setzen, neue Erkenntnisse und innere Wahrheiten zu finden. So überlebe ich, so lange es geht, verfolge durchaus hartnäckig einen Weg, den ich als meinen Weg sehe, versuche nicht vollständig „verrückt“ zu werden.

Aber meine Trilogie ist mir wichtig.

Wie auch „Seelenmaschine“ oder der Band „Fadenwürde“, der aus bestimmten Gründen nicht „Fadenwärme“ heißt. „Fadenwürde“ erinnert an den Band „Fadensonnen“ von Celan und wurde von einem Bob-Dylan-Song „Dignity“ inspiriert. Hier geht es um die „Würde des Menschen am Faden“, auch um meine eigene Seelenanalyse, wie oft in den letzten Büchern.

Dass ich aus dem psychoanalytischen Unbewussten schöpfe, wird gerade in „Fadenwürde“ deutlich. Auch, dass ich Themen aufgreife, die gerne verdrängt werden. Dass all diese Zusammenhänge in den Gedichten eher über das Gefühl als über den Verstand zu erschließen sind, wenn überhaupt, sage ich hier und dort.

_Buchwurm.info:_
„Seelenmaschine“ und „Fadenwürde“ greifen aktuelle Befindlichkeiten und sogar Ereignisse der öffentlichen Welt auf. Worauf ist dieses Interesse zurückzuführen?

_Norbert Sternmut:_
Ich bin Teil der „öffentlichen Welt“! Auch ich bin ein Mensch, der sich den Eindrücken der aktuellen Wirklichkeit unterworfen sieht. Und als Schriftsteller will auch ich durchaus Stellung zu aktuellen Fragen beziehen, auch wenn ich kein Kommentator einer Tagespolitik bin, auch kein regionaler Schreiber; dass ich kein Schriftsteller bin, der aus einer örtlichen Heimat schöpft, einer nationalen Zuordnung.

Wie ich in „Seelenmaschine“ beschrieb, komme ich alleine auf die Sprache als Heimat zurück, schöpfe weniger aus Wurzeln, eher aus Entwurzelungen und fehlenden Haltbarkeiten.

Aber die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass auch ich das Wort „Klima“ in den Mund nehme. Ob es etwas hilft, ist eine andere Frage. Immerhin arbeite ich in meinen Projekten mit Jugendlichen und Arbeitslosen künstlerisch und sozialarbeiterisch in der Jetztzeit, befinde mich nicht in einem „Elfenbeinturm“.

Und das Interesse daran? Ich bin Sozialpädagoge! Und Schriftsteller! Künstler und Maler! Alles aus der Zeit heraus, aber nicht alleine daraus. Gerade auch aus dem Verlust der Zeit heraus, die seit meiner Krebserkrankung in der Jugend in meinem Bewusstsein liegt. Also lebe ich heute, weil ich nicht anders kann, weil ich also in diese Formel „geworfen“ wurde, bin ich mir dessen bewusst, so weit wie möglich, dass es womöglich nichts bedeutet, bei allem Interesse.

Also starte ich dieses und jenes Projekt und bin sozialarbeiterisch tätig, weil ich mir aus philosophischen Gründen keine Kugel durch den Kopf schießen will. Also versuche ich mich anderweitig zu beschäftigen.

_Buchwurm.info:_
Sie haben die Literaturgruppe „Sternmut-Literatur-Bunt“ (SMLB) gegründet, die mit anderen Literaturgruppen zusammenarbeitet. Was tun die Teilnehmer dieser Gruppe, wer sind diese und wie sieht die Kooperation mit anderen Gruppen aus?

_Norbert Sternmut:_
Nein, ich arbeite hier nicht grundsätzlich mit anderen Literaturgruppen zusammen! Wir sind eine nette Gruppe und ich lade mir interessante Menschen ein, und es finden bewegende Diskussionen statt, aber es ist „mein Ding“. Es ist mir auch durchaus wichtig, dass ich die Entscheidungen trage und entscheide, wen ich einlade, wichtig, dass es mir Freude macht, in der Hoffnung, dass sich die Freude auf andere bei SMLB überträgt.

Ich will Menschen einladen, die etwas anderes als das sagen, was üblich ist und von außen konditioniert ist. Marionettentheater soll es bei SMLB eher nicht geben. Das haben wir bereits an jeder Ecke.

Es hat sich schon eine kleine, eingeschworene Gemeinde gefunden, die sich mit der Gruppe identifiziert. Es ist bereits eine durchaus dynamische Gruppe entstanden. Junge Künstler kommen, Rapper, Drogenselbsthilfegruppen, Bildhauer. Wir sind bis ins Jahr 2011 mit Veranstaltungen ausgebucht. Es gibt keinen Mangel an Menschen, die sich präsentieren wollen. Also bedient SMLB ein öffentliches Bedürfnis. Es bietet eine Auftrittsmöglichkeit für interessante Menschen, Künstler, Gruppen. Und daher funktioniert SMLB sehr gut.

_Buchwurm.info:_
Sie nahmen an einem österreichischen Lyrikwettbewerb teil. Waren Sie zufrieden mit Ihrem Abschneiden und der Organisation dieses Wettbewerbs?

_Norbert Sternmut:_
Ja, ich war zufrieden mit meinem Abschneiden, zumal ich den Lyrikwettbewerb gewonnen habe. Und als Sieger hatte ich auch an der Organisation keine Einwände, zumal sie, nach meinem Verständnis, zum richtigen Ergebnis gekommen ist.

Insgesamt habe ich keine rechte Beziehung zu Schreibwettbewerben und Preislisten. Ich will „mein Werk“ schreiben und neben dem anderen bleibt im Allgemeinen keine Zeit mehr zur Bewerbung für irgendwelche Preise. Ich denke auch, dass ich ein gespaltenes Verhältnis dazu habe. Ich habe bisher nicht viele Preise bekommen, was verständlich ist, ich denke manchmal, irgendwie könnten es mehr sein, aber ich bewege mich selbst nicht dahin, bewerbe mich nicht. Also kann ich auch nicht erwarten, dass ich Preise für mein Werk bekomme, weil fast jeder Preis es verlangt, dass der Autor bzw. der Verlag des Autors sich selbst bewirbt.

Manchmal denke ich, ich sollte mich mehr für literarische Preise bewerben, doch dann schreibe ich wieder an irgendwelchen Gedichten, für die es wissentlich keinen Markt gibt, für die ich keinen Preis bekommen werde. Immerhin, denke ich mir, schau an, was du machst, kann sich auch nicht jeder leisten. Nein, zu dieser Preisvergabegeschichte habe ich sicherlich ein gespaltenes Verhältnis.

_Buchwurm.info:_
Welche Pläne haben Sie für die Zukunft, so etwa in Lyrik, Prosa Buchmessen, Zeitschriften, Wettbewerben oder privat?

_Norbert Sternmut:_
Im März 2010 bin ich auf der Buchmesse Leipzig, um mein neues Buch „Nachtlichter“ zu präsentieren. „Sternmut-Literatur-Bunt“ läuft erfolgreich und ist für einige Jahre geplant. Im Jahr 2011 wird ein neuer Prosaband im |Wiesenburg|-Verlag unter dem Titel „Wildwechsel“ erscheinen. Für 2012 ist der neue Lyrikband „Spiegelschrift“ im |Pop|-Verlag geplant.

|Das schriftliche Interview führte Michael Matzer im Februar 2010.|

Der Autor

Norbert Sternmut
Norbert Sternmut

Norbert Sternmut (= Norbert Schmid), geboren 1958, lebt in Ludwigsburg und arbeitet als Sozialpädagoge. Der Theaterautor, Rezensent, Maler, Lyriker und Romanschreiber erhielt Stipendien vom Land Baden-Württemberg und der Stadt Gerlingen. Er veröffentlichte zwanzig Einzeltitel seit 1980 und ist in über 50 Anthologien vertreten. Als Maler trat er mit 75 Ausstellungen an die Öffentlichkeit. Der gelernte Werkzeugmacher wurde nach einem Studium zwischen 1982 und 87 Sozialpädagoge und ist seit 1993 in der Bildungsarbeit im Bildungszentrum Stuttgart tätig. Mehr Infos gibt’s auf seiner Website www.sternmut.de.

Seit 1980 hat Sternmut eine ganze Reihe von Lyrikbänden veröffentlicht, darunter die von mir vorgestellten Bücher „Photofinish“, „Triebwerk“ und „Absolut, du“. In dem Band „88 Rätsel zur Unendlichkeit“ arbeitete er mit dem Grafiker Volker Funke zusammen: Die Rebus-artigen Rätselgrafiken harmonierten mit den frei assoziierenden Gedichttexten Sternmuts. Eine Webseite ergänzte das multimediale Werk auf der Zeit angemessene Weise.

Auf der Prosaseite ist seine Romantrilogie hervorzuheben, zu der „Der Tote im Park“ (1999), „Marlies“ (2003) und sein Roman mit dem Titel „Norm@n“ gehören. Eine Reihe von z.T. phantastischen Erzählungen erschienen in dem Band „Das Zeitmesser“ (Rainar Nitzsche Verlag, Kaiserslautern, 1997).

_Norbert Sternmut auf |Buchwurm.info|:_

[„Triebwerk. Gedichte“ 3752
[„Marlies“ 1935
[„Der Tote im Park“ 3751

Deutsche Lokalkrimis alle auf einer Google Map

Krimis mit regionalen Ermittlerteams erfreuen sich großer Beliebtheit – egal ob im TV oder in Buchform. Diese Begeisterung für Lokalkrimis greift BücherTreff.de  seit Kurzem auf und stellt für Krimileser eine Deutschlandkarte des Verbrechens vor.

 

Lokalkrimis lt. buerchertreff.de

 

In akribischer Kleinarbeit trug das BücherTreff-Team, unterstützt vom Schwarmwissen der Community über 3.400 Lokalkrimis aus über 200 Regionen zusammen und verortete die Einsatzorte der über 640 Ermittler(-teams) auf einer interaktiven Deutschlandkarte.

Neben der Kartografie wertete das Team die Fälle für eine literarische Kriminalstatistik aus: So führt NRW die Liste der gefährlichsten Bundesländer an. Die Städte Hamburg, gefolgt von München und Berlin belegen die ersten Plätze unter den Krimi- bzw. Verbrecherhochburgen. Am friedlichsten geht es im Saarland zu und die aktivste Ermittlerin kommt aus Dortmund.

Herr Kreuzer, wie kamen Sie auf die Idee, eine Google-Karte zu Lokalkrimis zu erstellen?

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»Im Mittelpunkt steht immer der Mensch …« Interview mit Andreas Brandhorst

Andreas Brandhorst
(c) Andreas Brandhorst

Andreas Brandhorst ist der erfolgreichste deutschsprachige Schriftsteller von Science-Fiction-Literatur. Er bringt mit schöner Regelmäßigkeit seine Romane in die Buchläden und ist vielen Lesern auch durch seine unzähligen Übersetzungen ein Begriff. Neben Genregrößen wie Iain Banks übersetzte Andreas die eigentümliche Scheibenwelt von Terry Pratchett; im wahren Leben verschlug es ihn aus Norddeutschland nach Italien, wo er einige Jahre lebte, ehe es ihn zurück in den Norden zog. Seine Romane wurden wiederholt für die einschlägigen Genrepreise nominiert und ausgezeichnet, was uns Leser alljährlich beflügelt, uns den neuesten Roman von ihm vorzuknöpfen. Unser letztes Interview ist nun schon neun Jahre her, und so freuen wir uns über Andreas‘ Bereitschaft, sich erneut unseren Fragen zu stellen:

 

 

Tobias Schäfer: Hallo Andreas! Du hast eine große Zahl an Romanen geschrieben. Die meisten davon dürften der Science Fiction zuzuordnen sein und auch 2015 erscheint mit »Ikarus« ein Ausflug in die Weiten des Weltraums. Was fasziniert dich an diesem Genre?

Andreas Brandhorst: Science Fiction bedeutet für mich, dass man der Fantasie noch mehr Raum geben kann als bei anderen Literaturgattungen. Es gefällt mir, über den Horizont zu blicken, über die Grenzen der uns bekannten und vertrauten Realität, um das Unbekannte und Unvertraute zu erkunden. Science Fiction bietet ein Mehr an Möglichkeiten, eine größere, buntere, exotischere Bühne für die Dramen, in denen es letztendlich immer um den Menschen geht, um seine Träume und Hoffnungen.

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Interview mit Andreas Brandhorst

Tobias Schäfer:
Hallo Andreas, ich bin hocherfreut, dich in unserem Magazin begrüßen zu dürfen! Für alle, die Andreas Brandhorst etwas näher kennen lernen wollen: Wer bist du und was treibst du so?

Andreas Brandhorst:
Ich bin 1956 in Norddeutschland geboren und schreibe, seit ich schreiben gelernt habe. Inzwischen lebe ich seit über zwanzig Jahren in meiner Wahlheimat Italien, wo ich nach dem Ende meiner zweiten Ehe (mit einer Italienerin) geblieben bin, weil ich dieses Land, seine Leute und Kultur sehr liebe. Lange Zeit habe ich vor allem übersetzt, aber seit einigen Jahren schreibe ich auch wieder selbst.

Tobias Schäfer:
Was sagst du zu dem »Vorwurf«, neuer Shooting-Star der deutschen Science-Fiction zu sein?

Andreas Brandhorst:
Zum Glück bezeichnet man mich nicht als Nachwuchsautor, denn immerhin werde ich nächstes Jahr 50! 🙂 Shooting-Star … Na ja, ich mag diesen Ausdruck nicht sehr, denn immerhin bin ich seit fast dreißig Jahren als Profi in der deutschen SF tätig und habe schon damals Romane geschrieben und an den legendären Terranauten mitgewirkt. Aber: In gewisser Weise hat er durchaus seine Berechtigung, denn ich sehe einen klaren Unterschied zwischen meinem heutigen Werk und der damaligen Arbeit. Heute bin ich einfach reifer, viel reicher an Lebenserfahrung, und ich gehe mit einem ganz anderen Anspruch an die Schriftstellerei heran. Der Andreas Brandhorst von heute ist ein anderer als der von damals. Als »Star« sehe ich mich allerdings nicht. 🙂

Tobias Schäfer:
Durch das Kantaki-Universum hast du die deutschen Science-Fiction-Leser auf dich aufmerksam gemacht. Seit »Diamant« im Mai ’04 auf den Markt kam, kann man dich zu den produktivsten Schriftstellern des Genres rechnen. In den Jahren reiner Übersetzertätigkeit hat sich deine Kreativität anscheinend stark gestaut?

Andreas Brandhorst:
»Diamant« im Mai ’04, es folgte »Der Metamorph« im Januar ’05 und »Der Zeitkrieg« im Oktober ’05. Wenn man berücksichtigt, dass ich vor dem Erscheinen von »Diamant« ca. ein Jahr an dem Roman gearbeitet habe, so sind das drei Romane in 29 Monaten (ohne »Exodus der Generationen«). Das ist eigentlich nicht übermäßig produktiv, oder? An Kreativität hat es mir nie gemangelt (die braucht man auch fürs Übersetzen), aber ich schreibe heute sehr langsam und sehr, sehr sorgfältig, etwa drei Seiten pro Tag, aber jeden Tag – das sind etwa tausend Seiten im Jahr, also anderthalb dicke Romane. Es geht mir heute vor allem um die Qualität und nicht um die Quantität. Ich hoffe, das merkt man den Romanen an.

Tobias Schäfer:
Da kann ich dich beruhigen 😉 Der umfassend ausgearbeitete Hintergrund zu den Romanen um Valdorian und Lidia bietet Raum für unzählige noch unerzählte Geschichten. Die fremden Völker des Universums üben einen besonders großen Reiz aus. Jedes von ihnen hat eine spannende Geschichte, die anfangs ziemlich schwarz-weiße Weltsicht hat sich schließlich im »Zeitkrieg« verwischt. Was passiert nun mit den Temporalen, Kantaki, Feyn? Und vor allem: Was ist mit den Xurr? In dieser Hinsicht lässt du den Leser sehr erwartungsvoll zurück.

Andreas Brandhorst:
Ich habe sehr viel Zeit und Mühe in die Ausarbeitung des Hintergrunds für das Kantaki-Universum investiert, denn so etwas lohnt sich: Als Autor bekommt man dadurch eine große Bühne mit vielen Kulissen, um Geschichten zu erzählen. Natürlich kann ich hier nicht verraten, was aus den bisher geschilderten Völkern wird, obwohl mein Computer viele entsprechende historische und chronologische Daten enthält. (Hoffentlich fordere ich mit diesem Hinweis keine Hacker-Angriffe heraus …) Es ist wie mit einem Eisberg: Nur ein kleiner Teil zeigt sich über Wasser, der Rest bleibt darunter verborgen. Bisher kennen die Leser nur einen winzig kleinen Teil des Kantaki-Universums. In den nächsten Büchern wird es bestimmt die eine oder andere Überraschung geben …

Tobias Schäfer:
Vor allem im letzten Band »Der Zeitkrieg« drängen sich die hintergründigen Informationen. Hättest du die Geschichte lieber noch ein wenig ausgedehnt?

Andreas Brandhorst:
Nein, eigentlich nicht. »Der Zeitkrieg« beantwortet viele Fragen, die in »Diamant« und »Der Metamorph« offen blieben. Der große Kreis schließt sich zu Recht in diesem Band; ein vierter Roman hätte alles nur gedehnt und langatmig gemacht. Aber es bleibt auch das eine oder andere offen, was mir Gelegenheit gibt, vielleicht noch einmal darauf zurückzukommen: auf Olkin und das Flix, oder auf die Xurr … 🙂

Tobias Schäfer:
Rückblickend kann man sagen, dass dir der Charakter »Valdorian« am stärksten am Herzen lag. Über ihn hast du die Suche nach dem ewigen Leben neu erzählt. Was macht für dich die Faszination dieser Figur und/oder dieses Themas aus?

Andreas Brandhorst:
Ich glaube, dass in jedem Bösen etwas Gutes steckt, und dass jeder Gute auch einmal böse werden kann. Die Komplexität des menschlichen Wesens fasziniert mich, und ich glaube, die kommt im Valdorian gut zum Ausdruck, wenn man seine Entwicklung vom Saulus zum Paulus über die drei Romane hinweg verfolgt. Außerdem beschäftige ich mich immer mehr mit dem Leben an sich und dem Tod, einem Thema, dem sich keiner von uns entziehen kann. Der Tod, welch eine Verschwendung: Man verbringt das ganze Leben damit, Wissen zu sammeln und Erfahrungen zu machen, klüger zu werden, und dann, in einem Augenblick, geht das alles verloren. Und die verschiedenen Straßen des Lebens, die Diamant und Valdorian beschreiten: Oftmals gibt es nach einer getroffenen Entscheidung kein Zurück mehr. Wir alle müssen versuchen, das Beste aus unserem Leben zu machen, und genau dieser Gedanke hat ja zunächst die verschiedenen Lebensentscheidungen von Diamant und Valdorian bestimmt.

Tobias Schäfer:
Für manche Leser mag die Wandlung Valdorians zu plötzlich erfolgen. Wie antwortest du auf Vorwürfe der Unglaubwürdigkeit? Kommt so was überhaupt vor?

Andreas Brandhorst:
Nein, bisher sind solche Vorwürfe noch nicht aufgetaucht, oder mir zumindest nicht bekannt. Valdorian ist, wenn man genau hinsieht und aufmerksam liest, eine sehr komplexe Person, zuerst mit einem schwierigen Verhältnis zu seinem Vater, der dann aber sogar zu seinem Idol wird. Es gibt in allen drei Romanen Stellen, die seinen inneren Zwist zeigen, seine Zerrissenheit – er ist nie schwarz oder weiß, sondern grau. Die Konfrontation mit Diamants Einstellungen zum Leben verändert ihn nach und nach, und ein wichtiges Schlüsselerlebnis in diesem Zusammenhang ist die Begegnung mit seiner Mutter in »Der Zeitkrieg«. Er beginnt zu verstehen, dass Dinge, die er für unwichtig gehalten hat, tiefe Bedeutung haben, und er denkt darüber nach. Er fängt an, Verantwortung zu übernehmen, für sich selbst und auch die Welt (das Universum), in der er lebt. All diese subtilen Veränderungen schlagen schließlich als Quantität in Qualität um. Ein neuer Valdorian wird geboren, und damit schließt sich für ihn ein eigener Kreis: Er, der am Ende seines Lebens nach neuer Jugend strebte, erneuert sich im Tod.

Tobias Schäfer:
Wo wir gerade bei den Lesern waren: Wir leben ja im Zeitalter der ungehemmten Kommunikation. Stehst du in engem Kontakt mit Menschen, die erst durch deine Geschichten an dich herangetreten sind? Kannst du dich vor Leserpost kaum retten oder traut sich niemand an dich heran?

Andreas Brandhorst:
Es ist nicht so, dass ich jeden Tag zwei Säcke Post bekäme … 🙂 Für die Leser gibt es verschiedene Möglichkeiten, sich mit mir in Verbindung zu setzen. Da wäre zum Beispiel das Forum der Kantaki-Site [down, Anm. d. R.] wo ich mich bemühe, jeden Beitrag zu beantworten. Abgesehen davon bekomme ich erstaunlich viele E-Mails und frage mich manchmal, woher die Schreiber meine E-Mail-Adresse kennen. Auch in diesem Fall versuche ich, jede Mail zu beantworten.

Tobias Schäfer:
In dem Zusammenhang erinnere ich mich an eine Anekdote aus dem Perry-Rhodan-Werkstattband, wo William Voltz ständig unangemeldeten Besuch seiner Leser bekommt. Wirst du manchmal persönlich behelligt oder beschränkt sich diese Art Kontakt auf Cons?

Andreas Brandhorst:
Da ich in Italien wohne, kommt es (fast) gar nicht zu solchen Überraschungsbesuchen. Es gab nur eine Ausnahme, vor zwei Jahren … 🙂 Vor etwa 25 Jahren, als ich noch in Deutschland wohnte und Romane für die Terranauten schrieb, kam es öfter vor, dass plötzlich Leute vor meiner Wohnungstür standen, in einem Fall eine Gruppe von sieben oder acht Jugendlichen. Wir haben uns dann zusammengesetzt und gemütlich miteinander geplaudert …

Tobias Schäfer:
Dein erster Beitrag zum sogenannten »Perryversum« war erstens eine Überraschung und stellt zweitens einen unbestrittenen Höhepunkt der Serie dar. Wie bist du dazu gekommen? Ist nach deinem Roman »Die Trümmersphäre« weiteres Engagement in der Serie geplant?

Andreas Brandhorst:
Dazu gekommen ist es durch ein Gespräch im Heyne Verlag, im Oktober 2003, glaube ich, wo Sascha Mamczak, der mit Klaus Frick in Verbindung stand, das Lemuria-Projekt ansprach. Ich hatte gerade »Diamant« fertig gestellt, und mich reizte die Vorstellung, einen Beitrag für das Perryversum zu schreiben, das für mich als 12/13-Jähriger praktisch der Einstieg in die SF war – ich habe die Romane damals regelrecht verschlungen. »Die Trümmersphäre« habe ich nach dem »Zeitkrieg« geschrieben, und dieser zweite Beitrag für das Perryversum war aus mehreren Gründen extrem harte Arbeit. Nach der Fertigstellung dieses Romans dachte ich mir: Jetzt nimmst du dir erst einmal eine Auszeit und widmest dich ganz deinen eigenen Projekten. Damit ist die Frage praktisch schon beantwortet: Eine weitere Mitarbeit meinerseits bei PR ist derzeit nicht konkret geplant, was sie aber mittel- oder gar langfristig nicht ausschließt.

Tobias Schäfer:
Was erwartet die Leser in deinen nächsten eigenständigen Romanen? Kannst du dazu zu diesem Zeitpunkt schon etwas verraten?

Andreas Brandhorst:
Ja, ich denke, ich kann hier ein kleines Geheimnis lüften. Derzeit arbeite ich an »Feuervögel«, einem Roman, der im Oktober 2006 bei Heyne erscheinen wird, aller Voraussicht nach als erster Band einer neuen Trilogie; die Arbeitstitel für den zweiten und dritten Band lauten »Feuerstürme« und »Feuerträume«. Und: Diese neuen Romane sind im Kantaki-Universum angesiedelt, allerdings in einer aus Valdorians und Diamants Sicht fernen Zukunft. Vom Umfang her werden die neuen Romane den ersten drei Kantaki-Romanen ähneln. Was den Inhalt betrifft … (Schnitt)

Tobias Schäfer:
Als Schriftsteller scheinst du ziemlich ausgebucht zu sein. Da wirkt es erstaunlich, deinen Namen noch regelmäßig bei Übersetzungen vorzufinden, derzeit vor allem bei Terry-Pratchet-Romanen – und ganz aktuell bei David Brins »Copy«. Wie bringst du das alles unter einen Hut?

Andreas Brandhorst:
Indem ich knallhart arbeite. Der Brin zum Beispiel hat wirklich meine ganze Kreativität gefordert; ich glaube, es war eine der schwierigsten Übersetzungen, die ich jemals gemacht habe. Mit Pratchett bin ich nach circa 30 Romanen gut »synchronisiert« … Eigentlich gefällt mir die Mischung aus eigenem Schreiben und Übersetzen. Ich möchte sie nur noch etwas mehr zugunsten der eigenen Werke verändern.

Tobias Schäfer:
Was ist das für ein Stoff, den Pratchet schreibt? Seine Romane sind ja regalfüllend in diversen Buchhandlungen zu finden. Was macht den Reiz dieser Geschichten aus?

Der besondere Reiz von Pratchetts Geschichten besteht aus der genialen Mischung von Intelligenz und Humor. Ich halte Terry Pratchett für einen der besten Schriftsteller überhaupt. Ihm gelingt es, Personen mit ein oder zwei Sätzen zu charakterisieren, und seine Schilderungen zeichnen sich immer durch große Tiefe aus. Man kann seine Romane auf zwei Arten lesen: als lustige, leicht verdauliche Unterhaltung, und als tiefsinnige Romane, bei denen einem manchmal das Lachen im Halse stecken bleibt.

Tobias Schäfer:
Wir haben jetzt viel über den offiziellen Brandhorst gesprochen. Danke sehr für die interessanten Antworten! Aber was macht der Mensch Andreas, wenn er ein bisschen Zeit für sich findet?

Andreas Brandhorst:
Nach all der Zeit am Computer lege ich großen Wert darauf, mich körperlich fit zu halten. Ich laufe fast jeden Tag mindestens eine Stunde, egal ob es stürmt, regnet oder schneit. Wenn ich nicht laufe, stemme ich Gewichte. Manchmal schnappe ich mir Notebook und Auto, reise durch Italien – ich liebe dieses Land! –, und bleibe eine Zeit lang, wo es mir gefällt. Ich bin nach zwei Ehen wieder Single, Sohn und Tochter sind erwachsen … Ich genieße meine Freiheit, laufe im Winter an menschenleeren Stränden, schreibe an einem warmen Kaminfeuer, denke über das Leben nach … 🙂

Tobias Schäfer:
Dann wünsche ich dir, dass diese Zeit nicht zu kurz kommt – obwohl ich natürlich vor allem auf viele spannende Romane von dir hoffe. 🙂 Alles Gute weiterhin!

 

Interview mit Michael Marrak

Michael Marrak, Jahrgang 1965, lebt seit Anfang 2001 in Hildesheim bei Hannover und arbeitet freiberuflich als Schriftsteller und Illustrator. Seine erste Erzählung wurde 1990 veröffentlicht, seither erschienen zahlreiche Erzählungen und Illustrationen in Magazinen und Anthologien. 1997 debütierte er mit seinem ersten Roman „Die Stadt der Klage“. Ende 2000 erschien schließlich der Roman „Lord Gamma“, mit dem er ein Jahr später den Kurd-Laßwitz-Preis und den Deutschen Phantastikpreis für den besten deutschen SF-Roman des Jahres gewann. In „H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens“ erschien 2002 der Roman „Imagon“, der ebenfalls den Kurd-Laßwitz-Preis für den besten Roman erhielt. Bei Bastei-Lübbe wurde „Imagon“ in diesem Jahr als Taschenbuch veröffentlicht.
Das Gespräch wurde Ende Mai geführt. Weitere Informationen zum Autor finden sich im Internet auf http://www.marrak.de.

Buchwurm.info:
In den letzten Jahren gab es zwei sehr erfolgreiche Romane von dir. Im Rückblick auf „Lord Gamma“ und „Imagon“: Hättest du den großen Erfolg der beiden Romane erwartet?

Michael Marrak:
Was „Lord Gamma“ betrifft: Nein. Ich hatte lediglich gehofft, dass sich deutlich mehr Leute für das Buch interessieren würden als die wenigen hundert Stammleser, die ich damals (in meiner Kleinverlagszeit) noch hatte. Die „Lord Gamma“-Originalauflage im Shayol-Verlag betrug gerade mal 300 Exemplare. Davon, dass der Roman zwei Jahre später als Buchtipp des Monats bei Lübbe veröffentlicht werden würde, träumte ich zu dieser Zeit noch nicht einmal. Im Mai 2002 erschien „Lord Gamma“ schließlich in fünfstelliger Auflage als Lübbe-Taschenbuch, und bereits im Startmonat verkauften sich knapp 4000 Exemplare. Erst da dachte ich: Oha, das könnte interessant werden …

Allerdings wehre ich mich gegen den Trugschluss, „Imagon“ und „Lord Gamma“ seien Erfolgsbücher, nur, weil ich für sie einige Preise erhalten habe. Erfolg hat nichts mit einem (zumal undotierten) SF-Literaturpreis zu tun. Erfolg rechnet sich in meiner jetzigen Situation als freier Schriftsteller einzig und allein durch Absatzzahlen und darüber, ob ein Buch für den Verlag rentabel ist oder der Autor schlicht und einfach seine Vorschüsse nicht einspielen kann, weil sich seine Bücher nicht verkaufen.

Das Schlimmste, was mir als Autor bei einem großen Verlag wie Lübbe passieren könnte, wäre, dass ich bei den Buchhaltern den Makel eines Autors bekomme, der seine Garantiesumme nicht wert ist. Seine Vorschüsse einzuspielen ist wichtiger als jeder eventuelle Preisgewinn eines Kurd Laßwitz oder was auch immer. Zumal sich die deutschen SF- und Phantastikpreise definitiv noch nie groß auf die Verkäufe ausgewirkt haben. Also bitte einem Buch nicht sofort einen Erfolgsstempel aufdrücken, nur weil „Literaturpreis“ draufsteht.

Buchwurm.info:
Was dachtest du, als „Lord Gamma“ rechtzeitig zum Kurd-Laßwitz-Preis nicht mehr lieferbar war?

Michael Marrak:
Ich habe mich geärgert. Bei der Preisverleihung in Dresden gab es das Novum, dass ein Phantomroman ausgezeichnet wurde: Die Originalauflage war vergriffen, die Neuauflage noch nicht erschienen. Zwar war damals bereits das Taschenbuch bei Lübbe geplant, aber bis zur Wiederveröffentlichung war es noch fast ein Jahr hin. Ich fürchtete, dass sich bis dahin kaum noch jemand an das Buch erinnern würde. Glücklicherweise war das am Ende nicht der Fall. Das Buch kletterte z. B. bei Amazon.de innerhalb weniger Tage bis auf Verkaufsrang 4. Ich war völlig baff, fand mein Buch plötzlich in Konkurrenz zu Romanen von Henning Mankell, Tom Clancy, Ken Follett und dem Dalai Lama. Das dauerte zwar nur zwei oder drei Wochen, begeisterte mich aber dermaßen, dass ich im wahrsten Sinne des Wortes zum Ranking-Surfer mutierte …

Buchwurm.info:
„Abydos“ ist der Arbeitstitel deines kommenden Romans. In welche Richtung wird es diesmal gehen, nach den zwei sehr unterschiedlichen Vorgängern? „Lord Gamma“ ist erstklassige Science-Fiction, „Imagon“ eine Mischung aus SF und Wissenschaftsthriller, wobei man ihm eine deutliche Horror-Komponente nicht absprechen kann – Was kommt als Nächstes?

Michael Marrak:
Ein recht umfangreicher, phantastischer Roman, den ich aus dem Stehgreif nur sehr schwer definieren kann. Es ist ein Synergy-Projekt – ein Crossover aus SF, Phantastik, Horror und Wissenschafts-Thriller mit einem deftigen Schuss Religion und altägyptischen Mythen. Ich tue mich mit dem Einordnen des Stoffes ein wenig schwer, doch man könnte ihn vielleicht als eine Mischung aus Ian McDonalds „Necroville“, Farmers „Flusswelt der Zeit“ und einer sehr modernen Version von Dantes „Göttlicher Komödie“ beschreiben – falls irgendjemand Wert auf derartige Vergleiche legt. „Abydos“ ist nicht ganz so hysterisch wie „Lord Gamma“, aber auch nicht mehr so kalt und bedrückend wie „Imagon“. Es wird – schon allein aufgrund des Handlungsumfeldes – ein sehr zynischer Roman mit einer gesunden Portion an schwarzem Humor … und knietief Blut … 😉

Buchwurm.info:
Abydos ist eine heilige Stadt in Ägypten, ihr wichtigstes Gebäude ist der Sethos-Tempel. Laut Legende hatte in Abydos die Auferstehung des Gottes Osiris stattgefunden, dessen Kopf hier begraben wurde. Ist „Abydos“ vielleicht doch nicht nur Arbeitstitel?

Michael Marrak:
Doch, im Grunde schon. Die Stadt wird lediglich hin und wieder unter ihrem alten ägyptischen Namen Abdju erwähnt (Abydos ist der Name, den die Griechen der Stadt gaben – wie auch der Großteil aller uns bekannten ägyptischen Namen und Begriffe erst von den Griechen geprägt wurde). Die antike Tempelstadt Abydos ist die einstige Heimat einer meiner Hauptfiguren und kommt u. a. in einer Rückblende vor, besitzt im Roman jedoch keine tragende Rolle. Der tatsächliche Romantitel erinnert mehr an eines der fünf Bücher Moses …

Buchwurm.info:
Die Erwartungen der Leser (und Redaktionen) bezüglich „Abydos“ sind durch deine bisherige Leistung sicher enorm. Belastet dich diese Erwartungshaltung?

Michael Marrak:
Nein, eigentlich nicht. Ich ziehe, wie es so schön heißt, mein Ding durch. Die einzige Belastung, die enorm ist, ist mein weiterhin schmerzendes Handgelenk. Leider hat die Operation vor anderthalb Jahren nicht die erhoffte Verbesserung gebracht. Aber das ist eine andere Geschichte.

Buchwurm.info:
Ja, davon habe ich gehört. Du musstest die Arbeit an „Abydos“ zeitweise einstellen. Ich wünsche dir alles Gute für die Genesung! War es schwer, nicht schreiben zu können, oder hast du die Pause auch genossen?

Michael Marrak:
Genossen? Ich bin schier verrückt geworden! Die größte Pause gab es jedoch während der Arbeit an „Imagon“. Damals erwischte es mich mitten im Roman. Bei „Abydos“ konnte ich lediglich nicht mit dem Schreiben beginnen, was jedoch nicht weniger quälend war.

Das eigentliche Problem war, dass ich durch die lange Pause von fast einem Jahr irgendwann völlig den Faden verloren hatte und nicht mehr wusste, welches Projekt ich nun als nächstes anfangen bzw. zuende bringen sollte. Zu viel nutzlose Zeit bedeutet zwangsläufig, dass sich zu viele Ideen anstauen. Ich verlor das ursprüngliche Ziel aus den Augen, konnte mich monatelang nicht entscheiden, was ich als nächstes schreiben werde. Für eines der drei in Frage kommenden Romanprojekte fühlte ich mich noch nicht reif und vorbereitet genug, daher beschloss ich, zuerst noch ein Buch dazwischenzuschieben. Ich schrieb schließlich an einem Roman weiter, von dem ich überzeugt war, dass er der richtige sei und Lübbe gefallen werde. Tat er aber nicht, was sehr, sehr ärgerlich war. Stattdessen interessierte mein Lektor sich für ein Projekt, an dem ich nebenher arbeitete, sozusagen for my private satisfaction, ohne das Ziel, dieses Buch Lübbe anzubieten. Und falls doch, dann erst, wenn ich es mir vom Erfolg her leisten konnte, dem Verlag so etwas Abgedrehtes vorzulegen, ohne dafür gekreuzigt zu werden. Ich schrieb diesen Roman für mich, weil ich Spaß daran hatte, keinem Exposé oder Konzept folgen zu müssen, sondern mich von der Entwicklung der Handlung überraschen zu lassen. Und ausgerechnet dafür interessierte sich mein Lektor, weil er nach „Imagon“ gerne noch ein Buch bringen wollte, das eindeutiger in die SF-Reihe passt als das abgelehnte. Nun gut, dachte ich, kein Problem, soll mir recht sein. Also schickte ich ihm die ersten einhundert Seiten … Und was soll ich sagen? Das Ding gefiel ihm!

Ich erwarte von „Abydos“ nicht, dass es ein kommerzieller Erfolg wird, dazu ist der Roman zu schräg und zu … wie soll ich sagen? Grotesk? Absonderlich? Unkonventionell? Abgedreht? Gewisse Leute, die nach wie vor glauben, ich schreibe meine Bücher nur unter Drogen, werden sich durch diesen Roman zweifellos bestätigt fühlen. „Abydos“ ist Wasser auf ihre Mühlen.

Buchwurm.info:
Bei „Imagon“ stammt auch das Titelbild von dir – meiner Meinung nach übrigens sehr gelungen. Wirst du auch dein neues Buch selbst illustrieren?

Michael Marrak:
Das kann ich noch nicht sagen. Eventuell, falls mir etwas Passendes einfällt und gelingen mag. Allerdings habe ich vor einigen Wochen auch ein Wunschtitelbild an den Verlag geschickt, jedoch noch keine Reaktion darauf erhalten. Es ist von einem amerikanischen Illustrator und würde zu „Abydos“ passen wie kaum ein zweites. Mal sehen. Ich bleibe am Ball.

Buchwurm.info:
Was machst du, wenn du gerade mal keinen Bestseller schreibst?

Michael Marrak:
Korrektur: „Imagon“ ist (bisher) kein Bestseller, und ich denke, er wird sich im Gegensatz zu „Lord Gamma“ auch im eher begrenzten Rahmen dessen verkaufen, was von SF normalerweise umgesetzt wird. Ich kann mich natürlich irren und lasse mich gerne überraschen. Aber mal ehrlich: Die einzige „Bestsellerliste“, in die „Lord Gamma“ damals geklettert war, war die von Amazon.de. Für einen als SF ausgewiesenen Roman hat er sich wirklich außerordentlich gut verkauft, was nicht wenige überrascht hat. Ob „Imagon“ einen ähnlich erfolgreichen Weg einschlagen wird, bleibt abzuwarten. Das Lübbe-Taschenbuch ist ja erst seit kurzem erhältlich.

Aber um auf deine Frage zurückzukommen: Ich bin ein klassischer Elfenbeinturm-Bewohner. Ein Stubenhocker, der sehr viel (und sehr intensiv) Musik hört, leider viel zu wenig Unterhaltungsliteratur liest und seit kurzem wieder als Illustrator arbeitet, um einen Ausgleich zum recht anstrengenden Schreiben zu haben. Falls ich lese (was ich eigentlich jeden Tag tue), dann zumeist der Recherche wegen, also Sachbücher, themenspezifische Internetartikel oder Magazine wie National Geographic (im Abo), PM, Sterne und Weltraum oder Kemet, ein Magazin zur Ägyptologie. Daneben bin ich leidenschaftlicher Filmegucker, und unser DVD-Player ist neben meinem Schreibrechner und der Stereoanlage wohl das am meisten ausgelastete technische Gerät im Haus.

Buchwurm.info:
Noch eine unvermeidliche Frage: Wie sieht dein täglicher Rhythmus aus? Oder hast du keinen?

Michael Marrak:
Ich habe keinen. Ich bin ein Chaot. Ich prügele mich 365 Tage im Jahr mit meinem inneren Schweinehund, finde täglich ebenso viele Ausreden, um mich vor dem Schreiben zu drücken, stehe mal morgens um fünf, mal mittags um zwei oder mal abends um acht auf, arbeite nur dann, wenn ich wirklich einen klaren Kopf habe und mich konzentrieren kann, und dann in der Regel in Exzessen, um anschließend wieder eine Schaffenspause einzulegen … Oder besser gesagt: in ein Schaffensloch zu fallen. Bis zum nächsten Schreibanfall. Dazwischen liegt ebenso viel Hysterie wie Depression, Euphorie, Trägheit und die Tatsache, dass wegen des schmerzenden Handgelenks (Karpaltunnelsyndrom) oft kein geregeltes Arbeiten möglich ist.

Buchwurm.info:
Im Juni soll die Primärarbeit an „Abydos“ beendet sein. Was kommt danach, und warum erscheint der Roman erst im Frühjahr 2005?

Michael Marrak:
Ich denke, nach „Abydos“ werde ich erst mal einen kurzen Jugendroman vollenden, auf den der Thienemann-Verlag bereits geduldig wartet. Die mir angebotene Chance, in diesem Genre Fuß zu fassen, möchte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen. Gleichzeitig werde ich elf oder zwölf meiner Erzählungen für eine Storysammlung, die Anfang/Mitte 2005 im Festa-Verlag erscheinen soll, zusammenstellen und überarbeiten. Bis zum Jahresende möchte ich mit beiden Projekten fertig sein, um mich danach jenem Roman zu widmen, mit dem ich bei Lübbe in die Allgemeine Reihe wechseln werde (das ist kein Wunschdenken, sondern bereits unter Dach und Fach). Ich arbeite sozusagen auf den nächsten Quantensprung hin. Aber das ist alles noch Zukunftsmusik.

Der Grund, warum „Abydos“ erst in einem Jahr erscheint, liegt in der langen Vorlaufzeit des Verlags. Lektorat, Überarbeitung, Satz, Druck der Vorabexemplare für die Verlagsvertreter und die Medien, Werbung, Prospektpräsenz, etc. Das geht alles nicht so ratz-fatz wie in Kleinverlagen, in denen man das Manuskript abgibt und das Buch manchmal schon vier Wochen später gedruckt vorliegt. „Abydos“ ist ja nicht das einzige Buch, das im Mai 2005 bei Lübbe rauskommt. Es geht hier um die Koordination zahlloser Neuerscheinungen, und das meist über Jahre im Voraus.

Buchwurm.info:
Laut Homepage hast du Verträge bis einschließlich 2006. Darunter fallen die beiden (Tarn-)Titel „Abydos“ und „Gaia“. Wie lange braucht es durchschnittlich zur Veröffentlichung eines Romans?

Michael Marrak:
Ich kann bei dieser Frage nur von meiner eigenen Arbeit ausgehen und nicht für andere Autoren sprechen, die weitaus zügiger und beständiger arbeiten können. Ich schreibe wegen der Sache mit der Hand verhältnismäßig langsam, oder besser gesagt: in kleineren Häppchen. Der Vorteil: Ich kann mir für ein Buch mehr Zeit lassen. Der Nachteil: Ich brauche für einen Roman doppelt so lange wie Autoren, die einem geregelten Tagesrhythmus folgen und sechs bis acht Stunden am Tag schreiben können (wie ich sie darum beneide!). Der Vorteil des Nachteils: Ich werde niemals als Vielschreiber verschrieen sein, dessen Qualität auf Kosten der Quantität leidet. Das hat auch was. Ich möchte auch in zehn oder zwanzig Jahren noch zu meinen Büchern stehen können und nicht verschämt sagen müssen: „Das ist scheiße, aber ich hab das damals auch nur runtergehauen …“

Für einen Roman brauche ich in der Regel anderthalb Jahre. Eher zwei, da ich meist nicht allein an einem einzigen Projekt arbeite und in dieser Zeit noch die eine oder andere Erzählung schreibe. Nach Ablieferung des Manuskripts dauert es noch mal neun bis zwölf Monate, bis das Buch erscheint.

Buchwurm.info:
Ist „Gaia“ die momentan künftigste Planung (und worum handelt es sich dabei)?

Michael Marrak:
Was nach „Gaia“ kommt, weiß ich tatsächlich nicht. Und bevor du fragst: Dieser Arbeitstitel ist ebenso irreführend wie „Abydos“, umreißt aber grob das Spielfeld. „Gaia“ wird mehr oder minder ein SF-Roman werden, bei dem der SF-Aspekt jedoch sehr verhalten behandelt wird. Das vermeintlich Phantastische wird in ihm größtenteils auf Realität und tatsächlichen Gegebenheiten basieren. Er wird auf drei Kontinenten spielen, und das sowohl im 13. als auch im 21. Jahrhundert. Mehr möchte ich dazu noch nicht verraten. „Gaia“ wird jedenfalls keinem meiner bisherigen Romane ähneln.

Der Roman wird frühestens Ende 2006 erscheinen, eher noch Anfang 2007, da ich wie erwähnt ein Jugendbuch dazwischenschieben will und zudem im September dieses Jahres für drei Monate nach Wien gehe. Das Kunst-Stipendium habe ich zugunsten von „Abydos“ bereits um ein halbes Jahr verschoben, und in den drei Monaten im Wiener Museumsquartier möchte ich mich mehr der bildhaften Kunst widmen als dem Schreiben.

Buchwurm.info:
Was machst du heute abend?

Michael Marrak:
Ich versuche endlich zu schlafen. Letzte Nacht hat’s nicht geklappt, da ich am Abend zuvor zweieinhalb Liter Cola getrunken hatte. Jetzt bin ich seit über dreißig Stunden wach und pfeife aus dem letzten Loch. Schon blöd, wenn man „light“ und „koffeinfrei“ miteinander verwechselt … Na ja, wahrscheinlich schreibe ich noch einen „Panorama“-Eintrag und guck später noch „Underworld“ als Betthupferl.

Buchwurm.info:
Ich wünsche dir dabei viel Spaß und weiterhin viel Erfolg mit deiner Arbeit! Vielen Dank für das interessante Interview! Ich glaube, nicht nur ich, sondern auch viele andere Leser warten gespannt auf dein nächstes Buch.

Michael Marrak:
Ich habe zu danken. Und was das nächste Buch betrifft: Ich bin am meisten gespannt, wie es endet …

Kurzbibiliographie:

„Die Stadt der Klage“
Roman, Edition Mono, Wien 1997

„Die Stille nach dem Ton“
5 Novellen, Edition Avalon, Berlin 1998

„Lord Gamma“
• Roman, Shayol, Berlin 2000
• Taschenbuchausgabe: Bastei Lübbe TB 24301, Bergisch Gladbach 2002

„Imagon“
• Roman, Festa, Almersbach 2002
• Taschenbuchausgabe: Bastei Lübbe TB 24325, Bergisch Gladbach 2004

„Die Ausgesetzten“
in: „Eine Trillion Euro“, Andreas Eschbach (Hrsg.),
Bastei Lübbe TB 24362, Bergisch Gladbach 2004

Foto: Irena Brauneisen, 2006. Quelle: marrak.de

Buchwurminfos III/2004

Entgegen kompetenter Kritik an der neuen Rechtschreibung (60 Rechtswissenschaftler hatten sich an die Ministerpräsidenten gewandt) wurde diese nun doch auf der Kultusministerkonferenz rechtsverbindlich zum 1. August 2005 beschlossen. Ab dann muss die alte Schreibweise an Schulen von den Lehrern als Fehler gewertet werden. Die Kultusminister gründen einen „_Rat für deutsche Rechtschreibung_“, der alle fünf Jahre den Ministern einen Bericht über Fortgang der Reform und nötige Anpassungen erstattet. Der |Klett|-Verlag gab zuvor noch bekannt, dass sich die Schulbuchverlage keineswegs gegen eine Rückkehr zu den bewährten Regeln der alten Rechtschreibung sperren. Verleger Michael Klett findet die sogenannte Reform unnötig und unsinnig und bedauert, dass er – als die Reform durchgesetzt wurde – nicht protestierte. |Klett-Cotta| produziert, wo immer es geht, grundsätzlich in der alten Rechtschreibung. Auch der |Stolz|-Verlag zum Beispiel publiziert seine – nicht genehmigungspflichtigen – Lernhilfen weiterhin in alter Rechtschreibung. Ohnehin stehen nur 13 Prozent der Bevölkerung hinter der Reform. Nun fordert aber auch der niedersächsische Ministerpräsident _Christian Wulff_, erklärter Reformgegner, die Ministerpräsidentenkonferenz auf, sich mit der Rechtschreibreform zu befassen und die Zuständigkeit der Kulturministerkonferenz darüber zu beenden. Vom saarländischen Ministerpräsidenten _Peter Müller_ wird er bereits unterstützt, ebenso noch hochkarätiger von _Edmund Stoiber_. Mit der Kulturstaatsministerin _Christina Weiss_ hat inzwischen auch erstmals ein Mitglied der Bundesregierung sich dafür ausgesprochen, die Rechtschreibreform zu modifizieren, da die meisten der Deutschen die neuen Regeln nicht anwenden. Mehrere unionsregierte Länder fordern mittlerweile die Rücknahme der Reform. Der Verband |VdS Bildungsmedien| kritisiert diese neueste Entwicklung. Er rechnet vor, dass auf die Schulbuchverlage bei Rückkehr zur alten Rechtschreibung mehr als 250 Millionen Euro Kosten kämen. Die Umstellung der tausend wichtigsten Lehrwerke würde rund 60 Millionen Euro kosten. Die im Fall einer Rückkehr wertlosen Lagerbestände der Verlage beziffert der Verband auf 200 Millionen Euro. Die Präsidentin der Kulturministerkonferenz, die rheinland-pfälzische Bildungsministerin _Doris Ahnen_ (SPD) teilt diese Ansicht. Dieser Darstellung hat dagegen das |VdS|-Mitglied |Scholz|-Verlag widersprochen. Ungeachtet der jüngst aufgeflammten Diskussionen hält die Bundesregierung an der Rechtschreibreform fest.

Ein interessantes Urteil zur _Preisbindung_ hat es durch das Oberlandesgericht Frankfurt gegeben. Ein Journalist hatte neuwertige Rezensionsbücher, die er von den Pressestellen der Verlage erhält, über _eBay_ angeboten. Nach dem erfolgten Urteil gilt die Preisbindung auch für Privatpersonen, selbst wenn deren Angebote ohne Gewinnerzielungsabsicht – dafür aber wiederholt – getätigt werden. Das Internet ist beim Verkauf von Büchern kein rechtsfreier Raum. Auch der Begriff des Letztabnehmers wurde dabei definiert. Letztabnehmer ist nur, wer Bücher zu anderen Zwecken als dem Weiterverkauf erwirbt. Offen gelassen wurde dabei allerdings, ob eine Privatperson, die ein neues Buch für den eigenen Gebrauch erwirbt oder als Geschenk erhält, anschließend aber ungenutzt verkauft, als Letztabnehmer anzusehen ist.
Ein anderes Urteil zur Preisbindung, betreffend den 5-Euro-Startgutscheinen bei _Amazon_, wurde in erster Instanz gegen |Amazon| erwirkt, diese waren aber in Berufung gegangen. Das Oberlandesgericht Frankfurt bestätigte aber die Entscheidung des Landgerichts Wiesbaden. Auch bei Kundenbindungssystemen im Internet ist die Preisbindung zu beachten und die Startgutscheine stellen einen Verstoß gegen die Preisbindung dar.
Die einstweiligen Verfügungen von Preisbindungsvertretern gegen den _Bertelsmann Club_ hören ebenfalls nicht auf. Der Club verstößt mit seinen zeitgleich zu Originalausgaben erscheinenden preisgünstigeren Büchern ständig gegen das „Potsdamer Abkommen“. Die Gerichte plädierten auf außergerichtliche Einigung und diese ist mit Abstrichen für die Verlage auf Kompromissbasis zugunsten des Clubs ausgegangen. Der Mindestabstand zwischen Originalausgabe und Erstankündigung des Clubs kann vier statt bislang sechs Monate betragen (wobei es keine Rolle spielt, ob die Clubausgabe als Hardcover oder Broschur erscheint), die Preisdifferenz darf in diesem Falle im Gegenzug dafür 15 Prozent nicht überschreiten. Für den Weihnachtskatalog kann der Abstand auf drei Monate verkürzt werden, die Preisdifferenz darf dann nur bei fünf Prozent liegen. Erst sechs Monate nach Originalausgabe darf die Clubausgabe – wie bereits häufig praktiziert – bis zu 40 Prozent vom Originalpreis abweichen. Für Bücher, die sich auf kurzfristig anstehende, öffentliche Termine wie Sportereignisse oder politische Wahlen beziehen, gelten die Einschränkungen nicht. Nicht mehr zeitgleich dürfen dagegen Bücher zu aktuellen Kinofilmen und Fernsehserien erscheinen. Das _modifizierte Potsdamer Protokoll_ soll zehn Jahre gelten. Die Bestimmungen sind vereinfacht und dadurch verständlicher geworden. Alle Beteiligten mussten Zugeständnisse machen, konnten jedoch auch das für sie Notwendige erreichen. |Bertelsmann| hat sich auch verpflichtet, aggressive vergleichende Werbung zu unterlassen. Dies aber mit Kündigungsvorbehalt, wenn andere Wettbewerber in dieser Weise werben sollten. |Weltbild| zum Beispiel wird dahingehend von |Bertelsmann| nun sehr genau beobachtet.

Die deutsche _Bonnier Holding_ hat sich beim Bundeskartellamt über _Random House_ beschwert. Im Zuge der Aufteilung von _Ullstein Heyne List_ sind |Bonnier| die Taschenbuch-Reihen _Heyne Fantasy_ und _Heyne Esoterik_ zugesprochen worden. |Bonnier| wirft |Random House| nun vor, aus diesen Reihen erfolgreiche Titel herausgepickt und in der hauseigenen |Allgemeinen Reihe| des |Heyne|-Taschenbuchs platziert zu haben. Das |Heyne Fantasy|-Programm erscheint regulär eigentlich nun bei _Piper Taschenbuch_, das damit sein schon recht umfangreich gewordenes Fantasyprogramm noch mal kräftig aufstockt. Viele klangvolle Namen wie Robert Jordan, Terry Pratchett und Ursula K. Le Guin sowie sehr gut eingeführte Reihen gehören jetzt zu |Piper|. Diese Erfolgstitel erscheinen nun in neuer Ausstattung. Auf die kommende Fantasy-Vorschau des |Piper|-Verlages kann man zu Recht sehr gespannt sein.

2001 war auch der _Luchterhand Literatur Verlag_ von _Random House_ aufgekauft worden und obwohl er anfangs nicht wollte, blieb der ehemalige Verlagschef _Gerald J. Trageiser_ auch als Leiter im Konzern. Aus alters- und gesundheitsbedingten Gründen hört er aber Ende dieses Jahres auf. Nur durch ihn gelang die gute Integration von |Luchterhand| in |Random House| und seinetwegen sind auch die wichtigen Schriftsteller wie Christa Wolf, Antonio Lobo Antunes oder Hanns-Josef Ortheil geblieben. Ob sie ohne Trageiser aber die Treue halten werden, bleibt abzuwarten. Dies ist auch |Random House| bewusst, die Probleme hatten, einen wirklich „angemessenen“ Nachfolge-Kandidaten für die Verlagsleitung zu finden.
Hausintern wurde ab Januar 2005 _Georg Reuchlin_, Verleger von |Goldmann|, |Manhattan| und |btb|, die Leitung übertragen. Klaus Eck, verlegerischer Geschäftsführer von |Random House|, erklärt dazu, dass die Eigenständigkeit von |Luchterhand| nicht in Frage steht und dass die drei literarischen „Abteilungen“ |Luchterhand|, |Knaus| und |btb| noch ausgebaut werden. Die Gerüchte, dass das Taschenbuchlabel |Sammlung Luchterhand| eingestellt würde, stimmen nicht, „es soll so etwa in Richtung |KiWi| gehen“. Ganz gegen den Trend der Konzernbildungen erlebt die Branche in jüngster Zeit aber eine überraschend große Welle neuer autonomer Verlagsgründungen.

Angesichts solch politischer Weltlagen wie den Konflikten in der gegenwärtigen Zeit haben Religionen – selbst im Niedergang – auch immer wieder Auftrieb. Selbst das Christentum, dessen Bücher längst nicht mehr so gefragt sind wie in früheren Zeiten, machen mit den „Psalmen“ ein ganz gutes Geschäft. Aber auch im esoterischen New-Age-Bereich steigt die Anzahl der Titel, die sich auf unkonventionelle nicht-kirchliche Weise dem Christentum annähern. Der Zeitgeist weht überraschenderweise für das Christliche. Das ist vor allem auch an der eigentlich „christlichen Opposition“ abzulesen: In der okkulten Logenwelt wird Christentum mehr denn je ernsthaft diskutiert, die naturreligiösen Gruppen beginnen (trotz der Hexenverbrennungen des Mittelalters) sich im interreligiösen Dialog zu engagieren und die Gothic-Szene – die im öffentlichen Ansehen oftmals noch als satanistisch gilt und der man unterstellend eher Aufrufe zu Kirchenverbrennungen zutraut – überrascht in jüngster Zeit mit christlicher Toleranz (Beispiel: in der aktuellen Szenen-Zeitung _Zinnober_ sprechen in erstaunlicher Anzahl führende Szene-Ikonen über ihre Sympathie zur christlichen Kultur).
Auffallend dagegen ist dann die Position des Leiters des esoterischen Verlags _NEUE ERDE_, _Andreas Lentz_. In der aktuellen gemeinsamen Branchenzeitung _“Sichtung“_ der esoterischen Verlage, die an die Buchhändler geht, grenzt er sich radikal vom Christentum ab. Er weist auf den grausamen Gott der Christen hin und führt dabei die inhumanen Stellen sowohl im Alten Testament wie auch im Neuen Testament auf. Er stellt die Bibel nicht nur als inhuman, sondern auch äußerst gefährlich dar, denn sie legitimiert Völkermord und härtere blutige Strafen. Natürlich steht hinter solcher Position ein schwererer innerer Konflikt, denn im Bündnis mit anderen spirituellen Verlagen – die solche Art Literatur publizieren – bedeutet dies einen täglichen „Eiertanz“. Aber auch in anderer Angelegenheit zeigte Andreas Lentz schon seinen Mut und sein Engagement für Herausforderungen. Mit einer großen Anzeigeaktion hatte er sich vor wenigen Jahren von der Zusammenarbeit mit den Barsortimenten (Auslieferungen für Buchhandlungen) verabschiedet und war einer der wenigen, der sich deren kommerzielle Politik gegenüber Verlagen mit zu ungünstigen Konditionen nicht gefallen ließ.

_Zensur_ greift weltweit immer mehr um sich, nicht nur in den diktatorischen Ländern bzw. hauptsächlich der islamischen Welt. Leider vor allem in den _USA_ ist sie auf dem Vormarsch. Amerikanische Verleger müssen die Regierung um Erlaubnis fragen, was sie veröffentlichen dürfen. Das Verlegen von Literatur aus den Embargoländern, den so genannten „Schurkenstaaten“, ist genehmigungspflichtig. Auch in _Deutschland_ gibt es interessante Gepflogenheiten. Die Bundesbehörden sind berechtigt, bei Buchhandlungen und Bibliotheken Auskunft darüber einzuholen, für welche Bücher sich verdächtige Kunden interessieren und welche Werke sie kaufen. Nach der _internationalen Verlegerunion (PEN)_ wurden im vergangenen Jahr weltweit mehr als 1000 Autoren, Publizisten, Verleger und Journalisten verfolgt, davon 230 vor Gericht gestellt.
(Siehe dazu auch den Essay [„Die Geheimnisse der Zensur“]http://www.telos-verlag.de/seiten/kasrede.htm von Dr. Roland Seim M.A.)

Die _neoliberale Wirtschaftspolitik_ der 90er Jahre hat auch in den Verlagen deutliche Spuren hinterlassen. Die Tendenz zu immer größerer Konsolidierung und Kommerzialisierung hat mächtige Oligopole entstehen lassen und das Geschäft des Verlegens radikal verändert. Nicht mehr das Produkt, sondern dessen Vermarktung stehen im Vordergrund. |“Dabei sind für viele Nationen Bücher noch immer die einzigen Waffen im Ringen um die Freiheit und um das geistige Überleben“| (Hans Küng).

Das Gastland der _Frankfurter Buchmesse 2004_ – 17 Länder aus der _arabischen Welt_ – hat schon jetzt einen neuen Rekord aufgestellt. Mit 4000 Quadratmetern Ausstellungsfläche ist dies bislang die größte Gastland-Ausstellung seit Einführung dieser Einrichtung auf der Messe. Nicht beteiligt sind Algerien, Marokko, Libyen, Kuwait und Irak, die allerdings mit eigenen Beiträgen vertreten sind. Zur _Frankfurter Buchmesse 2005_ wird erstmals auch _Nordkorea_ teilnehmen. Zuvor nimmt Deutschland ebenso erstmals an der nordkoreanischen Buchmesse teil.
Realistisch betrachtet, gibt es allerdings keine wirkliche Verlagswirtschaft in Nordkorea, nicht zuletzt wegen der Papierknappheit, wodurch gar keine Bücher gedruckt werden können. Wenn ein neues Werk herauskommt, stammt es vom Großen Führer. Der Novitätenausschuss liegt in guten Zeiten bei 700 Titeln jährlich. 50 Prozent der literarischen Bücher rühmen die Revolutionsgeschichte, die anderen 50 Prozent den revolutionären Aufbau. Geschrieben wird nach Plan, die Autoren sind namenlose Kollektive. Untergrundliteratur wie im früheren Ostblock gibt es nicht. Kataloge und ein Verzeichnis lieferbarer Bücher gibt es nicht. Der Buchmarkt ist staatlich gelenkt. Oberste Behörde ist das Amt für Publikation. Selbst der Minister für auswärtige kulturelle Angelegenheiten beantwortet keine Fragen, sondern verweist auf dieses mysteriöse Amt. Die kulturelle Öffnung läuft derzeit recht breit – so ging auch beispielsweise die Eröffnung eines Lesesaals mit deutscher Literatur durch die Präsidentin des Goethe-Instituts, Jutta Limbach, in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang durch die Hauptnachrichtensendungen des deutschen Fernsehens. Denn dies ist die erste westliche Kultureinrichtung auf nordkoreanischem Boden.
Ob dort für koreanische Interessenten freier Zutritt möglich sein wird, muss kritisch beobachtet werden. Denn bisher werden selbst im germanistischen Institut der Kim-Il-Sung-Universtität Lexika und Gegenwartsliteratur vor den Studenten weggeschlossen. Die Leselisten für die ca. 50 Studenten stammen noch aus DDR-Zeiten, ebenso die Lehrmaterialien. Übersetzt wurden vor allem Goethe, Schiller, Heine, Remarque, Thomas Mann, Heinrich Böll und Anna Seghers. Harry Potter ist in Nordkorea unbekannt geblieben.
Vorsichtig öffnet sich Nordkorea für Kontakte nach Deutschland, die nach dem Zusammenbruch der DDR vollkommen eingestellt worden waren. Auf der Buchmesse 2005 wird Korea also Gastland sein und wiederum stellt sich dabei die riskante friedenspolitische Arbeit der Messe klar heraus. Denn Nordkorea wird dabei in die Gastlandpräsentation Korea integriert und für kurze Zeit sind dann beide Länder tatsächlich erstmals kulturell vereint. Südkorea stimmt dieser Politik zu, beide Hälften des Landes träumen von einer Vereinigung.
Mit der japanischen Kolonialherrschaft (1910 – 1945) begann für Korea ein von Kriegen und Konflikten geprägtes Jahrhundert, das Traumata und Zerstörungen zurückließ. Der Koreakrieg endete 1953 mit der Teilung des verwüsteten Landes. Norden und Süden sind militärisch gegeneinander abgeschottet und dazwischen verläuft ein vier Kilometer breiter, verminter Streifen Niemandsland. An der Grenze stehen sich waffenklirrende Truppenverbände gegenüber; allein im Norden sollen eine Million Soldaten stationiert sein. Telefonate, Briefverkehr oder Besuche sind von beiden Seiten streng untersagt.
Dennoch gibt es Versuche, sich einander anzunähern. Bereits in der sogenannten Berliner Erklärung hat der damalige südkoreanische Präsident Kim Dae-jung das kommunistische Nordkorea zu einer Politik der Versöhnung und Kooperation aufgefordert. Der nordkoreanische Kim Jong II. reagiert verhalten und nur aufgrund der wirtschaftlichen Not, aus der heraus es bereits zu einer Reihe von innerkoreanischen Projekten gekommen ist (z.B. die Sonderwirtschaftszone Kaesong). Das Interesse an einer Vereinigung ist bei den Großmächten Amerika, China und Russland sehr gering. Kulturell und politisch ist das für westliche Demokraten aber auch eine schwierige Annäherung. In Nordkorea gilt die Zeitrechnung nach der Geburt ihres Ewigen Präsidenten Kim Il Sung, zugleich Geburtsjahr der Staatslehre Juche, Werk des Großen Führers. 2004 ist in Nordkorea das Jahr 93. Aufgrund der Erfahrungen mit der japanischen Okkupation (1910 – 1945) und dem Koreakrieg setzte Nordkorea auf absolute Unabhängigkeit, mit dem Preis der Abschottung gegenüber dem Rest der Welt. Nun öffnet man sich, der wirtschaftlichen Not gehorchend. Eine Vorreiterrolle spielt dabei Deutschland, das seit 2001 diplomatische Beziehungen unterhält. Seit dem Ausbleiben von Wirtschaftshilfen aus dem ehemaligen Ostblock kann sich Nordkorea nicht mehr selbst versorgen. Die großen Hungersnöte 1994 – 1998 haben die deutsche Welthungerhilfe aktiv werden lassen.

Der diesjährige _Friedenspreis des Deutschen Buchhandels_ geht an den ungarischen Autor Péter Esterházy.

Im Juli verstarben gleich zwei der bedeutendsten Persönlichkeiten der deutschen Zeichnerszene. _Chlodwig Poth_ (im Alter von 74 Jahren) galt als einer der wichtigsten deutschen satirischen Zeichner und erhielt noch im letzten Jahr die Goetheplakette der Stadt Frankfurt. Er hatte die Zeitschriften |Pardon| und |Titanic| mitbegründet.
Ebenfalls verstorben ist mit 45 Jahren der Karikaturist _Bernd Pfarr_, Vertreter der |Neuen Frankfurter Schule| und ebenfalls für |Titanic| tätig, aber auch für den |Stern| und das |Zeit-Magazin|. Außerdem illustrierte er Kinderbücher. Für sein Werk hatte er 1998 den Max-und-Moritz-Preis erhalten.

Ebenfalls im Juli verstarb _Joachim Radner_, Geschäftsführer der Verlagsgruppe |Beltz|, mit 46 Jahren an einem Herzinfarkt. Radner hatte 2001 die Führung der |Beltz|-Verlagsgruppe vom Senior-Verleger Manfred Beltz Rübelmann übernommen und den Verlag durch Ankauf mehrerer Fachbuch- und Kinder/Jugendprogramme ausgebaut.

|Das _Börsenblatt_, das die hauptsächlichen Quellen für diesen Essay liefert, ist selbst auch im Internet zu finden, mit ausgewählten Artikeln der Printausgabe, täglicher Presseschau, TV-Tipps und vielem mehr: http://www.boersenblatt.net |