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Ralph Hulett / Jerry Prochnicky – Whole lotta Led – Unsere Reise mit Led Zeppelin

Rockgeschichte durch die Augen – und Ohren – der Fans

Zwei langjährige Fans der Supergruppe Led Zeppelin erzählen von der Entstehung, dem Erfolg und dem Ende des britischen Quartetts, das zwölf Jahre lang die Rockszene dominierte und heute immer noch Millionenumsätze scheffelt. Die Autoren spüren den Gründen dafür nach, doch anschaulicher erzählen sie von ihrer eigenen Erfahrung als Fans. Zudem spannen sie zahlreiche Zeugen für ihre Darstellung ein, und zum Glück sind es nicht die üblichen Verdächtigen. Selbstgeschossene Fotos und eine umfangreiche Bibliografie ergänzen die Monografie optimal.
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Johnson, Brian – Rock auf der Überholspur

_Ein Mann und sein Auto …_ Der Leitspruch von Hasselhoffs alter Zauberkiste könnte auf kaum eine Person so genau abgestimmt sein wie auf AC/DC-Frontröhre Brian Johnson. Der Mann mit der Batschkapp, der seinerzeit das schier immens große Erbe der nach bester Rock & Roll-Manier verschiedenen Skandalnudel Bon Scott antreten durfte, stand lange Jahre im Schatten seines Vorgängers und er beiden Young-Brüder, die ihn anno 1980 zu jenen geschichtsträchtigen Auditions einluden, die wiederum langfristig zu den Aufnahmen des Klassikers „Back In Black“ führten. Und dabei war Johnson von Beginn an ein nahezu vergleichbar signifikantes Aushängeschild wie der viel zitierte Angus, nur eben dass er sich bei der Pressearbeit weitestgehend zurückhielt und lieber seinen Kollegen die großen Worte überließ. Mit der Zeit hat sich dieser Status jedoch zunehmend zugunsten des einstigen Geordie-Sängers geändert – bis dieser schließlich selber die Muße fand, seine ganz persönliche Biografie zu verfassen.

„Rock auf der Überholspur“ ist in diesem Sinne aber alles andere als eine typische Retrospektive eines namhaften Musikers. Johnson lässt zwar in den unzähligen Kapiteln seines ersten Buches viele knappe Zitate zu den Ereignissen rund um die Starkstrom-Rocker los, beschreibt im Kern jedoch nicht seine persönliche Entwicklung bzw. die Chronologie der Dinge, die den Monster-Act in die heutzutage vielleicht erfolgreichste Live-Band überhaupt verwandelt hat. Stattdessen beschränkt sich der charmante Sympathieträger auf seine Vorliebe für fahrbare Untersätze jeglicher Art und verknüpft die wichtigsten Episoden seines Lebens mit bestimmten Pkws, kultigen Oldtimern, flotten Flitzern und seinen Erlebnissen im Rennsport-Metier, die gerade in den vergangenen beiden Dekaden zum zweiten zeitraubenden Hobby des Sängers geworden sind.

Und dieser Schritt macht gleich aus mehreren Gründen Sinn, denn a) ist die Geschichte von AC/DC in zahlreichen inoffiziellen Biografie-Werken schon bis zum Abwinken durchgekaut worden, b) ist die Reportage des Arbeiterklassekinds, welches plötzlich seine große Chance bekam, auch nichts mehr, was noch irgendeinen Fan des Quintetts aus der Reserve locken könnte, und c) weiß man über Johnson und seinen medienscheuen Charakter einfach unheimlich wenig, weil er sich nie wirklich um sein Außenbild gekümmert hat – wenigstens nicht bewusst. Was liegt da also näher, als von Eskapaden auf der Rückbank zu berichten, unflätige Banausen abzustrafen, die den wahren Schatz ihrer Feuerstühle nicht richtig einzuordnen wissen, und dabei genau das nach außen zu kehren, was Johnson von jeher am meisten beschäftigt: Pferdestärken, Gleichgesinnte und darüber hinaus auch ein wenig der Rock & Roll!

_Die Art und Weise_, wie sich der Mann dabei in Szene setzt, mag natürlich hin und wieder ein wenig abgedroschen sein, was womöglich aber auch an der sehr umgangssprachlichen Übersetzung liegt. Dass hier beispielsweise manche deutschen Sprichworte verwendet werden, erscheint komisch, sichert aber den lockeren Sprachgebrauch, der auf den gut 220 Seiten garantiert ist. Lesenswert ist in diesem Sinne allerdings, dass der Autor ständig irgendwelche ziemlich abstrakten Vergleiche herzieht, um Ungeschicke oder Peinliches sinnbildlich zu beschreiben. Es ist einerseits der raue Ton der Straße, der sich hier Schritt für Schritt manifestiert, andererseits aber auch ein Gespür für humorvolle Redewendungen, deren wahrer Sinngehalt definitiv für Johnsons kreative Phantasien spricht. Kreativ kann man ja schließlich auch sein, wenn man bestimmte Begebenheiten mit den eingequetschten Genitalien eines Affen vergleicht.

Zum Beispiel … Der hohe Unterhaltungswert resultiert aber dennoch aus den kurzweiligen Texten, die immer wieder kleine Episoden aus Johnsons Leben ans Tageslicht bringen, ohne dabei den Tiefgang zu suchen oder zwanghaft das Leben mit der Band vorne an zu stellen. Lediglich Basser Cliff bekommt mehrfach sein Fett weg, da er bei der Wahl seiner Karossen stets in die Tonne greift. Ach ja, und dass Angus keinen Führerschein besitzt, möchte der Sänger natürlich auch noch einmal betonen, da diese Vorstellung für ihn einfach so absurd scheint, dass ihm für eine derartige Verschwendung eigener Ressourcen jegliches Verständnis fehlt.

Und die Autos? Oh ja, sie stellen den Löwenanteil. Aston, Bentley, Rolls Royce, zwischendurch mal ein pannenbehafteter Lotus: Brian weiß nicht nur, wovon er spricht, er hat auch schon mit allerlei Motoren Freundschaft geschlossen und Hasslieben entwickelt, ohne dabei irgendwie wählerisch zu sein. Er ist schlichtweg fasziniert vom Rennsport und der Power, die sich hinter den einzelnen Kraftfahrzeugen verbirgt und lässt dieser Leidenschaft in jedem Kapitel von „Rock auf der Überholspur“ freien Lauf. Und mehr als dies gibt er dabei so viel über sich und seinen Charakter preis, dass man spätestens mit dem unsicheren Schlusswort weiß, dass man den Menschen Brian Johnson nie besser hätte kennen lernen können, als über diesen begeisterungstüchtigen Report auf vier Rädern bzw. zwanzig Dutzend Seiten. Und da die Anekdoten nicht zwangsweise AC/DC-Stoff sind und sich nicht bloß an deren Publikum richten, muss man auch dem Universaltalent hinter diesem Buch applaudieren. Wobei: Gerade Fans der australisch-schottischen Combo sollten hier zugreifen, weil zwischen den Zeilen weitaus mehr Persönliches steht als in allen zweitklassigen Lizenzwerken um Young, Young, Williams, Rudd und Johnson! Sowohl vom Entertainment-Gehalt als auch hinsichtlich des feinen Humors ist diese „automobile Biografie“ wärmstens zu empfehlen!

|Gebunden: 220 Seiten
Mit 31 Fotos und Illustrationen
Originaltitel: Rockers and Rollers (2009)
ISBN-13: 978-3931624644|
[www.ip-verlag.de]http://www.ip-verlag.de

Shooman, Joe – Bruce Dickinson – Eine Biografie

Was wäre Bruce Dickinson wohl geworden, hätten die Mannen von |IRON MAIDEN| ihn in den frühen Achtzigern nicht darum gebeten, den vakanten Sängerposten zu füllen? Und umgekehrt: Wo würde der Metal-Dinosaurier heute wohl stehen, wäre der vielleicht begabteste Classic-Metal-Frontmann und -Entertainer damals nicht auf das Angebot eingegangen und lieber seiner alten Kapelle |SAMSON| treu geblieben? Vielleicht hätte ihn seine Passion für den Fechtsport bis an die Weltspitze gebracht. Möglicherweise hätte er sich auch damit zufriedengegeben, als Pilot um die Welt zu reisen. Oder aber er hätte vielleicht sein Studium zu Ende gebracht und sich als Lehrer für Geschichte engagiert.

Spekulationen gibt es hierzu viele, doch laufen sie alle auf ein Ergebnis heraus: Dieser Mann ist ein absolutes Multitalent, sowohl als Showmensch als auch in seinem steten Explorationsdurst, der ihn unter anderem auch lange Jahre durch seine musikalische Karriere gebracht hat. Deshalb ist seine Biografie definitiv nicht gleichzeitig diejenige von |IRON MAIDEN|, auch wenn vor allem die Erfolgsstory des Sängers unmittelbar mit der seiner langjährigen Wegbegleiter verknüpft ist. Aber es steht weiterhin außer Frage, dass Dickinson auch ohne die Band einen konsequenten, erfolgreichen Weg eingeschlagen hätte. Dafür ist seine Willensstärke nämlich einfach zu immens, als dass man hieran Zweifel anbringen müsste.

Als Joe Shooman nun vor Jahren die ersten Ideen zu dieser Biografie entwarf, musste er sich genau diesen Umstand erst noch einmal bewusst machen. Und er ging sein Projekt auch sehr geschickt an, indem er die |MAIDEN|-Jahre vergleichsweise grob anriss und die präziseren Inhalte der Bandgeschichte seinem Kollegen Mick Wall überließ, der die Historie der Briten seinerzeit in [„Run to the Hills“ 1708 abarbeitete.

Also konzentriert er sich vor allem auf die Person Paul Bruce Dickinson und deren zahlreiche Talente, die natürlich in erster Linie mit dem Leben als Musiker zusammenhängen. So erfährt man von seinen ersten Engagements in Bands wie |STYX| und |SHOTS|, von den Diskrepanzen, die der Job bei |SAMSON| mit sich brachte, da sein hoher Gesang bisweilen gar nicht zum klassischen Hardrock seiner neuen Weggefährten passen wollte, und begleitet natürlich den Werdegang von |IRON MAIDEN|, der vorläufig nur bis zum „Fear of the Dark“-Album reichen sollte. Dazu erfährt man reihenweise Persönliches über den rauen Bruce und seinen kreativen Dickkopf, lernt seine kontinuierliche Selbstdisziplin schätzen, realisiert aber im Grunde genommen, dass er trotz der großen Erfolge stets ein Mensch mit Bodenhaftung geblieben ist, der seine Herkunft nie vergessen hat.

Bodenhaftung war schließlich auch nötig, als der Sänger sich von seiner Band loseiste, um seine eigenen Projekte zu starten, die anfangs noch recht erfolgreich und eigenwillig waren, später aber zwangsläufig in eine Sackgasse führten, da Dickinson einfach ein Metal-Sänger war und ist und die Arbeiten bei |SKUNKWORKS| lediglich seine Experimentierfreude befriedigten, nicht aber seine Zielgerichtetheit als Künstler. Sein erneuter Wechsel zu |IRON MAIDEN| kam 1999 dennoch überraschend, war jedoch der einzig logische Schritt für die beiden sinkenden Schiffe und wurde letzten Endes zu einem noch größeren Triumphzug als die erhabenen Momente des vorherigen Jahrzehnts – vor allem dank der Schlüsselfigur Dickinson.

Shooman bleibt in seinen Ausführungen allerdings jederzeit objektiv und feiert seinen Helden nicht ständig als solchen ab. Eher aus der Draufsicht schildert er vor allem das Leben des jungen Bruce in einer Detailfreude, die bislang beispiellos ist. Gerade die zwischenmenschlichen Geschichten haben es ihm angetan, was er in zahlreichen Interviews mit frühen Helden der NWoBHM und Gefährten Dickinsons immer wieder belegt. Doch auch der Informationsgehalt seiner Biografie ist enorm und bringt gerade auf musikalischer Ebene zahlreiche Insider-Facts zutage, die man an dieser Stelle auch gerne lesen möchte. Zu kurz kommt lediglich der Wiedereinstieg bei |IRON MAIDEN|, der eigentlich einer der wesentlichen Knackpunkte in der Karriere des Sängers ist. Hier hätten ein paar Details mehr sicherlich gut getan, um die Sache komplett rund zu bekommen. Ansonsten gibt es an Shoomans Werk absolut nichts auszusetzen; wer einen Ausnahmekünstler wie Bruce Dickinson so bodenständig und gleichsam anerkennend vorstellt und das Ganze mit einem solch reichen Informationsschatz füllt, der verdient nicht nur Respekt, sondern auch zahlreiche Abnehmer. Wirklich gelungen, was hier auf gut 250 Seiten als offizielle Biografie angeboten wird!

|ISBN-13: 978-3-931624-53-8|
http://www.iron-pages.de

Popoff, Martin – Rainbow. Zwischen Genie und Wahnsinn

|“… einmal habe ich dabei zugehört, wie jemand Roger Glover interviewte, und ich saß dabei. Und er erzählte eine Geschichte darüber, was passiert ist, und ich saß dabei und rief: ‚Das ist nie geschehen und das auch nicht, und das war ganz anders!‘ Dann dachte ich mir, dass es schon seltsam ist, wie wir alle unsere Geschichten abändern, ohne es zu wollen. (…) Ich habe wahrscheinlich selbst Anekdoten erzählt und jemand anderer hat dazu gesagt: ‚Moment mal, so ist das aber nicht geschehen.‘ Es ist schon erstaunlich, wie man eine Geschichte verdreht, wenn man über etwas spricht, das 20 Jahre zurückliegt, und wie man sich an die Dinge erinnert.“|

Mit diesen Worten zitiert der Musikjournalist Martin Popoff in seiner neuesten Bandbiographie „Rainbow. Zwischen Genie und Wahnsinn“ (S. 169/171) Ritchie Blackmore, den Gründer und Kopf von RAINBOW. Dieses Zitat hätte er seinem Buch als Motto voranstellen können.

In seiner langjährigen Tätigkeit hat Popoff etliche Interviews mit Bandmitgliedern aus den verschiedenen Phasen der Gruppe geführt und damit eine breite und wertvolle Datenquelle geschaffen, aber sein Buch besteht in weiten Teilen nur aus einer unkritischen Zusammenstellung von Interviewzitaten. Weitere Quellen waren für den Autor offenkundig nur einige Fremdinterviews und die Covertexte der veröffentlichten Tonträger. Sein Buch hätte den Untertitel „RAINBOW in Selbstzeugnissen“ bekommen sollen. Was man als Leser aus dieser weitgehend unreflektierten und unkommentierten Aussagensammlung gewinnen kann, ist vor allem die Erkenntnis, wie sehr die Erinnerungen der Menschen von Eitelkeit, Kameradschaft, Interessantmacherei oder einfach einem schlechten Gedächtnis getrübt werden und das eingangs wiedergegebene Zitat Blackmores bestätigt wird. Wenn der Autor von verschiedenen Beteiligten allerdings gleichlautende Aussagen bekommt, dann gelingen ihm wichtige Erkenntnisse aus erster Hand. Insbesondere einige der vielen Umbesetzungen des autokratischen Bandleaders Blackmore (bei RAINBOW erschienen nie zwei Studioalben in der gleichen Besetzung) dürften hier endgültig geklärt sein und das Buch zur unverzichtbaren Quelle für alle weiteren Arbeiten über diese Band machen.

Ansonsten muss man als Leser zwischen den Zeilen lesen, besonders wenn die Musiker übereinander reden. Die Floskel „Aber er war ein netter Kerl“ scheint die gleiche Qualität zu haben wie „Der Trainer hat unser Vertrauen“ in Fußballerkreisen. Häufig interviewte Bandmitglieder werden – unabhängig vom Aussagewert – hinter ihren Äußerungen ein wenig als Menschen greifbar. So erkennt man einen launischen Blackmore, der heute seinen Begleitern kreative Freiräume gewährt und junge Talente fördert und sie morgen ohne ehrliche Aussprache feuert oder plötzlich Zugaben verweigert, wenn das Konzertpublikum sie nicht „verdient“ habe. Und einen eitlen Joe Lynn Turner (Sänger 1980 bis 1984), der gleich mehrfach betont, wie gut er doch beim weiblichen Publikum ankam, und mitteilt, dass seine Fans einer Umfrage zufolge intelligenter und wohlhabender seien als diejenigen seines Vorgängers Ronnie James Dio (trotzdem ist Dio natürlich ein netter Kerl).

Als Rockfan wird man auch den traurigen Eindruck nie ganz los, dass RAINBOW ein ungeliebtes Kind war. 1975 verlässt Ritchie Blackmore DEEP PURPLE, weil er fürchtet, dass die Soul-, Funk- und Blueseinflüsse, welche die Neumitglieder David Coverdale und Glenn Hughes mitgebracht haben, den reinen Rock auf barocker und klassischer Grundlage verwässern. Menschliche und hierarchische Reibereien dürften ebenfalls eine große Rolle gespielt haben. So entbeint Blackmore kurzerhand die PURPLE-Vorband ELF um ihren Gitarristen und spielt mit dem Rest als RAINBOW noch im selben Jahr das Debütalbum „Ritchie Blackmore’s Rainbow“ ein. Der erste gemeinsam aufgenommene Titel, der schlagerhafte Oldie ‚Black Sheep Of The Family‘ aus den 60ern, den die DEEP-PURPLE-Mitglieder zurückgewiesen haben, wirkt wie ein Fremdkörper auf dem Album und hinterlässt den Eindruck, dass es hier nur jemand den alten Kollegen ganz schnell zeigen wollte. Kaum ist die Platte draußen, entlässt Blackmore die ELF-Leute außer dem Sänger Ronnie James Dio. Die personellen und musikalischen Änderungen halten an. Im Rückblick ist Blackmore mit keinem Album restlos zufrieden, und als sich 1984 die Gelegenheit zur einer lukrativen PURPLE-Reunion bietet, löst er die eigene Band, in der er doch der Chef ist, wieder auf.

Martin Popoff lässt die Originalzitate aus den Interviews unverändert. Wenn ein Musiker mitten im Satz den Faden verliert und eine neue Formulierung beginnt, ist das genau so abgedruckt. Das zeigt einerseits den Respekt des Autors vor den Quellen, erschwert allerdings den Lesefluss, ohne zu einem Erkenntnisgewinn zu führen. Dass er, wie erwähnt, diese Zitate häufig auch ohne Überleitung und Kommentierung stehen lässt, führt dazu, dass neben Banalitäten der Sorte „Ich mochte diese Unterkunft, nicht aber jenes Studio“ echte Knaller fast untergehen. Wenn hier immer die Wahrheit gesagt wird, dann sind auf dem Erfolgsalbum „Love At First Sting“ der SCORPIONS ehemalige RAINBOW-Mitglieder und nicht etwa (nur) die eigene Rhythmusgruppe an Bass und Schlagzeug zu hören. Und dann wollte Ritchie Blackmore das 95er Album „Stranger In Us All“ gar nicht unter RAINBOW herausbringen, sondern wurde von den Kaufleuten beim Label zu diesem zugkräftigen Namen genötigt, was den Eindruck eines ungeliebten Kindes bestätigen würde.

Musik in Worten wiederzugeben, ist grundsätzlich schwierig. Aber der Autor geht in seiner nach Alben gegliederten Bandbiographie auf jeden veröffentlichten Titel ein, indem er O-Töne der Beteiligten zitiert oder eigene kurze Beschreibungen abgibt, wobei persönliche Meinungsäußerungen als solche kenntlich sind. Diese Konzentration auf die Musik als das Wesentliche ist eine Stärke des Buches. Aus den Aussagen mehrerer Bandmitglieder geht hervor, dass die Lieder in der Entwicklung der Gruppe von 1975 bis 1983/84 immer kommerzieller wurden und auch werden sollten. Nun bedeutet „kommerziell erfolgreich“ zunächst einmal nur, dass sich etwas besser verkauft, ein geringerer künstlerischer Wert ist damit nicht zwangsläufig gemeint. Ob RAINBOW vor oder nach Dios Weggang besser waren, ist eine Frage des persönlichen Geschmacks. Aber hier wäre eine Analyse oder Kommentierung des Autors gefragt, festzustellen, dass RAINBOW nach 1979 nie mehr echte Markenzeichen wie ‚Catch The Rainbow‘, ‚Gates Of Babylon‘ und vor allem ‚Stargazer‘ hervorgebracht haben, die man sich so bei keiner anderen Gruppe vorstellen könnte. Vergleiche mit anderen Bands wie JOURNEY seit dem Einstieg Steve Perrys hätten auch etwas über die damalige Zeit aussagen können.

Der Anhang des Buches enthält eine ausführliche Liste der offiziellen und halboffiziellen Alben. Das Bildmaterial reicht von gelungen (Bandfotos, Tourplakate, Magazincover mit einem humorvollen und selbstironischen Ritchie Blackmore) bis überflüssig (ganze Porträtstrecken von Ronnie James Dio, Roger Glover, Candice Night), wobei die fehlenden Bildunterschriften den RAINBOW-Neuling eher hilflos zurücklassen dürften. Seine Leser wir das Buch vermutlich überwiegend unter den beinharten RAINBOW-Fans finden.

http://www.ritchieblackmore.com (offizielle Seite zu RAINBOW und BLACKMORE’S NIGHT)
http://www.martinpopoff.com
http://www.ip-verlag.de

Alan Byrne – Die Abenteuer von Phil Lynott & Thin Lizzy

Der unmissverständliche Titel dieses Buches macht schon vor Beginn des Lesevergnügens klar, das sich der Autor hier nicht nur mit der Geschichte der Band THIN LIZZY auseinandergesetzt hat, sondern sich darüber hinaus auch eingehend mit jenem Charakter befasst, der diese Formation quasi personifizierte: Phillip Parris Lynott.

In insgesamt 15 Kapiteln, die den Werdegang von Lynott und seiner Band chronologisch abhandeln, lässt Autor Alan Byrne die Geschichte jenes Mannes noch einmal Revue passieren, der zeit seines Lebens immerzu mit genialen Kompositionen aufhorchen hat lassen, jedoch nahezu zeitgleich auch von seinen persönlichen Problemen gestoppt wurde. Recherchiert und aufgearbeitet wurde die Geschichte des Künstlers Lynott, begonnen bei seiner Herkunft und weit über seinen Tod am 4. Jänner 1986 hinaus. Zudem wurde auch mit Bildmaterial nicht gespart, so dass neben unzähligen gelungenen Live-Shots auch einige Impressionen aus dem Privatleben des Phillip Lynott in diesem Buch zu bestaunen sind.

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Röhr, Matthias / Larmann, Ralh – Meine letzten 48 Stunden mit den Böhsen Onkelz

Die |Onkelz| sind Geschichte. Wohl nicht nur, weil die Band auf ihrem Zenit (zumindest verkaufstechnisch gesehen) aufhören wollte, sondern weil es intern saftig krachte. Immer mehr Details nimmt man mit der Zeit wahr, und wieder scheint die komplette Wahrheit der |Onkelz| hinter den Kulissen verborgen zu bleiben.

Einen kleinen Einblick hierin und in den Höhepunkt der mehrere Dekaden andauernden |Onkelz|-Geschichte liefert uns nichtsdestoweniger Gitarrist Matthias „Gonzo“ Röhr, der über die kompletten zwei Tage des |Onkelz|-Festivals (vom Frühstück des ersten Tages über den Soundcheck bis zum eigentlichen Konzert) auf dem Lausitzring Buch geführt hat und einiges zu berichten weiß. Dabei handelt es sich nicht um ein normales Buch an sich, wir haben es hier mit einem Bildband mit äußerst ausführlichen und mehr oder weniger ausschweifenden Kommentaren zu tun.

Sehr positiv ist schon einmal die Tatsache, dass Gonzo zu keiner Sekunde versucht, einen Schriftsteller zu imitieren. Er schreibt und beschreibt die Dinge einfach frei von der Leber weg und gewährt uns somit einen emotionalen und spannenden Einblick ohne viel Drumherum. Viele Bilder entstehen im Kopf, obwohl der Fantasie sowieso Grenzen gesetzt sind, da zu so gut wie jedem Text auch das passende Bild mitgeliefert wird.

Im Format A4+ werden auf 96 Seiten im Hardcover qualitativ wirklich hochwertige Aufnahmen aufgetischt, die allen Ferngebliebenen des Festivals und natürlich auch Anwesenden sehr sympathisch und direkt rübergebracht werden.

Ein Manko habe ich persönlich dennoch gefunden und empfunden: Die Eindrücke des Konzerts sind eher mager beschrieben, und auf die dargebotenen Songs wird einzeln fast nicht eingegangen. Was hätte mich zum Beispiel die Meinung Gonzos zum zensierten ‚N*tten M*nn‘, das trotz hoher angedrohter Geldstrafen ein letztes Mal dargeboten wurde, interessiert. Überhaupt ist der Auftritt der am wenigsten berücksichtige Teil in diesem Buch. Aber immerhin erscheint ja in Kürze die DVD.

Besonders dem jahrelanger „Verfolger“ der |Onkelz| werden sich sehr viele Details – besonders zwischen den Zeilen gelesen -, auch was Gonzos Streit mit Stephan Wildner (b.) angeht, offenbaren, die ansonsten wohl unter dem Mantel des Schweigens verborgen geblieben wären.

So bleibt nur ein Fazit: Ein gelungener Biographie/Foto-Cocktail und vor allem ein nettes Gimmick für alle |Onkelz|-Fans und/oder Festival-Besucher.

Werner, Tim C. (Hrsg.) – Motörhead 1975-2005

MOTÖRHEAD und ich haben etwas gemeinsam. Wir sind beide Baujahr 1975, und so wie ich feiert auch diese Legende der harten britischen Rockmusik in diesem Jahr ihren dreißigsten Geburtstag. Aus diesem Anlass haben sich einige Fans zusammengetan und unter der Regie von Tim C. Werner ein Jubiläumsmagazin zusammengestellt, das es wirklich in sich hat und für jeden Fan von Lemmy & Co. einen echten Leckerbissen darstellen dürfte. Das Heft im Format DIN A4 enthält 64 Seiten, vollgepackt mit Photos, Geschichten, Interviews, Übersichten und Berichten. So finden wir den vollständigen Nachdruck von historischen Interviews aus diversen Magazinen, zwei Aufsätze aus der Bandgeschichte von David Eisert und Jürgen Ruland sowie eine umfassende, 20-seitige Bandbiographie von Mathias Mader (Iron Pages) und der „Home Of Rock„-Redaktion, die sich ausführlich jedem Release und jedem Abschnitt der Bandgeschichte widmet. Wirklich klasse!

Für die wandelnden Motörlexika unter euch gibt’s dann auch einen Triviateil, in dem ihr eine lückenlose Aufzählung aller MOTÖRHEAD-Konzerte seit 1975 findet, was fünf in winziger Schrift bedruckte Seiten in Anspruch nimmt. Durchgezählt habe ich zwar nicht, aber es dürfte relativ wenige Hardrock- und Metalbands geben, die häufiger aufgetreten sind. Weiter geht’s mit einer ziemlich lückenlosen und komplett bebilderten Diskographie, die sich zunächst sechs Seiten lang allen offiziellen Singles und Alben widmet und dann auch noch auf vier Seiten die relevantesten der unzähligen Bootlegs und halboffiziellen Zusammenstellungen vorstellt. Eine ebenfalls bebilderte Liste mit den Gastauftritten und Soloalben sowie mit Tributes, Tourprogrammen, Büchern und Videos darf natürlich auch nicht fehlen. Den Abschluss bilden zwei Konzertberichte.

Ihr erfahrt in diesem liebevoll recherchierten und aufgemachten Magazin – bei dem es sich zudem um ein Non-Profit-Unternehmen handelt, an dem nur die Druckerei etwas verdient hat – so ziemlich alles, was ihr jemals über MOTÖRHEAD wissen wolltet: Im Interview mit dem |Sounds| von 1981 plaudert man u. a. lässig darüber, wie es ist, zur hässlichsten Band der Welt gewählt zu werden, so dass sogar die Plattenfirmen Angst vor den Musikern haben. Das „Kerrang!“ war 1995 der Meinung, Lemmy über sein Sexleben ausquetschen zu müssen und des |Rock Hard|s Motörheadbanger Jan Jaedike wurde von Lemmy anlässlich der Veröffentlichung des 83. Albums „Snake Bite Love“ zur 74. Privataudienz gebeten, in der man u. a. einiges über berüchtigte Vegetarier, Lemmys Little-Richard-Einflüsse, diverse Toterklärungen, Mikkey Dees Machismo und widerliche Angewohnheiten von Politikern zu lesen bekommt.

Hinweise

Ihr seht, dieses Magazin ist umfangreich, informativ und vor allem unheimlich unterhaltsam zu lesen, so dass ich es jedem Fan der Band bedingungslos empfehlen kann. Auch sonstige rockhistorisch interessierte Zeitgenossen sollten hier nur wenig falsch machen können. Das edle Teil ist auf 1000 Stück limitiert, die von Tim Werner selbst über [eBay] verkauft werden. Der Preis beträgt 7,50 € zuzüglich 2 €uronen Porto & Verpackung. Alternativ könnt ihr den Herausgeber auch über timcwerner@aol.com erreichen und das Heft dort bestellen.