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Montgomery, L. M. / Gruppe, Marc / Bosenius, Stephan – Anne in Avonlea. Folge 6: Ein rabenschwarzer Tag und seine Folgen

_Ein rabenschwarzer Tag & neue Hoffnung_

Kanada Ende des 19. Jahrhunderts. (Fortsetzung von „Anne auf Green Gables“.) Anne genießt ihre letzten Ferientage auf Green Gables. Mit Beginn des neuen Schuljahres wird sie die Lehrerstelle an der Dorfschule von Avonlea übernehmen. Für den kleinen Ort haben Anne und ihre Freunde ehrgeizige Pläne. Flugs wird ein Dorf-Verschönerungs-Verein gegründet. Überschattet werden die Spendensammel-Aktionen durch Probleme mit der Kuh Dolly und einem sehr wütenden neuen Nachbarn …

Folge 6: Anne Shirley wird von den meisten Schülern an der Dorfschule angehimmelt. Aber keineswegs alle mögen die neue junge Lehrerin. Der flegelhafte Anthony Pye hat es regelrecht auf Anne abgesehen. An einem kalten Wintermorgen kommt es zu einer sehr hässlichen Szene in der Schule, die keines der Schulkinder von Avonlea je vergessen wird …

Pünktlich zum 100-jährigen Jubiläum gibt es die Abenteuer des sympathischen Waisenmädchens Anne Shirley als Hörspiel-Serie, geeignet für die ganze Familie, gesprochen von den deutschen Stimmen vieler Hollywood-Stars.

_Die Autorin_

Lucy Maud Montgomery (1874-1942) war eine kanadische Schriftstellerin, die besonders durch ihre Jugendbücher um Anne Shirley bekannt wurde: „Anne of Green Gables“ und sechs Fortsetzungen.

Das Manuskript wurde zunächst von mehreren Verlagen abgelehnt, bevor es Montgomery gelang, es zu platzieren. 1908 war sie bereits 34 Jahre alt. Das Buch wurde zu einem Theaterstück verarbeitet, mehrmals verfilmt und in mehr als 40 Sprachen übersetzt.

Die erste Staffel: Anne auf Green Gables

Folge 1: [Die Ankunft 4827
Folge 2: [Verwandte Seelen 4852
Folge 3: [Jede Menge Missgeschicke 4911
Folge 4: Ein Abschied und ein Anfang

Die zweite Staffel: Anne auf Avonlea

Folge 5: [Die neue Lehrerin 5783
Folge 6: Ein rabenschwarzer Tag und seine Folgen
Folge 7: Eine weitere verwandte Seele
Folge 8: Das letzte Jahr als Dorfschullehrerin

Die dritte Staffel: Anne in Kingsport

Folge 9: Auf dem Redmond College
Folge 10: Erste Erfolge als Schriftstellerin
Folge 11: Die jungen Damen aus Pattys Haus
Folge 12: Viele glückliche Paare

_Die Inszenierung_

|Die Rollen und ihre Sprecher:|

Erzähler: Lutz Mackensy (Rowan Atkinson, Christopher Lloyd, Al Pacino)
Anne Shirley: Marie Bierstedt (Kirsten Dunst, Kate Beckinsale)
Marilla Cuthbert: Dagmar von Kurmin (Bühnenschauspielerin, Hörspiel-Regisseurin für |Europa|, Stammsprecherin für |Titania Medien|)
Rachel Lynde: Regina Lemnitz (Whoopi Goldberg, Kathy Bates, Diane Keaton)
Diana Barry: Uschi Hugo (Neve Campbell)
Gilbert Blythe: Simon Jäger (Josh Hartnett)
Jane Andrews: Cathlen Gawlich (Jaime King, Amy ‚Fred‘ Acker)
James A. Harrison: Heinz Ostermann (Kammerschauspieler)
Anthony Pye: Maximilian Artajo (‚Aang‘ in „Avatar“)
Und viele weitere.

Regie führten Stephan Bosenius und Marc Gruppe, der auch das „Drehbuch“ schrieb. Die Aufnahme leiteten Martin Wittstock und Kazuya. Die Illustration stammt von Firuz Askin.

_Handlung_

Es ist inzwischen November, und die Bewohnerschaft von Green Gables ist um zwei vermehrt worden. Die Zwillinge Dora und Davy Keth, jeweils acht Jahre alt, sind die Halbwaisen von Mary Keith, die starb. Doch weil ihr Bruder in British Columbia lebt, ist das Schicksal der Kinder ungewiss. Anne und Marilla Cuthbert haben sich bereit erklärt, die Kinder bei sich aufzunehmen. Doch das stellt sich als Bürde heraus. Während Dora ein liebes, braves Mädchen ist, ist Davy ein richtiger Lausejunge, dem die strenge Hand eines Vaters fehlt. Er lügt, spielt Streiche und bereitet allen Verdruss. Einmal sperrt er sogar seine Schwester in den kalten Schuppen ein.

|Ein neuer Freund|

Doch es gibt einen Ausgleich für Anne. Sie ist inzwischen mit dem Nachbarn Mr. James A. Harrison gut Freund geworden, und nur dessen vorwitziger Papagei Ginger piesackt sie mit seinem Schrei „Karotte!“ Anne hat gelernt, diese Rufe gutmütig hinzunehmen. Bei ihrem jüngsten Besuch redet sie Mr. Harrison ins Gewissen, dass er doch bitte für die Verschönerung des Gemeindesaals spenden solle. Joshua Pye werde das Anstreichen übernehmen, und der ganze Dorfverschönerungsverein, sie eingeschlossen, freue sich bereits auf den neuen Anstrich: ein dezentes Grün.

|Katastrophe|

Als Plaudertasche und Vereinsvorstand Rachel Lynd das vollbrachte Werk begutachten will, trifft sie fast der Schlag. Sie eilt davon, um allen, die es wissen oder nicht wissen wollen, zu verkünden, welch einen Frevel Joshua Pye begangen hat. Auch Gilbert Blythe und seine Freund Fred Wright sind aufgebracht über diese „Katastrophe“ und erzählen ihren Freundinnen Jane Andrews, Anne und Diana Barry davon. Ja, es ist schreckliche Wahrheit: Der Gemeindesaal ist knallblau gestrichen worden! Die nichtsnutzigen Pyes haben die Nummer der Farbe verwechselt, die man ihnen angegeben hatte.

|Eine verwandte Seele|

Es wird Dezember, und die Zeit für Bratäpfel ist gekommen. Anne erzählt Gilbert begeistert von ihrem Schüler Paul Irving, elf, in dem sie eine verwandte Seele erkannt habe. Auch er habe die GABE: Er könne wie sie mit seinen Phantasien andere Welten erstehen lassen. Er stellt sich Felsenmenschen vor, die an seinem Strandabschnitt leben. Paul lebe allein bei seiner Großmutter, denn seine Mutter sei gestorben und sein Vater lebe in Boston. Stephen Irving hatte vor 25 Jahren einen Streit mit seiner Verlobten Lavender Lewis, nach dem sie sich trennten. Was auch Lavender wurde, weiß Anne nicht (aber sie wird es herausfinden). Unterdessen schreibt Paul seiner Lehrerin ganz liebe Briefe, die Gilbert beinahe eifersüchtig machen.

|Ein rabenschwarzer Tag|

Der schrecklichste aller Tage bricht damit an, dass Anne Shirley Zahnschmerzen hat, aber aus Pflichtgefühl trotzdem in die Schule geht. Wegen des Schneesturms kommt Anne erst einmal zu spät, aber sie ist nicht die Einzige: Auch Anthony Pye, der ungezogene Junge ihrer Klasse, nimmt sich die Freiheit, einfach so spät zu kommen wie sie. Die Stimmung wird nicht besser, als Clarissa Donnell so nervös ist, dass sie die Kohlen kaum in der Heizofen praktizieren kann. Anthony lacht sich natürlich schief, was Anne zornig macht.

Als er seinem Klassenkameraden ein Päckchen zustecken will, konfisziert Anne es einfach und befiehlt ihm, es in den Ofen zu stecken. Die Kinder essen sowieso zu viel Kuchen und werden fett. Doch im Päckchen waren Feuerwerksknaller … Als sich der Krach verzogen hat, gibt es für Anne nur eines zu tun, will sie Anthony zur Räson bringen: Sie muss ihn züchtigen. Doch das widerspricht allen ihren Prinzipien für die Erziehung von Schulkindern. Sie steht vor einer schrecklichen Wahl …

_Mein Eindruck_

Annes Bemühen, den Mitmenschen und vor allem „verwandten Seelen“ zu ihrem ihnen zustehenden Glück zu verhelfen, wird auf eine harte Probe gestellt: Sie muss entweder Anthony Pye züchtigen oder vor ihrer Klasse (und deren Eltern) für immer das Gesicht verlieren. Seltsamerweise erwirbt sie sich Anthonys Achtung, nachdem sie es doch fertiggebracht hat, ihn zu bestrafen. Wenn sie sich auch Gewissensbisse macht, so ist doch fortan ein besserer Unterricht möglich als je zuvor. Und nur die Mutter von Jacob Donnell, pardon: D’onéll, beschwert sich französelnd, dass Anne ihren Sohn nicht mit seinem echten Namen „Saint Clair“ anspreche. Anne hat Mitleid mit Jacob und spricht ihn fortan nur vor Mrs. Donnell mit Saint Clair an.

„Edel sei der Mensch, Zwieback und gut“, sagten die Studenten in Anspielung auf Goethe. Anne hat sich Goethes Motto auf die Fahnen geschrieben und hat keinen Zweifel, ihre Suche nach dem Glück ihrer Mitmenschen zum Erfolg führen zu können. Dazu gehört die Aufnahme von zwei Waisenkindern – sie ist ja selbst eines – ebenso wie die Verschönerung des Dorfes, die sie im Verein betreibt. Die Erziehung Davys ist ebenso mit Fallstricken versehen wie das Anstreichen des Gemeindehauses: Beides geht gründlich daneben, wie es aussieht. Von den Untaten des jungen Waisenjungen werden wir noch mehr hören.

_Die Inszenierung_

|Die Sprecher|

Die Hauptrolle der Anne Shirley wird von Marie Bierstedt, der deutschen Stimme von Kirsten Dunst und vielen anderen jungen Schauspielerinnen, mit Enthusiasmus und Einfühlungsvermögen gesprochen. Obwohl Bierstedt wesentlich älter ist als die siebzehnjährige Heldin, klingt ihre Stimme doch ziemlich jugendlich. Manchmal darf sie aber auch ein wenig langsamer und überlegter sprechen, besonders mit „verwandten Seelen“.

Sehr gut gefiel mir auch Heinz Ostermann, der Sprecher des Mr. Hamilton. Er legt ihm ein ganzes Spektrum von Grantigkeit, Freundlichkeit und schließlich sogar Zärtlichkeit in den Mund, dass man fast einen gerundeten Charakter vor sich hat. Witzig fand ich den krächzenden Papagei, der immer „Karotte!“ ruft, um Anne zu triezen.

Unter den weiteren weiblichen Sprecherinnen ragen die der Marilla Cuthbert (Dagmar von Kurmin) und der Rachel Lynde (Regina Lemnitz) heraus. Dagmar von Kurmin muss wie Heinz Ostermann sowohl Strenge als auch Freundlichkeit verkörpern. Regina Lemnitz ist die Inkarnation der Plaudertasche und der wandelnden Gerüchteküche. Außerdem scheint ihre Rachel Lynde Vorsitzende des Dorfverschönerungsvereins zu sein und hat entsprechend viele Sorgen um die Ohren. Und sie ist natürlich die beste Freundin von Marilla Cuthbert, die die Witwe in Folge 8 in ihr Haus aufnimmt.

|Geräusche|

Die Geräusche im Hintergrund sorgen für die Illusion einer zeitgenössischen Kulisse für das Jahr 1879, doch sind sie so sparsam und gezielt eingesetzt, dass sie einerseits den Dialog nicht beeinträchtigen, andererseits den Hörer nicht durch ein Übermaß verwirren. Deshalb erklingen Geräusche in der Regel stets nacheinander.

Auffällig häufig ist jedoch die Kombination aus Brandung und Vogelgezwitscher zu hören. Das ist eine Besonderheit der meerumtosten Inselumgebung. Selbstredend erklingen zahlreiche Vogelstimmen, wenn Anne mit ihren Freunden durch den Wald spaziert. Um die Epoche zu verdeutlichen, ist natürlich kein einziges Auto zu hören, sondern nur diverse Kutschen und Karren.

|Musik|

Die Musik ist ebenfalls ziemlich romantisch, voller Streichinstrumente, Harfen und Pianos. Das Klavier wird meist für melancholische Passagen eingesetzt, und diese sind ebenso wichtig wie die heiteren. Der kontrastreiche Wechsel zwischen Heiterkeit, Drama und Melancholie sorgt für die emotionale Faszination beim Zuhörer. Die Musik steuert die Emotionen und untermalt die wichtigsten Szenen, kommt aber nicht ständig im Hintergrund vor. Ebenso wie mit den Geräuschen darf man es nicht übertreiben.

Als Intro erklingt die Erkennungsmelodie der Serie: In einem flotten Upbeat-Tempo lassen Streicher, Holzbläser und ein Glockenspiel Romantik, Heiterkeit und Humor anklingen. Alle diese Elemente sind wichtige Faktoren für den Erfolg des Buches gewesen. Warum sollten sie also ausgerechnet im Hörspiel fehlen?

_Unterm Strich_

Es passiert im Winter natürlich nicht allzu viel auf Green Gables, aber die zwei neuen Waisenkinder sorgen für gehörig Aufregung. Besonders der achtjährige Davy scheint sich ebenso wie Anthony Pye gegen Anne verschworen zu haben, und sie kommt aus den Aufregungen kaum heraus, die diese beiden Jungen ihr bereiten. Leider ist dies im Grunde wenig spannend für männliche Zuhörer, denn es handelt sich vor allem um Erziehungsfragen. Auffällig ist die häufige Abwesenheit von Gilbert Blythe, Annes Jugendfreund, so dass es keine romantischen Verwicklungen gibt. Das sollte sich möglichst bald ändern.

Besonderes Vergnügen hat mir die akustische Umsetzung des Buches bereitet. Hörbaren Spaß haben die Sprecher an ihren Rollen, und insbesondere die Hauptfigur ist von Marie Bierstedt ausgezeichnet gestaltet. Sie schluchzt, lacht, schmollt, flüstert und quasselt, dass man sich wundern muss, woher diese Vielseitigkeit stammt. In den Spider-Man-Film ist Kirsten Dunst nie so vielseitig. Bierstedts Anne muss sich nicht nur durch Höhen und Tiefen des Herzens lavieren, sondern auch noch weiterentwickeln.

|Basierend auf: Anne of Avonlea, 1909
68 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3634-0|

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Montgomery, L. M. / Gruppe, Marc / Bosenius, Stephan – Anne in Avonlea. Folge 5: Die neue Lehrerin

_Die falsche Kuh & der erste Schultag_

Kanada Ende des 19. Jahrhunderts. (Fortsetzung von „Anne auf Green Gables“.) Anne genießt ihre letzten Ferientage auf Green Gables. Mit Beginn des neuen Schuljahres wird sie die Lehrerstelle an der Dorfschule von Avonlea übernehmen. Für den kleinen Ort haben Anne und ihre Freunde ehrgeizige Pläne. Flugs wird ein Dorf-Verschönerungs-Verein gegründet. Überschattet werden die Spendensammel-Aktionen durch Probleme mit der Kuh Dolly und einem sehr wütenden neuen Nachbarn …

Pünktlich zum 100-jährigen Jubiläum gibt es die Abenteuer des sympathischen Waisenmädchens Anne Shirley als Hörspiel-Serie, geeignet für die ganze Familie, gesprochen von den deutschen Stimmen vieler Hollywood-Stars.

_Die Autorin_

Lucy Maud Montgomery (1874-1942) war eine kanadische Schriftstellerin, die besonders durch ihre Jugendbücher um Anne Shirley bekannt wurde: „Anne of Green Gables“ und sechs Fortsetzungen.

Das Manuskript wurde zunächst von mehreren Verlagen abgelehnt, bevor es Montgomery gelang, es zu platzieren. 1908 war sie bereits 34 Jahre alt. Das Buch wurde zu einem Theaterstück verarbeitet, mehrmals verfilmt und in mehr als 40 Sprachen übersetzt.

Die erste Staffel: Anne auf Green Gables

Folge 1: [Die Ankunft 4827
Folge 2: [Verwandte Seelen 4852
Folge 3: [Jede Menge Missgeschicke 4911
Folge 4: Ein Abschied und ein Anfang

Die 2. Staffel: Anne auf Avonlea

Folge 5: Die neue Lehrerin
Folge 6: Ein rabenschwarzer Tag und seine Folgen
Folge 7: Eine weitere verwandte Seele
Folge 8: Das letzte Jahr als Dorfschullehrerin

Die 3. Staffel: Anne in Kingsport

Folge 9: Auf dem Redmond College
Folge 10: Erste Erfolge als Schriftstellerin
Folge 11: Die jungen Damen aus Pattys Haus
Folge 12: Viele glückliche Paare

_Die Inszenierung_

|Die Rollen und ihre Sprecher:|

Erzähler: Lutz Mackensy (Rowan Atkinson, Christopher Lloyd, Al Pacino)
Anne Shirley: Marie Bierstedt (Kirsten Dunst, Kate Beckinsale)
Marilla Cuthbert: Dagmar von Kurmin (Bühnenschauspielerin, Hörspiel-Regisseurin für |Europa|, Stammsprecherin für |Titania Medien|)
Rachel Lynde: Regina Lemnitz (Whoopi Goldberg, Kathy Bates, Diane Keaton)
Diana Barry: Uschi Hugo (Neve Campbell)
Gilbert Blythe: Simon Jäger (Josh Hartnett)
Jane Andrews: Cathlen Gawlich (Jaime King, Amy ‚Fred‘ Acker)
James A. Harrison: Heinz Ostermann (Kammerschauspieler)
Anthony Pye: Maximilian Artajo (‚Aang‘ in „Avatar“)
Premierminister: Marco Kröger (Liev ‚Sabretooth‘ Schreiber)
Und viele weitere.

Regie führten Stephan Bosenius und Marc Gruppe, der auch das „Drehbuch“ schrieb. Die Aufnahme leiteten Martin Wittstock und Kazuya. Die Illustration stammt von Firuz Askin.

_Handlung_

Anne Shirley hat sich als Dorfschullehrerin qualifiziert und soll ihre Stelle bald in Avonlea antreten, also ganz in ihrer Nähe. Sie träumt davon, einstmals den künftigen Premierminister Kanadas zu unterrichten. Doch ihr Freund Glibert Blythe lacht nur darüber. Was für eine Träumerin sie ist. Sie sollte lieber ihren Vergil übersetzen.

Die Bewohner von Seven Gables, Anne und ihre Pflegemutter Marilla Cuthbert, haben einen neuen Nachbarn. Mr. James A. Harrison stammt aus New Brunswick, das an die USA grenzt. Anscheinend ist er unverheiratet und, wie Gerüchte besagen, geizig. Immer wenn Annes Kuh Dolly sein Haferfeld zertrampelt, kommt er zeternd angerannt und gibt Anne die Schuld. Doch diesmal gibt sie ihm ordentlich Kontra: Er sollte stattdessen seine Zäune reparieren, wie sich das für eine Farm gehört. Als er sie wegen ihrer roten Haare als „Karotte“ beleidigt, wirft sie ihm „Glatzkopf“ an den Kopf. Empört zieht er von dannen. Na, das ist ja ein toller Anfang. Dolly wird fortan im Stall angebunden.

Auch Rachel Lynd, die Nachbarin und Gerüchteküche auf zwei Beinen, weiß nichts Gutes von Mr. Harrison zu berichten: Er habe ihre Bitte um eine Spende für den Dorfverschönerung brüsk zurückgewiesen. Rachel berichtet zudem von Neuzugängen unter den Kindern, die Anne zu unterrichten haben werde. Darunter sei ein ganz schlimmer Junge namens Anthony Pye. Paul Irving sei aber ein ganz liebes Kind. Anne hat jetzt schon mächtig Bammel vor ihrer Feuertaufe als frischgebackene Lehrerin.

Doch zuvor gibt es wieder Ärger mit Dolly, der Kuh, die offenbar schon wieder im Haferfeld Mr. Harrisons steht. Als Anne und Diana versuchen, die Kuh einzufangen, landen beide mit ihren schönen Kleidern im Matsch. Just in diesem Moment kommt Mr. Shearer des Weges und bietet erneut an, die Kuh zu kaufen. Anne willigt für 20 Dollar ein, und Mr. Shearer kann das renitente Vieh gleich mitnehmen.

Doch wie konnte sich Dolly überhaupt aus dem Stall befreien, wundert sie sich. Als sie nachschaut, steht Dolly friedlich kauend immer noch im Stall. Au weia, erkennt Anne siedendheiß, sie hat die Kuh von Mr. Harrison verkauft! Marilla redet dem Nervenbündel gut zu: Es hilft nichts, aber sie muss bei Mr. Harrison Abbitte und Wiedergutmachung leisten. Anne kommt sich vor wie beim Gang aufs Schafott. Dieser schreckliche Mensch wird ihr bestimmt den Kopf abreißen und sie anschließend vierteilen!

Doch es kommt alles ganz anders.

_Mein Eindruck_

Auch in ihrer fünften Folge wird Anne Shirley von Missgeschicken verschont, und ein Abenteuer jagt das nächste. Wenigstens sind diese Abenteuer, im Gegensatz zu denen der Männer, ungefährlich. Sie könnte höchstens gevierteilt werden. Aber auch dazu kommt es nicht, denn das Schicksal (und die Autorin) meinen es gut mit dem Rotschopf. Mr. Harrison ist ein ganz Lieber und will eigentlich bloß spielen. Hier beginnt allerdings ein Spannungsbogen, der erst in Folge 8 seinen Abschluss findet. Er beruht auf der Frage: Wieso um Himmelswillen lebt Mr. Harrison alleine und ist so ein Griesgram?

Diese Folge sieht noch den Beginn von Annes Unterricht in der Dorfschule sowie ihre Bekanntschaft mit Paul Irving, dem sie in Folge 8 ebenfalls zu neuem Glück verhelfen wird. Sie liebt es eben, Menschen glücklich zu machen, ganz besonders Menschen, die sie als „verwandte Seelen“ erkannt hat.

Doch was zeichnet eine „verwandte Seele“ aus? Offenbar handelt es sich um Menschen, die mit ihrer Phantasie über den Tellerrand der unmittelbaren, prosaischen Wirklichkeit hinaussehen können. Sie erträumen sich eine parallele Realität, die entweder irgendwie besser ist, oder es sind Menschen, die an einem Mangel leiden, wie ihn auch Anne täglich erlebt: Sie sind Waisen, Halbwaisen, oder wie im Fall von Lavender Lewis Menschen ohne jemanden, der sie von Herzen liebt. Alle solche Menschen haben ihre Bestimmung noch nicht erreicht, jene Bestimmung, die im Kennenlernen ihres (von Gott und dem Schicksal) vorbestimmten Geliebten besteht.

Das ist eine recht romantische Vorstellung, steht aber voll im Einklang mit christlichen Grundströmungen ihrer Zeit. Hier ist nichts von |Fin de siècle|-Langeweile zu spüren, ganz im Gegenteil: Die Sache nach „verwandten Seelen“ ist eine Lebensaufgabe und wird immer wieder aufs Neue belohnt. Es ist so, als würde man in eine Menschenmenge hineinsehen und eine „verwandte Seele“ finden, weil man erwartet, sie zu finden. Es hat etwas von einer selbsterfüllen Prophezeiung an sich.

Weil die Suche aber ein quasi-göttlicher Auftrag ist und das Glücklichmachen dieser Seelen zur Aufgabe gehört, bemüht sich Anne ständig, andere Menschen, insbesondere verwandte Seelen, zu ihrem ihnen zustehenden Glück zu verhelfen. Wenn sie dabei, wie in Folge 6, frustriert wird, ist sie natürlich umso unglücklicher.

_Die Inszenierung_

|Die Sprecher|

Die Hauptrolle der Anne Shirley wird von Marie Bierstedt, der deutschen Stimme von Kirsten Dunst und vielen anderen jungen Schauspielerinnen, mit Enthusiasmus und Einfühlungsvermögen gesprochen. Obwohl Bierstedt wesentlich älter ist als die siebzehnjährige Heldin, klingt ihre Stimme doch ziemlich jugendlich. Manchmal darf sie aber auch ein wenig langsamer und überlegter sprechen, besonders mit „verwandten Seelen“.

Sehr gut gefiel mir auch Heinz Ostermann, der Sprecher des Mr. Hamilton. Er legt ihm ein ganzes Spektrum von Grantigkeit, Freundlichkeit und schließlich sogar Zärtlichkeit in den Mund, dass man fast einen gerundeten Charakter vor sich hat. Witzig fand ich den krächzenden Papagei, der immer „Karotte!“ ruft, um Anne zu triezen.

Unter den weiteren weiblichen Sprecherinnen ragen die der Marilla Cuthbert (Dagmar von Kurmin) und der Rachel Lynde (Regina Lemnitz) heraus. Dagmar von Kurmin muss wie Heinz Ostermann sowohl Strenge als auch Freundlichkeit verkörpern. Regina Lemnitz ist die Inkarnation der Plaudertasche und der wandelnden Gerüchteküche. Außerdem scheint ihre Rachel Lynde Vorsitzende des Dorfverschönerungsvereins zu sein und hat entsprechend viele Sorgen um die Ohren. Und sie ist natürlich die beste Freundin von Marilla Cuthbert, die die Witwe in Folge 8 in ihr Haus aufnimmt.

|Geräusche|

Die Geräusche im Hintergrund sorgen für die Illusion einer zeitgenössischen Kulisse für das Jahr 1879, doch sind sie so sparsam und gezielt eingesetzt, dass sie einerseits den Dialog nicht beeinträchtigen, andererseits den Hörer nicht durch ein Übermaß verwirren. Deshalb erklingen Geräusche in der Regel stets nacheinander.

Auffällig häufig ist jedoch die Kombination aus Brandung und Vogelgezwitscher zu hören. Das ist eine Besonderheit der meerumtosten Inselumgebung. Selbstredend erklingen zahlreiche Vogelstimmen, wenn Anne mit ihren Freunden durch den Wald spaziert. Um die Epoche zu verdeutlichen, ist natürlich kein einziges Auto zu hören, sondern nur diverse Kutschen und Karren.

|Musik|

Die Musik ist ebenfalls ziemlich romantisch, voller Streichinstrumente, Harfen und Pianos. Das Klavier wird meist für melancholische Passagen eingesetzt, und diese sind ebenso wichtig wie die heiteren. Der kontrastreiche Wechsel zwischen Heiterkeit, Drama und Melancholie sorgt für die emotionale Faszination beim Zuhörer. Die Musik steuert die Emotionen und untermalt die wichtigsten Szenen, kommt aber nicht ständig im Hintergrund vor. Ebenso wie mit den Geräuschen darf man es nicht übertreiben.

Als Intro erklingt die Erkennungsmelodie der Serie: In einem flotten Upbeat-Tempo lassen Streicher, Holzbläser und ein Glockenspiel Romantik, Heiterkeit und Humor anklingen. Alle diese Elemente sind wichtige Faktoren für den Erfolg des Buches gewesen. Warum sollten sie also ausgerechnet im Hörspiel fehlen?

_Unterm Strich_

Besonderen Wert hat die Dramaturgie diesmal auf die Komik gelegt. Die Kuh des neuen Nachbarn zu verkaufen, ist ja schon ein „Meisterstück“. Der Gang nach Canossa bzw. Mr. Hamiltons Farm ist die logische Folge dieser Untat, doch es stellt sich alles als halb so schlimm heraus, denn Anne wird wirklich nicht gevierteilt – sonst müssten wir ja auf ihre weiteren Abenteuer verzichten. Denn es bahnen sich etliche Veränderungen in Annes Leben auf Green Gables an.

Besonderes Vergnügen hat mir die akustische Umsetzung des Buches bereitet. Hörbaren Spaß haben die Sprecher an ihren Rollen, und insbesondere die Hauptfigur ist von Marie Bierstedt ausgezeichnet gestaltet. Sie schluchzt, lacht, schmollt, flüstert und quasselt, dass man sich wundern muss, woher diese Vielseitigkeit stammt. In den „Spider-Man“-Filmen ist Kirsten Dunst nie so vielseitig. Bierstedts Anne muss sich nicht nur durch Höhen und Tiefen des Herzens lavieren, sondern auch noch weiterentwickeln.

|Basierend auf: Anne of Avonlea, 1909
ISBN-13: 978-3-7857-3633-3|

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Montgomery, Lucy Maud – Anne in Windy Poplars, Folge 16: Abschied von Summerside

_Taschentuchalarm: Rabenväter und Shotgun Weddings_

Kanada Ende des 19. Jahrhunderts. (Fortsetzung von „Anne in Kingsport“)

Die Lage im Hause Sinclair spitzt sich immer mehr zu. Anne rät ihren Lieblingsschülern daraufhin zu einem gewagten Schritt – wohl wissend, dass dies sicherlich Ärger verursachen wird. Aber auch an anderer Stelle sorgt Anne für Wirbel. Der kleinen Elizabeth im Nachbarhaus stehen einige aufregende Stunden bevor …

Pünktlich zum 100-jährigen Jubiläum gibt es die Abenteuer des sympathischen Waisenmädchens Anne Shirley als Hörspiel-Serie, geeignet für die ganze Familie, gesprochen von den deutschen Stimmen vieler Hollywood-Stars.

_Die Autorin_

Lucy Maud Montgomery (1874-1942) war eine kanadische Schriftstellerin, die besonders ihre Jugendbücher um Anne Shirley bekannt wurde: „Anne of Green Gables“ und sechs Fortsetzungen.

Das Manuskript wurde zunächst von mehreren Verlagen abgelehnt, bevor es Montgomery gelang, es zu platzieren. 1908 war sie bereits 34 Jahre alt. Das Buch wurde zu einem Theaterstück verarbeitet, mehrmals verfilmt und in mehr als 40 Sprachen übersetzt.

Die 1. Staffel: Anne auf Green Gables

Folge 1: [Die Ankunft 4827
Folge 2: [Verwandte Seelen 4852
Folge 3: [Jede Menge Missgeschicke 4911
Folge 4: Ein Abschied und ein Anfang

Die 2. Staffel: Anne auf Avonlea

Folge 5: [Die neue Lehrerin 5783
Folge 6: [Ein rabenschwarzer Tag und seine Folgen 5806
Folge 7: [Eine weitere verwandte Seele 5832
Folge 8: Das letzte Jahr als Dorfschullehrerin

Die 3. Staffel: Anne in Kingsport (Frühjahr 2009)

Folge 9: Auf dem Redmond College
Folge 10: Erste Erfolge als Schriftstellerin
Folge 11: Die jungen Damen aus Pattys Haus
Folge 12: Viele glückliche Paare

Die 4. Staffel: Anne in Windy Poplars (Herbst 2009)

Folge 13: [Die neue Rektorin 6084
Folge 14: [Ein harter Brocken 6085
Folge 15: [Das zweite Jahr in Summerside 6110
Folge 16: Abschied von Summerside

Die 5. Staffel: „Anne in Four Winds“ (Frühjahr 2010)

Folge 17: Ein neues Zuhause
Folge 18: In guten wie in schlechten Zeietn
Folge 19: Verwirrung der Gefühle
Folge 20: Ein neuer Anfang

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Erzähler: Lutz Mackensy (Synchronstimmer von: Rowan Atkinson, Christopher Lloyd, Al Pacino)
Anne Shirley: Marie Bierstedt (Synchronstimme von: Kirsten Dunst, Kate Beckinsale)
Und viele andere.

Regie führten Stephan Bosenius und Marc Gruppe, der auch das „Drehbuch“ schrieb. Die Illustration stammt von Firuz Askin. Hier ist einzige Kritik angebracht: Das Mädchen auf dem Titelbild, das Elizabeth darstellen soll, sieht meiner Auffasung nach viel zu alt aus, fast schon erwachsen. Und doch vergingen in Summerside nur zwei Jahre. Oder waren es doch drei? Wie die Zeit vergeht!

_Handlung_

Als Anne Anfang des neuen Jahres wieder nach Windy Poplars zurückkehrt, erzählt sie, dass Katherine Brooke mit dem kleinen Hündchen, dass sie ihr geschenkt habe, in ein neues Domizil ziehen werde, das gar nicht weit entfernt liege. Die Bewohnerinnen von Windy Poplars sagen ihr sofort, sie soll Katherine einladen, und diese verspricht auch zu kommen.

Im Nachbarhaus „Evergreens“ stehen die Dinge immer noch schlimm, denn Mrs. Campbell hat ihrer Urenkelin Elizabeth das Vorsingen verboten, worüber das Mädchen sehr traurig ist. Doch Anne weiß von Rebecca, dass Mrs Campbell eine erbitterte Feindin des Pringle-Clans ist. Sie braucht nur zu erwähnen, dass eines der Pringle-Mädchen sowieso besser als Elizabeth singen würde, als Mrs. Campbell auch schon ihre Erlaubnis erteilt. Elizabeth ist selig. Aber wer ist bloß dieser Rabenvater, der seine Tochter so im Stich lässt?

Die Sommerferien verbringt Anne ein letztes Mal zusammen mit Katherine Brooks. Die Bekehrte will nicht mehr als Lehrerin arbeiten, sondern hat sich für einen Kurs als Fremdsprachensekretärin am Redmond College eingeschrieben, denn sie sehnt sich nach den Orten im Orient, die zu bereisen sie sich schon immer gewünscht hat. Aber auch Elizabeth darf diesmal mit und findet in Davy und Dora zwei wunderbare Spielkameraden. Gilbert Blythe hilft beim Eisenbahnbau im Westen, um Geld für sein Medizinstudium zu verdienen.

|Shotgun Wedding|

Louis Allen, der angehende Fotograf, und Sophie Sinclair, die talentierte Schauspielerin, wollen eigentlich heiraten, aber Sophie hat schreckliche Angst, dass ihr Vater diese Verbindung ablehnt, weil er zu sehr auf die Familienehre bedacht ist. Anne soll sich nicht einmischen, hat aber nur einen Rat parat: In diesem Fall können Louis und Sophie nur durchbrennen und auf eigene Faust heiraten! Dann müsse sich Sophie nicht zwischen Louis und ihrem Vater entscheiden.

Alles ist für die heimliche Trauung im Haus der Armstrongs vorbereitet, wo Louis jetzt wohnt, und der Pfarrer wartet schon, doch wo ist die Braut? Verzweifelt fährt Louis durch den strömenden Regen zu Anne, um sie um Hilfe zu bitten. Es gibt nur eines zu tun: Sie muss Sophie umstimmen, denn die hat bestimmt die Hosen voll …

|Ein Rabenvater kehrt zurück|

Nach dem glücklichen Ende dieser Affäre begibt sich Anne im Sommer auf die versprochene Bootstour mit Elizabeth. Zusammen rudern sie zur Insel Flying Cloud, wo sich Elizabeths „Traumland“ befindet. Vor Monaten hat Anne dem Vater des Mädchens einen ermahnenden Brief geschrieben, aber bis zum heutigen Tage keine Antwort erhalten, was sie ziemlich frustriert. Elizabeth fürchtet, dass dies ihr Ende sein werde, was die Tanten in Windy Poplars mal wieder zum Schluchzen bringt, als sie davon hören.

Doch der Maitag auf der Insel ist wunderschön, und Anne hat einen Auftrag zu erledigen: Sie soll Mrs. Thompson, die hier wohnt, einen Brief bringen. Doch die Frau befindet sich am anderen Ende der Insel beim Pflücken wilder Erdbeeren. Während Anne losgeht, bleibt Elizabeth an der Landestelle. Da tritt ein Mann auf, der seinen Namen nicht nennt, aber so freundlich ist, dass er Elizabeth ein Eis mit Erdbeermarmelade spendiert. Aber als Anne zurückkommt, verschwindet er wieder. Wer mag er gewesen sein? Zusammen erkunden Anne und Elizabeth die Insel, finden ihn aber nicht, bevor sie heimkehren müssen.

Doch auf dem Heimweg gehen einem Kutscher die Pferde durch. Die stoßen Elizabeth so heftig um, dass sie in Ohnmacht fällt. Erst im Krankenhaus erwacht sie wieder. Zwei Erwachsene sprechen über sie. Der eine ist unverkennbar Anne, doch der Mann … der Mann, der ihr das Eis spendierte, gibt sich endlich als ihr Vater zu erkennen …

_Mein Eindruck_

Das gemeinsame Thema der beiden Episoden, die durch drei Folgen vorbereitet wurden und endlich ihren Abschluss finden, sind Väter. Man kann also sagen, dass das Fehlen der Väter ein Generalthema dieser Staffel ist. Auch Louis Allen und Teddy Armstrong sind vom Schicksal ihrer Väter betroffen, und Anne hat ihren eigenen nie kennengelernt. Matthew Cuthbert wurde ihr Ersatzvater, und seiner Liebe verdankt sie ihre positive Einstellung den Männern und dem Leben gegenüber.

Die Männer am Ende des 19. Jahrhundert sind rein rechtlich immer noch die unumschränkten Herrscher, doch im praktischen Alltag werden sie zunehmend von Frauen bestimmt, die auf mehr Rechte pochen. Das illustriert bereits Annes eigene selbstbestimmte Lebensweise. In dieser vierten Folge nimmt sie nun den Kampf mit zwei ganz verschiedenartigen Bastionen der Vaterschaft auf: Mr. Sinclair ist zu selbstherrlich und Mr. Grayson ist völlig abwesend. Welcher von den beiden ist schlimmer?

|Zwei Arten Väter|

Nun, beiden kann auf die Sprünge geholfen werden, wie sich zeigt. Das Gespräch mit dem patriarchalischen Mr. Sinclair verläuft ganz anders, als Anne befürchtet hat, denn am Ende ist der Patriarch sogar froh, dass sie ihm die ganze Arbeit abgenommen hat, Sophie zu verheiraten. Typisch Kerl! Andere die Arbeit machen lassen, um nur nicht das eigene Ansehen in der Sippe zu ramponieren! Anne weiß nicht zu wüten oder lachen soll. Als Diplomatin tut sie weder das eine noch das andere, sondern ist froh, ihren Lieben in Windy Poplars die frohe Botschaft überbringen zu können, dass das „Shotgun Wedding“ mit der „Runaway Bride“ Sophie ein gutes Ende gefunden hat.

|Rabenvater?|

Anne hat Mr. Grayson, den Vater ihres Schützlings Elizabeth, eigentlich in Paris vermutet, also schrieb sie einen geharnischten Brief an seine Firmenzentrale – ohne jedoch je eine Antwort zu erhalten. Nun taucht Mr Grayson unerwartet auf der Insel Flying Cloud und in Summerside auf. Wie Mr Sinclair ist auch er gottfroh, dass ihm Anne die Arbeit abgenommen und sich um seine Tochter gekümmert hat. Typisch Mann! Er hat nur die jämmerliche Entschuldigung vorzubringen, dass sein Boss etwas gegen Elizabeth gehabt hätte. Was nichts Gutes von diesem Boss erwarten lässt, oder? Wenigstens will sich Grayson fortan um die Tochter kümmern – reichlich spät, nachdem sie um Haaresbreite dem Tod von der Schippe gesprungen ist.

Wie man sieht, weiß die Autorin nicht allzu viel Gutes über das Verhalten von Vätern zu erzählen. Deshalb kommt den Frauen die Aufgabe zu, sich um die Ordnung solcher chaotischen Angelegenheiten zu kümmern, um wenigstens so den Fortbestand der menschlichen Rasse zu gewährleisten, vom Glück und Wohlergehen ihrer jüngsten und schwächsten Mitglieder ganz zu schweigen.

|Abschiede|

So viele Abschiede, so viele Tränen! Am besten ein dickes, großes Taschentuch bereithalten, um den Wasserfall aufzufangen!

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Die Hauptrolle der Anne Shirley wird von Marie Bierstedt, der deutschen Stimme von Kirsten Dunst und vielen anderen jungen Schauspielerinnen, mit Enthusiasmus und Einfühlungsvermögen gesprochen. Obwohl Bierstedt wesentlich älter ist als die zwanzigjährige Heldin, klingt ihre Stimme doch ziemlich jugendlich. Manchmal darf sie aber auch ein wenig langsamer und überlegter sprechen, besonders mit „verwandten Seelen“.

Unter den weiteren weiblichen Sprecherinnen ragen die der Marilla Cuthbert (Dagmar von Kurmin) und der Rachel Lynde (Regina Lemnitz) heraus, die Anne regelmäßig im Sommer und zu Weihnachten besucht. Regina Lemnitz ist die Inkarnation der Plaudertasche und der wandelnden Gerüchteküche. Außerdem scheint ihre Rachel Lynde Vorsitzende des Dorfverschönerungsvereins zu sein und hat entsprechend viele Sorgen um die Ohren. Und sie ist natürlich die beste Freundin von Marilla Cuthbert, die die Witwe in ihr Haus aufgenommen hat.

|Geräusche|

Die Geräusche im Hintergrund sorgen für die Illusion einer zeitgenössischen Kulisse für das Jahr 1882, doch sind sie so sparsam und gezielt eingesetzt, dass sie einerseits den Dialog nicht beeinträchtigen, andererseits den Hörer nicht durch ein Übermaß verwirren. Deshalb erklingen Geräusche in der Regel stets nacheinander. Um die Epoche zu verdeutlichen, ist kein einziges Auto zu hören, sondern nur diverse Kutschen und Karren.

|Musik|

Die Musik ist ebenfalls ziemlich romantisch, voller Streichinstrumente, Harfen und Pianos. Das Klavier wird meist für melancholische Passagen eingesetzt, und diese sind ebenso wichtig wie die heiteren. Der kontrastreiche Wechsel zwischen Heiterkeit, Drama, Rührung und Melancholie sorgt für die emotionale Faszination beim Zuhörer. Die Musik steuert die Emotionen und untermalt die wichtigsten Szenen, kommt aber nicht ständig im Hintergrund vor. Besonders fiel mir die Variation von Heiterkeit und Rührung, von Verträumtheit und Aufbruchstimmung auf.

Als Intro erklingt die Erkennungsmelodie der Serie: In einem flotten Upbeat-Tempo lassen Streicher, Holzbläser und ein Glockenspiel Romantik, Heiterkeit und Humor anklingen. Alle diese Elemente sind wichtige Faktoren für den Erfolg des Buches gewesen. Warum sollten sie also ausgerechnet im Hörspiel fehlen?

_Unterm Strich_

Das Generalthema der Väter hat die ganze Staffel durchzogen und findet nun in zwei Varianten seinen Abschluss. Anne setzt sich jeweils konstruktiv mit den Vätern auseinander. Nachdem die vorhergehende Staffel das Thema der jugendlichen Liebe bis zur Verlobung durchexerziert hat, verweist diese Staffel nun bereits auf das kommende Generalthema voraus: Annes Ehe mit ihrem bisherigen Verlobten Gilbert Blythe. Ob er sich wohl als optimaler Vater ihrer Kinder erweisen wird? Nach dieser Staffel würden wir nicht unbedingt eine Million Euro auf ihn setzen, selbst wenn er als herzensguter Kerl erscheint. Mit anderen Worten: Für Anne Shirley bleibt es spannend, und es gibt wie immer jede Menge zu tun, was die Menschen brauchen.

|Das Hörspiel|

Man merkt dem Hörspiel die Mühe und Liebe an, die darauf verwendet wurden. Besonderes Vergnügen hat mir die akustische Umsetzung des Buches bereitet. Hörbaren Spaß haben die Sprecher an ihren Rollen, und insbesondere die Hauptfigur ist von Marie Bierstedt ausgezeichnet gestaltet. Sie schluchzt, lacht, schmollt, flüstert und quasselt, das man sich wundern muss, woher diese Vielseitigkeit stammt. In den „Spider-Man“-Filmen ist Kirsten Dunst nie so vielseitig. Bierstedts Anne muss sich nicht nur durch Höhen und Tiefen des Herzens lavieren, sondern auch noch weiterentwickeln.

|1 CD mit 54 Minuten Spielzeit
ISBN-13: 978-3785741412|
[www.titania-medien.de]http://www.titania-medien.de
[www.wellenreiter.la]http://www.wellenreiter.la
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Montgomery, Lucy Maud / Gruppe, Marc / Bosenius, Stephan – Anne in Windy Poplars. Folge 14: Ein harter Brocken

_Schauermärchen und andere alte Hüte_

Kanada Ende des 19. Jahrhunderts. (Fortsetzung von „Anne in Kingsport“)

Folge 13: Anne Shirley tritt ihre Rektorinnen-Stelle an der Summerside Highschool an. Schnell muss sie erkennen, dass sie in dem beschaulichen Städtchen keineswegs erwünscht ist. Bereits die Suche nach einer Unterkunft gestaltet sich schwierig, denn der alles beherrschende Pringle-Clan hat sich gegen die Neue verschworen …

Folge 14: Die unverheiratete Pauline Gibson fristet ein trauriges Dasein, denn sie betreut seit vielen Jahren ihre im Rollstuhl sitzende Mutter, die eine äußerst übellaunige Person ist. In einem Anflug von Mitleid ermöglicht Anne der Tochter den Besuch einer Familienfeier, indem sie für einen ganzen Tag die Sorge für die grantige Mrs. Gibson übernimmt …

Pünktlich zum 100-jährigen Jubiläum gibt es die Abenteuer des sympathischen Waisenmädchens Anne Shirley als Hörspiel-Serie, geeignet für die ganze Familie, gesprochen von den deutschen Stimmen vieler Hollywood-Stars.

_Die Autorin_

Lucy Maud Montgomery (1874-1942) war eine kanadische Schriftstellerin, die besonders durch ihre Jugendbücher um Anne Shirley bekannt wurde: „Anne of Green Gables“ und sechs Fortsetzungen.

Das Manuskript wurde zunächst von mehreren Verlagen abgelehnt, bevor es Montgomery gelang, es zu platzieren. 1908 war sie bereits 34 Jahre alt. Das Buch wurde zu einem Theaterstück verarbeitet, mehrmals verfilmt und in mehr als 40 Sprachen übersetzt.

Die erste Staffel: Anne auf Green Gables

Folge 1: [Die Ankunft 4827
Folge 2: [Verwandte Seelen 4852
Folge 3: [Jede Menge Missgeschicke 4911
Folge 4: Ein Abschied und ein Anfang

Die zweite Staffel: Anne auf Avonlea

Folge 5: [Die neue Lehrerin 5783
Folge 6: [Ein rabenschwarzer Tag und seine Folgen 5806
Folge 7: [Eine weitere verwandte Seele 5832
Folge 8: Das letzte Jahr als Dorfschullehrerin

Die 3. Staffel: Anne in Kingsport (Frühjahr 2009)

Folge 9: Auf dem Redmond College
Folge 10: Erste Erfolge als Schriftstellerin
Folge 11: Die jungen Damen aus Pattys Haus
Folge 12: Viele glückliche Paare

Die 4. Staffel: Anne in Windy Poplars (Herbst 2009)

Folge 13: [Die neue Rektorin 6084
Folge 14: Ein harter Brocken
Folge 15: Das zweite Jahr in Summerside
Folge 16: Abschied von Summerside

Die 5. Staffel („Anne in Four Winds“) erscheint im Frühjahr 2010.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Erzähler: Lutz Mackensy (Rowan Atkinson, Christopher Lloyd, Al Pacino)
Anne Shirley: Marie Bierstedt (Kirsten Dunst, Kate Beckinsale)
Und andere.

Regie führten Stephan Bosenius und Marc Gruppe, der auch das „Drehbuch“ schrieb. Die Illustration stammt von Firuz Akin.

_Handlung_

Nachdem sie in den Weihnachtsferien ihren Verlobten Gilbert und ihre Lieben auf Green Gables wiedergesehen hat, kehrt Anne nach Windy Poplars zurück. Sie schweigt eisern auf Fragen, wie es ihr nur gelang, die Pringles zu bezwingen. Da fällt ihr ein, dass Mrs. Campbell im Nachbarhaus ja mit den Pringles verwandt ist. Sie versucht ihr Glück und erreicht, dass Elizabeth Grayson, deren Urenkelin, mit ihr zum Hafen spazieren gehen darf. Das Mädchen zeigt auf die vorgelagerte Insel Flying Cloud, die einem reichen Bostoner gehört, wo aber alle ihre Phantasien spielen. Anne verspricht ihr im Sommer eine Bootstour zur Insel.

Im Februar hat Anne erstmals das zweifelhafte Vergnügen, Sophie Sinclairs Vater Cyrus kennenzulernen. Ihr Kollege George McKay möchte nämlich um die Hand von Sophies Schwester Esmé anhalten. Doch Cyrus Sinclair ist solch ein bockiger Schmollkopf, dass George seine Felle davonschwimmen sieht. Anne muss helfen! Bei einem Abendessen von denkwürdiger Unangenehmheit greift sie deshalb zu einer List und bricht so das Eis. Georges Antrag wird akzeptiert. Anne schafft es auch, dass Elizabeth sie in Windy Poplars besuchen darf.

Im April besucht Anne die alte Mrs. Gibson, deren Tochter Pauline trotz ihrer 45 Jahre immer noch unverheiratet ist. Diese Tatsache ist ein Affront für Annes Weltanschauung, dass jedes menschliche Wesen einen Gefährten braucht. Tatsächlich ist Paulines Mutter ein wahrer Hausdrache, der es raffiniert versteht, durch Wecken eines schlechten Gewissens ein Regime des Pychoterrors auszuüben. Als Pauline den Wunsch äußert, die Silberhochzeit einer Freundin zu besuchen, deren Brautjungfer sie einst war, stellt sich die Alte sofort dagegen. Nur Annes Angebot, für Pauline einen Tag lang einzuspringen, kann das arme Kind loseisen. Dies wird ein denkwürdiger Tag für Anne und besonders für Mrs. Gibson …

Überraschend erhält Anne eine Einladung von den beiden Oberhäuptern des Pringle-Clans. Maplehurst ist ein stattliches, geradezu schlossartiges Anwesen, das deren Vater Abraham erbaute. Doch von den beiden Schwestern ist nur Sarah, die Anne vor Weihnachten in Windy Poplars besuchte, zugegen. Sie zeigt ihr das „Schloss“. Schon wenig später rieselt es Anne schaudernd den Rücken hinunter, als Sarah erzählt, dass auf dem Haus ein Fluch liege und seit dem Tag seiner Einweihung Menschen ihr Leben darin gelassen hätten. Auch Gespenster gingen hier um, erzählt Sarah genüsslich.

Als Anne das Zimmer von Tante Arabella zugewiesen bekommt – man lässt sie nicht weg -, freut sie sich zu früh auf eine geruhsame Nacht. Tante Arabella habe sich im Wandschrank erhängt, berichtet Sarah, und gehe seitdem um. Na, das kann ja heiter werden, denkt Anne und bereitet sich auf eine unruhige Nacht vor …

_Mein Eindruck_

Wieder werden hier spätere Episoden vorbereitet. Der Handlungsstrang um Elizabeth Grayson wird weitergeführt, und es wird für das kleine Mädchen zunehmend besser. Doch der eigentliche Höhepunkt bleibt hier aus. Kenner ahnen aber, dass für Elizabeth nur ein Happyend infrage kommt. Ebenso für George McKay, der es mit dem Vater seiner Angebeteten aufnehmen muss. Auch Anne ist Cyrus Sinclair ein Dorn im Auge. Obwohl sie die erste Runde im Clinch mit ihm gewinnt, heißt das nicht, dass er klein beigibt. In Folge 16 bildet er noch einmal eine ganze harte Nuss.

Zentrale Sequenz dieser Folge ist Annes Aufenthalt bei Mrs. Gibson, den ich allerdings überhaupt nicht lustig fand. Wahrscheinlich muss man viel Nachsicht für den alten Drachen mitbringen, um Mrs. Gibsons Tyrannei auch Anne gegenüber ertragen zu können. Wenigstens hat Anne bei Pauline Gibson Erfolg auf der ganzen Linie, denn die hat nicht nur einen wunderschönen Tag verbracht, sondern ist Anne auch ewig dafür dankbar.

Die Autorin hat sicherlich ihren Nathaniel Hawthorne aus dem Effeff gekannt, so etwa „Das Haus mit den siebel Giebeln“ oder „Rappacinis Tochter“, Schauererzählungen der unheimlichen Art. Dass Neuengland dafür geradezu prädestiniert ist, zeigten nach Hawthorne auch Poe und Lovecraft sowie deren Brüder im Geiste (die Literaturhistoriker kennen bemerkenswert wenig Schwestern im Geiste).

Wie sonst hätte sie auf die Idee verfallen können, aus Maplehurst ein Spukschloss machen zu wollen? Aber wenn man die Idee hinter jeglicher Art von Schauerliteratur seit deren Erfindung im Jahr 1764 kennt, dann erscheint diese Gruselepisode durchaus folgerichtig. Sarah Pringle spricht von einem Fluch, der auf dem Anwesen und der Familie liege. Wenn man weiß, was ihr Onkel Myron angestellt hat (siehe Folge 13), dann kommt uns dieser Fluch ziemlich verdient vor. Denn ansonsten werden hier keinerlei Gründe genannt, woher der Fluch rühren sollte. Der Zimmermann, der das Haus baute, mag den Fluch ausgesprochen haben, doch aus welchem Grund, erfahren wir nicht.

Durch die massive Häufung der aufgezählten Todesfälle versucht Sarah Pringle vermutlich so etwas wie Supergrusel in Anne zu erzeugen, doch wir kringeln uns bereits vor Lachen, ebenso wie später die Tanten auf Windy Poplars. Aus dem Grusel wird im Handumdrehen eine Parodie auf alle Schauermärchen, und das ist der Sinn und Zwecke dieser Szene. Anne schläft denn auch friedlich im Bettchen eines Gespenstes. Die Ablehnung der Faszination von Gruselgeschichten ist die Absage der Autorin an alle Auswüchse der Schauerromantik, wie sie seit Bram Stokers Superseller „Dracula“ wieder auflebte.

_Die Inszenierung_

|Die Sprecher|

Die Hauptrolle der Anne Shirley wird von Marie Bierstedt, der deutschen Stimme von Kirsten Dunst und vielen anderen jungen Schauspielerinnen, mit Enthusiasmus und Einfühlungsvermögen gesprochen. Obwohl Bierstedt wesentlich älter ist als die zwanzigjährige Heldin, klingt ihre Stimme doch ziemlich jugendlich. Manchmal darf sie aber auch ein wenig langsamer und überlegter sprechen, besonders mit „verwandten Seelen“.

Unter den weiteren weiblichen Sprecherinnen ragen die der Marilla Cuthbert (Dagmar von Kurmin) und der Rachel Lynde (Regina Lemnitz) heraus, die Anne regelmäßig im Sommer und zu Weihnachten besucht. Regina Lemnitz ist die Inkarnation der Plaudertasche und der wandelnden Gerüchteküche. Außerdem scheint ihre Rachel Lynde Vorsitzende des Dorfverschönerungsvereins zu sein und hat entsprechend viele Sorgen um die Ohren. Und sie ist natürlich die beste Freundin von Marilla Cuthbert, die die Witwe in ihr Haus aufgenommen hat.

|Geräusche|

Die Geräusche im Hintergrund sorgen für die Illusion einer zeitgenössischen Kulisse für das Jahr 1882, doch sind sie so sparsam und gezielt eingesetzt, dass sie einerseits den Dialog nicht beeinträchtigen, andererseits den Hörer nicht durch ein Übermaß verwirren. Deshalb erklingen Geräusche in der Regel stets nacheinander. Um die Epoche zu verdeutlichen, ist natürlich kein einziges Auto zu hören, sondern nur diverse Kutschen und Karren.

|Musik|

Die Musik ist ebenfalls ziemlich romantisch, voller Streichinstrumente, Harfen und Pianos. Das Klavier wird meist für melancholische Passagen eingesetzt, und diese sind ebenso wichtig wie die heiteren. Der kontrastreiche Wechsel zwischen Heiterkeit, Drama, Rührung und Melancholie sorgt für die emotionale Faszination beim Zuhörer. Die Musik steuert die Emotionen und untermalt die wichtigsten Szenen, kommt aber nicht ständig im Hintergrund vor. Besonders fiel mir die Variation von Heiterkeit und Rührung, von Verträumtheit und Aufbruchsstimmung auf.

Als Intro erklingt die Erkennungsmelodie der Serie: In einem flotten Upbeat-Tempo lassen Streicher, Holzbläser und ein Glockenspiel Romantik, Heiterkeit und Humor anklingen. Alle diese Elemente sind wichtige Faktoren für den Erfolg des Buches gewesen. Warum sollten sie also ausgerechnet im Hörspiel fehlen?

_Unterm Strich_

Zentrale Sequenz dieser Folge ist Annes Aufenthalt bei Mrs. Gibson, den ich allerdings überhaupt nicht lustig fand. Wahrscheinlich muss man viel Nachsicht für den alten Drachen mitbringen, um Mrs. Gibsons Tyrannei auch Anne gegenüber ertragen zu können. Viel lustiger fand ich die zweite längere Sequenz, die in Annes Besuch auf dem „Spukschloss“ der Pringles besteht. Hier zieht die Autorin den Hochmut des neuenglischen „Hochadels“ durch den Kakao: Die haben alle ihre Leichen im Keller, und was für viele, scheint sie zu sagen. Durch die Parodierung von Hawthornes Schauromantik kritisiert die Autorin auch modische Gruselstorys. So etwas könnten wir heute wieder gut gebrauchen.

|Das Hörspiel|

Man merkt dem Hörspiel die Mühe und Liebe an, die darauf verwendet wurden. Besonderes Vergnügen hat mir die akustische Umsetzung des Buches bereitet. Hörbaren Spaß haben die Sprecher an ihren Rollen, und insbesondere die Hauptfigur ist von Marie Bierstedt ausgezeichnet gestaltet. Sie schluchzt, lacht, schmollt, flüstert und quasselt, dass man sich wundern muss, woher diese Vielseitigkeit stammt. In den Spider-Man-Filmen ist Kirsten Dunst nie so vielseitig. Bierstedts Anne muss sich nicht nur durch Höhen und Tiefen des Herzens lavieren, sondern auch noch weiterentwickeln.

|67 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-4139-9|

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Montgomery, Lucy Maud / Gruppe, Marc / Bosenius, Stephan – Anne in Windy Poplars. Folge 13: Die neue Rektorin

_Überraschende Entdeckung: Mörder im Stammbaum!_

Kanada Ende des 19. Jahrhunderts. (Fortsetzung von „Anne in Kingsport“)

Folge 13: Anne Shirley tritt ihre Rektorinnen-Stelle an der Summerside Highschool an. Schnell muss sie erkennen, dass sie in dem beschaulichen Städtchen keineswegs erwünscht ist. Bereits die Suche nach einer Unterkunft gestaltet sich schwierig, denn der alles berherrschende Pringle-Clan hat sich gegen die Neue verschworen …

Pünktlich zum 100-jährigen Jubiläum gibt es die Abenteuer des sympathischen Waisenmädchens Anne Shirley als Hörspiel-Serie, geeignet für die ganze Familie, gesprochen von den deutschen Stimmen vieler Hollywood-Stars.

_Die Autorin_

Lucy Maud Montgomery (1874-1942) war eine kanadische Schriftstellerin, die besonders durch ihre Jugendbücher um Anne Shirley bekannt wurde: „Anne of Green Gables“ und sechs Fortsetzungen.

Das Manuskript wurde zunächst von mehreren Verlagen abgelehnt, bevor es Montgomery gelang, es zu platzieren. 1908 war sie bereits 34 Jahre alt. Das Buch wurde zu einem Theaterstück verarbeitet, mehrmals verfilmt und in mehr als 40 Sprachen übersetzt.

Die erste Staffel: Anne auf Green Gables

Folge 1: [Die Ankunft 4827
Folge 2: [Verwandte Seelen 4852
Folge 3: [Jede Menge Missgeschicke 4911
Folge 4: Ein Abschied und ein Anfang

Die zweite Staffel: Anne auf Avonlea

Folge 5: [Die neue Lehrerin 5783
Folge 6: [Ein rabenschwarzer Tag und seine Folgen 5806
Folge 7: [Eine weitere verwandte Seele 5832
Folge 8: Das letzte Jahr als Dorfschullehrerin

Die 3. Staffel: Anne in Kingsport (Frühjahr 2009)

Folge 9: Auf dem Redmond College
Folge 10: Erste Erfolge als Schriftstellerin
Folge 11: Die jungen Damen aus Pattys Haus
Folge 12: Viele glückliche Paare

Die 4. Staffel: Anne in Windy Poplars (September 2009)

Folge 13: Die neue Rektorin
Folge 14: Ein harter Brocken
Folge 15: Das zweite Jahr in Summerside
Folge 16: Abschied von Summerside

Die 5. Staffel („Anne in Four Winds“) erscheint im Frühjahr 2010.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Erzähler: Lutz Mackensy (Rowan Atkinson, Christopher Lloyd, Al Pacino)
Anne Shirley: Marie Bierstedt (Kirsten Dunst, Kate Beckinsale)
Und andere.

Regie führten Stephan Bosenius und Marc Gruppe, der auch das „Drehbuch“ schrieb. Die Illustration stammt von Firuz Askin.

_Handlung_

Nachdem sie das Redmond College erfolgreich absolviert und sich mit Gilbert Blythe verlobt hat, will Anne Shirley nun für drei Jahre als Rektorin an der Summerside Highschool arbeiten. Doch bereits die Suche eines geeigneten Domizils gestaltet sich unerwartet schwierig: Überall wird sie abgelehnt. Was steckt nur dahinter? Ein Besuch mit Rachel Lynde bei ihrer Freundin Polly Braddock ergibt Aufschluss: Die Pringles, ein mächtiger Clan in Summerside, wollten selbst die Rektorenstelle besetzen. Und Polly hat auch einen Tipp zur Wohnungssuche: die beiden Witwen Kate und Chatty Macomber in der Spooks Lane könnten sie aufnehmen. Das scheint zu klappen, nachdem auch das Urteil der Köchin Rebecca Dew positiv ausfällt. Und Polly rät auch dazu, das Haus Windy Poplars nur von hinten zu betreten sowie den Kater Dusty Miller niemals zu streicheln. Tipps, die Gold wert sind! Anne bekommt das Turmzimmer mit der tollen Aussicht – auf den Friedhof.

Nach diesem Wochenende erhofft sich Anne einen ebenso guten Start an ihrer Schule. Doch weit gefehlt: Katherine Brooke hatte selbst Ambitionen auf die Rektorenstelle und zeigt Anne fortan die kalte Schulter (was sich erst nach zwei Jahren ändert; siehe Folge 15). Dass sich auch sämtliche Pringle-Kinder der neuen Lehrerin verweigern würden, hätte sich Anne eigentlich denken können. Nur der junge Louis Allen und Sophie Sinclair arbeiten ausgezeichnet mit. Sie werden später, kräftig ermutigt von Anne, ein Liebespaar (siehe dazu Folge 16 mit einer dramatischen Hochzeit). Nur der Kollege George MacKay zeigt sich Anne gegenüber aufgeschlossen.

Vorerst können Annes Verbündete in Windy Poplars, deren Geheimnisse sie diskret hütet, nichts gegen die Pringles ausrichten. Zusammen mit Rebecca Dew bringt Anne der kleinen Elizabeth Grayson im düsteren Nachbarhaus Evergreens Milch, denn die Kleine wird von ihrer Urgroßmutter Mrs. Campbell schrecklich behandelt, finden die Frauen. Fortan macht es sich Anne zur Aufgabe, sich um Elizabeth zu kümmern. Wo mag nur ihr Rabenvater leben, dieser Mr. Grayson? (Mehr dazu in Folge 16.)

Ein erster Triumph über die Opposition naht – in Gestalt eines Theater-Clubs und einer Aufführung des von Katherine Brooke einstudierten Stücks „Maria Königin von Schottland“. Die Titelrolle soll Jem Pringle übernehmen, findet Miss Brooke, und obwohl Anne vorderhand zustimmt, baut sie als Ersatz Sophie Sinclair für diese Rolle auf. Ihre und Sophies Mühe wird belohnt: Als hätte sie es geahnt, erklärt die Hauptdarsteller Pringle am Tag der Aufführung, dass sie krank sei. Miss Brooke will abbrechen, doch Anne zaubert den Ersatz aus dem Ärmel. Sophies Auftritt wird ein durchschlagender Erfolg; alle Zuschauer sind zu Tränen gerührt und nässen ihre Taschentücher.

Aber noch sind die Pringles nicht geschlagen. Da fragt Anne ihre alte Bekannte Polly Braddock, ob sie für die Stadtarchivarin Mrs. Stanton nicht ein paar alte Dokumente habe? Polly hat, und zwar ein Schiffstagebuch ihres Onkels Andy, der mit Captain Abraham Pringle, dem Vater der herrschenden Dynastie, und dessen missratenem Bruder Myron zur See fuhr. Nachts in ihrer Kajüte, paddon, in ihrem Turmzimmer erfährt Anne von den schröcklichen Untaten jenes Unholds. Anne erkennt, dass dieses Tagebuch pures Dynamit darstellt …

_Mein Eindruck_

Die erste Folge der vierten Staffel legt die Grundlagen für mehrere thematische Spannungsbögen, die nach und nach alle eingelöst werden. Somit bilden diese Themen – ich habe sie angedeutet – ein inneres Korsett, das die gesamte Staffel zusammenhält und korärent wirken lässt. Das hat mir bei der letzten Staffel ein wenig gefehlt, so dass dort die Folgen ein wenig beliebig erschienen.

Anne sieht sich an mehreren Fronten herausgefordert und muss ihre ganz besondere Weltanschauung fortwährend verteidigen. Zwar sucht sie nicht mehr nach „verwandten Seelen“, findet sie aber ganz klar in den Bewohnern von Windy Poplars (weshalb in Folge 16 ein sehr tränenreicher Abschied folgen dürfte). Sehr lustig ist die ironische Position, in der sich Anne alsbald als Geheimnisträgerin wiederfindet: Jede der drei Frauen trägt tief in der Nacht eine Gesichtsmaske auf, doch keine der anderen darf je davon erfahren!

Lustig, wenn nicht sogar listig ist die psychologische Kriegsführung der beiden Tanten gegenüber ihrer Köchin Rebecca Dew, die durch ihre rauhen Umgangsformen etwas grob wirken kann. Später stellt sich heraus, dass Rebecca ein Herz aus Gold hat. Die Tanten wissen sie dadurch zu manipulieren, dass sie stets das Gegenteil von dem, was sie von Rebecca erwarten, behaupten oder tun. Todsicher wird Rebecca stets das Gegenteil davon tun. Hinter vorgehaltener Hand lachen sie über ihren Erfolg, obwohl sie im Grunde gar nicht so nett sind.

Auch Katherine Brooke, die stellvertretende Rektorin, fordert Annes Weltanschauung heraus: Dies ist keine verwandte Seele, sondern das genaue Gegenteil: Für sie stellt Anne alles dar, was sie selbst nie haben konnte oder je haben wird. Doch Anne ist überzeugt, dass unter dieser harten Schale ein weicher Kern steckt – ein weiteres Missionierungsprojekt, das Anne in Angriff nehmen kann. Genauso wie Elizabeth Grayson, die blasse Urenkelin, deren Seele so vernachlässigt wird, dass sie sich ein Traumland jenseits des Meeres vorstellen muss, um ihre Phantasie dort spielen zu lassen.

Das pièce de résistance ist allerdings der Pringle-Clan. Als Anne endlich mit dem Inhalt des Schiffstagebuchs die ultimative Waffe in der Hand hält, um das Ansehen der Pringles für ewig zu zerstören, verzichtet sie jedoch darauf. Das Ergebnis dieser Rücksichtnahme kann sich sehen lassen: Ihre Hoheit Sarah Pringle lässt sich dazu herab, Windy Poplars höchstpersönlich besuchen. Das verursacht natürlich gehörigen Aufruhr unter dessen Bewohnern. Mehr soll nicht verraten werden, aber fortan sind die Pringles an Annes Schule wahre Musterschüler …

_Die Inszenierung_

|Die Sprecher|

Die Hauptrolle der Anne Shirley wird von Marie Bierstedt, der deutschen Stimme von Kirsten Dunst und vielen anderen jungen Schauspielerinnen, mit Enthusiasmus und Einfühlungsvermögen gesprochen. Obwohl Bierstedt wesentlich älter ist als die zwanzigjährige Heldin, klingt ihre Stimme doch ziemlich jugendlich. Manchmal darf sie aber auch ein wenig langsamer und überlegter sprechen, besonders mit „verwandten Seelen“.

Unter den weiteren weiblichen Sprecherinnen ragen die der Marilla Cuthbert (Dagmar von Kurmin) und der Rachel Lynde (Regina Lemnitz) heraus, die Anne regelmäßig im Sommer und zu Weihnachten besucht. Regina Lemnitz ist die Inkarnation der Plaudertasche und der wandelnden Gerüchteküche. Außerdem scheint ihre Rachel Lynde Vorsitzende des Dorfverschönerungsvereins zu sein und hat entsprechend viele Sorgen um die Ohren. Und sie ist natürlich die beste Freundin von Marilla Cuthbert, die die Witwe in ihr Haus aufgenommen hat.

|Geräusche|

Die Geräusche im Hintergrund sorgen für die Illusion einer zeitgenössischen Kulisse für das Jahr 1882, doch sind sie so sparsam und gezielt eingesetzt, dass sie einerseits den Dialog nicht beeinträchtigen, andererseits den Hörer nicht durch ein Übermaß verwirren. Deshalb erklingen Geräusche in der Regel stets nacheinander.

Auffällig häufig ist jedoch die Kombination aus Brandung und Vogelgezwitscher zu hören. Das ist eine Besonderheit der meerumtosten Inselumgebung. Selbstredend erklingen zahlreiche Vogelstimmen, wenn Anne mit ihren Freunden durch den Wald spaziert. Um die Epoche zu verdeutlichen, ist natürlich kein einziges Auto zu hören, sondern nur diverse Kutschen und Karren.

|Musik|

Die Musik ist ebenfalls ziemlich romantisch, voller Streichinstrumente, Harfen und Pianos. Das Klavier wird meist für melancholische Passagen eingesetzt, und diese sind ebenso wichtig wie die heiteren. Der kontrastreiche Wechsel zwischen Heiterkeit, Drama, Rührung und Melancholie sorgt für die emotionale Faszination beim Zuhörer. Die Musik – besonders die subtile Harfe – steuert die Emotionen und untermalt die wichtigsten Szenen, kommt aber nicht ständig im Hintergrund vor. Besonders fiel mir die Variation von Heiterkeit und Rührung, von Verträumtheit und Aufbruchsstimmung auf.

Als Intro erklingt die Erkennungsmelodie der Serie: In einem flotten Upbeat-Tempo lassen Streicher, Holzbläser und ein Glockenspiel Romantik, Heiterkeit und Humor anklingen. Alle diese Elemente sind wichtige Faktoren für den Erfolg des Buches gewesen. Warum sollten sie also ausgerechnet im Hörspiel fehlen?

_Unterm Strich_

Der Staffelauftakt reißt mehrere Themen an und spannt so mehrere Spannungsbögen, die zum Teil bis zum Staffelabschluss reichen, so etwa die Geschichte der Elizabeth Grayson. Von besonderem Interesse sind die vielen Herausforderungen, die sich Annes Weltanschauung entgegenstellen. Diese Pringles sind wirklich nicht auf Friede, Freude, Eierkuchen aus! Bloß gut, dass sie durch einen Zufall – falls es für sie so etwas gibt – einen größeren Skandal aufdeckt, der die Pringles ohne weiteres zu Fall bringen könnte. Dies hat erstaunliche Folgen.

|Das Hörspiel|

Man merkt dem Hörspiel die Mühe und Liebe an, die darauf verwendet wurden. Besonderes Vergnügen hat mir die akustische Umsetzung des Buches bereitet. Hörbaren Spaß haben die Sprecher an ihren Rollen, und insbesondere die Hauptfigur ist von Marie Bierstedt ausgezeichnet gestaltet. Sie schluchzt, lacht, schmollt, flüstert und quasselt, das man sich wundern muss, woher diese Vielseitigkeit stammt. In den Spider-Man-Filmen ist Kirsten Dunst nie so vielseitig. Bierstedts Anne muss sich nicht nur durch Höhen und Tiefen des Herzens lavieren, sondern auch noch weiterentwickeln.

|69 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-4138-2|

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Montgomery, L. M. / Gruppe, Marc / Bosenius, Stephan – Anne in Four Winds – Ein neues Zuhause (Folge 17) (Hörspiel)

_Abschied von der Heimat, Aufbruch ins neue Ehe-Leben_

Anne Shirley steckt mitten in den Vorbereitungen für ihre romantische Hochzeit mit Gilbert Blythe im Obstgarten von Green Gables. Es wird der letzte Sommer für die beiden in ihrem Heimatdorf Avonlea sein, denn der Umzug nach Four Winds steht an. Dort wird Gilbert die Landarzt-Praxis seines Onkels übernehmen …

_Die Autorin_

Lucy Maud Montgomery (1874-1942) war eine kanadische Schriftstellerin, die besonders durch ihre Jugendbücher um Anne Shirley bekannt wurde: „Anne of Green Gables“ und sechs Fortsetzungen.

Das Manuskript wurde zunächst von mehreren Verlagen abgelehnt, bevor es Montgomery gelang, es zu platzieren. 1908 war sie bereits 34 Jahre alt. Das Buch wurde zu einem Theaterstück verarbeitet, mehrmals verfilmt und in mehr als 40 Sprachen übersetzt.

Die 1. Staffel: |Anne auf Green Gables|

Folge 1: [Die Ankunft 4827
Folge 2: [Verwandte Seelen 4852
Folge 3: [Jede Menge Missgeschicke 4911
Folge 4: Ein Abschied und ein Anfang

Die 2. Staffel: |Anne auf Avonlea|

Folge 5: [Die neue Lehrerin 5783
Folge 6: [Ein rabenschwarzer Tag und seine Folgen 5806
Folge 7: [Eine weitere verwandte Seele 5832
Folge 8: Das letzte Jahr als Dorfschullehrerin

Die 3. Staffel: |Anne in Kingsport| (Frühjahr 2009)

Folge 9: Auf dem Redmond College
Folge 10: Erste Erfolge als Schriftstellerin
Folge 11: Die jungen Damen aus Pattys Haus
Folge 12: Viele glückliche Paare

Die 4. Staffel: |Anne in Windy Poplars| (Herbst 2009)

Folge 13: [Die neue Rektorin 6084
Folge 14: [Ein harter Brocken 6085
Folge 15: [Das zweite Jahr in Summerside 6110
Folge 16: Abschied von Summerside 6111

Die 5. Staffel: |Anne in Four Winds| (Frühjahr 2010)

Folge 17: [Ein neues Zuhause 7113
Folge 18: [In guten wie in schlechten Zeiten 7114
Folge 19: [Verwirrung der Gefühle 7115
Folge 20: [Ein neuer Anfang 7116

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Erzähler: Lutz Mackensy (Rowan Atkinson, Christopher Lloyd, Al Pacino)
Anne Shirley: Marie Bierstedt (Kirsten Dunst, Kate Beckinsale)
Dr. Gilbert Blythe: Simon Jäger (Josh Hartnett)
Diana Wright: Uschi Hugo (Neve Campbell)
Marilla Cuthbert: Dagmar von Kurmin
Rachel Lynde: Regina Lemnitz (Kathy Bates, Whoopi Goldberg)
Dora Keith: Maria Hinze
Jane Inglis: Cathlen Gawlich:
Paul Irving: David Turba
Dr. David Blythe: Engelbert von Nordhausen (Samuel L. Jackson)
Captain Jim Boyd: Hasso Zorn
Cornelia Bryant: Ulrike Möckel
Fraulein vom Amt: Evelyn Maron
Und viele andere.

Regie führten Stephan Bosenius und Marc Gruppe, der auch das „Drehbuch“ schrieb. Die Illustration stammt von Firuz Askin.

_Handlung_

Gilbert soll die Praxis seines Großonkels in Four Winds Harbor übernehmen. Das ist etwa 60 Meilen von Green Gables und Avonlea entfernt. Nun hat Annes Leben und Arbeiten in Summerside ein Ende, denn sie wird ja Gilbert heiraten und mit ihm in das gemeinsame Haus ziehen. Hoffentlich wird es ein schönes Heim für ihr erstes Kind werden.

In Avonlea trifft Anne mit ihren Lieben alle nötigen Vorbereitungen für die Hochzeit. Es gilt Erinnerungen hervorzukramen und wegzuräumen; dabei erfährt sie, dass Marilla Cuthbert, ihre Adoptivmutter, einst Gilberts Vater einen Korb gab. Na, so was! Als Gilbert eintrifft, berichtet er ihr, dass er ein Häuschen gefunden und von der Kirche gemietet habe. Sie würden den Leuchtturmwärter Kapitän Jim Boyd zum Nachbarn bekommen, einen passionierten Geschichtenerzähler. Genau das, was Anne braucht.

Als Paul Irving eintrifft, spricht sie mit ihm über Literatur. Ihr einstiger Lieblingsschüler ist inzwischen ein anerkannter Autor und hat seinen ersten Roman veröffentlicht. Er fordert sie auf, endlich nach all den Erzählungen auch mal etwas Längeres zu verfassen. Sie zweifelt an ihren Fähigkeiten, doch der Kontakt zu Paul wird sich noch als wichtig erweisen.

Pfarrer Allen, ein alter Bekannter, traut die beiden Brautleute im Obstgarten von Green Gables. Obwohl Rachel Lynde diesen Ort für eine Trauung natürlich „skan-da-lös“ findet. Nach der anschließenden Feier bringt Marillas Adoptivsohn Davy, der mal Green Gables übernehmen soll, die Brautleute zum Bahnhof.

Als sie vor ihrem neuen Zuhause eintreffen, mustert Anne das weiß gestrichene Haus erst einmal kritisch und ignoriert die ihrerseits kritisch dreinblickende Nachbarin im grünen Haus daneben. Onkel Dave lacht, als Gilbert seine Frau über die Schwelle trägt, bevor sie es sich beim Essen gemütlich machen.

Am nächsten Tag machen sie die Bekanntschaft der neuen Nachbarn. Kapitän Jim erzählt die erste seiner vielen Geschichten, und Nachbarin Cornelia Bryant erweist sich als männerhassende Presbyterianerin, die aber ein Herz für frisch zugezogene Ehefrauen hat. Schon bald ist sie Annes wichtigste Verbündete.

_Mein Eindruck_

Ein Abschied und ein Neuanfang – das ist die Grundstruktur dieser ersten Folge der letzten ANNE-Staffel. Schon in die Hochzeit mit Gilbert mischen sich erste melancholische Zwischentöne, da gleich danach der Abschied von Annes Lieben bevorsteht. Es gibt allerdings ein paar Merkwürdigkeiten.

So fällt beispielsweise kein Wort über künftigen Kindersegen. Und bemerkenswerterweise erfahren wir von Gilberts Abschiedsschmerz rein gar nichts. Und dass eine Ehefrau selbstverständlich ihrem Gatten in dessen von ihm ausgewähltes Domizil folgt, wird auch nicht infrage gestellt. Die Frau hat sich gefälligst ins gemachte Nest zu setzen.

In Four Winds Harbor lebt Anne wieder – wie schon in Avonlea – an der Küste, und die Wechselfälle des Wetters spielen für die Handlung eine gewisse Rolle. Drei Tage Regen, und schon kommen die Gäste wesentlich seltener.

Schon in dieser ersten Folge lernen wir zwei wichtige neue Nachbarn kennen, nämlich Kapitän Jim Boyd, den wir bis zu seinem Ableben in Folge 4 innig ins Herz schließen, und die quirlige Cornelia Bryant, die in jedem Mann einen – zumindest potentiellen – Feind erblickt. Ihre Paranoia sorgt auch später für jede Menge Heiterkeit – und schließlich für eine handfeste Überraschung.

Dieses Bild ist nun recht statisch, deshalb ist es gut, dass in der nächsten Folge eine neue Bekanntschaft hinzukommt: Leslie Moore ist eine schöne junge Frau, die jedoch mit einem unter Amnesie leidenden, schwachsinnigen Mann geschlagen ist – völlig zu Unrecht, wie sich noch herausstellt!

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Die Hauptrolle der Anne Shirley wird von Marie Bierstedt, der deutschen Stimme von Kirsten Dunst und vielen anderen jungen Schauspielerinnen, mit Enthusiasmus und Einfühlungsvermögen gesprochen. Obwohl Bierstedt wesentlich älter ist als die zwanzigjährige Heldin, klingt ihre Stimme doch ziemlich jugendlich. Manchmal darf sie aber auch ein wenig langsamer und überlegter sprechen, besonders mit „verwandten Seelen“.

Unter den weiteren weiblichen Sprecherinnen ragen die der Marilla Cuthbert (Dagmar von Kurmin) und der Rachel Lynde (Regina Lemnitz) heraus, die Anne regelmäßig im Sommer und zu Weihnachten besucht. Regina Lemnitz ist die Inkarnation der Plaudertasche und der wandelnden Gerüchteküche. Und sie ist natürlich die beste Freundin von Marilla Cuthbert, die die Witwe in ihr Haus aufgenommen hat. Die beiden älteren Sprecherinnen sprechen die Rollen der beifälligen bzw. kritischen Mentorin ausgezeichnet.

Captain Jim Boyd wird von Hasso Zorn gesprochen. Dessen Stimme passt derart perfekt zu dieser wichtigen Figur der Geschichte, als wäre Käptn Jim extra für ihn erfunden worden. Ulrike Möckel muss hingegen mit der renitenten Cornelia Bryant einen völlig anderen Charakter darstellen. Es fällt uns nicht leicht, die misandrine Nachbarin zu mögen, obwohl sie doch zu Annes besten Freundinnen zählt.

|Geräusche|

Die Geräusche im Hintergrund sorgen für die Illusion einer zeitgenössischen Kulisse für das Jahr 1885, doch sind sie so sparsam und gezielt eingesetzt, dass sie einerseits den Dialog nicht beeinträchtigen, andererseits den Hörer nicht durch ein Übermaß verwirren. Deshalb erklingen Geräusche in der Regel stets nacheinander. Um die Epoche zu verdeutlichen, ist kein einziges Auto zu hören, sondern nur eine Kutschen.

Von der Natur aus betrachtet haben wir es in dieser Folge mit zwei grundverschiedenen Landschaften zu tun: Da ist zum einen das idyllische Avonlea, wo die Vöglein sich hörbar die gute Luft reinpfeifen und ein sanftes Lüftchen weht – wenn nicht gerade eine Krähe spottet.

An der Küste jedoch sind die Sitten rauer: Der Wind weht ständig, ihm eifern die Wellen an der Küste nach, und die Möwen haben ständig was zu meckern. Heißen ja auch alle Emma, wie der Dichter sagt. Nur gut, dass in Jims Kamin stets ein wärmendes Feuerchen prasselt.

Die Figuren äußern selbstverständlich jede Menge Arten von Gefühlsäußerungen, angefangen vom Schluchzen übers Lachen, Rufen und Keuchen. Auf diese Weise erwachen die Dialoge zu intensivem, emotionalem Leben – also genau das, was die ANNE-Hörspiele ausmacht.

|Musik|

Die Musik ist ebenfalls ziemlich romantisch, voller Streichinstrumente, Harfen und Pianos. Das Klavier wird meist für melancholische Passagen eingesetzt, und diese sind ebenso wichtig wie die heiteren. Der kontrastreiche Wechsel zwischen Heiterkeit, Drama, Rührung und Melancholie sorgt für die emotionale Faszination beim Zuhörer.

Die Musik steuert die Emotionen und untermalt die wichtigsten Szenen, kommt aber nicht ständig im Hintergrund vor. Besonders fiel mir die Variation von Heiterkeit und Rührung, von Verträumtheit und Aufbruchsstimmung auf.

Als Intro erklingt die Erkennungsmelodie der Serie: In einem flotten Upbeat-Tempo lassen Streicher, Holzbläser und ein Glockenspiel Romantik, Heiterkeit und Humor anklingen. Alle diese Elemente sind wichtige Faktoren für den Erfolg des Buches gewesen. Warum sollten sie also ausgerechnet im Hörspiel fehlen?

_Unterm Strich_

Diesmal nehmen wir von den bekannten Figuren Abschied, und was böte sich dazu besser an als Annes Hochzeit mit Gilbert? Ein Neuanfang muss gemacht werden, um dem neuen Lebensabschnitt zu entsprechen. Dieser Wechsel findet nicht nur im Wechsel der Landschaften statt, sondern auch im Kennenlernen der neuen Nachbarn.

Nach wie vor sind tiefe Gefühle das Pfund, mit dem die Inszenierung wuchert. Doch es gibt in der Vorlage – oder im „Drehbuch“ – merkwürdige Auslassungen. So fällt etwa kein Sterbenswörtchen über Annes und Gilberts Familienplanung, über Gilberts Sicht auf die Veränderung. Und schließlich verschwendet niemand auch nur einen Gedanken darauf, warum eine Ehefrau für ihre Familie ihren Rektorenberuf aufgeben sollte, um in ein fremdes Haus in einer fremden Gegend zu ziehen.

|Das Hörbuch|

Man merkt dem Hörspiel die Mühe und Liebe an, die darauf verwendet wurden. Besonderes Vergnügen hat mir die akustische Umsetzung des Buches bereitet. Hörbaren Spaß haben die Sprecher an ihren Rollen, und insbesondere die Hauptfigur ist von Marie Bierstedt ausgezeichnet gestaltet. Sie schluchzt, lacht und quasselt, das man sich wundern muss, woher diese Vielseitigkeit stammt. In den „Spider-Man“-Filmen ist Kirsten Dunst nie so vielseitig. Bierstedts Anne muss sich nicht nur durch Höhen und Tiefen des Herzens lavieren, sondern auch noch weiterentwickeln.

In dieser letzten Staffel kommen drei bemerkenswerte Figuren hinzu: der ausgezeichnet gesprochene Kapitän Jim Boyd, die Männerfeindin Cornelia Bryant und schließlich die schöne Quasi-Witwe Leslie Moore, die zu Annes und Gilberts neuem „Projekt“ wird.

|1 Audio-CD mit 72 Minuten Spielzeit
ISBN-13: 978-3-7857-4271-6|
[www.titania-medien.de]http://www.titania-medien.de
[www.luebbe-audio.de]http://www.luebbe-audio.de

Montgomery, L. M. – Anne auf Green Gables. Folge 3: Jede Menge Missgeschicke

_Grüne Haare und andere Verbrechen_

Kanada Ende des 19. Jahrhunderts. Das ältere Geschwisterpaar Marilla und Matthew Cuthbert hat sich entschlossen, einen Waisenjungen aufzunehmen, der Matthew bei der Arbeit auf der Farm unterstützen soll. Versehentlich schickt das Waisenhaus jedoch ein Mädchen nach Prince Edward Island – die quicklebendige und sehr mitteilsame Anne Shirley. Als Anne Green Gables, das schöne Farmhaus der Cuthberts, erblickt, ist sie sich sicher, dass dies der Platz ist, an dem sie für immer bleiben möchte… (Verlagsinfo)

Folge 2: Mittlerweile hat sich Anne gut eingelebt. Sie erwartet aufgeregt den ersten Besuch auf der Nachbarfarm Orchard Slope, wo die Familie Barry mit ihren Töchtern lebt. Anne hofft, dass die gleichaltrige Diana die von ihr ersehnte „verwandte Seele“ sein wird, die erste leibhaftige beste Freundin. Allerdings ist Mrs. Barry eine sehr strenge Frau, die ihre Töchter nicht mit jedem spielen lässt…

Folge 3: Annes Leben auf Green Gables geht turbulent weiter. Der mit Spannung erwartete erste Besuch eines Balls mit ihrer Busenfreundin Diana endet in einer Katstrophe. Dianas griesgrämige Tante Josephine ist nämlich überraschend zu Besuch gekommen und die beiden übermütigen Mädchen erregen versehentlich ihren Zorn. Wird es Ann auch diesmal gelingen, die Wogen zu glätten?

Pünktlich zum 100-jährigen Jubiläum gibt es die Abenteuer des Waisenmädchens Anne Shirley als Hörspiel-Serie, geeignet für die ganze Familie.

_Die Autorin_

Lucy Maud Montgomery (1874-1942) war eine kanadische Schriftstellerin, die besonders ihre Jugendbücher um Anne Shirley bekannt wurde: „Anne of Green Gables“ und sechs Fortsetzungen.

Das Manuskript wurde zunächst von mehreren Verlagen abgelehnt, bevor es Montgomery gelang, es zu platzieren. 1908 war sie bereits 34 Jahre alt. Das Buch wurde zu einem Theaterstück verarbeitet, mehrmals verfilmt und in mehr als 40 Sprachen übersetzt.

Die erste Staffel: Anne auf Green Gables

Folge 1: [Die Ankunft 4827
Folge 2: [Verwandte Seelen 4852
Folge 3: Jede Menge Missgeschicke
Folge 4: Ein Abschied und ein Anfang

Die 2. Staffel: Anne auf Avonlea (ab Herbst 2008)
Folgen 5 bis 8

Die 3. Staffel: Anne in Kingsport (Frühjahr 2009)
Folgen 9 bis 12

_Die Inszenierung:_

|Die Rollen und ihre Sprecher:|

Erzähler: Lutz Mackensy (Rowan Atkinson, Christopher Lloyd, Al Pacino)
Anne Shirley: Marie Bierstedt (Kirsten Dunst, Kate Beckinsale)
Marilla Cuthbert: Dagmar von Kurmin (Bühnenschauspielerin, Hörspiel-Regisseurin für Europa, Stammsprecherin für |Titania Medien|)
Matthew Cuthbert: Jochen Schröder (James Cromwell, Lionel ‚Max‘ Stander, Lloyd Bridges)
Rachel Lynde: Regina Lemnitz (Whoopi Goldberg, Kathy Bates, Diane Keaton)
Diana Barry: Uschi Hugo (Brittany Murphy, Tara Reid, Julie ‚Darla‘ Benz)
Gilbert Blythe: Simon Jäger (Josh Hartnett, Heath Ledger, Matt Damon)
Tante Josephine: Barbara Adolph (Rosemary ‚Tante May Parker‘ Harris)
Muriel Stacy: Rita Engelmann (Catherine Deneuve, Gates ‚Dr. Crusher‘ McFadden)
Mrs. Allan: Traudel Haas (Diane Keaton, Kathleen Turner)
Mr. Allan: Uwe Büschken (Matthew Broderick, Hugh Grant)
Josie Pye: Anja Stadlober (Samaire Armstrong, Paris Hilton)
Ruby Gillis: Melanie Hinze (Holly Marie Combs, Busy Philipps)
Jane Andrews: Cathlen Gawlich (Jaime King, Amy ‚Fred‘ Acker)
Miss Blair: Dascha Lehmann (Katie Holmes, Jennifer Love Hewitt, Keira Knightley)
Mr. Barry: Roland Hemmo (Brendan Gleeson, Brian Cox, James Gandolfini, Colm Meaney)

Regie und Aufnahmeleitung lagen in den Händen von Stephan Bosenius und Marc Gruppe, der auch das „Drehbuch“ schrieb. Die Tontechnik betreuten Martin Wittstock und Kazuya. Die Illustration stammt von Firuz Askin.

_Handlung_

Februar 1877, bald wird Anne Shirley zwölf Jahre alt. Diana, ihre Busenfreundin, hat sie zu ihrem eigenen Geburtstag eingeladen – und zu einem Ball! Ob Anne auf den Ball darf, ist ein Gegenstand des Streits zwischen ihren Pflegeeltern Matthew (pro) und Marilla Cuthbert (contra). Der Geburtstag jedenfalls wird wunderbar, bis auf den Gedichtvortrag des ekligen Gilbert Blythe, Annes Intimfeind.

Um 23 Uhr wollen die erschöpften Mädels endlich ins Bett, und sie lassen sich hineinfallen. Doch o je! Da liegt ja schon jemand drin, und es ist keine andere als ausgerechnet Dianas Tante Josephine! Sie ist alt und sehr entrüstet. Na, das gibt garantiert ein Donnerwetter. Sie streicht das Geld für die Klavierstunden der beiden Mädchen. Nur wenn Anne sie in Charlottestown besuchen würde, könne sie sich erweichen lassen. Anne strengt sich an, und es gelingt ihr, sich mit Tante Josephine zu versöhnen.

Das Schuljahr endet Ende Juni mit dem Abschied von Lehrer Phillips. An der Sonntagsschule soll der neue Pfarrer Allan lehren, der mit seiner Frau bei Rachel Lynde logiert, bis er ein Haus gefunden hat. Weil er also gerade in der Nähe ist, lädt Marilla das neue Paar ein. Anne, die zurzeit unter einem Schnupfen leidet, hat eine Schichttorte gebacken, die nun serviert wird. Doch sie schmeckt ein wenig seltsam. Kein Wunder, denn Anne hat das Vanillearoma mit den Rheumatropfen verwechselt …

Mr. Phillips‘ Nachfolger an der Alltagsschule wird jedoch Miss Muriel Stacy. Diese überrascht die Schüler mit neuen Ideen: Sie will Gymnastik und Naturkunde als Fächer einführen – wow! Und dann auch noch Theater und Gedichte, Annes Lieblingsthemen! Kein Wunder, dass sich Anne nun sogar in Geometrie verbessert. Sie wird gebeten, auf der Weihnachtsfeier zwei Gedichte vorzutragen, damit von den Spenden eine neue Schulfahne gekauft werden kann.

Zu diesem besonderen Tag will Matthew seinem Schützling ein neues Kleid kaufen, doch alle seine Versuche scheitern an seiner Schüchternheit. Also näht Rachel Lynde liebenswürdigerweise ein neues: hellblau und aus Seide, sogar mit Annes geliebten Puffärmeln. Und Tante Josephine schenkt ihr Seidensandalen. Kein Wunder also, dass Annes Vortrag von Lord Alfred Tennysons „The Lady of Shalott“ ein voller Erfolg wird. Gilbert Blythe versteigt sich sogar zu der Äußerung, sie könnte Schauspielerin werden. Doch auch diese Freundlichkeit kann Annes Herz für ihn nicht erweichen.

Im März feiert Anne ihren 13. Geburtstag und gründet mit Diana einen Geschichtenklub. Eines Abends findet Marilla sie jedoch im Bett liegend, verzweifelt jammernd, dass sie Einsiedlerin werden will. Anne hat GRÜNE Haare! Sie hat ihre Farbe ändern wollen und sich ein Mittel von einem Hausierer gekauft. Das Mittel lässt sich nicht auswaschen. Marilla schüttelt den Kopf und meint nur: Da gibt’s nur eines: Die Haare müssen ab. O je, das wird einen Skandal geben!

Aber es soll noch schlimmer kommen …

_Mein Eindruck_

Auch Folge drei ist für Anne Shirley wieder eine wilde Achterbahnfahrt aus Erfolgen und Unglücken. Zwar begeht sie diesmal keine „Verbrechen“ mehr, aber es finden sich doch noch Fettnäpfchen, in die sie treten, und Kalamitäten, die sie erleiden muss.

Der eine oder andere heutige Hörer könnte sich allerdings fragen, warum es schlimmer sein soll, kurze Haare zu tragen als grüne (was ja schon schlimm genug wäre). Auch dies ist wieder eine geschlechtsspezifische Sache. Kurze Haare waren den Männern vorbehalten, und wenn eine Frau kurze Haare tragen musste, dann wurde sie damit als Verbrecherin gebrandmarkt. Kein schönes Schicksal, wenn man bedenkt, dass freie mittellose Frauen entweder im Arbeitshaus (= Ausbeutung der Arbeit) oder auf der Straße (= sexuelle Ausbeutung) landeten. Erst in den 1920er Jahren erkühnten sich junge Frauen, kurze Haare zu tragen, weil sie als besonders emanzipiert und gleichberechtigt angesehen werden wollten. Das wagten aber nur die Künstler und Intellektuellen.

Erst grüne, dann kurze Haare – kann es für Anne Shirley noch schlimmer kommen? Es kann! Anne wird für tot gehalten … Mehr darf aber nicht verraten werden, um die Spannung nicht zu zerstören.

Der Höhepunkt an Erfolg in dieser Folge ist sicherlich Annes Auftritt mit dem Gedichtvortrag. „The Lady of Shalott“ ist ein schmachtend romantischer Klassiker von Tennyson. Im Umfeld der arthurischen Dichtung „Idylls of the King“ angesiedelt, schildert das Gedicht, wie besagte Lady sich – vermutlich im Liebeskummer – in ihr Boot legt, um sodann den Fluss hinunterzutreiben. Wird irgendein strahlender Ritter zu ihrer Hilfe und Rettung eilen? Ach und Weh, es soll nicht sein! So vergehen Liebe und Schönheit – und das stellten sich die Viktorianer als das edelste Motiv für hohe Dichtkunst vor. Na ja, Schwamm drüber! Hauptsache, Annes Vortrag ist ein voller Erfolg.

„Das schöne Geschlecht“ wurden Frauen genannt, aber auch „das schwächere Gefäß“ (im Gegensatz zum Mann), und „der Efeu an der Eiche“ (Efeu = Treue und Zierde, Eiche = Halt und Stärke) und was nicht alles mehr, um ihre Schwäche und Abhängigkeit zu betonen. Um ihr Gedicht vortragen zu dürfen, muss sie sich auch dem hohen Anlass gemäß ankleiden, denn schließlich geht erstens um Kunst und zweitens um einen öffentlichen Auftritt. Seide ist für sie gerade gut genug, ebenso Puffärmel und Halsketten von Tante Josephine. Welcher Mann würde eine solche junge Dame nicht schön finden und begehren? An dieser Stelle dürften einige junge Damenherzen höher schlagen.

Diese Pseudo-Romantik weiß die Autorin aber wenig später mit komischen Zwischenfällen zu konterkarieren und so dem Spott preiszugeben. Da ist zum einen die Sache mit den grünen Haaren, und zum zweiten „ertrinkt“ Anne, als sie „The Lady of Shalott“ mit ihrem Geschichtenklub aufführt – natürlich in einem Boot auf einem See, ganz wie es sich gehört.

Dumm nur, dass die Vision des Gedichts der profanen Wirklichkeit in keiner Hinsicht standhalten kann. Es kommt nur Komik dabei heraus, wenn beide aufeinandertreffen. Damit signalisiert die Autorin, wie überholt diese schwärmerische Romantik ist. Und sie lässt es Marilla in Worte fassen: Romantik ist ja schön und gut, aber bitte nur in Maßen.

_Die Inszenierung_

|Die Sprecher|

Die Hauptrolle der Anne Shirley wird von Marie Bierstedt, der deutschen Stimme von Kirsten Dunst und vielen anderen jungen Schauspielerinnen, mit Enthusiasmus und Einfühlungsvermögen gesprochen. Obwohl Bierstedt wesentlich älter ist als die elfjährige Heldin, klingt ihre Stimme doch ziemlich kindlich. Später, sobald Anne älter ist, darf sie auch ein wenig langsamer und überlegter sprechen.

In Episode eins überschlägt sich Annes Wortflut geradezu. Das fand ich sehr sympathisch und charmant. Den Cuthberts, so ist anzunehmen, muss es wohl ähnlich ergangen sein. Dagmar von Kurmin und Jochen Schröder klingen sehr sympathisch und ihrem fiktiven Alter entsprechend.

Sehr passend fand ich die Stimme der Nachbarin Rachel Lynde, gesprochen von Regina Lemnitz, der Stimmbandvertretung von Whoopi Goldberg. Wenn Rachel und Anne aufeinandertreffen, fliegen die Fetzen, und Anne darf sie schon mal anschreien. Sie ist ja in diesem Frühstadium ihrer Domestizierung noch sehr ungehobelt. Weitere tragende Rollen gibt es nur wenige.

|Geräusche|

Die Geräusche im Hintergrund sorgen für die Illusion einer zeitgenössischen Kulisse für das Jahr 1876, doch sind sie so sparsam und gezielt eingesetzt, dass sie einerseits den Dialog nicht beeinträchtigen, andererseits den Hörer nicht durch ein Übermaß verwirren. Wenn gleichzeitig die Vögel sängen, die Brandung rauschte |und| noch eine Kutsche ratterte, würde das als etwas zu viel des Guten empfunden werden. Deshalb erklingen Geräusche in der Regel stets nacheinander. Hinzukommt ja noch die Musik.

|Musik|

Die Musik ist ebenfalls ziemlich romantisch, voller Streichinstrumente, Harfen und Pianos. Das Klavier wird meist für melancholische Passagen eingesetzt, und diese sind ebenso wichtig wie die heiteren. Der kontrastreiche Wechsel zwischen Heiterkeit, Drama und Melancholie sorgt für die emotionale Faszination beim Zuhörer. Die Musik steuert die Emotionen und untermalt die wichtigsten Szenen, kommt aber nicht ständig im Hintergrund vor. Ebenso wie mit den Geräuschen darf man es nicht übertreiben.

Am Schluss erklingt als Outro die Erkennungsmelodie der Serie: In einem flotten Upbeat-Tempo lassen Streicher, Holzbläser und ein Glockenspiel Romantik, Heiterkeit und Humor anklingen. Alle diese Elemente sind wichtige Faktoren für den Erfolg des Buches gewesen. Warum sollten sie also ausgerechnet im Hörspiel fehlen?

_Unterm Strich_

Das Hörspiel hat mir auch im dritten Durchgang wider Erwarten Spaß gemacht. Ich dachte vor dem Anhören des ersten Teils, dies würde so eine romantische Schmonzette à la „Hanni und Nanni“ oder sogar „Heidi“ sein, aber die Umsetzung lässt nicht nur eine Menge Humor und ernste menschliche Probleme durchblicken, wie man sie in jedem alten Jugendroman findet, sondern legt auch einen Sinn für die ernsten wirtschaftlichen Hintergründe an den Tag.

Allerdings beschritt die Autorin den idealistischen Weg, um die gravierenden gesellschaftlichen Probleme der viktorianischen Epoche zu lösen: Statt wirtschaftlicher und politischer Reformen setzt sie auf die uramerikanische Tugend der Selbstverbesserung, ermöglicht durch Liebe, Bildung und Verantwortungsgefühl. Der Hörer darf sich auf das Aufblühen der Heldin freuen. Ihre Abenteuer sind stets leicht zu verstehen, dienen aber immer wieder der Bewältigung von mehr oder weniger ernsten Schwierigkeiten, auf die Anne Shirley stößt.

Besonderes Vergnügen bereitet auch die akustische Umsetzung des Buches. Hörbaren Spaß haben die Sprecher an ihren Rollen, und insbesondere die Hauptfigur ist von Marie Bierstedt ausgezeichnet gestaltet. Sie schluchzt, lacht, schmollt, flüstert und quasselt, dass man sich wundern muss, woher diese Vielseitigkeit stammt. In den Spider-Man-Filmen ist Kirsten Dunst nie so vielseitig. Bierstedts Anne muss sich nicht nur durch Höhen und Tiefen des Herzens lavieren, sondern auch noch weiterentwickeln. Diese Entwicklung ist in Folge drei zunehmend deutlich zu bemerken, aber da kommt noch einiges auf den treuen Hörer zu.

Fazit: Da ich mir nichts vorstellen kann, womit sich dieses teils romantische, teils komische Hörspiel verbessern ließe – allenfalls etwas mehr Spannung -, vergebe ich die Bestnote.

|Originaltitel: Anne of Green Gables, 1908
69 Minuten auf 1 CD
ISBN 978-3-7857-3527-5|

Home – Atmosphärische Hörspiele


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Montgomery, L. M. / Gruppe, Marc / Bosenius, Stephan – Anne auf Green Gables. Folge 2: Verwandte Seelen

_Die Verbrechen der Heldin_

Folge 1: Kanada Ende des 19. Jahrhunderts. Das ältere Geschwisterpaar Marilla und Matthew Cuthbert hat sich entschlossen, einen Waisenjungen aufzunehmen, der Matthew bei der Arbeit auf der Farm unterstützen soll. Versehentlich schickt das Waisenhaus jedoch ein Mädchen nach Prince Edward Island – die quicklebendige und sehr mitteilsame Anne Shirley. Als Anne Green Gables, das schöne Farmhaus der Cuthberts, erblickt, ist sie sich sicher, dass dies der Platz ist, an dem sie für immer bleiben möchte …

Folge 2: Mittlerweile hat sich Anne gut eingelebt. Sie erwartet aufgeregt den ersten Besuch auf der Nachbarfarm Orchard Slope, wo die Familie Barry mit ihren Töchtern lebt. Anne hofft, dass die gleichaltrige Diana die von ihr ersehnte „verwandte Seele“ sein wird, die erste leibhaftige beste Freundin. Allerdings ist Mrs. Barry eine sehr strenge Frau, die ihre Töchter nicht mit jedem spielen lässt …

Pünktlich zum 100-jährigen Jubiläum gibt es die Abenteuer des Waisenmädchens Anne Shirley als Hörspiel-Serie, geeignet für die ganze Familie.

_Die Autorin_

Lucy Maud Montgomery (1874-1942) war eine kanadische Schriftstellerin, die besonders durch ihre Jugendbücher um Anne Shirley bekannt wurde: „Anne of Green Gables“ und sechs Fortsetzungen.

Das Manuskript wurde zunächst von mehreren Verlagen abgelehnt, bevor es Montgomery gelang, es zu platzieren. 1908 war sie bereits 34 Jahre alt. Das Buch wurde zu einem Theaterstück verarbeitet, mehrmals verfilmt und in mehr als 40 Sprachen übersetzt.

Die erste Staffel: Anne auf Green Gables

Folge 1: [Die Ankunft 4827
Folge 2: Verwandte Seelen
Folge 3: Jede Menge Missgeschicke
Folge 4: Ein Abschied und ein Anfang

Die 2. Staffel: Anne auf Avonlea (ab Herbst 2008)

Folgen 5 bis 8

Die 3. Staffel: Anne in Kingsport (Frühjahr 2009)

Folgen 9 bis 12

_Die Inszenierung_

Die Rollen und ihre Sprecher:

Erzähler: Lutz Mackensy (Rowan Atkinson, Christopher Lloyd, Al Pacino)
Anne Shirley: Marie Bierstedt (Kirsten Dunst, Kate Beckinsale)
Marilla Cuthbert: Dagmar von Kurmin (Bühnenschauspielerin, Hörspiel-Regisseurin für |Europa|, Stammsprecherin für |Titania Medien|)
Matthew Cuthbert: Jochen Schröder (James Cromwell, Lionel ‚Max‘ Stander, Lloyd Bridges)
Rachel Lynde: Regina Lemnitz (Whoopi Goldberg, Kathy Bates, Diane Keaton)
Diana Barry: Uschi Hugo (Brittany Murphy, Tara Reid, Julie ‚Darla‘ Benz)
Gilbert Blythe: Simon Jäger (Josh Hartnett, Heath Ledger, Matt Damon)
Mr. Phillips: Dennis Schmidt-Foß (Freddie Prinze jr.)
Mrs. Barry: Petra Barthel (Nicole Kidman, Uma Thurman, Julianne Moore, Bridget Fonda)
Doktor: Daniel Werner
Mary Joe: Dascha Lehmann (Katie Holmes, Jennifer Love Hewitt, Keira Knightley)
Minnie May Barry: Friedel Morgenstern (Abigail Breslin in „Little Miss Sunshine“ und „Vielleicht, vielleicht auch nicht“)

Regie und Aufnahmeleitung lagen in den Händen von Stephan Bosenius und Marc Gruppe, der auch das „Drehbuch“ schrieb. Die Tontechnik betreuten Martin Wittstock und Kazuya. Die Illustration stammt von Firuz Askin.

_Handlung_

Anne hat es geschafft, von ihren neuen Pflegeeltern/Arbeitgebern akzeptiert zu werden. Marilla schenkt ihr sogar eine wertvolle Amethystbrosche. Nun sucht sie sich eine Freundin, eine „Busenfreundin“. Zufällig sucht auch die gestrenge Mrs. Barry auf dem Nachbarhof Orchard Slope eine Freundin für ihre älteste Tochter Diana. Als Anne sie fragt, ist Diana einverstanden und schwört wie verlangt einen heiligen Eid: Sie geloben einander Treue für immer. Anne will im Wald ein Puppenhaus bauen und viel mit Diana unternehmen.

Die Brosche ist verschwunden! Und Anne war angeblich die Letzte, die sie in die Hand genommen hat. Sie beteuert ihre Unschuld, bekommt aber trotzdem Stubenarrest von Marilla. Ist sie eine gewissenlose Diebin? Am nächsten Tag gesteht sie endlich, dass sie die Brosche im nahen See verloren habe. Später erblickt Matthew die Brosche jedoch an einem Schal. Anne hat das Geständnis erfunden, damit Marilla nicht durch die Wahrheit, dass sie selbst ja die Brosche verloren haben könnte, beleidigt wird. Zur Belohnung darf Anne auch zu den anderen Kindern, um mit ihnen am See zu picknicken.

|Ernst des Lebens|

Im September beginnt die Schule – die erste richtige in Annes Leben. Sie darf neben Diana sitzen, mit der sie sich das Pausenbrot teilt. Anne macht unter der Obhut von Lehrer Phillips schnelle Fortschritte und strengt sich an. Daheim erzählt sie von ihrem vierzehnjährigen Mitschüler Gilbert Blythe, der aus der Provinz New Brunswick kommt und der Exfreund von Julie Bell ist. Er durfte drei Jahre lang nicht zur Schule gehen. Anne findet, er sehe „schrecklich gut“ aus.

Im Schulhaus von Avonlea braut sich etwas zusammen. Gilbert Blythe zieht Anne an den Zöpfen und nennt sie „Karotte“. Zur Strafe zerbricht sie eine Schiefertafel, auf die sie sonst schreibt, auf seinem Kopf. Mr. Phillips bestraft beide, und Gilbert entschuldigt sich bei ihr, doch Anne vergibt nicht so leicht. Sie ignoriert ihn, und das nicht bloß für Tage oder Wochen, sondern für Jahre!

Anne will nie wieder in die Schule, was Marilla doch einigermaßen ratlos macht. Vielleicht weiß Rachel Lynde Rat, die immerhin zehn Kinder großgezogen und zwei zu Grabe getragen hat. Ihr Rat lautet: Hausunterricht, denn offenbar sei Mr. Phillips ein schlechter Lehrer. Gegenüber Gilbert bleibt Anne weiter unversöhnlich.

Da Marilla zum Frauenverein gegangen ist, darf Anne Diana selbst bekochen und Johannisbeersaft kredenzen. Doch auf einmal wird Diana schwindlig und übel, sie geht heim und vor ihrem Elternhaus erbricht sie sich in die Büsche. Kein Wunder, dass Dianas Mutter bitterböse reagiert. Wollte Anne ihre beste Freundin etwa umbringen? Anne ist untröstlich. Da findet Matthew endlich die Erklärung: Statt Johannisbeersaft hat sie Johannisbeerwein kredenzt!

Schon wieder muss Marilla Feuerwehr spielen und versucht, Annes „Verbrechen“ auszubügeln. Doch Mrs. Barry stellt sich als harte Nuss heraus. Doch das wird sie bereuen, denn im Januar rettet Anne ihrem Töchterlein unter dramatischen Umständen das Leben …

_Mein Eindruck_

Auch diese Folge weist mehrere Höhepunkte auf und macht die Handlung sehr abwechslungsreich. Während Anne in Folge eins nur drei neue Menschen kennenlernte, nämlich Rachel Lynde und die beiden Cuthberts, bekommt sie es nun mit einer neuen Familie, den Barrys, und einer ganzen Schule zu tun. Folglich müssen ihre sozialen Kompetenzen erheblich ausgebaut werden.

Die Sache mit der „Busenfreundschaft“ bekommt sie ausgezeichnet hin, doch was die Freundschaft zum anderen Geschlecht angeht, muss sie noch üben. Gabriel Blythe ist es bestimmt, später Anne Shirleys Mann zu werden, aber davon sind die beiden weiter entfernt als je. Dass sich Männlein und Weiblein nicht zu nahe kommen, war den Lesern von Montgomerys Buch sicher nicht unrecht, denn die Viktorianer achteten anno 1908 noch streng auf Sitte und Anstand (zumindest äußerlich).

In dieser Folge begeht Anne zwei „Verbrechen“. Ist sie wirklich eine Diebin und Giftmischerin? In diesen Anschuldigungen spiegeln sich die Ängste der damaligen Gesellschaft vor unmoralischen und „gefallenen“ Frauen, die es an Anstand und Moral fehlen lassen. („Gefallene Frauen“ waren Frauen, die zum Beispiel ein uneheliches Kind hatten oder abtreiben ließen, wenn sie sich nicht gleich prostituierten.) Und da Prince Edward Island klein und exponiert gelegen ist, zählt jeder Verstoß eines Gemeindemitgliedes, das die Regeln nicht befolgt, doppelt schwer. Für die Leser war es ebenso wichtig wie für die Figuren im Buch herauszufinden, auf welcher Seite des Gesetzes Anne steht. Zum Glück ist das erste „Verbrechen“ schnell aufgeklärt: Anne ist unschuldig. Und das zweite „Verbrechen“ ist ein Unfall wegen eines Versehens.

Sollte aber dennoch ein Fleck auf Annes Ehre zurückgeblieben sein, wie Mrs. Barry annimmt, so wird dieser Fleck geradezu porentief abgewaschen, als Anne dem kleinen Töchterchen der Barrys das Leben rettet. Weit und breit ist kein Arzt zu bekommen, denn Telefon gibt es hier noch nicht, von Handys und E-Mail natürlich ganz schweigen. Hier ist jeder letzten Endes auf sich selbst angewiesen. In dieser Situation kann sich Anne bewähren und zeigen, dass sie die optimale Krankenschwester wäre.

Schon hier zeigt die Autorin, wo der Platz der Frau als Heldin ist: am Krankenbett, am Herd und später in der Schule und auf der Theaterbühne. Kunst, Bildung, Leben retten – das ist die Domäne der Frau, und sie sollte sich nicht in die Domäne des Mannes einmischen, die da Handel und Politik sowie Militär heißt. Solche Botschaften kommen heute nicht mehr allzu gut an, aber je mehr die Familie und der Nachwuchs schwinden, desto wichtiger werden genau die Werte, die sie erhalten sollen. Und wer weiß, ob die alten Rollenvorstellungen nicht wieder an Boden gewinnen werden.

_Die Inszenierung_

|Die Sprecher|

Die Hauptrolle der Anne Shirley wird von Marie Bierstedt, der deutschen Stimme von Kirsten Dunst und vielen anderen jungen Schauspielerinnen, mit Enthusiasmus und Einfühlungsvermögen gesprochen. Obwohl Bierstedt wesentlich älter ist als die elfjährige Heldin, klingt ihre Stimme doch ziemlich kindlich. Später, sobald Anne älter ist, darf sie auch ein wenig langsamer und überlegter sprechen.

In Folge eins überschlug sich Annes Wortflut geradezu. Das fand ich sehr sympathisch und charmant. Den Cuthberts, so ist anzunehmen, muss es wohl ähnlich ergangen sein. Dagmar von Kurmin und Jochen Schröder klingen sehr sympathisch und ihrem fiktiven Alter entsprechend. In Folge zwei lässt die Redseligkeit Anne etwas nach, aber nicht besonders viel.

Sehr passend fand ich die Stimme der Nachbarin Rachel Lynde, gesprochen von Regina Lemnitz, der Stimmbandvertretung von Whoopi Goldberg. Wenn Rachel und Anne aufeinandertreffen, fliegen die Fetzen, und Anne darf sie schon mal anschreien. Sie ist ja in diesem Frühstadium ihrer Domestizierung noch sehr ungehobelt.

Etwas unerklärlich ist der durchgängig gemachte Aussprachefehler aller Sprecher: Sie sprechen Orchard Slope stets mit K statt Tsch aus, also [orkad] statt [ortschad]. „Orchard“ bedeutet Obstgarten.

|Geräusche|

Die Geräusche im Hintergrund sorgen für die Illusion einer zeitgenössischen Kulisse für das Jahr 1876, doch sind sie so sparsam und gezielt eingesetzt, dass sie einerseits den Dialog nicht beeinträchtigen, andererseits den Hörer nicht durch ein Übermaß verwirren. Wenn gleichzeitig die Vögel sängen, die Brandung rauschte UND noch eine Kutsche ratterte, würde das als etwas zu viel des Guten empfunden werden. Deshalb erklingen Geräusche in der Regel stets nacheinander. Hinzu kommt ja noch die Musik.

|Musik|

Die Musik ist ebenfalls ziemlich romantisch, voller Streichinstrumente, Harfen und Pianos. Das Klavier wird meist für melancholische Passagen eingesetzt, und diese sind ebenso wichtig wie die heiteren. Der kontrastreiche Wechsel zwischen Heiterkeit, Drama und Melancholie sorgt für die emotionale Faszination beim Zuhörer. Die Musik steuert die Emotionen und untermalt die wichtigsten Szenen, kommt aber nicht ständig im Hintergrund vor. Ebenso wie mit den Geräuschen darf man es nicht übertreiben.

An Anfang und Schluss erklingt als Intro und Outro die Erkennungsmelodie der Serie: In einem flotten Upbeat-Tempo lassen Streicher, Holzbläser und ein Glockenspiel Romantik, Heiterkeit und Humor anklingen. Alle diese Elemente sind wichtige Faktoren für den Erfolg des Buches gewesen. Warum sollten sie also ausgerechnet im Hörspiel fehlen?

_Unterm Strich_

Das Hörspiel hat mir wider Erwarten Spaß gemacht. Ich dachte, das würde so eine romantische Schmonzette à la „Hanni und Nanni“ oder sogar „Heidi“ sein, aber die Umsetzung lässt nicht nur eine Menge Humor und ernste menschliche Probleme durchblicken, wie man sie in jedem alten Jugendroman findet, sondern legt auch einen Sinn für die ernsten wirtschaftlichen Hintergründe an den Tag.

Allerdings beschritt die Autorin den idealistischen Weg, um die gravierenden gesellschaftlichen Probleme der viktorianischen Epoche zu lösen: Statt wirtschaftlicher und politischer Reformen setzt sie auf die uramerikanische Tugend der Selbstverbesserung, ermöglicht durch Liebe, Bildung und Verantwortungsgefühl. Der Hörer darf sich auf das Aufblühen der Heldin freuen. Ihre Abenteuer sind stets leicht zu verstehen, dienen aber immer wieder der Bewältigung von mehr oder weniger ernsten Schwierigkeiten, auf die Anne Shirley stößt.

Besonderes Vergnügen bereitet auch die akustische Umsetzung des Buches. Hörbaren Spaß haben die Sprecher an ihren Rollen, und insbesondere die Hauptfigur ist von Marie Bierstedt ausgezeichnet gestaltet. Sie schluchzt, lacht, schmollt, flüstert und quasselt, das man sich wundern muss, woher diese Vielseitigkeit stammt. In den Spider-Man-Filmen ist Kirsten Dunst nie so vielseitig. Bierstedts Anne muss sich nicht nur durch Höhen und Tiefen des Herzens lavieren, sondern auch noch weiterentwickeln. Diese Entwicklung ist nun zwar in Folge zwei viel deutlicher zu bemerken, aber da kommt noch einiges auf den treuen Hörer zu.

|Originaltitel: Anne of Green Gables, 1908
66 Minuten auf 1 CD
ISBN: 978-3-7857-3457-5|

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Montgomery, L. M. – Anne auf Green Gables. Folge 1: Die Ankunft (Hörspiel)

_Aufregender, vielversprechender Serienauftakt_

Kanada Ende des 19. Jahrhunderts. Das ältere Geschwisterpaar Marilla und Matthew Cuthbert hat sich entschlossen, einen Waisenjungen aufzunehmen, der Matthew bei der Arbeit auf der Farm unterstützen soll. Versehentlich schickt das Waisenhaus jedoch ein Mädchen nach Prince Edward Island – die quicklebendige und sehr mitteilsame Anne Shirley. Als Anne Green Gables, das schöne Farmhaus der Cuthberts, erblickt, ist sie sich sicher, dass dies der Platz ist, an dem sie für immer bleiben möchte … (Verlagsinfo)

Pünktlich zum 100-jährigen Jubiläum gibt es die Abenteuer des Waisenmädchens Anne Shirley als Hörspiel-Serie, geeignet für die ganze Familie.

_Die Autorin_

Lucy Maud Montgomery (1874-1942) war eine kanadische Schriftstellerin, die besonders durch ihre Jugendbücher um Anne Shirley bekannt wurde: „Anne of Green Gables“ und sechs Fortsetzungen.

Das Manuskript wurde zunächst von mehreren Verlagen abgelehnt, bevor es Montgomery gelang, es zu platzieren. 1908 war sie bereits 34 Jahre alt. Das Buch wurde zu einem Theaterstück verarbeitet, mehrmals verfilmt und in mehr als 40 Sprachen übersetzt.

Die erste Staffel: Anne auf Green Gables

Folge 1: Die Ankunft
Folge 2: Verwandte Seelen
Folge 3: Jede Menge Missgeschicke
Folge 4: Ein Abschied und ein Anfang

Die 2. Staffel: Anne auf Avonlea (ab Herbst 2008)

Folgen 5 bis 8

Die 3. Staffel: Anne in Kingsport (Frühjahr 2009)

Folgen 9 bis 12

_Die Inszenierung_

Die Rollen und ihre Sprecher:

Erzähler: Lutz Mackensy (Rowan Atkinson, Christopher Lloyd, Al Pacino)
Anne Shirley: Marie Bierstedt (Kirsten Dunst, Kate Beckinsale)
Marilla Cuthbert: Dagmar von Kurmin (Bühnenschauspielerin, Hörspiel-Regisseurin für |Europa|, Stammsprecherin für |Titania Medien|)
Matthew Cuthbert: Jochen Schröder (James Cromwell, Lionel ‚Max‘ Stander, Lloyd Bridges)
Rachel Lynde: Regina Lemnitz (Whoopi Goldberg, Kathy Bates, Diane Keaton)
Thomas Lynde: Wilfried Herbst (Charles Hawtrey, Barney ‚Morty Seinfeld‘ Martin)
Mrs. Spencer: Arianne Borbach (Diane Lane, Catherine Zeta-Jones, Emily Watson)
Mrs. Blewett: Heidrun Bartholomäus (Frances McDormand, Kim Delaney)
Stationsvorsteher: Lutz Riedel (Timothy Dalton)

Regie und Aufnahmeleitung lagen in den Händen von Stephan Bosenius und Marc Gruppe, der auch das „Drehbuch“ schrieb. Die Tontechnik betreuten Martin Wittstock und Kazuya. Die Illustration stammt von Firuz Askin.

_Handlung_

Mrs. Rachel Lyndes Haus steht auf einer Anhöhe und gewährt seiner Bewohnerin einen Überblick über alle Dinge, die auf der Straße in die Stadt Avonlea auftauchen. Diese befindet sich auf der kanadischen Prince-Edward-Insel. Im Juni 1876 späht die Frau wieder mal auf die Straße und sieht um 14:30 Uhr Matthew Cuthbert auf seiner Kutsche vorbeirollen. Sehr ungewöhnlich. Was mag auf Green Gables, dem Haus der Cuthberts, passiert sein? Matthews Schwester Marilla wird es ihr bestimmt verraten.

Auf Marillas Tisch ist für drei gedeckt. Wird ein Gast erwartet? Marilla verrät, dass Matthew zum Bahnhof in Brightriver gefahren sei, um einen Jungen abzuholen, der auf der Farm helfen soll. Sie haben einen Waisenjungen aus Nova Scotia erbeten. Natürlich würden sie ihn auf die Schule schicken. Rachel Lynde befürchtet das Schlimmste für das Glück der Cuthberts, eilt aber fort, um die Sensation jedem zu erzählen, der es hören will.

|Am Bahnhof|

Auf dem Bahnhof von Brightriver sieht Matthew aber keinen Jungen, sondern bloß ein Mädchen. Sie trägt alte, abgerissene Kleidung, ihre Haare sind – omeingott! – feuerrot, und sie hat ein lustiges, offenes Gesicht. Sie ist tatsächlich die erbetene Haushaltshilfe.

Kaum hat er sie in die Kutsche gelassen, fängt sie an zu plappern und hört nicht wieder auf. Sie heiße Anne Shirley, würde aber viel lieber Cordelia heißen. Sie sei vier Monate im Waisenheim gewesen, das war eine schlimme Zeit nach ihren zwei Pflegefamilien, die sie aufzogen. Sie sei zwar hässlich wie die Nacht, wolle aber dereinst auch mal einen Mann heiraten. Sie findet die Landschaft wunderschön, denn jetzt im Juni blühen die Kirschbäume und sehen aus wie ein weißes Brautkleid auf dem Land. Matthew kommt gar nicht dazu, Anne wegen dieses blühenden Unsinns zurechtzuweisen, denn sie gibt ihm gar keine Gelegenheit dazu.

|Auf Green Gables|

Marilla ist entsetzt, als ihr Bruder ein Mädchen anschleppt statt eines Jungen. Anne – mit E – antwortet tränenerstickt, wie sie heißt, und wird vorerst im Ostflügel untergebracht. Das Zimmer ist karg, durch die Ritzen summt ständig der Wind, und Anne ist unglücklich. Am Abend verkündet Marilla Cuthbert, dass sie wieder gehen müsse, aber Matthew, der offenbar einen Narren an Anne gefressen hat, will, dass sie bleibt, wenigstens bis zum nächsten Tag.

Als Anne am nächsten Morgen erwacht, kann sie die Vögel zwitschern hören und wie die Brandung an der nahen Felsenküste braust. Nach dem Frühstück soll Anne abreisen, und sie ist verständlicherweise sehr traurig, redet von einem „Friedhof begrabener Hoffnungen“. Marilla seufzt. Herrje, das Mädchen redet immer so romantisch und geschwollen, gibt sogar gewöhnlichen Geranien einen Namen wie „Bonnie“! Sie will mehr über Anne erfahren. Anne ist seit März elf Jahre alt, sie erzählt ihre Lebensgeschichte. Sie besuchte kaum je die Schule, kann aber eine Menge romantischer Gedichte aufsagen. Das hat Marilla schon gemerkt.

|Abschiebung|

Marilla bringt Anne zu Mrs. Spencer, bei der sie einen Jungen angefordert hatte. Als Mrs. Spencer sagt, dass Mrs. Blewitt eine hart arbeitende und brav gehorchende Haushalfshilfe suche, ändert Marilla ihre Meinung. Wer weiß, was Anne noch bei Mrs. Blewitt blüht. Soll sie noch mehr Elend und Prügel ertragen, das arme Ding? Marilla beruft sich einfach auf Matthew und nimmt Anne wieder mit.

Wieder auf Green Gables, ist Marilla schockiert zu erfahren, dass Anne noch nie gebetet hat. Und das erste Gebet, das Anne improvisiert, hat nichts mit etwas zu tun, was Marilla je im Leben gehört hat: Anne zeichnet ihre Ansprache an Gott „mit vorzüglicher Hochachtung“. Marilla meint, sie solle fortan lieber „Amen“ sagen. Und am nächsten Tag verkündet sie, Anne dürfe bleiben – wenn sich Matthew nicht in ihre Erziehung einmische.

|Busenfreundin|

In zwei Wochen beginnen die Sommerferien, es hat also keinen Zweck, Anne zur Schule zu schicken. Anne sucht eine „Busenfreundin“. Nanu, was soll das denn sein? Bisher hatte Anne nur eine „Fensterfreundin“, jenes Mädchen, das erschien, wenn sich Annes Gesicht im Fenster spiegelte. Marilla empfiehlt ihr Diana Barry, die Tochter des Ehepaars Barry, das auf dem Gut Orchard Slope wohne. Dann stellt sie Anne ihrer Freundin Rachel Lynde vor.

|Stubenarrest|

Rachel Lynde hat eine schwere Grippe hinter sich und ist noch nicht ganz im Reinen mit der Welt. Sie macht Anne herunter: ungehobelt, ungezogen – und rothaarig! Anne antwortet heftig, rücksichtslos und laut. Rachel Lynde ist sprachlos und rauscht dann beleidigt ab. Oh je, dafür gibt es Stubenarrest. Wird Anne jemals lernen, ein gutes, braves Mädchen zu sein und die Klappe zu halten? Vermutlich nicht.

_Mein Eindruck_

Man kann sich leicht vorstellen, warum dieses Buch aus dem Jahr 1908 – aha, hundertjähriges Jubiläum! – stets so beliebt war. Die Heldin muss eine ganze Menge über die Welt und die Menschen lernen. Da bleibt es angesichts ihrer Ahnungslosigkeit nicht aus, dass sie aneckt und auf allen möglichen Unsinn verfällt. Immerhin ist Anne Shirley aber ein ungeschliffener Rohdiamant. An ihr kann die Kultur Kanadas demonstrieren, was sich aus einem abgerissenen armen Waisenmädchen machen lässt: nämlich ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft. Es fragt sich allerdings, welche Bedingungen dafür vorhanden sein müssen.

Das geistige Klima und die wirtschaftlichen Gegebenheiten sind nicht gerade förderlich für Anne Shirleys Aufstieg. Kinder wie sie werden stets ausgebeutet, je ärmer sie sind, desto übler. Ihre eigene Geschichte, die ich hier ausgespart habe, belegt das am besten. Stets war sie als billige – wenn sie überhaupt bezahlt wurde – Hilfskraft willkommen, doch an Bildung gab man ihr praktisch nichts mit. Vielleicht aus Angst, sie könnte auf dumme Gedanken kommen, wie etwa den, einen Lohn zu fordern?

Dass die Cuthberts sie behalten, ist extrem ungewöhnlich. Erst wird sie anstelle eines Farmgehilfen aufgenommen, dann zusätzlich zu ihm, was doch auf ein gutes Einkommen der Cuthberts schließen lässt. Wenn dem nicht so wäre, dann wäre die Autorin eine ebenso romantische Seele wie Anne Shirley selbst. Das würde aber gar nicht zur ständigen Romantikkritik passen, welche die Autorin fortwährend indirekt übt, indem sie Annes Versponnenheit den Kommentaren diverser Spötter aussetzt. Diese humorvollen Einlagen haben aber, bei genauerem Hinsehen, auch einen ernsteren Hintergrund – siehe oben.

Andererseits darf man sich nicht zu viel erhoffen: Die Autorin ist keine Sozialdemokratin, die nach der Gründung einer Gewerkschaft ruft, und erst recht keine Kommunistin, die die Verstaatlichung der Produktionsmittel fordert. Nein, hier bleibt alles im Rahmen der bestehenden Verhältnisse. Anne darf demonstrieren, dass mit Liebe, Verständnis, Kunst (sie trägt Gedichte vor) und vor allem Bildung (Schulen) aus ihr ein nützliches Mitglied der Gemeinschaft wird. Hier wird nicht auf Revolution, sondern auch Evolution gesetzt. Spannend wäre natürlich die Frage, ob neue soziale und politische Ideen wie etwa das Wahlrecht der Frauen angeschnitten werden. Dafür ist es aber in Episode eins, als Anne gerade mal elf Lenze zählt, definitiv noch zu früh.

_Die Inszenierung_

|Sprecher|

Die Hauptrolle der Anne Shirley wird von Marie Bierstedt, der deutschen Stimme von Kirsten Dunst und vielen anderen jungen Schauspielerinnen, mit Enthusiasmus und Einfühlungsvermögen gesprochen. Obwohl Bierstedt wesentlich älter ist als die elfjährige Heldin, klingt ihre Stimme doch ziemlich kindlich. Später, sobald Anne älter ist, darf sie auch ein wenig langsamer und überlegter sprechen.

In Episode eins überschlägt sich Annes Wortflut geradezu. Das fand ich sehr sympathisch und charmant. Den Cuthberts, so ist anzunehmen, muss es wohl ähnlich ergangen sein. Dagmar von Kurmin und Jochen Schröder klingen sehr sympathisch und ihrem fiktiven Alter entsprechend.

Sehr passend fand ich die Stimme der Nachbarin Rachel Lynde, gesprochen von Regina Lemnitz, der Stimmbandvertretung von Whoopi Goldberg. Wenn Rachel und Anne aufeinandertreffen, fliegen die Fetzen, und Anne darf sie schon mal anschreien. Sie ist ja in diesem Frühstadium ihrer Domestizierung noch sehr ungehobelt. Weitere Rollen gibt es nur sehr wenige.

|Geräusche|

Die Geräusche im Hintergrund sorgen für die Illusion einer zeitgenössischen Kulisse für das Jahr 1876, doch sind sie so sparsam und gezielt eingesetzt, dass sie einerseits den Dialog nicht beeinträchtigen, andererseits den Hörer nicht durch ein Übermaß verwirren. Wenn gleichzeitig die Vögel sängen, die Brandung rauschte UND noch eine Kutsche ratterte, würde das als etwas zu viel des Guten empfunden werden. Deshalb erklingen Geräusche in der Regel stets nacheinander. Hinzu kommt ja noch die Musik.

|Musik|

Die Musik ist ebenfalls ziemlich romantisch, voller Streichinstrumente, Harfen und Pianos. Das Klavier wird meist für melancholische Passagen eingesetzt, und diese sind ebenso wichtig wie die heiteren. Der kontrastreiche Wechsel zwischen Heiterkeit, Drama und Melancholie sorgt für die emotionale Faszination beim Zuhörer. Die Musik steuert die Emotionen und untermalt die wichtigsten Szenen, kommt aber nicht ständig im Hintergrund vor. Ebenso wie mit den Geräuschen darf man es nicht übertreiben.

Am Schluss erklingt als Outro die Erkennungsmelodie der Serie: In einem flotten Upbeat-Tempo lassen Streicher, Holzbläser und ein Glockenspiel Romantik, Heiterkeit und Humor anklingen. Alle diese Elemente sind wichtige Faktoren für den Erfolg des Buches gewesen. Warum sollten sie also ausgerechnet im Hörspiel fehlen?

_Unterm Strich_

Das Hörspiel hat mir wider Erwarten Spaß gemacht. Ich dachte, das würde so eine romantische Schmonzette à la „Hanni und Nanni“ oder sogar „Heidi“ sein, aber die Umsetzung lässt nicht nur eine Menge Humor und ernste menschliche Probleme durchblicken, wie man sie in jedem alten Jugendroman findet, sondern legt auch einen Sinn für die ernsten wirtschaftlichen Hintergründe an den Tag.

Allerdings beschritt die Autorin den idealistischen Weg, um die gravierenden gesellschaftlichen Probleme der viktorianischen Epoche zu lösen: Statt wirtschaftlicher und politischer Reformen setzt sie auf die uramerikanische Tugend der Selbstverbesserung, ermöglicht durch Liebe, Bildung und Verantwortungsgefühl. Der Hörer darf sich auf das Aufblühen der Heldin freuen. Ihre Abenteuer sind stets leicht zu verstehen, dienen aber immer wieder der Bewältigung von mehr oder weniger ernsten Schwierigkeiten, auf die Anne Shirley stößt.

Besonderes Vergnügen bereitet auch die akustische Umsetzung des Buches. Hörbaren Spaß haben die Sprecher an ihren Rollen, und insbesondere die Hauptfigur ist von Marie Bierstedt ausgezeichnet gestaltet. Sie schluchzt, lacht, schmollt, flüstert und quasselt, das man sich wundern muss, woher diese Vielseitigkeit stammt. In den Spider-Man-Filmen ist Kirsten Dunst nie so vielseitig. Bierstedts Anne muss sich nicht nur durch Höhen und Tiefen des Herzens lavieren, sondern auch noch weiterentwickeln. Diese Entwicklung ist zwar in Episode eins kaum zu bemerken, aber da kommt noch einiges auf den treuen Hörer zu.

Fazit: Da ich mir nichts vorstellen kann, womit sich dieses teils romantische, teils realistische Hörspiel verbessern ließe – allenfalls etwas mehr Spannung -, verdient es eine Bestnote in der Bewertung.

|Originaltitel: Anne of Green Gables, 1908
65 Minuten auf 1 CD|

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Montgomery, Lucy Maud / Gruppe, Marc / Bosenius, Stephan – Anne in Windy Poplars. Folge 15: Das zweite Jahr in Summerside

_Heiter bis wolkig: Todesfälle und Bekehrungen_

Kanada Ende des 19. Jahrhunderts. (Fortsetzung von „Anne in Kingsport“)

Folge 13: Anne Shirley tritt ihre Rektorinnen-Stelle an der Summerside Highschool an. Schnell muss sie erkennen, dass sie in dem beschaulichen Städtchen keineswegs erwünscht ist. Bereits die Suche nach einer Unterkunft gestaltet sich schwierig, denn der alles beherrschende Pringle-Clan hat sich gegen die Neue verschworen …

Folge 14: Die unverheiratete Pauline Gibson fristet ein trauriges Dasein, denn sie betreut seit vielen Jahren ihre im Rollstuhl sitzende Mutter, die eine äußerst übellaunige Person ist. In einem Anflug von Mitleid ermöglicht Anne der Tochter den Besuch einer Familienfeier, indem sie für einen ganzen Tag die Sorge für die grantige Mrs. Gibson übernimmt …

Folge 15: Anne gibt nicht auf, ihrer biestige Kollegin Katherine Brooke die Freundschaft anzutragen. Vor allem will sie hinter das Geheimnis kommen, warum sich die Lehrerin allen gegenüber so unfreundlich verhält. Ein Aufenthalt auf Green Gables könnte helfen, diesem Ziel näher zu kommen …

Pünktlich zum 100-jährigen Jubiläum gibt es die Abenteuer des sympathischen Waisenmädchens Anne Shirley als Hörspiel-Serie, geeignet für die ganze Familie, gesprochen von den deutschen Stimmen vieler Hollywood-Stars.

_Die Autorin_

Lucy Maud Montgomery (1874-1942) war eine kanadische Schriftstellerin, die besonders durch ihre Jugendbücher um Anne Shirley bekannt wurde: „Anne of Green Gables“ und sechs Fortsetzungen.

Das Manuskript wurde zunächst von mehreren Verlagen abgelehnt, bevor es Montgomery gelang, es zu platzieren. 1908 war sie bereits 34 Jahre alt. Das Buch wurde zu einem Theaterstück verarbeitet, mehrmals verfilmt und in mehr als 40 Sprachen übersetzt.

Die erste Staffel: Anne auf Green Gables

Folge 1: [Die Ankunft 4827
Folge 2: [Verwandte Seelen 4852
Folge 3: [Jede Menge Missgeschicke 4911
Folge 4: Ein Abschied und ein Anfang

Die zweite Staffel: Anne auf Avonlea

Folge 5: [Die neue Lehrerin 5783
Folge 6: [Ein rabenschwarzer Tag und seine Folgen 5806
Folge 7: [Eine weitere verwandte Seele 5832
Folge 8: Das letzte Jahr als Dorfschullehrerin

Die 3. Staffel: Anne in Kingsport (Frühjahr 2009)

Folge 9: Auf dem Redmond College
Folge 10: Erste Erfolge als Schriftstellerin
Folge 11: Die jungen Damen aus Pattys Haus
Folge 12: Viele glückliche Paare

Die 4. Staffel: Anne in Windy Poplars (Herbst 2009)

Folge 13: [Die neue Rektorin 6084
Folge 14: [Ein harter Brocken 6085
Folge 15: Das zweite Jahr in Summerside
Folge 16: Abschied von Summerside

Die 5. Staffel („Anne in Four Winds“) erscheint im Frühjahr 2010.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Erzähler: Lutz Mackensy (Rowan Atkinson, Christopher Lloyd, Al Pacino)
Anne Shirley: Marie Bierstedt (Kirsten Dunst, Kate Beckinsale)
Gilbert Blythe: Simon Jäger (Josh Hartnett, Heath Ledger)
Und viele andere.

Regie führten Stephan Bosenius und Marc Gruppe, der auch das „Drehbuch“ schrieb. Die Illustration stammt von Firuz Askin.

_Handlung_

Nach den Sommerferien scheint sich in Summerside nichts verändert zu haben. Elizabeth Grayson wartet wie immer sehnsüchtig darauf, dass Anne sie zu einem Spaziergang abholt, und Katherine Brooke ist kratzbürstig wie eh und je. Anne nimmt sich vor, diese harte Nuss schon bald zu knacken. Deshalb schlägt sie eine Spendensammelaktion für Katherines Lieblingsprojekt, das Schultheater, vor. Doch Katherine ist nicht dazu bereit, „betteln zu gehen“, wie sie sagt. Deshalb bittet Anne den Schüler Louis Allen, ihr zu helfen. Der Junge ist hellauf begeistert, denn bei der Gelegenheit kann er gleich alte Höfe knipsen, um damit an einem Fotowettbewerb teilzunehmen, bei dem es stolze 25 Dollar zu gewinnen gibt.

|Bettler!|

Doch fast überall wird den „Bettlern“ die Tür gewiesen. Als sie schließlich noch einen allerletzten Versuch starten, zu dem Anne Louis überredet, haben sie kaum noch einen Funken Hoffnung. Doch ausgerechnet hier soll sich alles ändern. Trotz des heruntergekommenen Aussehens des pittoresken Hauses macht Louis ein Foto – klick! Da kommt ein Junge aus der Tür und stellt sich als Teddy Armstrong vor. Seit er seine Mutter vor fünf Jahren verloren habe, meide sein Vater James den Kontakt zu Menschen, aber Teddy nenne er „seinen kleinen Kameraden“. Anne und Louis sind gerührt. Als der Junge ihnen eine Apfeltasche zum Teilen gibt, die sein Vater gebacken habe, freuen sie sich.

Rebecca Dew weiß alles über den Armstrong-Hof und setzt Anne ins Bild. Als Louis drei Wochen später die Fotos von Teddy auf Windy Poplars den Witwen und Rebecca zeigt, finden diese, dass Teddy Armstrong Louis Allen ziemlich ähnlich sehe. Aber Louis wurde doch in New Brunswick geboren! Na und, genau wie James Armstrong …

|Familienähnlichkeit|

Als Anne und Louis den Armstrong-Hof wieder besuchen, um dieses Rätsel aufzuklären, erwarten sie, Teddy wiederzusehen, doch stattdessen öffnet ihnen sein Vater James. Teddy sei eine Woche zuvor an einer Lungenentzündung gestorben, sagt er. Anne und Louis sind erschüttert. Louis gibt ihm das Foto, das er seinerzeit von Teddy und seinem Hund machte, und James ist für dieses Erinnerungsstück sehr dankbar.

Dann zeigt ihm Louis ein Foto, das ihn selbst im Alter von sieben Jahren zeigt – die Ähnlichkeit mit Teddy ist unverkennbar. Louis‘ Mutter hieß Mary Gardiner und ist die Halbschwester von Mr. Armstrong, und somit ist Louis sein Neffe! Er lädt den Jungen ein, bei ihm einzuziehen. Anne ist sehr froh für den Jungen, der nun nicht mehr für seinen Unterhalt schon vor der Schule schuften muss, sondern sich auf seine Ausbildung konzentrieren kann.

|Eine Bekehrung|

Nun gilt es, die harte Nuss Katherine Brooke zu knacken. Anne besucht ihre Stellvertreterin in deren Zimmer, das in einer sehr schäbigen Gegend der Stadt liegt. Darüber wundert sich Anne, denn schließlich bekommt Katherine ja ein Gehalt gezahlt. Ihre Verwunderung wird noch gesteigert, als sie Katherines Hauswirtin begegnet, die ihr schlimme Dinge von ihrer Kollegin erzählt: wie abweisend, eigenbrötlerisch und kratzbürstig sie sei. Neulich habe Katherine um die Erlaubnis gebeten, einen Hund halten zu dürfen, und diese Erlaubnis habe die vergraulte Vermieterin verweigert. Anne gelingt es, ihre Meinung dazu zu ändern. Dann lädt sie Katherine für die Weihnachtsferien nach Green Gables ein. Sie muss all ihre Überredungskunst aufbieten, bis Katherine endlich einwilligt.

Na, das kann ja heiter, denkt sich Anne, als sie mit Katherine den Zug nach Bright River besteigt, und Katherine vorschlägt, lieber zu schweigen als dummes Zeug zu reden. Davy, einer der Zwillinge, die in Green Gables aufgenommen wurden, holt sie am Bahnhof ab. Anne staunt, wie stark er gewachsen ist, und quasselt in einem fort, weil sie sich so freut, ihre Heimat wiederzusehen. Katherine Brooke ist befremdet über die herzliche Art und Weise, wie sie selbst, eine völlige Fremde, von Marilla Cuthbert und Rachel Lynde aufgenommen wird. So etwas ist sie von zu Hause nicht gewöhnt.

Und als sie mit Anne die Gegend per Ski erkundet und die Schönheit der Natur genossen hat, fließt ihr das Herz über und sie beginnt endlich zu erzählen, was mit ihr los ist …

_Mein Eindruck_

Gingen mir die vorherigen Episoden um Elizabeth Grayson und Sophie Sinclair schon ziemlich zu Herzen, so stellt diese Folge das bisher Geschilderte an Rührseligkeit noch in den Schatten. Dass der Tod Teddy Armstrongs durch die Entdeckung aufgewogen wird, dass Louis Allen Mr. Armstrongs Neffe ist, belegt in den Augen der Autorin wohl, dass die Hand des Schicksals – auch „Gott“ genannt – stets nimmt und gibt, aber unterm Strich alles ausgewogen sei. Darüber haben Optimisten und Pessimisten seit Anbeginn der Zeit gestritten, und ich werde nicht auch noch damit anfangen. Dass Waisenkinder ein neues Zuhause finden, ist von Anfang ein Thema der Anne-Serie: Anne wurde als Waisenkind nur durch eine Verwechslung in Green Gables aufgenommen.

Ein weiterer Glaubensgrundsatz der Autorin wird in der zweiten Episode dieser Folge auf die Probe gestellt: Dass nämlich in jedem Menschen ein guter Kern steckt, der sich nach Liebe und Zuneigung sehnt wie eine Blume nach dem Sonnenlicht. Aber bei Katherine Brooke muss Anne Shirley ziemlich lange und hartnäckig die Schale knacken und nach diesem weichen Kern bohren, bis endlich Katherine von sich aus bereit ist, aus ihrem Schneckenhaus hervorzukommen (sie ist vermutlich Sternbild Krebs) und Anne ihr Herz auszuschütten.

Weil Anne zudem glaubt, dass kein Mensch verloren ist, solange er selbst nicht die Hoffnung verloren hat, hilft sie Katherine, ihren Traum zu verwirklichen, eine Ausbildung als Fremdsprachensekretärin zu erhalten und danach in das Land ihrer Sehnsucht zu reisen: in den Orient (von dem sich Ende des 19. Jahrhundert die Bewohner des Okzidents Wunderdinge erzählten, wie man an Karl Mays Reiseerzählungen über Kara Ben Nemsi leicht ablesen kann).

Harte Aufgaben liegen noch vor Anne, so etwa das Aufspüren des Rabenvaters von Elizabeth Grayson und die Verteidigung des Glücks von Sophie Sinclair gegen ihren grantigen Vater, der einiges gegen Sophies ungenehmigte Hochzeit einzuwenden hat.

_Die Inszenierung_

|Die Sprecher|

Die Hauptrolle der Anne Shirley wird von Marie Bierstedt, der deutschen Stimme von Kirsten Dunst und vielen anderen jungen Schauspielerinnen, mit Enthusiasmus und Einfühlungsvermögen gesprochen. Obwohl Bierstedt wesentlich älter ist als die zwanzigjährige Heldin, klingt ihre Stimme doch ziemlich jugendlich. Manchmal darf sie aber auch ein wenig langsamer und überlegter sprechen, besonders mit „verwandten Seelen“.

Unter den weiteren weiblichen Sprecherinnen ragen die der Marilla Cuthbert (Dagmar von Kurmin) und der Rachel Lynde (Regina Lemnitz) heraus, die Anne regelmäßig im Sommer und zu Weihnachten besucht. Regina Lemnitz ist die Inkarnation der Plaudertasche und der wandelnden Gerüchteküche. Außerdem scheint ihre Rachel Lynde Vorsitzende des Dorfverschönerungsvereins zu sein und hat entsprechend viele Sorgen um die Ohren. Und sie ist natürlich die beste Freundin von Marilla Cuthbert, die die Witwe in ihr Haus aufgenommen hat.

|Geräusche|

Die Geräusche im Hintergrund sorgen für die Illusion einer zeitgenössischen Kulisse für das Jahr 1882, doch sind sie so sparsam und gezielt eingesetzt, dass sie einerseits den Dialog nicht beeinträchtigen, andererseits den Hörer nicht durch ein Übermaß verwirren. Deshalb erklingen Geräusche in der Regel stets nacheinander. Um die Epoche zu verdeutlichen, ist kein einziges Auto zu hören, sondern nur diverse Kutschen und Karren.

|Musik|

Die Musik ist ebenfalls ziemlich romantisch, voller Streichinstrumente, Harfen und Pianos. Das Klavier wird meist für melancholische Passagen eingesetzt, und diese sind ebenso wichtig wie die heiteren. Der kontrastreiche Wechsel zwischen Heiterkeit, Drama, Rührung und Melancholie sorgt für die emotionale Faszination beim Zuhörer. Die Musik steuert die Emotionen und untermalt die wichtigsten Szenen, kommt aber nicht ständig im Hintergrund vor. Besonders fiel mir die Variation von Heiterkeit und Rührung, von Verträumtheit und Aufbruchsstimmung auf.

Als Intro erklingt die Erkennungsmelodie der Serie: In einem flotten Upbeat-Tempo lassen Streicher, Holzbläser und ein Glockenspiel Romantik, Heiterkeit und Humor anklingen. Alle diese Elemente sind wichtige Faktoren für den Erfolg des Buches gewesen. Warum sollten sie also ausgerechnet im Hörspiel fehlen?

_Unterm Strich_

Per aspera ad astra – durch die Härten des Lebens zu den Sternen, so lautet auch hier wieder das Motto, das die beiden Episoden dieser Folge verbindet. Die Glaubensgrundsätze Anne Shirleys scheinen sich immer wieder zu bewahrheiten, auch wenn zuweilen etwas nachgeholfen werden muss. Nicht jeder hat eine so privilegierte Stellung wie die Rektorin der Schule, denken die Leute, doch sie setzt sich für Schüler und Gefährten ein, die das Glück im Leben nötiger haben als sie.

Denn sie hat ihr eigenes Glück ja bereits gefunden: Sie ist mit Gilbert Blythe verlobt. Mich hat – wie so manchen Hörer – verwundert, dass sie nicht sofort mit ihm zusammenzieht, um eine Familie zu gründen. Konservative Köpfe hätten so etwas sicher auch von Anne in ihrer Zeit erwartet. Doch Anne ist eben auch eine Frau einer neuen Zeit: Frauen dürfen und sollen Ende des 19. Jahrhunderts selbst arbeiten, bevor sie eine Familie gründen und dem Gatten das Zepter in die Hand geben (was sich noch herausstellen muss).

|Selbstbestimmung der Frau |

Das bedeutet, dass eine Frau ein selbstbestimmtes Selbstwertgefühl aufbauen darf, das ihr hilft, später in der Ehe – unweigerlich die Bestimmung jeder „ehrbaren“ damaligen Frau – eine eigene Position vertreten zu können, etwa in der Frage der Erziehungsweise ihrer Kinder. Außerdem erkennt sich die selbständige Frau als soziales Wesen, das Aufgaben in einer größeren Gemeinschaft als einer Familie über- und wahrnehmen kann. Wozu als Heimchen am Herd versauern, wenn man doch auch in der Gemeinde eine wichtige Rolle spielen kann? (Das erinnert uns daran, dass Anne es war, die den Dorfverschönerungsverein von Avonlea bzw. Bright River ins Leben rief.)

Eine wichtige Sache fehlt Frauen allerdings noch: das allgemeine Wahlrecht. Es ist erstaunlich, wie lange manche Frauen auf dieses Menschenrecht warten mussten. Nicht etwa nur bis 1918, wie in Großbritannien für 30-jährige Frauen der Fall (die restlichen englische Frauen mussten zehn Jahre länger warten), oder bis 1919 in Deutschland, sondern in Frankreich sogar bis nach dem II. Weltkrieg, wie ich neulich gelesen habe. Vielleicht hätten sie wie die Engländerin Emmeline Pankhurst (1858-1928) Bomben legen sollen.

|Das Hörspiel|

Man merkt dem Hörspiel die Mühe und Liebe an, die darauf verwendet wurden. Besonderes Vergnügen hat mir die akustische Umsetzung des Buches bereitet. Hörbaren Spaß haben die Sprecher an ihren Rollen, und insbesondere die Hauptfigur ist von Marie Bierstedt ausgezeichnet gestaltet. Sie schluchzt, lacht, schmollt, flüstert und quasselt, das man sich wundern muss, woher diese Vielseitigkeit stammt. In den Spider-Man-Filmen ist Kirsten Dunst nie so vielseitig. Bierstedts Anne muss sich nicht nur durch Höhen und Tiefen des Herzens lavieren, sondern auch noch weiterentwickeln.

|59 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-4140-5|

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Montgomery, L. M. / Gruppe, Marc / Bosenius, Stephan – Anne in Avonlea. Folge 7: Eine weitere verwandte Seele

_Turbulent: Scharlachnasen und Lavendeldamen_

Kanada Ende des 19. Jahrhunderts. (Fortsetzung von „Anne auf Green Gables“.) Anne genießt ihre letzten Ferientage auf Green Gables. Mit Beginn des neuen Schuljahres wird sie die Lehrerstelle an der Dorfschule von Avonlea übernehmen. Für den kleinen Ort haben Anne und ihre Freunde ehrgeizige Pläne. Flugs wird ein Dorf-Verschönerungs-Verein gegründet. Überschattet werden die Spendensammel-Aktionen durch Probleme mit der Kuh Dolly und einem sehr wütenden neuen Nachbarn …

Folge 6: Anne Shirley wird von den meisten Schülern an der Dorfschule angehimmelt. Aber keineswegs alle mögen die neue junge Lehrerin. Der flegelhafte Anthony Pye hat es regelrecht auf Anne abgesehen. An einem kalten Wintermorgen kommt es zu einer sehr hässlichen Szene in der Schule, die keines der Schulkinder von Avonlea je vergessen wird …

Folge 7: Anne und ihre Busenfreundin Diana Barry verirren sich auf dem Weg zu einer Teegesellschaft. Plötzlich stehen sie vor dem kleinen idyllischen Steinhaus von Miss Lavendar Lewis mitten im Wald. Manches haben die Mädchen über diese scheue Einsiedlerin bereits gehört, was insbesondere Anne neugierig macht, der Dame einen Besuch abzustatten…

Pünktlich zum 100-jährigen Jubiläum gibt es die Abenteuer des sympathischen Waisenmädchens Anne Shirley als Hörspiel-Serie, geeignet für die ganze Familie, gesprochen von den deutschen Stimmen vieler Hollywood-Stars.

_Die Autorin_

Lucy Maud Montgomery (1874-1942) war eine kanadische Schriftstellerin, die besonders durch ihre Jugendbücher um Anne Shirley bekannt wurde: „Anne of Green Gables“ und sechs Fortsetzungen.

Das Manuskript wurde zunächst von mehreren Verlagen abgelehnt, bevor es Montgomery gelang, es zu platzieren. 1908 war sie bereits 34 Jahre alt. Das Buch wurde zu einem Theaterstück verarbeitet, mehrmals verfilmt und in mehr als 40 Sprachen übersetzt.

Die erste Staffel: Anne auf Green Gables

Folge 1: [Die Ankunft 4827
Folge 2: [Verwandte Seelen 4852
Folge 3: [Jede Menge Missgeschicke 4911
Folge 4: Ein Abschied und ein Anfang

Die zweite Staffel: Anne auf Avonlea

Folge 5: [Die neue Lehrerin 5783
Folge 6: [Ein rabenschwarzer Tag und seine Folgen 5806
Folge 7: Eine weitere verwandte Seele
Folge 8: Das letzte Jahr als Dorfschullehrerin

Die dritte Staffel: Anne in Kingsport

Folge 9: Auf dem Redmond College
Folge 10: Erste Erfolge als Schriftstellerin
Folge 11: Die jungen Damen aus Pattys Haus
Folge 12: Viele glückliche Paare

_Die Inszenierung:_

|Die Rollen und ihre Sprecher:|

Erzähler: Lutz Mackensy (Rowan Atkinson, Christopher Lloyd, Al Pacino)
Anne Shirley: Marie Bierstedt (Kirsten Dunst, Kate Beckinsale)
Marilla Cuthbert: Dagmar von Kurmin (Bühnenschauspielerin, Hörspiel-Regisseurin für |Europa|, Stammsprecherin für |Titania Medien|)
Rachel Lynde: Regina Lemnitz (Whoopi Goldberg, Kathy Bates, Diane Keaton)
Diana Barry: Uschi Hugo (Neve Campbell)
Gilbert Blythe: Simon Jäger (Josh Hartnett)
Jane Andrews: Cathlen Gawlich (Jaime King, Amy ‚Fred‘ Acker)
James A. Harrison: Heinz Ostermann (Kammerschauspieler)
Priscilla Grant: Tanja Geke (Judy Greer, Tara Wilson)
Lavender Lewis: Monica Bielenstein (Emma Thompson)
Charlotta die Vierte: Charlotte Mertens
Und viele weitere.

Regie führten Stephan Bosenius und Marc Gruppe, der auch das „Drehbuch“ schrieb. Die Aufnahme leiteten Martin Wittstock und |Kazuya|. Die Illustration stammt von Firuz Askin.

_Handlung_

Endlich sind wieder Sommerferien, und weitere Aufregungen warten auf Anne Shirley und ihre Lieben. Sie freut sich auf den Besuch der bewunderten Romanschriftstellerin Charlotte Morgan, der Tante von Priscilla Grant, auf Green Gables. Doch als alles bereit ist und auf den hohen Besuch warten, trifft dieser nicht ein. Dafür macht sich der Tunichtgut Davy Keith negativ bemerkbar. Erst zerstört er aus Versehen die Törtchen, die in der Küche bereitgestellt waren, dann, wieder aus Versehen, die kostbare Servierplatte, die Anne von Mrs Barry ausgeliehen hatte. Dringend muss Ersatz her. Zum Glück wurde eine passende Servierplatte bei den Schwestern Copp gesichtet.

|Malheur im Entenstall|

Als Anne mit ihrer Busenfreundin Diana Barry dorthin fährt, ist jedoch niemand daheim. Doch wo sie schon mal da sind, können sie ja wenigstens prüfen, ob es die Servierplatte tatsächlich gibt. Gesagt, getan. Anne klettert mit einer Leiter auf das Dach des Entenstalls und von dort späht sie in das Fenster des Dachbodens. Die Platte existiert wirklich, welch eine Erleichterung. Die gefährliche Kletterei war also nicht umsonst. Doch auf dem Rückweg brechen die morschen Dachbalken des Stalls, und auf einmal steckt Anne fest. Just in diesem Moment fängt es an zu regnen. Der Sonnenschirm hält zwar einiges Wasser ab, aber die missliche Lage, in der Anne steckt, bis die Copp-Schwestern zurückkehren, wird Anne noch lange in Erinnerung bleiben. Natürlich bekommt sie die Servierplatte.

|Scharlachrot|

Die letzte Woche der Sommerferien ist angebrochen, und bald wird der Unterricht wieder losgehen. Davor wird Anne noch einmal ihren Haushalt auf Vordermann bringen, während Marilla mit den Zwillingen einkaufen geht. Sie zieht ein altes Kleid an und bindet sich das rote Haar hoch, dann streicht sie Tinktur auf ihre Nase, damit die Sommersprossen verschwinden. Sie ist fast fertig mit dem Umfüllen von Daunenfedern in ihrem Bettzeug, als es an der Tür klopft.

Vor Schreck kippt sie fast aus den Pantinen. Es ist die berühmte Schriftstellerin Charlotte Morgan mit ihrer Nichte Priscilla Grant. Unangemeldet! Beide starren Anne an, die noch diverse Federn im Haar hat. Was soll sie nur servieren?! Anne gerät völlig aus dem Häuschen und überhört gewisse dezente Hinweise auf ihr Aussehen. Sie eilt zu Diana Barry, um was zu essen zu holen, doch Diana darf es sich erlauben, Anne auf ihre Nase hinzuweisen: Sie sei scharlachrot! Au weia, Anne muss die Fläschchen verwechselt haben. Statt Antisommersprossentinktur hat sie Haarfärbemittel erwischt. Wenigstens geht das Zeug leicht ab, und so wird es noch ein schöner Nachmittag mit der Autorin, die Anne vergöttert.

|Das Geheimnis im Wald|

Um einen Weg abzukürzen, gehen Anne und Diana durch den Wald, doch sie nehmen die falsche Abzweigung und verirren sich. Dabei stoßen sie auf ein einsam gelegenes Häuschen, in dem eine ältere Dame und ein junges Mädchen leben. Anne gefällt dieser „verwunschene“ Ort sofort und sie hat keine Angst vor der Dame, die sich als Lavender Lewis vorstellt. Das Mädchen sei ihr Hausmädchen, Charlotta die Vierte.

Anne fällt sofort die Geschichte ein, die sie von Paul und Gilbert über die zwei Verlobten gehört hat, die sich vor rund 25 Jahren im Streit trennten. Was für ein Jammer, denkt sie, aber Lavender mag zwar weiße Haare haben, verhält sie allerdings, als wäre sie immer noch siebzehn – genauso alt wie Anne. Die beiden werden sofort Freunde, und wieder entdeckt Anne eine „verwandte Seele“. Sie fragt, ob sie wohl Paul Irving mitbringen darf, und Lavender sagt ja. Etwas Gutes könnte jetzt beginnen, hofft Anne.

_Mein Eindruck_

Dies ist eine der wichtigsten Folgen der gesamten zweiten Staffel. Nach einem recht komischen Auftakt um die Zerstörung und Wiederbeschaffung einer Servierplatte – teure und daher seltene Keramik in der damaligen Zeit – und um die Beweihräucherung einer bewunderten Schriftstellerin lernt Anne in Lavender Lewis eine weitere „verwandte Seele“ kennen. Sofort tritt ihr Rettungsprogramm in Kraft. Ihre romantischen christlichen Prinzipien sind bereits durch das traurige Schicksal Heather Grays strapaziert worden, nun muss sie einen Ausgleich schaffen, um dem Guten (und somit Gottes Geboten) wieder zum Sieg zu verhelfen.

Aber will Lavender Lewis überhaupt gerettet werden? Sie scheint rundum zufrieden zu sein, obwohl sie zusammen mit ihrem Hausmädchen Charlotta alleine im Wald lebt. Sie hat eine tolle Aussicht, ein tolles Echo und sieht außerdem toll aus – als würde sie in einer Zeitkapsel leben. Wie könnte es Anne da wagen, von Not zu sprechen? Sie hat zunächst Zweifel, ob Rettung angebracht ist, und erzählt erst einmal ganz dezent Paul und dadurch seinem Vater, was mit Stephen Irvings Exverlobter los ist. Das Rettungsprogramm kann schon mal im Hintergrund anlaufen.

Außerdem hat Anne selbst einen Erkenntnisprozess zu durchlaufen. Im Herbst geht sie wieder mal mit Diana, Fred und Gilbert in den Wald, um eine kleine Grillparty zu veranstalten. Dabei rückt ihr Diana den Kopf und Blick zurecht: Gilbert sei gar kein Junge mehr, wie Anne glaube, sondern ein junger Mann. Und Diana verlobt sich demnächst mit Fred, selbst schon eine junge Lady, wie alt muss dann erst Anne sein! Gilbert tituliert Anne dennoch zunächst als eine Dryade, eine Baumnymphe aus der Antike – ein Bildungstrümmerstück zum Renommieren.

Doch schon bald werden die beiden ernster. Sie bittet ihn, ihr seine Freundschaft nicht zu entziehen. Natürlich verspricht er es ihr, denn er insgeheim liebt er sie schon seit Schultagen. Sie muss sich erst noch an den Gedanken gewöhnen, dass Liebe auch ganz einfach wachsen könne und nicht wie ein Donnerschlag auf einen Blick über die Menschen hereinbreche – so beschreiben es nämlich die romantischen Schmonzetten, die sie ständig liest. Wer weiß, was Anne in ihrem Kämmerlein für Geschichten schreibt.

_Die Inszenierung_

|Die Sprecher:|

Die Hauptrolle der Anne Shirley wird von Marie Bierstedt, der deutschen Stimme von Kirsten Dunst und vielen anderen jungen Schauspielerinnen, mit Enthusiasmus und Einfühlungsvermögen gesprochen. Obwohl Bierstedt wesentlich älter ist als die siebzehnjährige Heldin, klingt ihre Stimme doch ziemlich jugendlich. Manchmal darf sie aber auch ein wenig langsamer und überlegter sprechen, besonders mit „verwandten Seelen“.

Sehr gut gefiel mir auch Heinz Ostermann, der Sprecher des Mr. Hamilton. Er legt ihm ein ganzes Spektrum von Grantigkeit, Freundlichkeit und schließlich sogar Zärtlichkeit in den Mund, dass man fast einen gerundeten Charakter vor sich hat.

Unter den weiteren weiblichen Sprecherinnen ragen die der Marilla Cuthbert (Dagmar von Kurmin) und der Rachel Lynde (Regina Lemnitz) heraus. Dagmar von Kurmin muss wie Heinz Ostermann sowohl Strenge als auch Freundlichkeit verkörpern. Regina Lemnitz ist die Inkarnation der Plaudertasche und der wandelnden Gerüchteküche. Außerdem scheint ihre Rachel Lynde Vorsitzende des Dorfverschönerungsvereins zu sein und hat entsprechend viele Sorgen um die Ohren. Und sie ist natürlich die beste Freundin von Marilla Cuthbert, die die Witwe in Folge acht in ihr Haus aufnimmt.

Lavender Lewis, gesprochen von Monica Bielenstein, der deutschen Stimme Emma Thompsons, klingt teils romantisch-verträumt, teils ein wenig traurig, aber stets freundlich und zuvorkommend. Man merkt, dass sie zwar glaubt, mit ihrem Leben zufieden sein zu können, dass ihr aber doch etwas Entscheidendes fehlt. Was könnte es nur sein?

|Geräusche|

Die Geräusche im Hintergrund sorgen für die Illusion einer zeitgenössischen Kulisse für das Jahr 1879, doch sind sie so sparsam und gezielt eingesetzt, dass sie einerseits den Dialog nicht beeinträchtigen, andererseits den Hörer nicht durch ein Übermaß verwirren. Deshalb erklingen Geräusche in der Regel stets nacheinander.

Auffällig häufig ist jedoch die Kombination aus Brandung und Vogelgezwitscher zu hören. Das ist eine Besonderheit der meerumtosten Inselumgebung. Selbstredend erklingen zahlreiche Vogelstimmen, wenn Anne mit ihren Freunden durch den Wald spaziert. Um die Epoche zu verdeutlichen, ist natürlich kein einziges Auto zu hören, sondern nur diverse Kutschen und Karren.

|Musik|

Die Musik ist ebenfalls ziemlich romantisch, voller Streichinstrumente, Harfen und Pianos. Das Klavier wird meist für melancholische Passagen eingesetzt, und diese sind ebenso wichtig wie die heiteren. Der kontrastreiche Wechsel zwischen Heiterkeit, Drama, Rührung und Melancholie sorgt für die emotionale Faszination beim Zuhörer. Die Musik steuert die Emotionen und untermalt die wichtigsten Szenen, kommt aber nicht ständig im Hintergrund vor. Ebenso wie mit den Geräuschen darf man es nicht übertreiben.

Als Intro erklingt die Erkennungsmelodie der Serie: In einem flotten Upbeat-Tempo lassen Streicher, Holzbläser und ein Glockenspiel Romantik, Heiterkeit und Humor anklingen. Alle diese Elemente sind wichtige Faktoren für den Erfolg des Buches gewesen. Warum sollten sie also ausgerechnet im Hörspiel fehlen?

_Unterm Strich_

Große Veränderungen kündigen sich an. Die Zwillinge bleiben nur fest auf Green Gables, und der Besuch der bewunderten Schriftstellerin wird zu einer mittleren Katastrophe – der besonders heiteren Sorte. Nach Annes abenteuerlicher Kletterpartie auf einem Stalldach wendet sich das Geschehen wieder ernsteren Dingen zu, darunter die Begegnung mit Lavender Lewis, deren Leben einen offensichtlichen Mangel aufweist, den man aber nicht offen aussprechen darf. Doch insgeheim startet Anne bereits ihr Rettungsprogramm für diese „verwandte Seele“. Dass sie selbst ebenfalls einer liebenden Person bedarf, realisiert sie erst ziemlich spät. Sie hat nämlich die falsche Vorstellung von Liebe. Aber das lässt sich ja korrigieren.

Besonderes Vergnügen hat mir die akustische Umsetzung des Buches bereitet. Hörbaren Spaß haben die Sprecher an ihren Rollen, und insbesondere die Hauptfigur ist von Marie Bierstedt ausgezeichnet gestaltet. Sie schluchzt, lacht, schmollt, flüstert und quasselt, dass man sich wundern muss, woher diese Vielseitigkeit stammt. In den Spider-Man-Filmen ist Kirsten Dunst nie so vielseitig. Bierstedts Anne muss sich nicht nur durch Höhen und Tiefen des Herzens lavieren, sondern auch noch weiterentwickeln.

|67 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3635-7|

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