Schlagwort-Archive: List

James Bradley – Wrack

Ein alter Mann erzählt von einem verschollenen Entdeckerschiff, will aber vor allem Zeugnis über sein Leben und einige düstere Geschehnisse ablegen … – Vorgeblich ist dies eine Abenteuergeschichte mit Krimi-Elementen, was der Verfasser geschickt als Köder für seine Leser einsetzt, denn primär geht es hier tatsächlich um eine Lebensgeschichte, die jedoch sowohl spannend als auch so geschrieben ist. James Bradley – Wrack weiterlesen

Stephanie Wrobel – Willkommen in Wisewood

Inhalt

Natalie Collins hat seit sechs Monaten nichts von ihrer Schwester Kit gehört. So lange ist sie schon in Wisewood – einer Gemeinschaft, die einem helfen soll, alle Ängste abzuwerfen. Nun erhält Natalie eine Mail aus Wisewood: Möchtest du deiner Schwester selbst sagen, was du getan hast, oder sollen wir das übernehmen? (Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

In “Willkommen in Wisewood” geht es um Familienbande vs. Unabhängigkeit, kämpfen vs. aufgeben sowie Idealismus vs. Realität, denn die Protagonistinnen in dieser Geschichte kennen nur Extreme. Im Grunde geht es jedoch um den Sinn beziehungsweise die Sinnlosigkeit des Lebens, angesichts gesellschaftlicher Normen, die Menschen, die akzeptiert werden wollen in ein Hamsterrad zwingen. Aber sind die Werte in Wisewood besser? Und ist Wisewood ein Retreat, eine Kommune oder eine Sekte? Stephanie Wrobel – Willkommen in Wisewood weiterlesen

Robert Poe – Rückkehr ins Haus Usher

Ausgerechnet die Nachfahren des im Wahnsinn geendeten Roderick Usher führen ein übel beleumundetes Sanatorium, das ins Visier gieriger Finanzhaie gerät, wie der Amateur-Detektiv John Poe herausfindet, ohne den neuerlichen Untergang des Hauses Usher verhindern zu können … – Ein marginal talentierter Neu-Autor nutzt seine (entfernte) Verwandtschaft zum berühmten Schriftsteller Edgar Allan Poe, um sich an dessen Werk zu vergreifen: zumindest aufgrund der Dreistigkeit des Versuchs und seines Scheiterns interessantes (Mach-) Werk.
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Stefan Ahnhem – Und morgen du



Worum gehts?

Kriminalkommissar Fabian Risk hat es aus Schwedens Hauptstadt wieder zurück in seine kleine Heimatstadt Helsingborg gezogen. In erster Linie möchte er mehr Zeit mit seiner Familie verbringen, doch sie kommen noch nicht einmal dazu die Koffer in Ruhe auszupacken, als seine neue Chefin bei ihnen vor der Tür steht. Eigentlich sollte er den Sommer über noch seinen Urlaub genießen, doch ein schwerwiegender Fall fordert ihn bereits jetzt zur Arbeit auf. Die schlimm zugerichtete Leiche eines Mannes wurde in Fabians alter Schule gefunden. Fabian ist erschüttert, der Tote ging in seine Klasse und neben der Leiche liegt ein altes Klassenfoto, auf dem das Gesicht des Toten durchgestrichen wurde. Doch das sollte erst der Anfang einer Mordserie sein. Möchte der mutmaßliche Mörder etwa die ganze Klasse auslöschen? Das würde gleichzeitig bedeuten, dass auch Fabian in großer Gefahr schwebt.

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Brigitte Janson – Winterapfelgarten

Worum gehts?

Claudia Konrad ist eine Frau Anfang Fünfzig und in ihrem Job als Drogistin sehr erfolgreich. Sie zählt zu den besten Verkäuferinnen der Schwan Parfümerie, doch auch das schützt sie nicht vor einer Kündigung. Bei ihrer Tochter Jule läuft es ähnlich schlecht, nach einem schlimmen Reitunfall verlässt sie ihre Wohnung so gut wie nie und igelt sich total ein. Und auch Claudias Freundin Sara hat ihr Päckchen zu tragen, denn sie hat sich erst kürzlich von ihrem Ehemann Christian getrennt. Gemeinsam beschließen die drei Frauen ihrem öden Leben ein Ende zu setzen und statt in Selbstmitleid zu verfallen, die Zügel wieder in die Hand zu nehmen. Das Schicksal führt sie auf einen alten, zwar wunderschönen Apfelhof. Doch auch dort soll das Leben nicht gleich rosarot und unbeschwert sein, doch dann tritt plötzlich die lebensfrohe und resolute Elisabeth in ihr Leben und erweist sich als wahre Wonne für alle drei.

Inhalt

Wie jeden Tag ist Claudia motiviert bei der Arbeit, als sie plötzlich in das Büro ihres Vorgesetzten gerufen wird. Kurzerhand erhält sie trotz guter Umsätze die Kündigung. Sie ist wie vor den Kopf gestoßen, packt ihre sieben Sachen und flüchtet in die Innenstadt. Sie steht ziemlich neben sich, als sie vor ihren Füßen eine Plastiktüte findet. Der Inhalt dieser Tüte ist ein glockenförmiger Apfel, der von Anfang an eine magische Wirkung auf Claudia hat.

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Camilla Läckberg – Die Totgesagten

„Schwedens erfolgreichste Krimiautorin“ – so betitelt der Verlag die junge Frau, deren Foto den Schutzumschlag ziert. Und da Schweden ein ausgesprochen interessantes Land ist, konnte ich nicht umhin, mir den vorliegenden Roman zu gönnen. Jetzt muss er nur noch halten, was da so großartig versprochen wird.

Im kleinen Ort Tanum bekommt die Polizei Verstärkung durch die junge, hochqualifizierte Hanna Kruse. Ihr erster Einsatz: Zusammen mit dem Mittdreißiger Patrik Hedström geht es zum Unfallort einer scheinbar alkoholisierten Frau, die mit ihrem Wagen gegen einen Baum fuhr. Patrik kommt die Sache spanisch vor, denn wie alle Angehörigen bezeugen, hat die Frau in den letzten Jahren keinen Tropfen Alkohol angerührt. Dazu kommen merkwürdige blaue Flecken in der Mundgegend, Spuren von Pflaster im Gesicht und wunde Handgelenke …

Tanum wird zu dieser Zeit Schauplatz einer Reality-Soap, bei der die Teilnehmer zugeteilter Arbeit nachgehen, für Unruhe sorgen und sich feiernd und saufend lächerlich machen sollen. Als die „Barbie“ unter den Teilnehmern übel zugerichtet und tot in einer Mülltonne gefunden wird, lastet der Pressedruck auf Patrik und seinen Mitarbeitern, so dass der Fall mit dem vermeintlichen Autounfall vorerst auf dem Stapel landet. Nach langen Tagen der erfolglosen Ermittlungen wird Patrik unangenehm an den ersten Fall erinnert und sortiert die Prioritäten neu, denn mittlerweile steht zweifelsfrei fest, dass auch dies Mord war. Und während er sich mühsam, langsam und teilweise frustriert durch zwei Mordfälle kämpft, muss er seiner Frau die alleinige Organisation ihrer Hochzeit überlassen.

Das sind nicht einmal alle Baustellen, die Camilla Läckberg auf den 416 Seiten einführt und bearbeitet. Der Ärger mit den Produzenten der Soap wird kurz angedeutet, und als erfahrene Leser überrascht es uns nicht, dass die Dreharbeiten trotz Mord nicht beendet werden, ja im Gegenteil die Tragödie noch ausgeschlachtet wird. Die Gutgläubigkeit der Polizisten ist hier eher überraschend und wirkt etwas naiv. Im Zusammenhang mit der medialen Aufmerksamkeit wirft Läckberg in kleinen Schlaglichtern Brocken über einzelne Interessengruppen ein, die manipulierend auf das kleine Dorf einwirken. Der neue Gemeindevorsitzende hat seinen Einfluss im Blick, der Polizeichef ist durch eine Romanze abgelenkt, würde aber auch sonst nicht produktiv an der Aufklärung arbeiten können. Die einzelnen Teilnehmer der Soap sind allesamt verkrachte Existenzen, deren Motivation in unterschiedlicher Tiefe ausgearbeitet wird und die so weitere menschliche Facetten zum Roman hinzu fügen. Die baldige Frau von Patrik ist überlastet mit ihrem Kind, den zwei Kindern ihrer Schwester Anna und den Vorbereitungen für die Hochzeit, während Anna selbst in Depressionen wegen ihres Exmannes versinkt und die Welt außerhalb ihres Kopfes vergisst. Doch Ericas Ex, mittlerweile guter Freund der Familie, findet einen Weg zu Anna und hilft ihr ins Leben zurück, wo sie sich mit fröhlicher Energie in Ericas Hochzeitsvorbereitungen engagiert und ihren Kindern wieder eine Mutter sein kann.

All das (und noch mehr) entwirft ein tief gehendes menschliches Bild der Umstände, in denen Patrik und sein Team ermitteln müssen. Läckberg schildert in rasch wechselnden Abschnitten aus vielen verschiedenen Perspektiven die Entwicklung an jeder Baustelle, wobei sie je nach Spannungskurve der einen oder anderen Handlung mehr Gewicht verleiht. Diese ständigen Wechsel, die auch oft vom eigentlichen Kriminalgeschehen ablenken, abschweifen und der Ausarbeitung des persönlichen Umfelds der Protagonisten dienen, machen den Einstieg in die Geschichte über mehrere zwanzig Seiten schwer, bis man sich an diese Art zu Erzählen gewöhnt hat und sich nicht mehr mit immer wieder neuen Schauplätzen auseinander setzen muss, sondern die einzelnen „Bauarbeiter“ schon kennt. Ab dem Moment verflechten sich die Stränge langsam zu einem stimmigen Bild und bauen die krimitypische Spannung auf, auch wenn Läckberg mit einer Art des buchinternen Cliffhangers arbeitet, der etwas zu oft angewandt wird und gleichfalls übertrieben wirkt. So ist der Leser in seinem Kenntnisstand den Ermittlern meist hinterher, da sie ihre neuen Erkenntnisse am Ende ihres Absatzes für sich behalten, Läckberg einen oder mehrere Sprünge an andere Schauplätze macht und sich erst dann wieder den wichtigen Erkenntnissen widmet. So fühlt man sich als Leser wiederholt gelackmeiert und an der langen Leine verhungert, was in dieser Ausprägung für einen Punktabzug sorgt.

Die einzig mögliche Lösung wird, auch wenn ihre genaue Bedeutung und Entstehung und das große entscheidende WARUM nur durch Erklärung der Autorin klar gemacht werden kann, schon ziemlich früh erahnbar, und wenn man sich die einzelnen Beziehungen verdeutlicht, stößt man schnell auf den Mörder, obwohl immer die Hoffnung (aus der Erfahrung anderer Leseerlebnisse gewachsen) bleibt, dass die Autorin einen an der Nase herum führt und eine gänzlich überraschende Lösung präsentiert. Doch es bleibt, Überraschung!, wirklich nur bei dieser einen Möglichkeit.

Einzelne Fäden, die Läckberg spinnt, offenbar um das Umfeld lebendiger zu gestalten, bleiben im letzten Drittel des Romans nach und nach in der Luft hängen und machen Platz für die immer drängendere Auflösung der Mordermittlungen. Und auch ein wichtiger Knackpunkt, mit dessen Hilfe schließlich bei Patrik die Erleuchtung eintritt, bleibt unerklärt und wirkt daher wie ein „Deus ex machina“, ein Wunder, das sich wohl jeder Ermittler wünscht. Woher kommen die Haare in Barbies Hand?

Da ich die Vorgängerromane nicht kenne, kann ich sagen, dass es zur guten Lektüre und dem Verständnis in keinster Weise nötig ist, alle Romane gelesen zu haben. In einer anderen Rezension steht allerdings geschrieben, dass die Entwicklung der Protagonisten aufeinander aufbauend sei. Von dieser Seite betrachtet leuchtet es auch ein, woher einige dieser leider für die Geschichte weitgehend unwichtigen Erzählebenen stammen (zum Beispiel um Erica oder Mellberg, den Polizeichef) – hier ging es der Autorin offenbar nur darum, bekannte Charaktere nicht völlig zu vernachlässigen und ihnen irgendwie zu neuem Leben im neuen Roman zu verhelfen. Dem Leser, der wie ich die anderen Romane nicht kennt, bedeuten diese Personen nichts außerhalb dieses Romans, weshalb ihre Anwesenheit sich eher negativ auf die Gesamtwertung auswirkt.

Trotz des relativ geringen Umfangs ist „Die Totgesagten“ vollgepackt mit unterschiedlichsten Charakteren und Handlungsebenen, von denen einige zwar das Umfeld beleben, im Endeffekt aber unaufgelöst bleiben und der Geschichte selbst nicht weiterhelfen. Dabei sind alle Bereiche für sich betrachtet höchst unterhaltsam geschrieben, nur ergeben sie ein etwas unruhiges und überladenes Gesamtbild, dem der Rotstift sicher hätte helfen können. Der Zaunpfahl ist zu riesig, als dass man von der Auflösung noch überrascht sein könnte. Trotzdem bietet die Geschichte hervorragende Unterhaltung, ein Widerspruch, mit dem das Buch nun auskommen muss.

Gebundene Ausgabe: 416 Seiten
ISBN-13: 978-3471350126
Originaltitel: Olycksfågeln
Katrin Frey (Übersetzer)

Der Autor vergibt: (3/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 2,00 von 5)

Jeanne Kalogridis – Leonardos Geheimnis

Die Mona Lisa, die zurzeit im Louvre in der französischen Hauptstadt Paris ausgestellt ist, ist wohl auch das bekannteste Werk Leonardo da Vincis. Immer noch ranken sich Theorien um das wohl berühmteste Gemälde der Welt. Das magische Lächeln der Porträtierten ist unergründlich, fast schon mystisch. Leonardo da Vincis Feingefühl für sanfte Übergänge in den Farbregionen ist meisterhaft und für diese Zeit einmalig. Genauso verhält es sich mit dem Spiel von Licht und Schatten, das sich durch die Kleidung der jungen dargestellten Frau zeigt.

Wer war diese junge Frau? Es gibt verschiedene Spekulationen. War das Modell gar keine lebende Person, sondern nur den Phantasien des Meisters entsprungen? Welche Rolle spielte diese geheimnisvolle Frau mit ihrem sanften aber doch scheinbar humorvollen Blick im Leben des Künstlers? Leonardo da Vinci hat dieses Gemälde bei seinem zweiten Aufenthalt in Florenz gemalt (1503 – 1506) – ist diese Frau eine sehr bekannte Dame des florentinischen Adels?! Da Vinci hat dieses Geheimnis mit ins Grab genommen, Abschriften oder Erklärungen existieren zwar zur Genüge vom genialen Meister, aber nichts davon erklärt die Figur der Mona Lisa.

Eines ist jedenfalls sicher: Das Lächeln der Mona Lisa nahm Leonardo da Vinci auf all seinen späteren Reisen mit. Eine stumme Geliebte, eine treue Gefährtin und ein Angelpunkt in seinem künstlerischen Schaffen, doch eine Frage stellt sich immer wieder: Wer war diese unergründliche Frau?

„Leonardos Geheimnis“ von Jeanne Kalogridis erzählt die Lebensgeschichte der Mona Lisa und von ihrem geheimnisvollen Bezug zum größten Genie seiner Zeit – Leonardo da Vinci.

_Die Geschichte_

Florenz im 15. Jahrhundert. Die Stadt wird regiert von der Familie Medici und ist dadurch ein wichtiger kultureller, wirtschaftlicher und politischer Standort geworden.

Ein Jahr vor der Geburt der Mona Lisa wird Giuliano di Medici Opfer einer Verschwörung der Familie der Pazzi. Ein Attentat bereitet seinem Leben ein vorzeitiges Ende. Lisa di Antonio Gherardini Giocondo, genannt Mona Lisa, bekommt zu ihrem zwölften Geburtstag ein Medaillon von ihrer Mutter geschenkt, auf dem ebendieser Mord dargestellt ist. Damit verändert sich das Leben der wohlbehüteten Tochter eines Florentiner Wollhändlers. Der Bruder des Ermordeten schwört Rache, denn ein Verschwörer und Mörder ist nach der Tat entkommen. Zeuge dieser Tat ist der inzwischen schon berühmte Künstler Leonardo da Vinci, den Mona Lisa schon seit ihrer Kindheit kennt.

In den folgenden Jahren begegnet sie da Vinci immer wieder und eine tiefe Freundschaft beginnt. Mona Lisa verliebt sich in einen Medici, den Neffen des toten Giuliano, und gerät mitten in die politischen Auseinandersetzungen. Sie erlebt die Verbannung der Familie aus Florenz, Krieg und Seuchen sowie den traurigen Tod ihres einzigen Kindes. Leonardo begleitet sie als treuer Freund durch die harten Zeiten.

Er arbeitet unablässig an ihrem Portrait, ein perfektes Abbild ihrer Person. Ein dunkles und großes Geheimnis vertraut er seinem Modell an. Nicht nur die Hintergründe des Mordes werden aufgeklärt, sondern dieses Geheimnis wird das Leben der Mona Lisa auf immer verändern.

_Kritik_

Die Autorin Jeanne Kalogrids geht einer der zahlreichen Theorie um die berühmte Gestalt Mona Lisas nach. Seit dem frühen 16. Jahrhunderts versuchen viele Kunstliebhaber, das berühmteste Lächeln der Welt zu analysieren. Ebenso verhält es sich mit der historischen Person der jungen Frau. Die Identität und die Umstände, unter denen sie gemalt wurde, bleiben ein Geheimnis.

Die wahrscheinlichste Kandidatin unter den Anwärterinnen auf die Person Mona Lisas ist wohl die Protagonistin dieses Buches, Lisa di Antonio Gheradini, Tochter eines wohlhabenden Seidenhändlers. Als junges Mädchen wird Lisa in den luxuriösen Haushalt der Medici eingeführt und lernt die mächtigste Familie Florenz kennen. In den politischen Verwirrungen und dem Niedergang der Familie verliebt sie sie in den jüngsten der drei Söhne des Familienoberhauptes Lorenzo de Medici, Giuliano. In der gleichen Zeit tritt auch Leonardo da Vinci in ihr Leben, der ein geförderter Wissenschaftler der kunstbegeisterten Familie ist.

Nach dem Tode Lorenzo de Medicis erlebt Lisa die Vertreibung seiner Nachkommen aus dem toskanischen Florenz. Leonardo da Vinci erhält kurz vor dem Tode seines Förderers Lorenzo de Medici den Auftrag, heimlich ein Portrait von Mona Lisa zu erschaffen …

Jeanne Kalogridis Roman lebt einzig und allein von seiner Perspektive und der ihrer Protagonistin Lisa de Gheradini. Ihre Entwicklung vom unschuldigen, naiven Mädchen zur starken und leidenschaftlichen Frau ist der rote Faden der Erzählung. Ihre Erlebnisse um und mit der Familie der Medici eröffnen dem Roman eine ungeahnte Tiefe. Inwieweit diese Person noch über eine historische Genauigkeit verfügt, sei dabei erst einmal dahingestellt. Mona Lisa ist eine der wenigen geschichtlichen Gestalten, deren Bildnis die meisten Leser vor Augen haben. Gleichzeitig ist über diese Figur zu wenig bekannt, und die Geheimnisse laden die Autorin geradezu ein, eine Theorie zu entwerfen.

So dicht, wie sie ihre Protagonistin beschreibt, lenkt sie die Aufmerksamkeit, die man den anderen Persönlichkeiten widmen sollte, leider ab. Viele Beschreibungen der Nebencharaktere fallen dadurch viel zu simpel und unglaubwürdig aus. Einzig und allein die erzählerische Gestalt Leonardo da Vincis ist interessant und vielseitig. Seine Loyalität und seine geheimnisumwitterte Persönlichkeit verleihen dem Roman eine spannungsvolle Struktur. Allerdings birgt der erste Teil von „Leonardos Geheimnis“ ziemliche Längen, da dieser nicht aus Lisas Sicht geschildert ist. Die Waage zwischen Lisas Entwicklung und der politischen Situation balanciert die Autorin jedoch geschickt aus.

Jeanne Kalogridis verleiht dem historischen Florenz zur Zeit der Renaissance ein vielfältiges Bild mitsamt der politischen und künstlerischen Aufgeschlossenheit und zugleich dem schon frühzeitigen religiösen Fanatismus. Die Autorin nimmt sich jedoch für einen historischen Roman allzu viele Freiheiten heraus und verfälscht damit die Genauigkeit der recherchierten Gegebenheiten. Historischen Quellen nach zu urteilen, gab beispielsweise nicht Lorenzo de Medici da Vinci den Auftrag, sondern dies geschah auf Wunsch ihres Ehemannes.

Zwar gibt die Autorin interessant die verschiedenen Legenden um die Identität der Mona Lisa wider und schafft damit das Sinnbild einer perfekten Frau, aber alles in allem gelingt es Kalogridis nicht, wahre Lesefreude zu wecken. Zu unglaubwürdig und schwammig sind ihre Theorien mit den Fakten verknüpft.

„Leonardos Geheimnis“ ist ein historischer Frauenroman mit wenig wirklich historischem Hintergrund. Für Leser, die einen unterhaltsamen Roman mit einer starken „Frau“ lesen möchten, ist dieser Roman zu empfehlen. Wer allerdings etwas über das Leben und Wirken Leonardo da Vincis erfahren möchte und sich auch für das Gemälde der Mona Lisa interessiert, dem ist hier eher abzuraten.

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David Quammen – Die zwei Hörner des Rhinozeros

Anderthalb Jahrzehnte stellte David Quammen stellvertretend für wache Zeitgenossen Fragen zum Verhältnis des Menschen zur Natur, um sie im Magazin „Outside“ zu beantworten. 25 dieser Kolumnentexte liegen hier vor. Quammen hinterfragt scheinbar feststehende oder „unwichtige“ Fakten, zeigt erstaunliche Querverweise auf und stellt die herauspräparierten Erkenntnisse zu einem neuen Gesamtbild zusammen. Dabei schweift der Autor unbekümmert aus & ab und schwelgt in Anekdoten. Nicht immer geht die Rechnung auf, aber insgesamt liest und lernt man mit großem Vergnügen.
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Carter, Lin – Tolkiens Universum

Tolkiens „Der Herr der Ringe“ ist an sich schon ein Mammutwerk (meine Ausgabe beispielsweise hat nicht weniger als 1300 eng bedruckte Seiten) und auch (literatur)wissenschaftlich hat man sich immer wieder mit dem Roman auseinandergesetzt. Doch seit der Verfilmung durch Peter Jackson ist nochmal ein ganzer Stoß begleitender Bücher auf den Markt geschwemmt worden, die dem alten und neuen Fan Mittelerde, Elben und böse Zauberringe erklären sollen. Was da Wunder, dass sich auch der |List|-Verlag eine Scheibe vom Kuchen abschneiden wollte. Anders lässt es sich kaum erklären, dass der Verlag ein Buch aus dem Jahre 1969 ausgrub, es mit einem Cover versah, das frappant an das Design der Verfilmungen erinnert, und das Ganze kurzerhand 2002 in deutscher Erstfassung auf den Markt warf. Das Vorwort zur deutschen Ausgabe weist das Buch als „authentisches Dokument der allgemeinen Faszination aus, die Tolkiens mythisches Universum bereits vor Jahrzehnten ausübte.“ Damit ist bereits in blumigen Worten umschrieben, um was es sich bei Lin Carters „Tolkiens Universum“ eigentlich handelt – nämlich ein Buch, das höchstens noch literaturhistorisch von Interesse ist, ansonsten aber komplett veraltet daherkommt. Einsichten in die Grundlagen von Tolkiens Mythologie und die Fundamente seines Weltenentwurfs finden sich höchstens im letzten Teil von Carters Ausführungen.

Lin Carter war selbst Autor von Fantasyromanen; ein Mann vom Fach also. Er editierte für |Ballatine Books| die „Adult Fantasy“-Reihe und interessierte sich augenscheinlich für den Werdegang der Fantasy in der Weltliteratur. Dass ihn Tolkiens Werk, das bei vielen alten Mythen Anleihen nimmt, dabei besonders faszinierte, überrascht kaum. In „Tolkiens Universum“ versucht er nun, anderen Lesern diese Welt nahe zu bringen, schließlich war „Der Herr der Ringe“ zu diesem Zeitpunkt erst gute zehn Jahre auf dem Markt und begann erst langsam, seinen Kultstatus zu entwickeln. Carter betrat zu seiner Zeit also relatives Neuland und tastete sich dementsprechend vorsichtig an sein Studienobjekt heran.

Zunächst bringt er einige biographische Fakten zu Tolkien, seine universitäre Laufbahn als Professor, sein Interesse für alte Mythen und Legenden (hier nennt er besonders den „Beowulf“ und die [„Edda“) 62 und seine Beschäftigung mit der Form des Märchens.
Von da kommt er auf die Entstehungsgeschichte vom „Herrn der Ringe“ und eine erste kleine Rezeptionsgeschichte, die illustriert, dass ein so unhandliches Buch unmöglich einen einfachen Start haben kann. Dieser Teil von „Tolkiens Universum“ ist mäßig interessant, besonders unterhaltsam muten Carters Spekulationen über den Inhalt des [„Silmarillion“ 408 an, das zu dem Zeitpunkt noch nicht veröffentlicht war.

Um seine Studie über den „Herrn der Ringe“ ordentlich vorzubereiten, bietet Carter dann eine Zusammenfassung sowohl des [„Hobbit“ 22 als auch des „Herrn der Ringe“. Auf nicht weniger als 60 Seiten erläuert er, worum es in den Büchern geht und man fragt sich zwangläufig, an welchen Leser diese Zeilen wohl gerichtet sein mögen. Carters Buch werden sicherlich nur zwei Arten Leser in die Hand nehmen: Diejenigen, die den „Herrn der Ringe“ kennen und tiefer in die Materie einsteigen wollen und diejenigen, die noch vorhaben, das Buch zu lesen. Beide Gruppen werden keine 60-seitige Inhaltsangabe benötigen. Für die einen ist sie überflüssig und für die anderen der ultimative Spoiler. Was Carter also mit diesem Teil seines Buches erreichen wollte, bleibt ungeklärt.

Im Anschluss daran nimmt er den Leser mit auf eine Tour durch die Weltliteratur und erklärt ihm, dass die Form des Epos eine Art Urformel der heutigen Fantasy ist und führt als Beweis unzählige bekannte und unbekannte Epen mitsamt Inhaltsangaben auf. Dies mag lesenswert sein, wenn man sich ohnehin für diese Form interessiert und mehr über „Edda“, „Nibelungenlied“, „Beowulf“ etc. erfahren will. Doch auch für diesen Leser ist Carters Buch nicht unbedingt zu empfehlen. Für einen Überblick bringt er einfach zu viel Material auf zu kleinem Raum und büßt dafür die Tiefe seiner Analyse ein. Seine Betrachtungen bleiben oberflächlich und polulärwissenschaftlich, höchstens ein kleiner Appetitmacher auf Texte wie die „Ilias“. Den Hunger muss man jedoch mit anderen Publikationen stillen. Auch bleibt er den Zusammenhang zwischen den genannten Epen und Tolkiens Schaffen schuldig. Vergleiche werden niemals gezogen und somit stehen Carters Betrachtungen zum Epos frei im Raum ohne direkt für die Tolkien-Analyse herangezogen zu werden.

Im letzten Teil kommt Carter dann endlich zur Sache und gräbt einige Primärtexte aus, die Tolkien beeinflusst und inspiriert haben. Der Mehrwert dieser Entdeckungen ist unterschiedlich. So ist es nicht gerade eine Erleuchtung, herauszufinden, dass „theoden“ (bei Tolkien der König Rohans) das angelsächsische Wort für „Fürst einen Stammes“ ist oder dass „myrkwid“ (engl. „Mirkwood“, dt. „Düsterwald“ – Legolas‘ Heimat) 17-mal in der „Alten Edda“ erwähnt wird. Schon erstaunlicher sind die inhaltlichen Zusammenhänge, wenn er beispielsweise den Sternenfahrer Earendil bis zur „Prosa-Edda“ zurückverfolgt und feststellt, dass die Figur (die ebenfalls Earendil bzw. Orvandel heißt) auch dort mit einem Stern in Verbindung gebracht wird. (Bei Tolkien wird Earendil mit seinem Schiff an den Himmel gesetzt und der Silmaril an seiner Stirn leuchtet den Bewohnern Mittelerdes als Stern der Hoffnung – entspricht dem Morgen- und Abendstern.)

Große Erleuchtungen bleiben bei der Lektüre also aus, was sicherlich dem frühen Entstehungsdatum von „Tolkiens Universum“ geschuldet ist. Wer sich für die Rezeptionsgeschichte Tolkiens interessiert, wird hier sicherlich fündig und kann an Carters Ausführungen ablesen, wie „Der Herr der Ringe“ damals aufgenommen wurde. Wer jedoch wirklich etwas über die Hintergründe des Romans erfahren will, der wird in diesem Buch hauptsächlich im Kreis herumgeführt. Eine Publikation neueren Datums ist da empfehlenswerter und materialreicher.