Schlagwort-Archive: Lübbe Audio

James Siegel – Entgleist. Thriller (Lesung)

Ein braver Werbefachmann und Familienvater gerät durch die Verlockungen des Sexus auf moralische Abwege. Womit er nicht gerechnet hat: Er wird wohl für den Rest seines Lebens erpresst. Wenn er nicht schnellstens einen Ausweg findet, hat er die Zukunft seiner kranken Tochter verspielt. Ein Albtraum nimmt seinen Anfang.

Der Autor
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John Sinclair – 164 – Baals Opferdolch (Teil 1 von 2)

Die Handlung:

Ein Hinweis auf das Testament des legendären russischen Heilers Rasputin führte uns zu einem Kloster in der Nähe von St. Petersburg. Auch unser Erzfeind Akim Samaran war auf der Jagd nach dem Testament. Um es zu erlangen, war er sogar bereit, sich mit dem Götzen Baal zu verbünden! (Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

Diesmal hat sich der Verlag an die Hörspielumsetzung des Heftromans mit der Nummer 403 gemacht, das erstmalig am 24. März 1986 am gut sortierten Bahnhofskiosk oder manchmal auch in einer Buchhandlung zu bekommen war.

„Gebt mir ein ‚O‘!“ … war der erste Gedanke, den ich hatte, nachdem ich das Cover gesehen habe. Was auch immer das da ist, es bleibt ein Geheimnis. Vielleicht ist der Zeichner damals ausgerutscht und hat versucht den Fehler zu … vertuschen … oder er wollte nur einfach auf den Dolch hinweisen, der in der Mitte zu sehen ist. Wie werden es nie erfahren.

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Stephen King – Das Mädchen (Lesung)

Muss man noch etwas über Stephen King sagen? Vermutlich nicht, nur dass der erfolgreichste Horrorschriftsteller sich in den letzten Jahren bemüht hat, nicht mehr nur Genre-Horror zu schreiben, sondern sein Spektrum Richtung klassischer englischer Erzählliteratur auszudehnen. Zu diesen – nicht immer einhellig begrüßten – Ausflügen gehören „Dolores“, „Der Buick“ und eben auch „Das Mädchen“. Schrecken und Grauen (keineswegs das Gleiche) haben viele Gesichter. Für King haben Monster ausgedient.

„Die Welt hat Zähne. Und mit denen beißt sie zu, wann immer sie will.“ Diese elementare und niederschmetternde Erfahrung muss in diesem Hörbuch ein Mädchen machen, das nur neun Jahre alt ist (und groß für sein Alter): Patricia McFarland. Kaum ist sie vom Weg abgewichen, zeigt sich eben jene Welt in den Wäldern auf gnadenlose Weise. Aber Trisha hält durch, gerade mal so. Dieses fabelhaft produzierte Hörbuch bietet die ungekürzte, musikalisch und akustisch untermalte Lesung zweier Spitzenkräfte der Sprecherszene: Joachim Kerzel und Franziska Pigulla.

Die Sprecherin

Franziska Pigulla, die deutsche Stimme von Akte-X-Star Gillian Anderson („Scully“), hat bereits mit Joachim Kerzel Ken Folletts Hörbuch „Die Leopardin“ gesprochen. Während ihrer Schauspielausbildung in Berlin trat sie als Sprecherin im Hörfunk hervor. Sie verfügt über ein beeindruckendes Gespür für Dramatik: Ganz gleich, ob sie sanft und weich Liebeserklärungen haucht, mit knurrendem Grollen droht oder mit größter Lautstärke Befehle oder Flüche brüllt – stets kommt sie völlig glaubwürdig und lebendig herüber.
Joachim Kerzel ist die deutsche Stimme von Dustin Hoffman, Jack Nicholson und fast allen Stephen-King-Hörbüchern.

Handlung

Die neunjährige Patricia McFarland geht auf einer Wanderung durch die westlichen Wälder und Vorberge Maines verloren. Eigentlich wollte sie ihrer Mutter und ihrem Bruder Pete, die sich vor lauter Streit nicht mehr an Trishas Existenz zu erinnern schienen, nur eins auswischen: Schaut, ich bin weg – macht euch in die Hosen vor Angst um mich! Es ist wie ein kleiner Selbstmord, mit einem Hilferuf als Botschaft. Doch aus dem kleinen Abstecher wird bitterer Ernst, als sich Trisha immer weiter im undurchdringlichen Urwald des westlichen Maine verliert, aus dem kein Weg herauszuführen scheint. Bis zu ihrer Rettung zehn Tage später verliert sie mehr als zehn ihrer mageren 44 Kilo! Mutterseelenallein kämpft sie sich durch eklige Sümpfe und Schwärme von Stechmücken. Und ein wildes Tier schleicht wie ein Gespenst um sie herum. Schließlich hat sie vor lauter Auszehrung und Krankheit Visionen, so etwa vom Gott der Verirrten, der aus Wespen zu bestehen scheint.

Einzig und allein ihr Walkman-Radio bewahrt sie vor dem Untergang. Sie hört die Reportagen von Baseballspielen in Boston, Massachusetts. Zu den Red Sox gehört ihr verehrter Lieblingsspieler Tom „Flash“ Gordon. Sie trägt eine von ihm signierte Baseballkappe und sein Trikot mit der Spielernummer 36 drauf. Sie muss immerzu an ihn denken und die Art, wie er nach einer erfolgreichen Aktion den Zeigefinger gen Himmel reckt. Auf wen oder was zeigt er da bloß? Auf Gott? Nach mehr als einer Woche, völlig entkräftet, beginnt Tom Gordon sie zu begleiten. Er erklärt ihr, wann ihre letzte Chance, dieses Todesspiel für sich zu entscheiden, gekommen ist: „Gott erscheint immer erst in der zweiten Hälfte des neunten [= letzten] Durchgangs“, also kurz vor Schluss. Und so kommt es, dass sich Trisha in einer schier übermenschlichen Anstrengung das Leben bewahren kann. Denn ihr Widersacher, den sie den „Gott der Verirrten“ nennt, stellt sich ihr in letzter Sekunde in den Weg. Aber Tom Gordon hat sie einen Trick gelehrt, mit dem sie sich zu wehren weiß.

Mein Eindruck

Das Leben als tödliches Baseball-Match? Für die junge, tapfere Trisha schon. Und wie viele kleine Kinder reißen von zu Hause aus, weil ihre Eltern geschieden sind und sie die Trennung unerträglich finden, nur um dann in der Drogenszene oder Prostitution zu enden? Das Leben hat Zähne, und es beißt zu, wenn man es am wenigsten erwartet – diese Lektion bekommt Trisha am eigenen Leib zu spüren. Hier nimmt sich Stephen King ohne allzu viel Spezialeffekte des Schicksals der Opfer von gescheiterten Beziehungen an. Die Kinder sind zudem die schwächsten Opfer. Geliebte Idole wie Tom Gordon helfen offenbar nach Kings Meinung, einiges zu überstehen. Tom erzählt Trisha nicht nur vom Leben, sondern auch von Gott. Der hilft dir nur, wenn du bereit bist, dich nicht selbst aufzugeben. Und das schafft das kleine Mädchen – mit knapper Not. Der Glaube an Tom Gordons Gott steht ihrer Neigung entgegen, sich der Lockung des Gottes der Verirrten zu ergeben: der Verzweiflung durch das Aufgeben der letzten Hoffnung. So findet in ihr der ewige Kampf um das Festhalten an einem Sinn für das eigene Leben statt, den jeder, der in Not ist, ausfechten muss.

Es ist der erste, bislang ungenannte Gott, von dem sie als erstes abfällt, weil er sie nicht unterstützt. Es ist der Gott ihres Vaters. Larry Mcfarland, ein Alkoholiker vor dem Herrn, faselte Trish gegenüber etwas von dem „unterschwellig Wahrnehmbar“ vor. Im Original verwendete er wohl das Wort „subliminal“, korrekterweise. Aber im allgemeinen wird der christlich-jüdische Gott (Jahwe) als „das Sublime“ bezeichnet: das Erhabene, das zugleich Schrecken und Schönheit birgt (seit dem 17. Jahrhundert). Aber das „unterschwellig Wahrnehmbare“ ist nichts, auf das man wie Tom Gordon zeigen und sagen könnte: „Seht her – ich hab’s Gott gezeigt.“ Und einen solchen Gott braucht Trisha unbedingt. Denn sonst unterliegt sie, wie sich zeigt, den Schrecken und der Verzweiflung und der Selbstaufgabe, die ihr der Wespengott, der Gott der Verirrten, der „Herr der Fliegen“, anbietet.

In ihrer „rite of passage“ durchläuft Trisha die verschiedenen Stadien der Verzweiflung. Geprüft bis zum innersten Kern, muss sie sämtliche Werte, die ihr die Welt mitgegeben hat, auf den Prüfstand stellen und sich nach dem Ergebnis richten. Die Erkenntnis von Welt und Gott verwandeln sie völlig, und die Eltern, die an ihrem Krankenhausbett wachen, erkennen die neue Trisha kaum wieder – bis auf ihren Vater, dem sie eine Botschaft übermittelt, die nur ein Baseballfan versteht.

Trisha ist mit Sicherheit die glaubwürdigste weibliche Figur, die King je geschaffen hat, obgleich es sich zunehmend um eine metaphysisch stattfindende Reise handelt, die King erzählt. Seine Prosa war selten so angemessen und wirkungsvoll, auch wenn ab und zu auktoriale Absätze mit Erklärungen eingeschoben sind. Er scheut sich nicht, die peinlichsten Situationen zu schildern und bricht (nur amerikanische?) Tabus, wenn er ein kleines weißes Mädchen Wörter wie „Scheiße“, „Zum Teufel“ und sogar „Fuck you!“ sagen lässt. (Okay, diese Sachen hat sie eigentlich von ihrer Freundin Pepsi Robichaux.) Und er lässt sie sogar in ihre eigene Kacke fallen, wovon sie natürlich nie ein Sterbenswörtchen verraten würde. Die deutsche Übersetzung von Wulf Bergner nimmt ebenso kein Blatt vor den Mund. So geht nichts von der sprachlichen Wucht des Textes verloren, der sich kein Leser entziehen kann.

Die beiden Sprecher wechseln sich ab. Das Buch ist ja in „Durchgänge“ eingeteilt, also Innings wie bei einem zünftigen Baseballmatch. Jeder spricht ein oder zwei solcher Durchgänge. Man kann dadurch sehr gut ihre individuelle Vortragsweise vergleichen. Kerzels Stimme ist natürlich bassbetont, verfügt aber auch über die Fähigkeit, sich in erstaunliche Höhen emporzuschrauben, um Trishas Kinderstimme wiederzugeben. Man könnte nicht sagen, dass er bestimmte Passagen besser oder schlechter liest als seine Kollegin, aber er trägt den Text definitiv schneller vor. Ich hatte den Eindruck, dass er Reisepassagen bevorzugt, während Pigulla überlegende Passagen vorzieht, die Trishas ‚inner space‘ widerspiegeln. Mit ihrem Gespür für Dramatik setzt Pigulla vor allem das Tempo als Haupteffekt ein: sie verzögert vor wichtigen Wörtern oder Sätzen. Sie wispert, kreischt, jauchzt und brüllt – Letzteres in jenes virtuelle Mikro, das die Basellballmatches in Trishas Walkman überträgt. Der Mikro-Effekt wird sehr wirkungsvoll eingesetzt. Meist sind es die bekannten Sportkommentatoren, die Trisha im Radio hört und die sie alle bewertet. Der Mikro-Effekt erlaubt es der Sprecherin, größte Lautstärke einzusetzen. Am besten hat mir gefallen, wenn sie Trisha „Yeah, baby!“ rufen ließ. Die Musik wechselt je nach Anlass und Stimmung – von Hardrock für Action bis hin zu heiterer, trauriger oder angespannter Instrumentierung. Zu den eingesetzten Geräuschen gehören Donnerschläge, aber auch das Zirpen von Grillen oder Heuschrecken – und natürlich Wespen…

Nachwort

Nach dem Epilog folgt noch ein Nachwort des Autors. Das wird von Ulrich Pleitgen gesprochen, was nirgends auf der CD vermerkt ist. King bedankt sich bei den Experten, ist aber selbst ein Fachmann für Baseball. Sein eigener Sohn Owen spielt(e) in der Little League mit – er könnte das Vorbild für Trisha gewesen sein.

Das Hörbuch

Aufgrund der zahlreichen Effekte und der Musikuntermalung rückt dieses Hörbuch schon in die Nähe einer dramatischen Inszenierung, wie sie ein Hörspiel darstellt, nur dass im Hör- oder Radiospiel die Rollen von verschiedenen Sprechern vorgetragen werden. Aber auch so ist „Das Mädchen“ eine höchst dramatische Angelegenheit. Dass es Leser gibt, die diese Erzählung für das langweiligste Buch halten, das sie je von Stephen King gelesen haben, erscheint angesichts der Dramatik, die die Geschichte entwickelt, beinahe unglaublich. Wie auch immer: „Das Mädchen“ kann es an Grauen und Schrecken beinahe mit dem ebenso fabelhaft und effektreich inszenierten Hörbuch „Der Exorzist“ aufnehmen, das Kerzel alleine spricht. Wen diese Aussage verwundert, sei auf das Anhören des entsprechenden Hörbuchs verwiesen. Wer bei einer King-Story auf Berge von Leichen und das eine oder andere UFO oder Alien wartet, dürfte natürlich bitter enttäuscht werden. Das einzige Alien, das hier auftaucht, ist der Wespengott – und der befindet sich zu 99 Prozent in Trishas Einbildungskraft. Die Aliens, die sind wir selber. Was brauchen wir noch UFOs dafür?

Dieses Hörbuch ist seinerzeit (ab 2003) ziemlich teuer gewesen: knapp 45 Euro. Dafür bekommt man schon eine Reihe von DVDs unter 10 Euro. Da aber dieses Buch aus dramaturgischen und ästhetischen Gründen bis auf weiteres nicht verfilmt werden dürfte, stellen Buch und Hörbuch die einzigen Medien dar, in denen man es genießen kann. In der jetzigen Form ist das Hörbuch jeden Cent wert, den man dafür ausgeben muss. In einer Zeit, in der sogar die meisten TV-Filme nur gekürzt gezeigt werden, bietet es zur Abwechslung mal ungekürztes Vergnügen an.

Lesung: 7:25 Std.
Sprecher: Joachim Kerzel, Franziska Pigulla

Lloyd, Alexander – Taran – Der schwarze Kessel

Dieses Hörspiel beruht auf dem zweiten Roman eines fünfbändigen Fantasy-Zyklus, der es vielleicht nicht mit Tolkiens „Herr der Ringe“ aufnehmen kann, der aber ebenso stark auf Mythen und Fantasythemen zurückgreift. Und die Hauptfigur Taran, die im Laufe des Zyklus eindrucksvoll heranreift, lieferte wie Tolkiens „Herr der Ringe“ die Vorlage zu einem Zeichentrickfilm.

|Der Autor|

Lloyd Alexander, geboren 1924, ist der Autor der „Chroniken von Prydain“ (= Britannien). Ähnlich wie bei Tolkien, der mit „The Hobbit“ (1937) zunächst eine Fantasy für Kinder schrieb, beginnt auch Alexander mit einer leichtfüßigen Kinder-Fantasy, um dann jedoch schnell auf tiefere, dunklere Themen sprechen zu kommen. Der erste Band sowie Teile des zweiten Bandes fanden Eingang in einen gleichnamigen Zeichentrickfilm aus dem Jahr 1985: „Taran und der Zauberkessel“.

Der |Taran|-Zyklus

1. „Taran und das Zauberschwein“ bzw. „Das Buch der Drei“ (engl. The Book of Three) (1964)
2. „Taran und der Zauberkessel“ bzw. „Der schwarze Kessel“ (engl. The Black Cauldron) (1965)
3. „Taran und die Zauberkatze“ bzw. „Die Prinzessin von Llyr“ (engl. The Castle of Llyr) (1966)
4. „Taran und der Zauberspiegel“ bzw. „Der Spiegel von Llunet“ (engl. Taran Wanderer) (1967)
5. „Taran und das Zauberschwert“ bzw. „Der Fürst des Todes“ (engl. The High King) (1968) – Gewinner der Newbery Medal, 1969
6. „Der Findling und andere Geschichten aus Prydain“ (engl. The Foundling) (1973) – Sammlung von Kurzgeschichten, die in Tarans Welt Prydain spielen

|Die Sprecher|

„Der schwarze Kessel“ ist eine Produktion des Südwestrundfunks Baden-Baden aus dem Jahr 2004. Die Hörspielbearbeitung besorgte Andrea Otte, die Dramaturgie Klaus Schmitz, die Regie führte Robert Schoen. Die stilechte Musik trug „der deutung und das ro“ bei, die auch schon woanders in Erscheinung traten.

Die Namen der Sprecher sind mir leider nicht vertraut, eine Ausnahme bieten lediglich Tommi Piper und Christian Redl. Doch die eine oder andere Stimme habe ich bereits in Fernsehproduktionen gehört, so etwa Rolf Schult als deutsche Stimme von Anthony Hopkins. Er spricht den Zauberer Dallben.

Erzähler: Jürgen Hentsch

Taran: Tim Sander

Eilonwy: Natalie Spinell (Aussprache: e’lónwi)

Dallben: Rolf Schult ( da[stimmloses th]ben)

Fflewdur Fflam: Jens Harzer ( flodjir flam)

Fürst Gwydion: Tommi Piper

Gurgi: Joachim Kaps

Doli: Michael Habeck ( dolí)

Adaon: Oliver Stokowski ( a’daun)

Ellidyr: André Szymanski ( echi:dir)

Gwystyl: Carl Heinz Choynski (gwistil)

König Morgant: Christian Redl

Orddu / Orwen / Orgoch: Eva Weißenborn (or[stimmhaftes th]i:, orwen, orgoch)

_Handlung_

Der Waisenjunge Taran lebt als Hilfsschweinehirt beim Schmied Coll und einem Magier namens Dallben. Der Magier hütet das magische „Buch der Drei“, das Taran nicht anfassen darf, selbst wenn der Zauberer, wie so oft, mal wieder schlafend meditiert.

Doch die friedlichen Jahre, die auf das Ende seines ersten Abenteuers folgten, haben jäh ein Ende, als sich verschiedene hohe Herrschaften auf dem Gehöft von Dallben und Taran einfinden. Fürst Gwydion hat eine Ratsversammlung beim Zauberer Dallben einberufen. Der Feldherr von Hochkönig Math fordert die anderen Fürst auf, auf eine gefährliche Mission ins Reich Annuvin des Todesfürsten Arawn zu ziehen. Solange Arawn mit Hilfe des magischen schwarzen Kessels weiterhin Zombiekrieger erzeugen könne, werde Prydain nicht sicher sein vor seinem Angriff. Und in letzter Zeit sei Arawn sogar dazu übergegangen, nicht nur Tote zu Kesselkriegern zu machen, sondern auch Lebende, die er einfangen und töten lasse.

Auf dem Feldzug gerät Taran ständig mit dem hochmütigen Prinzen Ellidyr aneinander, der es wirklich auf den „Schweinejungen“ abgsehen hat. Nur Adaon, der Sohn des obersten Barden Taliessin, hilft den Gefährten. Und auch um den Feldzug ist es nicht gut bestellt, denn als Doli, der Zwerg, der sich unsichtbar machen kann, vom Dunklen Tor, dem Eingang zu Annuvins, zurückkehrt, berichtet er, der schwarze Kessel sei gar nicht dort, wo man ihn erwartet habe. Er ist weg!

Doch ein weiterer Zwerg namens Gwystyl beziehungsweise dessen Rabe Kaw wissen, wo sich der Kessel jetzt befindet: in den Marschen von Morva. Und wer wohnt dort? Drei alte Hexen namens Orddu, Orgoch und Orwen, die über Zauberkräfte verfügen. Tarans Gefährten und er selbst entgehen erst dann dem traurigen Schicksal, gefressen oder als Kröten zertreten zu werden, als Taran erwähnt, dass er in der Obhut des Zauberers Dallben lebt. Die drei Hexen erinnern sich sehr gut an das Knäblein Dallben: Sie haben es selbst aufgezogen.

Zwar entdecken die Gefährten den schwarzen Kessel tatsächlich auf dem Grund und Boden der Hexen, doch das nützt ihnen gar nichts. Sie bekommen ihn nur gegen einen hohen Kaufpreis: Taran muss die Spange des Wissens hergeben, die ihm der Barde Adaon in Verwahrung gegeben hatte, als er nach der Schlacht starb.

Doch das ist noch gar nichts gegen den Preis, den der schwarze Kessel für seine Zerstörung fordert: Ein lebendiger Mensch muss freiwillig in den Kessel springen, dieser werde daraufhin zerbersten. Tatsächlich: Hämmer und Stangen richten gegen das magische Monstrum nichts aus, und so müssen ihn die Gefährten durch die Lande zu Fürst Gwydion schleppen, denn der werde schon Rat wissen.

Allerdings haben sie die Rechnung ohne den Ehrgeiz des Prinzen Ellidyr gemacht.

_Mein Eindruck_

Das Hörbuch lässt sich knapp einer Stunde anhören, und doch hat man das Gefühl, eine ausgewachsene, tief gehende Geschichte erfahren zu haben. Das liegt daran, dass es hier nicht mehr darum geht, Wissen und Gefährten zu erwerben, um schließlich damit den eindeutig erkennbaren Gegner von der Gegenseite zu überwinden.

Diesmal sind die Gegner in den eigenen Reihen zu finden: falscher Ehrgeiz, Ruhmsucht und mehrfacher Verrat vereiteln um ein Haar den Erfolg der Guten, die auf der Seite von Recht und Gesetz stehen. Fürst Arawn tritt überhaupt nicht in Erscheinung, allenfalls seine Häscher, die Kesselkrieger. Und so müssen schon bald die Besten dafür büßen, unter ihnen der kluge, seherisch begabte Adaon. Und obwohl er die nahe Zukunft kennt, überlässt er Taran die Entscheidung, wie man weitermachen will: zurück zu Fürst Gwydion oder doch in die Marschen von Morva?

Dieses Taran-Abenteuer ist sowohl sehr spannend als auch anrührend. Das Fazit, das Gwydion und Taran am Schluss ziehen, ist relativ niederschmetternd: Dies ist also die Welt eines Mannes, eine Welt aus Verrat, Blut, Niedertracht und falschem Ehrgeiz. Kann dies alles sein? Nicht wenn man dem Pfad der Ehre und der Wahrheit und der Liebe folgt, sagt Gwydion.

Doch Liebe hat Taran noch nicht kennen gelernt, allenfalls indirekt durch Adaon. Der war nämlich mit Prinzessin Arian Llyn verlobt, und das Unterpfand ihrer Liebe war eben jene Spange, die Taran für den Zauberkessel hergeben musste und die ihrem Träger seherische Kraft verleiht.

So erwirbt ein Symbol der Liebe ein Werk des Bösen, um dieses der Vernichtung zuführen zu können. Nur ein weiteres Opfer kann die Vernichtung dann auch tatsächlich vollbringen. Doch die Wahl des Freiwilligen fällt ganz anders aus als erwartet.

_Das Hörspiel_

Zur Einstimmung beginnt das Hörspiel mit einem keltisch anmutenden, möglicherweise walisischen Volkslied. Es wird noch des Öfteren im Hintergrund angespielt und stammt von einem Duo mit einem bemerkenswerten Namen: „der deutung und das ro“. Dabei handelt es sich um Tobias Unterberg und Robert Beckmann, die bereits die Hörspielproduktion „Schloss Draußendrin“ unterstützten und bei alternativen Bands wie |The Inchtabokatables|, |Milar Mar| oder |Deine Lakaien| mitmischen. Der Zuhörer mit ein wenig Erfahrung in keltisch inspirierter Folk-Musik fühlt sich sofort in selige Zeiten von |Clannad|-Konzerten zurückversetzt. Wo immer man in Irland, Schottland oder Wales als Tourist hingelangt, kann man diese Art von Musik finden. Denn diese Musik ist nicht einfach Touristenattraktion, sondern ein integraler Teil der Identität der keltischen Völker.

Wir sind also schon mal auf der richtigen Baustelle. Sodann entspinnt sich der erste Dialog zwischen Taran, dem hochmütigen Prinzen Ellidyr und Eilonwy. Wenig später tragen die Abenteuer Taran hinfort, bis zum glücklichen Ausgang. Doch bei den walisischen Namen sollte man die Ohren spitzen. Sie sind für unsere Hörgewohnheiten doch recht ungewöhnlich. Siehe dazu meine Aussprachehinweise oben.

Die Stimmen der Sprecher finde ich sehr passend und angemessen. Es gibt kein Zögern, keine falschen Töne, so dass die Sätze ganz natürlich klingen und nicht, als hätte man sie ein Dutzend Mal geübt. Ich war erstaunt, dass Tommi Piper eine derart tiefe und raue Stimme hat, dass er ohne weiteres die Autorität ausstrahlt, die einem Fürsten wie Gwydion gebührt. Bemerkenswert finde ich, dass ein bekannter Schauspieler wie Christian Redl auch einmal Zeit findet, an einem Hörspiel mitzuwirken. Am lustigsten ist sicher die Stimme der quicklebendigen Prinzessin Eilonwy, die Taran in Grund und Boden plappert.

Zu meinem großen Vergnügen gibt es auch ein komödienhaftes Zwischenspiel: der Aufenthalt bei den drei Hexen. Man kann hier durchaus an Shakespeares „wyrd sisters“ am Beginn von „Macbeth“ denken. Tatsächlich spielen die drei Schwestern die Rolle der |parzen| (Schicksalsgöttinnen). Die stimmliche Umsetzung ist sehr gelungen. Orddu verfügt über ein piepsiges Stimmchen, als wäre sie ein Kind. Orwen hat eine relativ normale, mittel-alte Stimmlage, rollt aber das R ganz vorrrtrrefflich. Orgoch als die Älteste hat eine tiefe und heisere Stimme. Zusammen spiegeln die drei Schwestern die Dreifaltigkeit der keltischen Göttin Morrigan wider: die Jungfrau, die Mutter und die Greisin.

Da dies ein Hörspiel ist, gibt es nicht nur Stimmen, sondern – neben der Musikuntermalung – auch Geräusche. Dazu gehören grunzende, quiekende Schweine ebenso wie reißende Harfensaiten. Ständig ist auch das Krächzen des Raben Kaw (sprich: ka’u) zu hören, der sich Taran anschließt. Ein Hang bricht zusammen, und ein Fluss rauscht. Am Schluss erklingen Schlachtgeräusche, Pferdegetrappel und eine mittlere Explosion – das volle Programm.

_Unterm Strich_

„Der schwarze Kessel“ ist ein spannendes Abenteuer, das bereits mehrere unerwartete Wendungen in Tarans Entwicklung enthält und den Helden reifen lässt. Wir wissen immer noch nicht, wer er in Wahrheit ist: ein Findling, aufgezogen von einem anderen Findling, nämlich Dallben. Angesichts der Weisheit und Gerissenheit des Erzählers ist nun mit allem zu rechnen, wenn es in die nächsten drei Abenteuer geht (siehe oben).

Auch diese Hörspiel-Folge besticht wieder durch Professionalität, spannende Unterhaltung und sehr gute Audio-Ausstattung. Das bezieht sich allerdings nicht auf die Ausstattung der CD: Lediglich ein dünnes Faltblatt liegt bei, das uns mit Informationen versorgt. Wahrscheinlich hat der Verlag zugunsten eines niedrigen Verkaufspreises gespart. Das Titelbild ist aber ebenso schön wie das des Buches (es stammt von Geoff Taylor).

|Umfang: 55 Minuten auf 1 CD|

Zoe le Verdier – Mein Leben in Purpur. Erotische Kurzgeschichte (Lesung)

Romantische Erotik: Crescendo des Begehrens

Die purpurfarbene Bluse ist für ihre Trägerin auf wundersame Weise der Schlüssel zu tiefer Leidenschaft und verbotener Erotik. Wird diese magische Anziehungskraft aber auch stark genug sein, die wahre Liebe zu finden? (Verlagsinfo)

Die Autorin

Zoe le Verdier veröffentlichte 1999 die Erzählsammung „Insomnia“, die von Annalisa Boari aus dem Englischen übersetzt wurde. Die Sammlung trägt den deutschen Titel „Schlaflos“ und erschien im Jahr 2000 bei |Bastei-Lübbe|. Die Audiofassung wurde 2001 von Zentaur-Film in Berlin erstellt und im August 2005 bei |Lübbe Audio| veröffentlicht. Von Zoe le Verdier erschien zeitgleich auch das Hörbuch „Vertrauen“.
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Zoe le Verdier – Vertrauen. Erotische Kurzgeschichte (Lesung)

Ein Reigen von Treue und Begehren

Die bedingungslose Liebe zu seiner Frau geht für Tom so tief, dass er Gail ein erotisches Abenteuer mit seinem eigenen Bruder Joe gestattet. Als er aber als Voyeur tatsächlich deren Lust und Begierde miterlebt, wird sein Vertrauen in Gail auf eine harte Probe gestellt.

Die Autorin

Zoe le Verdier veröffentlichte 1999 die Erzählsammung „Insomnia“, die von Annalisa Boari aus dem Englischen übersetzt wurde. Die Sammlung trägt den deutschen Titel „Schlaflos“ und erschien im Jahr 2000 bei |Bastei-Lübbe|. Die Audiofassung wurde 2001 von Zentaur-Film in Berlin erstellt und im August 2005 bei |Lübbe Audio| veröffentlicht. Von Zoe le Verdier erschien zeitgleich auch das Hörbuch [„Mein Leben in Purpur“. 1716
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H. P. Lovecraft / Lin Carter / Robert E. Howard / D. R. Smith / Christian von Aster – Der Cthulhu-Mythos (Lesungen)

Zwei dieser Horror-Erzählungen begründeten den Cthulhu-Mythos, die anderen führen ihn weiter. Die inszenierte Lesung wird getragen von der beeindruckenden und (in Grenzen) wandlungsfähigen Stimme von Joachim Kerzel. Ein Schmankerl sind die Lebensbeschreibung und die Story-Einführungen von „H. P. Lovecraft selbst“, geschrieben von Verleger Frank Festa.

Dieses Produkt wurde zum „Besten Hörbuch/Hörspiel des Jahres 2002“ (Deutscher Phantastik-Preis 2003) gewählt.
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Krüger, Hardy – Szenen eines Clowns

|“Ich glaube, dass sich das Leben oftmals wie ein Clown benimmt. Tragisches erzählt das Leben gern mit einem Grinsen im Gesicht. Ein andermal aber, wenn wir im Zelt vor Lachen brüllen, lässt der Clown Tränen über seine weiße Schminke fließen.“| Das schreibt Hardy Krüger in seiner Einleitung. Recht hat der Mann.

|Der Autor|

Hardy Krüger, geboren 1928 in Berlin (Wedding), war in den späten fünfziger und sechziger Jahren einer der wenigen Weltstars, die aus Deutschland kamen, z. B. in „Einer kam durch“ (1956). Er spielte oft an der Seite seines engsten Freundes Peter Finch, etwa in „Der Flug des Phönix“ und „Das rote Zelt“. In Ostafrika fand er zwischendurch eine zweite Heimat. Er lebt mit seiner Frau Anita in Hamburg und in den kalifornischen Bergen.

_Inhalte_

Der Autor hat auf den zwei CDs eine Auswahl seiner Lebenserinnerungen aus seinem Buch „Szenen eines Clowns“ versammelt und liest die Geschichten selbst vor. Wie er in seinem Vorwort betont, wurden die Geschichten für die Vorlese- und Hörbuchform gekürzt und leicht verändert (was bereits auf deutschen Buch-Lesungen verdutzte Blicke und Kommentare hervorrief). Außerdem sind die Übergänge zwischen den vier Episoden neu hinzugekommen.

Gleich die erste Erzählung, die eigentlich im tiefsten Ostafrika spielt, berührt einen wunden Punkt deutscher Geschichte: den Mauerbau 1961. Als Krüger seine neu erworbene Farm mit einer stabilen Mauer vor den wilden Tieren, etwa Leoparden, schützen will, sind seine Arbeiter zunächst recht angetan davon, denn sie verdienen daran. Aber dann hören sie im Radio vom Mauerbau zu Berlin und geraten schwer ins Grübeln. Was will dieser Deutsche mit seiner Mauer? Wird sie auf dem Feld enden – oder will er auch noch Arusha, die Provinzhauptstadt, damit verschandeln? Wie absurd! Krüger sieht ein, dass die Mauer in den Köpfen existiert, überall.

Auch als Krüger von Zagreb nach Berlin fliegt, um dort einen Film zu synchronisieren, gerät er an die Mauer als Symbol der Unmenschlichkeit der innerdeutschen Grenze. Denn in Zagreb hat man ihm zwar ein Flugticket gegeben, aber nicht nach West-, sondern nach Ost-Berlin. Vorschriftswidrig benutzt der „deutsche Ausländer“ zudem ein TAXI, um vom Flughafen Schönefeld zum Grenzübergang zu gelangen. Da kriegt er was zu hören! Er hätte doch den Autobus nehmen müssen! Krüger versucht sein Glück an einem anderen Übergang, zu dem er sich auf Schusters Rappen begibt. Nur noch wenige Meter bis zur S-Bahn im Bahnhof Friedrichstraße. Denkt er. Da hat er sich aber geschnitten …

Wie grotesk das Leben einem mitspielen kann, erfährt Krüger auch, als er in seinem Lieblingsrestaurant „Fünf Kontinente“ einkehrt. Allerdings hat der Oberkellner gewechselt, und der Nachfolger, bemüht, den Schauspieler ebenso gut zu bedienen, tituliert ihn erst einmal als „werter Herr Buchholz“. Krüger, wie immer cool bleibend, nimmt die Behandlung eine Weile hin, und auch die anderen Gäste machen sich offenbar ein Späßchen daraus herauszufinden, wie diese Sache endet.

Doch dann will sich Krüger gnädig erweisen und weist den Oberkellner, der sich einiges auf seine Promikenntnis einzubilden scheint, auf seinen Irrtum hin: „Ich bin Karlheinz Böhm.“ Der Kellner hat auch damit absolut kein Problem. Erst als Krüger mit der Wahrheit herausrückt und die Ohren spitzenden Gäste beinahe schon vor Lachen unterm Tisch liegen, erkennt der Kellner seinen Fehler.

Die Höhepunkte des Hörbuchs bilden mit Sicherheit die beiden Episoden, in denen Krügers Freund Peter Finch auftaucht. Hier treffen wir Kinokenner auch andere altbekannte Namen wieder: James Stewart und Richard Attenborough beispielsweise. Bei „Frühstück in Moskau“ schlagen die beiden engen Freunde der sozialistischen Überwachungstechnik ein Schnippchen und gelangen zur Erkenntnis, dass nichts den „sozialistischen Hang der Dinge“ zu Absurdität übertreffen kann.

In der urkomischen Episode „Im Tal des Todes“ feiern vier britische Schauspieler mitten im Death Valley, genauer: in Yuma, die Thronbesteigung der englischen Königin: Attenborough, Fraser, Finch & Co. spielen bei „Der Flug des Phönix“ mit und haben ausgerechnet den Bomberpiloten James Stewart dazu auserkoren, „21 Schuss Salut“ abzufeuern. Als Höhepunkt der Feierlichkeiten sozusagen. Danach erhielt Attenborough ein „Telegramm“ vom Buckingham Palace …

Wie sich das Ganze abspielte und der Clown wieder für eine traurige Note sorgte, sollte man selber gelesen oder gehört haben. (Im Buch sind zahlreiche S/w-Fotos der Filmstars bei „Flug des Phönix“ abgedruckt, darunter auch jene berühmte Szene, in der Krüger zu Jimmy Stewart sagt: „Wie kommt es, Captain, dass Sie Dummheit für eine Tugend halten?“)

_Mein Eindruck_

Der frühere Schauspieler und Weltenbummler erzählt seine komischsten Erlebnisse und Abenteuer mit genauer Beobachtungsgabe und leisem Lachen, aber auch mit einem Gespür für den Ernst einer Situation. Da kommt eine geradezu philosophische Stimmung auf.

Hardy Krüger zuzuhören, kommt einer Zeitreise gleich. Seine nuanciert vortragende Stimme, die aus seinen Filmen so bekannt ist, formt gemächlich die Sätze, auf die es ankommt, als habe er alle Zeit der Welt. Hat er ja auch. Denn dies ist kein Bestsellerroman, der um die Hälfte gekürzt wurde, sondern eine Auswahl eigenständiger Erzählungen, die Krüger in optimaler Länge erzählt.

Seine Beobachtungen steuern immer auf einen bestimmten Punkt. Es gibt keine längeren Abschweifungen, und auch die erforderlichen Erklärungen zum Hintergrund einer Szene sind auf das Notwendigste reduziert. Daher entsteht bei jeder Episode eine gewisse Erwartung und sogar Spannung. Man will erfahren, was als Nächstes passiert. Aber die Spannung entsteht häufig aus der ungewöhnlichen Situation selbst, so etwa dann, als man Krüger auch am Bahnhof Friedrichstraße nicht passieren lassen will. In so einer Lage rechnet man mit allem Möglichen, etwa dass man Krüger festnimmt und einbuchtet.

Die Griechen und Römer hatten ihre Schauspieler stets mit je einer lachenden und einer weinenden Maske (= persona) ausgestattet, je nachdem, wie es die Rolle erforderte: die Komödie lag gleich neben der Tragödie. Diese Masken trägt auch der Clown des Lebens, nur eben in ein und demselben Gesicht.

Es gehört ein gewisses Maß an philosophischem Gleichmut dazu, selbst in der komischsten Situation – die Krönungsfeier zu Ehren der Queen etwa – noch über die traurigeren Aspekte der Situation nachzudenken: Jimmy Stewart hatte 1943 Bomben auf Berlin, die Heimatstadt Hardy Krügers, abgeworfen. Wurde dabei ein Freund verletzt oder gar getötet? Und was hatte es zu bedeuten, dass der Pilot des einmotorigen Modells des „Phönix“, Paul Mantz, mit diesem Flieger tödlich verunglückte? Manchmal fällt es nicht leicht zu lachen.

|Die Musik|

… wurde produziert von Thomas Winterhalter. Zu hören sind eine Akustikgitarre (Th. Weichler), eine Ukulele (Olaf Klindtwordt) und ein sehr schönes Tenorsaxophon (Markus Steinhauser).

_Unterm Strich_

Das Hörbuch entführt den Zuhörer mit Krügers Stimme und der Musik von Thomas Winterhalter in eine andere Zeit. Aber ein Nenner bleibt doch stets der gleiche: Ein Deutscher nach dem Krieg in einer Welt, die für ihn sehr seltsam geworden ist – nicht nur in der DDR, in Berlin, sondern auch in den zweiten Heimat Afrika. Und wenn uns die Feierlichkeiten in Yuma eines lehren, dann dies: Die Sieger haben wesentlich mehr Spaß. Krüger machte das Beste aus seiner Situation, und das ist durchaus faszinierend und vergnüglich zu lesen – solange man dabei seine nachdenklichen Töne nicht verdrängt.

|Umfang: 136 Minuten auf 2 CDs|

Gustavus, Frank / Lüftner, Kai – Gesucht: Billy the Kid

_Legende oder Wahrheit: der wilde Wilde Westen_

Mesilla, New Mexico, 13. April 1881: Er war erst 21 Jahre alt, als man ihn zum Tode verurteilte; für jedes Lebensjahr sagte man ihm einen Mord nach: William Bonney, besser bekannt als „Billy the Kid“, der wohl berühmteste Outlaw des Wilden Westens.

Aber war er wirklich nur ein eiskalter Verbrecher? 125 Jahre später (Achtung, Jubiläum!) wird hier seine Geschichte erzählt, ungeschminkt und unrasiert – ein Hörspiel frei nach wahren Begebenheiten, wie etwa dem Rancherkrieg in Lincoln County.

_Die Autoren_

Frank Gustavus ist der Autor, Regisseur und Produzent von aufwändig produzierten Hörspielen wie „Jack the Ripper“, „Der Vampyr oder Gespenstersommer am Genfer See“ und „Die vergessene Welt“, die zeigten, dass auch eine unabhängige kleine Firma wie Ripper Records zu akustischen Großproduktionen in der Lage ist. Zu jedem Hörspiel gibt es im Internet entsprechendes Zusatzmaterial, zu dem nicht zuletzt auch Hörproben gehören. Nur der Vertrieb erfolgt mittlerweile über den mächtigen Apparat des |Lübbe|-Verlags. Die Hörspiele sind zudem radiokompatibel: Jede CD bietet 55 Minuten Material, und bei zwei CDs werden eben zwei Radiostunden daraus: 110 Minuten. Durch die entsprechende Menge an Musik lässt sich dieses Limit locker erreichen und flexibel gestalten.

Kai Lüftner, 1975 in Berlin geboren, ist als Comedian, Texter, Autor, Komponist und Veranstalter tätig. Bei der Hörspielproduktion für und mit |Ripper Records| war er für die Manuskripte, das Sprecherbooking, die Musik, die Regieassistenz und das Marketing mitverantwortlich, macht aber auch eigene Buch-, Musik- und Hörspielproduktionen. Er textet für Kunden aus Wirtschaft und Medien, tritt mit dem Comedy-Projekt „DER EINE und der Kleine“ (www.dereineundderkleine.de) auf und war Teil des Berliner Kabaretts „Die Maulhelden“.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Die Rollen und ihre Sprecher:

Billy the Kid – Sven Plate (Wil Wheaton/“Wesley Crusher“)
Pat Garrett, Sheriff – Ronald Nitschke (Tommy Lee Jones)
The Lonesome Cowboy, Erzähler – Reiner Schöne (Willem Dafoe, Mickey Rourke)
John Bell, Deputy – Jochen Schröder (James Cromwell)
Bob Olinger, Deputy – Helmut Krauss (Marlon Brando, Samuel L. Jackson)
Jesse Evans, Outlaw – Martin Semmelrogge
Bill Morton, Outlaw – Ingo Naujoks
Jimmy Dolan, Rancher, Tunstalls Widersacher – Lutz Riedel (Timothy Dalton, Richard Gere)
Tom O’Folliard – Andreas Fröhlich („Gollum“, John Cusack, Edward Norton, Ethan Hawke)
Charlie Bowdre, Outlaw – Dietmar Wunder (Cuba Gooding jr., Adam Sandler)
Dick Brewer – Matthias Hinze (Matt Damon, James Marsden)
Paulita Maxwell, Billys große Liebe – Carolina Vera (Penelope Cruz in „Blow“)
Pedro Maxwell, ihr Bruder – Rod Gonzalez (|Die Ärzte|)
Alex McSween, Anwalt / John Poe – Michael Pan (Brent Spiner/“Data“)
John Tunstall, Rancher aus England in Lincoln County – Charles Rettinghaus (Robert Downey jr., „Geordi LaForge“)
Buckshot Roberts, Kopfgeldjäger – Frank Gustavus
Chapman – Kai Lüftner
Die Huren – Ilka Bessin und Antje Seibel
u. a.

Das Hörspiel wurde 2006 im Da Capo Studio, Berlin, aufgenommen und in Hamburg gemischt und gemastert. Regie führte Frank Gustavus, dem Kai Lüftner und Antje Seibel assistierten. Für die Aufnahmetechnik war Klaus Trapp zuständig, für die Geräusche Martin Langenbach.

Die Live-Musik stammt von folgenden Herrschaften: Thomas Fietz, Hannes Meissner, Andreas Manhart (leitend), Reiner Schöne, Rod Gonzalez und Kai Lüftner (Titelmelodie).

_Handlung_

Am 20. September 1880 stellt Sheriff Pat Garett mit seinen Deputies Bob und John die Bande von Billy the Kid an einem Ort namens Stinking Springs. Ein heulender Schneesturm erschwert die Sicht auf die Hütte, in der sich wohl mindestens vier von Billys Bande verschanzt haben müssen. Das Schießen wird zum Glücksspiel, und Deputy Bob Olinger erwischt Charlie Bowdre, weil er ihn für Billy hielt. So einen berühmten Outlaw zu „erlegen“ und dafür die fette Belohnung zu kassieren, das macht Bob ganz schön fickrig, und so trifft er eben den falschen. In den Bauch. Es dauert Stunden, bis Charlie den Löffel abgibt. Dann erwischen sie Tom. Kid hingegen will sich nicht ergeben, wird drei Tage lang ausgehungert und kann dennoch entkommen. Dieser Kerl scheint neun Leben zu haben, verdammt!

Vier Monate später hat die Hetzjagd, die Pat Garett auf ihn eröffnet, endlich Erfolg, und Billy wird nicht nur Bewohner eines Single-Hochsicherheitstrakts in Lincoln, Nebraska, sondern auch eine publizistische Berühmtheit, um die sich die Journalisten reißen. Die Reporter wollen ihren Lesern einen wohligen Schauder verschaffen: Endlich ist der berüchtigte Outlaw unschädlich gemacht! Lobet den Herrn und Gouverneur Wallace!

Nachdem Pat Garett verkündet hat, dass er vier Tage auf „Dienstreise“ muss und abgeritten ist, ergreift sein Deputy John Bell, der über Billy ein Buch schreiben will, die günstige Gelegenheit beim Schopfe. Gegen den Protest seines Kollegen Bob Olinger lässt er Billy aus seiner Zelle und nimmt ihm auf dessen Bitten sogar die Handschellen ab, damit sie eine ordentliche Runde Poker spielen können. Dass Billy bei so viel Freundlichkeit auf dumme Gedanken muss, kann man sich leicht ausmalen. Aber voerst erzählt er die wilde Story seines Lebens …

|Die autorisierte Autobiografie des William Bonney|

Geboren in New York City, zog Billy schon bald mit seinem Stiefvater und seiner Mutter nach Santa Fé und Silver City. Doch die Minen waren bereits ausgebeutet und der Stiefvater ging stiften. Der Kampf ums Überleben begann für Billy mit Klauen, Cowboy-Jobs, Schießenlernen. Bis es zum ersten Toten kommt. Ein Besoffener in Camp Grant verhöhnt Billy wegen seiner Sprechweise als Kinderziege, nämlich als „kid“, bis es zu einer Schlägerei kommt, in deren Verlauf der Besoffene einen Bauchschuss erhält …

Billy flieht in die Wildnis von Nebraska und stößt dabei auf die Bande von Jesse Evans, die sich The Boys nennt. Dessen Kollege Bill Morton hat Billy besonders auf dem Kieker, und Billy bricht ihm die Nase. Jesse hat von einem Rancher den Auftrag bekommen, seinem Widersacher John Tunstall Vieh zu stehlen. Dieser Engländer ist Jimmy Dolan und seinem Santa-Fé-Ring aus korrupten Politikern ein Dorn im Auge, weil er ihre Preise unterbietet, nicht nur auf dem Viehmarkt, sondern auch im Gemischtwarenhandel von Lincoln.

Doch statt sich in diesen Händel hineinziehen zu lassen, setzt sich Billy ab und läuft zu Tunstall über. In dessen Diensten bewährt er sich derartig, dass Tunstall ihn liebgewinnt und ihm sogar zum Geburtstag eine Winchester schenkt, die immerhin auf 40 Meter treffgenau ist. Das konnte man von den wenigsten Colts und Flinten behaupten. So ein Gewehr war Gold wert.

Als Sheriff Brady, der vom Santa-Fé-Ring bezahlt wird, mit einem gefälschten Richterbeschluss bei Tunstall auftaucht, wirft dieser ihn raus. In der Folge kommt es zum blutigsten Rancherkrieg des Wilden Westens, dem Lincoln County War. In dessen Verlauf erschießt Jesse Evans Billys Ziehvater John Tunstall und eröffnen das Feuer. Billy und seine Freunde gründen die Gruppe der „Regulatoren“, um Tunstalls Ermordung zu rächen.

Er muss sich nach einer Ballerei, in der er Bill Morton endlich in die Ewigen Jagdgründe schicken kann, nach New Mexico absetzen. In Fort Sumner lernt er zwei wichtige Leute kennen: den Saloonbesitzer Pat Garett und die lokale Schönheit Paulita Maxwell. Sie lädt ihn ein, bei ihrem Bruder Pedro zu logieren, der lieber mit der Gitarre spielt als mit dem Revolver. Leider haben Pat Garett, der sich „Big Casino“ nennt, und Billy „Little Casino“, die unselige Absicht, Sheriff zu werden. Und Pedro erklärt sich im April 1881 bereit, Billy zu verraten.

Doch bis es dazu kommen kann, muss Billy erst einmal aus dem Knast ausbrechen, in dem er Deputy John Bell seine Geschichte erzählt hat. John Bells Herz ist wirklich ein wenig zu weich und zu rechtschaffen für den Wilden Westen.

_Mein Eindruck_

Es waren finstere Zeiten im wilden Wilden Westen, wenn man dem Anspruch „nach wahren Begebenheiten“ glauben darf. Der Ausdruck Krieg oder Terror ist für den Lincoln Country War durchaus angebracht, und wenn da ein braver Bürger auf offener Straße in Brand gesteckt wird, so könnte dies für so manches zarte Gemüt etwas zu heftig sein. Entsprechend disponierte Hörer seien gewarnt.

Das Hörspiel besteht zum größten Teil aus der von Billy Bonney selbst erzählten Lebensgeschichte. Er sitzt also mit John Bell am Pokertisch im Knast von Lincoln und erzählt, wie er wen kennen gelernt oder umgebracht hat. Die Überleitung zu entsprechend spannenden oder wichtigen Szenen liefert häufig der Erzähler, der als Lonesome Cowboy auftritt. Die Szene selbst ist dann wie in einem klassischen Western ausgestaltet. Mit dem Unterschied, dass in Hollywoods Western die Szenen oft nicht so brutal dargestellt wurden. Die einzige Szene, die mir auf Anhieb einfällt, bildet in dieser Hinsicht Sam Peckinpahs „The Wild Bunch“, das jetzt in der SZ-Cinemathek verfügbar ist.

|Authentisch oder nicht|

Die Kardinalfrage ist natürlich, ob wir Billys Darstellung trauen können. Schließlich redet er mit einem Vertreter des Gesetzes. So verwundert es nicht besonders, dass er in der Regel völlig unschuldig an der jeweiligen Tötung ist, die man ihm ebenso regelmäßig als Mord anhängen wird. Mal war sein Kompagnon der Schütze, mal war es Notwehr oder Nothilfe, aber in den seltensten Fällen beging Billy einen Mord.

Die kaltblütige Hinrichtung des unter seinem gestürzten Pferd eingeklemmten Bill Morton dürfte jedoch eindeutig unter der Rubrik „Mord“ einzusortieren sein. Und wie ist es zu nennen, wenn Billy den Revolver seines Herausforders so manipuliert, dass dessen Pistole nicht feuert, sondern auf eine leere Patronenkammer trifft? Dieses Vorgehen zeigt nicht nur die Kaltblütigkeit Billys, sondern auch seine Intelligenz und Schlauheit. In den meisten Rededuellen gewinnt er, kommt er doch aus New York und hat bei John Tunstall eine Ausbildung genossen. In der Mehrzahl der Schießduelle gewinnt er ebenfalls, denn seine Winchester ist eines der besten Gewehre weit und breit (aber das wird nicht ausdrücklich erwähnt; wer „Winchester 73“ gesehen hat, weiß aber Bescheid).

|Billys Glück und Ende|

Tja, da fragt man sich doch, wie es überhaupt so ein übles Ende mit Billy nehmen konnte? Nun, wie bei so vielen Überlebenskünstlern in der Geschichte – von Julius Cäsar bis Hannibal und Arminius – war Verrat im Spiel. Warum Pedro Maxwell allerdings Billy verrät, wird in der entsprechenden Szene nur durch genaues Hinhören klar. Pat Garrett droht, ihn ebenfalls abzuknallen, wenn er nicht tut, was er ihm sagt. Wie Garrett auf Pedro gekommen ist, wird aus den vorangegangenen Informationen klar: Er kannte Paulita und ihr Verhältnis zu Billy, Pats Partner am Spieltisch. Pat brauchte bloß sein Glück auf Pedros und Paulitas Farm zu versuchen und – bingo! – schon stieß er auf Billy.

Diese Szene ist, ihrem Anlass entsprechend, fein säuberlich aufgebaut. Auf der einen Seite haben wir Pat und Pedro, auf der anderen Billy und Paulita. Wie im Film wechselt der Standpunkt, so dass der Hörer aufpassen muss, was gerade passiert, insbesondere dann, wenn nicht geredet wird. Das steigert die Spannung beträchtlich.

|Ironischer Schluss|

Am Schluss gibt es noch zwei ironische Überraschungen, die einem eventuell aufgekommenen Pathos in der Darstellung des Outlaws die Luft rauslassen. Der Lonesome Cowboy, der zweite Erzähler, stellt sich als Kopfgeldjäger heraus und ist somit nicht ganz unparteiisch. Die 500 Piepen für Billys Kopf sind ihm durch die Lappen gegangen, aber, hey, es gibt schließlich einen Trost: Auf den Kopf von Frank und Jesse James ist die zehnfache Summe ausgesetzt!

Einen zweiten Tupfer Ironie liefert der lange Abspann. Ich dachte schon, nach dem Ansagen aller Sprecherrollen sei Feierabend, aber dann kam noch ein Erzähler, der berichtet, was aus den wichtigsten Personen wurde. Paulita Maxwell beispielsweise bekam drei Kinder (wovon möglicherweise das erste von Billy stammte) und wurde 75 Jahre alt, bevor sie an einer Krankheit starb. Das Ironische daran: Von diesen Leuten hat man nie wieder etwas gehört, wohl aber von jenem Outlaw, der schon mit 21 Jahren ins Gras biss: Billy the Kid.

|Das Booklet|

Wie immer bei Ripper-Records-Hörspielen ist auch das Booklet witzig und informativ gestaltet. War es bei „Die vergessene Welt“ ein fiktiver Zeitungsbericht, so ist nun der Steckbrief das gestalterische Markenzeichen für das Aussehen des Booklets – liegt ja auch nahe: Billy the Kids bekanntes Konterfei ziert das Titelbild. Leider fehlen der Schriftzug: „Wanted for Murder“ und die Summe des Kopfgeldes.

Innen sind sämtliche Mitwirkenden auf Fotos abgedruckt, die sie mit diversen Kopfbedeckungen zeigen: meistens sind es Hüte aus dem Wilden Westen, aber einer der Männer trägt auch eine Soldatenkappe und zwei Damen kommen sich auch ohne Hut wohlbehütet vor. Als einzige Frau trägt Antje Streibel einen Hut, und was für ein Trumm.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Bevor die eigentliche Story mit der Titelmusik losgeht, hören wir einen Prolog: das unselige Gefecht bei Stinking Springs. Der Wind des Schneesturms heult, hin und wieder peitscht ein Schuss, und die Männer, die sich hier offenbar ihre edlen Teile abfrieren, fluchen, was das Zeug hält. Schon bald hat es den Ersten erwischt, und er röchelt zum Steinerweichen. Die Tonart für den Rest der Geschichte ist festgelegt und der Hörer gewarnt: Hier herrschen äußerst raue Sitten, und die Typen, die hier auftreten, nehmen kein Blatt vor den Mund.

Wer sich das Hörspiel mehrmals anhört, wird schon bald auf Lieblingsszenen stoßen, so etwa die Konfrontation mit dem Kopfgeldjäger oder der spannende Showdown bei Pedro Maxwell. Aber auch die Wortgefechte zwischen den diversen Maulhelden sind nicht ohne Reiz. Mitunter komisch oder grotesk, dann wieder dramatisch – stets gelingt es dem Regisseur, der Szene ein besonderes Charakteristikum zu verleihen. Die amouröse Tändelei zwischen Billy und Paulita ist in dieser Hinsicht natürlich das komplette Kontrastprogramm zu den üblichen Verbalinjurien.

Die Stimmen sind bei diesen Hahnenkämpfen äußerst wichtig. Jeder hat ja die kernigen Synchronstimmen aus unzähligen Western und TV-Serien wie „Bonanza“ im Kopf, wenn er an einen Western denkt. Dementsprechend glaubwürdig müssen die Stimmen sein. Weicheier haben hier wenig zu suchen, und wenn sie denn doch mal auftreten, wie etwa der kultivierte Gentleman John Tunstall, dann ist es ihnen a) deutlich anzuhören und b) leben sie meist nicht lange. Man kann es aber mit der „kernigen Stimme“ auch übertreiben. Frank Gustavus als versoffener und angeschossener Kopfgeldjäger schrammt in seine Darstellung eindeutig die Grenze zum lächerlichen Chargieren.

In vielen Szenen konnte ich dabei zu meiner Freude feststellen, dass die Möglichkeiten des Stereotons genutzt wurden. So hören wir etwa zwei Streithähne im mittleren Vordergrund, aber die restliche Besucherschar eines Saloons „hinten“ in den Ecken. Hier könnte es sich für den Hörer lohnen, gute Kopfhörer aufzusetzen. Das gilt auch für den Showdown bei Pedro, wo sehr viel Schweigen herrscht, aber umso mehr Geräusche Aufschluss über das Geschehen geben.

|Geräusche und Musik|

Die vorhandene Geräuschkulisse ist einem Film nicht nur angemessen, ich würde sogar sagen, sie übertrifft sie noch an Komplexität und Realismus. Jedes Klappern einer Tasse, jedes Klirren von Sporen, das Seufzen des Windes und das Klimpern von Zaumzeug – es ist ein Wunder, dass die Tonregie den Soundtrack nicht überladen hat. Denn stets stehen die Dialoge im Vordergrund. Ihnen gilt es zu folgen, will man den roten Faden nicht verlieren.

Und diese Gefahr ist angesichts der Fülle des Personals durchaus gegeben. Wer war noch gleich Jimmy Dolan? Auch der namenlose Lonesome Cowboy stellt sich nicht vor. Er ist einfach der Erzähler, der plötzlich in einer Szene als er selbst auftaucht, sich im Saloon einen Drink hinter die Binde kippt und dann wieder weiterreitet. Keine große Sache, aber es ist selten, dass es in einem Hörspiel zwei Erzähler gibt. Der andere ist natürlich Billy.

Die Musik

… ist stilecht und sehr sauber produziert. Davon könnte man glatt eine DVD in Sechskanalton produzieren! Mit „stilecht“ meine ich die Instrumentierung: Westerngitarre (logo!), Mundharmonika und eine recht flotte E-Gitarre nach Country-&-Western-Manier. Das geht manchmal richtig in die Beine, besonders die Titelmelodie. Für Abwechslung sorgen langsame und sogar traurige Intermezzi, einmal spielt auch Pedro auf einer Konzertgitarre ein nettes mexikanisches Motiv.

Auf Gesang wurde zum Glück komplett verzichtet, denn wer sollte da singen? Etwa ein dritter Erzähler? Das wäre denn doch etwas zu viel des Guten gewesen. Und dass ein Lonesome Cowboy eine Gesangsausbildung erhalten haben soll, darüber würden selbst die Hühner lachen. Schließlich ist das hier der wilde Wilde Westen und keine Musicalshow in New Orleans.

_Unterm Strich_

Ein Hörspiel für die Liebhabersammlung. Ebenso sorgfältig produziert wie „Jack the Ripper“ und „Die vergessene Welt“, verwöhnt es den Hörer mit einer feinen Geräuschkulissen, bekannten kernigen Stimmen und einer doch recht annehmbaren Dramaturgie: Jede CD hat ihren eigenen Höhepunkt, wenn nicht sogar mehrere. Ob nun alles, was hier erzählt erzählt, ohne weiteres zu glauben ist, steht auf einem anderen Blatt.

Sicher ist, dass der Hörer durch Musik, Geräusche und Dialoge stilecht in den wilden Wilden Westen versetzt wird, wie er vielleicht wirklich einmal war. Ich fühlte mich durchweg gut unterhalten, denn die Szenen sind dramatisch, spannend und mitunter auch komisch. Doch Komik ist bekanntlich Geschmackssache, und deshalb seien zartbesaitete Gemüter vor den Gewaltszenen gewarnt. Eine „politisch korrekte“ Darstellung hätte aber auf jeden Fall unglaubwürdig gewirkt. Das Booklet mit den Steckbriefkonterfeis der Mitwirkenden belegt jedenfalls, dass die Crew eine Menge Spaß mit ihrem akustischen Spiel hatte. Der Spaß ist dementsprechend auch zu spüren.

|110 Minuten auf 2 CDs|
http://www.ripperrecords.de
http://www.luebbe-audio.de

Birbaek, Michael – Wenn das Leben ein Strand ist, sind Frauen das Mehr

_Leben im Hyperdrive: Von Augenmagneten und Texthuren_

Vik ist ein vielbeschäftiger Drehbuchautor im deutschen Filmgeschäft. Sein Leben verläuft sozusagen im Hyperdrive, er sehnt sich nach Urlaub. Doch die Erwartungen seiner beruflichen Umgebung und die Wünsche seines privaten Umfelds halten ihn ständig davon ab.

Schluss mit dem Aufwachen im falschen Bett! Eines Tags fährt er zum Airport und schnappt sich einen Last-Minute-Flug („Sie müssen aber einen Monat zuvor buchen!“) auf eine Insel und sucht das Meer – und das verlorene Gefühl. Um dann SIE zu finden, doch ist sie die „Richtige“? Wie erkennt man „Miss Right“, wenn man sie trifft?

|Der Autor|

Michel Birbaek wurde zwar in Kopenhagen geboren, lebt aber in Köln und spricht perfekt Deutsch. Dass er sich in der deutschen Medienszene sehr gut auskennt, merkt man nicht nur seinem Buch an, auch seine Mitarbeit als Gagschreiber von Harald Schmidt und Stefan Raab ist ein wichtiger Indikator für seine Beherrschung des Sprachwitzes.

Wie sein Held Viktor ist er Drehbuchautor. Im Buch „Wenn das Leben …“ wird hin und wieder ein Film mit dem ellenlangen Titel „Was mich fertig macht, ist nicht das Leben, sondern die Tage dazwischen“ erwähnt. Davon habe ich noch nie gehört, aber Birbaek hat jedenfalls die literarische Vorlage dafür geschrieben und ebenfalls bei |Lübbe| veröffentlicht.

Der Autor liest sein Buch selbst und macht, wie ich finde, einen sehr guten Job dabei (keine Lacher und Versprecher!). Die Regie führte Kerstin Kaiser. Die poppige Intro- und Abspannmusik stammt von Michael Marianetti.

_Handlung_

Die Geschichte beginnt, als unser Held Viktor aufwacht und eine hübsche Frau namens Body bewundert, die sich im Badezimmer begutachtet. Das Besondere daran: Dies ist nicht Viktors Ehefrau und natürlich auch nicht Viktors Wohnung. Bodys Mann Steffen ist Stuntman beim Film und des Öfteren zu Dreharbeiten außer Haus. Immerhin: Zur Zeit ist Body Viks einzige Freundin, mit der er schläft. Außerdem überarbeitet sie seine Manuskripte für Drehbücher. Als Arbeitseinheit betrachtet, ist er das Hirn und sie die ruhige Hand.

Das erweist sich mal wieder als Vorteil, als sie mit ihrem Auto namens „Monster“ zum nächsten Meeting mit der Filmgesellschaft fahren. Dort warten die Produzentin Selma, ihre Assistentin Schulz-äh und eine Regisseurin namens Pechvögel (mit der Betonung auf „vögel“) auf sie, und wenn sie Pech haben, wird noch ein Skriptdoktor dabei sein, der ihr Elaborat „verbessern“ soll. Solche Leute – allesamt „Schwachmaten“ – bringen Vik regelmäßig auf 180, und er verarscht Pechvögel mit zweideutigen Bemerkungen, doch Body beruhigt ihn ebenso regelmäßig und rettet die Besprechung.

Body ist nur eine der vielen Frauen, die Viks Leben bestimmen. Seine große Liebe Grace ist mittlerweile schon drei Monate weg, doch inzwischen zum Star avanciert. Ob sie ihn anruft, weiß er nur anhand der Rufnummernunterdrückung auf seiner Handy-Mailbox und der fehlenden Message. Body fragt ihn: „Wozu ihr nachtrauern? Selbstmitleid ist was für Weicheier.“ Recht hat die Frau. – Zum Handyterror gehören vor allem Viks Agentin Diana, eine ehemalige Pornodarstellerin, die keinen Mann halten kann („wenn sie meinen Exberuf erfahren, verachten sie mich oder es erregt sie oder erst das eine, dann das andere“).

Diesmal ist Vik auf 180 wegen Diana. Sie hat an ein gewisses Hollywoodstudio mit dem Namen Paramount eine Option auf eines seiner Drehbücher verkauft. Für lau! Und ohne ihn zuerst zu fragen! Zur Beruhigung geht Vik ins nächstbeste Kino. „Kino ist Gruppentherapie. Hier gibt es feste Regeln für das Verhalten, die niemals gebrochen werden.“ Sogar in seinem absoluten Lieblingsfilm „Notting Hill“ mit Julia Roberts und Hugh Grant (und dem verrückten Waliser).

Seit einiger Zeit lebt Vik im Hyperdrive: auf Partys, mit koksenden Promis, seinen Regisseurfreund Nils sieht er auch nur noch selten, seit der es nach Hollywood geschafft hat, und jede Nacht verbringt er in anderen Wohnungen. Der Grund ist ganz einfach: Zu Hause warten Graces Geister auf ihn. Er hat sich vorgenommen, baldmöglichst Urlaub zu machen. Wenn ihn die Frauen mal lassen würden. Anrufe nimmt nur noch sein AB entgegen.

Auch in dieser Nacht schleppt er sich in eine fremde Wohnung und legt sich neben eine Frau, die nicht seine eigene ist. Es ist die achtjährige Jasna, die Tochter seiner WG-Mitbewohnerin Patrizia, ihres Zeichens DJ und Marihuana-Dealerin. Jasna liebt Vik als einzige Frau heiß, innig und bedingungslos. Alle anderen stellen Bedingungen, besonders Patrizia – die will, dass er für Jasna das Sorgerecht übernimmt, obwohl – oder gerade weil – sie nicht seine Tochter ist.

|Die Wende?|

Nach der Ablieferung eines alten Exposées, das er als „neue“ Drehbuchidee verkauft, düst Vik doch tatsächlich in den Urlaub. Aber was heißt hier Urlaub? Eine Woche Halbpension auf irgendeiner Last-Minute-Insel, die er noch von früher her kennt und wo sich die frischgebackenen Pärchen am zweiten Tag mit verschlafenen Augen in die „Schweinebucht“ auf den Teutonengrill legen. Darauf hat Vik absolut keinen Bock, leiht ein Auto und erkundet Küste und Landesinneres. Leider hat sich auch einen Tag vor Abreise noch immer keine Rückkehr des alten Gefühls eingestellt: In seiner Brust herrscht quasi gähnende Leere. Die Tiefe des Meeres klang noch nie so verlockend …

Da lernt er Lena kennen, die er schon am ersten Tag bemerkt hatte, aber wegen emotionaler Lähmung nicht ansprach. Schon bald tauschen die beiden ihre jeweiligen Erfahrungen mit abgehauenen Lieben aus, und um Mitternacht gehen sie gemeinsam an den Strand zum Schmusen.

Ob Lena wohl die Wende in Viks Leben bringen kann? Aber wie erkennt mann „die Richtige fürs Leben“, wenn man ihr begegnet?

_Mein Eindruck_

Natürlich erzählt Birbaek die Geschichte von Vik und seinen Frauen lange nicht so geradlinig, wie ich das in meinem Handlungsabriss tun muss. Zu Anfang rätselt man daher noch, wer dieser Vik eigentlich ist, was er für einen Beruf hat und wo all diese Frauen – große wie kleine – herkommen, sogar die Geister. Stattdessen sieht man sich überspitzt formulierten Betrachtungen über Promis, die Medien, die so genannten „Medienmacher“ und das Kino im Allgemeinen und Besonderen gegenüber. Da gibt es ein paar herrliche One-liner und Aperçus. Diese Kunst hat der Autor ja für Schmidt (leicht erkennbar als „Mr. Late Night“) und Raab („die unvermeidlichen Viva-Moderatoren“) perfektioniert.

|Keine Jammerorgie|

Aber keine Bange! „Wenn das Leben …“ ist keineswegs eine nörgelige Jammerorgie, wie stressig und frustrierend doch das Medienleben sei, sondern ein Reihe sehr anschaulich beschriebener und besonders beim zweiten Anhören bewegender Begegnungen mit – Frauen, was sonst? Dieser Vik kann zuhören, schon klar, ein richtiger Frauenversteher, womöglich sogar ein Weichei, aber doch kein Schwuler. Schön erotische Sexszenen sind hier durchaus zu finden, und nicht zu knapp.

Wer ist denn nun „die Richtige“? Muss sich Vik wie Schillers klassische Helden (Piccolomini in „Wallenstein“) zwischen der erfrischenden Liebe zu Lena (= Neigung) und seiner Pflicht gegenüber Jasna und deren Mutter entscheiden? Herrje, wird man sich nun sagen, die kulturelle Entwicklung bietet doch inzwischen sicher auch ein paar andere Entscheidungsmodelle an, oder? Da hilft nur eines: selber lesen bzw. hören!

|Nicht nur Ladys |

Doch nicht alles dreht sich in der Story um junge Frauen im gebärfähigen Alter. Auf der Insel macht Vik beim „Handtuch-Roulette“ die Bekanntschaft einer über sechzigjährigen „Mumie“, die den jungen, hoffnungslos abgeschlafften Helden so richtig auf Trab bringt, mit etlichen Alkoholrationen, einem „losen Mundwerk“ und entsprechend robustem Humor. Und dann ist da noch Nils, der hoffnungsvolle Regisseur, der nach zwei Filmen (und etlichen Linien Koks) so ausgebrannt ist, dass er auf jeder Party in Tiefschlaf fällt. Witzig, dass ausgerechnet Nils sich weigert, Anglizismen zu übernehmen, die ja gerade im Filmbiz so häufig vorkommen. Nils ist Viks ältester Freund, doch selbst jetzt reden sie nur noch über Filme, Regisseure usw. Bis zu dem Tag, als Vik von Diana zwei Erster-Klasse-Tickets nach Los Angeles (zu Paramount) überreicht bekommt: Nils will seinen Kumpel endlich flennen sehen …

|Still crazy … (Sprache)|

Es ist schon merkwürdig, aber die Geschichte hat mich an mehreren Stellen an Benjamin Leberts Roman „Crazy“ erinnert. Das Buch wurde verfilmt, mit Robert Stadlober, wenn ich mich recht erinnere. Auch hier geht es um die Entdeckung der „Richtigen“ beziehungsweise der Erotik an sich, Quickie-Sex und Münchner Sex-Show inklusive. Wichtiger noch ist aber die Kommentierung des Lebensgefühls einer Generation und zwar in einer Sprache, die dieser angemessen ist.

Birbaek erfindet zahlreiche sprachliche Ausdrücke oder bringt entlehnte Ausdrücke so an, dass sie wie neu funkeln. Ein Wort wie „Lovesound“ ist ebenso wunderschön wie passend, um die nonverbalen Äußerungen von Liebenden während des Aktes zu bezeichnen, besonders aus weiblichem Munde. Ebenso schön ist der Ausdruck „Augenmagneten“, die für Patrizias Augen, und „Minimagneten“, die für Jasnas junge Augen gelten. Jeder weiß, was damit gemeint ist.

Etwas weniger schön ist Nils‘ Ausdruck „meine Texthuren“. Damit meint der Regisseur – hoffentlich ironisch – die Autoren, die ihm das Drehbuch erstellen und je nach Bedarf umschreiben (müssen). Ich schätze mal, auch Gagschreiber könnte man mit diesem ironischen Ausdruck belegen. Ebenso ironisch ist der Fachausdruck „Helfersyndrom“ zu werten. Fast jede von Viks Frauen appelliert an seinen Instinkt, der Lady zu helfen, und zwar selbst dann noch, wenn er emotional erpresst wird. Und dabei wollen sie meistens sein Geld: egal ob es um Steuerschulden geht oder um das Sorgerecht für Jasna. Vik erkennt den Vorgang genau als das, was er ist. Er hilft dennoch. Denn wenn’s um Freunde und Kinder geht, kennt Not kein Gebot.

Diese sprachliche Frische und Lebendigkeit in Verbindung mit der anschaulichen Schilderung hielt mich die ganze Zeit von vier Stunden über bei der Stange. Hey man, schon lange keine so spannende und anrührende Lovestory mehr gehört. Am liebsten würde ich jetzt noch das Buch lesen.

|Der Autor als Sprecher|

Dass Autoren ihre eigenen Texte lesen, ist zwar keineswegs unbekannt, aber immer noch eher die Ausnahme. Das liegt an zwei Gründen. Zum einen stammen die meisten als Hörbücher produzierten Texte von angelsächsischen AutorInnen, die leider kein Deutsch können (und es auch gar nicht nötig haben).

Zweitens ist die Erfahrung, einen deutschsprachigen Autor seinen eigenen Text vorlesen zu hören, nicht immer das Goldene vom Ei. Der Autor neigt eben dazu, selbst zu werten oder auf seinen Text bereits zu reagieren, statt die Reaktion ausschließlich dem Hörer zu überlassen.

Auch Birbaek schrammt haarscharf an dieser Grenze entlang. Besonders im letzten Drittel liest er die lustigen Jasna-Szenen mit einem kaum unterdrückten Lachen in der Kehle. Das kann man ihm als Mensch keineswegs verdenken, doch der Hörer sollte dieses Lachbedürfnis selbst in sich entdecken, indem der Text es in ihm weckt. Zum Glück gelingt Birbaek auch dies. Wenn Vik seine komatös pennende Jasna wieder einmal mit dem Satz „Brad Pitt putzt sich dreimal täglich die Zähne“ weckt (etwas anderes funktioniert nicht), so ist dies ein Verweis auf die erste Jasna-Szene, die genau damit begann. Das zaubert ein Lächeln des Wiedererkennens ins Gesicht des Hörers.

_Unterm Strich_

Die vier Stunden Hörzeit vergingen wie im Flug. Es war nett und interessant, so viele unterschiedliche Menschen kennen zu lernen, besonders die Frauen – und dazu zählt ganz besonders auch die achtjährige Jasna. Das Buch ist gleichermaßen ein Generationenporträt und die Abrechnung mit dem aktuellen Stand des deutschen Filmgeschäfts. Dabei benutzt der Autor nicht ausgelutschte Sprachklischees, sondern ganz bewusst auch neue Prägungen wie etwa „Lovesounds“ (oder habe ich da was verpasst?), setzt viel Ironie ein („Helfersyndrom“, „Handtuch-Roulette“ und „Texthuren“), respektiert aber die Wünsche und Erwartungen von Kindern und ihren Müttern.

Dabei geht der „Held“ Viktor keineswegs leer aus, sondern kriegt die Kurve mit neuem Schwung, neuen Erkenntnissen und neuem Glück. Der Schluss der Story lässt den Hörer mit einem zufriedenen Lächeln zurück. Genau im Sinne des Autors: Der ist Lachfaltenfan.

Welche nun Miss Right ist und wie man sie erkennt? Das müsst ihr schon selbst lesen oder hören!

|Umfang: 242 Minuten auf 4 CDs|

Homepage des Autors: http://www.Birbaek.de/

McFadyen, Cody – Blutlinie, Die

_Makaber: Die Ripper-Boys auf Raubzug_

Das Leben der FBI-Agentin Smoky Barrett scheint völlig zerstört zu sein: Seit sechs Monaten verbringt sie die meiste Zeit in ihrem Zimmer, starrt die Wände an oder lässt sich von ihrem FBI-Psychiater behandeln. Der grausame Doppelmord an ihrem Mann und ihrer Tochter hat die ehemals beste und erfolgreichste Agentin derart geprägt, dass an die Fortsetzung ihrer Polizeikarriere nicht zu denken ist.

Alles ändert sich an dem Tag, da eine von Smokys besten Freundinnen getötet wird. Doch der Mord an Smokys Freundin ist erst der Beginn einer Serie von grausamen Bluttaten, die eine ganze Nation erschüttern wird. Der Täter bezeichnet sich selbst als ‚Jack junior‘ und behauptet, ein Nachfahre des legendären Jack the Ripper zu sein. Außerdem betont er immer wieder, dass es nur einen Menschen gibt, der ihm das Handwerk legen könne: Smoky Barrett. (Verlagsinfo)

_Der Autor_

Cody McFadyen, geboren 1968, unternahm als junger Mann mehrere Weltreisen und arbeitete danach in den unterschiedlichsten Branchen. Der Autor ist verheiratet, Vater einer Tochter und lebt mit seiner Familie in Kalifornien. „Die Blutlinie“ ist sein erster Roman. Weitere Romane mit der Protagonistin Smoky Barrett folgen.

_Die Sprecherin_

Franziska Pigulla, die deutsche Stimme von Akte-X-Star Gillian Anderson („Scully“), hat bereits zahlreiche Hörbücher gesprochen. Während ihrer Schauspielausbildung in Berlin trat sie als Sprecherin im Hörfunk hervor. Ihre Tonaufnahme ist von erstaunlicher Präsenz und sehr deutlich. Sie verfügt über ein beeindruckendes Gespür für Dramatik: Ganz gleich, ob sie sanft und weich Liebeserklärungen haucht, mit knurrendem Grollen droht oder mit größter Lautstärke Befehle oder Flüche brüllt – stets kommt sie völlig glaubwürdig und lebendig herüber. Sie hat u. a. Demi Moore („Ein unmoralisches Angebot“) und Sharon Stone („Begegnungen“) synchronisiert.

Die Textfassung wurde von Dr. Arno Hoven gekürzt. Regie führte Frank Gustavus (|Ripper Records|). Die Musik stammt von Dennis Kassel und Horst-Günter Hank, die Aufnahme leitete Klaus Trapp.

_Handlung_

Durch das Gesicht von FBI-Agentin Smoky Barrett, zurzeit beurlaubt, zieht sich eine Narbe. Sie verläuft von der Stirn über die Nase, die Wange, am Hals entlang, über das Schlüsselbein, Brust und Bauch bis hinab zum Schambein. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass Smoky entstellt sei. Sie fragt sich, ob irgendjemand sie überhaupt noch lieben kann. Ihre Seele ist von Erinnerungen erfüllt, an Geister und ein Monster.

Ihrem FBI-Psychiater Peter Hillstead vertraut sie ihre innersten Ängste an. Das schafft sie aber nur schrittweise, denn jeder Schritt ist voller Schmerz. Bevor diese „Sache“ passierte, hatte Smoky eine tolle Karriere beim FBI hingelegt und war zur führenden Ermittlerin bei CHASTAC geworden, der nationalen Abteilung, die für Gewaltverbrechen und Kindesmissbrauch zuständig ist. Sie war als gute Schützin bekannt und leitete ein gutes Ermittlerteam. 1995 heiratete sie ihre Jugendliebe Matt und bekam eine Tochter, Alexa.

|Dämonen|

Dann kam vor sechs Monaten eines Nachts Joseph Sands in ihre Wohnung und zerstörte diesen Erfolgstraum gründlich. Er tötete ihren Mann, vergewaltigte Smoky und tötete Alexa, bevor es Smoky gelang, ihre Dienstwaffe zu schnappen und ihn zu erschießen. Zumindest ist das der Ablauf, an den sie sich bislang erinnern kann. Wie sie zu ihrem Leidwesen erfahren soll, lief dieser Albtraum in Wahrheit etwas anders ab. Der Albtraum, den sie jeder Nacht aufs Neue durchlebt.

|Das Super-Team|

Hillstead erklärt ihr, dass sie nur eine Wahl habe: sich gleich zu erschießen oder zu ihrem Team zurückzukehren. Also besucht sie die Kollegen. Kelly Thorne, ihre beste Freundin, nennt Smoky immer noch „Zuckerschnäuzchen“ – sie hatte Smoky aufgefunden. Alan Washington, der hoch aufgeschossene Schwarze, begrüßt sie, doch James, der geniale Nervtöter, fragt sie, was diese frühe Rückkehr soll. Genau wie Smoky hat er die seltene Fähigkeit, sich in die Mentalität von Verbrechern einfühlen zu können. Es gibt ein neues Mitglied: Leo Kownes ist Computerspezialist, aber er hat in seinem Leben noch keine einzige Leiche gesehen, jedenfalls nicht aus der Nähe.

|Jack Junior|

Um fünf Uhr morgens ruft Kelly an: Smokys Jugendfreundin Annie King sei in San Francisco ermordet aufgefunden worden. Sie sei vor drei Tagen gestorben. Neben ihr habe man ihre Tochter Bonnie gefunden, die an sie gekettet war. Bonnie sei katatonisch und liege im Krankenhaus. Nachdem sie ihren Schock über Annies Tod sowie den Widerstand ihres Chefs überwunden hat, fliegt sie in die Nebelstadt und lässt sich von den Polizisten den Tatort zeigen.

Das SFPD hat eine E-Mail vom Mörder erhalten. Sie enthält einen Anhang. Der Brief ist an Smoky Barrett, FBI, adressiert. Der Absender beteuert, Bonnie King sei unberührt. Doch ihre Mutter starb langsam – alle Huren müssten sterben. Er selbst stamme aus einer edlen Blutlinie, nämlich der von Jack the Ripper, dem Londoner Hurenmörder, der bekanntlich nie gefasst wurde. Auch ihn, Jack junior, werde man nie fassen. Soll Smoky doch ihr Glück mit ihm versuchen! Gezeichnet: „From Hell.“

Auf Annies Computer hat Leo ein Video vom Ablauf des Mordes gefunden. Er ist grün im Gesicht und kotzt sich die Seele aus dem Leib. Dann schaut sich Smoky die Aufnahme genauer an. Die Höhe der Kamera ist verschieden: Es waren zwei Täter! Jack junior hatte einen gelehrigen Schüler, der ihm half.

Im Krankenhaus besucht Smoky ihre Patentochter Bonnie. In ihrem Testament hat Annie ihre Freundin zu Bonnies Vormund bestimmt. Nun muss Smoky dieses Mädchen, das sie kaum kennt und das nicht sprechen will, an Alexas Statt als ihre Tochter annehmen. Es ist wie eine zweite Geburt: schmerzhaft, tränenreich.

Wenig später erhält Smoky eine weitere Mail: Jack junior wird ungeduldig. Er werde ihr und den Mitgliedern ihres Teams schrittweise etwas wegnehmen, das sie lieben, wenn sie nicht schnellstens Jagd auf ihn mache. Smoky fragt sich, warum Jack junior so scharf darauf ist, verfolgt zu werden. Doch die Antwort folgt umgehend. Er sei ein Raubtier, und wie jeder Ripper müsse er seinen eigenen Inspektor Abaline haben, so wie sein berühmter Vorfahr. Aber woher weiß der Killer so viele intime Details über seine Verfolger?

Als erneut eine Prostituierte ermordet aufgefunden wird, weiß Smoky, dass die Zeit knapp geworden ist. Die Jagd beginnt.

_Mein Eindruck_

Wie der Titel schon verrät, geht es um Abstammung und die Bindungen, die damit verbunden sind. Smoky hat ihre Familie und damit fast alle ihre menschlichen Bindungen verloren: ihren Mann, Partner und Geliebten, aber auch ihr Kind, das ihre eigene Blutlinie weitergeführt hätte. Von ihren eigenen Eltern ist hier nicht die Rede. Als sie Alexa verloren hat, wird ihr eine neue Tochter anvertraut: Bonnie King. Indirekt kann ihre Blutlinie weitergeführt werden. Smoky nimmt sich ein Vorbild an Alans Frau Elena, die für sie offenkundig eine „Urmutter“ ist, die sofort mütterliche Wärme verströmt und Vertrauen einflößt. Der Prozess des „Bondings“ mit Bonnie ist lange, aber sehr intensiv. Es fließen auf beiden Seiten Ströme von Tränen, denn Tränen sind schließlich „das Blut der Seele“.

|Kellys Blutlinie|

Auch Kelly Thorne wird wieder Mutter, aber auf andere Weise, als sie erwartet hätte. Jack junior zeigt ihr das gemailte Foto einer Nackten mit dem Kopf von Kelly. Oder ist es jemand anderes? An der Adresse des Website-Betreibers stoßen die Agenten aber nicht auf eine Firma, sondern auf eine junge Frau mit einem Baby auf dem Arm. Die alleinstehende 29-Jährige ist Kelly wie aus dem Gesicht geschnitten – kein Wunder: Bei Marilyn Gale handelt es sich um Kellys leibliche Tochter, die sie im Alter von 15 Jahren auf Betreiben ihres Vaters, der einen Skandal fürchtete, zur Adoption freigeben musste. Kelly haut dieses Wiedersehen natürlich um. Sie und Marilyn versuchen wieder ein Bonding, doch um ein Haar hätte Kelly es nicht geschafft – eine Kugel bedroht ihr Leben.

|Jack junior|

Ganz anders sieht das Bild auf der Seite von „Jack junior“ aus. Bei ihm (und seinen Schülern) ist an die Stelle des Blutes eine erdichtete Abstammung – eine Linie, die mit Blut gezogen wurde – vom berühmtesten weil unbestraften Frauenmörder der Geschichte getreten: Jack the Ripper. Jack junior, der sich „Shadowman“ nennt, schickt der ungläubigen Smoky sogar einen „Beweis“ in einem Glas: die Gebärmutter einer der von Jack the Ripper getöteten Frauen (Annie Chapman). Dieses makabre Organ lässt sie natürlich gleich untersuchen. Ein Profiler kommt zu dem Schluss, dass Jack junior einer Gehirnwäsche unterzogen worden sein muss, denn das Organ sei nicht menschlichen Ursprungs.

|Die Ripper Boys|

Doch wer kann solch eine Gehirnwäsche durchgeführt haben? Ist Jack junior selbst nur ein „Schüler“ eines noch unheimlicheren Mentors, der noch in Erscheinung treten wird? Und werden sowohl Mentor als auch Schüler weitere Schüler in Online-Foren und Chatrooms rekrutieren, um eine Armee von Rippern aufzustellen? Das wurde bereits einmal gemacht: von den New Yorker „Ripper Boys“, deren Anführer niemals selbst Hand an die weiblichen Opfer legte, aber seine Schüler dazu anleitete. Wie sich zeigt, existiert diese Armee von Schlitzern bereits – und wartet schon auf Smoky.

|Blut vs. Geist|

Es gibt also eine klare Gegenüberstellung von biologischer Abstammung – über leibliche Kinder – und geistiger Abstammung, über Prägung und Indoktrination. Es ist eindeutig, dass der Autor der biologischen Variante den Vorzug gibt, aber gleichzeitig vor den modernen Möglichkeiten warnt, wie Serienkiller ihre Schüler rekrutieren können: über Mail, Internet, Chatforen, Videos usw. Die Rekruten werden dann den „zehn Geboten der Ripper“ unterworfen, die die sie auswendig lernen müssen. Daher auch die Rekrutierung von „Abalines“, also Verfolgern wie Smoky: Sie sollen die Sinne schärfen, damit das Raubtier besser jagen kann. Die Rekruten seien leicht zu finden, verrät Jack junior: Frustrierte Männer, die einen Hass auf Frauen, besonders ihre Ex-Freundin/Gattin/Geliebte schieben. Sie haben sogar ihre eigenen Websites, wodurch sie einfach zu finden sind. (Diese Info gibt nur Jacks Behauptung wieder.)

Natürlich muss diese Ripper-Subkultur irgendwann mal angefangen haben. Niemand hat ein entsprechendes Buch geschrieben. Wie aber soll Smoky dann Jack junior finden? Am Ende zeigt sich, dass auch er eine Mutter und einen Vater hatte. Eine ganz spezielle Tragödie ist damit verbunden, die Jack junior prägte und ihn in die Welt hinaustrieb. Als Smoky diesen Ursprung findet, wird ihr auch klar, wie sie Jack junior besiegen kann.

|Flow, my tears, the agent said|*

Die Ströme von Tränen, die in dieser Geschichte vergossen werden, könnten locker den Bodensee zum Überlaufen bringen. Bei jeder schmerzvollen Begegnung, bei jeder Schreckensnachricht brechen die Figuren, zumal die weiblichen, in Tränen aus. Auch Alan Washington hat Anlass zu weinen: Seine Frau Elena hat Darmkrebs (was Jack junior sehr wohl bekannt ist). Und als den anderen Mitgliedern ihres Teams etwas Liebes wie ein Hund oder eine begrabene Schwester (oh ja: aus dem Grab!) weggenommen wird, na, was passiert dann wohl? Mehr Tränen. „Blut der Seele“ hin oder her – dies ist einfach zu viel für meinen Geschmack. Nach einer Weile dachte ich, der Autor müsse weiblich sein.

* Abwandlung des Romantitels „Flow my tears the policeman said“ von Philip K. Dick (deutsch: [„Eine andere Welt”) 198

|Der Drache|

Smoky Barrett spürt in sich des Öfteren einen Rache- und Jagdinstinkt erwachen, den sie den „Drachen“ nennt. Mag sein, dass jeder Mensch wütend werden kann und dann so eine Regung spürt, aber wohl nur wenige würden diese Empfindung des Rachedursts als „Drachen“ bezeichnen. Es klingt nach einer fernöstlichen Bezeichnung, die man in der kalifornischen Kultur, die stark von Japan und China beeinflusst wird, durchaus finden kann, und das schon seit über dreißig Jahren. Die individuelle Entstehung des Drachen in Smoky bleibt aber unerklärt.

|Transzendenz|

Geister und Dämonen spielen im Bewusstsein der traumatisierten Smoky eine wichtige Rolle. Ihre Albträume sind vor allem mit den bösen Geistern, den Dämonen, angefüllt. Im entscheidenden Moment, als für sie alles auf dem Spiel steht und sie Jack junior von Angesicht zu Angesicht gegenübertritt, muss sie jedoch feststellen, dass es auch einen Engel gibt, der sie mit der Nase auf eine grundlegende Wahrheit stößt: Entweder du wählst die Liebe und das Leben – oder den Tod, und dann hat der Killer gewonnen. Aber sie hätte nicht gedacht, wie schwer es sein kann, das Leben zu wählen …

_Die Sprecherin_

Das Hörbuch fordert den Hörer dazu heraus, sofort nach dem Ende einer CD die nächste einzulegen, denn die CDs enden regelmäßig mit einer Art Cliffhanger, der neugierig und gespannt auf die Fortsetzung der Geschichte macht. Das ist ein bewährter Kniff, um in der Geschichte Spannung zu erzeugen. Jedenfalls verging die Geschichte wie im Flug. Es gab nur ein Hindernis: Ströme von Tränen und Ströme von Blut. Der Ripper, also Schlitzer, macht nämlich seinem Namen alle Ehre. Es erfordert einen stabilen Magen und gute Nerven, um das auszuhalten. Nach zwei CDs musste ich daher erst einmal eine Verschnaufpause einlegen.

Denn die ausgezeichnete Sprecherin Franziska Pigulla macht es dem Hörer sehr schwer, eine Haltung kritischer Distanz einzunehmen. Sie charakterisiert jede Figur in der Geschichte individuell, so dass man sie gut unterscheiden kann. Aber die Charakterisierung erzeugt auch Gefühle: Smoky ist einerseits die innerlich lädierte Frau, aber äußerlich auch die taffe Teamleiterin und Ermittlerin. Kelly Thorne und Elena Washington sind liebevolle Frauen mit warmen Stimmen, die nur eine Nebenrolle spielen. Boss Jones hängt natürlich gerne die Autorität raus, doch von Smoky lässt er sich auch um den Finger wickeln.

Jack junior, ihr Gegner, ist etwas ganz anderes. Pigulla verleiht ihm eine sehr sanfte, weiche, geradezu schmierige Stimmlage, als er Smoky als seinen Verfolger à la Abaline rekrutiert. Diese Sanftheit schlägt schnell in hochnäsige Arroganz um, die Smoky zu einem bloßen Mitglied des „Menschenviehs“ degradiert. Das macht Smoky wütend, und genau das bezweckt er damit. Schließlich soll sie ihn ja jagen und dabei den Verstand verlieren.

Will Pigulla die zahlreichen emotional intensiven Stellen im Dialog betonen, so stehen ihr zwei sprachliche Mittel zur Verfügung: entweder Flüstern oder Brüllen. Beide setzt sie mit voller Kraft ein, und so sollte sich der Hörer darauf gefasst machen, auch mal ein Schreien, Kreischen und Brüllen zu vernehmen. Leider konnte der Toningenieur diese Belastung des Mikrofons nicht immer abfangen, so ist mindestens zweimal ein kurzes Knacken zu hören. Auch dort, wo ein Schnitt eingefügt wurde, z. B. nach einem Versprecher, treten Knackser auf, und das ist kein gutes Qualitätsmerkmal. Wenigstens hält sich dieser Fehler im Rahmen des Erträglichen.

Mit der Aussprache des Englischen hat Pigulla, die auch in London gearbeitet hat, keine Probleme. Dazu gibt es nur Gutes zu vermerken.

_Unterm Strich_

Auf höchst makabere Weise nimmt der Titel „Die Blutlinie“ eine düstere Doppelbedeutung an. Kennt man bislang Blutlinien nur im Zusammenhang mit familiärer Abstammung, so funktioniert Jack junior dies in eine Linie aus Blut um, die im Grunde jeder ziehen kann, der sich ein Ripper, also Schlitzer, nennen darf. Diese Ripper haben sogar ihren eigenen Katechismus, der sie zu einer geistigen Familie zusammenführt, ein menschenfeindliches Glaubensbekenntnis. Es weist auch den Gesetzesvertretern eine feste und notwendige Rolle im Leben der Ripper zu. Leute wie Smoky Barrett sind dazu da, Ripper zu verfolgen, um deren Jagd- und Verteidigungsinstinkte wach zu halten. So wird eine Auslese getroffen, bis der beste, also fähigste Schlitzer überlebt. Es ist eine ironische Verdrehung der Evolutionslehre.

Die spannende Geschichte gemahnt an vielen Stellen weniger an einen FBI-Thriller als vielmehr an ein Familiendrama. Das hat mit der Gegenüberstellung der zwei Konzepte von „Familie“ zu tun. Es sorgt aber auch dafür, dass viele Momente hoher Emotionalität vorkommen. Die Ermittler in Smokys Team sind nicht mehr Außenstehende, sondern direkt Beteiligte und Betroffene in diesem Fall. Sie müssen sich als Menschen einbringen, und in Smokys Fall bedeutet dies, auch als Mutter, mit allen Problemen, die damit verbunden sind. Der Autor verrät eine überraschend große psychologische Einsicht in diese Rolle. Erst in ihrer Eigenschaft als Leben spendende Mutter kann es Smoky mit ihrem Gegner, dem Lebensvernichter, aufnehmen. Das ist eine Ausweitung der Stellenbeschreibung einer FBI-Beamtin, die viele Vorgesetzte in keiner Weise genehmigen würden.

Der Aufbau der Story und ihre Aufteilung auf die sechs CDs sorgen für gehörig Spannung und dafür, dass ich die Story mit nur zwei Unterbrechungen angehört habe. Die immer wieder auftauchenden blutigen Schilderungen schlugen mir ein wenig aufs Gemüt – bei jedem ist diese Sättigungsgrenze mehr oder weniger schnell erreicht. Dann ist eine Verschnaufpause angesagt. Die Sprecherin erlaubt dem Hörer keine Distanzierung vom Geschehen, denn sie verleiht den Figuren in ihrem Überlebenskampf menschliche Züge und Ausdrucksweise –- genauso wie es eine Schauspielerin tun würde. Der Zuhörer sollte sich auf Flüstern wie auch auf Schreie, Kreischen und Brüllen gefasst machen. Diese Darstellungsweise ist wohl nicht jedermanns Geschmack, aber ich fand sie klasse.

|Originaltitel: Shadowman, 2006
Aus dem US-Englischen übersetzt von Axel Merz
427 Minuten auf 6 CDs|
http://www.luebbe-audio.de

Alex Barclay – Blutbeichte (Lesung)

Thriller wider die Klischees des Genres

Die New Yorker Polizei findet die entstellte Leiche eines Mannes und glaubt zunächst an einen Einzelmord. Doch Detective Joe Lucchesi entdeckt in der Vergangenheit ähnliche Fälle. Der Mörder treibt schon lange sein Unwesen. Er tötet brutal und hinterlässt keine Spuren. Seinen Opfern ringt er eine Beichte ab, und per Telefon müssen sie ihren Liebsten die Lügen ihres Lebens gestehen. Dann richtet er sie regelrecht hin. Lucchesi hat keinen Anhaltspunkt auf die Identität des Killers, als er eines Tages einen Brief von diesem erhält …

_Die Autorin_

Alex Barclay wurde 1974 in Dublin geboren und arbeitete als Journalistin für britische Frauenmagazine. Ihren lang gehegten Wunsch, vor dem Erreichen des dreißigsten Lebensjahres einen Thriller zu schreiben, konnte sie mit dem Roman „Schattenturm“ (O-Titel: Darkhouse) verwirklichen. Alex Barclay ist verheiratet und lebt in der Nähe von Dublin.

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Brown, Dan – Illuminati

_Sakrale Schnitzeljagd_

Ein Teilchenphysiker wird in seinem Schweizer Labor ermordet aufgefunden. In seine Brust eingebrannt entdeckt man merkwürdige Symbole. Symbole, die nur der Harvardprofessor Robert Langdon zu entziffern vermag.

Was er dabei entdeckt, erschreckt ihn zutiefst, denn es scheint, als sei die Geheimgesellschaft der Illuminati, alte Feinde der römisch-katholischen Kirche, zurückgekehrt. Und sie haben im Labor etwas mitgehen lassen: einen Behälter mit Antimaterie, der, wenn er nicht an eine Stromquelle angeschlossen wird, binnen 24 Stunden mit der Wirkung einer großen Wasserstoffbombe explodieren wird. Welcher teuflische Plan steckt dahinter?

|Der Autor|

Dan Brown war genau wie Stephen King zuerst Englischlehrer, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. „Als Sohn eines mehrfach ausgezeichneten Mathematikprofessors und einer bekannten Kirchenmusikerin wuchs er in einem Umfeld auf, in dem Wissenschaft und Religion keine Gegensätze darstellen“, meint die Verlagsinformation. „Diese Kombination ist es auch, die den weltweiten Erfolg des Autors begründet. ‚Illuminati‘, der erste in Deutschland veröffentlichte Roman von Brown, gelangte innerhalb kürzester Zeit auf Platz 2 der Bestsellerliste.“ Auf welche, wird nicht verraten. Vielleicht weiß Ford Prefect mehr *g*. „Brown ist verheiratet und lebt mit seiner Frau, einer Kunsthistorikerin, in Neuengland.“ Na, das klingt doch direkt nach einer Ko-|Autorin|!

|Der Sprecher|

Wolfgang Pampel ist die deutsche Synchronstimme von Harrison Ford. Das ist sehr passend, denn Robert Langdon erwähnt einen Zeitungsartikel, in dem er selbst als „Harrison Ford in Harris-Tweed“ bezeichnet wird. Ironisch wird’s, weil Langdon diese sensationsheischende Titulierung völlig ablehnt.

Pampel hat an der Theaterhochschule in Leipzig studiert und machte sich anschließend an den verschiedensten Bühnen von Leipzig, Düsseldorf, Berlin und Wien einen guten Namen.

_Handlung_

Zunächst hat es Harvardprofessor Robert Langdon, 45, Experte für religiöse Symbolologie mit einer sportlichen Figur, überhaupt nicht eilig, dem Ruf eines Schweizer Physikers zu folgen. Da schickt dieser ihm ein Fax mit einem Foto darauf: ein toter Mann, auf dessen Brust das Wort „Illuminati“ eingebrannt wurde. Die Illuminaten, die „Erleuchteten“, weiß Langdon, waren zunächst ein Zirkel von aufgeklärten Denkern im Italien um 1500.

Doch schon bald standen sie in Widerspruch zu den Lehren der Heiligen Mutter Kirche und waren ihr ein Dorn im Auge. Sie wurden in den Untergrund verbannt. Die Forscher Leonardo da Vinci und Galileo Galilei sollen ihnen angehört haben. Im Jahr 1686 wurden vier ihrer Mitglieder ebenso gebrandmarkt wie der Tote auf dem Faxfoto. Wollen sich die Illuminati jetzt, nach so vielen Jahren, zurückmelden?

Er lässt sich mit einem Überschalljet nach Genf fliegen, wo er das CERN besucht, die europäische Kernforschungsanlage, die Generaldirektor Maximilian Kohler leitet. Kohler hat das Fax geschickt. Langdon ist skeptisch: Echte Illuminaten hätten einen Forscher, einen Bruder im Geiste, nicht getötet. Doch wie ihm Kohler erklärt, war Leonardo Vetra sowohl Forscher als auch katholischer Priester. Er suchte den Gottesbeweis in den kleinsten Teilchen. Er hatte viele Feinde. Grausig starrt Vetras leere Augenhöhle auf die beiden Amateurdetektive. Kohler wünscht keine Polizei.

Vittoria Vetra, eine Meeresbiologin, ist die bildschöne Tochter des Ermordeten (und ganz nebenbei Yoga-Expertin). Sie berichtet, dass ihr Vater beweisen wollte, dass die Bibel Recht hat: Das Universum sei aus der Leere erschaffen worden – Materie aus Energie. Was Vetra erzeugt hatte, war jedoch Antimaterie. Sie schwebt in winzigen Mengen in Behältern, die durch Magnetfelder den zerstörerischen Kontakt der Antimaterie (AM) mit unserer alltäglichen Materie verhindern. An jedem Behälter verhindert eine Batterie 24 Stunden lang, dass die Reaktion eintritt, die so vernichtend wie eine große Wasserstoffbombe wirken würde.

In Vetras Labor wurde, obwohl es stark gesichert war, eingebrochen und ein Behälter gestohlen. Vetras Auge war für einen Netzhautabtaster missbraucht worden. Vetra hatte die Energiequelle der Zukunft gefunden – oder die schlimmste Waffe der Neuzeit. Wenn sie den Illuminaten in die Hände fiel, so wollen diese sie bestimmt gegen die katholische Kirche einsetzen. Kohler schickt Langdon und Vittoria nach Rom, in den Vatikan. Dort kontaktieren sie die Sicherheitstruppe des Vatikans, die Schweizer Garde. Man lacht sie aus. Oberst Olivetti glaubt an keine Bombenleger.

Der Papst ist tot und das Konklave der 165 Kardinäle ist zusammengetreten, um in der Sixtinischen Kapelle einen neuen zu wählen. Doch der Zeremonienmeister stellt beunruhigt fest, dass vier der Herrschaften fehlen, ausgerechnet die vier Preferiti, die Auserwählten mit den meisten Chancen, gewählt zu werden.

Auf Vittorias Bemühen hin sprechen sie und Langdon mit dem Interimspapst, dem Camerlengo. Carlo Ventresca, 30, hört ihnen zu und befielt Olivetti, die Bombe zu suchen, die irgendwo im Vatikan versteckt sein muss. Tatsächlich zeigt einer der Monitore eine LED-Anzeige, auf der ein Countdown abläuft. Nur noch sechs Stunden bis Mitternacht. Geht dann die Bombe hoch?

Da ruft der Bombenleger und Vetras Mörder beim Camerlengo an. Er sei von den Illuminati und wisse, wo sich die vier verschwundenen Kardinäle befänden. Sie sollen von ihm wie jene vier zuvor im Jahr 1686 geopfert werden. Jede Stunde werde einer davon getötet: in Kirchen und Tempeln. Diese Mordserie wäre das Ende des Papsttums – und die Bombe bedeutet die Vernichtung des Vatikanstaats.

Nur einer weiß, wo die Kardinäle gefunden werden können: Robert Langdon. Doch wird ihm die verbleibende Zeit reichen, um sie zu retten?

_Mein Eindruck_

So beginnt ein rasanter Mystery-Thriller, in dem sakral-okkulte Kunst des Illuminatenordens quasi ein Paralleluniversum an Bedeutungen öffnet, das jeden Esoteriker in Ekstase versetzen würde. Pyramiden, die Zahlenkombination 5+2 sowie jede Menge Engel weisen Langdon den Weg durch den Immobiliendschungel der Tiberstadt. Nicht nur muss er kreuz und quer (was ein Kreuz zeichnet), sondern auch ganz tief hinunter und schließlich sogar ganz hoch hinaus. Auf seiner dreidimensionalen Odyssee bekommt er es mit allen möglichen Schurken zu tun, die er sich nicht hätte träumen lassen. Aber er hat ja die treue und tapfere Vittoria an seiner Seite, die ihn anspornt, sich wie weiland Indiana Jones aufzuführen und James Bond alt aussehen zu lassen. Eine Schnitzeljagd, wie sie im Buche steht. Wer ihr zu folgen versucht, kommt aus dem Staunen kaum noch heraus.

|Charakterisierung|

Die Charakterisierung der drei oder vier Hauptfiguren ist recht schlicht gestrickt. Langdon ist unser ganz normal naiver Harvardprofessor mit einer Phobie vor engen Räumen – Fahrstühlen beispielsweise. Doch zu jeder passenden Gelegenheit enthüllt er verborgene Fähigkeiten: Er war Wasserballspieler und sogar Turmspringer. Dafür hat er leider vom Schießen keine Ahnung, was sich mitunter als verhängnisvoll erweist. Wenigstens trifft er einen Zeh, wenn schon nicht den Leib des Mörders. Manchmal mischt sich so etwas wie Komik in das abenteuerliche Geschehen.

|Die Medien – Komplizen des Terrorismus?|

Wie bei jedem terroristischen Anschlag von astroglobaler Bedeutung mischen auch hier die Medien kräftig mit. Ein BBC-Reporter mit dem schönen Namen Gunter Glick hält in vorderster Front die Linse der Kamera auf das erste Mordopfer in Rom. Ein Kardinal – und nur der erste von vier! Die Sensation des Tages. Schon bald fallen sämtliche Ü-Wagen der Tiberstadt über den Vatikan her und verlangen eine Stellungnahme des gelähmten Mini-Staatswesens. Ein Menschenauflauf ist die Folge, Scheinwerfer und Kameralinsen richten sich auf den Petersdom, hinter dessen Mauern der Countdown der Vernichtung läuft: Es ist der Jüngste Tag, das „Armageddon“, wie es der Autor beschreibt. Ob er wohl den „Zeugen Jehovas“ angehört, die jeden braven Bürger mit diesem Schreckenswort zu ihrer Lehre bekehren wollen?

Doch erst die Medienaufmerksamkeit potenziert die Bedrohung durch die Illuminati bis ins Unendliche: Der ganze Globus nimmt teil am Geschehen. Dass es sich dabei im Grunde um eine Schnitzelhagd handelt, lässt die Sache ein wenig übertrieben erscheinen, also erst richtig witzig aussehen.

|Lausige Logik|

Leider muss der Hörer beide Hühneraugen zudrücken, wenn es um die Qualität der Logik dieses Plots geht. Wie konnte die Bombe so schnell nach Rom gelangen? Wieso ist der „erleuchtete“ Killer scharf auf so weltliche Dinge wie Sex mit Vittoria? Wieviele Pyramiden und Obelisken gibt es eigentlich noch in Rom? Warum muss ausgerechnet Yoga Prof. Langdon das Leben retten?

Nicht Plausibilität ist das Ziel der Unterhaltung, sondern möglichst viele Überraschungen auf möglichst engem Raum. Und so schlägt die Handlung schließlich einen Zickzackkurs ein, der eines Hasen auf der Flucht würdig wäre. Schließlich wundert man sich kaum noch, dass Indy, pardon: Langdon Stunts abliefert, die einen James Bond erblassen ließen, und die Bösewichte im Vatikan sich wie russische Puppen hintereinander verstecken, falsche Fährten inklusive.

|Abrakadabra!|

Kurzum: Wer eine gute Show erwartet hat, kommt voll auf seine Kosten. Fehlen eigentlich nur noch die Karnickel, die aus dem Hut gezogen werden. Und am Schluss ist es keine Frage, ob der Junge das Mädchen bekommt. Es kann – angesichts der Gleichberechtigung – auch umgekehrt sein, das ist uns eh schon gleichgültig.

_Das Hörbuch_

Wolfgang Pampel ist die deutsche Stimme von Harrison Ford, und als solcher liefert er sozusagen den unverfälschten „Indiana Jones“ als Stimmlage von Robert Langdon (und des Erzählers). Jeder Hörer weiß: Hier ist Abenteuer pur garantiert. Pampels Tonlage von Generaldirektor Maximilian Kohler ist nicht nur ein gutes Stück tiefer, sondern auch noch kurzatmig aufgrund seines Asthmas. Und die Tonlage von Vittoria Vetra ist ein wenig höher als die der Figur Langdon.

Den Angehörigen der Schweizergarde haftet hingegen ein allerliebster Schweizer Akzent an, der aber keineswegs mit echtem Schwyzerdütsch zu vergleichen ist. Es handelt sich um korrektes Hochdeutsch, doch mit dem rauen „ch“ der Eidgenossen, und hin und wieder ist eine höhere Intonation von Sätzen zu bemerken, als es im Deutschen meist der Fall ist. Infolge dieser Unterschiede ist es ohne große Mühe möglich, die Figuren auseinander zu halten.

Mit einem gewissen Verdruss bemerkte der sprachlich gebildete Hörer, dass Pampel noch im Hörbuch von „Sakrileg“ etliche fremdsprachliche (meist französische) Namen und Ausdrücke falsch aussprach. Dies ist bei „Illuminati“ nicht mehr der Fall. Tatsächlich hatte ich nur mit einem einzigen Namen etwas Mühe, weil ich die Aussprache nicht richtig hörte: Der Zeremonienmeister der Kardinäle, der das Konklave leitet, heißt entweder Montati oder Mortati oder Mottati.

|Dramaturgie|

Der Text des Buches wurde von Arno Hoven bearbeitet und stark gekürzt. Das tut der Spannung aber nur gut, denn so fallen etliche Beschreibungen der Szenerie und unwichtiger Figuren weg. Dadurch schält sich der berühmte rote Faden heraus, dem der Hörer mit einiger Leichtigkeit zu folgen vermag. Es erweist sich jedoch als hilfreich, sich ein klein wenig in der heiligen Stadt auszukennen. Wichtige Landmarken wie der Petersdom, der Tiber, die Hügel, die Engelsburg und vielleicht noch die sehr schöne Piazza Navona zu kennen, ist gewiss kein Nachteil. Zumal dem Hörbuch natürlich keine Stadtkarte beiliegt.

|Die Musik|

Die dem Text unterlegte Musik von Michael Marianetti und Andy Matern finde ich recht passend, vor allem weil sie sparsam eingesetzt wird, meist als Punktuation zwischen Kapiteln. Mal kommt sie dynamisch drängend daher wie in einem Actionthriller, doch meistens getragen und feierlich wie bei einer Messe. Es geht eben sehr viel um religiöse Inhalte (was hier nicht weiter ausgeführt werden darf, ohne den Clou zu verraten!). Hier passen dann stimmungsvolle Orgeln und ein paar feierliche Chöre.

_Unterm Strich_

Im Grunde geht es dem Autor um die Erörterung des alten (scheinbaren?) Gegensatzes zwischen Vernunft / Wissenschaft und Glauben / Religion / Kirche. Die vier Kardinale werden der Reihe nach auf „Altären der Wissenschaft“ geopfert. Doch dabei handelt es sich um Orte, für die man ebenso Kunst- wie auch mystischen Verstand braucht. Am Schluss spitzt sich der Konflikt zu, doch wie auch immer der Ausgang sein mag, so lässt er sich doch ebenfalls politisch verwenden – ob für oder gegen die Kirche, soll hier nicht verraten werden.

|Engel & Dämonen|

Schrieb Dan Brown in „Sakrileg“ kurz mal die Geschichte des Christentums um, so leuchtet er in „Angels & Demons“ in die Leichenkeller des Vatikans. Er fördert Engel & Dämonen zutage, doch allmählich wird klar, dass die Unterscheidung zwischen dem, was ein Engel sein soll und dem, was ein Dämon sein könnte, gar nicht so einfach ist. Letzten Endes ist es beim Glauben wie mit der Wissenschaft: Es kommt drauf an, was man damit anstellt. Antimaterie kann – wie Atomkraft – Fluch oder Segen sein, je nach ihrer Verwendungsweise.

Das Gleiche, so suggeriert Brown, trifft auch für den Glauben zu: Er kann die Menschen erleuchten und zu erhöhter Spiritualität emporheben, er kann aber auch zur Unterdrückung von Wahrheit und Andersdenkenden benutzt werden. Und wer die Geschichte – der Kirche wie auch der Wissenschaft – nicht kennt, ist gezwungen, sie zu wiederholen. Engel oder Dämon, der Mensch ist beides. Er muss sich lediglich in Kenntnis der Realität entscheiden.

|Der Sprecher|

Dass der Sprecher des Hörbuchs mit seiner tiefen Stimme wie Harrison Ford alias Indiana Jones klingt, kommt der Spannung und Faszination der eh schon aufregenden Geschichte zugute. In der gekürzten Fassung ist das Geschehen noch mehr auf Action um den roten Faden der Story ausgerichtet. Aber das tut dem Vergnügen keinen Abbruch, wenn man die Logiklöcher, die übertriebenen James-Bond-Stunts und die Indiana-Jones-Schnitzeljagd hinnimmt. (Tut man dies nicht, kann man den Rest gleich vergessen.)

|Der Preis|

Der stark herabgesetzte Preis von schlappen 10,95 Euronen (bei |amazon.de| derzeit für 7,70 €) dürfte eine Menge Käufer reizen, zu einem Hörbuch zu greifen, das über sieben Stunden spannende Unterhaltung im Stil des bekannten Bestsellers bietet. Und angesichts der Komplexität der Schnitzeljagd könnte man die sechs CDs glatt noch einmal von vorn anhören. Schade, dass man dann schon weiß, wie’s ausgeht. Autofahrer, die sich das Hörbuch auf Nachtfahrten reinziehen, werden jedenfalls bestimmt nicht in Gefahr geraten, am Steuer einzuschlafen.

Fragt sich nur: Wann kommt das Hörbuch zu „Meteor“?

|Umfang: 437 Minuten auf 6 CDs|

Lovecraft, H. P. – Das Ding auf der Schwelle & Die Ratten im Gemäuer

Das Hörbuch kombiniert zwei bekannte und sehr wirkungsvolle Horror-Erzählungen: „Das Ding auf der Schwelle“ (1937) und „Die Ratten im Gemäuer“ (1924). Wie schon bei „Der Schatten über Innsmouth“ spricht Lars Riedel die Rolle des Erzählers. Seine Intonation wird dem Hörer unweigerlich kalte Schauder über den Rücken jagen.

|Der Autor|

Howard Phillips Lovecraft (1890-1937) wird allgemein als Vater der modernen Horrorliteratur angesehen. Obwohl er nur etwa 55 Erzählungen schrieb, hat sein zentraler Mythos um die |Großen Alten|, eine außerirdische Rasse bösartiger Götter, weltweit viele Nachahmer und Fans gefunden, und zwar nicht nur auf Lovecrafts testamentarisch verfügten Wunsch hin.

Aber wie in den Zusatztexten zu „Innsmouth“ zu erfahren war, reicht Lovecrafts Grauen weit über die landläufige Vorstellung von Hölle hinaus: Das Universum selbst ist eine Hölle, die den Menschen, dessen Gott schon lange tot ist, zu verschlingen droht. Auch keine Liebe rettet ihn, denn Frauen kommen in Lovecrafts Geschichten praktisch nur in ihrer biologischen Funktion vor, nicht aber als Liebe spendende Wesen oder gar als Akteure. Daher ist der (männliche) Mensch völlig schutzlos dem Hass der Großen Alten ausgeliefert, die ihre Welt, die sie einst besaßen, wiederhaben wollen. Das versteht Lovecraft unter „kosmischem Grauen“. Die Welt ist kein gemütlicher Ort – und Einsteins Relativitätstheorie hat sie mit in diesen Zustand versetzt: Newtons Gott ist tot, die Evolution eine blinde Macht, und Erde und Sonne nur Staubkörnchen in einem schwarzen Ozean aus Unendlichkeit.

|Der Sprecher|

Lutz Riedel ist die deutsche Stimme von Timothy Dalton („James Bond“ u. a.). Er zeigt auf diesem Hörbuch seine „herausragenden Sprecherqualitäten, die den Hörer mit schauriger Gänsehaut verzaubern“. Er war auch „Jan Tenner“ in der gleichnamigen Hörspielserie.

_Die Erzählungen_

a) |Das Ding auf der Schwelle|

„Es ist wahr, dass ich meinem besten Freund sechs Kugeln durch den Kopf gejagt habe, und dennoch hoffe ich mit dieser Aussage zu beweisen, dass nicht ich sein Mörder bin. Zunächst wird man mich einen Wahnsinnigen nennen – wahnsinniger noch als der Mann, den ich in seiner Zelle in der Heilanstalt von Arkham niedergeschossen habe.“

Also spricht Daniel Upton, der Berichterstatter des grausigen Unglücks, das seinem Jugendfreund Edward Pickman Derby zugestoßen ist. Dieser Dichter des Absonderlichen und Student des Okkulten weist, wie etwa auch Charles Dexter Ward, autobiografische Züge auf. Auch er wurde verhätschelt und in eine seltsame Familie geboren. Er trieb sich lieber mit den Bohemiens und Säufern von der verrufenen |Miskatonic Uni| in Arkham herum, statt einem ordentlichen Beruf nachzugehen.

Jedenfalls solange, bis er mit 38 die Frau seines Lebens (oder seines Todes?) traf und heiratete: Asenath White ist die Tochter des alten Hexenmeisters Ephraim White aus dem verrufenen Innsmouth, wo man um 1850 einen Pakt mit seltsamen Wesen aus dem Meer geschlossen hatte (vgl. dazu unbedingt [„Der Schatten über Innsmouth“ 424 ). Daniel Upton erinnert sich an White als „wölfisch“ und „gestorben im Wahnsinn“. Asenath, gerade mal 23 Jahre alt, scheint dessen Kräfte geerbt zu haben. Insbesondere als Hypnotiseurin leistet sie Ungewöhnliches, nämlich den Austausch der Persönlichkeit des Hypnotisierten, so dass dieser sich selbst durch Asenaths Augen sehen kann.

In Ed Derby hat sie ihr ideales Opfer gefunden. Sie hypnotisiert ihn und bemächtigt sich zeitweilig seines Körpers. Das geht über Jahre hinweg, und beide verändern sich so stark, dass sich Upton wundert: Während sich Derby von einem schlaffen Lethargiker zu einem dynamischen, lebensfrohen Macher entwickelt, sieht Asenath von Jahr zu Jahr älter aus. Doch die Wirklichkeit ist weitaus grauenerregender. Denn es ist nicht Asenath, die ihren Körper bewohnt, sondern ihr Vater, der sie schon im Kindesalter übernommen hat. Und dieser bemächtigt sich wiederum des Körpers ihres Mannes, Ed Derby. Sein Ziel besteht darin, wieder zum Mann und unsterblich zu werden, damit er in Kooperation mit den Großen Alten, die im Untergrund des hintersten Berglandes hausen, weiterhin seine okkulte Herrschaft ausüben kann.

Doch diesen Persönlichkeitsverlust verkraftet das zeitweilig übernommene Opfer nicht lange. Nach einem schrecklichen Zusammenbruch vertraut sich Derby seinem Freund an. Aus Verzweiflung erschlägt er schließlich seine Frau. Doch dies ist nicht ihr Ende. Aus dem Keller heraus, in dem er sie verstaut hat, zwingt sie ihn, den Körper mit ihr zu tauschen. Nun gelingt es Derby gerade noch, als „das Ding auf der Türschwelle“ bei seinem Freund zu erscheinen und ihm einen warnenden Brief zu geben, mit einer dringenden Bitte: „Töte das Wesen, das in der Heilanstalt von Arkham als Edward Derby gilt.“

b) |Die Ratten im Gemäuer|

Ein Amerikaner aus Massachusetts hat in England das seit alters her verfluchte Gemäuer der Exham-Priorei wieder bezogen. Es ist der 16. Juli 1926. De La Poer, vormals Delapore, ist der Letzte seines Geschlechts, das in der Priorei seit dem 13. Jahrhundert gelebt hatte, bis Walter de la Poer im 17. Jahrhundert (genauer: 1610) nach Virginia auswandern musste. Dort nahm die Familie die Namensform Delapore an, denn Adlige waren in der neuen Demokratie nicht gern gesehen …

Doch die Grundmauern der Priorei sind weitaus älter als das 13. Jahrhundert. Sie stammen, wie der letzte Spross herausfindet, sogar noch von den Römern des 2. Jahrhunderts. Wie an Inschriften abzulesen, wurden hier abscheuliche Riten für die „magna mater“, die Fruchtbarkeitsgöttin Kybele, und für den dunklen Gott Atys abgehalten. Wie De la Poer herausfindet, stammen die ältesten Mauern noch aus jungsteinzeitlicher, „druidischer“ Zeit, und wer weiß, was damals im Tempel alles geopfert wurde …

Nach einer Woche hört De la Poer bzw. sein treuer Kater „Nigger“ das erste Trapsen und Trippeln in den Mauern seines Schlafgemachs. Auch alle neuen Katzen sind aufgeregt. Zusammen mit seinem Nachbarn Captain Norrys untersucht er den Keller und stößt auf den Altarstein der Kybele. Doch Norrys entdeckt, dass darunter noch eine Etage sein muss. Mit mehreren Gelehrten, darunter „Archeologen“, erforscht man den Tunnel unter dem Altarstein. Massenhaft Skelette, die Knochen von Ratten zernagt, bedecken die Treppe.

Doch das Schlimmste kommt erst noch: eine unterirdische Stadt aus uralter Zeit, in der nicht Menschen, sondern die Ratten das Kommando hatten. Angeführt werden sie von Nyarlathotep, einem der Großen Alten, der im bodenlosen Abgrund haust und nun auch auf de la Poer seinen Einfluss ausübt …

Wie „Schatten über Innsmouth“ ist „Ratten“ eine Geschichte über Degeneration in einer Familie (genau wie in HPLs eigener) und was daraus wurde. Nur verstößt die Form der Degeneration gegen so große und viele Tabus, dass man es hier nicht wiedergeben kann. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes unaussprechlich.

_Mein Eindruck_

In diesen, seinen besten Geschichten befolgt Lovecraft konsequent die Forderung Edgar Allan Poes, wonach eine „short story“ in allen ihren Teilen auf die Erzielung eines einzigen Effektes ausgerichtet („unity of effect“) sein solle, egal ob es sich um die Beschreibung eines Schauplatzes, von Figuren oder um die Schilderung der Aktionen handele, die den Höhepunkt ausmachen (können).

Um die Glaubwürdigkeit des berichteten Geschehens und der Berichterstatter zu erhöhen, flicht Lovecraft zahlreiche – verbürgte oder meist gut erfundene – Quellen ein, die beim weniger gebildeten Leser den Unglauben aufheben sollen. Erst dann ist die Erzielung kosmischen Grauens möglich, das sich Lovecraft wünschte. In den meisten Erzählungen gelingt ihm dies, und daher rührt auch seine anhaltende Wirkung auf die Schriftsteller weltweit. Erfolgreiche Serien wie Brian Lumleys „Necroscope“ oder Hohlbeins [„Hexer von Salem“ 249 wären ohne Poe und Lovecraft wohl nie entstanden.

Das heißt aber nicht, dass Lovecraft keine negativen Aspekte eingebracht hätte. Als gesellschaftlicher Außenseiter, der nur intensiv mit einer Clique Gleichgesinnter kommunizierte (er schrieb Briefe wie andere Leute E-Mails), ist ihm alles Fremde suspekt und verursacht ihm Angst: Xenophobie nennt man dieses Phänomen. Darüber hinaus hegte er zunächst rassistische und antisemitische Vorurteile (wie leider viele seiner Zeitgenossen), so dass er von kultureller Dekadenz und genetischer Degeneration schrieb. Degeneration ist das Hauptthema in „Grauen von Dunwich“ und „Schatten über Innsmouth“, aber auch in den beiden hier gesammelten Erzählungen.

Edward Derby ist der dekadente Sprössling, der sich dem verderblichen Einfluss schwarzer Magie zuwendet und so an Asenath White bzw. ihren Vater Ephraim, den unsterblichen Hexenmeister, gerät. Der Letzte der de la Poer stößt, wie der Protagonist in „Innsmouth“, unversehens auf die schrecklichen Wurzeln seiner eigenen Familie, allerdings natürlich nicht in der Neuen, sondern in der Alten Welt, in England. Immer wieder wird bei Lovecraft das Grauen importiert: von anderen Weltgegenden, aber wichtiger noch – aus der alten Zeit. Denn in grauer Vorzeit, so HPLs Privatmythos, herrschten die Großen Alten auf der Erde, bevor sie vertrieben wurden. Daher bleiben von ihnen nur Spuren ihres Einflusses. Und wer lange genug nach seinen eigenen Wurzeln sucht, wird auf diese Wurzeln stoßen. Das „kosmische Grauen“ verschlingt den unseligen Sucher.

Ähnlich passiert dies auch Edward Derby, aber auf ganz andere Weise. Denn die verhängnisvollen Wurzeln verbergen sich in seiner Gattin Asenath, die wiederum von ihrem Vater besessen ist. Dieser wiederum ist ein Diener der Großen Alten, denen er die Unsterblichkeit per Seelenübertragung durch Körpertausch verdankt. Für den armen Ed kommt jede Hilfe, die ihm sein entsetzter Freund, unser Reporter vor Ort, gewähren könnte, häufig zu spät. Mit zwei Ausnahmen: Als Ed aus den Bergen und Wäldern Maines taumelt, fährt Dan ihn nach Hause, wobei Ed ihm die (vermutete) Wahrheit erzählt – bis zu einem gewissen Punkt, an dem Asenaths Geist ihn wieder übernimmt, sozusagen per Fernsteuerung. Die andere Ausnahme ist natürlich der Gnadenschuss für Edward Derby, das heißt: für seinen Körper.

|Der Sprecher|

Lutz Riedel liefert eine tolle, überragende Leistung ab. Sein modulationsreicher, dramatischer Vortrag hat mich sehr beeindruckt. Beide Erzählungen steigern sich in ihrer Wirkung allmählich zu einem Höhepunkt, „Die Ratten im Gemäuer“ sogar noch eindeutiger, unkomplizierter als „Das Ding auf der Schwelle“. Am Höhepunkt steigert sich Riedels Stimme in solche Höhen, dass ich sie einem Mann nicht zugetraut hätte. Doch dieses Stilmittel ist – nur in diesem Augenblick – völlig angemessen. Wer mit dem Geist zu sehen vermag, kann sich das Entsetzen der entsprechenden Szene lebhaft und geradezu wie einen Film vorstellen. Einfach fabelhaft. (Ich stelle mir dazu gerne einen schwarzweißen Stummfilm aus der Ära von Bela Lugosi und Boris Karloff vor.)

Die Musik von Andy Matern und die Ansage durch Helmut Krauss entsprechen dem Motto des Verlegers, Regisseurs, Produzenten und Dramaturgen Lars Peter Lueg ebenfalls in vollkommener Weise: „Gänsehaut für die Ohren“ hat man selten wirkungsvoller erlebt – mit Ausnahme der anderen LPL-Produktionen wie etwa „Necroscope“.

_Unterm Strich_

Ist „Das Ding auf der Schwelle“ auch vielschichtiger aufgebaut als die frühe Erzählung „Die Ratten im Gemäuer“, so bieten beide doch garantiert Grauen höchster Qualität und Wirkung, wie man es nur in den besten Erzählungen von Autoren wie Lovecraft finden kann. Ist „Das Ding …“ eine Art längerer Sinfonie, die sich in Phasen der An- und Entspannung dem Finale nähert, so besticht „Ratten“ durch die strenge Ausrichtung auf die sich stetig steigernde, absolut einheitliche Wirkung, ohne lange nach rechts oder links abzuschweifen. Die Wirkung auf mich war entsprechend größer: wie ein Schlag in die Magengrube (ich wollte gar nicht mehr hinhören!). Der Hörer sollte sie sich als krönenden Abschluss des Hörbuchs gönnen – denn Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude.

Lutz Riedel erweist sich als optimaler Sprecher der unterschiedlichen Stimmungen in den beiden Erzählungen. Seine stimmliche Modulationsfähigkeit ist wirklich beeindruckend und verhilft den Geschichten zu optimaler Wirkung. Die Aufnahmequalität ist ausgezeichnet, die Umrahmung angemessen düster. |LPL records| hat wieder einmal eine sehr gelungene Produktion vorgelegt, die sich jedem Lovecraft- und Horror-Freund bedenkenlos empfehlen lässt.

|Hinweis|

Ein umfangreiches zweites Booklet stellt die weiteren LPL-Produktionen vor, zu denen auch eine Reihe von Erzählungen gehört, die „Alien“-Schöpfer H.R. Giger unter dem Label [„Vampirric“ 581 zusammenstellte. Diese Erzählungen stammen von bekannten Autoren wie Guy de Maupassant („Der Horla“, ein echter Klassiker) und Thomas Ligotti, einem modernen Amerikaner, der stark von Poe und HPL beeinflusst ist („Die verloren gegangene Kunst des Zwielichts“). Das Design der Hörbücher ist, einem Giger angemessen, bizarr und düster.

|Umfang: 153 Minuten auf 2 CDs|

John Sinclair – 163 – Die Werwolf-Schlucht

Die Handlung:

Werwölfe auf den Shetland-Inseln! Anders ließ sich der Hilferuf der vor Ort stationierten Wissenschaftlerin Dr. Morgana Layton kaum interpretieren. Als auch noch das Militär eingriff und bei dem Versuch, die Insel einzunehmen, scheiterte … da wussten wir, dass uns ein ganz besonders höllischer Fall erwartete! (Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

Diesmal hat sich der Verlag an die Hörspielumsetzung des Heftromans mit der Nummer 328 gemacht, das erstmalig am 15. Oktober 1984 am gut sortierten Bahnhofskiosk oder manchmal auch in einer Buchhandlung zu bekommen war.

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Wolfgang Hohlbein – Dunkel (Lesung)

Vampirjagd in Neuss

Ein actionreicher Vampirroman, den uns der deutsche Bestsellerautor da auftischt: komplett mit Zweikämpfen zwischen Vampyr und Vampjäger, die meist in irgendwelchen Wohnungen oder Anlagen stattfinden. Und stets spielen ein Fotoapparat (auch digital) und ein Spiegel eine wichtige Rolle …

Der Autor

Wolfgang Hohlbein, geboren 1953, ist bekanntlich der erfolgreichste deutschsprachige Autor von Unterhaltungsliteratur für jugendliche und erwachsene Leser. Seine Heimatstadt Neuss zwischen Düsseldorf und Köln ist auch im Hörbuch Schauplatz des Geschehens.

Der Sprecher
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Brecht, Berthold / Reich-Ranicki, Marcel – Texte von und über Bertolt Brecht

_“Ungeheuer oben“: Wolken, Liebe, Gedichte_

Der einflussreichste Literaturkritiker Deutschlands spricht über einen seiner Lieblingsautoren und trägt dessen Lieder und Gedichte vor. Ein Booklet-Text von Hans Sarkowicz erhellt die Beziehung zwischen Kritiker und Autor auf anschauliche und informative Weise.

„Auf seine unverwechselbare Art und Weise liest Marcel Reich-Ranicki verschiedene Texte von und über den großen Dramatiker Bertolt Brecht. Der Hörer bekommt einen kleinen, aber lebendigen literaturhistorischen Überblick. Marcel Reich-Ranicki schenkt dem Lyriker Bertolt Brecht besondere Beachtung. Er rezitiert und interpretiert ausgewählte Gedichte.“ (Verlagsinfo)

_Der Autor_

Bertolt Brecht, am 2. Februar 1898 in Augsburg geboren, war Dramatiker, Lyriker, Erzähler und Essayist. Schon mit seinem Debüt „Trommeln in der Nacht“ sorgte er 1922 (dem „Ulysses“-Jahr) für Aufsehen. In dem von ihm so genannten „epischen Theater“ setzte er gegen das möglichst realistische Spiel die kritische Befragung des Bühnengeschehens mit Kommentar, szenischer Montage und Verfremdung (der berühmte „V-Effekt“). Die mit dem Komponisten Kurt Weill geschriebene „Dreigroschenoper“ wurde in Berlin zum Sensationserfolg, und noch heute gibt es Theaterrestaurants, die das Stück oder Ausschnitte daraus regelmäßig aufführen (z. B. im Münchner Stadtteil Au).

1933 blieb dem bekennenden Marxisten nur die Flucht ins Exil, u. a. nach Finnland, in die Sowjetunion und die USA. Erst 1949 kehrte er zurück, nach Ost-Berlin. Weil er sich im Osten niederließ und den Aufbau der DDR mit kritischer Sympathie verfolgte, blieb er nach Angaben des Booklet-Autoren Hans Sarkowicz im Westen geächtet, auch noch lange nach dem 14.8.1956, an dem BB starb. Regelrechte Anti-Brecht-Kampagnen sollen bis in die 60er Jahre hinein die Aufführung seiner Stücke ver- und behindert haben.

_Der Leser_

Marcel Reich-Ranicki, geboren 1920, ist schlicht und ergreifend der einflussreichste Literaturkritiker Deutschlands. Ob er auch der beste usw. ist, sei dahingestellt. Er ist Bertolt Brecht persönlich begegnet, wie uns das Booklet aufklärt: 1952 in Warschau. „MRR, der Sohn polnisch-deutschjüdischer Eltern, hatte die Verfolgung durch die Nationalsozialisten überlebt und arbeitete im kommunistischen Polen als Kritiker, Übersetzer und Journalist. BB war aus seinem Exil nach Ost-Berlin zurückgekehrt und besuchte als kultureller Repräsentant den sozialistischen Bruderstaat. MRR hatte Glück. Er wurde in das Hotelzimmer des Dichters geführt und durfte mit ihm ein Interview führen. (…) Nicht erst seit dieser Begegnung, schon lange vorher war MRR ein leidenschaftlicher Verehrer BBs.“ 1958 siedelte MRR nach Westdeutschland über, wurde allmächtiger Literaturchef der FAZ und Gastgeber des „Literarischen Quartetts“ im ZDF. (Alle Abkürzungen stammen von mir, der Text stammt teilweise von Hans Sarkowicz.)

Die Hörbuchaufnahme stamme von 1998, schreibt Sarkowicz. Hier spreche MRR als „bekennender Brecht-Verehrer“ v. a. über den Dramatiker und Lyriker, dessen schönste Gedichte er auch selbst vortrage. 2001 hat MRR im Aufbau-Verlag ein Buch über BB veröffentlicht.

Wer mehr über MRR erfahren möchte, dem sei sein Buch „Mein Leben“ wärmstens empfohlen. Ein Auszug daraus ist in „Das Buch der Deutschen“ abgedruckt, das 2005 von Johannes Thiele bei |Lübbe| herausgegeben wurde.

_Inhalte_

Schon mit 22 oder 23 Jahren, noch vor dem Erfolg von „Trommeln in der Nacht“ (s. o.), will BB sich als „Klassiker“ wahrgenommen haben. Koketterie? Oder zu Recht? Woran ist der „Klassiker“ zu messen – an seiner Wirkung auf die Nachwelt oder auf seine Zeitgenossen? Wie nehmen wir ihn heute wahr: als politischen Dichter oder doch mehr als Dramatiker, als Lehrer oder als Mensch? MRR meint, zuvorderst sei BB doch auch Verführer gewesen. Ganz einfach auch deshalb, weil es die Aufgabe eines Dramatikers und des Theaters sei, den Zuschauer a) zu verführen und b) zu unterhalten, bevor es c) anfangen könne, eine Botschaft zu verbreiten. Pädagogik wirke abschreckend (und langweilig obendrein).

Den Löwenanteil an MRRs Vortrag nimmt sympathischerweise das Thema Liebe und Erotik in BBs Lyrik ein. Dieser Aspekt kommt in vielen kritischen Würdigungen BBs zu kurz, wenn er überhaupt beachtet wird. Aber BB befasste sich schon mit 18 schreibenderweise mit der ersten Liebe, erst himmelhoch jauchzend, dann zu Tode betrübt, dann zynisch. Das hat ihm die Rosa Marie angetan. In seinen Liebesgedichten verbindet BB den Wahnsinn der Liebe und das Mysterium der Sexualität mit dem, was dieser Wahn am stärksten bedroht: mit dem Intellekt. Das ist eine höchst interessante Verbindung. In seinem Gedicht „Erinnerung an die Marie A.“, das auf Rosa Marie anspielt, durchläuft das lyrische Ich im dialektischen Dreisprung These, Antithese und Synthese, um schließlich festzustellen, dass jene weiße Wolke, die so „ungeheuer oben“ erblickt wurde, immer noch in der Erinnerung herumspukt und ihn an die Marie A. gemahnt.

MRR zeigt, wie die Liebe von BB in verschiedenen Aspekten reflektiert wurde, und zieht eine interessante Parallele zu Franz Kafka. Kafka liebte „Milena“, die er um ein Haar geheiratet hätte. Er gesteht, dass sich der Liebende in dem durch die Geliebte geschenkten Leben wiederfinde, ja, selbst liebe. Liebe kann durchaus egozentrisch sein. Und BB nutzte seine Frauen (Ruth Bärlau, Helene Weigel, etc.) durchaus aus, wobei sie sich das offenbar gefallen ließen.

|Lieder|

In der „Dreigroschenoper“ tragen Mackie Messer und seine Geliebte ein klassisches Sonett vor, das aber solches kaum erkennbar ist: Die ironisierende Parodie verdeckt die altehrwürdige Form und verbirgt so auch Pathos und Poesie der Liebe, um sie zu schützen. In der Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ findet sich ebenfalls ein Liebeslied, das darin allerdings wie ein Fremdkörper wirkt: Es bedient sich ebenfalls eine uralten Form, nämlich der Terzine. Literaturkenner wissen natürlich, dass das berühmteste Gedicht, das jemals in Terzinen verfasst wurde, die „Göttliche Komödie“ von Dante Alighieri ist. Was hat das eine mit dem anderen zu tun?

In „Mahagonny“ singen die Hure „Seeräuber-Jenny“ (die später vom Schwarzen Frachter singen wird) und der Holzfäller Ackermann das Lied „Die Liebenden“. Sie tun dies ohne jede Ironie, sind jedoch von einer von Gewalt geprägten Welt umgeben. Daher erscheint das Lied so unpassend und anachronistisch. Seltsamerweise bildet es ein poetisches Gegengewicht zu dem schwermütigen Rest der Oper. Nicht zuletzt deshalb, weil Seeräuber-Jenny und Ackermann auf Dantes Vorlage verweisen. In der „Göttlichen Komödie“ schmort ein Liebespaar im Inferno (= Hölle), weil seine Liebe nicht sein darf. (Wer die genauen Details wissen will, der höre MRR genau zu oder schlage bei Dante nach.)

|Klassisch|

Mit größter Begeisterung, ja, geradezu hingerissen trägt MRR eines von BBs bekanntesten Gedichten vor, das dieser in dem Stück „Schweijk im Zweiten Weltkrieg“ veröffentlichte: „Das Lied von der Moldau“. „Es rollen die Steine am Grunde der Moldau, es liegen drei Kaiser begraben in Prag …“ Obwohl es um die Vergänglichkeit alles Irdischen gehe (die Kaiser, die Steine), so lasse uns Brecht doch Hoffnung: „denn der Tag kommt schon noch.“ Eine Bitte um Nachsicht in „An die Nachgeborenen“ und ein – natürlich lobendes – Fazit beschließen den Vortrag.

_Mein Eindruck_

Nun bin ja als Germanist einschlägig vorbelastet, was Lyrik im Allgemeinen und Brecht im Besonderen anbelangt, doch Reich-Ranicki gelang es in seinem Vortrag, meine Aufmerksamkeit über weite Strecken zu fesseln. Denn MRR hat keineswegs die Brechtianischen Schlager wie „Mackie Messer“ ausgewählt, sondern a) weitgehend weniger beachtete Texte ausgewählt („Erinnerung an Marie A.“ ist relativ bekannt, wird aber selten zitiert) und b) vor allem Liebeslyrik.

Das ist bei einem derart politisch und auch das Tagesgeschehen (17. Juni 1953!) kommentierenden Autor recht verwunderlich. Andererseits eignet sich das Thema Liebeslyrik für eine kompakte Darstellung weitaus besser als etwa eine weitgehend theoretische Erörterung dessen, was man sich unter „epischem Theater“ vorstellen kann bzw. soll. Zudem spricht es auch weibliche Hörer in gleichem Maße an wie männliche. Drittens ist es ein Thema, das politisch unverfänglich ist und an dem sich der Kritiker weder als rechtskonservativ noch als linksliberal zu erkennen geben muss.

Als Literaturfreund, der seit über 50 Jahren nichts anderes tut, als sich mit Literatur zu beschäftigen, ist MRR in der Lage, eine Argumentationskette ebenso geschickt aufzubauen wie seine Thesen mit entsprechenden Werkbeispielen zu belegen. Da Brecht zu seinen Lieblingsautoren gehört, weiß er ganz genau, welche Werke in welchen Ausgaben zu finden sind. Er teilt uns ohne Umschweife mit, welche aktuelle Werkausgabe die maßgebliche ist und dass man darin auch Gedichte aus dem Nachlass finden kann. Eines davon trägt er vor …

|Der Sprecher MRR|

MRR ist ja in manchen Kreisen berüchtigt für seine Dampfwalzenrhetorik, die das Gegenüber, das vielleicht ein paar Einwände anbringen möchte, einfach durch eine vehement vorgetragene Meinung einfach niederbügelt. Als ich die CD einlegte, befürchtete ich einen ebensolchen Vortrag, der auf apodiktische Weise keine andere Interpretation gelten lässt.

Ich wurde angenehm überrascht. Liegt es an der Vorliebe für den Dichter, liegt es am Sujet der Liebeslyrik? Jedenfalls lässt es MRR sachte angehen, und es ist einfach, seinem Vortrag zu lauschen sowie seiner Argumentation zu folgen. Wenn er Liebesgedichte vorträgt – es ist jeweils eine Pause vorgeschaltet -, so tut er dies mit sehr deutlicher Aussprache, langsam vortragend und klar betonend. Diese Vortragsweise eignet sich meines Erachtens für jede Schulklasse, die sich mit dem Thema befasst. Dabei lässt MRR keineswegs den Oberlehrer heraushängen, der ihm früher so viel Ablehnung eingetragen hat.

Die meisten Textzitate sind vollständig, es handelt sich also in der Regel nicht um Auszüge, sondern um das vollständige Gedicht. Das ist bei Lyrik natürlich besonders wichtig, weil ja die letzte Zeile oft eine Pointe bereithält. Wenn also „Erinnerung an die Marie A.“ in allen drei Strophen zitiert wird, so ist dies nicht ein ätzender Versuch des Kritikers, uns zu nerven, sondern pure Notwendigkeit, um den Text zu begreifen. Sicherlich erfordert dies von der MTV-Generation etwas Geduld, aber tut dies nicht alle Literatur, die diese Bezeichnung verdient?

_Unterm Strich_

Das Hörbuch erlaubt es dem Hörer, den berühmten Dichter Brecht von seiner allgemein zugänglichsten und doch unbekanntesten Seite kennen zu lernen: durch seine Liebeslyrik und die entsprechenden Lieder aus Opern und Stücken. Dadurch besteht keine Notwendigkeit, sich mit dem Marxisten Brecht oder dem Theatertheoretiker Brecht auseinander zu setzen. Das Thema ist allgemein verständlich und jedem erwachsenen Menschen zugänglich.

Dass dabei Brechts ganz besonderer und persönlicher Ansatz zum Tragen kommt, ist dem Kritiker Reich-Ranicki zu verdanken. Dass wir diese Gedichte zu mögen lernen, ist dem Sprecher Reich-Ranicki zu danken. Dass die Gedichte einen Platz finden in Brechts Werk und ein Beleg sind für die These „Brecht ist ein Klassiker“, können wir ebenfalls MRR danken, müssen wir aber nicht.

|Die Reihe|

Die |LübbeAudio|-Reihe „X liest Texte von und über Y“ ist eine Gelegenheit, auf schnelle und doch kompetente Weise wichtige Autoren der deutschen Literatur kennen zu lernen. In Zeiten der PISA-Misere eine willkommene Unterstützung im Bemühen vieler Pädagogen und Vermittler, den nachfolgenden Generationen etwas vom mühsam Errungenen – wie vieles wurde verbannt, zensiert, sogar verbrannt! – weiterzugeben, und zwar auf eine Weise, dass es ohne Weiteres zu begreifen ist.

|61 Minuten auf 1 CD|

Kai Meyer – Das Buch von Eden (Lesung)

Im Jahre 1257. In einem französischen Kloster wird die „Lumina“ gehütet – die letzte Pflanze des Gartens Eden. Als Schergen des Erzbischofs von Köln, der die Pflanze haben will, das Kloster überfallen, überlebt nur die Novizin Favola. Als Hüterin der Lumina obliegt ihr deren Schutz. Mit Gefährten macht sie sich auf eine gefährliche Reise gen Arabien. Sie wollen die Lumina an den Ort zurückbringen, an dem der Bibel nach einst der Garten Eden gelegen haben soll. (Verlagsinformation)
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Preston, Douglas / Child, Lincoln – Dark Secret – Mörderische Jagd

_Todestanz verfeindeter Brüder_

|“Da sprach der Herr zu Kain: Wo ist dein Bruder? Er aber sprach: Ich weiß nicht; soll ich meines Bruders Hüter sein?“|

Ein gnadenloser Killer tötet ein Opfer nach dem anderen. Nur ein Mann könnte den Todeslauf stoppen: FBI-Agent Aloysius Pendergast. Doch dieser gilt seit einem gefährlichen Einsatz in Italien („Burn Case“) als verschollen. Sein Partner Vincent D’Agosta von der New Yorker Polizei beginnt zu ermitteln – und stößt auf ein dunkles Geheimnis …

_Die Autoren_

Douglas Preston, Mitarbeiter des Naturhistorischen Museums in New York City, hatte sich bereits als Sachbuchautor einen Namen gemacht, als er den Verlagslektor Lincoln Child kennenlernte. Gemeinsam schrieben sie 1995 den Wissenschaftsthriller „Relic“, der ein verfilmter Bestseller wurde. Danach folgten bislang sieben weitere Erfolgstitel: Preston liefert den wissenschaftlichen Hintergrund, Child arrangiert die Spannungsbögen. (Verlagsinfo)

|Preston & Child auf Buchwurm.info:|

[„Riptide – Mörderische Flut“ 71
[„Formula – Tunnel des Grauens“ 192
[„Ritual – Höhle des Schreckens“ 656
[„Burn Case – Geruch des Teufels“ 1725
[„Burn Case – Geruch des Teufels“ 2193 (Hörbuch)
[„Dark Secret – Mörderische Jagd“ 2809

_Der Sprecher_

Detlef Bierstedt ist die deutsche Stimmbandvertretung von George Clooney und Jonathan Frakes (Star Trek TNG). Er hat unter anderem auch die Dick-Francis-Romane sowie Dan Browns „Diabolus“ gelesen.

Der Text wurde von Dr. Katharina Theml gekürzt. Die Intro- und Extro-Musik steuerten Horst-Günther Hank und Dennis Kassel bei. Regie führte Kerstin Kaiser, die Aufnahmeleitung hatte Horst-Günther Hank inne.

_Handlung_

|New Orleans|

Der Literaturstudent Duane Michael wird im Hörsaal der Uni von New Orleans Zeuge eines schrecklichen Schauspiels. In Vertretung des alten Prof. Mayo hält heute Prof. Torrence Hamilton den Vortrag, Thema ist T. S. Eliots epochales Gedicht „Das Wüste Land“ von 1922. Doch kaum hat Hamilton ein paar Sätze vorgetragen, beginnt er sich zu verändern. Er sieht blass und schwitzt aus, sodann verängstigt, als habe er etwas Furchterregendes gesehen.

Er beginnt zu taumeln, verliert die Kontrolle, beginnt plötzlich sogar an seinem eigenen Gesicht zu kratzen. Das Auditorium starrt mit ungläubigen Augen auf das unbegreifliche Schauspiel, das keines ist. Der Professor schlägt sich ins Gesicht, bis Blut hervorspritzt, und dann tut er etwas völlig Unfassbares: Er reißt sich das Auge heraus. Da erst reagiert sein Assistent: „Ruft einen Arzt!“ Doch für den Professor kommt jede Hilfe zu spät. Das starke Nervengift, das ihm jemand verabreichte, hat seine Wirkung getan.

|Das Restaurant|

Horace Sattle, ein Vertreter für Maschinenteile, sitzt mit einem Kunden in einem französischen Restaurant in Manhattan, New York City. Horace ist gelangweilt. Da entdeckt er auf dem Oberlicht über sich einen Mann, der irgendwie von der Decke hängt, an dem Seil vermutlich, das ihm um den Hals geschlungen ist. Da, das Seil reißt, der Mann fällt – auf den Nachbartisch. Horace Sattle macht, dass er rauskommt, bevor die einsetzende Panik den Ausgang blockiert. Auf der Straße geht er gleich weiter. So aufregend hatte er sich den Aufenthalt in New York City aber nicht vorgestellt.

William Smithbeck, Starreporter der „New York Times“, eilt zum Ort des Geschehens, doch die Polizei hat bereits alles abgesperrt. Da bemerkt er zu seinem Erstaunen, dass im 24. Stockwerk des Hochhauses, in dem sich das Restaurant mit der Leiche befindet, ein Fenster offensteht. Der Reporter kombiniert haarscharf: Aha, der Mann am Seil stürzte sich vielleicht aus diesem Fenster – um sich zu erhängen?! Oder wurde er gezwungen? Ein schlauer Versuch, sich als Pizzabote verkleidet einzuschmuggeln, misslingt leider, aber er sieht wenigstens so echt aus, dass er eine Pizzabestellung bekommt.

|Alte Freunde|

Detective Sgt. Vincent Dagosta von der New Yorker Mordkommission sitzt gerade mit seiner Freundin Detective Captain Laura Hayward zusammen, als ein Mr. Proctor ihn abholt. Es sei dringend. Dagosta wird zu einer ihm vertrauten Adresse gefahren: Hier wohnte einst sein Freund, FBI Special Agent Aloysius Pendergast, der seit sechs Wochen tot ist, ermordet in einem italienischen Schloss (vgl. „Burn Case“). Constance Green, Pendergasts Mündel, übergibt Dagosta einen Brief, in dem Pendergast seinen Freund anweist, alles Nötige zu unternehmen, um seinen Bruder Diogenes Pendergast zu stoppen. Diogenes habe angekündigt, am 28. Januar das „perfekte Verbrechen“ zu begehen. Das ist in einer Woche.

Mit Hayward besucht Dagosta die Mutter der zwei ungleichen Brüder, Cornelia Pendergast. Er erfährt mehr über den üblen Charakter von Diogenes – und dass dieser seit 20 Jahren tot sei! Spielt ihm Aloysius einen Streich? Wohl kaum bei einer so ernsten Sache, meint Dagosta. Die Telefonrecherche erbringt nichts. Es steht nur fest, dass Diogenes ein Mann mit reichlichen finanziellen Mitteln wäre, wäre er am Leben: Er erbte 87 Millionen Dollar, nachdem seine Eltern bei einem Hausbrand umkamen. Im Lift seines Apartmenthauses wird Dagosta von einem verkleideten Türsteher gekidnappt: Es ist Aloysius.

Nicht nur, dass er wieder lebt – Diogenes habe ihn aus seinem italienischen Schlossverlies befreit und ins Krankenhaus gebracht. Er verlangt, dass sich Dagosta von seiner Freundin trennt. Das fällt Dagosta sehr schwer, denn er weiß, dass Laura es nicht verstehen wird. Da hat er völlig Recht. Sie schreibt ihn ab. Fortan hängt seine Zukunft völlig von Aloysius Pendergasts Aktionen gegen Diogenes ab.

|Das Museum|

Das Museum of Natural History, New York City, 2 Uhr morgens. Margo Green, die neue Chefredakteurin der vom Museum herausgegebenen Fachzeitschrift „Museology“ gibt die Druckfahnen für die neueste, sehr umstrittene Ausgabe in der Museumsdruckerei ab und strebt dem Ausgang zu, als sie ein Geräusch hört. Aber sie macht sich keine Sorgen, denn das neue Sicherheitssystem ist topmodern. Das Geräusch kommt wieder, ein Klappern. Ein Wachmann würde nicht klappern, nicht wahr? Sie schaut sich die Sache näher an.

Sie ruft. Böse Erinnerungen werden wach. Vor sieben Jahren gab es hier im Museum für Naturgeschichte eine Mordserie. Da sie unbewaffnet ist, greift sie sich ein Teppichmesser, das die Handwerker liegengelassen haben, die den Ausstellungsraum neu einrichten. Plötzlich geht das Licht aus. „Wer ist da?“, ruft sie, und ein unbekannter Mann antwortet ihr mit sanften und distinguiert formulierten Worten. Doch er verspottet sie, kichert. Sie schwingt das Teppichmesser, zweimal, und verletzt ihn. Jetzt ist Schluss mit lustig! Es erfolgt sofort ein Gegenangriff, bei dem ihr Handgelenk gebrochen wird. Bei der Welle des Schmerzes, die aus der Verletzung hervorgerufen wird, bemerkt sie den Schlag in ihren Rücken fast nicht, dort, wo nun ein Messer steckt …

|Schlussfolgerung|

Laura Hayward sieht das Muster, das die Spuren ergeben, immer deutlicher vor sich. Aus seltenen Fasern, einzigartigen Seilknoten, Blutspuren am Messer Margo Greens und aus Spuren bei der Leiche des FBI-Agenten Mike Decker geht nur ein Ergebnis hervor: Alle vier Opfer haben mit einem einzigen Mann zu tun, zu dem alle Spuren passen: Aloysius Pendergast. Das FBI schaltet sich ein. Es will den Verräter aus seinen eigenen Reihen gnadenlos jagen.

_Mein Eindruck_

Aloysius Pendergast ist zwar ein seltsamer Kauz, aber er hat unsere Sympathien, denn erstens ist er ein sehr einfallsreicher Mann – ebenso wie sein Bruder Diogenes – und zweitens ist er fähig, aufrichtig zu lieben, und das unterscheidet ihn ganz erheblich von seinem Gegenspieler. Pendergast liebt sowohl Viola Mascarine, die italienische Geigenvirtuosin, als auch sein Mündel Constance Green (die wohl mit Margo Green verwandt sein könnte, aber das wird in dieser Textfassung nicht näher erläutert). Natürlich versucht Diogenes, diese beiden Damen gegen Aloysius zu verwenden, um ihn daran zu hindern, ihm beim „perfekten Verbrechen“ in die Quere zu kommen.

Wer sich nun fragt, warum dies einen Mann wie Pendergast kümmern sollte, verkennt ihn völlig. Er ist kein Rächer von Waisen und Witwen, sondern er steckt in einer argen Klemme, in die ihn sein Bruder hineinmanövriert hat: Alle vier Todesfälle des Januar scheinen auf Aloysius‘ Konto zu gehen, dafür hat Diogenes sorgfältig gesorgt. Wir werden daran erinnert, dass Diogenes seinen Bruder in ein italienisches Krankenhaus brachte und alle Zeit der Welt hatte, um Fasern, Haare, Blutproben an sich zu nehmen – DNS-Spuren, die die New Yorker Polizei nun eifrig auswertet. Laura Hayward hat bereits die nötigen Schlüsse gezogen. Aloysius kann nur auf einem Wege seine Unschuld beweisen: Er muss Diogenes präsentieren.

|Das perfekte Verbrechen|

Leichter gesagt als getan. Denn der Mann scheint so gut wie unsichtbar zu sein. Sogar die Art und Weise, wie er im Naturhistorischen Museum sein „perfektes Verbrechen“ begeht, lässt ihn nicht ins Licht treten. Vielmehr rätseln alle, welcher Museumsmitarbeiter dem Täter geholfen habe könnte. Denn jemand muss das nagelneue Sicherheitssystem ja ausgetrickst haben.

Mit einem weiteren Trick versucht Diogenes seinen Bruder kaltzustellen. Er lädt Viola Mascarine nach New York City ein, kidnappt sie und hält sie gefangen – eine Geisel, um Aloysius willfährig zu machen. Doch Aloysius hat Dagosta und weitere Helfer, die technisch versierter sind als sie beide zusammen. So gelingt es ihm, seinerseits Diogenes auszutricksen. Nun braucht er nur noch den Tausch seines Unterpfandes gegen Viola zu veranlassen. Showtime, Bruderherz!

|Ungleiche Brüder|

Obwohl wir den Charakter von Aloysius bereits zu kennen glauben, schüren die Vorfälle doch erhebliche Zweifel an seiner Integrität. Zugleich wecken eingehende Beschreibungen von Diogenes gewisses Verständnis für ihn, wenn nicht sogar Sympathie. Diogenes ist ein sehr intelligenter Mann, der nur ein Problem hat: Wie kann er seinem sinnlosen Leben auf diesem elenden Dreckklumpen von Planeten einen Sinn verleihen? Die einzige Antwort, die ihm – neben Suizid – einfällt, ist die Rache an seinem Bruder, der ihm in seinen Augen einiges an Wiedergutmachung schuldig ist. Dieser wunde Punkt wird ihm zum Verhängnis.

|Humoreinlage|

Wir bekommen eine hübsche Humoreinlage serviert. Zu seiner eigenen Sicherheit wird Reporter William Smithbeck in eine Irrenanstalt eingewiesen. Seine Versuche, dort wieder herauszukommen, um seinen Arbeitsplatz nicht zu verlieren (das kann in Amerika ganz schnell gehen), sind rührend vergebens, denn sie werden von Direktor Tysander stets abgeschmettert. Nur den letzten Versuch lässt er gelten – aber da ist es schon der 29. und für Smithbeck besteht keine Gefahr mehr. Wie sich der Reporter als rebellischer Insasse aufführt, ist bemerkenswert und sehr ironisch.

|Der Sprecher|

Das Hörbuch wird von Detlef Bierstedt kompetent und deutlich artikuliert vorgetragen, so dass man dem Text mühelos folgen kann. Er muss sich nicht besonders anstrengen, denn die amerikanischen und italienischen Namen auszusprechen, ist diesmal kein großes Kunststück für einen Mann mit Allgemeinbildung. Mehrmals war ich von seiner Kenntnis der Aussprache bestimmter Begriffe und Namen beeindruckt. Allerdings spricht er den englischen Ortsnamen Threadneedle Street falsch aus. Statt [thridnidl] muss es [thrädnidl] lauten. Aber mehrmals musste ich auch über seine Betonung deutscher Wörter die Stirn runzeln.

Da sich die Anzahl der Figuren sich in Grenzen hält, gerät man nie in Gefahr, die Übersicht zu verlieren. Bierstedt versucht sein Möglichstes, die Figuren zu charakterisieren. Das gelingt ihm am besten bei den beiden Pendergast-Brüdern: Sie sollen laut Buch einen weichen Südstaatenakzent haben und klingen sanft und kultiviert. Die New Yorker Cops hingegen sind das genaue Gegenteil: hart und rau, mit einer tiefen Stimmlage. Es gibt nur eine Stimmlage, die noch tiefer ist: Direktor Tysander, ein richtig väterlicher Typ.

Alle Frauenfiguren sind mit der gleichen hohen, sanften Stimmlage charakterisiert – mit zwei Ausnahmen. Laura Hayward, die Polizistin, und Margo Green, die Chefredakteurin, klingen wesentlich energischer und tiefer als etwa Constance Green oder Viola Mascarine.

Bei so wenig Abwechslung in den Stimmlagen kommt es darauf an, die stimmliche Expressivität der jeweiligen Szene anzupassen und so den Ausdruck emotionaler und abwechslungsreicher zu gestalten. Dies gelingt dem Sprecher wesentlicher erfolgreicher, und so kann sich der Hörer über Jammern, Verzweiflung, Hysterie, Schniefen, Stammeln, Verlegenheit, Angst, Spott, Arroganz, Sarkasmus, Nervosität, Erleichterung, Erschütterung, Aufregung, Besorgnis, Freude und viele andere Gefühlsausdrücke freuen. Ganz eindeutig ist dies Bierstedts eigentliche Stärke.

|Musik|

Die Musik erklingt als In- und Outro nur am Anfang und Ende des Vortrags. Das Motiv aus Drums, Bässen und Streichern hat mich an nichts so sehr wie an das Titelmotiv von „Die purpurnen Flüsse“ erinnert. Geräusche gibt es hingegen keine.

|Zu lang, zu zerbrechlich|

Insgesamt erschien mir der Text, obwohl gekürzt, noch immer zu lang, und so manche charakterisierende Szene hätte wegfallen können. Inzwischen hat wohl auch der Verlag gemerkt, dass es nicht immer sechs CDs für einen Thriller sein müssen – fünf tun es genauso gut, so etwa bei „Der letzte Coup“ von James Twining. Diese Produktion vom September 2006 ist eine der letzten, die noch in der alten, gewohnten Jewel-Case-Ausstattung produziert wurde. Inzwischen werden die CDs in einer raffinierten neuartigen CD-Halterung untergebracht. Sie hat den Vorteil, dass die mittleren Halterungszähne nicht mehr abbrechen können – es gibt sie nicht mehr.

_Unterm Strich_

Dies ist auf den ersten Blick nur ein weiterer Thriller aus der Schreibfabrik Preston und Child, die schon solche Kracher wie „Relic“ verbrochen haben (der übrigens ebenfalls im New Yorker Naturgeschichtsmuseum spielt). Action, Geheimnis, ein Superverbrecher – es sind alle Zutaten vorhanden. Und diesmal versteigen sich die Autoren auch nicht zu abstrusen Ausflügen ins Übernatürliche. Alle Leute bleiben schön auf dem Teppich der erklärbaren Tatsachen. Klerikalthriller à la [„Sakrileg“ 1897 gibt es eh schon genügend.

|Sherlock|

Wenn Aloysius Pendergast der Sherlock Holmes dieser Kriminalhandlung ist, so spielt sein Bruder die dunklere Hälfte seines Ichs, nämlich Professor Moriarty, das Verbrechergenie. Sgt. Dagosta fällt die Rolle des Dr. Watson zu, und stets gilt es auch, eine junge Dame in Not vor dem Schlimmsten zu retten, und das ist diesmal Pendergasts Herzensdame Viola Mascarine (welch ein schöner Name).

|Ennui|

Was nach einem Plot aus dem viktorianischen Zeitalter klingt, ist es aber bei näherem Hinsehen nur noch hinsichtlich der bewährten Strukturen für Detektivgeschichten, die bislang nicht wesentlich weiter entwickelt worden sind (mit Ausnahme der Schwedenkrimis). Ganz dem 20. Jahrhundert gehört die Krankheit des |ennui| an, unter welcher der Existenzialist Diogenes Pendergast leidet, die völlige Sinnentleertheit des Daseins.

Nur der Gedanke an Rache und das Streben nach dem perfekten Verbrechen vermögen ihn noch zu motivieren. Er ist auch ein Ästhet, der sich an schönen Farben, festgehalten in kostbaren Objekten, zu erfreuen vermag. Nur die Methode, wie er an diese Objekte zu gelangen pflegt, ist höchst verwerflich. Das Hörbuch lässt für das Porträt dieses ungewöhnlichen Verbrechers trotz der Kürzungen noch genügend Raum, dass uns sein ungewöhnlicher Charakter deutlich wird. Danke, Dr. Hoven!

|Das Hörbuch|

Das Hörbuch wird von Detlef Bierstedt in gewohnter Weise kompetent gestaltet, bietet aber ansonsten keine Zutaten wie etwa Musikuntermalung oder gar eine Geräuschkulisse. Über Bierstedts Fehler in Aussprache und Betonung könnte ich mich aufregen, tu ich aber nicht.

Vielleicht ist es wegen der begrenzten Ausstattung hinsichtlich Musik und Geräuschen ein wenig preisgünstiger als ähnliche Produkte mit sechs CDs ausgefallen. Es kostet knapp 20 Euronen, drei weniger als das erste Hörbuch der Preston/Child-Serie und Aloysius Pendergast. Das ist doch mal ein Fortschritt.

|Originaltitel: Dance of Death, 2005
Aus dem US-Englischen übersetzt von Michael Benthack
427 Minuten auf 6 CDs|
http://www.luebbe-audio.de