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Samantha Devin – Arcadia. Brighton-Thriller

„In einer Höhle bei Brighton wird die Leiche der elfjährigen Gloria gefunden. Ihr nackter Körper ist in ein Ziegenfell gewickelt. Unter einer blutigen Mischung aus Milch und Honig schimmern Brandblasen auf ihrer Haut. Vergorene Granatapfelkerne füllen ihren Mund, aus ihren smaragdgrünen Augen spricht das Grauen.Zwei Jahre später klingelt bei der Schriftstellerin Julia Aridell das Telefon: Et in arcadia ego sagt eine Stimme und legt sofort wieder auf.

Das rätselhafte Zitat erinnert Julia an den mysteriösen Mordfall und setzt Ereignisse in Gang, die bald nicht mehr aufzuhalten sind. Die Beschäftigung mit dem Fall wird für Julia zur gefährlichen Obsession, die ihr Leben und Denken für immer grundlegend ändern wird. Schließlich trifft sie auf den sechzehnjährigen Daniel, Glorias Bruder. Mit seiner Schönheit, seinem Enthusiasmus und seinem Talent als Musiker und Schauspieler begeistert er sein Umfeld. Auch Julia, die seine Mutter sein könnte, fühlt sich magisch zu Daniel hingezogen.“ (Verlagsinfo bei Amazon.de)
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Paasilinna, Arto – Im Jenseits ist die Hölle los

In seinem Nachleben als Geist erlebt der Journalist Arto eine ganze Menge erheiternder, aber auch einige betrübliche Ereignisse. Nach einer ganzen Weile findet er nicht nur eine Gefährtin, sondern auch eine Berufung: die Träume der Lebenden zu beeinflussen. Arto wird ein modernes Sandmännchen.

|Der Autor|

Der 1942 geborene Lappe Arto Paasilinna hat bisher nahezu vierzig Bücher veröffentlicht, für die er mehrfach ausgezeichnet wurde, unter anderem in Frankreich und Italien. Einige davon wurden bereits verfilmt. Paasilinnas Spezialität ist die humorvolle Parodie, die bestimmte Charakterzüge der Finnen und umgebenden Völkerschaften ironisch thematisiert.

Auf Deutsch erschienen sind bisher:

– Der heulende Müller
– Die Giftköchin
– Der Sohn des Donnergottes
– Im Wald der gehenkten Füchse
– Der Sommer der lachenden Kühe
– Das Jahr des Hasen
– Die Rache des glücklichen Mannes
– Der wunderbare Massenselbstmord
– Nördlich des Weltuntergangs
– Vorstandssitzung im Paradies

_Handlung_

Weil er einer hübschen Frau hinterher geschaut hat, achtet unser Erzähler nicht auf den Straßenverkehr und wird prompt überfahren. Die Erfahrung des Todes, die er schon bald „erlebt“, ist etwas Neues für ihn. Leider kann er in der Zeitung, für die er als Journalist gearbeitet hat, nichts mehr darüber schreiben. Dabei wäre das Jenseits für seine Leser doch ziemlich interessant.

Denn es hat mit dem christlichen Himmel überhaupt nichts gemeinsam. Es gibt hier weder einen Himmel zur Belohnung noch eine Hölle zur Bestrafung. Auch ein Christen-Gott ist weit und breit nicht zu entdecken, geschweige denn irgendwelche himmlischen Heerscharen. Unser braver Finne – nennen wir ihn Arto – schwebt vielmehr als körperloser Geist umher. Immerhin kann er jetzt Gedanken lesen und durch Wände laufen. Das Geisterleben hat durchaus etwas für sich.

Wie er schon bald herausfindet, widerfährt dieses Glück nicht allen Frischabgelebten. Wer seinen Verstand nämlich schon zu Lebzeiten versoffen hat – ein krasses Beispiel wird angeschaulich geliefert -, dessen Geistsubstanz löst sich schon binnen weniger Stunden in Wohlgefallen auf. Ein Glück, dass Arto ein wahrer Intelligenzbolzen ist! So kann er uns fast ein ganzes Jahr lang unterhalten.

Nachdem er sich von seiner Witwe verabschiedet hat, die sich wieder fröhlich den weltlichen Freuden zuwendet, stößt Arto auf Leute, die einschlägige Erfahrungen mit dem Jenseits gemacht haben. Jesus gehört vorerst nicht dazu, denn dessen Groupies haben ihm den Aufenthalt auf der Erde so vergällt, dass er sich irgendwo beim Jupiter herumtreibt, heißt es. Die Geister sind in der Lage, gedankenschnell von Punkt A nach B zu fliegen. Mondflüge sind an der Tagesordnung.

Dafür hat Arto eine anregende Unterhaltung mit Papst Pius IX (S. 58-62), der die Dogmen der unbefleckten Empfängnis und der Unfehlbarkeit des Papstes aufstellte, als er im 19. Jahrhundert als Papst regierte. Damit versetzte er, *harhar*, die Regierungen Europas in ziemlichen Aufruhr. Das tat er offenbar, um das Papsttum vor der endgültigen Bedeutungslosigkeit zu bewahren. Man kann heute rückblickend sagen, dass ihm das vollauf gelungen ist.

Bei seinen Streifzügen durch die Welt der Geister wird es Arto ein wenig einsam. Er sucht eine Gefährtin. Auf der Intensivstation eines Helsinkier Krankenhaus lernt er Elsa kennen, eine schöne Frau in den Dreißigern, die offenbar an einer unheilbaren Krankheit leidet. So fies es klingt, so betet Arto doch für den baldigen Tod der Angebeteten, damit er sie kennen lernen kann. Als es soweit ist, bringt er auf dem Mond sein Liebesgeständnis so ungeschickt vor, dass die Lady sofort das Weite sucht. Fortan begleitet er ein altes Mütterchen zurück zum blauen Planeten. In Peru geraten sie in eine Revolution.

Durch die Alte und einen professionellen Selbstmörder namens Sergej enthüllt sich Arto endlich seine wahre Berufung: Er wird die Träume der Lebenden beeinflussen. Als er sich das erste Mal als Sandmännchen betätigt, ist die Erfahrung einerseits befriedigend, aber auch sehr frustrierend. Er holt sich Rat bei Papst Pius, denn der weiß in Sachen Menschenträume offenbar gut Bescheid.

Und da bald Weihnachten, also Jesu Geburtstag ist, kommt der Heiland bald persönlich auf Tournee nach Helsinki. Das Jenseits ist eindeutig nicht langweilig. Zu guter Letzt muss Arto noch Elsa zurückgewinnen, um sein Glück perfekt zu machen …

_Mein Eindruck_

Ähnlich wie Paasilinnas Südsee-Roman „Vorstandssitzung im Paradies“, der 17 Jahre später veröffentlicht wurde, ist „Im Jenseits ist die Hölle los“ eine humorvolle Untersuchung und Verulkung liebgewonnener Ansichten, wenn nicht sogar Dogmen von dem, was nach dem Tod kommt. Witzigerweise kommen bei Paasilinna sogar Atheisten und Agnostiker auf ihre Kosten, die ja keineswegs an einen Gott glauben, schon gar nicht an einen christlichen oder sonstigen kirchlichen.

Was Arto im Jenseits, der Geisterwelt vorfindet, ist einerseits ernüchternd, andererseits auch interessant. So ein Geisterleben hat neue Qualitäten: Gedanken lesen, Träume korrigieren, zum Mond fliegen. Nur mit der Liebe und anderen körperlichen Genüssen haut es nicht so recht hin – es ist eben eine ver-geist-igte Existenz. Dafür kann man den Damen beim Nacktbaden zusehen, ohne gesehen zu werden – das findet auch der Papst klasse. Wobei sich allerdings die ästhetischen Geschmäcker stark unterscheiden. Der Papst steht, für Arto unverständlich, auf füllige Damen. Er kommt eben aus einer anderen Zeit.

Es ist interessant, wie sehr sich Arto für die kirchlichen Autoritäten interessiert. Nicht nur Jesus und der Papst interessieren ihn, in Alltagsangelegenheiten holt er sich schon mal Seelentrost und Ratschlag bei Propst Hinnermäki. Die weltlichen Autoritäten sind ihm alle irgendwie zu korrupt oder sonstwie diskreditiert. Und wenn das nicht der Fall sein sollte, dann stutzt er sie zurecht. Er zeigt uns den seinerzeitigen Staatspräsidenten Kekkonen in Unterhose und im Bad. (So etwas tat schon Bob Dylan 1965 mit Nixon.)

Da dies eine quasi metaphysische Komödie ist, werden auch die Guten belohnt und die Schlechten bestraft. Der Bauer, der sein gesamtes Gut versauft und verhurt, legt schon kurz nach seinem Alkohol-induzierten Exitus eine Vollverdampfung hin. Das arme, einsame Mütterchen, das irgendwo in Lappland seinen Lebensabend mit dem Hund verbringt, ist jedoch eine Seele, die Arto unbedingt retten will. Da bekommt er richtig faustische Anwandlungen. Es zeigt sich, dass sie aus ihrer fundamentalistisch-christlichen Religionsgemeinschaft der Altlästadianer ausgestoßen wurde und jetzt niemanden mehr hat, mit dem sie reden kann (der Hund zählt wohl kaum). Diesen Missstand will Arto unbedingt beheben, forscht nach der Ursache und bringt dem Urheber des Bannspruchs üble Träume. Natürlich wird er vom Träumer für Satan persönlich gehalten. Doch Hartnäckigkeit zahlt sich aus. Und an Heiligabend will Arto dem Mütterchen einen besonders schönen Traum bescheren.

Dies ist so ziemlich alles an Plot, was der Autor aufzubieten vermag. Das ist wahrlich nicht viel, sondern erinnert zuweilen an eine Nummernrevue von possierlichen Kuriositäten. Doch für Arto ist dies ein Lernprozess, der ihn zu einem besseren Men-, pardon: Geist macht. Und er als solcher darf in Elsas Armen die Erlösung finden. Der Handlungsverlauf folgt also im Grunde einem traditionsreichen Muster, das spätestens mit den mittelalterlichen Heiligenlegenden und Bunyans „Pilgrim’s Progress“ begann. Allerdings muss Arto keine Heldentaten vollbringen und Versuchungen abwehren, wie das in Ritterromanen gang und gäbe ist (z. B. „Sir Gawain“, 14. Jahrhundert). Doch um ein guter Sandmann oder Traumbringer zu werden, ist eine gewisse Läuterung erforderlich – seine weltliche Reise zielt darauf ab.

_Unterm Strich_

Der Roman soll unterhalten, doch muss man fast 90 Seiten warten, bis endlich so etwas wie ein Plot auftaucht: Das Mädchen Elsa wird von Arto geliebt, aber leider hat sie kein Verständnis für seine Gründe, ihr Ableben zu wünschen. Zu spät erkennt er, welchen Verlust ihr Tod für ihre menschliche Umgebung bedeutet. Sie zurückzugewinnen – dem gilt zwar fortan nicht sein ganzes Sinnen und Trachten, doch er ist wirklich froh, sie wiederzubekommen.

Der Autor wandert also einen schmalen Grat am Kitsch entlang. Er macht aber diese Romanze nicht zum Hauptmotiv; sie ist vielmehr stark heruntergespielt. Wichtiger sind ihm quasi journalistische Themen: die Politik des Papstes etwa, oder die Leiden, die fundamentalistische Sekten oder militärische Putsche mit sich bringen. Artos Geist hat eben immer noch ein Gewissen. Das ist wahrscheinlich gut so, denn nun hat er wenigstens einen Grund gefunden, eine Existenz als Geist zu fristen – er will für andere da sein, ja, sogar für die Leidenden kämpfen. Wohlan denn, Sandmann!

|Die Übersetzung|

Die Übersetzung von Regine Pirschel ist wieder einmal einwandfrei. Den trockenen, ironischen Tonfall des Erzählers bringt sie gut zum Ausdruck. (Paasilinna macht sich nicht schenkelklopfend über Leute lustig. Das muss der Leser schon selber tun.)

Nur auf Seite 192 scheint mir eine Zuweisung der Sprecher durcheinander geraten zu sein. Der Papst hält eine elend lange Rede im Beisein von Propst Hinnermäki und Arto. Im Anschluss daran heißt es: „Der Papst saß lange schweigend da. Hinnermäki war völlig verwirrt. Er grübelte heftig über die päpstlichen Worte nach.“ Statt „Der Papst saß lange schweigend da“ scheint mir daher „Der Propst saß lange schweigend da“ wesentlich mehr Sinn zu ergeben. Man kann aber auch die Wörter Papst und Propst sehr leicht verwechseln.

[NEWS] Arttu Tuominen – Was wir verbergen

Auf einen Nachtclub, den queere Partyleute gerne besuchen, wird ein Anschlag verübt. Ein Fanatiker, der sich in einem Bekennervideo als »Abgesandter« bezeichnet, hat Handgranaten in den Nachtclub geworfen. Fünf Menschen werden getötet und viele schwer verletzt. Kommissar Henrik Oksman von der Kripo in Pori übernimmt die Ermittlungen. Oksman war kurz vor dem Anschlag jedoch auch in dem Club – wovon niemand etwas wissen darf. Der Anschlag sorgt für große mediale Aufmerksamkeit. Im Internet verbreitet sich das Bekennervideo wie ein Lauffeuer, und die Foren quillen über vor Mutmaßungen, ob der Täter weiter morden wird. Und genau das muss Oksman verhindern: einen weiteren Anschlag. (Verlagsinfo)


Taschenbuch ‏ : ‎ 368 Seiten
Lübbe

Cody McFadyen – Das Böse in uns (Smoky Barrett 03)

Katholiken, obacht! Beichten mit Todesfolge

„Ich habe dich schon lange im Visier und beobachte dich, während du diese Zeilen liest. Ich kenne dein kleines Geheimnis. Es lastet wie ein dunkler Schatten auf deiner Seele – Keine Angst. Ich werde dich davon erlösen!“ (Verlagsinfo)

Diesmal muss FBI-Agentin Smoky Barrett den Fall einer ermordeten transsexuellen Tochter eines Kongressabgeordneten aufklären. Ist Lisa Reid wirklich die Nr. 143 eines Serienmörders? Und wer steht als nächstes auf dessen Liste?

Der Autor
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[NEWS] Valentina May – Das Theater am Park. Melodie der Träume

Hannover 1936: Die junge Sängerin Violetta leitet mit ihrer Mutter das renommierte Theater am Park. Als sie dabei den jüdischen Komponisten Hans trifft, verliebt sie sich in ihn und möchte mit ihm das Theater in die Zukunft führen. Doch dann wird ihre Beziehung durch die Nationalsozialisten entdeckt und sie müssen fliehen – und nur Violetta kommt in England an. Ihre besorgte Familie drängt sie, in London zu bleiben, da ihr sonst die Verhaftung droht. Um zu überleben, singt Violetta auf der Straße und lernt dabei den sympathischen Pianisten Brian kennen, der ihr in der dunklen Zeit ein guter Freund wird. Bald merkt sie, wie viel mehr Brian ihr bedeutet – aber haben sie eine Zukunft? Denn ihr Herz sehnt sich zurück zum Theater und zu Hans … (Verlagsinfo)


Taschenbuch ‏ : ‎ 432 Seiten
Lübbe

Pierre Assouline – Dessous. Erotischer Roman

Wider den Eros: das Verschwinden der Intimsphäre

Rémi hat seit zwei Jahren ein Verhältnis mit Victoria, von der seine Frau, eine Scheidungsanwältin, offenbar nichts ahnt. Doch eines Tages ist Victoria ohne ersichtlichen Grund verschwunden. Er ahnt lange Zeit nicht, dass er bei seiner Suche nach der Geliebten auf Schritt und Tritt überwacht wird. Aufgrund dieser erschütternden Entdeckung dreht er den Spieß jedoch kurzerhand um.

„Ein fulminanter Auftakt, gefolgt von Bravourstücken. Amüsant und unbarmherzig. Assouline liebt die spöttische Unverblümtheit. Er nimmt en passant alles aufs Korn, was sich bewegt, eine Konstante des Buchs, das sehr pikante Szenen liefert und damit entfernt an Philip Roth erinnert.“ Quelle: Le Figaro Magazine

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Giordano, Giovanna – Zauberflug

_|Der kleine Prinz| von Abessinien_

Eine poetische Mischung aus „Der kleine Prinz“, „Jenseits von Afrika“ und Kriegsroman, so lautet der erste Eindruck nach rund 50 Seiten.

Doch ein zweiter Blick enthüllt, dass dieses Bild der Tiefe des Erzählten nicht ganz gerecht wird: Es geht um die Erfahrungen, die das Abendland in der Begegnung mit den Wundern Afrikas macht, genauer: die italienische Eroberung und Besetzung Äthiopiens von 1935 bis 1941.

_Die Autorin_

Es besagt einiges, dass die junge Autorin am Fuße des größten Vulkans Europas in Catania Ästhetik unterrichtet. Die Schönheit der Dinge, verteidigt und verehrt angesichts des ständigen Bedrohung, so begegnet auch Äthiopien der jungen Hauptfigur des Romans, dem Piloten Giulio von der Vulkaninsel Stromboli.

Die Danksagung der Autorin enthüllt, dass ihr Großvater der Präfekt der abessinischen Stadt Gondar war und ihr seine Aufzeichnungen überließ. Sie weiß also aus erster Hand, was in Gondar, dem Hauptschauplatz der Handlung, geschah. Gondar, das die Italiener als eine Art Utopia umgebaut hatten, fiel 1941 als letzte Festung in die Hand der anrückenden Briten. Da herrschte schon eine bittere Hungersnot, und Giordano schildert die Zustände sehr realistisch, ohne jedoch melodramatisch zu werden.

_Handlung_

1935 hat das faschistische Italien unter dem Duce, der hier schlicht „der Capo“ bezeichnet wird, beschlossen, seinen Traum von einem zweiten Imperium Romanum zu verwirklich. Folglich beschloss es, Äthiopien zu erobern, eines der letzten unabhängigen Königreiche Afrikas. Alle anderen gehörten entweder den Briten oder den Franzosen.

Pilot Giulio von der Insel Stromboli hat nun die zweifelhafte Ehre, die italienische Kriegserklärung zu überbringen und generell als Postbote zu fungieren. Sein Flugzeug heißt „Vita Nuova“, das ’neue Leben‘. Treu begleitet es ihn bis zum Schluss, um ihn über die Wunder der Landschaft des Bergkönigreichs zu tragen, zu fremdartigen Wesen und Völkern, die manchmal anmuten, als wären sie den antiken Reisebeschreibungen des Herodot entstiegen. Jeder Stamm ist anders als sein Nachbar, mal mit großen Köpfen, mal mit kleinen, mal ohne Füße und Hände (hält die Sklavenhändler fern).

Bei seiner Begegnung mit dem König der Könige, dem „Negus“ Haile Selassie, beschreibt Giulio zwar das Outfit des Herrschers und seines Hofstaats, tut dies aber in so märchenhaften Worten, dass man sich in einem Märchen aus 1001 Nacht wähnt. Dies ist das grundlegende Prinzip der Erzählweise: Mit der Unschuld eines Kindes und dessen Begeisterungsfähigkeit vermag sie selbst schönste, bitterste und schrecklichste Details zu berichten, ohne davor zurückzuschrecken oder kitschig zu wirken.

Giulio lernt einen weisen Meister, Beba, kennen und lieben und dessen sprechenden, ebenso weisen Papagei, Pappamondo (‚Vater der Welt‘). Der Negus lässt eine Weile seinen Hofnarren Meleku den weißen Italiener begleiten. Zahlreiche Begegnungen vermitteln dem Piloten einen Eindruck von der Klugheit der Äthiopier und bieten seinen Begleitern Gelegenheit, kluge Bemerkungen zu machen, wie sie wohl auch „der kleine Prinz“ hätte machen können. Natürlich geht es um das Steckenpferd der Autorin, die Künste, aber auch darum, was die richtige Lebensweise sei. Hier gibt’s viel Stoff für das Poesiealbum.

Als die italienischen Truppen einmarschieren, hagelt es Bomben, und der Kaiser flieht nach England. Die Dörfer werden zerstört, die Krieger in den Widerstand getrieben, Graf Graziani veranstaltet ein Massaker nach dem anderen und brennt die schöne Hauptstadt nieder. KZs entstehen, und Hunger breitet sich aus.

Doch Giulio findet während dieser Vorgänge, die er nur aus der Ferne beobachtet, die Liebe seines Lebens in der abessinischen Fee Tigist, die an einem See wohnt, wo Giulio einmal abgestürzt ist. Die beiden haben einen Sohn, Kalid, dem Giulio Papierdrachen bastelt. Zusammen leben sie in Gondar während der Besatzungszeit, wo Giulio die ersten Briefe seines Sohnes Nicola erhält, der bei seiner Familie in Stromboli lebt. (Natürlich war Giulio schon verheiratet, bevor er losflog.)

Die schöne Zeit endet, als Italien dem britischen Empire 1940 den Krieg erklärt und die Briten von allen Seiten einmarschieren. Der letzte Statthalter in Addis Abeba, der adlige Herzog von Aosta, gibt in seinen letzten Tagen in Freiheit eine geradezu Don-Quichotte-hafte Figur ab: der letzte Ritter auf verlorenem Posten. Giulio verliert alles: seine Freunde und seine Freiheit, doch Tigist und Kalid kann er nach Kenia in Sicherheit bringen.

_Mein Eindruck_

Dies ist wahrscheinlich der ungewöhnlichste und poetischste Kriegsroman, den man sich vorstellen kann. Wie schon gesagt, erzählt die Autorin die Wunder Afrikas und die Schönheiten und Seltsamkeiten, denen der junge Held begegnet, in einer anschaulichen Bildersprache. Mit einem gewitzten Kniff vermag sie auch schrecklichste und dramatischste Momente zu berichten, ohne übertrieben zu wirken: Sie setzt einen symbolischen Vorgang oder Eindruck als Entsprechung ein. Durch das Interpretieren des Symbols (der Metapher) vermag der Leser den angedeuteten eigentlichen Vorgang zu kommentieren und zu bewerten.

Im Zentrum des Gefühls der Freiheit und des Lebendigseins, das Giulio in Äthiopien erfüllt, steht das Fliegen: das Darüberhinschweben, das Erobern des Himmels, das Überblicken der Erde, aber auch das Durchmessen großer Entfernungen und das Überbringen geheimer und nicht so geheimer, aber umso liebevollerer Botschaften. Giulio ist kein Tourist, der vorbeischlendert, ohne sich auf das Land einzulassen. Er ist ein Reisender, der sich vom Land verwandeln lässt – und der einen kleinen Beitrag in dessen Not leistet.

Natürlich beschreibt die Autorin auch die Italiener, die nach Afrika gekommen sind, um erstens Krieg zu führen – das sind die Krieger – und zweitens um das neue Utopia zu errichten, besonders in Gondar. Den kampfgeilen Kriegern wie einem gewissen Uragano wird bald ihr verdientes Ende zuteil. Doch auch den Träumern – Astronomen, Architekten, Musikern usw. – geht es nach ein paar Jahren an den Kragen. Schließlich planen die Architekten selbst Gefängnisse, Städte unterm Meer und sogar Luftschlösser. Dann haben sie nichts mehr zu beißen und ergeben sich den Briten.

Auf diese subtile Weise übt die Autorin leise Kritik an den faschistischen Machthabern, die eine ganze Generation von Italienern zu blenden vermochten – so wie in Deutschland Hitlers „braune Horden“. Ich bin nicht darüber informiert, ob der italienische Staat jemals Wiedergutmachung an den äthiopischen Staat gezahlt hat. Doch eine Neubewertung der einst so brutal eroberten Kolonie ist der erste Schritt in die richtige Richtung: „the splendour that was Africa“.

Und wenn man Abessinien als stellvertretend für das restliche Afrika ansieht, so erkennt man, dass es an ein Verbrechen grenzt, Afrika sich seiner eigenen Selbstzerfleischung zu überlassen, so wie es aktuell geschieht.

Man sieht: Dieser so harmlos poetisch daherkommende Roman kann durchaus etwas im Leser bewirken: eine Sehnsucht zumindest nach jenen Wundern des Paradieses, die Äthiopien/Afrika vor dem Einbruch des Westens jeden Tag bereithielt – zumindest für jenen Reisenden, der dafür empfänglich ist. Es kommt nicht von ungefähr, dass das Titelbild des Buches eine tropische Flusslandschaft zeigt, wo sich zwischen blauen Bäumen und Pfauen nackte Badende erfrischen: das Urbild der Unschuld.

|Originaltitel: Un volo magico, 1998
Aus dem Italienischen übertragen von Christiane von Bechtolsheim|

[NEWS] Anton Berg – Achtzehn. Der Eid der Mächtigen

Die künftige schwedische Ministerpräsidentin sollte ermordet werden. Doch der Anschlag, geplant von dem Geheimbund der »Achtzehn«, wurde vereitelt – dank der Warnung des Journalisten Axel Sköld. Als Axel Erkenntnisse über die gefährliche Organisation veröffentlicht, findet dies allerdings kaum Beachtung. Unfassbar. Offenbar wurde von ganz oben ein Waffenstillstand mit dem mächtigen Geheimbund geschlossen. Der anonyme Hacker Xenon, der mit Axel Sköld verbündet ist, stiehlt daraufhin auf spektakuläre Weise einen Rembrandt aus dem Nationalmuseum. Mit diesem Gemälde sind Geheimnisse um einen früheren Rüstungsskandal verbunden. Das reizt die „Achtzehn“ jedoch zu noch mehr skrupellosen Morden … (Verlagsinfo)


Taschenbuch ‏ : ‎ 624 Seiten
Lübbe

[NEWS] Julia Chapman – Nur die Menge macht das Gilft (Dales Detective Agency 4)

Samson O’Briens problematische Vergangenheit im Polizeidienst scheint ihn einzuholen: Die ehemaligen Kollegen vernehmen ihn hart in einem Mordfall, und Delilah Metcalfe hat alle Hände voll zu tun, um ihn im ansonsten beschaulichen Bruncliffe in Schutz zu nehmen – bis ihr Neffe von zu Hause wegläuft und es zu einer verzweifelten Suchaktion kommt. Und so, bei all den Ablenkungen, mit denen das Dorf nun zu kämpfen hat, kommt es, dass allein einem Tierarzt auffällt, dass immer mehr Hunde im Dorf vergiftet werden. Alle verdächtigen Samson. Gelingt es den beiden Detektiven unter diesen Umständen den vermissten Jungen wiederzufinden? Ebenso wie den Giftmischer – noch bevor Schlimmeres passiert? (Verlagsinfo)


Taschenbuch ‏ : ‎ 464 Seiten
Lübbe

[NEWS] Anja Marschall – Das Weihnachtswunder von Haus 7

Die alleinerziehende Luisa hat zwei Wünsche zu Weihnachten: Sie wünscht sich wieder einen Partner, mit dem sie Liebe und Leid teilen kann – und sie wünscht sich ein sicheres Zuhause. Denn das Haus, in dem sie mit ihren zwei Kindern lebt, soll abgerissen werden. Um ihre Wohnung zu retten, schmiedet Luisa einen ungewöhnlichen Plan: Sie möchte den griesgrämigen alten Eigentümer des Hauses aufsuchen, um mit ihm zu reden. Die Begegnung verläuft anders als erwartet – und bald steht Luisas Leben kopf, die Ereignisse überschlagen sich. Kann es sein, dass Weihnachtswunder manchmal Wahrheit werden?
(Verlagsinfo)


Taschenbuch ‏ : ‎ 352 Seiten
Lübbe

[NEWS] Elke Schweizer – Der Weihnachtskater

Seit einiger Zeit leben Ella und Max mit ihren Kindern Robin, Mathilda und Lilly in Tannreuth. Als sie in ihr neues Haus einzogen, waren Ella und Max fest entschlossen, ihre Ehe zu retten. Aber inzwischen fragen sie sich, ob ihr Umzug in den Schwarzwald dabei hilfreich war. Das liegt nicht zuletzt an Tosca, Max‘ Assistentin, die sich im Gästezimmer einquartiert hat, und daran, dass die Aufnahme in die Dorfgemeinschaft einige Hürden bereithält. (Verlagsinfo)


Taschenbuch ‏ : ‎ 288 Seiten
Lübbe

[NEWS] Christian Humberg – Mord kennt keine Feiertage

Eigentlich ist Chief Inspector Timothy Smart schon auf dem Weg zu Frau und Festtagsbraten, als sein dandyhafter Freund Robin Chandler ihn bittet, nach Crannock Hall zu kommen. Auf diesem vor Cornwalls Küste gelegenen Landsitz haben sich einige der Reichsten und Schönsten des Landes eingefunden, eingeladen vom mysteriösen Lord Bainbridge persönlich. Chandler fürchtet nahendes Unheil – mörderischer Art, wohlgemerkt! Smart gibt dem Drängen nach. Mit ihm kommt ein Sturm, der die Insel von der Außenwelt abschneidet. Und nicht nur das: Bald ist Lord Bainbridge mausetot. Der Täter muss sich unter den Anwesenden auf Crannock Hall befinden – und kann jederzeit wieder zuschlagen! (Verlagsinfo)


Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 288 Seiten
Lübbe

[NEWS] Jenny Blackhurst – Die dunkle Spur

Martha`s Vineyard im Sommer – traumhafte Sandstrände, Luxusvillen mit Meerblick, ein Hafen mit eleganten Segeljachten. Die junge Engländerin Claire ist fast ein wenig neidisch, als ihre Schwester Holly einen Ferienjob auf der Insel der Reichen und Schönen ergattert. Doch dann hört Claire plötzlich nichts mehr von ihr. Alarmiert reist sie nach Martha`s Vineyard, um ihre Schwester zu suchen. Aber Holly ist spurlos verschwunden. Als Claire erfährt, dass auf der Insel vor fünf Jahren eine junge Frau unter rätselhaften Umständen ums Leben kam, befürchtet sie das Schlimmste. Verzweifelt beginnt sie, die letzten Tage vor Hollys Verschwinden zu rekonstruieren – und kommt dabei einer elitären Gesellschaft auf die Spur, hinter deren glänzender Fassade dunkle Abgründe lauern …
(Verlagsinfo)


Taschenbuch ‏ : ‎ 336 Seiten
Lübbe

[NEWS] Helen Cox – Mord im Yorkshire-Moor (Yorkshire-Krimi 3)

Detective Inspector Malcolm Halloran kann es kaum glauben: In Irendale, einem Dorf in den Mooren von Yorkshire, wurde eine Leiche gefunden. Genau dort lebte er mit seiner Frau, bis diese ermordet wurde. Noch schockierender ist: Die Vorgehensweise bei beiden Verbrechen ist identisch. Auch diesmal spielen literarische Rätsel und sogar Runen eine große Rolle. Dabei sitzt der Mörder von damals gut verwahrt hinter Gittern. Da die örtliche Polizei den Fall nicht lösen kann, reisen Halloran und Kitt Hartley in den Norden der Grafschaft, um auf eigene Faust zu ermitteln. Mit Hilfe von Evie Bowes, Grace Edwards und der Hellseherin Ruby begeben sie sich auf die Suche nach dem skrupellosen Mörder … (Verlagsinfo)


Taschenbuch ‏ : ‎ 320 Seiten
Lübbe

Michael Moorcock – Das Bordell in der Rosenstraße (Von Bek 3)

Der Zusammenbruch der westlichen Zivilisation

Ein kurzer, elegischer Roman aus der Familienchronik derer von Bek, die sich im 17. Jahrhundert mit Luzifer eingelassen hatten. Seine „realistische“ Handlung spielt am Fin de siècle anno 1900 und direkt vor dem Ersten Weltkrieg, der das alte Europa in Schutt und Asche versinken lässt. Für diese bedrohte Kultur steht das diskrete Bordell in der Rosenstraße der fiktiven Stadt Mürenburg, irgendwo dort, wo die Grenzen von Russland, Deutschland und Österreich zusammenstoßen. Das erinnert an die reiche, vielfältige Vorkriegskultur in Czernowitz, wo Schriftsteller wie Paul Celan und Rose Ausländer aufwuchsen.

Der Autor

Michael Moorcock – Das Bordell in der Rosenstraße (Von Bek 3) weiterlesen

[NEWS] Joanne Fluke – Der Schoko-Muffin-Mord

Die Wahl des neuen Sheriffs steht bevor, und es herrscht große Aufregung im idyllischen Lake Eden. Feinbäckerin Hannah Swensen hat in ihrem gemütlichen Café Cookie Jar alle Hände voll zu tun mit Vorbereitungen für die Wahlparty. Zum ersten Mal will ihr Schwager Bill den Amtsinhaber, Sheriff Grant, herausfordern, der mit zweifelhaften Methoden schon länger für Unmut im Ort sorgt. Doch dann wird die Leiche Grants in einem Müllcontainer gefunden, und als Hauptverdächtiger gilt – Bill. Völlig absurd, ist Hannah sich sicher und hat auch schon ein Rezept im Sinn, das den Mörder garantiert zu Fall bringen wird …
(Verlagsinfo)


Taschenbuch ‏ : ‎ 368 Seiten
Lübbe

[NEWS] Fynn Haskin – Der Mondmann. Rote Spur

Eine grausame Mordserie gibt der Kopenhagener Polizei Rätsel auf: In welchem Zusammenhang standen die Mordopfer? Und wer ist der Mörder, der am Tatort geheimnisvolle Symbole hinterlässt? Als klar wird, dass eine Verbindung zur Kultur der Inuit besteht, schaltet sich Jens Lerby in die Ermittlungen ein, zum Verdruss seines Vorgesetzten, der offenbar etwas zu vertuschen sucht. Lerby geht der Spur jedoch unbeirrt nach, die ihn schließlich nach Grönland führt, zurück zu Pallaya Shaa und ihren Leuten – und kommt so einem alten Geheimnis auf die Spur, in dem es um ein Verbrechen geht, das im Namen des Fortschritts von der dänischen Regierung an den Inuit begangen wurde: dem Projekt »Nystart« … (Verlagsinfo)


Broschiert ‏ : ‎ 400 Seiten
Lübbe

[NEWS] Elizabeth Haran – Fliegende Ärzte

Australien, 1967: Die junge Krankenschwester Cassie ist inspiriert von ihrem großen Vorbild, der Pilotin Amelia Earhart. Sie ist überglücklich, als schließlich ihr lang gehegter Wunsch in Erfüllung geht: Sie wird als Krankenschwester und Pilotin beim »Royal Flying Doctor Service« eingestellt. Allerdings sorgt eine Frau, die ein Flugzeug steuert, für viel Wirbel. Cassie muss mit vielen Vorurteilen und Ablehnung kämpfen. Zum Glück gibt es auch Menschen, die sie freundlich aufnehmen. Leider scheint der gutaussehende und sehr sympathische Arzt Mike Monroe Cassie gegenüber Vorbehalte zu hegen, die sie nicht ergründen kann, aber unbedingt aus dem Weg räumen will … (Verlagsinfo)

Lübbe

[NEWS] Ken Follett – Die Waffen des Lichts (Kingsbridge 5)

Mit seinem neuesten Roman läutet Ken Follett für die Menschen in Kingsbridge eine neue Ära ein. Eine Ära, in der Tradition und Fortschritt aufeinanderprallen, Klassenkämpfe in alle Teile der Gesellschaft vordringen und der gesamte Kontinent von einem erbitterten Krieg erfasst wird: die Zeit der Industrialisierung (Verlagsinfo)


Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 880 Seiten
Lübbe

[NEWS] Ralph Knobelsdorf – Ein ehrenwertes Opfer

Berlin, 1855: Wilhelm von der Heyden steht kurz vor dem Abschluss seines Studiums, als er Zeuge einer Explosion wird. Die Fenster der gegenüberliegenden Wohnung sind zerstört, eine Frau hängt leblos im Zaun. Um ihr zu helfen, eilt er an den Unglücksort – und gerät selbst in Verdacht. Der Wachtmeister hat sein Urteil schon gefällt, der Chef der Kriminalpolizei ist jedoch von Wilhelms Beobachtungsgabe begeistert und stellt ihn ein. Talentierte neue Mitarbeiter werden in der noch jungen preußischen Ermittlungsbehörde dringend benötigt. Doch Fingerspitzengefühl ist gefragt, denn das Opfer ist eine junge Gräfin, und so führen die Ermittlungen Wilhelm und seine Kollegen in die höchsten Kreise … (Verlagsinfo)


Taschenbuch ‏ : ‎ 624 Seiten
Lübbe