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Lumley, Brian / Lansdale, Joe R. / Lovecraft, H. P. / Meyrink, Gustav / Laymon, Richard – Necrophobia 1

Sechs Horrorgeschichten versammelt dieses Hörbuch, darunter einige Spitzenkräfte des Genres wie etwa H. P. Lovecraft.

Es handelt sich um ein „inszeniertes Hörbuch“. Das heißt, es wurde mit Musik und dezenten Toneffekten wie Hall oder Stimmverzerrung produziert. Das Ergebnis ist fast ebenso perfekte Unterhaltung wie ein Film, nur viel näher am Original, wie es der Autor beabsichtigt hat.

_Die Autoren_

Brian Lumley wurde 1937 in England geboren. Seit 1981 seine Militärkarriere endete, lebt er als freier Schriftsteller. Zunächst eiferte er H. P. Lovecraft (s. u.) nach, doch mit seiner großen Vampir-Saga [„Necroscope“ 779 gelangte er zu Bestsellerehren.

Joe R. Lansdale, geboren 1951 in Texas, war zunächst Gelegenheitsarbeiter, bevor er sich 1981 ausschließlich dem Schreiben widmete. Er schrieb Western, Fantasy, Abenteuerbücher, Krimi, Horror und Thriller. Jedes seiner Werke sei originell und unverwechselbar, schreibt der Verlag. Aus dem Geheimtipp sei ein renommierter Erfolgsautor geworden. Leider ist er in Deutschland noch unterrepräsentiert.

H. P. Lovecraft (1890-1937) wird allgemein als Vater der modernen Horrorliteratur angesehen. Obwohl er nur etwa 55 Erzählungen schrieb, hat sein zentraler Mythos um die Großen Alten, eine außerirdische Rasse bösartiger Götter, weltweit viele Nachahmer und Fans, und zwar nicht nur auf Lovecrafts testamentarisch verfügten Wunsch hin.

Gustav Meyrink (1868-1932) zählt zu den Klassikern der deutschsprachigen Phantastik (und galt zu Lebzeiten als äußerst streitbar und politisch engagiert). Seine unheimlich-grotesken und esoterischen Werke wie „Der Golem“ und „Walpurgisnacht“ sind trotz vieler Nachahmungsversuche unerreicht geblieben.

Richard Laymon wurde 1947 in Chicago geboren. Erste kürzere Werke erschienen zu Beginn der 70er Jahre. Der Roman „The Cellar“ (1980) entwickelte sich zum weltweiten Bestseller. Laymon hatte etwa 50 Romane geschrieben, als er am Valentinstag, dem 14.2.2001, völlig unerwartet an einem Herzanfall starb.

Graham Masterton wurde 1946 im schottischen Edinburgh geboren. Zunächst arbeitete er als Journalist, seit 1970 lebt er als freier Schriftsteller. So veröffentlichte er sehr erfolgreiche Ratgeber zum Thema Sexualität und Partnerschaft. 1975 landete er mit dem unheimlichen Roman [„The Manitou“ 754 einen Bestsellererfolg, der auch verfilmt wurde. Seither hat er etwa 45 weitere Horrorromane veröffentlicht.

_Die Sprecher_

Joachim Kerzel ist der Synchronsprecher von Hollywoodstars wie Jack Nicholson und Dustin Hoffman. Durch zahlreiche Bestseller-Lesungen – etwa von Ken Follett und Stephen King – hat er sich einen Namen gemacht.

Lutz Riedel ist die deutsche Stimme von Timothy Dalton und stellt hier wieder mal seine herausragenden Sprecherqualitäten unter Beweis.

Nana Spier leiht neben „Buffy“ auch Drew Barrymore ihre Stimme und überzeugt durch völliges Eintauchen in die jeweilige Rolle.

David Nathan ist Regisseur und gilt zudem als einer der besten Synchronsprecher Deutschlands, u. a. von Johnny Depp. Schade, dass man ihn nur sehr kurz mit einer einzigen Story zu hören bekommt: mit „Mein toter Hund Bobby“.

_Die Geschichten_

– |Brian Lumley: In der letzten Reihe| (1988; 21:26 Min.): Ein alter Mann geht mal wieder in sein Lieblingskino, weil ihn das an seine verstorbene Frau erinnert. Doch diesmal kann er sich nicht auf den Film konzentrieren. In der Reihe hinter ihm ist ein junges Pärchen heftig mit Liebesdingen beschäftigt und zwar so laut und eindeutig, dass er sich schließlich umdreht, um die beiden zur Ruhe zu gemahnen. Was er als Antwort hört, ist jedoch ein warnendes Knurren! Erst am Schluss der Vorstellung wagt er wieder, sich den beiden Radaubrüdern zuzuwenden. Was er erblickt, lässt ihm das Blut in den Adern gefrieren. Aber die eigentliche Pointe erfolgt erst mit den letzten Wörtern der Story.

– |Joe R. Lansdale: Mein toter Hund Bobby| (1987, 3:46 Min.): Selten eine derart makabre Story gehört! Ein Junge spielt mit „seinem toten Hund Bobby“, genau, nur dass dieser wirklich tot ist und der Junge ziemlich üble Dinge mit ihm anstellt. Danach kommt der Hund wieder in die Gefriertruhe, wo schon die tote Mutti wartet …

– |H. P. Lovecraft: Pickmans Modell| (1927, 43:18 Min.): Der Großmeister des Horrors bemüht diesmal keine Großen Alten mit unaussprechlichen Namen, sondern ein paar simple Maler. Denkt man. Der Malerverein von Boston, Massachusetts, steht offenbar kurz davor, sein Mitglied Pickman auszuschließen. Seine Ansichten sind ja schon absonderlich, doch seine Motive sind – ja was? – grauenerregend. +++ Doch ein Kollege namens Thurber, der Ich-Erzähler, hält zu Pickman durch dick und dünn. Und so wird ihm die Ehre zuteil, Pickmans anderes Haus besuchen zu dürfen. Es liegt in einem uralten und verwinkelten Viertel, dem North Hill, nahe dem Copse Hill Friedhof. Man sagt, das Viertel stamme aus dem 17. Jahrhundert, als im nahen Salem die Hexen gehängt wurden. Pickmans Ahnin sei eine davon gewesen, bestätigt der Künstler. +++ Die Motive der Gemälde und Studien, die Thurber zu sehen bekommt, sind noch um einiges erschreckender als bislang Gesehene: Leichenfresser einer Spezies von Mischwesen aus Mensch, Hund und Ratte, die Schläfern auf der Brust hocken (à la Füßli) und sie würgen. +++ Das Beste wartet aber im Keller, wo sich ein alter Ziegelbrunnen befindet, der möglicherweise mit den alten Stollen und Tunneln verbunden ist, die North Hill und den Friedhof durchziehen. Hier fallen Revolverschüsse, und Thurber gelingt es, ein Foto zu erhaschen, das die Vorlage zu Pickmans neuestem Gemälde zeigt. Was Thurber bislang für Ausgeburten einer morbiden Fantasie gehalten hat, ist jedoch konkrete, unwiderlegbare Realität …

– |Gustav Meyrink: Das Präparat| (1913, 14:40): Im Prag der Jahrhundertwende besprechen zwei Freunde namens Ottokar und Sinclair das Problem, dass ihr Freund Axel verschwunden ist. Aber sie haben einen Hinweis darauf erhalten, wo er sich befinden könnte: im Haus eines persischen Anatomen. Der Entschluss ist schnell gefasst; mit einem Trick haben sie den Mediziner fortgelockt. Im Haus selbst finden sie Axel – oder vielmehr das, was von ihm noch übrig ist. Viktor Frankenstein wäre stolz auf dieses „Präparat“ gewesen. Herz, Lungen, Adern sind noch vorhanden. Und der Kopf kann sprechen. – Leider fehlt dieser Story irgendwie die Pointe.

– |Richard Laymon: Der Pelzmantel| (1994, 23:08). Anfang und Mitte der neunziger Jahre machten militante Tierfreunde Jagd auf Leute, die Pelze trugen. In dieser Story treten sie in Gestalt zweier rabiater Frauen auf, die Janet, eine 36-jährige Witwe angreifen, weil sie einen Hermelinpelzmantel trägt. Obwohl Janet diese kostbare Erinnerung an ihren geliebten verstorbenen Gatten mit Klauen und Zähnen verteidigt und eine lange Verfolgungsjagd liefert, unterliegt sie am Ende doch. Allerdings geben sich die beiden Verfolgerinenn nicht damit zufrieden, wie sonst den Pelzmantel und das Haar der Trägerin mit roter Farbe zu besprühen. Sie wollen mehr. Schließlich werden ja auch die Tiere, die um ihres Fells wegen getötet werden, letztendlich gehäutet … – Diese Story geht wirklich bis zum Äußersten, konsequent bis zur entscheidenden Andeutung.

– |Graham Masterton: Ein gefundenes Fressen| (1990, 31.21): Die Brüder David und Malcolm sind Schweinezüchter im Gebiet zwischen Nordengland und Südschottland. Allerdings läuft das Geschäft sehr schlecht. Als David aus der Stadt in den Stall zurückkehrt, schaltet er die Lichter und die Futtermaschine ein. Ein markerschütternder Schrei ertönt! Die Schreie hören nicht auf, denn sie kommen aus der Futtermühle, einem sehr zuverlässigen deutschen Fabrikat. Malcolm steckt darin, und ist, bis David den Stopp-Knopf findet, bereits halb von den Scherblättern zermahlen. +++ Statt in Schmerzen zu vergehen, behauptet Malcolm jedoch, himmlische Ekstase zu empfinden. David tut ihm den Gefallen, ihn vollständig zu zermahlen. Tage später fällt David den Zähnen des tückischen alten Ebers Jeffries zum Opfer. Hoffnungslos zerbissen und blutend sehnt er sich nach der Ekstase, die Malcolm im Augenblick des Sterbens erfahren hat. Leider erlebt er eine böse Überraschung. – Auch diese Story geht bis zum Äußersten, liefert aber noch eine witzige Pointe am Schluss.

_Die Sprecher_

Joachim Kerzel ist ein Meister, der die Kunst, eine effektvolle Pause an der richtigen Stelle zu machen, perfektioniert hat. Daher sind die Geschichten, die er vorträgt, von höchster Wirkung, der sich niemand entziehen kann.

Lutz Riedel verfügt über eine ähnlich tiefe Stimme wie Kerzel und vermag den entsprechenden Gruseleffekt mühelos hervorzurufen. Nana Spier liest die Geschichte „Der Pelzmantel“, in der fast nur Frauen auftreten, mit Überzeugungskraft und ohne Zögern bei den intimeren weiblichen Details – die Geschichte ist nämlich auch sehr erotisch. David Nathans Auftritt ist, wie gesagt, leider viel zu kurz, aber einwandfrei.

Andy Materns Musik wird den Texten selbst sehr dezent unterlegt. Leise Pianotöne setzen an den Stellen ein, in denen die Story auf die Zielgerade gelangt. Dies steht im krassen Gegensatz zur Pausenmusik, die bombastischen Horror beschwört. Na ja.

_Unterm Strich_

Ob dies wirklich „die besten Horrorgeschichten der Welt“ sind, weiß ich nicht, aber sie gehören sicherlich in die oberste Liga, allen voran die klassische Story „Pickmans Modell“ von Lovecraft. Man kann auch nicht sagen, es wäre eine schwache darunter, allenfalls Meyrinks Geschichte kommt in diese Region, denn die Pointe scheint zu fehlen.

Die zweite CD geht mit den beiden jüngsten Geschichten weg vom subtilen Psychohorror und richtig ans Eingemachte. Das Einzige, was die Blutrünstigkeit der Masterton-Story noch übertreffen könnte, wäre eine Story von Clive Barker, etwa „Jacqueline Ess – ihr Wille und Vermächtnis“ oder „Das Leben des Todes“ aus den [„Büchern des Blutes“. 538

Und wieder einmal fehlt eine Geschichte von einer Frau. „Die gelbe Tapete“ von der Amerikanerin Gilman wäre nicht schlecht.

|137 Minuten auf 2 CDs|

[Necrophobia 2 1073 erschien im März 2005.