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Mark Carwardine – Extreme der Natur

Inhalt:

In vier Kapiteln stellt dieser großformatige Bildband Tiere und Pflanzen vor, die aus dem Rahmen des Bekannten fallen, weil sie ungewöhnlich groß oder klein sind oder über ungewöhnliche Fähigkeiten verfügen:

Einleitung (S. 6/7)

Extreme Fähigkeiten (S. 8-85): Die Erde wird zwar der „grüne Planet“ genannt, ist jedoch reich an Orten, die das Leben eher ungemütlich machen. Von der Evolution wurde die Herausforderung angenommen. Es entwickelten sich Tiere und Pflanzen, die ihre Nische exakt dort fanden, wo der Konkurrenzdruck nicht gar zu groß war. Das führte zur Entwicklung fleischfressender Pflanzen, giftgassprühender Käfer oder werkzeugbastelnder Vögel. Es geht noch bizarrer: Der Katholikenfrosch besitzt eine Haut, die einen superstarken Sekundenkleber produziert, der männlichen Polyphemus-Motte genügt ein einziges Duftmolekül, um sich auf die Spur des Weibchens zu setzen, die Blüte des Titanenwurzes stinkt so schrecklich, dass Menschen in Ohnmacht fallen, der Pompeji-Wurn lebt in 80° heißem Wasser.

Extreme Bewegung (S. 86-157): Andere Anpasser fallen durch ihre Mobilität (oder deren Fehlen) auf. Die Larve der Languste reist auf dem Rücken einer Qualle durch die Weltmeere, der Mauersegler fliegt über Monate oder Jahre ohne zwischenzeitliche Landung durch die Luft, der Wanderfalke stürzt sich mit mehr als 300 km/h auf seine Beute, der Tausendfüßler muss bis zu 375 Beinpaare lenken, das Erdferkel gräbt sich beinahe so schnell durch die Erde, wie es oberirdisch laufen kann. Das Faultier verschläft 25 seiner 30 Lebensjahre und überlebt, indem es Bewegung möglichst vermeidet – eine Strategie, die durchaus funktioniert.

Extremes Wachstum (S. 158-247): Wer möglichst schnell möglichst groß wird, kann von seinen Feinden nicht mehr attackiert werden. Auf diese Karten setzen unter den Säugetieren der Blauwal und der Elefant, unter den Vögeln der Strauß, unter den Reptilien der Netzpython, die Elefantenschildkröte oder das Leistenkrokodil – ein saurierähnliches Monster von bis zu 10 m Länge. Manchmal geht die umgekehrte Rechnung auf: Wer winzig bleibt, wird oft übersehen und hat deshalb seine Ruhe. Der Schindlerfisch misst ‚ausgewachsen‘ gerade 6,5 bis 8,4 mm, der Jaragua-Gecko nicht einmal 2 cm. Manchmal sind es nur einzelne Körperteile, die enorme Größen erreichen und deshalb besonders effektiv arbeiten. Die Schwingen des Albatros‘ klaftern 3,40 m, damit er sich noch in die Lüfte erheben kann, die Zunge des einer auf der Insel Madagaskar beheimateten Motte ist bis 35 cm lang, die Giftnesseln einer Quallenart namens „Portugiesische Galeere“ reichen 35 Meter tief ins Meer, die Haare des in der Arktis lebenden Moschusochsen werden 90 cm lang, die Augen des in der dunklen Tiefsee hausenden Kolosskalmars erreichen mehr als 60 cm Durchmesser.

Extreme Familien (S. 248-315): Wer nicht wehrhaft oder schnell auf den Füßen ist, muss seine Feinde durch maximale Vermehrung austricksen. Der Riesenbovist – ein Pilz – bläst bis zu 20 Billionen Sporen in die Luft, die Röhrenblattlaus produziert pro Jahr eine Milliarde Klone, die Dickschwanz-Schmalfußbeutelmaus wirft nach 9,5 bis 11 Tagen ihre Jungen. Der umgekehrte Weg ist es, den Nachwuchs so sorgfältig wie möglich zu schützen. In Australien gibt es eine Froschart, die ihre Jungen im eigenen Magen ausbrütet, das Känguru besitzt immerhin einen separaten Beutel, der Kaiserpinguin behütet ein Ei und ein Junges pausenlos und ohne Nahrung zu sich zu nehmen 120 Tage, die Frucht der Seychellennuss wiegt 22 kg und ist praktisch nicht zu knacken – und die Aaskrähe pflegt in Japan ihre Nester nicht mehr aus Ästen, sondern aus Abfällen und Kleiderbügeln zu bauen, seit sie in die Stadt gezogen ist.

Danksagung (S. 316/17)
Index (S. 318-320)

Populärwissenschaft vom Feinsten

Seit 1888 existiert die „National Geografic Society“, schickt wissenschaftliche Expeditionen in die fernsten Winkel dieser Erde und lässt, was dabei entdeckt wird, sorgfältig in Wort und Bild dokumentieren. Diese Tradition ließ – bis heute gewahrt – nicht nur ein nach Millionen Titeln zählendes Text- und Fotoarchiv entstehen, sondern förderte auch eine besondere Art der Vermittlung des gewonnenen Wissens.

Die NGS lebt von den finanziellen Mitteln, die ihr durch ihre Mitglieder zugehen. Diese gehen zwar nicht mit auf die geförderten Reisen, lassen sich aber gern darüber informieren. Es sind beileibe nicht nur Fachleute, die hier ihr Interesse kundtun, sondern vor allem Laien. Sie werden im ‚NGS-Stil‘ angesprochen, der komplexe Themen in allgemeinverständliche Worte fasst und durch Abbildungen illustriert.

Für diese Abbildungen ist die NGS berühmt – zu Recht, denn der Ehrgeiz derer, die für die Society unterwegs sind, zielt auf die klare fotografische Darstellung des Untersuchten und Erforschten in seiner natürlichen Umwelt ab, wobei die Schwierigkeit, dies zu ermöglichen, als Herausforderung gesehen wird. „Extreme der Natur“ zeigt Lebewesen, die sich eigentlich nicht fotografieren lassen, weil sie an Orten leben, die dem Menschen unzugänglich und sie zusätzlich überaus scheu sind. Die Brillanz der dennoch realisierten Fotos lässt die unendlichen Mühen und Fehlschläge, die dahinter stecken, nur selten durchscheinen.

Die Pracht des realen Lebens

Selbstverständlich werden die Leser von „Extreme der Natur“ nicht mit Schnappschüssen abgespeist. Dem Puristen mag die Natur auf diesen Bildern wie inszeniert erscheinen, und auf manche Aufnahmen trifft dies auch zu. So musste der Bombardierkäfer auf einem Gestell fixiert werden, um ihn in glasklarem Detailreichtum dabei fotografieren zu können, wie er sein Reizgas versprüht (S. 14). Die Bilder in diesem Buch fordern das Auge heraus, das sich nicht mit einem kurzen Blick zufrieden gibt, sondern sich auf das Motiv konzentriert und es quasi ‚scannt‘.

Ein Bild sagt bekanntlich mehr als tausend Worte. Jedem großformatigen Foto (28,5 cm Höhe; 25,5 cm Breite) steht eine Textseite gegenüber. Die Informationen sind knapp gehalten, aber sie kommen auf den Punkt. Ihr Zweck ist nicht das Detail, sondern der große, an ausgewählten Beispielen verdeutlichte Zusammenhang. Fast unmerklich und sehr unterhaltsam wird Wissen vermittelt: zwei im Zeitalter der massenmedialen Bombardierung wichtige Faktoren (der knallige Titel trägt dem Rechnung), die freilich – es sei angemerkt – die Gefahr fördern, dass Bücher wie dieses für sich und ihr Thema stehen müssen. Das kann „Extreme der Natur“ nicht leisten, denn es ersetzt keinesfalls die Fachliteratur.

„Extreme der Natur“ ist Teil eines Doppelbandes, der einzeln oder gemeinsam im Schuber erhältlich ist. „Extreme der Erde“ informiert ergänzend über Canyons, Wüsten, Hurrikans, Berge, Vulkane, Erdbeben, Ozeane, Gletscher u. a. extreme Orte oder Phänomene unseres Heimatplaneten.

Autor

Mark Carwardine arbeitete für verschiedene Umweltschutzorganisationen, bevor er sich 1986 als Autor und Fotograf selbstständig machte. Er schrieb bisher mehr als 40 Bücher: Reisebeschreibungen, zoologische Sachbücher und über Umweltschutz, wobei er sich auf Tiere und Pflanzen der Meere spezialisierte. Carwardines Bücher richten sich eher an den Laien als an den Fachmann, beeindrucken jedoch beide durch die ausgezeichneten Fotos. Carwardine sitzt außerdem in der Jury des Wettbewerbs um das beste Naturfoto des Jahres. Mit Textbeiträgen, Bildern und Filmen tritt er oft im Radio und im Fernsehen auf und hält Vorträge und Seminare. Diverse Programme für die BBC entstanden in direkter Zusammenarbeit mit ihm.

Über diese und weitere Aktivitäten informiert Carwardine auf seiner Website.

Gebunden: 320 Seiten
Originaltitel: Extreme Nature (New York : HarperCollins Publishers Ltd. 2005)
Übersetzung: Monika Rößiger
http://www.nationalgeographic.de

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