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Isaac Asimov, Martin Greenberg – Die besten Stories von 1941

_Das tödliche Licht der Sterne_

Isaac Asimov war erst 21 Jahre alt, als er das schreckliche Kriegsjahr 1941 erleben musste. Nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor wurde er wie viele andere führende SF-Autoren eingezogen. Anders als Heinlein, der in Philadelphia malochen musste, durfte Asimov eine ruhige Kugel schieben und kam deshalb noch dazu, ein paar Geschichten zu schreiben und an den Herausgeber John W. Campbell von „Astounding Stories“ zu liefern, Deshalb ist er in diesem, seinem eigenen Auswahlband zweimal vertreten, Heinlein aber überhaupt nicht.

Jede Erzählung wird mit einer Anmerkung von Greenberg zum Autor und seinem Werk eingeleitet. Asimov steuert lediglich eine persönliche Anekdote bei, wie er den Autor kennen gelernt hat – oder auch nicht.

_Die Herausgeber_

Isaac Asimov, geboren 1920 in Russland, wuchs in New York City auf, studierte Biochemie und machte seinen Doktor. Deshalb nennen seine Fans ihn neckisch den „guten Doktor“. Viel bekannter wurde er jedoch im Bereich der Literatur. Schon früh schloss er sich dem Zirkel der „Futurians“ an, zu denen auch der SF-Autor Frederik Pohl gehörte. Seine erste Story will Asimov, der sehr viel über sich veröffentlicht hat, jedoch an den bekanntesten SF-Herausgeber verkauft haben: an John W. Campbell. Dessen SF-Magazin „Astounding Stories“, später „Analog“, setzte Maßstäbe in der Qualität und den Honoraren für gute SF-Storys. Unter seiner Ägide schrieb Asimov nicht nur seine bekannten Robotergeschichten, sondern auch seine bekannteste SF-Trilogie: „Foundation“. Neben SF schrieb Asimov, der an die 300 Bücher veröffentlichte, auch jede Menge Sachbücher, wurde Herausgeber eines SF-Magazins und von zahllosen SF-Anthologien.

Übrigens ist in den biobliografischen Daten auch Martin H. Greenberg als Herausgeber ausgewiesen. Er gibt wahrscheinlich noch heute Anthologien zu einfallsreichen Themen heraus.

_Die Erzählungen_

1) _Eric Frank Russell: Mechanische Mäuse_ (Mechanical mice)

Dan Burman hat ein Problem: Er hat eine Maschine erfunden und weiß nicht, was sie tut. Der Entwurf wurde ihm quasi eingegeben, indem er sich mit einem selbsterfundenen „Psychophon“ auf eine Geistreise in die Zukunft begab. Jetzt hat er den Salat. Die Maschine tut nichts. Er klagt sein Leid dem Reporter Bill, der erst einmal kein Wort glaubt, doch nach einer eigenen Geistreise ins 31. Jahrhundert kommt ihm die Sache plausibler vor.

Die Maschine sieht etwas unheimlich aus: wie ein umgedrehter Sarg mit photoelektrischen Zellen. Plötzlich klickt und surrt sie, öffnet einen Klappe, schnappt sich zwei Chronometer und schließt sich wieder. Hitze entwickelt sich, dann folgt Stille. Es ist Mitternacht, und Burman und Bill begeben sich zur Ruhe. Doch im Labor und auf den Straßen beginnt eine unheimliche Betriebssamkeit.

Streifenpolizist Burke bemerkt in dieser Nacht zwei tote Katzen. Deren durchgeschnittene Kehlen sprechen gegen die Annahme, dass sie Opfer von todesmutigen Ratten geworden sind. Noch ominöser ist der Anblick der fast leergeräumten Auslage des Juwelierladens, den Burke bewacht wie seinen Augapfel. In der unteren Ecke des Schaufensters entdeckt er ein fünf Zentimeter großes Loch, und in der Auslage fehlen ausschließlich Uhren. Die Diamantringe ließ der Dieb seltsamerweise unbeachtet.

Als auf Burkes Alarm hin seine Kollegen mitsamt dem Juwelier eintreffen, können sie sich den Raub nicht erklären. Doch auf einmal macht sich die Uhr an Maleys Handgelenk selbständig und flitzt durch das Loch im Schaufenster nach draußen. Was zum Teufel geht hier vor?

|Mein Eindruck|

Wer kennt nicht die herrliche STAR-TREK-Episode „Trouble with Tribbles“? Darin vermehren sich putzige kleine Alienviecher derart explosionsartig, dass es auf den Korridoren der „Enterprise“ kein Durchkommen mehr gibt. Und vor allem lenken sie die Besatzung durch ihr allgegenwärtiges Auftauchen von deren Aufgaben ab. Sie haben etwas von einem Bienenschwarm.

Ähnliches geschieht in „Mechanische Mäuse“. Der Titel verrät schon das halbe Geheimnis, was ich nicht so witzig finde. Dan Burman, der etwas linkische Erfinder, hat aus der Zukunft eine Von-Neumann-Maschine mitgebracht (bzw. das entsprechende Konzept). Deren Kennzeichen ist es, dass sie Abbilder von sich selbst herstellt. (Dazu gibt es von John Sladek eine herrliche Romansatire.)

Die Abbilder sind wie im Bienenschwarm differenziert nach Königin, Drohne und Arbeiter / Soldaten, um unterschiedliche Aufgaben erfüllen zu können. Doch das Baumaterial besorgt sich diese Robotermutter verhängnisvollerweise aus den Uhren, Autos und Weckern der Umgebung. Das führt für Dan Burman zu einigem Ungemach, was sich aber umso lustiger liest.

Selbstredend will er dem Unglück, das die Maschine über seine Mitbürger bringt, ein Ende bereiten und greift die Maschine an. Sie verteidigt sich einfallsreich. Und als es ihm schließlich gelungen ist, muss er feststellen, dass sie das oberste Gebot jeglichen Lebens als allererstes befolgt hat: Sie hat sich fortgepflanzt und eine Kopie ihrer selbst hergestellt … Tick-tick!

2) _Robert Arthur: Das Ende der Entwicklung_ (Evolution’s end)

Im Jahre 12.000 hat sich die Menschheit in die Sklaven und die Herren aufgespalten. Beide leben unter der Erde in Tunneln. Die Herren haben nämlich vor zehntausend Jahren ein doppelt so großes Gehirn als normal entwickelt und die Schädelwände sind so dünn geworden, dass sie die Hitze der Sonne nicht mehr vom Gehirn abhalten.

Der Herr Dmu Dran hat heimlich ein höchst illegales Experiment gestartet. Er hat zwei Sklaven erlaubt, intelligenter und stärker als erlaubt zu werden. Adem, der muskelbepackte Mann, und Ayveh, seine ihn im Geheimen liebende schön Frau, sollen nun jedoch getrennt werden, damit Ayveh den verhassten Ekno heiratet. Wenn Aydem diesem Befehl der Herren zuwiderhandelt, landet er in der Feuerkammer.

Doch Dmu Dran zeigt den beiden Auserwählten, dass das Ende der evolutionären Entwicklung gekommen ist. Entweder gelingt es ihm, die Gehirnkapazität der Herren nochmals zu erhöhen, ohne dass die Opfer seines anderen Experiments verrückt werden, oder er wird Aydem und Ayveh an die Erdoberfläche, nach Aiden, entkommen lassen, wo sie einen Neuanfang wagen können, um zu den Sternen zu streben. Es kommt zu einer Krise in den Tunneln der Herren …

|Mein Eindruck|

Wie schon 1938 John W. Campbell in „Abenddämmerung“, machte sich eine Reihe von SF-Autoren Gedanken darüber, was Darwins und Thomas Huxleys Evolutionstheorien für die Menschen bedeutet. Die negative Utopie in H. G. Wells‘ einflussreichem Roman [„Die Zeitmaschine“ 3578 half ihnen dabei, und oft wandten sie diese Theorie auf den Genesis-Mythos der Bibel an. Der zweite Autor in diesem Band, der dies tat, ist Alfred Bester mit „Adam und keine Eva“ – siehe dort.

Gegen Besters Story nimmt Arthurs Erzählung sich brav und antiquiert aus, einem Erzählduktus des 19. Jahrhunderts verhaftet statt der modernen Ära, die mit Campbell angebrochen war. Arthurs Konzeption von Aydem und Ayveh, unschwer als Adam und Eva zu erkennen, ist plump und ohne Psychologie, so dass jeder Zwölfjährige sie kapieren konnte.

Auch die Dialoge sind im Grunde keine, sondern vor allem Monologe des „Herrn“ Dmu Dran. Mit seinem riesigen Schädel, seinen vorquellenden Augen, dem fehlenden Hals und der dünnen Pfeifstimme erinnert er stark an die karikaturhaften Marsianer in Tim Burtons bekannter Filmsatire. Dmu Dran doziert über die Evolution und darüber, wie die herrschenden Raubtiere Säbelzahntiger und Dinosaurer Opfer ihrer eigenen Überentwicklung wurden – das gleiche Schicksal sieht er für die „Herren“ voraus. Daher seine zwei Experimente: Entweder werden „Herren“ zu Göttern, oder sie werden durch die Sklaven abgelöst, die einen Neuanfang wagen sollen.

In den 1930er Jahren hatte viele andere Leute konkrete Vorstellungen davon, wie die Zukunft des Menschen aussehen sollte. Eine davon war der Faschismus, eine andere der Stalinismus. Beide zeitigten verheerende Folgen, wie man weiß. Ob der Autor einen Neuanfang nach einem Atomkrieg begrüßt hätte, wage ich jedoch zu bezweifeln.

3) _Theodore Sturgeon: Der Gott des Mikrokosmos_ (The microcosmic god)

Kidder ist ein großartiger Erfinder, und was immer er erfindet, das vermehrt seinen Reichtum. Diesen hat er in der Bank von Mr. Conant angelegt, welche immer reicher wird. Begierig wartet Conant auf die nächste Erfindung Kidders. Doch Kidder hat sich auf eine einsame Insel vor der Küste Neu-Englands zurückgezogen und frönt dort seinen Forschungen. Um schneller erfinden zu können, hat er die Evolution künstlich herbeigeführt und winzige menschliche Wesen, die Neoteriker, erzeugt, die für ihn Entdeckungen machen, beispielsweise superhartes Aluminium, einen Impfstoff gegen Schnupfen und dergleichen mehr.

Inzwischen ist Conant zum zweitmächtigsten Mann der Welt geworden, nach dem Präsidenten der Vereinigten Stadt, der in seiner Hauptstadt Neu-Washington sitzt. Conant will natürlich der mächtigste werden. Als Kidder ihm auf Anfrage von einer neuen billigen und schier unerschöpflichen Energiequelle berichtet und den Bauplan eines Empfängers faxt, ist Conant überzeugt, dass dies der letzte Baustein für die Weltherrschaft ist. Doch er braucht natürlich den Sender.

Als Conant Kidder auf dessen Insel besucht, raubt er ihm erst das Modell des Senders, dann seine Freiheit. Er lässt seine Ingenieure den Sender bauen, während Kidder auf seine Forschungsanlage beschränkt ist. Kidders Neoteriker erfinden ein Schutzfeld für seine Anlage. Als er jedoch Conant abhört und mitbekommt, dass Conant den US-Präsidenten erpresst hat und nun die Insel bombardieren lassen will, muss Kidder feststellen, dass sein Feld nicht die hunderte von Arbeitern und Ingenieuren schützen kann, geschweige denn die ganze Insel.

Er schickt einen Dringlichkeitsbefehl an seine Neoteriker. Unterdessen steigen Conants Bomber auf, mit Kurs auf Kidders Teil der Insel.

|Mein Eindruck|

Dies ist vielleicht eine der frühesten Geschichten über das Thema, dass Wissenschaft, und sei sie noch so exotisch, die Verantwortung für die Folgen ihrer Hervorbringungen übernehmen muss. Zweitens ist es eine Geschichte über einen Erfinder, der zwar genial, aber auch ein despotischer Schöpfer anderer Wesen ist.

Dessen Geschöpfe haben sich ein Credo gegeben, das alle Zuwiderhandlungen gegen den Willen des Despoten – des mikrokosmischen Gottes – mit dem Tode bestraft. Es besteht also ein direkter Zusammenhang zwischen Tod und Leben von Geschöpfen sowie nützlichen Erfindungen. Wenn man weiß, um welchen Preis die Erfindungen geschaffen wurden, ist es dann noch moralisch verantwortbar, sie zu einzusetzen? Übertragen auf unsere Gegenwart, könnte man sich fragen, ob es verantwortbar ist, Teppiche zu kaufen, die in Kinder- und Sklavenarbeit hergestellt wurden. Ich glaube, die Antwort sollte „nein“ lauten.

Vielfach wurden diese beiden Themen in der SF wieder aufgegriffen und auf andere Bereiche übertragen, so etwa auf Computertechnik und Virtuelle Realität. Aber Sturgeons Erzählung ist im Vergleich dazu sehr einfach und leicht verständlich erzählt, fast schon im Märchenton. (Aber in Märchen kommen kaum jemals richtige Namen vor.) Dennoch entwickelt die Handlung zunehmend Spannung und spitzt sich zu einem Höhepunkt zu. Deshalb und weil ihre Aussage überzeitlich gültig ist, wird sie immer wieder abgedruckt.

4) _Isaac Asimov: Lügner!_ (Liar!)

Die Roboterpsychologin Dr. Susan Calvin ist für die Entwicklung positronischer Roboter verantwortlich. Diesmal wird sie durch die Nachricht des Mathematikers Bogert überrascht, dass der neue Typ RB-34 Gedanken lesen könne! Das findet ihr und Bogerts Boss Alfred Lanning nicht witzig, denn es hat alle möglichen Implikationen. Es gibt nämlich bereits zunehmende Antiroboterpropaganda. Wie sollen sie den Roboterfeinden einen Gedankenleser akzeptabel machen? Man würde ihnen das Werk schließen!

Während Lanning und Bogert die knifflige Problemfindung in Angriff nehmen und sich zerstreiten, beschäftigt sich Susan mit der Psyche des Roboters, den sie Herbie nennt. Sie wundert sich, dass er sich nicht für Wissenschaft, sondern für das menschliche Gefühlsleben interessiert und deshalb vor allem Liebesromane liest. Er weiß genau, dass sie in das Vorstandsmitglied Milton Ashe verliebt ist, und versichert ihr, dass die Kusine, die Ashe eingestellt hat, dem Mann, den Susan anhimmelt, nichts bedeutet. Susan schwebt fortan auf Wolke sieben.

Doch der Absturz ist umso härter, als Ashe ihr – ganz im Vertrauen natürlich – verrät, dass er ein Haus suche, weil er seine Kusine heiraten wolle. Susan weiß nicht, wie ihr geschieht, doch Herbie unterstützt ihren zusammenbrechenden Verstand nach Kräften. Als sie dann auch noch erfährt, dass Herbie auch Bogert und Lanning genau das gesagt hat, was sie jeweils hören wollten, erkennt sie die Natur des Problems, das Herbie darstellt. Es hat mit den drei Robotergesetzen zu tun, was sonst.

|Mein Eindruck|

Spock würde sagen: Eigentlich ist es ja logisch, dass sich die Anwendung der drei Gesetze der Robotik auch auf Emotionen erstreckt. Ein Roboter darf keinen Menschen töten oder durch Untätigkeit zulassen, dass der Mensch verletzt wird. Das Ergebnis hätte Susan Calvin also absehen müssen, aber da sie selbst durch Liebe verblendet ist, versäumt sie es, ihre grauen Zellen einzuschalten.

Als sie aus allen Wolken fällt, kehrt zwar ihre Vernunft wieder, um den Kern des Problems herauszufinden, doch was sie dann tut, schockiert denn doch in seiner Brutalität. Wenn Herbie kein mechanisches Konstrukt wäre, müsste man Dr. Susan Calvin wegen Mordes einbuchten. Dass sie ihn obendrein einen Lügner (siehe Titel) nennt, sagt mehr über die Realität der Menschen aus als so manche langatmige Romantik.

5) _Ross Rocklynne: Die Zeit braucht ein Skelett_ (Time wants a skeleton)

Lieutenant Tony Crow von der Planetarischen Polizei stürzt auf dem Asteroiden Nr. 1007 ab, auf dem sich drei Banditen aufhalten. Als er das Trio stellt, feuern sie zurück. Er kann noch einen erledigen, doch dann muss er in Deckung springen. Er gelangt per Zufall in eine Höhle, doch diese ist nicht leer. Ein Skelett liegt darin, und an seinem Finger steckt ein grüner Smaragdring. Ihn schaudert. Crow verlässt die Höhle wieder, feuert auf die Banditen, die fliehen. Den Felsblock, der über dem Raumschiff der Banditen hängt, sprengt er mit einem Schuss, so dass der Block auf das Schiff fällt und es zerdrückt. Sie sitzen fest. Na, toll!

Er legt Johnny Braker und Harry Jawbone Yates trotzdem Handschellen an – sicher ist sicher. Werden sie auf diesem Steinbrocken sterben, fragen sie sich. Nein, denn in dieser Sekunde erscheint das Forschungsschiff von Professor Overland nur hundert Meter über ihnen und landet. Overlands hübsche Tochter Laurette steckt den Lockenkopf aus der Einstiegsschleuse und fragt die drei Kerle, ob sie Einheimische oder Menschen seien. Sie seien definitiv Menschen, meint Crow. Dann dürfen sie an Bord gehen.

Außer Laurette und ihrem Vater, einem Biologieprofessor, ist ihr Verlobter Erle Masters an Bord, ein Wissenschaftler. Er forscht mit dem Professor nach jenem präasteroiden Riesenplaneten, aus dem die Asteroiden zwischen Jupiter und Mars entstanden sein müssen, zertrümmert durch eine gigantische Kollision mit einem anderen Himmelskörper. Zufällig fällt Crows Blick auf Brakers Hand. Dort glänzt an einem goldenen Reif ein smaragdgrüner Ring. Er weicht entsetzt zurück. Ist es der gleiche, den auch das Skelett trug?

Aber er fragt als vorsichtiger Mann des Gesetzes nicht danach, sondern nach dem Zusammenhang. Liegt es am Antrieb von Overlands hypermodernem Schiff? Als es startet, setzt es diesen Antrieb ein, doch durch einen Unfall wird es Jahrmillionen in die Vergangenheit zurückgeschleudert. Bei der Bruchlandung wird die Hülle so verbogen, dass an einen Start vorerst nicht zu denken ist. Sie steigen aus. Draußen wartet ein kompletter Planet auf sie, grünes Gras, ein rauschender Fluss. Und ein Skelett mit einem Ring am Knochenfinger.

Als Crow den anderen von seiner Entdeckung jenes uralten Skeletts erzählt, hätte er ihnen genauso gut ihren Tod prophezeien können. Die Zeit will ein Skelett, doch wem wird es gehören? Und plötzlich wird der Ring zu einem verfluchten Symbol des baldigen Todes. Über ihnen nähert sich der fremde Himmelskörper dem Planeten, das Verhängnis scheint unaufhaltsam. Doch die beiden Verbrecher haben nicht vor, dieses Schicksal tatenlos hinzunehmen …

|Mein Eindruck|

Dieser Kurzroman ist einfach umwerfend. Immer wieder scheint die Lage für Tony Crow und seine geliebte Laurette ausweglos zu sein, doch dann geschieht etwas Unvorhergesehenes, das der ganzen Achterbahnfahrt neue Hoffnung verleiht. Ein Rätsel ums andere muss gelüftet werden, und die Erklärungen sind eine irrsinniger als die andere. Der Leser muss seinen Unglauben schon ziemlich früh über Bord werfen. Und doch ist hier ein glaubwürdiges Verständnis von Psychologie am Werk, und die Figuren sind nicht bloß Pappkameraden wie bei E. E. Smith 13 Jahre zuvor, sondern handeln folgerichtig. Es ist ein Pulp-Fiction-Garn in bester Tradition.

Dass die Asteroiden irgendwann mal aus einem massiven Ursprungsplaneten entstanden sein müssen, ist heute wie anno 1941 eine gängige Theorie. Der hohe Erzgehalt der Asteroiden zwischen Jupiter und Mars macht die Brocken zu einem begehrten Ziel für Bergbaukonzerne – irgendwann, wenn sich die Raumflüge dorthin rentieren. Die spannende Szene, als der fremde Planetoid mit diesem Urplaneten kollidiert, gehört zu den ungeheuerlichsten in der ganzen SF – da kann nur Niven/Pournelles Schmöker „Luzifers Hammer“ mithalten.

Doch von wem stammt nun das Skelett in der Höhle? Das werde ich ganz sicher nicht sicher verraten, um die Überraschung nicht zu verderben.

6) _Cyril M. Kornbluth: Die Worte des Guru_ (The words of guru)

Peter ist erst zwei Monate alt, als er seine Mutter Clara und seinen Vater Joe mit seinen ersten Worten überrascht. Als er eine Schnecke an der Wand erblickt, die Clara nicht sehen kann, lernt er von ihr das Wort „Illusion“. Kaum hat er zweimal dieses Wort in die Nacht gerufen, als auch schon Guru erscheint. Guru bietet ihm Wissen an – und viele Worte des Wissens. Mit acht Jahren klettert Peter schon die Dachrinne hinab, um Guru in die Nacht zu folgen.

An seinem zehnten Geburtstag folgt er ihm mit einem bestimmten Wort zu einem seltsamen Ort. Dort ist alles in Rot getaucht, auch die Frauen, die Guru und Peter begrüßen. In dem versammelten Kreis trinken alle Blut aus einer Schüssel, und nachdem die dritte Frau nackt getanzt hat, wird sie getötet. Aus ihrem Blut erhebt sich die ERSCHEINUNG. Deren autoritäre Worte verwandeln Peter endgültig, und er hat die Macht, mit einem Wort einen anderen realen Menschen zu töten.

Doch als letztes Wort bringt ihm Guru eines bei, das die Macht hat, Peters Planeten zu vernichten. Er verschmäht alle Kostbarkeiten und Schönheiten der Welt nur für dieses eine Wort. Doch aus Furcht, sich selbst und alles um sich herum zu vernichten, wagt er nicht, es auszusprechen.

|Mein Eindruck|

Was sich hier wie eine ziemlich abgefahrene und obendrein blutige Fantasygeschichte liest, die sich der 18-jährige Autor nur mal so zum Spaß ausgedacht hat, ist in Wahrheit etwas völlig anderes. Denn das letzte Wort, das Peter von jenem Dämon des Wissens gelernt hat, entspricht dem Wissen, das zur Selbstvernichtung nötig ist: die Atombombe. Peters Entwicklung ist nichts anderes als die Entwicklung der Menschheit und vor allem die ihres Wissens.

Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott. So steht es im ersten Buch der Genesis. Der Autor hat lediglich dieses Konzept weitergesponnen, es vielleicht auch auf den Satan übertragen, als welcher der Guru erscheinen mag. Da das Wort offensichtlich auch Macht ist, begehrt Peter, dieser Jedermann, immer mehr davon, doch die Wörter, die er einsetzt, töten stets nur oder treiben in den Wahnsinn – die Geschichte der Menschheit?

Wäre dies eine Vampir- oder Horrorstory, so könnte man damit einen ganzen Zyklus anfangen. Selten habe ich eine so schaurige Story und faszinierende Erzählung gelesen. Und sie ganz sicher nicht in den Jahren 1939 bis 1944 vermutet.

7) _A. E. van Vogt: Die Schaukel_ (The seesaw; korrekt wäre: „Die Wippe“)

In der amerikanischen Stadt „Middle City“ des Jahres 1941 ereignen sich merkwürdige Dinge. Als ein Waffenladen aus dem Nichts auftaucht und später wieder verschwindet, heftet sich der Reporter Chris McAllister an die Fersen dieses Phänomens. Wir erfahren praktisch nichts über ihn, sondern nur über sein Schicksal. Er betritt den Waffenladen vor Polizeiinspektor Clayton – und landet in einer Zeit, die 7000 Jahre in der Zukunft liegt und von der Kaiserin Innelda Ischer beherrscht wird.

Das erfährt er jedoch erst peu à peu von der jungen Frau, die ihn mit einer futuristischen Pistole bedroht, und von ihrem Vater, der dem Oberrat der Gilde der Waffenhändler angehört. Weil McAllister durch seine Unwissenheit offenbart, dass er selbst nicht zur Gilde gehört und somit nicht zum Betreten des Waffenladens berechtigt ist, rätseln die beiden, wie es ihm dennoch gelingen konnte, hier einzudringen.

Die einzige plausible Erklärung, die ihnen einfällt, besteht in der Annahme einer neuartigen Energiewaffe der Kaiserlichen Truppen. Tatsächlich offenbart ein adjustierter Blick nach draußen, dass sich die Truppen unsichtbar gemacht haben und eine Reihe von Energiewaffen in Stellung bringen, um den Waffenladen ins Nichts zu pusten. Hinter ihnen ragt ein kolossales Gebäude in den Himmel: die für den Angriff erforderliche Energiezentrale. Diese hat offenbar auch dafür gesorgt, dass McAllister in diese Zeit geschleudert worden ist.

Doch wie ihm die junge Frau namens Lystra erklärt, hat McAllister eine ungeheure Menge von Zeitenergieeinheiten in sich angesammelt. Die geringste Berührung mit einem Menschen aus dieser Zeit würde diese Energie freisetzen und ihn wahrscheinlich dabei umbringen. Folglich ist Isolierung das Gebot der Stunde. Das Material des Ladens selbst ist nichtleitend, sonst wäre bereits ein Unglück passiert. Der Oberrat drängt McAllister, in einen leichten Isolationsanzug zu steigen und wieder zu jener Tür hinauszugehen. Doch was wird dann geschehen? So etwas wie das archimedische Prinzip mit der Hebelwirkung werde zum Tragen kommen …

Mit der Energiezentrale als Gegengewicht schleudert ihn eine Art Zeitwippe erst in sein eigenes Jahr 1941, dann wieder in die Zukunft, wieder zurück in die Vergangenheit und so weiter, schließlich Millionen Jahre in die Vergangenheit. Um den Preis seines Lebens verursacht er die Entstehung des Sonnensystems.

|Mein Eindruck|

Diesen Vorgang nennt Stanislaw Lem „Autokreation“, Selbsterschaffung des Menschen und seiner Umwelt. Wie kann der Kosmos denn aus Nichts entstanden sein – es muss eine Zutat, ein Etwas gegeben haben. Also beschließt ein Wissenschaftler in ferner Zukunft, ein einziges Elektron entgegen dem Zeitstrom in die ferne Vergangenheit zurückzuschießen, um den Urknall auszulösen – soweit die Theorie Lems. Dieser Mensch spielt Gott.

Van Vogts Lösung sieht jedoch anders aus: McAllister wird unfreiwillig in die Lage eines Gewichtes am Ende einer Zeitwippe versetzt; bei jeder Schwingung der Wippe lädt sich dieses Gewicht mit einem immer größeren Energiepotential auf. Es explodiert schließlich in unvorstellbarer Vergangenheit und löst jenen Urknall aus, dem auch das Sonnensystem seine Entstehung verdankt.

Doch bereits 1949 wurde dieses Szenario widerlegt: Zur laufenden Vergrößerung des Ausschwingens der Wippe müsste dem System ständig neue Energie zugeführt werden – woher soll die aber kommen? Darüber verliert van Vogt kein Wort.

8) _Fredric Brown: Armageddon_ (Armageddon)

Der neunjährige Herbie Westerman geht mit seinen Eltern ins Show-Theater, wo heute erneut der Zauberer „Gerber der Große“ auftritt. Herbie, selbst ein Lehrling der Magie, hat schon die erste Vorstellung gesehen und ist deshalb ganz vorne an der Bühne, als Gerber, wie er weiß, nach einem Jungen aus dem Publikum ruft. Selbstredend ist Herbie als erster Junge auf der Bühne. Kritisch beäugt er die Utensilien für den nächsten Zaubertrick, bei dem drei Tauben erscheinen soll …

In diesem Moment reißt sich in Tibet eine uralte Gebetsmühle aus ihrer Verankerung und wird von einem Hochwasser mitgerissen. Das wäre nicht weiter schlimm, denn wie jede Gebetsmühle dreht sie sich weiter, doch dann bleibt sie an einem Felsen stecken und kommt zu einem abrupten Stopp.

Herbie traut seinen Augen nicht, als sich Gerber der Große vor seinen Augen in den Herrscher der Hölle verwandelt, offenbar endlich befreit von einem uralten Bannspruch. Doch Herbie fackelt nicht lange, hebt die mitgebrachte Wasserpistole und spritzt mit einer ganz speziellen Flüssigkeit …

|Mein Eindruck| (SPOILER!)

Obwohl Herbie das Armageddon – im biblischen Sinne die vorausgesagte Wiederkunft Satans/Luzifers/des Antichristen – verhindert, bekommt er von seinem Vater eine ordentliche Tracht Prügel mit dem Streichriemen (das ist ein Lederriemen, an dem das Rasiermesser geschärft wurde). Denn die Flüssigkeit, die Herbie benutzte, durfte er eigentlich nicht verwenden: Weihwasser.

Die Story ist sehr einfach erzählt und sofort zu kapieren. Doch sie ist pure Fantasy, beruht sie doch auf der Wirkung einer ausgefallenen Gebetsmühle in Tibet. Natürlich lässt sich das Grundprinzip übertragen: Sollten die Kontrollen, die in die Handhabung von Waffen – wie etwa der Atombombe – eingebaut sind, versagen, würde wirklich das Armageddon hereinbrechen. Indirekt ist die harmlose Kindergeschichte also eine ernst gemeinte Warnung.

9) _Alfred Bester: Adam und keine Eva_ (Adam and no Eve)

Stephen Crane ist mit seiner Mondrakete auf eine Erde zurückgekehrt, die verwüstet ist: nichts als Staub und Asche. Bei der Landung hat er sich das Bein gebrochen, nun kriecht er auf Knien und Ellbogen durch die Wüste Richtung Meeresküste. Wie konnte es nur dazu kommen? Er erinnert sich …

Sein Assistent Hallmyer hat ihm von Anfang an abgeraten, den neuen Katalysator im Raketentreibstoff zu verwenden, aber Crane war uneinsichtig. Da griff Hallmyer zu einem faulen Trick, der Crane mit einem Anruf seiner Verlobten Evelyn so lange ablenkte, bis Hallmyer Feuer an die Rakete legen konnte. Crane merkte noch rechtzeitig, was los war, rannte Hallmyer um, stürzte mit seiner dänischen Dogge Umber an Bord der Rakete und startete sofort, bevor alles in Flammen aufging.

Der Geist Hallmyer grinst hämisch. Es sei alles so gekommen, wie er es prophezeit hatte, nicht wahr? Das muss Crane zugeben. Und nur der Geist Evelyns tröstet ihn in seiner Einsamkeit. Er ist Adam, doch ohne sie als Eva. Plötzlich warnt sie ihn. Nein, es ist nicht wieder einer der wütenden Staubstürme, sondern Umber, seine Dogge. Doch warum knurrt ihn sein bester (und einziger) Freund auf der Erde so wütend an? Könnte es sein, dass Hunger die Gefühle von Treue und Freundschaft vertrieben hat? Umber fletscht die Zähne und springt …

|Mein Eindruck|

Durch die eingeschobene Rückblende und die beiden eingebildeten Figuren von Hallmyer und Evelyn bedient sich die Erzählung der Stilmittel, die für die New Wave erst 20 Jahre später erst kennzeichnend wurden. Die Umgebungsschilderungen wirken so surrealistisch wie von J. G. Ballard. Natürlich gab es schon 1941 ausgezeichnete moderne Literatur, so etwa „Ulysses“ von James Joyce sowie T. S. Eliots Gedichte etc. Aber sie fand höchst selten Eingang in die abgeriegelte Welt der Science-Fiction- & Fantasy-Magazine. Bester ist eine dieser raren Ausnahmen. Und deshalb werden seine Storys noch heute abgedruckt.

Die Erzählung Stephen Cranes (es gab im 19. Jahrhundert einen US-Autor dieses Namens) erinnert an die Welt nach dem Atomkrieg. Sie entpuppt sich als die Welt vor Jahrmilliarden, aber erst im allerletzten Satz. Diese Pointe wirkt sehr aufgesetzt und wir haben sie wahrscheinlich dem Lektor oder Herausgeber des Magazins, in dem die Story erschien, zu verdanken. Außerdem entspricht die Zeitangabe „hundert Millionen Jahrhunderte“ einem Zeitraum von 10 Milliarden Jahren – damals gab es noch nicht mal die Erde, vielleicht nicht mal das Sonnensystem. Diese Volte wird nur geschlagen, damit Crane seinen Körper dem Meer anvertrauen kann, und zwar jener Ursuppe, aus der vor Jahrmilliarden das erste Leben an Land kroch.

10) _James Blish: Solarplexus_ (Solarplexus)

Brant Kittinger ist Astronom des Planetarischen Instituts. Sein gegenwärtiger Arbeitsplatz liegt in der Nähe jenes „unsichtbaren Gasriesen“, der sich jenseits der Umlaufbahn des Pluto befindet (zumindest in dieser Story) und den er beobachtet und untersucht. Plötzlich pocht es an die Luftschleuse seines Forschungsbootes. Nachdem er niemanden sieht und hört sowie niemand durch die geöffnete Schleuse eintritt, macht er sich selbst auf den Weg, um durch eine undurchsichtige Brücke zu dem anderen Raumschiff hinüberzugehen.

Doch es scheint niemand an Bord zu sein, wie er im Cockpit feststellt. Nur eine Stimme begrüßt ihn mit seinem Namen. Die Stimme nennt sich Murray Bennett, aber so hieß ein Pilot, der vor acht Jahren ein Raumschiff namens „Astrid“ stahl und entführte. „Dies IST die ‚Astrid‘, Kittinger“, behauptet Bennett, und tatsächlich sind die Armaturen ziemlich veraltet. Aber wie kann dieser Bennett sie steuern? Weil er sein eigenes Gehirn und seinen Verstand mit den Schaltkreisen des Schiffes verbunden hat. Motorische und sensorische Nerven durchzögen das Schiff, erzählt Bennett.

Als Kittinger sich nicht in der Lage sieht, die Bitte, Bennett zu mehr Kreativität zu verhelfen, zu erfüllen, nimmt ihn das Schiff gefangen. In seiner entsprechenden „Zelle“ stößt er auf Powell, den Piloten eines UN-Patrouillenbootes, der nach Bennett gesucht hatte und gefangen genommen wurde. Sie überlegen sich, wie sie aus der Patsche wieder herauskommen. Da das Schiff sie nicht sehen, sondern nur hören kann, kommunizieren sie schreibend.

Kittinger entwickelt einen gewagten Plan und robbt mit Powell Richtung Cockpit …

|Mein Eindruck|

Dieser flott und schnörkellos erzählten, aber mit einer pfiffigen Idee versehenen Story merkt man an, warum James Blish später derjenige Autor wurde, der sämtliche klassischen Abenteuer des Raumschiffs Enterprise in Prosa fassen durfte. Geradeaus erzählt, mit knappen, präzisen Charakterisierungen von Figuren und Orten, treibt er die Handlung auf die unerwartete Pointe zu. Der Leser hat eine Vorstellung von Umgebung und Vergangenheit, bevor die Action beginnt.

Nur eine Schwäche zeigt der Autor, nämlich dann, als es um die eigentliche Konstruktion dieses Kyborgs (KYBernetischer ORGanismus) von einem Schiff plus Gehirn geht. Wie konnte Murray Bennett das Fleisch seines Hirns mit dem Metall der Schiffes verbinden? Noch dazu unter Aufbietung von (völlig unerklärter) Telepathie! Der Solarplexus des Titels ist natürlich ein idealer Angriffspunkt an einem Kyborg. Preisfrage: Wo befindet er sich auf diesem Schiff?

Erinnerungen an Siodmaks Roman „Donovan’s Brain“ werden wach, in dem ein isoliertes Gehirn es schafft, seine Umgebung zu beeinflussen. Auch Stanislaw Lem hat in seinen Parodien und Satiren einmal ein solches Gedankenexperiment durchgeführt.

11) _Isaac Asimov: Die Nacht wird kommen_ (Nightfall)

Auf der Welt Lagash steht nahe der Stadt Saro City ein Observatorium, in dem der Reporter Theremon Zeuge eines ungeheuerlichen Vorgangs werden will. Eines Vorgangs, von dem nur im obskuren „Buch der Offenbarungen“ der Kultisten die Rede ist. Darin ist von mysteriösen „Sternen“ die Rede. Was soll das denn sein?

Er befragt den Astronomen Aton, den Direktor der Saro-Universität, denn der hat ja den kommenden Weltuntergang vorausgesagt. Aton weist an den Himmel. Von den sechs Sonnen, die Lagash abwechselnd bescheinen, steht nur noch die rötliche Beta schwach leuchtend am Firmament. Na und? Aton verliert die Geduld mit diesem respektlosen Hornochsen Theremon, deshalb übernimmt der Psychologe Sheerin die Erklärungen.

Nach einem Exkurs über Himmelskörper, Gravitation und Dunkelheit schwirrt Theremon zwar der Kopf, aber er sieht das Problem immer noch nicht. Na, schön, es wird dunkel werden. Was soll denn daran so schlimm sein? Eine einfache Demonstration durch zugezogene Vorhänge erklärt ihm, was Sheerin meint: Klaustrophobie, die durch den ungewohnten Mangel an Licht hervorgerufen wird. Ja, und wie einmal gezeigt wurde, kann die Klaustrophobie eine dauerhafte Schädigung sein.

Aber das ist noch gar nichts gegen das, was nach der Dunkelheit kommt: die Sterne. Aber was diese Objekte sein könnten, vermag auch Sheerin nicht zu sagen, denn kein Lebender hat Sterne bislang gesehen. Von jenem Ereignis, das vor 2049 Jahren stattfand und das sich heute wiederholen soll, berichtet nur das „Buch der Offenbarung“. Und der Grund dafür, dass es keine historischen Berichte gibt, liegt darin, dass jedes Mal die Zivilisation unterging. Denn was wollen die Menschen am dringendsten, wenn es völlig dunkel ist? Licht! Und womit macht man Licht? Mit allem, was greifbar ist, und zwar egal wie …

Die Scheibe von Beta wird von etwas angeknabbert, das wie ein schwarzer Fingernagel aussieht: Es ist der Mond, der sonst unsichtbar ist. Theremon wird beklommen ums Herz. Er hört kaum den von den Kultisten angestachelten Mob, der aus Saro City kommt, um das Observatorium zu stürmen und die Frevler zu töten. Die Dunkelheit beginnt zu fallen. Als sie vollkommen ist und kein Licht mehr scheint, beginnt der Wahnsinn. Denn das Licht der Sterne ist völlig anders als alles, was je ein Mensch auf Lagash gesehen hat.

|Mein Eindruck|

Noch heute verursachen mir die letzten Szenen und Sätze dieser Erzählung eine Gänsehaut. Niemand kann sich der Wirkung dieses Bildes entziehen, das zugleich schrecklich und schön ist. Statt der auf der Erde durchschnittlich sichtbaren 3600 Sterne sehen die Lagasher rund 30.000 Sterne auf sich herniederstarren wie Millionen kalter Augen! Satt der erwarteten sechs Sonnen sehen sie sich einem ganzen Universum gegenüber, dem sie sich nackt und schutzlos ausgesetzt fühlen. Dunkelheit, Angst und Klaustrophobie lassen selbst die vorbereiteten Kultisten komplett den Verstand verlieren. Wenn jemand von diesem Ereignis kündet (es werden Fotos und Filme gemacht), dann nur von den Überlebenden aus den abgeschotteten und verriegelten Schutzräumen. Nicht einmal der wahnsinnige Mob kann sie dort erreichen.

Aber es gibt auch jede Menge Humor in dieser Erzählung, die viele Male zur besten SF-Story aller Zeiten gewählt wurde. So erzählt der Astronom und Fotograf Beenay von zwei verwegenen Ideen, die ihn eher an Science-Fiction gemahnen. Dass es nämlich a) woanders weitere Sonnen mit Planeten geben könnte und b) dass es sogar – verrückter Gedanke, schon klar – eine Sonne geben könnte, die nur einen einzigen Planeten hat. Natürlich könne sich darauf niemals Leben entwickeln, versteht sich von selbst, denn da auf dieser Welt den halben Tag Dunkelheit herrschen würde, fehle einfach die nötige Wärme und Energie, die für die Entstehung von Leben einfach unerlässlich sind. War nur so ein spinnerter Einfall, Leute.

Was die Story aber eigentlich zu tragischer Größe erhebt, ist jene bemerkenswerte Diskrepanz zwischen dem Wissen, dass etwas geschehen wird, das es so bereits einmal vor 2049 Jahren gegeben hat, und der Befürchtung, dass dieses Etwas absolut unausweichlich sein wird. Der Leser fühlt sich in die Lage der Seherin Kassandra versetzt, deren sicheren Prophezeiungen niemand Glauben schenkte. Die Katastrophe kommt, aber es gibt nichts, was man dagegen tun kann (außer in die Schutzbunker zu gehen, aber jemand muss ja die Fotos anfertigen).

Noch ein weiterer Aspekt macht diese Geschichte unsterblich. Aufgehend von einer vorangestellten Bemerkung des amerikanischen Philosophen und Schriftstellers Ralph Waldo Emerson zeigt Asimov, was passieren könnte, wenn der Mensch in der Lage wäre, eines Tages das Antlitz Gottes zu sehen. Die Menschen Lagashs haben noch nie die Nacht gesehen (jedenfalls nicht gemäß historischen Aufzeichnungen) und sehen auf einmal die Sterne. Nicht bloß sechs ihrer Sonnen, sondern 30.000 Sonnen! Diesen Anblick interpretiert Emerson als „die Stadt Gottes“, und Asimov zeigt sie uns.

Die „Stadt Gottes“, Gottes Antlitz ist ebenso schön wie schrecklich. Gemäß Shaftesburys Definition aus dem 18. Jahrhundert sind dies die Merkmale, die die Empfindung des Erhabenen kennzeichnen. Wenn Gott also erhaben ist, dann ist sein Anblick, kommt er unvorbereitet, unerträglich und zeitigt Vernichtung. Vielleicht ist doch besser, ein Erdenwurm zu bleiben …

12) _Kuttner/Moore: Es war einmal ein Zwerg_ (A gnome there was)

Ein idealistischer Arbeitsreformer namens Tim Crockett begibt sich in die Kohleminen von Pennsylvania, um dort für den Eintritt in die Gewerkschaft zu agitieren. Bei der Sprengung eines Stollens wird er verschüttet, findet sich aber zu seinem Entsetzen in der hässlichen Gestalt eines Zwergs wieder am Leben. Er bekommt einen Tritt in den Hintern. Von Gru Magru, dem Wächter in den Außenbezirken der Zwergenstadt, über die König Pdranga der zweite herrscht. Die Zustände hier unten findet Tim verständlicherweise fürchterlich, ganz besonders dann, als er selbst zehn Stunden am Tag schuften muss.

Doch es gelingt ihm natürlich auch hier, erfolgreich zu agitieren, besonders als er das Gerücht in die Welt setzt, der König wolle das Kämpfen verbieten. Zwerge prügeln sich für ihr Leben gern, und zwar möglichst brutal. Die erste Vollversammlung der streikwilligen Zwerge ist ein voller Erfolg, doch als Tim in seiner Ansprache erwähnt, der König wolle das Kämpfen verbieten, entsteht ein Tumult. Dieser wird noch verschärft durch die Ankunft des Königs, der sich gegen angreifende Zwerge mit magisch herbeibeschworenen „Basiliskeneiern“ zur Wehr setzt. Sie verwandeln Zwerge in alles mögliche: Würmer, Fledermäuse, Mondkälber – und Menschen.

Tim gelingt es, ein solches Basiliskenei zu erbeuten und in letzter Sekunde, bevor Podranga ihn erwischt, zu aktivieren. Als er wieder an die Erdoberfläche gelangt und dort dem ersten Menschen begegnet, einem Bauern, entspricht das Ergebnis der Verwandlung jedoch keineswegs dem, das Tim erwartet hat …

|Mein Eindruck|

Diese nette Fantasygeschichte sollte wohl ein flotter Spaß sein, als Kuttner und C. L. Moore sie schrieben. Im Kern versuchten sie allerdings das Thema Gewerkschaft und Arbeitskampf unterzubringen. Eine relativ angestrengte Mischung, die denn auch nicht ganz zündet. Nicht weil die Kombination schwierig wäre, sondern weil Tim Crockett als unglaubwürdiger Freitzeitrevoluzzer diskreditiert wird, und zwar gleich am Anfang.

Schon sein Start ist der eines ziemlich dämlichen Schnösels, der zwar hochgebildet sein mag, aber von Arbeitern null Ahnung hat. Und so einer will sich anmaßen, Arbeitern – hier als hässliche Zwerge diffamiert – von der Notwendigkeit einer Gewerkschaft und besserer Arbeitsbedingungen zu überzeugen? Als nächstes will er vielleicht sogar den Sozialismus einführen!

Ganz klar, dass die beiden Autoren mit dieser Verarbeitung dem Thema Arbeitskampf und -gerechtigkeit einen Bärendienst erwiesen, selbst wenn sie dieses Thema auch einmal auf die Seiten der SF- und Fantasymagazine bringen konnten. Die Amis, sowieso gegen Gewerkschaften und Sozialismus eingestellt, schrieben meines Wissens nie wieder solche Storys.

13) _Anthony Boucher: Snulbug_ (Snulbug)

Der Biochemiker beschwört mit einem Zauberspruch einen Dämonen namens Snulbug. Snulbug ist kein guter Dämon, wie er selbst bedauernd zugibt. Und er ist auch kein großer Dämon: Er misst gerade mal 2,54 Zentimeter. Aber wenigstens kann er in die Zukunft reisen. Sagt er. Bill braucht zehntausend Dollar für sein Forschungslabor, um die Embolie zu bekämpfen. Um diese Summe zu bekommen, soll ihm Snulbug helfen. Er schickt ihn, um die Zeitung von morgen zu holen.

Gesagt, getan. Hitchens Tod wird nicht darin verkündet, aber immerhin der des Bürgermeisters. Bill sieht seine Chance gekommen. Wenn ihm der Bürgermeister dafür dankt, dass er ihm das Leben vor dem Attentäter gerettet hat, dann wird sicher eine hübsche Belohnung dabei herausspringen. Snulbug warnt Bill vergeblich vor seinem Denkfehler. Bill muss es auf die harte Tour lernen: Es gibt keine Möglichkeit, die Zukunft zu ändern, die bereits in der Zeitung steht.

Aber es gibt einen Menschen, der etwas für die Zeitung von morgen zahlen würde …

|Mein Eindruck|

Anthony Boucher (ein Pseudonym) war der Gründer und erste Herausgeber des bis heute erscheinenden „Magazine of Fantasy and Science Fiction“. Er schrieb nie einen Roman, aber unzählige Storys, und dies ist seine erste Fantasygeschichte. Bemerkenswerterweise greift er mit Fantasymitteln ein Science-Fiction-Thema auf: Zeitreisen.

Er fragt ganz dezent mal, was es denn überhaupt bringen würde, über die Ereignisse des nächsten Tages Bescheid zu wissen. Denn offensichtlich kann man weder beim Pferderennen noch an der Börse noch sonstwo etwas damit anfangen – weil das Ergebnis bereits feststeht und man, wenn man eingreift, erst in einer Zeitschleife – sehr lustig geschildert – und dann wieder am Ausgangspunkt landet. Der Grund ist, dass sich der Ablauf der Dinge offenbar nicht ändern lässt.

Vielleicht kannte Boucher schon Heinleins Zeitreisestory „By his Bootstraps“ (1941). Diese Story fehlt leider in diesem Auswahlband.

_Die Übersetzung_

Die Übersetzung von Eva Malsch wimmelt vor Druckfehlern. Das wäre nicht weiter schlimm, aber sie machte auch ein paar schwerer Fehler. Wenn sie auf Seite 55 unten von „delikateren Zellen“ schreibt, dann sind nicht Geschmacksfragen betroffen, sondern es sollte „zerbrechlichere Zellen“ heißen. Auf Seite 222 macht sie den alten Anfängerfehler, amerikanische Billionen mit europäischen gleichzusetzen. Gemeint sind Milliarden.

Auf Seite 238 ergibt der Satz „Dort müssen die persönlichen Residuen liegen“ erst einmal wenig Sinn. Mit Residuen werden normalerweise Überbleibsel und Überreste bezeichnet. Doch wo soll man diese in einem Raumschiff, das von einem Gehirn gesteuert wird, finden? (Es geht um die Story „Solarplexus“ von James Blish) Da der Autor keine näheren Details nennt, musste sich die Übersetzerin mit einem faulen Kompromiss aus der Affäre ziehen.

_Unterm Strich_

Der Kurzroman „Die Zeit braucht ein Skelett“ gehört neben Sturgeons Novelle „Der Gott des Mikrokosmos“ und Asimovs „Die Nacht wird kommen“ zu den herausragenden Beiträgen dieses an guten Storys nicht gerade armen Auswahlbandes.

Die übrigen Kurzgeschichten sind mal weise, mal witzig, mal wirklich furchteinflößend – eine gute Auslese aus einer bunten Palette, wie sie in den Magazinen der damaligen Pulp Fiction üblich war. Ich empfehle deshalb, Asimovs ergänzende Auswahlbände für die Jahre 1939-1940 sowie 1942/43 (alle bei |Moewig|) und 1944 (bei |Heyne|) zu lesen, um einen Gesamteindruck von diesem Goldenen Zeitalter der amerikanischen SF zu erhalten. Alle Bände sind heute sehr kostengünstig zum
bekommen, ebenso wie die „Titan“-Bände des |Heyne|-Verlags.

Taschenbuch: 334 Seiten
Originaltitel: Isaac Asimov presents: The great stories 3 (1941) 1980
Taschenbuch: 334 Seiten
Aus dem US-Englischen von Eva Malsch

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Er lebe hoch: Der König von Maustralien!

In der irrealen Welt wendet sich das Schlachtenglück zugunsten der Allierten, doch in der realen Welt der Science-Fiction-Gemeinde ist von solchen Gefahren wenig zu spüren. Natürlich sind etliche Autoren und viele ihrer Fans zum Kriegsdienst gegangen, aber es werden doch immer noch Erzählungen geschrieben, so etwa von dem Kanadier Alfred Elton van Vogt. Und seine Erzählung „Asyl“ sowie die Novellen „Nerven“ von Lester del Rey sowie „Foundation“ von Asimov wurden zu Klassikern. Es war die goldene Zeit der Science Fiction.

Jede Erzählung wird mit einer Anmerkung von Greenberg zum Autor und seinem Werk eingeleitet. Asimov steuert lediglich eine persönliche Anekdote bei, wie er den Autor kennengelernt hat – oder auch nicht.
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Isaac Asimov/Charles Waugh/Martin Greenberg (Hrsg.) – Drachenwelten

Drachenzauber: magisch, romantisch, witzig

Altmeister Isaac Asimov war nicht nur ein produktiver Autor von Krimis, Sachbüchern und Science-Fiction-Romanen, sondern auch ein ausgezeichneter und fleißiger Herausgeber von Anthologien. Dies belegt unter anderem das hohe Niveau der Story-Sammlung in „Drachenwelten“. Als mythologische Wesen tauchen Drachen vorwiegend in Fantasygeschichten auf, sind aber auch in der Science-Fiction nicht ganz unbekannt, etwa bei Jack Vance und Alexander Besher. Bestes Beispiel ist die hier aufgenommene Story von Gregory Benford.
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