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Patric Nottret – Grünes Gift. Öko-Thriller

Biotech-Thriller: Normannen in Guyana

Als die Polizei in einem Wald bei Paris auf die verstümmelte Leiche stößt, die eine unbekannte Pflanze bei sich trägt, wendet sie sich an den Spezialisten für Umweltdelikte, Pierre Sénéchal. Der für seine exzentrische Art gefürchtete Zwei-Meter-Riese und mühlenbewohnende Feinschmecker findet heraus, dass es sich bei der Pflanze um eine unerforschte Spezies aus dem Amazonasgebiet handelt.

Kurze Zeit darauf werden ein Professor für Biotechnologie ermordet, eine junge Pariser Wissenschaftlerin von Biopiraten ins Unglück gestürzt und ein Auftragskiller mit Froschgift ins Jenseits befördert. Den Zusammenhang mit dem Auftauchen einer neuen Droge in Französisch-Guyana sieht jedoch keiner – außer eben Pierre Sénéchal …

Der Autor
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Patric Nottret – Über den Wäldern ruht der Tod. Öko-Thriller

Der Umweltinspektor: Goldkäfern und Silberschätzen auf der Spur

Zwei französische Insektenforscher verschwinden spurlos. Die Suche nach ihnen führt Pierre Sénéchal, Spezialist für Umweltverbrechen, ins Amazonas-Gebiet. Er stößt auf die Kopie eines Kreuzes, das mit kabbalistischen Zeichen übersät ist. Mit Hilfe der brasilianischen Polizistin Maria-Esperanza Saint-Louis befragt er Mönche und Priester darüber – es entfacht offenbar religiöse Leidenschaften, die er am eigenen Leib zu spüren bekommt, als die frommen Männer ihm unvermittelt nach dem Leben trachten …

Der Autor

Patric Nottret hat kriminalistische Hörspiele für das Radio geschrieben, bevor er sich mit seinem ersten Thriller „Grünes Gift“ in Frankreich in die Bestseller-Charts katapultierte. Danach folgte „Über den Wäldern ruht der Tod“. Sein dritter Roman um den Umweltinspektor Pierre Sénéchal ist „H2O“. Nottret wurde laut Verlagsinfo 1953 in Saint-Denis de la Réunion geboren und hat eine ökologische Ausbildung vorzuweisen.

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[„Grünes Gift“ 4533
[„H2O“ 5858

Handlung

Der hünenhafte und mit einem sarkastischen Humor ausgestattete Pierre Sénéchal, Spezialist für Umweltverbrechen, wird von seiner Chefin, der „verehrungswürdigen“ Dame Pottier in den brasilianischen Urwald geschickt. Das französische Pharmaunternehmen Chitinex, das aus Insekten und Pflanzen des dortigen Urwaldes neue Wirkstoffe gewinnt, hat zwei seine Forscher verloren, die nach neuen Spezies suchten. Sénéchal nimmt den dicken Chemiker Serge „Lucrèce“ Mejaville mit, quasi als Geheimwaffe, und das erweist sich als kluge Wahl.

Er ahnt nicht, dass in der brasilianischen Region hinter Belém sehr merkwürdige Dinge vor sich gehen. Erst verschwinden zwei französische Forscher mitsamt ihrem Luftschiff, dann werden Kautschuksammler von Bombenfallen zerfetzt, und schließlich stoßen Indianer auf eine unheimliche Schlange, die Blitze aus Laserstrahlen verschießt. Auch von der Schießerei auf der Sojafarm des Magnaten Munoz hat Sénéchal noch nichts gehört. Ihr fielen sowohl Munoz als auch seine Konkurrent Darvalho zum Opfer. Sie wurden aus einer Entfernung von 1800 Metern von einem Scharfschützen erschossen.

Vor Ort in Belém arbeitet Sénéchal mit der wehrhaften Umweltpolizei-Kommissarin Maria-Esperanza Saint-Louis, zusammen, einer Indianerin, die weiß, wie man einen „Pushdagger“ einsetzt, einen in der Hand versteckten Dolch. In den Wohnungen der verschwundenen Franzosen stoßen Sénechal und seine Kollegen auf eine kleine Versuchsstation zur Züchtung von Goldskarabäen, die eine bestimmte Sojasorte zu fressen bekommen.

Von einem Insektenforscher erfährt Sénéchal, dass die Larven dieses bislang unbekannten und daher auf dem Sammlermarkt sehr wertvollen Skarabäus zu den größten Schädlingen von Sojapflanzungen zählen. Soll das heißen, dass hier ein Wirtschaftskrieg mit biologischen Waffen geführt wird, fragt Sénéchal. Diese Frage kann der Professor leider nicht beantworten. Aber klar ist, dass Sammler hohe Summen für die Insektenart zahlen würden, und das erklärt vielleicht auch die Webcam, mit der die zwei französischen Forscher ihre geflügelten Goldstücke fernüberwachten.

Aber es erklärt nicht die Skizze eines Kreuzes aus dem 16. Jahrhundert, das die beiden im Dschungel nahe ihrer Absturzstelle gefunden haben müssen. Pater de la Vega konsultiert einen Bekannten, Dom Faria de Queroz, einen rosenkranzbetenden Pater, von dem Sénéchal einen ziemlich merkwürdigen Eindruck hat. Dom Faria entdeckt auf dem Abbild des Kreuzes Symbole für die Sterblichkeit und die Apokalypse. Wie passend, knurrt der Umweltinspektor leise.

Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich auf die Spur der zwei Verschwundenen zu setzen. Vielleicht findet man dort dann auch das Original des Kreuzes. Der Ausflug in den Dschungel erweist sich jedoch als wesentlich gefährlicher als erwartet. Zu ihrer Überraschung stoßen Sénéchal und die Kommissarin auf die Ruinen eines vergessenen Dorfes von Kautschukbauern. Doch hier lauert der Tod in Gestalt von Sprengfallen auf sie …

Mein Eindruck

Selbst nach vier Fünfteln des Textes ist der Leser immer noch gespannt darauf zu erfahren, worauf dies alles hinauslaufen soll. Dem Autor gelingt es also hervorragend, den Leser bei der Stange zu halten. Er präsentiert ihm eine Menge Rätsel, die aber alle letzten Endes – wortwörtlich am Ende – ihre Auflösung finden.

Der Dschungel ist hier zugleich eine Metapher für das undurchsichtige Dickicht der Machenschaften von Forschern, Plantagenbaronen, Militärs und ehemaligen Kriegsverbrechern. Deren Interessen stehen denen der Aufklärung, auf die Umweltinspektoren und -polizisten aus Frankreich und Brasilien aus sind, diametral entgegen. Folglich kommt es bei der Aufklärung der Dschungelverhältnisse zu zahlreichen Konflikten, die sich steigern, bis Sénéchal sich schließlich in einer riesigen Falle sieht: Er wird von allen Seiten unter Beschuss genommen. Doch da er selbst bis an die Zähne bewaffnet ist, weiß er seine Haut teuer zu verkaufen.

Die Dschungel-Metapher hat der Autor diesmal auch auf die Form seines Textes übertragen. Durch die sehr kurzen Kapitel, die zwischen einer und maximal fünf Seiten lang sind, erinnert sein Buch diesmal stark Thriller von Jean-Christophe Grangé [(„Die purpurnen Flüsse“), 936 an Dan Brown und vor allem an James Patterson. Die Textsplitter liefern die Puzzlestückchen von Rätseln, aber auch filmische Schnipsel von Szenenfolgen.

Der Film ist wie gesagt die maßgebliche ästhetische Kategorie, mit der der Autor diesmal seine verzweigten Handlungsstränge präsentiert. Weil er weiß, dass das Filmpublikum, das auch sein Publikum ist, inzwischen durch Filme wie „Babel“ oder „Syriana“ an die multiperspektivische Erzählweise gewöhnt worden ist, kann er diese Strategie ebenfalls einsetzen. Es gibt nur eine Bedingung: Der Leser muss zügig lesen, sonst verliert er Anschluss und Übersicht. Das zügige Lesen ist jedoch durch genau diese kleinen appetitanregenden Häppchen sehr erleichtert. Man kann locker 200 Seiten am Stück weglesen, ohne müde zu werden. Die vielen halbleeren Seiten tragen dazu bei, dass sie wie von selbst vorüberfliegen.

Worum geht es überhaupt?

Auf der inhaltlichen Seite präsentiert uns Nottret diesmal ein Sammelsurium von mehreren Themen, und man muss seinen Glauben an die Wahrscheinlichkeit ein wenig aufgeben, um zuzugeben, dass alle diese Themen gleichzeitig auftreten können. Die Realität ist komplex. Warum sollte ein Roman, der vorgibt, sie abzubilden, es nicht auch sein?

Da sind zunächst die Insektenjäger, mit denen alles anfängt. Sie wollen die Goldskarabäen verkaufen und in der Wissenschaft Ruhm ernten, kein Problem. Sie finden ein Grabkreuz aus dem 16. Jahrhundert, doch wie kommt dieses in den hintersten Dschungelwinkel? Es gehört zu einer Kirche und zu einem Friedhof, die beide diverse gefährliche Geheimnisse bergen.

Raubbau

Dann ist da noch der mehr oder weniger verborgene Dschungelkrieg, den sich die Soja- und Rinderbarone liefern, allen voran Munoz und Carvalho. Diese roden den Urwald völlig illegal, weil sie die korrupten Beamten schön längst in der Tasche haben – auch den Gouverneur. Jede Minute fallen ihnen und anderen Räubern wie etwa Rohstoffkonzernen 2000 Hektar Urwald zum Opfer, also mehrere zehntausend Quadratkilometer pro Jahr.

Im Jahr 2050 wird der Amazonas-Urwald auf die Hälfte seiner aktuellen Größe geschrumpft sein. Das sind erschreckende Zahlen, wenn man bedenkt – und Nottret erinnert uns laufend daran -, dass das Amazonasbecken nicht nur die Lunge der Welt ist, sondern auch die größte Artenvielfalt der Welt aufweist (das Fachwort lautet „Biodiversität“ und wird im Text nicht näher erläutert, da es sich selbst erklärt). Dass dieser Vernichtungsprozess die ganze Welt angeht, sollte eigentlich jedem klar sein. Die Folgen der 33.000 Brände pro Jahr lassen sich an der zunehmenden Klimaerwärmung ablesen (ich vermeide den scheinheiligen Politiker-Terminus „Klimawandel“, der überhaupt nichts aussagt, denn damit könnte genauso gut die nächste Eiszeit gemeint sein).

Mehr Themen

Also müsste es eigentlich ganz toll sein, wenn diese gierigen Sojabarone und Hamburgerlieferanten (denn von dort holen viele Schnellimbissketten ihr Rindfleisch) erschossen werden. Inspektor Zé Ferrara hat damit jedoch ein Problem, denn erstens mag er es nicht, wenn in seinem Bezirk irgendwelche Unbekannten seine Schützlinge abmurksen, und zweitens sind die Umstände in höchstem Maße mysteriös. Wie konnte es dem unbekannten Täter gelingen, durch einen verschlossenen Eingang auch noch ins verbarrikadierte Allerheiligste der Wochenendhütte von Senhor Munoz vorzudringen? Von drei erschossenen Leibwächtern ganz zu schweigen.

Die Ermittlung des aufrechten Inspektors und die Forschungen von Sénéchal und seiner Umweltkommissarin führen unweigerlich zusammen, denn beide folgen den Spuren einer tödlichen Technologie: Kampfroboter. An der Militärakademie erklärt ihnen ein Ingenieur voller Stolz auf die neuesten Errungenschaften der Kampfrobotik, die die glorreichen Vereinigten Staaten von Amerika seinem armen Verbündeten Brasilien wohltätig zukommen lassen. Dumm nur, dass die Kamproboter eigentlich für den Einsatz gegen Eingeborene vorgesehen waren. Aber herrje, manchmal haben die Menschen nicht nur Pech, sondern sind auch noch im Unglück. Zum Beispiel der Indiojunge Xingu, dem eine mit Laserstrahlen bewaffnete Schlange ein Auge versengt.

Die Drahtzieher hinter diesen mörderischen Aktivitäten werden erst in einem abschließenden und klärenden Dialog zwischen dem Umweltinspektor und seiner hochwohlgeborenen Chefin bis ins Detail vorgeführt und erläutert. Dabei scheinen dann auch Verbindungen bis in den Algerienkrieg auf, und der ist ja nun wirklich eine französische Erblast. (Wer mal „Der Schakal“ von Frederick Forsyth |gelesen| hat, wird mit der Terrororganisation OAS vertraut sein.) Ich kann diesen politischen Hintergrund jedoch an dieser Stelle nicht vertiefen. Interessant ist allemal, was Nottret dazu ausgegraben hat.

Nun mag man sich fragen, wie es der Autor schafft, all diese Themen in nur einem Roman unterzubringen. Ganz einfach: durch die oben beschriebene Verhackstückung und häppchenweise Präsentation. So läuft es ja auch bei Dan Brown und James Patterson. Nur dass mir Nottrets Roman wesentlich relevanter erscheint als etwa [„Illuminati“ 2106 oder das neueste Abenteuer von Alex Cross.

Die Übersetzung

Im Vergleich mit dem ersten bei Lübbe verlegten Nottret-Roman, „Grünes Gift“, schneidet der vorliegende Roman um Längen besser ab, was die Quantität der Druck- und Satzfehler anbelangt. Tatsächlich wurde ich nur auf Seite 144 fündig: „… er hörte das Schnarchen der Schäfer“. Natürlich handelt es sich um das Schnarchen der SCHLÄFER!

Ansonsten ist die anspruchsvolle Übersetzung, die ja mindestens fünf Sprachen umfasst – Französisch, brasilianisches Portugiesisch, Spanisch, Latein und Englisch – ausgezeichnet gelungen.

Unterm Strich

Der zweite Öko-Thriller funktioniert auf zwei Ebenen. Im Vordergrund unterhält uns die in kurze, mundgerechte Häppchen zerschnipselte Handlung mit ihrem Indiana-Jones-Flair von Dschungel, Rätsel und einem verschwundenen Silberschatz. Diese Handlung wird erfreulicherweise über vier Fünftel des Romans aufrechterhalten und gipfelt in einem bleihaltigen Showdown, der mit allen kinematografischen Tricks multiperspektivisch in Szene gesetzt wird.

Doch die Hintergründe dieses mit Rätseln gespickten Geschehens müssen unbedingt nacheinander aufgedeckt werden, sonst ergäbe das Ganze keinen rechten Sinn und hinge wie eine Zaubershow in der Luft. Diese Hintergründe reichen zurück bis zum Algerienkrieg, bis zur Besiedelung Brasiliens durch die Portugiesen und weiter. Es ist eine Geschichte der Ausbeutung und des Raubes: an indianischen Sklaven, an deren Land, an Rohstoffen und bis heute am Urwald.

Aber es gibt auch Umweltpolizei und engagierte Urwaldschützer, etwa unter den Bauern vor Ort. Dummerweise vermutet niemand, dass mitten im Zentrum der Organisation der Umweltpolizei ein Verräter sitzt. Das mag ein thrillerübliches Element sein, aber es liefert eine Erklärung für viele rätselhafte Phänomene, auf die der französische Umweltinspektor stößt. Und der Verräter steht nur stellvertretend für die Korruption, die in jeder Behörde Lateinamerikas zu finden sein dürfte.

Ich habe mich in nur drei Tagen durch diesen Thriller gekämpft und mich nie gelangweilt, selbst dann nicht, als sich Sénéchal und seine Chefin die Informationen nur so um die Ohren hauen, um uns endlich über alles aufzuklären, was wir nicht verstanden haben. Das hat mich doch sehr an die ehrwürdigen Krimis à la Sherlock Holmes und Nero Wolfe erinnert. Hauptsache, es bleiben keine Fragen unbeantwortet.

Tja, und dann bleibt nur noch eines zu tun: Selber handeln und der Vernichtung der grünen Lunge Einhalt gebieten.

Originaltitel: Mort sur la forêt, 2007
Aus dem Französischen von Eliane Hagedorn und Barbara Reitz
415 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-431-03754-8 / Taschenbuch 978-3-404-16352-6

www.luebbe.de

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Patric Nottret – H2O. Thriller

Ökokrimi: Urfische und schräge Vögel

Umweltinspektor Pierre Sénéchal erhält den Auftrag, den Quastenflosser zu schützen, einen geheimnisumwobenen Dinosaurierfisch. Der Auftrag gestaltet sich wider Erwarten schwierig: Die Suche nach dem Fisch führt direkt in eine Mördergrube, eine exotische Welt, dunkel und brutal. Welches Geheimnis umgibt den Fisch? Für Pierre Sénéchal wird die Ermittlung zu einer Hetzjagd durch die Welt Financiers, Jäger und Sammler. Bald ist auch sein eigenes Leben in Gefahr … (Verlagsinfo)

Der Autor

Patric Nottret hat kriminalistische Hörspiele für das Radio geschrieben, bevor er sich mit seinem ersten Thriller [„Grünes Gift“ 4533 in Frankreich in die Bestseller-Charts katapultierte. Danach folgte „Über den Wäldern ruht der Tod“. Sein dritter Roman um den Umweltinspektor Pierre Sénéchal ist „H2O“. Nottret wurde laut Verlagsinfo 1953 in Saint-Denis de la Réunion geboren und hat eine ökologische Ausbildung vorzuweisen.

Handlung

Inspektor Pierre Sénéchal wurde von der großmächtigen Chefin der Umweltpolizei FREDE, Madame Pottier, auf die Insel Réunion geschickt. Auf dem französischen Überseebesitz gehen merkwürdige Dinge vor sich, nicht zuletzt die verbotene Jagd auf den seltensten Fisch der Welt, einen urtümlichen Quastenflosser, der aus der Zeit vor 350 Mio. Jahren stammt. Außerdem ist hier offenbar ein Fischerboot in die Luft gejagt worden. Nicht gerade ein friedliches Inselchen, wie es dem Inspektor scheint. Aber Madagaskar ist ja nicht allzu weit weg. Was kann man da schon erwarten.

Sénéchal nimmt sich die Verdächtigen gleich mal zur Brust und begibt sich an Bord der Segeljacht, die der Abyss Foundation gehört. Der Kapitän stellt sich als Hans Ziegler vor, doch das Boot scheint einem Mann namens Charles Designe zu gehören. Beide erzählen ihm eine Larifari-Geschichte, aber was er wirklich interessant findet, sind das Tauchboot, das an der Seite des Boots vertäut ist, und das hochmoderne Labor, das mit Elektronik vollgestopft ist und in dem fünf Wissenschaftler arbeiten. Das Tauchboot weist eine Platinsonde auf, eine sauteure und hochempfindliche Ausrüstung. Damit kann man auch in der Tiefsee sondieren, genau dort, wo sich der empfindliche Quastenflosser tagsüber herumtreibt. Der Urfisch kommt nur nachts in oberflächennahe Gewässer.

Bei einem Anruf beim Umweltprogramm UNEP der Vereinten Nationen in New York City erfährt Sénéchal, dass sich in Jakarta, der Hauptstadt Indonesiens, ein UNEP-Manager in den Tod gestürzt habe. Bemerkenswert war an Shakif Mahakaram, dass er besonders die noch seltenere Quastenflosserart Indonesiens schützte. Aus einem Zeitungsartikel erfährt Sénéchal, dass es ausgerechnet Charles Designe und Kapitän Ziegler waren, die dort mit Mahakaram aneinandergerieten: Sie waren hinter dem Urfisch her.

Um der Sache auf den Grund zu gehen, muss Sénéchal nach Indonesien fliegen. Der dortige Generaldelegierte der UNEP, Xi Ping Zhu, empfängt ihn, erzählt von dem armen Shakif und gibt Sénéchal in die Obhut des Militärgeheimdienstlers Thamnir. Mit den von Xi erhaltenen Unterlagen kann Sénéchal herzlich wenig anfangen, weshalb er sich zuerst zu Shakifs Familie begibt. Die Witwe ist verschlossen, hat aber einen schrecklichen Fehler gemacht: Sie hat Shakifs Laptop auf die nahe Müllhalde für Elektronikschrott geworfen. Zusammen mit ihrem Sohn Lang findet Sénéchal dort nur noch Überreste, aber immerhin auch Shakifs Schuhe. Er lässt auch das, was er in Shakifs leerem Schreibtisch an Staub und Glas gefunden hat, ins FREDE-Labor nach Paris schicken. Soll sich doch Lucrèce, der Chemiker, damit herumplagen.

Wenigstens kann sich Sénéchal jetzt, da sein brasilianischer Kollege Edouard eingetroffen ist, die Arbeit mit ihm teilen. Edouard kennt sich sehr viel besser mit Kriminalistik und Waffen aus. Er stößt auf die Leiche eines Motorradfahrers – am Grunde eines Schlammtümpels. Sehr ungesunde Gegend, besonders wenn man einen Revolver dabei hat. Im Gartenhäuschen der Mahakarams stößt er auf ein Funkgerät und Unterlagen einer Firma, der früher mal Auftraggeber von Designe und Ziegler war – und es vielleicht immer noch ist: der Konzern von Akira Takenushi, einem über hundert Jahre alten Japaner, der in Jakarta lebt und arbeitet.

Dem stattet Sénéchal mal einen Besuch ab. Auf den Hügeln über der Millionenstadt ist die Luft wesentlich besser. Der Hundertjährige sieht erstaunlich rüstig aus für sein Alter. Er lebt unter einer Glaskuppel in einem echten Wald aus seltenen Bäumen. Und zwischen den Bäumen, so bemerkt Sénéchal, wuseln überall Wach- und Reinigungsroboter herum. Natürlich Hightech aus Japan.

Woran Takenushi eigentlich forsche, will Sénéchal wissen. An den Genen von Saatgutpflanzen und an Fischen, bequemt sich der Industrielle zu antworten. Fischen wie dem Quastenflosser etwa? Gerade die seltensten Fische sind doch die interessantesten, nicht wahr, entgegnet der Japaner. In weiteren Gesprächen wird deutlich, dass er durchaus mit Designe und Ziegler zu tun hatte, aber nicht gerade auf die angenehmste Art: Sie haben ihn erpresst.

Während etliche Laboruntersuchungen laufen, gerät sein Kollege Edouard zusammen mit Lt. Thamnir im Hinterland in einen Hinterhalt der Rebellenbewegung für ein freies Aceh auf der Insel Sumatra. Eigentlich wollte Edouard hier die verschwundene Putzfrau und einen untergetauchten Freund Shakifs suchen, aber das Schicksal will es anders. Ein Holztransport stellt sich auf der Straße vor ihnen quer und lässt seine Ladung Baumstämme vor ihnen auf die Straße purzeln – direkt in ihren Weg …

Zurück auf Réunion, verlangt Sénéchal ein Treffen mit Designe und Ziegler, doch kaum ist er auf deren Boot, als ihn Designe mit einer Maschinenpistole bedroht. Sénéchal hat offenbar voll ins Schwarze getroffen, nun muss er zusehen, wie er hier lebend wieder rauskommt.

Mein Eindruck

Auf den ersten Blick scheint es in diesem enorm spannenden Ökothriller um Fische zu gehen. Aber der Schein trügt, denn je mehr Sénéchal ermittelt, desto deutlicher wird, dass es um die künftigen Ressourcen des Planeten. Und dabei sind Fische wie der alte Quastenflosser nur eine Art Indikator für die Aktivitäten von Leute wie Designe und Ziegler, die jetzt schon Jagd auf das machen, was noch übrigbleibt. Die beiden Genräuber – denn der Quastenflosser soll geklont werden – haben ein Forschungslabor samt Gentechnikfirma im Rücken, die ihnen ordentlich Kohle versprechen.

Wenn es also nicht um Fische geht, dann um das, was der Titel anzeigt: um Wasser. Bereits haben zwei von sechs Milliarden Menschen keinen Zugang zu frischem Trinkwasser. Bis 2050 werden es drei Milliarden sein, und somit wird Trinkwasser eines der begehrtesten Lebensmittel überhaupt werden. Wohl dem, der sich rechtzeitig eine gute Ausgangsposition im Rennen um die wertvollen Ressourcen verschafft. (Nottrets Schriftstellerkollege Jean Marc Ligny geht in seinem Roman [„Aqua ™“ 5827 noch einen Schritt weiter und macht Wasser zu einem raren Handelsgut in der nahen Zukunft.)

Dumm nur, dass der Vorrat an verfügbarem Wasser nicht beliebig vermehrt werden kann, indem man nach neuem bohrt wie nach Erdöl oder Erdgas. Die Menge des verfügbaren Wassers bleibt konstant, sei es nun gefroren, flüssig oder verdunstet. Die Frage ist, wie man es aus der Luft holt, reinigt, speichert und zu den Dürstenden transportiert.

Sénéchal ist erstaunt, wie weit Akira Takenushi mit seinen Forschungen gelangt ist. In seinem Wald unter der Plastikkuppel hat der Industrielle nicht nur Saatgut in Form von Bäumen gesammelt, sondern auch Experimente mit Kondensation angestellt, also der Gewinnung von Tau. Selbst in der scheinbar trockensten Wüste ist nämlich morgens Frühtau vorhanden. Einigen Tierchen gelingt es, diesen Tau einzufangen und zu trinken. Zu diesen Überlebenskünstlern gehört Senecora, eine Art von Skarabäus-Käfern, die einen speziellen Panzer und Mechanismus entwickelt hat, um Tau auf dem Körpern zu erzeugen und zum Maul zu leiten. Einfach genial, findet Sénéchal. Und das finden viele andere Leute auch, die in der Nachahmung dieser Oberflächenstruktur einen Milliardenmarkt sehen.

Aber wo es Geld gibt, da ist das Verbrechen nicht weit. Designe und Ziegler erpressen Takenushi, indem sie dieses Patent für sich angemeldet haben – ein klarer Fall von Ideenraub und Wirtschaftsspionage, der sich Sénéchal da eröffnet, als er schon denkt, er habe den Fall gelöst. Aber da gibt es noch ein paar Mitspieler, auf die er noch nicht gestoßen ist. Sie zu entdecken, hilft ihm seine einheimische Gastgeberin auf der Insel Réunion.

Der Autor wurde 1953 selbst auf dieser Insel geboren und kennt sich mit den Gegebenheiten vor Ort bestens aus. So lernt sein Held Sénéchal beispielsweise die scharf gewürzte lokale Küche kennen, den guten Rum, die kreolische Sprache, die Parfümindustrie (Geranien, Vetiver) und natürlich die Fischer. Dass es hier auch jede Menge Aberglauben gibt, hätte der Umweltinspektor weniger erwartet. Aber Madame Hoareau, seine Wirtin und eine ehemalige Gesangslehrerin, wird von einer wandelnden und singenden Vogelscheuche erschreckt, die mit einer Tierkralle an ihrer Küchentür kratzt. Madama erschrickt sich nicht wenig und klagt ihr Leid dem hünenhaften Inspektor, der doch sicherlich weniger Angst empfindet als sie.

Null problemo, beruhigt sie der Normanne mit den großen Pranken, bevor er sich auf die Suche nach dem Übeltäter macht. Der Weg führt ihn über den markanten Blumenduft, den der Einbrecher mit der Vogelscheuchenmaskerade hinterlassen hat, direkt zu einer alten Dampflokomotive. Es sind diese wunderbaren Assoziationssprünge, die einer der Gründe sind, warum Nottets Bücher so unterhaltsam sind. Sie bestehen nicht nur aus Krimi und Umweltinformationen, sondern auch aus einer Menge menschlicher Komödie. So auch hier.

In diesen alten Dampfloks pflegen gewisse Leute nämlich die gesammelten Blüten von Geranien, Vetiver und so weiter im alten Dampfkessel zu einzuweichen (man erinnere sich an das wässrige Verfahren in Süskinds [„Das Parfum“) 3452 und in kleinen Flaschen zu destillieren. Wie sich herausstellt, befindet sich eine dieser Loks in einem vulkanischen Gebiet, dessen Lava einen Tunnel teilweise verschüttet hat. In diesem Labyrinth gerät der neugierige Umweltinspektor in eine Todesfalle voller Giftschlangen …

Die Übersetzung

Die beiden Übersetzerinnen haben eine sehr gute Arbeit vorgelegt, die sicherlich nicht einfach war. Denn es gibt enorm viel wissenschaftlichen Fachjargon in diesem Buch sowie französische, malaiische und japanische Ausdrücke, von den allgegenwärtigen englischen ganz zu schweigen.

Dennoch fielen mir zwei dubiose Stellen auf. Die erste taucht auf Seite 330 auf, also nach drei Vierteln des Buches. „Der Himmel über den Bergen war stahlgrau, und die gewaltigen Wipfel hatten eine bedrohliche Färbung angenommen.“ Was stimmt an diesem Satz nicht? Nun, wie jeder Deutsche meiner Generation kenne ich Goethes Gedicht „Wanderers Nachtlied“:

„Über allen Gipfeln ist Ruh,
in allen Wipfeln / spürest du / kaum einen Hauch. / Die Vöglein schweigen im Walde.
Warte nur / balde ruhest du auch.“

Goethe unterschied eindeutig zwischen Gipfeln der Berge und Wipfeln der Waldbäume. Warum sollten wir es nicht auch tun? Wenn die Übersetzung also von den „Wipfeln“ der Berge spricht, dann sind eigentlich „Gipfel“ gemeint.

Auf Seite 355 stieß ich auf den Ausdruck „ein nächtiger Gartenweg“. Interessantes Wort, dieses „nächtig“, denn meist wird „nächtlich“ gebraucht. Letzteres ist auch im |DUDEN| korrekt angegeben, doch unter „nächtigen“ steht dort „übernachten“. Also auch hier irrten die beiden Übersetzerinnen.

Unterm Strich

In einer spannenden Kriminalhandlung, die durchaus packende Actionszenen umfasst, bringt uns der Autor die komplexe Thematik der bedrohten Ressourcen der Menschheit näher. Waren es in den zwei Vorgängerbänden die Artenvielfalt des südamerikanischen Kontinents, so richtet der Autor diesmal unseren Blick auf die Meere, ihre schwindende Artenvielfalt – aber vor allem auf das Wasser, das zunehmend knapper wird und immer weniger Menschen frisch und sauber zur Verfügung steht. Der Autor kennt die Prognosen, und sie sind sehr düster, nicht nur für das Jahr 2050, sondern erst recht für das Ende dieses Jahrhunderts, das in jeder Hinsicht das entscheidende für das Überleben der Menschheit und des Lebens auf diesem Planeten ist.

Spannung und Information werden ergänzt von der dritten Komponente, der menschlichen Komödie. Immer wieder durfte ich bewundern, wie feinfühlig Sénéchal es versteht, mit unterschiedlichsten Personen zurechtzukommen und sie sogar zur Mitarbeit zu bewegen. Dabei kommt es oftmals zu Situationen, die für Anlass zum Schmunzeln geben, besonders wenn Gegensätze aufeinandertreffen. Und Sénéchal ist mit seiner hünenhaften Gestalt und seinen Hosenträgern eine Gestalt, die ich mir ein wenig wie den großgewachsenen Monsieur Hulot mit seinem Hütchen und dem Regenschirm vorstelle – Jacques Tati lässt schön grüßen. Nur dass Sénéchal wesentlich zupackender und furchtloser ist, als es Monsieur Hulot jemals gewesen sein könnte.

Lediglich für die schwache Psychologie des Romans gibt es Punktabzug. Andererseits sind Kriminalromane mit tiefgehender Psychologie wahrlich dünn gesät. Der Roman liest sich mit seinen superkurzen Kapiteln – James Patterson hat’s vorgemacht – stellenweise wie ein Drehbuch. Und zwar genauso rasant, sprunghaft und bilderreich. Ich habe das Buch in nur drei Tagen gelesen.

Originaltitel: H2O, 2004
Aus dem Französischen von Eliane Hagedorn und Barbara Reitz
445 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-431-03780-7

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