Schlagwort-Archive: Phantastik

Susanna Clarke – Piranesi

Ein riesiges Gebäude, in dem sich endlos Räume aneinanderreihen, verbunden durch ein Labyrinth aus Korridoren und Treppen. An den Wänden stehen Tausende Statuen, das Erdgeschoss besteht aus einem Ozean, bei Flut donnern die Wellen die Treppenhäuser hinauf. In diesem Gebäude lebt Piranesi. Er hat sein Leben der Erforschung des Hauses gewidmet. Und je weiter er sich in die Zimmerfluchten vorwagt, desto näher kommt er der Wahrheit – der Wahrheit über die Welt jenseits des Gebäudes. Und der Wahrheit über sich selbst.
(Verlagsinfo)

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Anstiftung zum Selberdenken. Interview mit Ralf Isau

Ralf Isau (c) Isabelle Grubert
Ralf Isau (c) Isabelle Grubert

Buchwurm.info: Lieber Ralf, wie geht es Dir? Wo bist Du?

Ralf Isau: Danke, mir geht es gut. Ich bin gerade überall und nirgendwo. Kürzlich hat mich das „Haus der Technik“ in Essen zum Botschafter für den Deutschen Weiterbildungspreis ernannt. Mitte März ging es zur Buchmesse nach Leipzig. Und im Mai fliege ich nach Südkorea. Ich darf am Changwon International Children’s Literature Festival 2013 teilnehmen. An der Uni von Changwong halte ich eine Vorlesung zur deutschen Kinder- und Jugendliteratur im Allgemeinen sowie der Phantastik von Michael Ende und Ralf Isau im Besonderen. Anschließend geht es zum Goethe-Institut nach Seoul. Du siehst, ich bin ein Globetrotter in Sachen Literatur.

Manche Leser kennen Dich und Deine zahlreichen Werke noch nicht. Stell Dich doch bitte ein wenig selbst vor.

Ich bin Baujahr 1956, in Berlin geboren. Seit 30 Jahren lebe ich mit meiner Frau Karin in der Nähe von Stuttgart. (Eine ausführliche, mit Fotos dokumentierte Biografie findet sich unter der URL http://www.isau.de/vita.html.) Bücher der Phantastischen Literatur veröffentliche ich seit 1994. Alles begann mit dem „Drachen Gertrud“, einem Kinderbuch, das ich Michael Ende schenkte. Es hat ihm gefallen und er empfahl mich seinem Verlag. Seitdem sind fast 40 Bücher entstanden, fast alle im Genre der Phantastik. Viele davon wurden ins Ausland verkauft, in 14 verschiedene Länder. Mein neuer All-age-Roman „Die Masken des Morpheus“ erscheint am 18. März beim Verlag CBJ. (Mehr zum Roman ist unter http://www.isau.de/werk/masken.html nachzulesen.)

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Jonathan Carroll – Wenn Engel Zähne zeigen

Dem Tod ein Schnippchen schlagen

Der US-amerikanische Fernsehmoderator Wyatt Leonard wird von seiner ehemaligen Freundin Sophie Chapman gebeten, ihr den einen Lebenswunsch zu erfüllen, den er ihr versprochen hat: Er soll für sie ihren verschwundenen Mann Jesse suchen. Der sei vermutlich irgendwo in einem weit entfernten Land, das sich Österreich nennt. Der Haken: Wyatt hat Leukämie und glaubt nicht, dass er eine solche Reise überleben wird. Doch er ahnt nicht, dass er über eine bemerkenswerte Fähigkeit verfügt – er kann Tote zum Leben erwecken…

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Harlan Ellison – Ich muss schreien und habe keinen Mund. Erzählungen

Klassische SF- und Phantastik-Erzählungen

20 Erzählungen von einem Provokateur der Phantastik. „Der Weltuntergang liegt bereits über einhundert Jahre zurück, ausgelöst durch einen verheerenden Weltkrieg von intelligenten Supercomputern. Die Überlebenden haben sich in einen unterirdischen Komplex geflüchtet, doch sie sind nun von einem solchen Computer abhängig. Dieser hat die Menschen unsterblich gemacht – um sie einer ewigen Folter zu unterziehen … Harlan Ellison beweist mit seinen Stories, wie schonungslos spekulative Literatur die großen Fragen der Menschheit aufzudecken vermag.“ (Verlagsinfo)

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Steffen König – Die Dämonen vom Ullswater

Sein unspektakulärer Titel macht es nicht leicht ersichtlich, aber: Dieser Roman hat alles, um als Highlight der phantastischen Literatur aus dem Jahr 2014 hervor zu gehen. Bis dahin ist es zwar noch etwas hin, jedoch hat Steffen König stark vorgelegt und präsentiert eine unfassbar spannende Geschichte von geradezu klassischer Struktur – letzteres mag angesichts des avisierten Handlungszeitraums nicht weiter verwundern, abgesehen von der Meisterschaft, mit der sich König in dieser uns heute recht fremden Sprache bewegt.

Voranstellen möchte ich der Rezension ein Zitat aus der Danksagung des Autors als Verweis auf die Schwierigkeit, die eine Besprechung dieses Romans hervor ruft, wenn man allzu große Vorwegnahmen auf den Inhalt vermeiden möchte. Dementsprechend wird ein bestimmter Abschnitt der Besprechung gesondert gekennzeichnet sein, und der geneigte Leser wird selbst zu entscheiden haben, wie viel er von dem entsprechenden Abschnitt liest:

»Mein Dank geht auch an H. G.Wells und Jeff Wayne, die auf ihre jeweils eigene unvergleichliche Art England in Schutt und Asche gelegt haben und mich damit zu dieser Geschichte inspirierten.« (Steffen König, 2014, aus: Danksagung, Die Dämonen vom Ullswater, Wurdack-Verlag Nittendorf)

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Eschbach, Andreas – Herr aller Dinge (Lesung)

_Der Fluch der Allmacht: philosophischer SF-Roman_

Als Kinder begegnen sie sich zum ersten Mal: Charlotte, die Tochter des französischen Botschafters und Hiroshi, der Sohn einer Hausangestellten. Von Anfang an steht der soziale Unterschied spürbar zwischen ihnen. Doch Hiroshi hat eine Idee. Eine Idee, wie er den Unterschied zwischen Arm und Reich aus der Welt schaffen könnte. Um Charlottes Liebe zu gewinnen, tritt er an, seine Idee in die Tat umzusetzen – und die Welt damit in einem nie gekannten Ausmaß zu verändern. Was mit einer bahnbrechenden Erfindung beginnt, führt ihn allerdings bald auf die Spur eines uralten Geheimnisses – und des schrecklichsten aller Verbrechen … (Verlagsinfo)

_Der Autor_

Andreas Eschbach, Jahrgang 1959, studierte in Stuttgart Luft- und Raumfahrttechnik, bevor er als Software-Entwickler und Berater arbeitete. Schon als Junge schrieb er seine eigenen Perry-Rhodan-Storys, bevor er mit „Die Haarteppichknüpfer“ 1984 seine erste Zeitschriftenveröffentlichung landen konnte.

Danach dauerte es noch elf Jahre bis zur Romanfassung von „Die Haarteppichknüpfer“, danach folgten der Actionthriller „Solarstation“ und der Megaseller „Das Jesus Video“, der mit dem renommierten Kurd-Laßwitz-Preis für den besten deutschsprachigen Science Fiction-Roman des Jahres 1998 ausgezeichnet und fürs Fernsehen verfilmt wurde.

Seitdem sind die Romane „Eine Billion Dollar“, „Perfect Copy“, „Exponentialdrift“, „Die seltene Gabe“, „Das Marsprojekt 1-5“ sowie „Der Letzte seiner Art“ erschienen, einige davon zudem als Hörbuch. Auch das Sachbuch „Das Buch der Zukunft“ gehört zu seinen Publikationen. Eschbach hat mehrere Anthologien herausgegeben und eine Reihe von literarischen Auszeichnungen erhalten. Heute lebt als freier Schriftsteller in der Bretagne.

_Der Sprecher_

Matthias Koeberlin, geboren 1974, absolvierte die Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam. Im Jahr 2000 erhielt er den Günter-Strack-Fernsehpreis. Er spielte den Stephen Foxx in der ProSieben-Verfilmung des Bestsellers „Das Jesus-Video“. Für seine Interpretation der Hörbuchfassung von Eschbachs Bestseller wurde er für den Deutschen Hörbuchpreis des WDR (2003) nominiert. 2007 gewann er gegen renommierte Konkurrenz als „Bester Schauspieler“ den „Deutschen Fernsehpreis“. Er lebt mit seiner Familie in Köln.

Regie in den L.A. Tonstudios Köln führte Kerstin Kaiser, aber die Nachbearbeitung erfolgte in den d.c. Studios NRW. Die Musik trug Andy Matern bei. Die Textfassung stammt von Klaus Prangenberg.

_Der Komponist_

Andy Matern wurde 1974 in Tirschenreuth, Bayern geboren. Nach seiner klassischen Klavier-Ausbildung arbeitete er einige Jahre als DJ in Clubs. Seit 1996 ist er als freiberuflicher Keyboarder, Produzent, Remixer, Songwriter und Arrangeur tätig. Er kann trotz seiner jungen Jahre bereits mehr als 120 kommerzielle CD-Veröffentlichungen vorweisen. Darunter finden sich nationale und internationale Chart-Platzierungen mit diversen Gold- und Platin-Auszeichnungen.

Bereits Andy Materns erste Hörbuch-Rhythmen erreichten schnell Kultstatus bei den Fans und der Fachpresse. Durch seine musikalische Mitarbeit wurde „Der Cthulhu Mythos“ zum besten Hörbuch des Jahres gewählt (Deutscher Phantastik Preis 2003). Andy Matern lebt und arbeitet in München. (Verlagsinfos)

_Handlung_

Hiroshi Kato ist der Sohn einer Wäscherin, die an der Tokioter Botschaft Frankreichs arbeitet. Charlotte Malroux ist die Tochter des an dieser Botschaft arbeitenden französischen Botschafters. Zusammen verbringen sie einige Zeit miteinander. Rückblickend erkennt Hiroshi, dass es die Zeit war, in dem ihm die beste Idee seines Lebens kam: Wie man alle Menschen auf der Erde reich machen könnte.

Er hat eine Begabung, um neue Dinge zu bauen. Doch Charlottes Gabe ist völlig andersartig. Wenn sie Gegenstände berührt, kann sie deren Geschichte und die Gefühle sowie Gedanken ihrer Benutzer erspüren. So was hat Hiroshi noch nie gehört, aber es erweist sich als folgenreich. Als Charlotte sie das Messer von Hiroshis verschwundenem Vater „liest“, erfährt er, dass der Vater aus einer superreichen Familie in Texas lebt, doch seine Mutter nach Japan zurückgekehrt ist.

Eines Tages besuchen sie zusammen mit einer Aufpasserin die Tokioter „Insel der Heiligen“, einen nur einmal im Jahr geöffneten Shinto-Schrein. Darin liegt, auf der gleichnamigen Insel, ein schwarzes Messer aus Obsidian. Es soll 3000 Jahre alt sein und dem ersten Kaiser Japans gehört haben. Als es Charlotte mit Hiroshis Hilfe gelingt, das Messer zu berühren und zu „lesen“, stößt sie einen markerschütternden Schrei aus und fällt in Ohnmacht. Am nächsten Tag sind die Malroux‘ abgereist.

Als Hiroshis Vater zu Besuch kommt, bietet er dem mittlerweile 14 Jahre alten Jungen einen Studienplatz an den besten Unis der USA an. Wenige Jahre später ist aus Hiroshi am berühmten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston ein brillanter Querdenker geworden, der nur noch nebenher büffelt, um seine Scheine in Informatik und Kybernetik zu machen. Er hat ein Gerät patentiert und lizenziert, mit dem Innendekorateure, Bauleiter und Architekten einen Raum dreidimensional ausmessen können – den „Zauberstab“. Mit den Lizenzgebühren finanziert er sein Studium.

Doch dann ereignen sich zwei Wendepunkte in seinem Leben. Auf einer Einweihungsparty sieht er Charlotte wieder: Sie ist mit einem Milliardenerben verlobt und sieht aus wie ein Model. Dennoch kann er mit ihr problemlos über alte Zeiten reden, als wäre sie seine Schwester. Und ja: Sie hat ihre „seltene Gabe“ immer noch, allerdings viel schwächer als seinerzeit. Sie studiert Anthropologie und will in die Archäologie – kein Wunder bei ihrem Interesse für uralte Objekte, die sie „lesen“ kann. Ein paar Tage später unternimmt sie mit ihm eine „Expedition“ in die Vergangenheit der Menschheit und der Erde: Die 32 Kilometer, die sie quer durch Boston gehen, entsprechen 3,2 Mio. Jahren – so alt sind die ältesten Funde von menschlichen Fossilien. Aber was geschah einst in den riesigen zeitlichen Lücken zwischen den Funden?

Die andere Begegnung bringt Hiroshi in Berührung mit dem Investor Jens Rasmussen. Der amerikanische Unternehmer ist das genaue Gegenteil einer „Heuschrecke“ und findet, dass Hiroshi angemessen für seine geniale Erfindung, den „Zauberstab“, bezahlt werden müsse. Genauer gesagt: mit 3 Mio. Dollar. Das ist zwar viel, aber zu wenig, um Hiroshis nächstes Projekt finanzieren zu können. Rasmussen erkennt beim zweimaligen Durchlesen der Projektbeschreibung, was dies bedeutet: eine Zeitenwende …

_Mein Eindruck_

Wir verfolgen die sehr unterschiedlichen Lebensläufe eines nahezu geschwisterlichen Paares und erleben mit ihnen einschneidende Geschehnisse in der Menschheitsgeschichte mit. Charlotte liefert uns den Einblick in größte ZEITLICHE Tiefen, führt uns aber auch zu einem dramatischen Ereignis im russischen Eismeer. Hiroshi hingegen nimmt uns mit auf eine Reise in tiefste RÄUMLICHE Dimensionen, denn er befasst sich mit den kleinsten Bausteinen des natürlichen (Atome) und künstlichen (Naniten) Lebens. Auf diese Weise können wir uns ein vierdimensionales Bild von der Menschheitsgeschichte machen, von den frühesten Anfängen bis zur jüngsten transhumanen Verwandlung.

Obwohl Charlotte eine übernatürliche Fähigkeit besitzt, die schon fast Fantasy-mäßige Möglichkeit weckt, ist es doch für den Durchschnittsleser, der, sagen wir, nur Krimis oder historische Romane kennt, viel leichter, ihre Schilderungen nachzuvollziehen. Bei Hiroshis Szenen sind eindeutig solche Leser / Hörer im Vorteil, die sich mit Science-Fiction und den jüngsten technischen Entwicklungen wie der Nanotechnologie befasst haben. Nanos gehören zwar mittlerweile zum Alltag, etwa Schutzbelägen für Autokarosserien oder Fenster. Aber dennoch haben die wenigsten Leute eine Vorstellung davon, worum es sich eigentlich handelt: winzige Maschinen, die bis in die Blutbahn und die Lunge gelangen können.

Das ganze Buch wird folglich von der Entwicklung dieser beiden Hauptfiguren und ihrer sich vertiefenden Beziehung zusammengehalten. Die Frage, die sich jeder Leser / Hörer stellt, ist jedoch, ob sie endlich ihre tiefe, einzigartige Liebe erkennen und in die Tat umsetzen können. Dies gelingt Hiroshi am Schluss auf eine unnachahmliche Weise, die nicht nur Charlotte die Tränen in die Augen treibt.

|Das Generalthema|

Soweit, so schön, doch worum geht es überhaupt? Ohne zuviel vom Plot verraten zu wollen, so lässt sich doch schnell erkennen, dass es im Grunde um die Beherrschung einer neuen revolutionären Technologie geht. Hiroshi will ja die Welt verbessern. So möchte er etwa mit seinen ersten Kleinrobotern (die selbständig Kopien von sich erstellen können) die unzähligen Deponien von Müll wieder in Wertstoffe umwandeln. Ein hehres Unterfangen, das nur leider an einem Geburtsfehler scheitert: am Kopiervorgang selbst. Schon die dritte Generation ist unfähig, die gegebenen Befehle korrekt auszuführen und baut Mist. Hiroshi muss von vorne anfangen.

Aber auch die Nanotechnologie hat ihre Tücken. Hiroshi überwindet in deren Entwicklung unvorstellbare Hürden. Die Details würden zu weit führen. Aber wieder einmal bauen seine „Kreaturen“ Mist: Sie entnehmen allen Fischen im Meer einen bestimmten Giftstoff – auf einmal mehren sich Meldungen von Fischsterben an allen Küsten. Bloß gut, dass alle Nanos einen Kill-Befehl verstehen.

Die folgerichtige Konsequenz aus diesen Fehlern lautet, dass sich der Schöpfer mit seinen Kreaturen vereinigen muss. Andere Menschen würden ihn nun nicht mehr als Menschen definieren, da er nun auf einer anderen Ebene existiert und anderen Parametern gehorcht. Diese Entfremdung hat verheerende Folgen für Hiroshi und seine Schöpfung. Die Menschheit wendet sich gegen ihn. Das ist höchst ironisch: Aus dem Möchtegern-Wohltäter ist ein Feind geworden, den es zu vernichten, zumindest aber auszubeuten gilt.

|Action|

Das zweifellos unterhaltsamste Kapitel gehört Charlotte. Im russischen Eismeer will sie mit ihrer Expedition ja eigentlich menschliche Fossilien suchen und insgeheim dem Ursprung einer lokalen Sage von einem schwarzen Teufel nachgehen, der einst auf die Erde gefallen sein und im „ewigen“ Eis gefangen sein soll. Nun, sie findet definitiv mehr als einen Teufel, nämlich eine verborgene Kolonie von Naniten. Als diese unerwartet ein Festmahl an Nähr- und Rohstoffen in Gestalt von Menschenkörpern geboten bekommen, entwickeln sie ein unheimliches Eigenleben …

|Jargon|

An einigen Stellen merkt man deutlich, dass Eschbach ein Software-Entwickler gewesen ist. Selbst im gekürzten Hörbuchtext wird noch Jargon verwendet, der Hörer, die nicht das Geringste von Software verstehen, vor erhebliche Verständnisprobleme stellen kann. Das ist von Supercomputern, Routinen und Prozeduren, von Programmcode und Kill-Befehlen die Rede – alles ganz gewöhnlicher Krempel für einen Entwickler, aber eine Hürde für Laien.

_Der Sprecher_

Als ausgebildeter Schauspieler weiß Koeberlin seine Stimme wirkungsvoll einzusetzen und die Sätze deutlich und richtig betont zu lesen. Er verleiht den beiden Hauptfiguren minimal unterschiedlichen Stimmlagen zu, lässt sie kichern und flüstern, besorgt klingen und schluchzen.

Koeberlin lässt aber insbesondere „Ausländer“ anders sprechen. Das funktioniert am besten mit den rauen Akzenten der Russen und der argentinischen Militärs. Aber auch die Amis kann man leicht heraushören. Vielfach werden die Stimmen der Militärs und Forscher durch Effektfilter verfremdet, so dass es einigermaßen realistisch klingt, wenn sie sich mit Hilfe von Sprechfunk usw. verständigen. Dann ist die jeweilige Stimme entsprechend verzerrt. Funksprüche klingen oft abgehackt.

Aber es gibt auch Zustände der Figuren, die sich nicht immer „normal“ klingen lassen. So hat etwa Charlottes Expeditionskamerad Morley schwere Probleme, das auf der Insel Gesehene und Erlebte zu verarbeiten. Er ist erst der Panik nahe, dann deliriert er. Der Sprecher könnte an dieser Stelle leicht albern klingen, kann es aber gerade noch vermeiden.

Zu meiner Freude hat sich Koeberlin in den letzten Jahren einige Sprachen angeeignet. Ganz besonders seine Aussprache des Spanischen ist makellos. Daher kann ich ihm sowohl eine unterhaltsame als auch kompetente Vortragsweise bescheinigen. Doch die Figuren zum Leben zu erwecken, gelingt ihm im Grunde nur bei den beiden Hauptfiguren. Das liegt aber daran, dass wir uns emotional mit ihnen identifizieren können, während die Kürzungen des Hörbuchs keine weiteren wichtigen Nebenfiguren zulassen.

|Musik|

Andy Materns musikalische Beiträge zeigen sich vor allem in den Intros und Outros, die auch am Ende jeder CD erklingen. Percussion, Synthigeiger und ein Bass bekommen einen dynamischen Klangteppich zustande, der immer wieder im Hintergrund für Spannung sorgen kann. Andere Instrumentalisierungen, etwa mit Flöte und Harfe, sorgen für Entspannung. Es ist dieser Wechsel, der die Dramaturgie des Plots unterhaltsam macht. Denn zuviel des einen wie des einen wäre ja langweilig.

Geräusche gibt es keine, daher brauche ich darüber keine Worte zu verlieren.

_Unterm Strich_

„Herr aller Dinge“ – ja, dies zu werden gelingt Hiroshi Kato in vollem Umfang. Dummerweise hat der Rest der Menschheit etwas dagegen, hat sie doch schon Schwierigkeiten, sich auf nur einen Gott zu einigen. Leider erweist sich Hiroshis Wohltäterschaft als zwar gut gemeint, aber schlecht gekonnt. Die Wirklichkeit hat entschieden etwas dagegen, sich verbessern zu lassen.

Folglich kann er seinen größten Erfolg nur im zwischenmenschlichen Bereich erzielen: Mit seinen gottähnlichen Kräften gelingt es ihm, einen Menschen von einer tödlichen Krankheit zu heilen (und dreimal darf man raten, um wen es sich handelt). Merke: Der einzige Preis, den die Menschen von einem Gott einfordern und akzeptieren, ist ein Opfer. Damit kennen sie sich selbst aus, und künftige „Götter“ sollten sich das hinter die Ohren schreiben.

Ich fand die ganze Geschichte faszinierend entworfen und stellenweise spannend geschildert, so etwa auf der russischen Eismeerinsel. Allerdings nimmt sich der Autor dort selbst auf die Schippe oder stellt sich ein Bein, weil er Anklänge an „Star Wars“ und „Superman“ zur Sprache bringt. Die „Festung der Einsamkeit“ ((http://de.wikipedia.org/wiki/Festung__der__Einsamkeit)) ist die Heimstatt von Supie himself, und wer sie zitiert, evoziert entsprechende Erlebnisse des Lesers / Hörers. Diese wirken jedoch ein wenig deplatziert. Ich mochte eben „Superman“ noch nie.

|SF-Vorbilder|

Dafür gibt es jedoch jede Menge Vorbilder in der Science-Fiction. Die wichtigsten sind wohl der Roman „Blutmusik“ von Greg Bear, in dem sich der Forscher-Schöpfer mit seinen Kreaturen vereint und ein transzendentes Wesen (sprich: Gott) wird; zum anderen die Maschinenwesen in Gregory Benfords CONTACT-Zyklus. Auf diese feindliche Zivilisation stoßen die menschlichen Expeditionen, die ihr Vorspiel in „Meer der Nacht“ erleben.

|John von Neumann|

Die Maschinenwesen können sich ebenso wie die Kleinroboter und Naniten, die Hiroshis erschafft, kopieren und vermehren. „Die Von-Neumann-Sonde ist ein hypothetisches Konzept für selbstreplizierende Raumschiffe, das auf der Idee der selbstreproduzierenden Automaten des Mathematikers John von Neumann beruht“, schreibt die Wikipedia korrekt. Solche Automaten können jede Form und Größe annehmen, versteht sich, ganz kleine ebenso wie ganz große. Hiroshi, der geniale Alleskönner, baut sie alle. (Wer mehr über Eschbachs Ansichten über Nanotechnologie wissen will, lese sein „Buch von der Zukunft“, das 2004 bei Rowohlt veröffentlicht wurde.)

|Die Aliens|

Größte Mühe hatte ich jedoch mit der Frage, warum Hiroshi Raketen ins All schießt. Im gekürzten Hörbuchtext wird dies nur minimal begründet. Welche Außerirdischen sollen die Raketen erreichen, wenn die Aliens keine bekannten Spuren hinterlassen haben? Genau diesen Punkt widerlegt die Handlung: Die Aliens waren – und sind! – schon da, nämlich auf der russischen Eismeerinsel.

Und von da ab werden die Dinge so verwickelt, dass ich auf das Buch beziehungsweise die vollständige Audio-Lesung in MP3-Format verweise. Jedenfalls bleibt einem die Spucke weg, wenn der Autor seine eigene galaktische Vision entwirft, die sich durchaus mit Entwürfen bei „Perry Rhodan“ messen kann. Eschbach hat ja mehrfach sowohl für diese größte deutsche SF-Reihe geschrieben als auch für sein Universum der „Haarteppichknüpfer“ groß dimensionierte Entwürfe geliefert. Mit seinem Entwurf begründet er, warum wir bzw. unsere Sonden und Teleskope bislang auf kein einziges Anzeichen von Leben gestoßen sind. Es wirkt wie leergefegt …

|Das Hörbuch|

Der Sprecher liest gewohnt gekonnt vor und erweckt zumindest die beiden Hauptfiguren zum Leben. Die Musik sorgt für Spannung und Entspannung. An einigen Stellen merkt man, dass der Autor mal Softwareentwickler war und sich mit vielen modernen Technologien bestens auskennt – siehe sein „Buch von der Zukunft“.

|8 Audio-CDs
Spieldauer: 574 Minuten
ISBN: 978-3-7857-4515-1|
http://www.luebbe.de

_Andreas Eschbach beim |Buchwurm|:_
[Ein König für Deutschland]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5856
[Der Nobelpreis 2060
[Ausgebrannt 3487
[Ausgebrannt – Hörbuch 4942
[Black*Out]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6579
[Quest 1459
[Quest (Lesung)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7931
[Die Haarteppichknüpfer 1556
[Das Jesus-Video – Hörbuch 267
[Der letzte seiner Art 1250
[Der letzte seiner Art – Hörbuch 317
[Eine Billion Dollar 653
[Solarstation (Lesung)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7803
[Exponentialdrift 187
[Das Marsprojekt – Das ferne Leuchten (Bd. 1) 1102
[Das Marsprojekt – Die blauen Türme (Bd. 2) 1165
[Das Marsprojekt – Die gläsernen Höhlen (Bd. 3) 2484
[Das Marsprojekt – Die steinernen Schatten (Bd. 4) 4301
[Das Marsprojekt – Die schlafenden Hüter (Bd. 5) 5266
[Die seltene Gabe 1161
[Perfect Copy 1458
[Herr aller Dinge]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8005

Michael Marrak – Morphogenesis

In einem Interview für das TERRACOM, Ausgabe Juni 2004, fragte ich Michael Marrak nach dem Wesen seines neuen Romans. Er antwortete (wahrscheinlich mit einem Grinsen im Gesicht):
»Es wird […] ein sehr zynischer Roman mit einer gesunden Portion an schwarzem Humor … und knietief Blut … 😉 «
Damals konnte ich mir noch nicht vorstellen, wie tief „knietief“ wirklich ist …

Michael Marrak arbeitet als Illustrator und Schriftsteller, dabei lebt er in der weltkulturdenkmalerischen Stadt Hildesheim. Er debütierte 1997 mit seinem Roman „Die Stadt der Klage“, „Lord Gamma“ von 2000 erhielt den Kurd-Laßwitz-Preis sowie den Deutschen Phantastik-Preis als bester Roman des Jahres. 2002 erschien sein Horror-SF-Mischling „Imagon“, der ebenfalls ausgezeichnet wurde.
Weitere Infos: http://www.marrak.de.

stadt der klage

Hippolyt Krispin entdeckt in seinen privaten archäologischen Forschungen mitten in der libyschen Wüste eine Pyramide. An sich schon erstaunlich genug, aber sie besitzt außerdem einen sechseckigen Grundriss. In ihrem Zentrum stößt Krispin auf einen riesigen versiegelten Hohlraum, der unter Vakuum steht, bis Krispins Mitarbeiter die Wand durchbricht. Er verendet dabei qualvoll und blutig, denn der Unterdruckt reißt ihm sämtliche Eingeweide aus dem Körper. Niemand ahnt bisher, dass es so etwas ist wie ein Tor zur Unterwelt, dem ägyptischen Duat.

Der geöffnete Raum ist gigantisch und von einer merkwürdigen knöcheltiefen Staubschicht bedeckt, die reibungslos durch die Finger rinnt und nicht greifbar ist. In einem Ringsarkophag findet er einen goldenen Uroboros (eine Schlange, die sich in den Schwanz beißt) und erlebt bei der ersten Berührung damit eine Vision: Ein übergroßer Schlangenkopf hebt sich aus dem Staub und mustert Krispin. Sie grüßt ihn in einer sonderbaren Sprache und bezeichnet ihn als Kematef.

Krispin trifft später auf eine wunderschöne Ägypterin mit verführerischem Duft und verbringt mit ihr den Abend. Anscheinend ist sie für niemand sonst sichtbar, außerdem umgibt sie ein Geheimnis. Sie behauptet, mit einer Totenbarke aus der Totenstadt Sarara gekommen zu sein und ringt ihm das Versprechen ab, ihr einen Wunsch zu erfüllen und sie dort zu besuchen. Nach einem berauschenden Geschlechtsakt drückt sie ihm den Uroboros in die Brust, er verschwindet wie ein Lebewesen in Krispins Eingeweiden, Krispin erlebt eine grausige Vision und erwacht erinnerungslos und blutüberströmt vor seinem Hotel. Nichts ist mehr so, wie es sein muss.

eine multihölle für alle

„Morphogenesis“ ist eine Vollendung des stark gedrängten Romans „Die Stadt der Klage“. Und diese Stadt, in die es Hippolyt Krispin verschlägt, ist eine Verschmelzung aus vielen Höllenmythen, die die Menschheit im Laufe ihrer Entwicklung entwarf. Hier treffen sich Neros brennendes Rom und die fleißigen Errichter des babylonischen Turms sowie französische Gillotinierte zur gemeinsamen, ewigen Buße.

Der Prolog des Romans hätte uns vorwarnen müssen. Er ist wie ein Vorgeschmack auf die Abstrusität und die Bildauswahl des Romans, erdrückt sofort die gewachsenen Vorstellungen von Realität und Zumutbarkeit in uns und weckt eine Verwirrung, die wohl nur aus falschen Erwartungen entstehen kann. Wer den Klappentext liest und dort etwas von Pyramiden und Ausgrabung stehen sieht, erwartet gewiss nicht, sich in einem ausgebrannten Turm zwischen ekligen, sich vermehrenden Insekten und staubsaugerartigen Schwämmen wiederzufinden, gegenüber eine albtraumhafte Gestalt, und ein blutiges Stigma aus dem Rücken die Wand hinter einem verschmiert. So gerät man schon im Prolog von einem Albtraum in den nächsten, denn die erste Sequenz, die sich leicht als Traum entpuppt, mündet in den eben beschriebenen Part, der für den Erzähler offenbar die Realität ist. Pyramide? Ausgrabung? HIER??

Zum Glück beginnt das erste Kapitel nach diesem Anfangsschock „normal“ und erwartungsgemäß. Ich erinnerte mich aber beim Öffnen der Vakuumkammer und der daraus resultierenden „Entleibung“ des Mitarbeiters überdeutlich an Marraks oben zitierten Ausspruch: „… und knietief Blut …“ Mit jeder weiteren Seite entfernt sich die Erzählung von unserer Realtität und wird zu einem phantastischen Schauspiel.

Mit welchen Worten soll man diesem Buch gerecht werden? Schon die Einordnung in irgendein Genre fällt schwer – aber man versucht es trotzdem, jeder Teil in seine Schublade. Einigen wir uns auf den Oberbegriff „Phantastik“ (nicht zu verwechseln mit Fantasy, darum schreibe ich es auch weiterhin mit Ph), damit tun wir dem Werk kein Unrecht. Da wir es mit Michael Marrak zu tun haben, können wir das Buch versuchsweise mit seinen Vorgängern vergleichen. „Lord Gamma“ war eindeutige Science-Fiction mit einer kolossalen Enthüllung zum Schluss. „Morphogenesis“ ist weit abstruser, abgedrehter, aber durch den mythologischen Hintergrund nicht ganz so erschlagend – es erschlägt durch andere Aspekte. Hier geht es vordringlich um das Schicksal Hippolyt Krispins (und um unsere armen Seelen, das ist schon schockierend). „Imagon“ ließ sich schon schwerer einordnen, man nennt es Science-Horror-Thriller. Die düstere Aussicht für die Menschheit wird in „Morphogenesis“ blutiger und zynischer dargestellt, unser Augenmerk auf andere Dinge gelenkt.

Die Ausgeburt der Hölle, die durch Krispin zum Leben erweckt werden soll, wird nicht eindeutig bewertet. Ist es wirklich nur ein kleiner Ausflug aus der Hölle, wie Krispins Gegenspielerin und Gönnerin behauptet, oder erwartet uns durch diesen Pakt die Hölle auf Erden?

Im Endeffekt hat sich Marrak eine tragisch unsterbliche Figur geschaffen, die ewig durch die Gefilde der Literatur wandeln kann, um hin und wieder auf sich aufmerksam zu machen. Beneidenswert, wie Marrak schreiben kann, aber gleichzeitig Furcht einflößend: Geht sowas |ständig| in seinem Kopf umher? Da kann man gespannt sein auf die Früchte seiner Fantasie, die uns in den nächsten Jahren erwarten.

Es gibt ein Detail, eine Frage, auf deren Auflösung ich die ganze Zeit unbewusst gewartet habe. Zu Beginn seiner Bekanntschaft mit Sahia hat Krispin eine Vision, die von einer Welt aus Nervensträngen und Synapsen handelt, in der ein geschwürartiges Gebilde auf ihn zu jagt, in dem er ein schreckliches „Ding“ sieht. Danach ist Dunkelheit. Was hat er gesehen? Vermutlich war es in der Realität das Auto, das ihn traf, aber was hat er in seiner Vision gesehen? Anscheinend war es zu unwichtig, um dem Autor eine Aufklärung wert zu sein. Aber es reizt leider die Neugier und hätte darum eine Antwort verdient.

morphogenesis

Den Titel zu erklären, hieße, die Lösung des Romans zu verraten. Auch wenn man sich davor drückt, gibt es noch etwas Wichtiges festzuhalten: Um den Geist zu reinigen, bietet der Roman den perfekten Weg. „Entschlackung“ kann man es nennen, die aufgestauten unmöglichen Fantasien und abstrusen Gedanken finden hier ihren Ausdruck – und dabei wird auch noch eine spannende Geschichte erzählt! Vor allem zum Schluss drückt der Wunsch nach der Lösung, man kann kaum noch von dem Buch lassen. Was gibt es für ein besseres Argument für einen Roman? Eines muss fairerweise nochmal gesagt werden: Der Roman ist blutrünstig. Man sollte sich durchaus eine Prise schwarzen Humors zulegen, ehe man ihn liest.

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

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