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Aleas, Richard – Tod einer Stripperin (Hörbuch: Hard Case Crime)

_Die Stripklubs der Hölle: überraschende Enthüllungen_

Privatdetektiv John Blake hatte seine High-School-Liebe Miranda Sugarman als Ärztin in New Mexico vermutet. Doch sie wird mit zwei Kugeln im Kopf auf dem Dach einer Strip-Bar gefunden … (Verlagsinfo)

_Der Autor_

Richard Aleas ist das Pseudonym von Charles Ardai, Herausgeber der Hard-Case-Crime-Reihe in den USA. Er lebt, schreibt und arbeitet in New York City. (Verlagsinfo)

_Der Sprecher_

Reiner Schöne lebte lange in Hollywood und drehte dort mit Filmgrößen wie Clint Eastwood und Lee van Cleef. Der Schauspieler, Synchronsprecher und Sänger mit der tiefen, markanten Stimme trägt die passende raue Note bei.

Regie führte Thomas Wolff. Die Buchvorlage erschien 2008 bei |Rotbuch|.

_Handlung_

Zuerst schaut sich John den Klub an, in dem seine Miranda zuletzt gestrippt hat. Es ist ein erheblicher Unterschied zwischen diesem Etablissement und dem sauberen bürgerlichen Umfeld, in dem er zusammen mit Miranda Sugarman in New York aufwuchs. Sie war seine Freundin, bis sie mit 18 Jahren nach New Mexico zog, um an einer Uni Medizin zu studieren. Sie wollte Augenärztin oder so was werden.

Doch statt einer erfolgreichen Karriere fand sie zehn Jahre später in der Silvesternacht auf dem Dach dieses drittklassigen Schuppens den Tod – durch zwei Kugeln in den Hinterkopf, die ihr Gesicht zur Unkenntlichkeit zerfetzten. Der Manager der „Sin Factory“, Wayne Lance, identifizierte sie und die Polizei machte einen DNS-Vergleich. Und der kleingewachsene Obermacker hat es überhaupt nicht gern, wenn ein Privatschnüffler seine Damen blöd anquatscht. Ray, der Türsteher-Gorilla, schmeißt John denn auch flugs wieder auf die Straße.

Etwas ist oberfaul an diesem Laden, sonst hätten die Betreiber nicht solche Angst. John fragt Leo Hauser, den Besitzer der Privatdetektei und Johns Mentor und Lehrer. Leo ist ein ehemaliger Streifenpolizist und hat jede Menge Kontakte. Leo rät ihm: „Blake, lass die Finger von diesem Fall. Es kommt nichts Gutes dabei heraus.“ Aber wie das mit alten Flammen so ist, hängt Johns Herz daran. Und er will Gerechtigkeit für Miranda.

Er findet heraus, dass Miranda seit mehreren Jahren mit Jocelyn Mastaduno, ihrer Zimmernachbarin am College, in Stripklubs des ganzen Landes aufgetreten war. Mit Hilfe einer hilfreichen Stripperin aus der „Sin Factory“ namens Susan Feuer – Künstlername: Rachel Firestone – kann er sich ein Video von der Nummer dieser beiden Damen beschaffen und ist hingerissen. Miranda und Jocelyn bringen eine aufregende Nummer aufs Parkett. Sie sehen einander zum Verwechseln ähnlich, wie zwei Schwestern. Wow! Kein Wunder, dass sie es bis nach New York City schafften. Doch Jocelyn ist seit Jahren verschwunden. Ihr Vater bittet John, sie ebenfalls zu suchen. Und vielleicht führt die Spur von Jocelyn ihn zu Miranda.

Der Grund, warum Wayne Lance solche Angst hat, ist ihm auch bald klar. Es sind die beiden Betreiber der Sin Factory, Mirko und Mitchell Catchadurian, aus New Jersey. Sie sind Drogendealer und noch einiges anderes. Susan erzählt, ihr habe Miranda an ihrem letzten Abend gesagt, sie habe Angst vor den beiden Mirkos, denen ein wirklich übler Ruf anhängt. Im Klub von Zenobia Selva lernt John einen Narbigen kennen, der bestätigt, dass die Mirkos im Drogengeschäft hängen. Bei ihnen sei kürzlich eingebrochen worden, und dabei erleichterten die zwei Einbrecher den Senior um eine Million Dollar, die Senior an ein kolumbianisches Kartell zahlen sollte. Jetzt ist das Geld immer noch verschwunden, obwohl die beiden Einbrecher schnell unter der Folter gestanden und dann den Fischen hallo sagten. Und sie belasteten Miranda Sugarman schwer.

John klingen die Ohren: seine süße Miranda – eine Drogendealerin? Aber stimmt diese Story denn? Er will sich mit den Catchadurians treffen. Es dauert nicht lange bis zu einer ernsten Unterredung in einer schwarzen Limousine. Dann hat John einen neuen Auftraggeber. Er soll Jocelyn finden – und die Million. Sonst kann er ebenfalls den Fischen hallo sagen, kapiert?

_Mein Eindruck_

Die Geschichte ist eine typische Hardboiled-Detektivstory, wie man sie von Raymond Chandler nicht besser hätte erwarten können (höchstens mit ein paar zynischen Bemerkungen über Reiche und korrupte Polizisten). Es treten auf: ein Privatdetektiv mit dem Herz auf dem rechten Fleck sowie der Fähigkeit, jede Menge Prügel einzustecken; eine Stripperin mit einem goldenen Herzen, die verblüffende Fähigkeiten als Detektivin an den Tag legt; finstere Gestalten von der falschen Seite des Gesetzes; sowie jede Menge Rätsel, die gelöst werden wollen. Für Überraschungen ist also gesorgt.

Den erwachsenen, männlichen Leser bzw. Hörer interessiert am meisten das erotische Milieu der Stripklubs, und dabei wird er vom Autor voll bedient. Nach leisen Ouvertüren kommt es endlich zum Höhepunkt in jener Szene, als John Blake das Video vom Auftritt Mirandas und Jocelyns „begutachtet“. Er ist hingerissen, und der Leser bzw. Hörer ist es hoffentlich auch. Ich war ebenfalls recht angetan von den erotischen Szenen.

Das eigentliche Thema ist jedoch dem kriminalistischen Plot unterlegt oder vielleicht besser gegenübergestellt. John, aus dessen Blickwinkel wir das Geschehen erleben, fragt sich von Anfang an, wie es nur dazu kommen konnte, dass Miranda ihr Leben ausgerechnet auf dem Dach eines drittklassigen Stripschuppens aushauchte. Sie hatte doch Augenärztin werden wollen. Nun ja, und er hatte Literatur studiert, bevor er sich von Leo Hauser zum Privatschnüffler ausbilden ließ. Schon seltsam, wie sich die Jugendträume in nichts auflösen und alle Hoffnungen sich ins Gegenteil verkehren. Das Dingsymbol dafür ist ein ausgestopfter oder künstlicher Papagei, den John in seinem Kinderzimmer hatte. Am Schluss findet er ihn auf dem Sperrmüll an der Straße. Was wird er damit tun?

Diese Story wäre nicht so wahnsinnig aufregend, wenn es im letzten Drittel nicht die längst überfällige dicke Überraschung gäbe. Der aufmerksame Leser bzw. Hörer hat sich, was dann kommt, schon zusammenreimen können, doch unser Held war mal wieder zu beschäftigt, um zwei und zwei zusammenzuzählen. Vielleicht lag es an seinen gebrochenen Rippen, die ihn von einem Blick auf die schreckliche Wahrheit ablenkten, der er nun ins Gesicht sehen muss …

|Der Sprecher|

Reiner Schöne war schon vor 30 Jahren in den Hörspielen des Bayerischen Rundfunks zu hören, so etwa in der Titelrolle als Paul Cox. Seine Stimme ist „männlich herb“, tief und etwas rau, also genau richtig für ein kriminelles Milieu, in dem die Sitten ebenso rau sind. Er kann heiser auflachen, aufgebracht aufschreien, und zwar sowohl in einer männlichen wie einer weiblichen Rolle. Einmal muss er stottern und flüstern, und Susan alias Rachel muss er natürlich verführerisch klingen lassen. Null problemo.

Für die Charakterisierung der Figuren steht ihm allerdings nur ein begrenztes Instrumentarium zur Verfügung. Die Charakterisierung erfolgt eher durch Situationen und Emotionen, die eine entsprechende Ausdrucksweise, wie oben aufgelistet, erfordert.

_Unterm Strich_

Ein sentimentaler Privatdetektiv, der seiner verlorenen Jugendliebe Gerechtigkeit zu verschaffen sucht – dieses Unternehmen muss einfach schiefgehen in einer Welt, die keine Hoffnungen mehr hat und und keine Moral. Folgerichtig muss John Blake einige harte Wahrheiten erkennen und dabei erwachsen werden, ganz besonders durch eine Begegnung im letzten Drittel, mit der er nicht gerechnet hat. Aber er findet in Susan, der Stripperin, nicht nur eine vortreffliche Berufskollegin, sondern auch eine Partnerin, die ihm wieder Hoffnung gibt.

Leider ist der Verlauf der Story für den gewieften Krimikenner ziemlich vorhersehbar. Es gibt eine Reihe von Hinweise, die unser Held nicht erkennen will – oder einfach verdrängt. Es gibt ein paar Konfrontationen, aber fast keine Dramatik, was ich wirklich schade finde. Die Zutaten des Plots sind also nicht gerade umwerfend. Die hauptsächliche Würze liegt für den Connaisseur in dem, was schon der Titel ankündigt: Stripperinnen in rauen Mengen. Aber es gibt solche, die gar keine sein wollen. Gehörte Miranda Sugarman zu dieser Gruppe, wie John Blake immer noch hofft? Das soll nicht verraten werden.

|Das Hörbuch|

Reiner Schöne ist fast schon die Idealbesetzung als Erzähler dieser Hardboiled-Krimis, die |Argon| jetzt bringt. Es mag ihm zwar etwas an Flexibilität hinsichtlich seiner Stimme fehlen, aber dafür ist seine Ausdrucksfähigkeit hinsichtlich bestimmter Szenen und Emotionen sehr vielseitig. Er könnte die Figuren aber noch etwas besser charakterisieren.

Diese neue Reihe des |Argon|-Verlags ist für unvoreingenommene Leser von Krimis, die auf Bildungsanspruch pfeifen, ein gefundenes Fressen, und ich werde sicher noch weitere Titel der Reihe vorstellen.

|Originaltitel: Little girl lost, 2004
Aus dem US-Englischen übersetzt von Conny Lösch
287 Minuten auf 4 CDs
ISBN-13: 978-3-86610-538-6|
http://www.argon-verlag.de
http://www.rotbuch.de