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Holdstock, Robert – Erdwind

_Positive Utopie oder langweiliges Planetenabenteuer_

Die Anthropologin Elspeth Mueller ist auf dem primitiven Planeten Aeran gestrandet, auf dem Steinzeitmenschen sich der räuberischen Blackwings erwehren müssen. Ihre Freundschaft mit Darren, dem Sohn des Häuptlings, wird auf eine harte Probe gestellt, als eine Expedition der neuen Rebellenregierung des Sternenreiches landet und von den Einheimischen verlangt, dass sie sich Überwachungsgeräte einpflanzen lassen. Nun steht Elspeth zwischen den zwei Kulturen.

_Der Autor_

Robert Paul Holdstock, geboren 1948, begann mit dem Schreiben schon 1968, machte sich aber erst 1976 als Schriftsteller selbständig und schrieb daraufhin eine ganze Menge Genre-Fantasy. Dabei entstanden wenig interessante Trilogien und Kollaborationen an |Sword and Sorcery|-Romanen, unter anderem mit Angus Wells.

Erst 1983 und 1984 taucht das für die Ryhope-Sequenz wichtige Motiv des Vater-Sohn-Konflikts auf. Beide Seiten werden getrennt und müssen wieder vereinigt werden. Das Besondere an dieser emotional aufgeladenen Konstellationen ist jedoch, dass die Bewegung, die dafür nötig ist, in einer Geisterwelt stattfindet: dem Ryhope-Forst.

In Holdstocks keltischer Fantasy befindet sich in diesem Urwald, der dem kollektiven Unbewussten C. G. Jungs entspricht, erstens ein Schacht, der mit weiterem Vordringen ins Innere immer weiter zurück in der Zeit führt. Eines der wichtigsten und furchtbarsten Ungeheuer, Urscumug, stammt beispielsweise aus der Steinzeit. Und zweitens finden bei diesen seelischen Nachtreisen durch die Epochen permanent Verwandlungen, Metamorphosen statt. So verwandelt sich die Hauptfigur Tallis in „Lavondyss“ und schließlich in eine Dryade, einen Baumgeist. Das ist äußerst faszinierend geschildert.

Am Ende der Nachtreisen warten harte Kämpfe, die auch in psychologischer Hinsicht alles abverlangen, was die Kontrahenten aufbieten können. Und es ist niemals gewährleistet, dass die Hauptfiguren sicher und heil nach Hause zurückkehren können. Denn im keltischen Zwielicht, das noch nicht durch das christliche Heilsversprechen erleuchtet ist, scheint am Ende des Weges keine spirituelle Sonne, sondern dort wartet nur ewige Nacht.

Der MYTHAGO-Zyklus:

1. Mythago Wood (1984; [Mythenwald, 4139 World Fantasy Award)
2. Lavondyss (1988; [Tallis im Mythenwald) 4211
3. [The Bone Forest 4088 (1991; Sammlung)
4. [The Hollowing 4161 (1993)
5. Merlin’s Wood (1994, Sammlung inkl. Roman)
6. Ancient Echoes (1996)
7. [Gate of Ivory 1422 (2000)

Der MERLIN CODEX-Zyklus:

1. Celtika (2001)
2. The Iron Grail (2002)
3. The Broken Kings (2007)
4. Avilion (2008)

http://www.robertholdstock.com

_Handlung_

Vor Jahrhunderten. Das Raumschiff der Wissenschaftler ist in den Bergen des Planeten Aeran abgestürzt. Die Schiffbrüchigen haben keine Mittel, Hilfe zu holen, und verkriechen sich in einer Höhle. Als der Winter hereinbricht, sehen die Gestrandeten den nahen Tod vor Augen, entweder durch Erfrieren oder Verhungern. Während Commander Austin zurückbleibt, um auf Hilfe zu hoffen, wagt sich eine Frau auf eine Expedition. Sie schafft es bis in den Dschungel, wo die Nachfahren der einstigen Kolonisten auf der Stufe der Steinzeit leben.

|Das 36. Jahrhundert|

Wochen nach ihrer Landung hat sich die Anthropologin Elspeth Mueller mit dem jungen Krieger Darren angefreundet und geht mit ihm und seinen vier Freunden auf die Jagd nach Blackwings. Elspeth hat ihre Kleidung abgelegt und sogar ihre Uhr weggeworfen, denn es gibt nichts mehr, was sie mit ihrer Herkunft verbindet. Nichts mehr außer den zwei Juwelen, die sie statt Brüsten auf ihrem Oberkörper trägt, Resultate eines blutigen Stammesrituals, das Elspeth auf ihrer Heimatwelt erdulden musste. Anders als die pelzigen Kolonisten, die mitunter blondes Haar tragen, ist Elspeth dunkelhäutig, trägt kein Fell und hatte wohl afrikanische Vorfahren. Das Einzige, was sie anhat, ist ein Gürtel für ihr Jagdmesser, doch sie hofft, bald mehr Kleidung zu bekommen, sobald sie im Crog, dem befestigten Dorf, leben darf.

Die Jagd auf die Blackwings ist riskant, doch Elspeth hat mit dem Ritzen von Erdwind-Runen um Jagdglück gebeten. Sie schafft es im zweiten Anlauf, eine solche übergroße Fledermaus zum Absturz zu bringen. Das Tier hat sie kurz durch die Luft getragen und dabei per Teleportation Sprünge in der Raumzeit vollführt, die Elspeth Angst eingejagt haben. Doch nun liegt der Blackwing am Boden des Dschungels, und Darren erledigt den Rest.

Danach lieben sie sich in den Lianen eines Baumriesen, bevor Darren und seine Freunde wieder in den Crog zurückkehren. Elspeth wird der Zutritt immer noch wegen eines Beschlusses der Ältesten verwehrt. Als sie Darren nach dem Geheimnis des Erdwinds und dessen Runen fragt, drückt er sich um die Antwort herum. Sie weiß nur, dass dieses Phänomen mit bestimmten geritzten Symbolen in Verbindung steht. Ähnliche Symbole – Rauten – hatte sie vor der Jagd in eine Felswand geritzt, um ein gutes Jagdergebnis herbeizuwünschen. Sie wird nicht locker lassen, das Geheimnis zu lüften, schließlich ist sie eine ausgebildete Wissenschaftlerin.

|Die Expedition der Fremden|

Ein weiteres Schiff der Menschen des 36. Jahrhunderts landet unweit des Crogs. Es steht unter dem Kommando von Schiffsmeister Karl Gorstein. Mit Hilfe einer Sonde erkundet er den Planeten Aeran, stößt auf Kolonisten, Elspeth und Blackwings – und auf den befestigten Hügel des Crogs. Eine Beunruhigung überkommt ihn, eine Beklemmung. Um den Grund dafür herauszufinden, befragt er seinen „Rationalisten“ Peter Ashka, den er schon lange kennt. Ashka wiederum befragt, trotz schwerer Bedenken, das I Ching, das uralte chinesische Orakel, warum Gorstein solche Beklemmung fühlt. Die Aussagen sind nicht günstig, sondern künden einen Wandel an.

Den Grund für die Anwesenheit der Fremden erfährt Elspeth, als sie mit ihrer Freundin Moir, Darrens Schwester, heimlich deren Zusammenkunft mit dem Ältestenrat und dem Seher des Stammes beobachtet. Aus dem Erlauschten erkennt sie, dass die Fremden aus ihrem eigenen Sternenreich kommen und verlangen, dass die Aerani sich Überwachungsgeräte einpflanzen lassen. Offenbar hat die neu an die Macht gekommene Regierung Angst vor weiteren Aufständischen oder Widerstandsnestern. Die Fremden, darunter Ashka, bekommen zur Antwort, dass man darüber beraten und das Orakel des Erdliedes befragen werde.

|Der Zweikampf|

Nach einer freundlichen und informativen Begegnung Elspeths mit Peter Ashka erfährt sie von Moir, dass es im Stamm wegen der Fremden zum Zwist gekommen sei und ein Zweikampf bevorstehe: Darren, Moirs Bruder, gegen Engus, Moirs festen Freund – und nur einer könne überleben! Entsetzt und zugleich fasziniert beobachtet, wie Engus‘ Kopf schließlich im Sand rollt, so wie schon zahllose andere Opfer von Ehrenkämpfen. Moir ist todtraurig. Darrens Sieg bedeutet, dass die Fremden zunächst in Ruhe gelassen werden. Und da Moir auf ihren Anspruch eines Ehrenkampfes mit Elspeth, der festen Freundin des Siegers, verzichtet – was Darren beschämend findet -, darf Elspeth weiterleben. Sie bangt darum, was aus ihr, Darren und dem Stamm wird.

|Die zwei Orakel|

Währenddessen hat Peter Ashka eine eingehende Unterredung mit Iondai, dem Seher des Stammes. Wessen Orakel ist wohl das bessere, das I Ching von Ashka oder das Erdlied Iondais? Das Ching sagt voraus, was sein könnte, ohne sich festzulegen oder zu urteilen. Peter ist bestürzt darüber, wie sich die Kraft des Ching, die er verspürt, auf diesem Planeten verhält, gerade so, als werde es durch eine andere Macht zur Seite gedrängt. Und was kann das Erdlied ausrichten?

_Mein Eindruck_

Wie so viele Planetenabenteuer über Kolonisten ist auch dies eine Geschichte über die Auseinandersetzung zwischen altem Bewusstsein und neuer Welt, die ihre eigenen Anforderungen stellt. In den Passagen, die der Autor am anschaulichsten erzählt, darunter den gesamten Reiseteil am Schluss, findet in Elspeth und Gorstein, den beiden wichtigsten Außenweltlern, eine fundamentale Umwandlung statt. Sie werden von Raumfahrern & Wissenschaftler/Technikern zu Jägern & Sammlern, die von dem leben, was ihnen die Welt gewährt.

Dass der Übergang von der Zivilisation zur Barbarei kein sanfter ist, dürfte klar sein, denn ständig gibt es gewaltsame Auseinandersetzungen, vor allem mit den Einheimischen. Diese waren einst selbst Kolonisten, haben aber unter dem Einfluss des Phänomens namens „Erdwind“ ihre Vergangenheit vergessen oder abgeworfen. Im Buch wird zwar viel zwischen den Denkern Elspeth, Ashka, Gorstein und Iondai diskutiert, doch letzten Endes entscheidet die Gewalt darüber, wie es weitergeht, wie der Tod von Ashka und der Kampf zwischen Gorstein und Elspeth belegt.

|Kampf der Orakel|

Der innere Konflikt der Außenweltler mit der brutalen Realität auf Aeran spiegelt sich auf einer höheren Ebene wider, nämlich auf jener der Orakel. Während Elspeth und Gorstein es schaffen, sich bei ihrem Aufenthalt vom Einfluss des Ching-Orakels (= I Ging, Buch der Wandlungen) frei zu machen und eigenständig zu entscheiden, gelingt dies Peter Ashka nicht. Er ist zu sehr „Rationalist“ – so sein offizieller Titel -, um das Orakel des Erdwinds gelten zu lassen. Er hängt dem Ching eisern an und weigert sich sogar, dessen Aussagen im Interesse der Fortsetzung der Expedition „umzuinterpretieren“, wie Gorstein verlangt.

Doch Ashka muss erkennen, dass er nur überleben und am Ching festhalten kann, wenn er Aeran schnellstens verlässt. Wie er nämlich anhand des Fluges der Blackwings erkannt hat, existiert hier die Möglichkeit der Zeitreise. Zwar hüpfen die Blackwings nur eine Sekunde lang, doch das können sie nur mit Sicherheit, wenn ihre Ankunft am gewünschten Ort in der Raumzeit absolut gewiss ist. Das geht jedoch nur in einem vorbestimmten Universum. Dieses unterscheidet sich radikal von unserem, in dem der Ablauf von Ereignissen dem Zufall unterworfen ist, also nicht vorherbestimmt.

Diese zwei grundlegend verschiedenen Universen haben zwei unterschiedliche Orakel hervorgebracht: Das Ching gilt nicht mehr dort, wo der Erdwind herrscht. Und wo dieser herrscht, gelten für die Menschen rigide Lebensregeln, die dem Außenweltler äußerst brutal erscheinen müssen, weil sie weder Ausnahmen noch das Konzept der Gnade zulassen. Als Ashka seinen Augenblick des Zweifels erfährt, ist er bereits für das Ching verloren. Denn auf Aeran bedeutet jeder Zweifel den Tod, hier überlebt nur derjenige, der festen Glaubens ist – nicht an einen ominösen Gott, sondern an den Erdwind.

|Einheit mit der Welt|

Dessen Propheten sitzen im Crog und verkünden seinen Willen. Ihre Worte kommen einem Gesetz gleich. Zwischen dem Land, repräsentiert durch den Erdwind, und seiner Wahrnehmung, genannt Erdlied, gibt es keinen Unterschied. Dieses Konzept hat der Autor in seinem Motto angedeutet. Das Motto, das in der Originalausgabe abgedruckt ist, zitiert den Sänger und Texter der Band YES, Jon Anderson:

|“As one with the knowledge and magic of the source
Attuned to the majesty of music
They marched as one with earth.“|

Die Verse stammen aus der Komposition „The Ancient: Giants Under the Sun“.

Die Außenweltler emanzipieren sich also schrittweise vom Einfluss ihrer technischen Kultur und dessen Ching-Orakel, das auf Aeran seine Gültigkeit verloren hat. Doch immer noch ist ihr Bewusstsein abgetrennt vom Rhythmus des Landes, vom Erdlied. Hartnäckig und schier verzweifelt bemüht sich Elspeth um diese Verbindung, von der sie annimmt, dass sie mit dem einheimischen Symbol des Erdwindes zu tun hat: drei Doppelspiralen, die in einem Dreieck angeordnet sind. Als Anthropologin weiß sie, dass solche Felszeichnungen im irischen Newgrange bei der alten Königsstadt Tara gefunden wurden (justament im Jahr 1977, als der Autor diesen Roman schrieb). Was, wenn die Kolonisten von Aeran irische Wurzeln hätten?

Doch sie haben diese Wurzeln vollständig vergessen und leben nur im Hier und Jetzt, mit dem Orakel des Erdwinds als einziger Richtschnur – „as one with the earth“. Doch auch in der Höhle des Erdwindes, wo dieser seinen Anfang nimmt, sind keine Symbole zu finden. Diese findet Elspeth nur in ihrem Geist, der sich auf unerwartete Weise verändert hat. In ihrer Vorstellung schweben die Symbole vor ihrem geistigen Auge. Und erst als sie die Zeichen mit ihrem eigenen Blut, das aus ihren Brustwunden tropft, in den Boden zeichnet, erfolgt die Erleuchtung, die sie schon die ganze Zeit zum Greifen nahe gefühlt hat.

|Der Erdwind – ein Vampir?|

Doch sie selbst könnte nicht sagen, worin der Erdwind oder seine Bedeutung besteht. Das muss sie auch gar nicht erklären, denn es kommt nur darauf an, eins mit ihm zu sein, um seinen Frieden mit der Welt zu finden. Elspeth ist angekommen, im Hier und Jetzt, wo ihr Körper schon auf ihr Bewusstsein wartet. Einmal hält sie den Erdwind für ein parapsychisches Phänomen, das ihre Neuronen verdreht und alte gespeicherte Erinnerungen schrittweise auslöscht, als wäre es ein Gedankenvampir.

Das ist natürlich Unsinn. Bei meinem Aufenthalt im Ausland habe ich ebenfalls festgestellt, dass ich alte Erinnerungen, besonders sprachliche, schnell verlor, sobald ich sie nicht mehr nutzte und übte. Sie wurden schnell durch neue ersetzt. Schon nach wenigen Monaten stellte sich das Gefühl des Angekommenseins ein. Genauso ergeht es Elspeth und Gorstein, nur wesentlich schneller, denn es ist der einzige Weg, wie sie auf Aeran überleben können.

Es wäre nicht nötig gewesen, einen verschütteten Zeitsinn zu erfinden, der ihnen hilft, sich in der veränderten Aeran-Zeit zurechtzufinden. Dieser Zeitsinn soll in der Kindheit der Menschheit, in der Steinzeit, noch existiert haben, aber im Laufe der Entwicklung des Menschen zu einem hochzivilisierten Wesen verschüttet worden und in Vergessenheit geraten sein. Davon habe ich noch nie gehört, und angesichts des beschriebenen Phänomens der kulturellen und sprachlichen Bewusstseinsanpassung erscheint mir dies auch unnötig.

|Erzählstil|

Ich habe für dieses Buch einige Monate benötigt. Obwohl die inhaltliche Aussage nicht sonderlich schwer zu begreifen ist, so erfordert es doch einige Mühe, die langen Passagen zu bewältigen, in denen die vier Hauptfiguren – Elspeth, Ashka, Gorstein und Iondai – lange Monologe mit sich selbst führen. Besonders Ashka ist in dieser Hinsicht anspruchsvoll, wälzt er doch philosophische Konzepte über Zeit, Kausalität und Orakelgültigkeit. Diese Monologe nehmen in der Mitte geradezu überhand.

Da waren mir die Streitgespräche zwischen Elspeth und Gorstein sowie den Aerani wesentlich lieber. Am besten sind aber die Passagen mit Naturbeschreibungen sowie mit Kampfszenen. Sie sind zwar knapp gefasst, aber anschaulich und nicht für Zimperliche gedacht. Da rollen Köpfe und jede Menge Blut, aber das ist typisch englisch und auch bei Holdstocks Kollegen David Gemmell zu finden.

_Unterm Strich_

Mir kam es manchmal so vor, als habe der Autor zunächst eine ziemlich gute, lebhaft und anschaulich erzählte Kurzgeschichte von 50 bis 80 Seiten gehabt. Hauptfigur dieser Story war natürlich die weibliche Hauptfigur Elspeth Mueller, und es kamen keinerlei Orakel vor. Doch dann musste diese Story irgendwie zu einem Roman aufgeblasen werden. Und daher mussten weitere Außenweltler wie Gorstein und Ashka landen und ein fremdes Orakel mit nach Aeran bringen.

Am besten lassen sich Seiten mit langen Monologen schinden, und das tat der Autor denn auch. Es passiert zwar nichts, aber wenigstens dienen die langen Passagen dazu, der Geschichte diejenige Tiefe in der Aussage zu verleihen, die ein Roman haben sollte. Hier wird sozusagen der Überbau installiert und abgehandelt, der aus dem Erdwind statt eines Gedankenvampirs ein mystisches, kosmisches Phänomen macht. Seine Einwirkung auf Elspeths Bewusstsein hätte man aber auch ohne diesen Überbau anschaulich erzählen können.

Jetzt kommt der Roman mit einer Menge Ballast daher. Leider wüsste ich nicht, dass die putative Ausgangs-Story irgendwo veröffentlicht worden wäre. Wahrscheinlich hat der Autor sie seinem Verleger gegeben, um den Auftrag für den Roman zu ergattern, was ihm dann auch gelang. Unterm Strich bleibt eine stellenweise unterhaltsame Erzählung über die Notwendigkeit, nicht nur den Körper, sondern auch das Bewusstsein zu ändern, um eine Welt erobern zu können. Für diese Einsicht hätten wir aber wohl kaum diesen Roman gebraucht, nicht wahr?

Die deutsche Ausgabe bei |Moewig| wartet mit einem scheußlichen, völlig unpassenden Titelbild auf sowie mit einem Nachwort des Herausgebers Hans Joachim Alpers, der den Autor näher vorstellt. Da das sehr klein gedruckte Original schon 251 Seiten hat, die deutsche, größer gedruckte Ausgabe aber nur 288 Seiten, regt sich in mir der Verdacht, dass die deutsche Ausgabe gekürzt wurde. Man sollte daher, wenn man man kann, zum Original greifen.

|Originaltitel: Earthwind, 1977
288 Seiten
Übersetzt von Karl H. Schulz, mit einem Nachwort von Hans Joachim Alpers|

Holdstock, Robert – Hollowing, The (Ryhope Wood Zyklus 4)

_Der Mythenwald auf dem Prüfstand_

Der verletzte Junge Alex Bradley verschwindet im geheimnisvollen Ryhope-Forst in Herefordshire, England. Sein verzweifelter Vater Richard, der ihn schon tot geglaubt hat, muss versuchen, ihn von dort zurückzuholen – nicht nur, um die eigene Familie wieder zu heilen, sondern auch um Alex und die Geister-Welt, die sich im Ryhope-Forst aufgrund von Alex‘ Alpträumen einer Katastrophe nähert, vor der Vernichtung zu bewahren. Diesmal stellt der Autor sein gesamtes fiktives Universum auf den Prüfstand.

„The Hollowing“ ist eine eigenständige Fortsetzung zu den Bänden „Mythenwald“ und „Tallis im Mythenwald“, die beide bei |Bastei Lübbe| verlegt wurden. Der Verlag wollte diese Fortsetzung wohl aufgrund der negativen Resonanz auf die Übersetzung von „Tallis im Mythenwald“ nicht veröffentlichen. Das deutet auf ein Problem hin: Die evokative Sprache, derer sich Holdstock bedient, ist nur zu einem Teil angemessen und zutreffend ins Deutsche zu übertragen. Und wenn es gelänge, so würde die Übersetzung wie ein Text aus dem frühen 19. Jahrhundert klingen.

_Der Autor_

Robert Paul Holdstock, geboren 1948, begann mit dem Schreiben schon 1968, machte sich aber erst 1976 als Schriftsteller selbständig und schrieb daraufhin eine ganze Menge Genre-Fantasy. Dabei entstanden wenig interessante Trilogien und Kollaborationen an |Sword and Sorcery|-Romanen, unter anderem mit Angus Wells.

Erst 1983 und 1984 taucht das für die Ryhope-Sequenz wichtige Motiv des Vater-Sohn-Konflikts im Roman „Mythago Wood“ auf, für den der Autor den |World Fantasy Award| erhielt. Beide Seiten werden getrennt und müssen wieder vereinigt werden. Das Besondere an dieser emotional aufgeladenen Konstellationen ist jedoch, dass die Bewegung, die dafür nötig ist, in einer Geisterwelt stattfindet: dem Ryhope-Forst.

In Holdstocks keltischer Fantasy befindet sich in diesem Urwald, der dem kollektiven Unbewussten C. G. Jungs entspricht, erstens ein Schacht, der mit weiterem Vordringen ins Innere immer weiter zurück in der Zeit führt. Eines der wichtigsten und furchtbarsten Ungeheuer, Urscumug, stammt beispielsweise aus der Steinzeit. Und zweitens finden bei diesen seelischen Nachtreisen durch die Epochen permanent Verwandlungen, Metamorphosen statt. So verwandelt sich die Hauptfigur Tallis in „Lavondyss“ schließlich in eine Dryade, einen Baumgeist. Das ist äußerst faszinierend geschildert.

Am Ende der Nachtreisen warten harte Kämpfe, die auch in psychologischer Hinsicht alles abverlangen, was die Kontrahenten aufbieten können. Und es ist niemals gewährleistet, dass die Hauptfiguren sicher und heil nach Hause zurückkehren können. Denn im keltischen Zwielicht, das noch nicht durch das christliche Heilsversprechen erleuchtet ist, scheint am Ende des Weges keine spirituelle Sonne, sondern dort wartet nur ewige Nacht. Es ist also die Aufgabe des Autors darzulegen, wie dieses schreckliche Ende vermieden werden kann.

Der MYTHAGO-Zyklus bis dato:

1. [Mythago Wood 4139 (1984; Mythenwald)
2. Lavondyss (1988; Tallis im Mythenwald)
3. [The Bone Forest 4088 (1991; Sammlung)
4. The Hollowing (1993)
5. Merlin’s Wood (1994, Sammlung inkl. Roman)
6. Ancient Echoes (1996)
7. [The Gate of Ivory and Bone 1422 (2000)

Der MERLIN CODEX-Zyklus:

1. Celtika (2001)
2. The Iron Grail (2002)
3. Broken Kings (2007)
4. Avilion (2008)

_Vorgeschichte_

Die Handlung dieses Romans schließt direkt an die in „Tallis im Mythenwald“ („Lavondyss“) an, daher ist es hilfreich, die nötige Verbindung kurz zu skizzieren.

James und Margaret Keeton haben zwei Kinder: Harry und Tallis. Doch Harry ging 1948 mit Steven Huxley in den geisterhaften Ryhope Wood, um ihm zu helfen, Guiwenneth zurückzugewinnen (in „Mythenwald“). Bei seinem Abschied informierte er nur seine kleine Schwester Tallis davon. Konnten die Keetons schon Harrys Weggang nur schwer verkraften, so raubt es ihnen die letzten Kräfte, als Tallis 1959 ihrem Bruder folgt, um ihn zu suchen. James Keeton machte sich ein Jahr, bevor „The Hollowing“ beginnt, also 1959, auf den Weg in den Urwald, um seine Kinder zu suchen. Nur seine Frau Margaret blieb zurück – und Alex Bradley, Tallis‘ bester Freund …

_Handlung_

Richard und Alice Bradley, die 1960 ebenfalls in dem Dorf Shadoxhurst am Rande des Ryhope Wood leben, lieben ihren dreizehnjährigen Sohn Alexander ebenfalls sehr. Er hat eine große Vorstellungskraft, die seine Mutter unterstützt. So schreibt Alex an einer Version des mittelalterlichen Epos um [„Sir Gawain and the Green Knight“ 479 für seine Schulaufführung. Er selbst spielt nicht den Ritter Gawain oder den Grünen Ritter, sondern Sir Bertolac, dessen Frau Gawain dreimal in Versuchung führt.

Auf der nächtlichen Rückfahrt von der erfolgreichen Aufführung überfährt Richard fast einen Mann. Es ist James Keeton! Doch der Freund, den Richards Familie vor einem Jahr verlor, ist in einem bedauernswerten geistigen und körperlichen Zustand. Er ist unansprechbar und klammert sich an eine von Tallis‘ Holzmasken. Alex erkennt die Maske wieder: Er nennt sie Moondream. Wenn Keeton hindurchschaut, sucht er mit seinem Geist nach seiner Tochter. Alex ist tief davon berührt, denn er hofft, durch James Keeton wieder in Kontakt mit seiner Freundin zu kommen.

Als Keeton in eine Nervenheilanstalt eingeliefert wird, fährt Alex immer wieder hin, um mit Keeton zu sprechen, Geschichten und Witze zu erzählen. Richard fährt ihn hin, gegen den Protest von Alice, die Richard einen Narren schilt. Das könne zu nichts Gutem führen. Recht hat sie. Doch Alex macht wirklich Fortschritte bei Keeton, der schließlich immer mehr wache Phasen hat und zunehmend präsenter erscheint. Doch gerade als Richard kurz raus zu den Frauen, Alice und Margaret, geht, ereignet sich etwas Einschneidendes. Keeton erblickt durch die Maske seine Tochter und erhält von ihr die Nachricht, dass es ihr gutgehe. Keeton stirbt unvermittelt in Alex‘ Armen.

Der zurückgekehrte Richard versucht gerade Keeton wiederzubeleben, als sich Alex die Maske Moondream nimmt und sich aufsetzt. Etwas passiert mit ihm. Richard glaubt, Alex werde durch den Raum „geworfen“. Und fortan ist Alex zwar körperlich präsent, doch sein Geist wandert im Ryhope Wood. Ein Austausch hat stattgefunden. Keetons Geist ist bei seiner Tochter, und Alex muss dafür bezahlen. Nach Wochen der Behandlung in der gleichen Nervenheilanstalt kann Alex in einem unbeobachteten Moment entkommen. Die Suche verläuft ergebnislos, bis ein Bauer auf ein halb ausgegrabenes Skelett stößt. Es wird für Alex gehalten, obwohl sein Gesicht zerschlagen und unkenntlich ist. Nach der Beerdigung verlässt Alice ihren Mann, und 1961 zieht auch Alex nach London. Doch jedes Jahr kommt er ans Grab von Alex.

So auch 1966. Jemand möchte ihn treffen, eine Frau namens Helen Silverlock und ein Mann namens Lytton. Was Helen erzählt, ergibt zunächst überhaupt keinen Sinn. Sie behauptet, dass Alex am Leben sei. Doch wo er sei, könne sie nicht genau sagen, auch nicht, wie er aussehe. Der emotionale Aufruhr, in den sich Richard durch solche absurden Behauptungen versetzt sieht, macht es ihm nicht leicht, ihr zuzuhören. Doch als sie ihm später eine Nachricht zukommen lässt, die eindeutig auf einen Kontakt zu Alex schließen lässt, ist Alex bereit, mit ihr in den Ryhope Wood zu gehen.

|Die Kathedrale im Wald|

Alex ist vom Urwald in sein grünes Herz absorbiert worden, und zwar durch ein „Hollowing“, eine Höhlung. Wie schon in „Tallis im Mythenwald“ bzw. „Lavondyss“ bilden urtümliche Masken einen Durchgang für den menschlichen Geist in die Geistwelt, die der Ryhope-Forst beherbergt. Als Alex durch die Moondream-Maske schaute, wurde sein Geist in das Herz des Waldes geschleudert. Dieser Wald erzeugt Alex‘ persönliche Mythagos aus seinem Unterbewusstsein, ein Bewusstsein, das mit Rittern, Ungeheuern und Sauriern bevölkert ist.

Alex lebt in den Ruinen einer Kathedrale, die vom Wald überwuchert wird, genau wie in „Sir Gawain and the Green Knight“. Alex hat eine Freundin, einen Baumgeist namens Hollyjack, die ihn füttert und tröstet. Denn ringsum im Wald lauert der Kicherer, jenes gierige Ungeheuer, das ihn in diese Welt gerissen hat. Immer wieder fallen Alex‘ Mythagos diesem Verfolger zum Opfer. Nur die besten Recken können gegen ihn bestehen, und sie kehren nicht zurück. Alex‘ Kathedrale wird belagert.

Auf seinen Geistreisen an der Seite von Hollyjack fühlt Alex die Sorge seines Vaters und die permanente Trauer um seinen verlorenen Sohn. Zu gerne würde Alex mit ihm Kontakt aufnehmen und ihn trösten. Doch die Geister im Wald planen einen Angriff auf ihn, ist er doch ein Fremdkörper unter ihnen, die zehntausende von Jahren hier existiert haben. Und der Verfolger wartet stets auf ihn.

Die großen Helden, die er heraufbeschwört, sind verzerrt, unvollständig und somit gefährlich. Umherirrend und verwildert suchen sie gezwungenermaßen ihren Schöpfer, um geheilt zu werden. Das Unheil, das sie auf ihrem Weg verbreiten, gefährdet jene, die Alex suchen, allen voran seinen Vater Richard. Schließlich wird der Schrecken, den sie verbreiten, die Existenz des Waldes selbst und all seiner natürlich entstandenen Mythagos bedrohen.

|Die Forscher|

Richard Bradley hat sich den Archäologen und Anthropologen und Helen Silverlock, Lytton und Arnauld Lacan angeschlossen, die ein befestigtes Lager mitten im Wald errichtet haben: Old Stone Hollow Station. Von hier aus erkunden die Mitglieder des Forschungscamps regelmäßig den Mythagos erzeugenden Wald von Ryhope. Sie wissen von Alex Bradleys Anwesenheit im Wald und fürchten ihn und seine Schöpfungen.

Aber sie müssen sich auch vor so genannten „Hollowings“ in Acht nehmen. Die unsichtbaren Hollowings führen den unachtsamen Wanderer unversehens in eine völlig andere Zeit- und Raumdimension im Wald. Das kann sich aus verständlichen Gründen als verhängnisvoll erweisen, wenn das Opfer den Rückweg nicht mehr findet. Ein halbes Dutzend Mitglieder des Camps gingen auf diese Weise bereits verloren.

Besonders mit Helen Silverlock, der Halbindianerin aus den Vereinigten Staaten, freundet sich Richard an, und sie erwidert seine Zuneigung. Sie sucht im Wald Dan, den Mann, den sie liebte, aber auch die Konfrontation mit dem Trickster. Dieser mythische Coyote hat ihrer Sippe seit 500 Jahren Unglück gebracht. Sie hofft, dass sie diesen Fluch endlich beenden kann. Denn wo sonst als hier im Mythago-Wald könnte sie einer mythologischen Figur wie dem Trickster begegnen? Falls sie dies überlebt.

Richard dringt mit Helen und den Forschern Lytton und McCarthy in die inneren Zonen ein, um so in jenen Bereich zu gelangen, in dem Alex seine Kreaturen ausschwärmen lässt, um sich zu schützen. Alex spürt die Anwesenheit seines Vaters; er hat sich ihm in Old Stone Hollow bereits manifestiert. Doch er hat einen Verfolger, den Kicherer, ein gewalttätiges Monster, und wurde von ihm vertrieben.

|Im Alex-Land|

Verfolgt von einer urtümlichen Gestalt des Waldes, einem gestaltwandelnden Jack, gelingt es Richard, mit Helen zahlreiche Gefahren und Begegnungen zu überleben, sogar einen Saurierangriff. Als die Soldaten aus allen Epochen auftauchen, weiß Richard, dass sie sich Alex‘ eigentlichem Aufenthaltsort nähern: erst dem Weißen Schloss, dann der Kathedrale. Richard erkennt alle Soldaten und Bauten und Saurier wieder: Spielzeuge, die er einst selbst seinem Sohn geschenkt hat. Nun verkehren sich die Dimensionen. Die Saurier sind riesig, die Soldaten tödlich. Und der Gestaltwandler ist ihnen auf den Fersen.

Im verlassenen Weißen Schloss erhält Richard eine Warnung von Alex‘ Geist, der ihn ermahnt, zurückzugehen, doch Lytton, Helen und McCarthy haben die Kathedrale in der Nähe entdeckt und drängen bereits vorwärts. Widerwillig, aber auch neugierig auf das Wiedersehen mit seinem Sohn, folgt ihnen Richard. Die Ruine steht auf einem freien Platz mitten im Wald, und in den leeren Bogenfenstern ist ein Junge zu sehen. Richard ruft zu ihm hinüber und betritt den Innenraum. Lytton ist schon vorausgegangen.

Alles geht sehr schnell, und Richard kann dem kaum folgen, was passiert. Lytton zieht seine Pistole und feuert auf den Kopf des Jungen, der auf dem Altarstein steht. Dessen Kopf zerplatzt. Entsetzen packt Richard. Helen ruft: „Hier stimmt etwas nicht!“ Die Mauern der Ruine beginnen zu wanken und die Erde öffnet sich. Helen zerrt an Richard, um ihn wegzuziehen. Sie hat erkannt, dass es sich um eine gigantische Falle des Gestaltwandlers, des Jacks, des Tricksters, handelt.

Die Erde saugt McCarthy ein.
Lytton schreit auf und feuert erneut.
Richard rennt …

_Mein Eindruck_

Die wichtigste literarische Folie, derer sich Holdstock, diesmal bedient, ist das mittelalterliche Gedicht „Sir Gawain and the Green Knight“. Es schildert Ereignisse aus dem Umfeld von König Artus‘ Rittern der Tafelrunde, zu denen Sir Gawain gehört. Darin ist von einer „chapel perilous“ die Rede, und diese Kapelle bildet in „The Hollowing“ einen Fokus der Handlung. Am Schluss findet das Finale in einer verfallenen Kathedrale statt, dem Gegenstück zur „Kapelle“ des Epos. Siehe dazu auch den Anhang mit einer Handlungsskizze des Epos.

|Jack der Riesentöter|

Es gibt noch weitere Legenden als Folien, so etwa das Märchen von Hans und der Bohnenstange alias Jack and the Giant Beanstalk alias Jack the Giant Killer. In dieser Geschichte, die ihre bronzezeitlichen Wurzeln in Südrussland und Vorderasien hat, ist Jack ein Trickster, ein Gestaltwandler und ein Mörder, der seinen Vater und seine zwei Brüder rächt. Dazu verwandelt sich Jack mit der Magie der Krähengöttin zuerst in den Schädel seines Vaters, dann in diverse andere Dinge und schließlich in eine Eiche, die in unglaubliche Höhe wächst (= Bohnenranke). Der feindliche Anführer, der hofft, von dort oben die legendäre Insel der schönen Frauen erspähen zu können, wird zu Fall gebracht, so dass er sich auf dem Strand des Ortes seiner Sehnsucht den Hals bricht.

|ICH und ES|

Jack ist wirklich ein Schlauberger, aber was hat er mit Alex zu tun? Wie am Schluss des zweiten Teils zu erfahren ist, wird Alex erst wieder vollständig hergestellt, wenn er sich mit dem Jack/Trickster/Gestaltwander wieder vereinigt hat. Denn wenn Alex, der Träumer, der brave Sohn von Richard Bradley ist, so ist Jack sein listiges Hinterstübchen, das er niemandem zeigen will. Denn dort wohnen seine unerlaubten Triebe und die Lügen, die er sich ausdenken kann. Im „Vorderstübchen“ residiert Alex‘ ehrliches, offenes Bewusstsein, doch was dort hinten in Jack vorgeht, das geht keinen was an.

Außer wenn die Träume und Ängste, die in Alex schlummern, den Wald zu vernichten drohen, den sein Vater in Old Stone Hollow bewohnt. Und ebenso dessen Freunde. Die Schnittstelle zwischen Alex und Jack, zwischen Freudschem Ich und Es ist die Grüne Kapelle oder Kathedrale. In der Legende von Sir Gawain entspricht sie dem Schauplatz seines Kampfes gegen den Grünen Ritter. (Der Grüne Ritter ist Sir Bertolac in Verkleidung.) Deshalb findet in dieser Kapelle zweimal der Showdown statt, der jeweils einen der zwei Teile beendet. In Teil 1 misslingt es Richard, seinen Sohn zu finden, weil er sich vom Jack/Trickster täuschen lässt, doch beim zweiten Mal ist er schlauer, weiser und vor allem vorsichtiger.

|Leitmotive|

Das Leitmotiv dieser Geschichte ist sicherlich die zentrale Vater-Sohn-Beziehung, denn ohne sie würde die Story nicht funktionieren. Allerdings muss Richard sein ganzes Leben völlig umkrempeln, um a) seinen Sohn zu verstehen und b) zu ihm gelangen zu können. Diese Veränderung ist aber keineswegs negativ aufzufassen. Denn in Helen Silverlock findet Richard eine liebende Frau, die in einer ähnlichen Lage ist wie er. Sie hat ihren Mann Dan auf der Mission verloren, ihre Sippe vom Fluch des Tricksters zu befreien. Zwischen Helen und Richard erblüht eine wundervoll und witzig geschilderte Liebesgeschichte. Aber sie sind auch drei Jahre getrennt.

Als Richard seinen Sohn endlich in die Arme schließen darf, ist er um ein Jahrzehnt gealtert, doch Alex nur um wenige Tage. In Ryhope Wood vergeht die Zeit nach anderen Gesetzmäßigkeiten; je tiefer man in ihn eindringt, desto weniger Zeit verstreicht für den Besucher, wohingegen in der Außenwelt, umso mehr Jahre vergehen. Es erinnert an die legendären Besuche im Feenreich.

|Gefährten|

In „Mythago Wood“ und „Lavondyss“ begaben sich die Hauptfiguren allein (Tallis) oder nur mit einem Gefährten (Steven Huxley und Harry Keeton) in den Ryhope Wood. Richard hat den unermesslich großen Vorteil, dass er sich auf die Hilfe und Freundschaft einer ganzen Forschergemeinschaft stützen kann. Auf diese Weise erst gelingt es ihm, die rätselhaften Begebenheiten und Phänomene des Waldes zu verstehen und konstruktiv zu reagieren.

|Jason und die Argonauten|

Dennoch muss er einmal alleine seinen Mann stehen, nämlich dann, als er alleine nach Old Stone Hollow Station zurückgeht und das Lager verlassen und ziemlich demoliert vorfindet. Nachdem er es wie weiland Robinson Crusoe wiederaufgebaut hat, besuchen Mythagos, die es durch ein Hollowing hierher verschlagen hat, das Lager. Es sind Jason und seine Argonauten, die hier Schiffbruch erlitten haben.

Jason ist etwa 70 Jahre alt und ein gieriger alter Räuber geworden, der alles zusammenrafft, was sich irgendwie verscherbeln lässt. Natürlich hat er jede Menge goldene Vliese zusammengestohlen, so wie jenes in Kolchis, von dem die Sage erzählt. Jason hat eine veritable Freak-Show dabei, darunter einen singenden Kopf namens Orpheus und eine babylonische Seherin namens Sarinpushtam. Nun ist er scharf auf Richards „Zauber“ (ein Feldgenerator), der es ihm erlaubt, Mythagos wie Jason vom Lager fernzuhalten und sie sogar zu vernichten. Jason überlistet Richard, doch am Schluss trickst Richard auch wieder Jason aus – genau wie Jack in der alten Sage (s. o.). Ein Hollowing spielt dabei eine strategisch wichtige Rolle.

|Bosky|

Richard lernt, wie man sieht, schnell. Er kennt die Argonautensage, weil er sie in einem Buch über antike Helden gelesen hat. Und sein Sohn kennt die Sagen von Artus und den Rittern seiner Tafelrunde. Alle diese Wesen erwachen im Ryhope Wood zum Leben und bescheren Richard und Alex eine kostenlose Zeitreise. Doch dies ist nicht „Jurassic Park“, auch wenn der Wald und seine Saurierbewohner manchmal so anmuten. Hier gibt es Geistreisen und Reisen durch Hollowings. Und wenn man nicht aufpasst, wird man absorbiert – entweder physisch oder psychisch.

Der Autor nennt die psychische Absorption „bosky“ (von bosk = Busch, Urwald). Der eigene Verstand verabschiedet sich und wird ersetzt durch eine Geistidentität, die völlig verschieden von ihrem körperlichen Träger sein kann. In diesem Zustand umwirbt Richard die zurückgezogen lebende Helen und vollführt ein regelrechtes Paarungsritual. Er hätte nie gedacht, als er wieder „bei Verstand“ ist, dass er mal eine Frau mit dem Beatlessong „Love me do“ zu verführen versuchen würde. Geschweige denn, dass sie mit „I can’t get no satisfaction“ darauf antworten würde!

_Unterm Strich_

„The Hollowing“ bildet eine eigenständige Fortsetzung zu den Bänden „Mythago Wood / Mythenwald“ und „Lavondyss / Tallis im Mythenwald“, beides sehr starke Romane, die bei mir einen tiefen Eindruck hinterlassen haben. „The Hollowing“ ist jedoch einerseits moderner, indem viel mehr Menschen aus der Gegenwart beteiligt sind, als auch komplexer, weil dadurch mehrere Hintergrundgeschichten zu verknüpfen sind.

Deswegen dachte ich zunächst, der Autor habe mehrere disparate Teile zusammengefügt, so als ob er versucht hätte, den Stoff einer Novelle, die sich um Vater & Sohn dreht, auf Romanlänge aufzublasen. Aber dieser Eindruck ist völlig falsch. Die Story um Alex und Richard ist zwar das Rückgrat, ohne die der Roman nicht funktioniert, aber doch nur der Leitfaden. Es geht nicht um eine kriminalistische Ermittlung, sondern um eine totale Veränderung mehrerer Menschen. Das ist ein viel komplizierterer Vorgang, wie man sich vorstellen kann. Der Richard am Schluss hat mit dem Richard vom Anfang nur insofern etwas zu tun, als beide Alex lieben und ihn wiederhaben wollen.

Richard wird zu einer Orpheusfigur, weil er den tot geglaubten Sohn in der Ander- bzw. Unterwelt suchen geht. In Alexander Lytton findet er seinen eigenen Vergil, der ihn führt, und in Helen (= die schöne Helena) die Frau, die ihn ebenso verändert und erlöst wie der Wald selbst. Doch sie hat ihre eigene Mission, die sie zu Ende bringen muss. Am Schluss wird angedeutet, dass sie damit Erfolg hat. Der Leser muss ergänzen, dass sie zu Richard und Alex zurückkehrt. Alex hat wieder eine vollständige Familie.

Diese Geschichte hat mich in vielen Szenen, die wunderbar erzählt sind, bewegt und manchmal auch überwältigt. Den Schluss musste ich in einem Stück lesen, um zu erfahren, wie die Geschichte ausgeht. Der Roman ist also bewegend, unterhaltend – es gibt viele witzige, ironische Szenen – als auch spannend. Holdstock hat seit den sechziger Jahren Fantasy geschrieben. Er beherrscht Actionszenen aus dem Effeff. Doch mit der Ryhope-Wood-Reihe hat er in seinem Können einen großen Schritt nach vorne gemacht.

Der Leser wird mit dem Schicksal der drei Familien Huxley (Band 1 und 4), Keeton (Band 1 und 2) sowie Bradley (Band 3) eingehend vertraut gemacht. Es umspannt die Jahre 1928, als George Huxley zu forschen beginnt, bis 1968, als Alex Bradley von den Toten zurückehrt, also vier Dekaden. Viele kleine Details kommen erst im zusammenhängenden Lesen zutage und machen die Lektüre umso lohnender. Höchste Zeit, dass die restlichen Romane um Ryhope Wood ins Deutsche übertragen werden.

_Hintergrund: Sir Gawain und der Grüne Ritter_

Am Neujahrstag hat König Artus mal wieder seine Ritter um die Tafelrunde versammelt. Weihnachten ist vorüber, aber auf Burg Camelot feiert man immer noch gerne. Die Freude wird leider schwer gestört, als ein merkwürdiger Ritter auftaucht und den König selbst zum Kampf herausfordert. Der völlig in Grün gekleidete und sogar mit einer grünen Haut und grünem Haar versehene riesige Ritter bezweifelt, dass unter den anwesenden Rittern einer sei, der edleren Gemüts ist als er selbst.

|Die Herausforderung|

Oho, welche Frechheit, meint Artus und würde den Herausforderer am liebsten selbst Mores lehren, doch Gawain bittet aus Pflichtgefühl selbst um diese Ehre. Artus stünde doch wohl über solchem Geplänkel, oder? Artus meint „okay“, und der Grüne Ritter hat nichts dagegen, statt dem König diesem Ritter die Rübe abzuschlagen. Denn darin besteht die Herausforderung: Gawain darf dem Ritter einen Hieb mit einer Waffe versetzen, ohne dass dieser sich wehrt. Doch danach darf der Grüne sich revanchieren – und zwar genau ein Jahr und einen Tag später.

Gawain hat kein Problem mit diesem Arrangement, denn schließlich will er ja a) nicht als Feigling dastehen und b) scheint das eine todsichere Sache: Welcher Mensch hätte sich denn nach einem tödlichen Axthieb auf den Nacken davon erholt? Keiner!

Mit einer stabilen Streitaxt trennt er dem brav vornüber gebückten Ritter sauber den Kopf ab. Zum Erstaunen aller richtet der sich wieder auf, als wäre nichts gewesen, schnappt sich seinen Kopf und fordert Gawain auf, in einem Jahr allein zur grünen Kapelle zu kommen. Sprach’s und ritt von dannen. Er hat ihnen nicht einmal seinen Namen verraten. Gawain ist nun der Gelackmeierte, denn mit der Wette hat ihn der Grüne Ritter offensichtlich hereingelegt.

|Ein Jahr später|

So ein Jahr kann schnell vorübergehen, doch Gawain hat die Pflicht nicht vergessen. Angetan mit einer prächtigen Rüstung macht er sich auf die Suche, fahndet überall in ganz Wales nach der Grünen Kapelle, erlebt jede Menge Abenteuer mit den wilden Bergbewohnern (darunter auch Oger!), doch die Kapelle findet er nicht. Stattdessen stößt er – nachdem sein Gebet an Maria erhört wurde – auf eine prächtige und wehrhafte Burg. Hier freut man sich über alle Maßen darüber, ein echten Hofmann des Hochkönigs bei sich aufnehmen und unterhalten zu dürfen. Besonders die schöne Gattin des Burgherrn Sir Bertolac hat es Gawain angetan – wie schön sie sich von ihrer ständigen Begleiterin, einer düsteren alten Vettel, abhebt. Leider erfährt er nie ihren Namen.

Nach einer Weile des Feierns meint Gawain am 29. Dezember, jetzt müsse er aber los, schließlich seien es nur noch wenige Tage bis Neujahr. Der Burgherr meint, er würde Gawain rechtzeitig zu der Kapelle bringen lassen, die ja ganz in der Nähe liege. Gawain müsse nur noch drei Tage ausharren. Dann schlägt er eine Wette vor: Der Burgherr werde etwas von seinen Jagden mitbringen und es seinem Gast geben, woraufhin ihm der Gast im Tausch dafür das geben würde, was er unterdessen in der Burg empfangen habe.

Wie raffiniert dieser Deal ist, stellt sich heraus, als Gawain am nächsten Morgen, während der Burgherr schon auf der ersten von drei Jagden ist, von der schönen Gemahlin seines Gastgebers geweckt wird. Da sitzt sie nun am Bettrand – die Verführung in Person. Kann Ritter Gawain der Versuchung widerstehen, oder wird sie ihn von seinem Vorhaben abbringen? Immerhin vertritt er hier quasi seinen König. Sie gibt ihm einen Gürtel, der ihrem Gemahl verrät, dass etwas zwischen den beiden vorgeht. Er fordert Gawain zum Kampf an der Grünen Kapelle heraus, und Gawain muss einwilligen …

|The Hollowing, 1993
314 Seiten|

Holdstock, Robert – Bone Forest, The (Mythago Wood 3)

_Die Magie des Waldes und der Geister_

Diese Storysammlung vom Autor des „Mythenwaldes“ (1985) umfasst die Novelle, die „Mythenwald“ vorangeht, sowie eine Reihe von Fantasy-Erzählungen, von denen bislang nur zwei bei uns erschienen sind. Die Geschichten entführen den Leser in jene Zeit, als die Magie der lebenden und wachsenden Dinge noch eine Rolle im Leben der Menschen spielte.

_Der Autor_

Robert Holdstock wurde 1948 in der südostenglischen Grafschaft Kent geboren. Er studierte und machte einen Abschluss in medizinischer Zoologie. Sein erster Roman erschien 1976, woraufhin er sich vollberuflich dem Schreiben widmete. Dabei entstanden wenig interessante Trilogien und Kollaborationen an |Sword and Sorcery|-Romanen, u. a. mit Angus Wells.

Nach einigen Science-Fiction-Romanen wie „Where time winds blow“ und „Earthwind“ (Erdwind, dt. bei |Goldmann|) gelang ihm der internationale Durchbruch mit dem genialen Fantasyroman „Mythago Wood“ (dt. als „Mythenwald“ bei |Bastei Lübbe|) sowie dessen ebenbürtiger Fortsetzung „Lavondyss“ (dt. „Tallis im Mythenwald“, bei |Bastei Lübbe|).

Erst 1983 und 1984 taucht das für die Ryhope-Sequenz wichtige Motiv des Vater-Sohn-Konflikts auf. Beide Seiten werden getrennt und müssen wieder vereinigt werden. Das Besondere an dieser emotional aufgeladenen Konstellationen ist jedoch, dass die Bewegung, die dafür nötig ist, in einer Geisterwelt stattfindet: dem Ryhope-Forst.

In Holdstocks keltischer Fantasy befindet sich in diesem Urwald, der dem Kollektiven Unbewussten C. G. Jungs entspricht, erstens ein dimensionaler Schacht, der mit weiterem Vordringen ins Innere immer weiter zurück in der Zeit führt. Eines der wichtigsten und furchtbarsten Ungeheuer, der Urscumug, stammt beispielsweise aus der Steinzeit. Und zweitens finden bei diesen seelischen Nachtreisen durch die Epochen permanent Verwandlungen, Metamorphosen statt. So verwandelt sich die Hauptfigur Tallis in „Lavondyss“ schließlich in eine Dryade, einen Baumgeist. Das ist äußerst faszinierend geschildert.

Am Ende der Nachtreisen warten harte Kämpfe, die auch in psychologischer Hinsicht alles abverlangen, was die Kontrahenten aufbieten können. Und es ist niemals gewährleistet, dass die Hauptfiguren sicher und heil nach Hause zurückkehren können. Denn im keltischen Zwielicht, das noch nicht durch das christliche Heilsversprechen erleuchtet ist, scheint am Ende des Weges keine spirituelle Sonne, sondern dort wartet nur ewige Nacht. Es ist also die Aufgabe des Autors darzulegen, wie dieses schreckliche Ende vermieden werden kann.

Der MYTHAGO-Zyklus bis dato:

1. Mythago Wood (1984; Mythenwald)
2. Lavondyss (1988; Tallis im Mythenwald)
3. The Bone Forest (1991; Sammlung)
4. The Hollowing (1993)
5. Merlin’s Wood (1994, Sammlung inkl. Roman)
6. Ancient Echoes (1996)
7. [The Gate of Ivory and Bone 1422 (2000)

Der MERLIN CODEX-Zyklus:

1. Celtika (2001)
2. The Iron Grail (2002)
3. Broken Kings (2007)
4. Avilion (2008)

Die zentrale Novelle „The Bone Forest“ der vorliegenden Sammlung erzählt die Vorgeschichte zu „Mythago Wood“. Worum es im Mythenwald-Zyklus geht, erkläre ich anhand der Novelle.

_Die Erzählungen_

1) |The Bone Forest| (Novelle)

Am 4. Januar 1935 findet die Familie des Dozenten George Huxley im Schnee die Spur einer „Schneefrau“, wie sein achtjähriger Sohn Steven sie bezeichnet. Er und sein jüngerer Bruder haben die Gestalt in der Nacht gesehen, aber als sie ihren Vater holten, war sie schon wieder weg. Huxley findet die Spur wieder und folgt ihr mit Steven zum Hühnerstall. Der Stall ist ein Schlachthaus; keine der Hennen lebt mehr. Tatsächlich hat sich jemand aus den zerfetzten Leibern ein Bett gemacht, die Hühnerköpfe zu einer Kette aufgefädelt und diese quer durch den Stall gespannt. Und derjenige hat auch gleich über einem Feuerchen seine Beute gekocht. Huxley, zunächst erschüttert, sagt seiner Familie, dass der Fuchs alle Hühner geholt habe. Denn sie wohnen nahe am Wald von Ryhope, und von dort kommen alle Arten von Wesen. Am Zaun findet Huxley aus Stoff, Knochen und Holz ein kleines Amulett, das er Steven gibt.

Vier Monate später trifft Huxleys Freund Edward Wynne-Jones aus Oxford ein. Er lehrt Menschheitsgeschichte und erforscht Ryhope Wood seit zwei Jahren mit Huxley. Mit einem elektrischen Gerät verstärken sie ihre Fähigkeit, Dinge aus dem Augenwinkel wahrzunehmen. Den Vorschlag, dies auch an dem sensitiven Steven auszuprobieren, lehnt Huxley kategorisch ab und Steven muss zurückbleiben, als die beiden Forscher sich zur einer Exkursion in die Tiefen des Waldes begeben.

Ryhope Wood hat zwei einzigartige Eigenarten. Er verhält sich wie ein lebendiges Wesen und versteht es, durch Verwirrung den Eindringling draußen zu halten. Erst zwei bis drei Zonen konnten die Forscher entdecken. Die zweite, noch wichtigere Eigenschaft ist die Erzeugung von Mythagos, Mythen-Imagos, also Gestalten, die in den meisten Legenden der Menschheit vorkommen, so etwa der Mann, der wie Robin Hood in den Wäldern lebt. Huxley hat Angst vor der Urgestalt des ersten Helden, einer Gestalt, die es vielleicht schon vor der Jungsteinzeit gab: den Urscumug.

Vier Tage später erwacht Huxley aus einer tiefen Bewusstlosigkeit am Ufer eines Baches, geküsst von einem weiblichen Mythago. Von Wynne-Jones keine Spur. Er durchquert das Tal der Wolfsmenschen und erreicht den Pferdeschrein, nur noch eine Zone vom Waldrand entfernt. Hier stößt er auf eine scheue Frau, mit der er sich in Zeichensprache verständigen kann. Sie kennt Huxley, denn sie ist die „Schneefrau“, nennt sich Ash (= Esche) und ist offenbar eine Schamanin. Er zeigt ihr, was er gefunden hat, und sie erschrickt bzw. wird wütend. Bevor sie verschwindet, schenkt sie ihm einen Talisman aus Knochen und Holz.

Auf dem Suche nach dem Rand des Waldes gerät Huxley in eine furchtbare Opferzeremonie, die ihn zutiefst erschüttert. Mehrere Menschen werden auf fliehenden Pferden geopfert, darunter auch in Flammen, und wilde Menschen jagen die Pferde in ein Dickicht, um sie dort zu töten. Eines der fliehenden Pferde berührt Huxley so heftig, dass er stürzt. In diesem Moment muss eine magische Erzeugung stattgefunden haben, hinter der ohne Zweifel Ash steckt. Denn als Huxley nach Hause zurückkehrt – er war viel länger weg als geplant – stößt er in seinem geheimen Tagebuch auf Eintragungen eines Fremden. Dieser Fremde, von dem ihm Steven und seine Frau Jennifer berichten, ist ein graugrüner Mann, der sich rasend schnell wie ein Schatten bewegen kann.

In einer der folgenden Nächte bemerkt Huxley zu seinem Entsetzen, dass der andere mit Jennifer schläft und in ihr eine abgekühlt geglaubte Leidenschaft entfacht. Dies geht sogar so weit, dass in einer weiteren Nacht Huxley seinem Alter Ego, diesem stinkenden animalischen Doppelgänger, im Ehebett Platz machen muss, damit der andere Jennifer nehmen kann. Natürlich muss der „echte“ Huxley seiner Frau alles erklären. Doch das Rätsel muss geklärt werden, wer die Schneefrau Ash ins Leben gerufen hat.

Unauffällig beginnt Huxley seinen Söhnen Steven und Christian hinterherzuspionieren und macht eine überraschende Entdeckung, die ihn vor eine schreckliche Wahl stellt.

|Mein Eindruck|

Ryhope Wood verwirrt den ungebetenen Besucher nicht nur durch sich verändernde Örtlichkeiten in seinem Innern, sondern auch die sich plötzlich verändernde Zeit. Besonders dieser Faktor, von dem Huxley bislang nichts ahnte, erweist sich als verhängnisvoll. Doch um diesen Time-warp-Effekt herbeizuführen, ist ein Agent nötig. In diesem Fall bewirkt Ash, die frühzeitliche Schamanin, den nötigen Wandel. Es kommt zugleich zu einer Aufsplittung von Huxleys Person. Der graugrüne Mann, der sich so schnell bewegt, stellt Huxleys Anima dar (seine Instinkte und Triebe) und stammt aus jener Zeit, als das Pferdeopfer beim Schrein der Pferde vollzogen wurde. Als Huxley seinen Doppelgänger mit Ashs Hilfe besiegt hat und in seine Heimat zurückkehrt, merkt er, dass etwas nicht stimmt. Alles scheint zwar an seinem Ort zu sein, doch kleine Details weichen von dem, was er als Erinnerung gespeichert hat, ab – dies ist nicht ganz seine Heimat. Aber sie muss genügen.

Der Autor übt seine Magie der Orts-, Zeit- und Identitätsverzerrung auf eine leicht verständliche Weise. Würde er sie in einem Science-Fiction-Kontext präsentieren, hätte der Leser jede Menge Probleme, solche Phänomene mit seinem wissenschaftlich-rationalen Weltbild zu vereinbaren. Magie bietet also eine willkommene Abkürzung. Sie ist allerdings kein Selbstzweck und hat ihre eigenen Gesetze. Huxley respektiert die Schamanin Ash ebenso wie deren Magie und wird dafür belohnt. In einer variierten Zeremonie des Pferdeopfers erhält er seinen Freund Wynne-Jones zurück. Der Preis ist nicht gering: Huxley selbst ist verändert.

Ein erzählerischer Kniff erlaubt es dem Autor, uns Huxleys Gedanken sehr nahezubringen: Wir dürfen sein geheimes Tagebuch lesen. Und wir werden so Zeuge, wie Huxley sich in diesem Tagebuch mit seinem Alter Ego auseinandersetzt, das hier ebenfalls Einträge macht. Spannend ist daher die Frage, welche Version die Oberhand behalten wird. Diese häuslichen Szenen wechseln sich mit insgesamt zwei Exkursionen ab, die sehr detailliert geschildert werden. Wer von archaischen Ritualen abgestoßen ist, der kann mit solchen Szenen wenig anfangen, doch wem Jean Auels [„Kinder der Erde“ 2069 gefiel, wird sich sofort zurechtfinden.

2) |Thorn| (1986)

Thomas Wyatt lebt in der Zeit der Gotik, als überall in England große Kathedralen gebaut wurden und die freien Steinmetze und Maurer überall im Land umherzogen, um ihre Arbeit zu verrichten. Eine solche Freimaurergilde ist in Thomas‘ Dorf gekommen, um auf dem Tanzhügel über dem Dorf eine Steinkirche anstelle der alten Holzkirche zu errichten. Der Priester hat jedoch darum gebeten, dass aus jeder Zunft auch ein Mann aus der Gegend bei der Arbeit an der Kirche beschäftigt werde, und so kam Thomas als Steinmetz zu seinem Job. Er ist froh darüber, denn mit seiner kinderlosen Frau Beth lebt er mehr schlecht als recht in seiner Hütte, und Thomas ist immerhin schon betagte 30 Jahre alt.

Eines Nachts wird er von einem Mädchen, das sich in der alten Sprache des Landes Anuth nennt, zu einem Ort am Fluss geführt, wo sich ihm der Herr des Waldes offenbart, ein Wesen aus Holz, dessen Kopf mit Dornen umrankt ist, weshalb er den Namen Thorn trägt. Thorn gibt Thomas den Auftrag, seinen Kopf, den er meißeln werde, in einer Mauernische der neuen Kirche zu verstecken. Überwältigt von der Präsenz und Autorität des alten Gottes, willigt der Steinmetz ein.

Wieder einmal ist Thomas heimlich bei dieser heidnischen Arbeit, als der junge Simon Miller ihn besucht und sich zufrieden über den Fortgang von Thomas‘ Arbeit äußert. „Alle im Dorf reden heimlich darüber“, meint Simon, und dass Thomas ein Held sei. Als Simon weg ist, grübelt der entsetzte Steinmetz darüber nach. Was er hier tut, ist Frevel gegen die offizielle Religion, und der angelsächsische Ritter im nahen Schloss kann ihn dafür hängen lassen. Aber als sogar der Priester selbst heimlich Thomas‘ Thorn-Kopf bewundert, ist Thomas völlig verwirrt. Was wird hier eigentlich gespielt? Ist er ein ahnungsloser Trottel, der in eine Falle läuft?

Doch als sich Thomas weigert, an Thorns Kopf weiterzuarbeiten, kippt er ohne sein Wissen einen geheimen Pakt, bei dem der Fruchtbarkeitsgott seiner Frau Beth ein Kind geschenkt hätte. Vor Eifersucht rasend zerstört Thomas sein Werk und führt damit seine eigene Vernichtung herbei …

|Mein Eindruck|

Nicht umsonst heißt die Hauptfigur der Geschichte Thomas, und das ist bekanntlich eine biblische Figur: Thomas, der Zweifler, der ungläubige Thomas. Es geht um den Glauben an die alten Götter des Landes, die Götter der Kelten und noch davor. Dass draußen in den Wäldern Englands noch um das Jahr 1000 oder 1100 herum heidnische Götter verehrt worden seien, ist eine Erfindung des Autors, aber es gab eine Zeit, in der sich der christliche Glaube auch in England erst einmal gegen den der „Heiden“ durchsetzen musste.

Was wäre, wenn die alten Götter einen Weg gefunden hätten, sich mit Hilfe lokaler Zunftangehöriger auch in den christlichen Kirchen zu verbreiten? Die entscheidende Frage für ihren Erfolg wäre, was sie den Bewohnern bieten, das der lichte Jesus nicht bietet? Es ist in dieser Geschichte das Geschenk der Fruchtbarkeit. Doch jedes Geschenk hat seinen Preis. Und Thomas, vom Glauben abgefallen, wendet sich nichts ahnend gegen die alten Götter und vereitelt so die Übergabe des Geschenks an seine Frau.

3) |The Shapechanger| (1989)

Mittelengland im Jahr 731 AD. Der Schamane Wolfskopf ist mit seinem zehn Jahre alten Schreiber Tintenkleckser in das Lager von Gilla gekommen, um aus dessen etwas entfernt liegendem Dorf einen Daemon zu vertreiben. Gilla berichtet, der Daemon habe angefangen, sein Unwesen zu treiben, nachdem Gillas zwei Söhne im Übermut eines Sieges ihren Namen auf die Steine des Dorfbrunnens geritzt hätten. Da seien auf einmal seltsame Dinge erschienen und die Häuser hätten sich über Nacht verändert. Also musste das Dorf vor 25 Tagen in Sicherheit ziehen.

Angetan mit magischem Schutz, wagt sich Wolfskopf ein erstes Mal in das Geisterdorf. Reiter auf riesigen Pferden erscheinen aus dem Nichts und trampeln den vorwitzigen Magier fast in Grund und Boden. Er kann nicht einmal bis zur Quelle des Übels, dem Brunnen, vordringen und muss umkehren.

Unterdessen hat sein unzufriedener Lehr- und Schreiberling Bekanntschaft mit einem Hund geschlossen, der sich sehr seltsam verhält. Geisterhaft erscheinen ein riesiger Jagdhund und sein Herr aus dem Nebel und verschwinden im Nichts. Der Junge weiß, dass dieser große Jagdhund Cunhaval war, aus der Anderwelt. Das bringt ihn auf eine dumme Idee. Als der Dorfhund stirbt, macht sich der Junge aus dessen Gesichtsfell, etwas Holz und Efeu eine Reisemaske, mit der er in die Geisterwelt reisen kann – ein alter Trick des Schamanen, der zehn Stück solcher Masken für die Geistreise bei sich hat.

Auch er erblickt die angreifenden Ritter, kann sich aber in Sicherheit bringen und gelangt zum Brunnen. Die Söhne Gillas sind mittlerweile in die Steine eingebettet. Doch der Junge sieht noch mehr: arthurische Ritter vor einem prächtigen Schloss, das sich auf einer Insel in einem See erhebt. Die Ritter sind ganz in strahlendes Silber gerüstet, und ihren Fahnen und Wappen leuchten prächtig in der Brise. Da hört der Junge eine jammernde Stimme: „Bringt mir meinen Hund, ich will meinen Hund.“ Es ist die Stimme eines kleinen Jungen, der einsam und verloren klingt, als habe man ihn eingesperrt. Im Geist eines Hundes tappt der Schreiberling durch weiße Gänge, um der Stimme zu folgen …

… da wird ihm die Maske von seinem Herrn heruntergerissen. Der Junge muss erzählen, was er Schreckliches und Wunderbares gesehen hat, oder es bringt ihn um. Wolfskopf scheint zufrieden zu sein und gibt ihm endlich etwas zu essen. Von diesen arthurischen Kriegern hat er schon gehört, aber das war vor Jahrhunderten, und es gab viele Artors und so. Dann macht er sich mit ihm auf den Weg ins Geisterdorf, um der Sache selbst auf den Grund zu gehen.

Er erlebt eine Überraschung, denn plötzlich wendet sich sein Lehrling gegen ihn, um den Daemon zu schützen. Es sei nur ein kleiner Junge in einem Ort namens Gillingham, der aus einem Buch lese, das von Rittern und Burgen handle, wer weiß wo, und Wolfskopf dürfe dem Jungen nichts tun. Verwundert wartet Wolfskopf ab, was passiert. Mit der Hundemaske auf dem Gesicht verwandelt sich sein Lehrling wieder in einen Hund – und verschwindet durch eine Wand in die Zukunft – wo ein eingesperrter Junge schon sehnsüchtig auf ihn wartet.

|Mein Eindruck|

Die meisten Geschichten gestalten diese Verbindung zwischen Gegenwart und legendenhafter Vergangenheit in umgekehrter Richtung, doch der Autor hat ein so tiefgehendes Verständnis der alten Kulturen Englands, dass er in der Lage ist, einen Schamanen und seinen Lehrling einen Blick in unsere Gegenwart, ihre Zukunft werfen zu lassen.

Wolfskopf ist eine bemerkenswerte Gestalt. Er scheint durch die Jahrhunderte und Jahrtausende gewandert zu sein, von Babylon bis nach London und weiter nach Norden, wo die Wikinger das Land erobern wollen. Im Jahr 731 sind die Invasionen der Sachsen, Angeln und Jüten abgeschlossen, ihre Eroberungen sind Grafschaften wie Essex, Kent, Sussex und East Anglia geworden. Nun versuchen die Wikinger aus Norwegen, es ihnen gleichzutun.

Doch wer wehrt sie ab? Leute wie Artor gibt es nicht mehr, obwohl sie sicher sehr wünschenswert wären. Die Realität, die Wolfskopf kennt, ist sehr viel trister: keine Ritter in schimmernder Rüstung. Die Legenden aus den Büchern, die wir kennen, hat es nie gegeben. Der Einfall, solch einen träumenden Jungen damit zu konfrontieren, was wirklich im Jahr 731 geschah, entbehrt nicht einer gewissen kritischen Ironie.

4) |The Boy who jumped the Rapids| (1984)

Das Dorf des Jungen Caylen liegt zwischen tiefen Wäldern, durch die keine Straße führt. Wege gibt es nur auf den Hügelgraten. Dennoch schafft es ein fremder Mann, sich seinen Weg zum Dorf von Caylens Vater, Häuptling Caswallon, zu bahnen. Der Fremde ist offenbar auf der Flucht vor Verfolgern, abgerissen, unbewaffnet und hungrig, als er um Hilfe bittet. Caswallon gewährt sie ihm. Der Fremde hat etwas Wertvolles bei sich: einen Speer, der mit Runen bedeckt ist. Hierfür errichtet er auf einer Lichtung am nahen Fluss einen Schrein.

Als Caylen und sein Freund Fergus diesen Schrein betreten und den Speer begutachten, der offenbar entweder für einen Prinzen oder ein Kind gemacht wurde, erzählt ihnen der Fremde seine Geschichte. In dem Speer sei die Seele einer wunderschönen Prinzessin namens Rianna gefangen. Sie sei die letzte Hoffnung ihres Volkes gewesen, und er, der Fremde, habe sie im Auftrag eines königlichen Eroberers getötet. Doch ihr Beschützer, der magische Kräfte hatte, versetzte ihre Seele in den Speer. Den Schrein habe er für das Andenken an Rianna errichtet, denn er wolle die Hoffnung ihres Volkes nicht begraben.

Als die schwer bewaffneten Verfolger des Fremden eintreffen, zeigt ihnen Caswallon den Weg zum Schrein. Cayden, Fergus und der Fremde fliehen zum Fluss, doch der Fremde verstaucht sich den Fuß und wird zu langsam. Er übergibt Cayden den Speer, der ihn gerne entgegennimmt, um mit ihm und Riannas Andenken ein neues Volk zu gründen. Doch als Cayden im Gegensatz zu allen anderen Angehörigen des Dorfes und anders als die Fremden die Stromschnellen überqueren kann, durchkreuzt sein Freund Fergus seine Pläne. Cayden muss eine harte Lektion über Geschichten lernen.

|Mein Eindruck|

Cayden ist durch seine Fähigkeit, durch Illusionen hindurchzuschauen, ein Außenseiter, und der Dorfdruide hat seinen Tod beschlossen. Cayden hat keine Zukunft außer an einem anderen Ort. Er lässt sich nicht von Totems schrecken oder von wilden Ebern. Solchen Aberglauben hat er hinter sich gelassen. Aber die Geschichte des Fremden, die dieser durch eine Geistmaske vorträgt, bewegt Cayden durch die Macht ihrer Bilder: eine verfolgte Prinzessin, ihr machtvolles Symbol als Vermächtnis – wer könnte diesem Zauber widerstehen?

Cayden muss auf die harte Tour lernen, dass auch diese wunderbare Verbindung der Geschichte mit dem Speer nur eine Illusion ist, die einem Gegenstand verliehen wurde – und dass das eine nicht unbedingt etwas mit dem anderen zu tun hat. Die Geschichte kann auch ohne das zugehörige Symbol weiterbestehen. Durch die Übergabe des Speers an die Verfolger des getöteten Fremden gibt er nichts auf, doch er gewinnt das Vertrauen seines Freundes und erhält dessen Freundschaft aufrecht. Dass Fergus nun ebenfalls ein Ausgestoßener ist, begreift Cayden sofort, aber Fergus setzte Caydens Ruf, übernatürliche Kräfte zu haben, aufs Spiel. Für alles gibt es einen Preis, begreift Cayden. Aber man muss herausfinden, welcher Preis der richtige ist.

Die Geschichte, ebenfalls über einen Jungen in einer primitiven Kultur, ist nicht so lebhaft und bilderreich erzählt wie die über den Gestaltwandler. Aber sie ist anschaulich und führt die Geschichte aus den zwei grundlegenden Konflikten Caydens und des Fremden zusammen und von da ab zu einer Krise, deren Spannung gelöst werden muss. Wir können Verständnis und Mitgefühl für Cayden aufbringen. Der einzige Punkt, der nicht erklärt wird, ist der Sinneswandel des Fremden. Wenn er Rianna tötete, warum will er dann ihr Andenken in Gestalt des Speers bewahren? Um der Hoffnung ihres Volkes willen?

5) |Time of the Tree| (1989)

Ein Forscher, der namenlose Ich-Erzähler, ist aus Versehen Opfer eines Unfalls geworden. Er hat sich in der Kühlkammer seines Labor eingeschlossen. Bis man ihn fand, war er schon fast erfroren. Während er auftaut, halluziniert er (so meine Deutung), sein Körper sei eine Art Kontinent und werde von der Vegetation des Waldes besiedelt. In seinem Nabel schwimme als See der Omphalos. Dort würden die ersten wilden Stämme den Wald zu fällen beginnen. All diese Vorgänge kann der Ich-Erzähler durch sein Fernglas beobachten, denn die Bäume und erst recht die Menschen sind winzig klein, so als wäre er [Gulliver 1076 und sie die Liliputaner.

Es kommt zu Stammeskriegen, zur Erbauung Stonehenges und zu rituellen Opferungen im Omphalos-See. Ein junges Mädchen wird erschlagen und stürzt in die Tiefe des Sees. Ihr Geist geht über in die Unterwelt, so dass der Gott ihrer Welt mit ihr kommunizieren kann. Er schickt ihr das Wissen, wie man aus Stein Metall gewinnen kann, dann lässt er ihren Geist wieder in die Außenwelt: durch den Mannhügel, der seinem Penis entspricht. Der Erguss spült sie wieder in die Welt ihres Stammes, dem sie von der Hölle berichtet – und von Metall.

Doch dann beginnt das Jucken und Brennen, und er muss sich kratzen. Er entfernt die besonders harten Ekzeme und Verhärtungen, die aus den Städten bestehen. Als er wieder sauber ist und sich gut fühlt, lässt er die Evolution wieder von vorne beginnen.

|Mein Eindruck|

Diesen Text eine Geschichte zu nennen, wäre schon recht gewagt. Obwohl etwas geschieht und man von einer Handlung sprechen könnte, so fehlen doch alle Zutaten wie etwa Figuren, um sie unterhaltsam zu machen. Darüber hinaus ist die Erde hier nicht weiblich, sondern ein männlicher Gott, der sich ausschließlich für den Wald und seine Bewohner zuständig fühlt. Das Weltbild ist also ziemlich eingegrenzt. Wir werden Zeuge des Lebens eines Gottes. Im Einklang mit oben stehender Story könnten wir ihn „Thorn“ nennen.

6) |Magic Man| (1976)

Einauge ist der Höhlenmaler des Bisonjägerstammes, und alles, was er malt, tritt auch ein. Das ist seine Magie. Nur der Häuptling Roter Speer nervt den alten Mann, weil er nicht das bekommt, was er sich wünscht. Eines Tages bekommt Einauge Besuch vom kleinen Häuptlingssohn. Er will auch malen, hat genug vom Speereschnitzen. Zuerst verbietet ihm Einauge das Höhlenmalen, besonders als der Kleine unbedingt einen Bären zeichnen will – das ist ein mächtiges Tier, das Menschen tötet, also tabu. Der Lehrling darf nur harmlose Beutetiere malen. Aber ungehorsam, wie er nun mal ist, malt er einen Jäger daneben. Entsetzt will Einauge das Bild auswischen, doch das gelingt ihm nur bei einem Arm. Am nächsten Tag ist dieser Einarmige tot, aber die anderen haben einen Bison erlegt. Keiner freut sich. Wieder droht Roter Speer Einauge.

Einauge beschließt, den Speer umzudrehen und durch seine Magie den Häuptling zu töten. Allerdings macht er den Fehler, zu früh schlafen zu gehen und sich am Morgen den Jägern anzuschließen. Der Lehrling hat diese beiden Gelegenheiten genutzt, um seine eigenen Vorstellungen von der Jagd dieses Tages an die Wand zu malen. Die Jagd endet für Einauge und den Häuptling in einem Fiasko. Denn der Lehrling hat noch nie in seinem jungen Leben einen echten Bären gesehen …

|Mein Eindruck|

Es ist anfangs eine einfühlsame Zauberlehrlingsgeschichte mit vielen schönen Details, für die der Autor bekannt ist. Der Leser fühlt sich in Annauds Film „Am Anfang war das Feuer“ zurückversetzt. Doch auf der finalen Jagd passieren unheimliche und dramatische Dinge. Nicht nur geraten Einauge & Co. im Nebel mitten in die Bisonherde, sondern es schleichen auch noch schattenhafte menschliche Gestalten herum. Bei diesen Humanoiden mit einer hohen Stirn könnte es sich um Cro-Magnon-Menschen handeln oder um andere während der Eiszeit eingewanderte Stämme. Sie verdrängten, so eine Theorie, den Neanderthaler-Menschen, der mehrere zehntausend Jahre lang Europa besiedelt hatte.

Das dritte Thema ist natürlich der Zusammenhang zwischen Mensch, Natur (Tiere, Beute, Jäger) und der Magie, die sie verbindet. Dass Magie funktioniert, scheint vielleicht nur Einauge so. Dass man aber auch noch bzw. wieder an Magie glaubt, ist relevanter, denn die Beziehung zwischen Mensch und Natur gibt es ja weiterhin. Was Einauge hierüber denkt, lässt sich ohne weiteres auf unser (Miss-)Verhältnis zur Natur übertragen. Er kritisiert die Missachtung der Tiere, die doch wie die Menschen eine Seele und ein Recht auf Leben hätten. Doch Jäger wie Roter Speere sehen das ganz anders. Für sie ist die Natur nur Fleischlieferant, ein Diener, ein Sklave des Menschen, nicht umgekehrt. Darüber lohnt es sich nachzudenken.

HINWEIS: Diese Erzählung erschien unter dem Titel „Der neue Magier“ im |Heyne Science Fiction Magazin| Nr. 5 auf den Seiten 90 bis 109. Die Übersetzung erledigte Hans Maeter und Olga Rinne trug zwei Illustrationen bei.

7) |Scarrowfell| (1987)

Das junge Mädchen Ginny (= Virginia) hat seine Eltern bei einem Brand verloren und lebt seit Jahren bei seiner Ziehmutter in einem der Häuschen im Dorf Scarrowfell, irgendwo im nördlichen Bergland. In letzter Zeit hat Ginny schreckliche Albträume von drei blinden Männern, die um sie freien. Ihre Mutter tröstet sie dann immer.

Nicht so heute, am Tag des Festes des Herrn. Ginny kann es nicht fassen: Sie hat 15 Stunden durchgeschlafen! Warum hat ihre Mutter sie nicht geweckt? Jetzt hat sie den Einzug der Moriskentänzer verpasst. Und wo sind überhaupt ihre Spielgefährten Kevin und Mick? Sie findet Kevin in der Pfarrkirche, darf aber während des Gottesdienstes nicht mit ihm reden. Mr. Box, der Gastwirt, schickt Ginny hinaus, wo auch niemand mit ihr reden will. Was ist hier bloß los?

Auf dem Platz ist ein riesiger Holzstoß für das Freudenfeuer errichtet worden. Bevor dieses entzündet wird, haben alle ihren Spaß, tanzen und die Moriskentänzer und ihre Begleiter singen zotige Lieder – auf Ginnys Kosten. In einem unbeobachteten Moment gelingt es Ginny, Mr. Box zu sprechen und ihm ein paar Antworten zu entlocken. Heute komme ein großer Krieger zurück, ein Mann namens Cyric, und das sei eine große Ehre. Doch Ginnys Mutter kommt und haut ihm eine runter, weil er Ginny das verraten hat.

Die Mutter erwischt die geflohene Ginny auf dem Friedhof und bringt sie zu jenem eisernen Tor, wo abends um zehn die heilige Zeremonie zu Ehren von Herrn Cyric beginnt. Das Freudenfeuer wurde bereits entzündet. Jetzt wird Ginny endlich klar, warum sie den ganzen Tag geschnitten wurde: Sie ist die Auserwählte! Das Tor öffnet sich und offenbart eine Reihe sich bewegender Schatten.

Der Priester begrüßt Cyric, den größten der Schatten, um ihn einzuladen. Er dankt ihm für den Schutz, den er dem Dorf Scarrowfell seit eintausendfünfhundert Jahren gewährt habe. Und nun soll ihm etwas zurückgegeben werden. Ginny übergibt nicht nur einen Hasen als Opfer, sondern auch sich selbst – als Gefäß für den Geist des Cyric, damit sie in menschlicher Gestalt unter ihnen wandeln können. Ginny ist aus der Linie Cyrics, versichert ihre Mutter. Als der Geist Cyrics sie ganz erfüllt, rezitiert Ginny-Cyric das Glaubensbekenntnis der Leute von Scarrowfell:

Vater unser, der du bist im Walde,
Der Gehörnte sei Dein Name,
Dein Königreich ist im Walde, Dein Wille ist im Blut
Auf der Lichtung wie auch im Dorf.
Unseren Kuss der Erde gib uns heute
Und vergib uns unsre Missetaten.
Zerstöre jene, die uns Übles tun
Und führe uns in die Anderwelt.
Denn Dein ist das Königreich des Schattens,
Dein ist die Macht und die Herrlichkeit.
Du bist der Hirsch, der mit uns freit,
und wir sind die Erde unter deinen Füßen.
Drocha Nemeton–

|Mein Eindruck|

Diese Zeremonie findet nicht etwa, wie zu erwarten, irgendwann im Mittelalter statt, sondern in der Gegenwart, vielleicht in den 60er oder 70er Jahren des 20. Jahrhunderts. Die Prämisse des Autors, dass solch eine Zeremonie, mit all ihren heidnischen Elementen, in den abgeschiedenen Bereichen seines Landes stattfinden könnte, ist schon ziemlich provokativ. Dass aber die Verehrung älterer Gottheiten als des Weißen Jesus für die Menschen in Scarrowfell notwendiger und nützlicher ist, das ist für Christen eine Herausforderung. Dabei braucht man heute nur einmal Cyric durch Allah oder Buddha zu ersetzen und man sieht sich sofort in ein Problem der religiösen Toleranz verwickelt.

Wie auch immer man dazu steht: Diese Erzählung ist für mich neben „Bone Forest“ die schönste und am anschaulichsten geschilderte des Bandes. Sie ist zunächst unschuldig und humorvoll, dann rätselhaft und unheilvoll, um schließlich mit einem positiven Wunder aufzuwarten. Was der Autor nicht über den Ort schreibt, kann man sich leicht hinzudenken und seine Phantasie spielen lassen. Wer genau liest, wird die Touristen in Jeans und Anoraks bemerken, die neben den Moriskentänzern (die es überall in England gibt; ich habe sie selbst erlebt) recht kurios aussehen müssen.

8) |The Time Beyond Age| (1976)

Die Biologen um Dr. Raymond McCreedy haben Geld für ein einzigartiges Experiment bekommen. Sie wollen herausfinden, ob a) Menschen über 100 Jahre alt werden können, b) wie alt sie überhaupt werden können und c) ob sich sich dadurch signifikant verändern. McCreedy glaubt an übernatürliche Dinge wie die Seele. Das finden manche seiner Kollegen unangemessen.

Zunächst läuft alles gut. Yvonne und Martin werden in einer künstlichen Gebärmutter gezeugt, ausgebrütet und geboren. Sie sind ganz normale Kinder, bis auf die Tatsache, dass sie durch die Sterilisierung ihrer Umgebung nicht krank werden und durch Zugabe von bestimmten Chemikalien an einem Tag biologisch um einen Monat altern. Sie leben also dreißigmal schneller als ihre Beobachter, und zwar in einer künstlichen Umgebung, an die sie durch Hypnose angepasst werden. Auch ihre sozialen Kontakte sind allesamt solche künstlich induzierten „Geister“.

Wir sehen alles aus dem Blickwinkel von Dr. Lipman. Er verliebt sich in die elfjährige Yvonne und macht sich durch Hypnose zu einem ihrer Liebhaber. Zunächst schaut er gespannt zu, wie sie seinen „Geist“ liebt, doch dann ist ihm das alles nur noch peinlich. Zum Glück kommt ihm keiner auf die Schliche. Martin hingegen hasst er: seine Jugend, seine Liebe zu Yvonne, seinen Sex mit Yvonne, einfach alles. Aber auch dies hat keine Folgen.

Dr. Josephine Greystone ist eine junge Kollegin Lipmans, die sich besonders gegen McCreedys „Lebensplan“-Vorgaben ausspricht. Sie findet, dass beim Experiment etwas völlig Falsches beobachtet wird. Statt sich auf die Biofunktionen der zwei Subjekte zu beschränken, sollte man ihrer Meinung nach ihre Träume untersuchen, also das, was sie zu Menschen macht. Sie verlässt das Team vorzeitig, als Yvonne und Martin mit der Überschreitung ihres hundertsten Lebensjahres McCreedy einen Medientriumph verschaffen.

Als Yvonne und Martin noch älter werden (aber niemals krank), verändern sie sich natürlich, doch als die das 200. Lebensjahr überschreiten, wird ihre Veränderung grotesk. Ihre Köpfe vergrößern sich (nicht aber ihre Gehirne) und ihre Augen verkleinern sich entsprechend. Yvonne wird fett und unförmig, wohingegen Martin hager wird. Wie so häufig sitzt Martin unter der Eiche und brütet vor sich hin. Plötzlich spricht er einige Sätze japanisch, bevor er sich zu Yvonne begibt, um mit ihr Sex zu haben. Die letzten Stunden der beiden beginnen … Dr. Lipman sieht ein, dass Josephine von Anfang an Recht hatte. Er kann McCreedys Wahnsinn nicht ausstehen.

|Mein Eindruck|

Diese frühe Science-Fiction-Story Holdstocks bringt ein ethisches Problem der empirischen (an experimentell gewonnenen Daten interessierten) Wissenschaft auf den Punkt: Um möglichst „objektiv“ über die „Subjekte“ berichten und urteilen zu können, darf sich der Beobachter und Forscher nicht auf eine Interaktion mit ihnen einlassen. Das wäre eine andere Disziplin, etwa Psychologie und Ethologie.

Gleichzeitig aber nimmt der Forscher eine bedeutende Änderung am Menschsein der Subjekte vor: Er beschleunigt und verlängert ihr Leben über das gewohnte Maß hinaus. Wäre dies nicht ein Grund, sich auch mit den sich daraus ergebenden Änderungen ihres Verhaltens auseinanderzusetzen? Lipman will es so scheinen. Er bringt es auf den Punkt: Sein Team hat nur die Symptome des Lebens erforscht, aber nicht das Leben selbst. Demnach ist das Experiment als gescheitert zu betrachten. McCreedy wühlt sogar noch in den ekligen Überresten seiner zwei „Subjekte“, um auf das Gesuchte (die Seele?) zu stoßen.

Die lange Erzählung ist in der für Wissenschaftler typischen unanschaulichen, mit abstrakten Begriffen gespickten Sprache erzählt. Da kaum etwas passiert, ist sie obendrein ziemlich langweilig. Kein Wunder, dass sie in den internationalen Anthologien kaum jemals zu finden ist.

Diese Geschichte wurde von |Heyne| bislang zweimal abgedruckt: in Nr. 06/4000 („25 Jahre HSF, Das Lesebuch“) und vorher in Nr. 06/3860 („SF Story Reader 17“) unter dem Titel „Die Zeit jenseits des Alters. Eine Exkursion“.

_Gesamteindruck_

Man würde es sich zu einfach machen, wollte man den Autor Robert Holdstock nur als Träumer abstempeln, der nur über den Wald, dessen Magie und Geister erzählen könne. Wald und Geister sind nie Selbstzweck, sondern werden immer in Beziehung beschrieben. Der Wald ist Lebensraum wie für Caswallons Dorf oder ein Erzeuger von mythischen Gestalten (Ryhope Wood).

Dass der Wald mit Magie in Verbindung gebracht wird, ist nur eine Methode der jeweils betroffenen Be- und Anwohner (die Huxley-Familie), sich selbst und ihr (Er-)Leben in Beziehung zum Wald zu setzen. Wenn der Wald als lebendiges Wesen mit Macht betrachtet wird, dann kann er genauso gut die Gestalt eines Gottes annehmen. Denn mit einem Gott konnten Menschen schon immer besser interagieren als mit dem anonymen Ding an sich. Ein Gott verlangt Verehrung und Opfer für das, was er Gutes tut, und bestraft, wenn ihm beides versagt wird. Die Unfruchtbarkeit von Thomas Wyatts Frau – woher rührt sie? Wie lässt sie sich beenden?

Ryhope Wood besitzt im Gegensatz zu Thorn und Cyric, dem gehörnten Wald- und Schutzgott, nicht göttliche Attribute, aber seine Fähigkeiten stehen denen eines Gottes in nichts nach. Dieser „Mythenwald“ ist schöpferisch tätig, in seinen Zonen entstehen die ersten Menschen, die sich von Tieren noch kaum unterscheiden, und die ersten Helden. Schamanen sind in Ryhope Wood in der Lage, bestimmte Wesen ins Leben zu rufen, um wiederum einen bestimmten Interaktionszauber zu vollbringen – George Huxley spaltet sich auf diese Weise in zwei konkurrierende Wesen.

Robert Holdstock ist der Autor, der John Boormans Film „Der Smaragdwald“ in die Form eines Romans gießen konnte – die Geschichte eines weißen Jungen, der im südamerikanischen Urwald von Indios aufgezogen wird und fortan die Welt inner- wie auch außerhalb des Waldes in den Begriffen seiner animistischen Welt-Anschauung interpretiert. Wenn er seinen Vater findet und dessen Totemtier beschwört, so sieht er einen Jaguar, und wie ein Raubtier verhält sich der Ingenieur, wenn er durch einen Staudamm die Vernichtung des Urwaldes herbeiführt. Um diese falsche Beziehung zu korrigieren, sind Mächte zu beschwören, die der Junge als Magie bezeichnen würde. Es ist nur eine Methode, die Welt zu beeinflussen, die animistische Variante der Technik.

Man mag die Magie belächeln, weil sie statt Rädchen und Hebeln nur Knochen, Holz, Haar und Stoff benutzt, aber auf diesen Unterschied kommt es nicht an, sondern der Glaube zählt. Wer könnte von sich behaupten, genau sagen zu können, welche Bauteile in seinem Automotor für welches Verhalten des Motors und des Autos verantwortlich sind? Man muss nicht verstehen können, wie ein Motor ein Autor bewegt, solange man nur daran glaubt, dass zwischen Motor und Auto eine Beziehung besteht, die das Auto zum Fahren tauglich macht.

Dass auch Sprache ein Teil der Magie ist, mutet uns heute schon als postmoderne Idee an. Tatsächlich war diese Idee aber schon den Rhetorikern und Demagogen des alten Athen bekannt und davor sicherlich den Schamanen und Priestern. Dass Sprache nicht unbedingt Bestandteil eines Gegenstandes sein muss, belegt ein Blick auf eine Marienstatue. Steht die Statue in einer Kirche, wird sie verehrt und ermahnt die Frommen an einen Schutzgeist. Steht die gleiche Statue hingegen in einem leeren Museum, ist sie nur ein Kunstgegenstand, ihrer sakralen Bedeutung völlig einkleidet. Theoretisch könnte man dennoch ein Avemaria zu ihr sprechen. Im Museum klingt dieser Sprechakt jedoch nicht nur deplatziert, sondern sogar anstößig. Man braucht es nur einmal zu versuchen und schon kommen die Wärter herbeigeeilt …

_Unterm Strich_

Man muss nicht unbedingt auf Geschichten von Wäldern à la Tolkien stehen, um auch Holdstocks Waldromanen ihren Reiz abzugewinnen. Es reicht schon, sich für die Wirklichkeit jenseits unserer fünf Sinne zu interessieren, für jenen Ort, von wo unsere Träume kommen. In Holdstocks Geschichten kommen kaum jemals Zauberer vor, geschweige denn Zauberlehrlinge, und wenn doch, dann sind sie etwas ganz anderes als Harry Schotter und Artemis Fowl. Tintenkleckser, der Lehrling Wolfskopfs, tut zwar Gutes durch seine Magie (er bastelt eine Maske für die Geistsicht), aber er ist alles andere als ein Held. Aber er befreit den Daemon (der nicht automatisch böse ist, nur weil er solcher bezeichnet wird): ebenfalls einen kleinen Jungen.

Ich fand die Geschichten mit den Kindern – es sind mindestens vier oder fünf – als die interessantesten in dieser Sammlung. Und sie lassen sich auch am leichtesten lesen und verstehen. Yvonne und Martin in der Science-Fiction-Geschichte „Die Zeit jenseits des Alters. Eine Exkursion“ sind zunächst ebenfalls Kinder und Jugendliche. Wir lieben sie sofort aufgrund ihrer Lebendigkeit und Unerschrockenheit. Aber nie verschweigt der Autor, dass Kindheit und Jugend enden müssen, so wie die Unschuld immer nach Erfahrung strebt und dieser schließlich weichen muss. Holdstock schreibt keine Eiapopeia-Geschichten, sondern lässt die hellen Seiten immer nur vor einem dunklen Hintergrund aufscheinen.

Die tiefste und dunkelste Geschichte ist in diesem Hinblick die titelgebende Novelle. Der Doppelgänger Huxleys ist auf Befriedigung seiner animalischen Bedürfnisse aus, unter anderem auf Sex – mit Huxleys Frau, versteht sich. Dieser Doppelgänger ist mit einem Tier- und Menschenopfer verbunden. Aber die Geschichte entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Die Schamanin Ash entsprang nicht dem Wald an sich oder Huxleys Hirn wie Athene dem Kopf von Zeus, sondern der träumenden Phantasie eines Kindes, der von Steven Huxley, der eine alte Kindergeschichte verarbeitete. Nehmt euch also in Acht vor den Träumen eurer Kinder – sie können euer Verhängnis werden. Und wenn man sich die diversen Schulmassaker und Amokläufe ansieht, dann findet dies bereits im Hier und Jetzt statt.

Robert Holdstock – Mythenwald (Ryhope Wood Zyklus 1)

Expedition in die Tiefen des magischen Waldes

Im Herzen des Waldes Ryhope Wood liegt eine Welt der vergessenen Helden und Urbilder. Schamanen wohnen hier ebenso wie das Böse … Als Steven Huxley 1947 aus dem Krieg heimkehrt, um den Spuren seines inzwischen gestorbenen Vaters und seines verschwundenen Bruders nachzugehen, führt ihn sein Weg nach Ryhope Wood.

In diesem Urwald verläuft die Zeit nicht wie in der Menschenwelt, und die Vergangenheit erwacht zum Leben. Im gleichen Maße, in dem Steven seine eigene Vergangenheit zu bewältigen versucht, wird er hineingezogen in die kollektiven Phantasien zahlloser Generationen, die im Mythenwald greifbare Gestalt annehmen – mitunter tödliche Gestalt …
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Holdstock, Robert – The Fetch

_Familiendrama: Gralssuche im Steinbruch_

Als Susan und Richard Whitlock den kleinen Michael adoptieren, ahnen sie nicht, was sie sich damit einbrocken. Denn Michael verfügt über die Fähigkeit, mit Geisteskraft Gegenstände aus Zeit und Raum herbeizuholen – das Fetching. Als Michael sieben ist, erwähnt er, er habe einen Freund, Chalk Boy. Und der hole für ihn die schönen Dinge, mit denen er seinen Vater dazu bringt, ihm die Geschichte vom Fischerkönig vorzulesen. Darin geht es, wie man aus der Parzival-Sage weiß, um die Suche nach dem heiligen Gral …

|Hinweis|

Die Bedeutung von „fetch“ ist dreifach:

1) nach etwas suchen und es zurückbringen
2) der Geist oder die Erscheinung einer lebenden Person
3) Fetisch (im Dialekt der Grafschaft Kent)

_Der Autor_

Robert Paul Holdstock, geboren 1948, begann mit dem Schreiben schon 1968, machte sich aber erst 1976 als Schriftsteller selbständig und schrieb daraufhin eine ganze Menge Genre-Fantasy. Dabei entstanden wenig interessante Trilogien und Kollaborationen an |Sword and Sorcery|-Romanen, unter anderem mit Angus Wells.

Erst 1983 und 1984 taucht das für die Ryhope-Sequenz wichtige Motiv des Vater-Sohn-Konflikts im Roman „Mythago Wood“ auf, für den der Autor den |World Fantasy Award| erhielt. Beide Seiten werden getrennt und müssen wieder vereinigt werden. Das Besondere an dieser emotional aufgeladenen Konstellationen ist jedoch, dass die Bewegung, die dafür nötig ist, in einer Geisterwelt stattfindet: dem Ryhope-Forst.

In Holdstocks keltischer Fantasy befindet sich in diesem Urwald, der dem kollektiven Unbewussten C. G. Jungs entspricht, erstens ein Schacht, der mit weiterem Vordringen ins Innere immer weiter zurück in der Zeit führt. Eines der wichtigsten und furchtbarsten Ungeheuer, Urscumug, stammt beispielsweise aus der Steinzeit. Und zweitens finden bei diesen seelischen Nachtreisen durch die Epochen permanent Verwandlungen, Metamorphosen statt. So verwandelt sich die Hauptfigur Tallis in „Lavondyss“ schließlich in eine Dryade, einen Baumgeist. Das ist äußerst faszinierend geschildert.

Am Ende der Nachtreisen warten harte Kämpfe, die auch in psychologischer Hinsicht alles abverlangen, was die Kontrahenten aufbieten können. Und es ist niemals gewährleistet, dass die Hauptfiguren sicher und heil nach Hause zurückkehren können. Denn im keltischen Zwielicht, das noch nicht durch das christliche Heilsversprechen erleuchtet ist, scheint am Ende des Weges keine spirituelle Sonne, sondern dort wartet nur ewige Nacht. Es ist also die Aufgabe des Autors darzulegen, wie dieses schreckliche Ende vermieden werden kann.

Der MYTHAGO-Zyklus bis dato:

1. Mythago Wood (1984; [Mythenwald, 4139 World Fantasy Award)
2. Lavondyss (1988; [Tallis im Mythenwald) 4211
3. [The Bone Forest 4088 (1991; Sammlung)
4. [The Hollowing 4161 (1993)
5. Merlin’s Wood (1994, Sammlung inkl. Roman)
6. Ancient Echoes (1996)
7. [Gate of Ivory 1422 (2000)

Der MERLIN CODEX-Zyklus:

1. Celtika (2001)
2. The Iron Grail (2002)
3. The Broken Kings (2007)
4. Avilion (2008)

http://www.robertholdstock.com

_Handlung_

Susan und Richard Whitlock sind bislang kinderlos geblieben und haben es nun endlich, nicht ganz legal, geschafft, einen Jungen zu adoptieren. Michael ist noch ein Baby, als Susan ihn endlich in Empfang nehmen darf. Warum nur hat seine Mutter ihn fortgegeben? Die steht nämlich draußen vor der Klinik von Dr. Wilson und starrt Susan an. Doch Susan ist es verboten, mit der Mutter Kontakt aufzunehmen. Das wird sich später als Handicap herausstellen. Susan weiß zu wenig über das Baby.

|Lehm|

Zunächst scheint alles in Ordnung zu sein, doch als immer wieder Erde auf dem Säugling in seiner Wiege zu finden ist, vermutet die genervte Susan, dass Michaels Mutter ihnen doch ihr Baby missgönnt. Aber auch Richard kann keinen Eindringling finden, und Türen, die er fest verschlossen zu haben glaubte, gehen wieder auf. Susan verrät Richard nichts über die kleine magische Zeremonie, die sie zuvor bei Michael heimlich vorgenommen hat. Sie ehrt das Brauchtum ihrer ungarischen Tanten und hat eine kleine Puppe aus rotem Lehm gefertigt, damit alles Böse, das in dem Kind wohnen könnte, in die Puppe fahre. Dabei hat sie Michael mit dem Lehm bedeckt. Nun wundert sie sich, wenn Michael immer wieder mit Erde bedeckt ist. Aber sie verrät Richard nichts.

|Dreck|

Die Entwicklung kommt nach Michaels Taufparty zu einer Krise. Ein ganzer Berg von Erde, Schlamm, Gewürm und scharfen Gegenständen landet mitten in Michaels Schlafzimmer. Die Masse ist so schwer, dass sie die Bodendielen zum Brechen bringt und der Dreckberg in den Raum darunter stürzt. Mit Mühe können die entsetzten Eltern noch ihr Baby finden.

Sie tauschen das geerbte Haus mit ihren besten Freunden, den Hansons, die nur wenige Straßen weit entfernt wohnen. Ruckinghurst in Kent, unweit der Kanalküste, ist ein Dorf. Endlich kehrt wieder Ruhe ein, und Michaels Eltern kommen zum Schluss, dass es Michael selbst gewesen sein muss, der den Erdrutsch verursacht hat. Seine Mutter hätte so etwas niemals zustande gebracht. Als Richard, ein Fotograf bei archäologischen Arbeiten, sich an seine Pflicht erinnert und den im nahen Kalksteinruch entsorgten Dreckberg durchsucht, stößt er auf Gegenstände, die nur einen Schluss zulassen: Es war ein Schrein, den Michael teleportiert hat. Komplett mit einem frisch geopferten toten Hund …

|Puppen|

Als Michael sieben ist, hat er ein kleines Schwesterchen bekommen, Carol, das Susan selbst geboren hat. Die kleine Carol wird richtiggehend verhätschelt, wohingegen Michael unter Vernachlässigung zu leiden beginnt. Weil seine Mutter selbst gerne Puppen herstellt und alte restauriert, benutzt er seine neu entdeckte Fähigkeit des Fetchings, um ihr schöne Gegenstände zu bringen: eine Goldstatuette aus Ägypten, ein normannisches Teufelskreuz aus Byzanz und vieles mehr. Als sie und Richard ihn fragen, woher er diese schönen Dinge hat, antwortet er nur, dass Chalk Boy sie ihm gebracht habe. Als ein französisches Medium namens Francoise Jeury den Eltern dieses Phänomen der Apportation erklärt, erkennen sie, dass Michael und Chalk Boy ein und dieselbe Person sein müssen und dass Chalk Boy pure Einbildung ist. Aber warum hat dann Michael im Steinbruch ein imaginäres Schloss errichtet und in einem Schacht tote Tiere gesammelt?

|Reichtum|

Richard gelingt es nicht, eine permanente Stelle beim Britischen Museum zu erlangen, und zwar deshalb, weil in seinen Unterlagen steht, dass er einmal – wie alle anderen auch – eine Pfeilspitze von einer Ausgrabungsstätte gestohlen habe (nur dass er sich eben erwischen ließ). Um den Einkommensverlust auszugleichen, bietet Richard seinem ordentlich bestallten Kollegen Jack Goldman die Goldstatuette zum Weiterverkauf an. Als Michael weitere Objekte „apportiert“, gelangen die Whitlocks über zwei, drei Jahre hinweg zu einem gewissen Wohlstand. Einmal gelingt es Michael sogar, sich mit Hilfe einer Geschichte seines Vaters – der sich an eine Story von Rudyard Kipling erinnert – in die Zeit zu versetzen, als am Hadrianswall noch römische Soldaten stationiert waren. Und das ohne Chalk Boy!

|Fischerkönig und Gral|

Richard hofft auf mehr Beute. Und erzählt seinem Sohn als Anreiz mehr Geschichten. Michaels Lieblingsgeschichte gilt dem Fischerkönig. Darin lebt ein kranker alter König in einem Ödland, und aus diesem beklagenswerten Zustand kann ihn nur der heilige Gral erlösen, so dass er genest und das Land wieder erblüht. Den Gral müssen Arthurs Ritter suchen. Doch wie sieht der Gral aus – das ist das Problem. Die Legende besagt, dass es sich um den Kelch handle, aus dem Jesus beim letzten Abendmahl seinen Jüngern zu trinken gegeben habe.

Doch ein Kelch kann alle mögliche Formen haben, denkt sich Michael, und beginnt in dem Land, das ihm Chalk Boy gezeigt hat, danach zu suchen. Es ist das Land, das vor Millionen Jahren dort existierte, wo sich jetzt Kent und die Kanalküste befinden. Im Meer schnappen Fischechsen nach Beute und langhalsige Plesiosaurier („Meeresdrachen“) bedrohen den unvorsichtigen Strandwanderer. Am Strand, den Michael stets durch einen imaginären Tunnel erreicht, steht tatsächlich ein klappriges Holzgerüst. Ist dies der Schrein, in dem der Gral zu finden ist?

|Chalk Boy|

Mittlerweile ist Michael schon zehn Jahre alt. Seine Eltern haben sich Urlaubsreisen geleistet und ihr Haus ausgebaut. Doch schon ein halbes Jahr lang hat Michael keine „Beute“ mehr „apportiert“, er ist kein braver kleiner Hund mehr, der seinen Herrchen Beutestückchen anschleppt, um getätschelt zu werden. Richard hat schwere Sorgen und erzählt seinem Sohn keine Geschichten mehr, Susan kümmert sich nur noch um Carol, die sie wie eine ihrer Puppen herausputzt und verhätschelt. Als Susan erfährt, dass Richard in ein Tourismusprojekt eine halbe Million gesteckt hat, die er gar nicht besitzt, kommt es zu einem handfesten Ehekrach. Richard gelobt, vom Alkohol die Finger zu lassen, sich zu bessern und mehr zu arbeiten.

Da gute Vorsätze nicht reichen, um die Schläger der Geschäftspartner von Michael fernzuhalten, dessen Talent Richard dummerweise an Jack Goldman verraten hat, muss Richard die persönlichen Geschenke verkaufen, die Michael aus Liebe gemacht hat. Es ist der ultimative Verrat, und als Michael dies erkennt, übernimmt sein Alter Ego Chalk Boy die Kontrolle. Und Chalk Boy ist gar nicht nett, Chalk Boy weiß, wie man Verrat bestraft. Aber Chalk Boy braucht Hilfe, um den Gral zu holen …

Doch woher kommt Chalk Boy?

_Mein Eindruck_

Ob es nun die Fähigkeit des Fetchings oder Apportierens nun tatsächlich gibt oder nicht, ist für die eigentliche Aussage des Romans unerheblich. Mit den erprobten Mitteln des phantastischen und des psychologischen Romans versucht der Autor, mehrere Aussagen zu machen, und ich finde, dies gelingt ihm in relativ geglückter Weise. Auf diese Weise wird auch Chalk Boy von einem Popanz zu einem psychischen Phänomen, das man verstehen kann.

Der Autor stellt sowohl die Erlebniswelt Michaels als auch die seiner Eltern und seiner jüngeren Schwester aus deren jeweils subjektiver Sicht dar. Das ist die beste Methode, um dem Leser einen tiefen Einblick in die jeweilige Erlebnis- und Gefühlswelt zu gewähren. Auf diese Weise wertet der Autor nicht, was die Figuren erfahren (höchstens durch seine Auswahl), und die Wertung bleibt dem Leser überlassen.

Beispielsweise enthält sich der Autor jeder Wertung dessen, was Chalk Boy anrichtet. Es reicht völlig aus zu schildern, wie sich das entsetzliche Geschehen in den Gesichtern und Bewusstseinen der Betroffenen spiegeln, um dem Leser zu vermitteln, wie sich eine Aktion niederschlägt. Die vierköpfige Familie ist das ganze Universum, das für die Aussagen der Geschichte nötig ist.

|Vater und Sohn|

Wie zwei Jahre später in „The Hollowing“ spielt der Autor die problematische Beziehung eines Vaters zu seinem – hier adoptierten – Sohn durch. Der Vater begeht unbewusst den schwerwiegenden Fehler, seinen Sohn als einen Fremdkörper zu betrachten und ihm nur Liebe zu geben, wenn dieser ihm dafür einen Preis apportiert, als wäre das Kind ein braves Hündchen. In der Folge fühlt sich Michael wie sein eigener Schatten, der keine Seele hat. Das gibt er Francoise Jeury gegenüber deutlich zu. Aber wenn Chalk Boy bei ihm ist, sei er in der Lage zu handeln und in seinem (imaginären) Schloss zu herrschen, als wäre er der Fischerkönig.

Der Sündenfall ist unausweichlich, als das einzige persönliche Geschenk, das Michael seinem Vater aus Liebe gemacht hat (ein kostbares goldenes Ei aus Kreta), zu einer Ware gemacht und verkauft wird. Als auch die Mutter dies mit dem Teufelskreuz tut, ist Michaels Enttäuschung und Wut über diesen doppelten Verrat grenzenlos.

|Der Fischerkönig|

Der plötzliche Reichtum der Whitlocks erinnert an die Märchen „Von dem Fischer un syner Fru“ sowie an „Rumpelstilzchen“. Es ist klar, dass dabei nichts Gutes herauskommen kann. Die Geschichte vom Fischerkönig ist grundlegend für das Verständnis der weiteren Entwicklung, aber der Autor macht es uns leicht, beides nachzuvollziehen. Wenn Michael der Fischerkönig ist, der das Land = seine Familie erlösen will, dann braucht er unbedingt den Gral = seine apportierten Beutestücke dafür, denn er hat keine Ritter, die ihm helfen könnten.

Um ein Haar zu spät erkennt Francoise Jeury, um was es sich bei dem Gral, den Chalk Boy/Michael haben will, in Wahrheit handelt (und ich werde es nicht verraten). Würde Chalk Boy den Gral wirklich erhalten, dann würde dies das Ende der Existenz Michaels bedeuten, zumindest seiner psychischen. Nur noch die Psyche Chalk Boys wäre übrig, um Michaels Körper zu bewohnen. Und würden Michaels Eltern diesen Geisterjungen lieben können? Wohl kaum.

|Horror und Magie|

Da der Autor auch sehr gut in Fantasyromanen bewandert ist – er hat über ein Dutzend davon unter mehreren Namen geschrieben -, kann er auch Horrorelemente auf überzeugende Weise beschreiben. Das bedeutet nicht, dass nun tote schwarze Katzen auf der Türschwelle liegen. Nein, der Autor kennt sich auch hervorragend mit Masken und Totems aus, welche er selbst mit Eifer sammelt (vgl. die Masken in „Lavondyss“). In der fulminanten Horrorszene, die das letzte Drittel des Romans dominiert, fetcht Michael / Chalk Boy riesige Totempfähle, Masken, abschreckende Puppen usw., um sie um das Elternhaus zu platzieren, einen Totempfahl rammt er seinem Vater mitten durchs Arbeitszimmer. (Die Symbolik dürfte offensichtlich sein.)

Das Bemerkenswerte daran ist nicht der Akt an sich, sondern seine Wirkung auf die Eltern. Weder Susan noch Richard sind in der Lage, der magischen Wirkung der Fratzen zu entgehen. Sie fühlen sich plötzlich schwindlig oder erleiden Herzrasen, Übelkeit und Atemnot. Das ist bemerkenswert, denn es zeigt, dass symbolische Magie funktioniert, solange die Betroffenen auch daran glauben. Und dazu gehört auch Francoise Jeury, die ja mit Michael enge Bekanntschaft gemacht hat. Es gibt nur ein probates Mittel gegen diese Magie, und Michael / Chalk Boy zeigt es dem einzigen Menschen, der ihm etwas bedeutet, seiner Schwester Carol. Es handelt sich um einen einfachen Kinderreim, den man wie ein Mantra wiederholen muss.

|Familiendrama|

Wie man sieht, ist „The Fetch“ keineswegs ein Roman über Horror oder übernatürliche Phänomene, sondern über Vorgänge in einer stinknormalen Mittelklassefamilie, die ein wenig aus dem Rahmen fallen. Die Vorgänge könnten überall stattfinden, und wahrscheinlich machen viele Eltern die angeprangerten Fehler, doch sie in einem realistischen Roman zu schildern, wäre heute einfach stinklangweilig. Es ist bereits tausendmal in Romanen über das Erwachsenwerden geschrieben worden, so etwa in „The Secret Language of Cranes“ über das Aufwachsen eines Homosexuellen.

Aber diese Phänomene in ein phantastisches Ambiente einzubetten, verlangt nicht nur Einfallsreichtum – das ist ja die Grundvoraussetzung fürs Schreiben -, sondern auch ein ausgeprägtes Einfühlungsvermögen in die Psyche eines Kindes. Wie spricht ein Kind über Geister, wie über Ritter? Zum Glück hat der Autor selbst Kinder und weiß, dass Kinder in beiden Realitäten leben können, der hiesigen und der des Traums, dabei aber genau unterscheiden können, was echt ist und was nicht. Michael de Larrabeiti, der bekannte Autor der Borribles-Romane, hat mir dieses kindliche Erleben im [Interview]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=86 bestätigt.

|Im Limbus|

Auf bemerkenswerte Weise gelingt es dem Autor, nicht nur die Kinderpsyche auf bewegende Weise zu schildern, sondern auch das emotional höchst angespannte Innenleben von Susans und Richards Ehe. Susan liebt Richard, jedenfalls so lange, wie er noch weiß, wer er ist. Doch genau dies verliert er aus dem Blick, als er sich in das Finanzprojekt versteigt und einem „Rumpelstilzchen“ zum Opfer fällt.

Erst als er eines Morgens in Schottland als seelisches und körperliches Wrack in einem fremden Hotel aufwacht und Jack Goldman ihm die Freundschaft kündigt, weiß er wieder, wo er steht. Er war im Limbus, dort, wo Michael die meiste Zeit gelebt hat. In jenem Zwischenreich, das laut Bibel für jene Seelen reserviert ist, die sich nicht zwischen Himmel und Hölle entscheiden können. Es ist sozusagen der transzendente Wartesaal. Michael / Chalk Boy demonstriert seinen Eltern mit seiner Totemfeldaktion, dass sie sich genau dort befinden. Sie sind von der Welt abgeschnitten, in einen Käfig gebannt von seiner Magie, die nur auf sie einwirken kann. Zu ihrem Glück kapieren sie die Lektion.

_Unterm Strich_

Ich habe „The Fetch“ jetzt ein zweites Mal gelesen, und wieder in nur zwei Tagen. Das Buch ist enorm spannend, sehr bewegend und voller Überraschungen. Außerdem hat der Autor seine Sprache und seinen Erzählstil gegenüber Werken aus den siebziger Jahren durch seine Mythago-Wood-Romane stark verbessert. Daher ist die Geschichte sehr flüssig und anschaulich zu lesen, ohne dabei ins Schwafeln zu geraten. Der Leser muss stets mitdenken und sich die Szenen selbst vorstellen, was ihn durchaus herausfordert, so etwa dann, wenn Michael / Chalk Boy wieder mal einen Ausflug in die Anderwelt unternimmt. Leser mit nervösem Magen seien vor manchem grausigen und unappetitlichen Detail gewarnt.

Es hilft, sich auf die Kenntnis der Märchen „Von dem Fischer un syner Fru“ sowie „Rumpelstilzchen“ stützen zu können, auch die Sage vom Fischerkönig (wie etwa im Parzival-Epos) wird benötigt. Die Intertextualität dieses Romans erstreckt sich auch auf die Gralslegende und die Sagen um König Artus. Es ist eben alles zum Teil „Matter of Britain“, wie es die „Encyclopedia of Fantasy“ bezeichnet. Das macht den besonderen Reiz des Buches als phantastischer Roman aus.

Die andere Hälfte besteht im psychologischen Roman, der bedeutsame und einleuchtende Aussagen über die Beziehung zwischen Kindern und Eltern macht. Dies macht das Buch längst nicht zu einem Jugendbuch, wie man vermuten könnte, sondern zu einem Roman für Erwachsene. (Was nicht bedeutet, dass darin Sex vorkäme.)

Fazit: Ein Volltreffer.

Schade, dass Buch immer noch nicht ins Deutsche übersetzt wurde. Vielleicht wird es als einfach zu britisch angesehen. Aber man sollte es sowieso im Original lesen, um alle Bedeutungen von „fetch“ mitzubekommen.

Robert Holdstock – Odins Wolf (Berserker-Saga 1)

Die Berserker-Saga:

Band 1: „Odins Wolf“
Band 2: „Die Jägerinnen von Connacht
3) „The Horned Warrior“ (1979, nicht übersetzt)

Dem Ewigen Helden ebenbürtig, aber lausig übersetzt

Harald Schmetteraxt, ein junger Norweger, von Odin verflucht, wird zu einem wahnsinnigen Krieger, der Tausenden den Tod bringt. Wenn ihn der Kampfrausch überkommt, treibt er ganze Heere in die Flucht, und nicht einmal seine eigene Familie ist vor ihm sicher. Verzweifelt flieht er vor dem eigenen Schicksal, aber wohin er auch kommt, bringt er Tod und Verderben – er ist ein Berserker. (Verlagsinfo)
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Robert Holdstock – Die Jägerinnen von Connacht ( Berserker-Saga 2)

Die Berserker-Saga:

Band 1: „Odins Wolf“
Band 2: „Die Jägerinnen von Connacht
Band 3: „The Horned Warrior“ (nicht übersetzt)

Der Berserker trifft König Artus: eine Odyssee durch Irland

Harald Schmetteraxt, ein junger Norweger, von Odin verflucht, wird zu einem wahnsinnigen Krieger, der Tausenden den Tod bringt. Wenn ihn der Kampfrausch überkommt, treibt er ganze Heere in die Flucht, und nicht einmal seine eigene Familie ist vor ihm sicher. Verzweifelt flieht er vor dem eigenen Schicksal, aber wohin er auch kommt, bringt er Tod und Verderben – er ist ein Berserker.

Nun sucht Harald Erlösung von dem Fluch, doch der Weg führt zurück an den Anfang, in sein Heimatdorf. Dort wird er getötet. Nun erwacht er wieder, denn sein Geist findet keine Ruhe. Es ist das wilde Irland des 5. Jahrhunderts, und Harald kämpft mit den Stämmen gegen die Jägerinnen von Connacht. In diesem Kampf scheint sich sein Schicksal zu wiederholen … (wenig zutreffendes Verlagsinfo)
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Holdstock, Robert – Gate of Ivory (Ryhope Wood Zyklus 7)

_Liebe und Tod im Mythenwald_

In den achtziger Jahren schrieb der englische Autor Robert Holdstock mit „Mythenwald“ (Bastei-Lübbe; O-Titel: „Mythago Wood“) einen Klassiker der modernen Fantasy-Literatur. Er kehrte immer wieder zu diesem mythen- und bildergebärenden Kessel der Ideen, dem Ryhope Forest, zurück – so in „The Hollowing“ und „Lavondyss“ (dt. bei Bastei-Lübbe als „Tallis im Mythenwald“). „Gate of Ivory“ ist ein Prequel zu „Mythago Wood“.

_Handlung_

In „Gate of Ivory“ kehrt der Autor wieder zum Ursprung der Geschichte von „Mythenwald“ zurück. Der Gelehrte George Huxley, der mit seiner Frau Jennifer und den zwei Söhnen Stephen und Christian auf seiner Farm lebt, erforscht die Tiefen des nahe gelegenen Ryhope Forest. Aus dessen scheinbar unendlichen Tiefen erscheinen ihm immer wieder Gestalten aus der Frühzeit der Menschheit, vor allem aus den Mythen.

Aus dem Artus-Mythos ist ihm Guinevere, eine junge unbändige Frau von großer Schönheit, begegnet, und er verliebte sich in sie. Seitdem sucht er immer wieder im Wald nach ihr. Dies zerstört seine eigene Ehe und die Beziehungen zu seinen Söhnen, denen er sich entzieht.

Christian, sein jüngerer Sohn, erzählt die Geschichte von „Gate of Ivory“. Die Geschichte beginnt mit den Abwesenheiten des Vaters und den wiederholten Besuchen von wilden Gestalten aus dem Forst. Eine junge Frau schlägt ihn in ihren Bann. Ihr Häuptling zeichnet ihn mit einem Messer als „slathan“. Die Bedeutung dieses Wortes und der Rolle, die es ihm zuweist, wird ihm erst gegen Schluss seines folgenden Abenteuers klar. Nach der Verwüstung der Farm verschwindet die Horde.

Christians Mutter tötet sich. Sie erhängt sich, offenbar umnachtet, in den Ästen einer sturmgebeugten Eiche unweit des Waldes. Ihr Sohn, der sie davon abzuhalten suchte, ist untröstlich. Er zieht in den Zweiten Weltkrieg, um erst Jahre später, gereift und in den Kampfkünsten erfahren, zurückzukehren.

Er macht sich auf in den Forst und stößt schließlich auf eine kleine Gruppe von zum Tode verdammten Personen. Die junge Frau Guiwenneth, die ihn an seine einstige Gespielin erinnert, hat es ihm besonders angetan. Eine innige Beziehung entsteht. Eine weitere interessante Gestalt in der Gruppe ist Someone Son of Somebody, der als Baby unbenannt geblieben war. Eine enge Beziehung baut diese Artusgestalt zur Zauberin Issabeau auf, deren Name aus frühmittelalterlichen Legenden stammt. Christian kann sich dank der Übersetzungskünste von Gwyr – man spricht Keltisch – mit den anderen, die Englisch lernen, verständigen.

Die Gruppe stößt auf eine große Armee – die „Legion“ – aus Söldnern, Zauberern und Sehern, die von Kylhuk angeführt wird und auf der Suche nach der „Langen Person“ ist. Kylhuk wird Christians Mentor, eine verhängnisvolle Beziehung, wie sich zeigen soll: Es war Kylhuks Hauptmann Mannandoun, der Christian zum „slathan“ gemacht hatte. Mannadoun fällt unter den Schwertstreichen der Legion-Verfolger, den Söhnen Kyrdus.

Kylhuk ist eine Gestalt aus den walisischen Legenden, die im „Mabinogion“ gesammelt sind. Im Auftrag des Königs der Riesen und seiner Tochter Olwen befindet er sich auf der Queste, um mehrere sagenumwobene Gegenstände für seine Hochzeit mit Olwen zu finden. Kylhuk reist mit der Legion durch Lande und Zeiten, die sich ständig verändern.

Als sich die „Lange Person“ als langer Fluss mit zwei Armen herausstellt, befährt die Legion diesen Styx-artigen Fluss in die Totenwelt. Deren Zugang hat zwei Tore: das Tor von Horn und das Tor von Elfenbein. Letzteres steht für die Lüge, Ersteres für die Wahrheit. Die Legion wird bei einem Unglück zerschlagen, nur wenige der Ursprungsgruppe überleben – doch Guiwenneth ist verschwunden.

Als Christian durch das Tor aus Horn geht, trifft er zunächst seine Mutter wieder. Sie weist ihn zurück, als er ihr die Chance bietet, sie in die Welt der Lebenden zu bringen. Er solle lieber seine Geliebte Guiwenneth retten – sie biete ihm eine Zukunft. Doch auch sie weist ihn an, sie in der schönen (keltischen!) Totenwelt zurückzulassen.

Christian kehrt jedoch in anderer Begleitung zu Someone Son of Somebody zurück – sehr zu dessen Freude. Someone erinnert sich nun wieder an seinen wahren Namen. In Freundschaft trennen sie sich, und Christian kehrt nach Hause zurück – nur um die schreckliche Wahrheit über den Tod seiner Mutter zu erfahren!

_Mein Eindruck_

Robert Holdstock ist ein Meister in der einfühlsamen Behandlung tiefer menschlicher Befindlichkeiten: die Jagd nach der verschwundenen Geliebten, nach der toten Mutter. Dies sind jedoch ewige Konstanten: die Suche nach Liebe, das Verfolgen der Wahrheit.

Nur allzu oft münden seine Geschichten in tragische Situationen, in denen der Helden sich in der Bewertung von wahr und unwahr, gut und falsch, Täuschung und Lüge bewähren muss. Christian Huxley muss sich in der Unterwelt fast wie weiland Orpheus zwischen der Geliebten und der Mutter entscheiden und die Gewählte, ohne sich umzuwenden oder sie anzusprechen, zurück in die Oberwelt führen. Diese Neu- und Umdeutung der alten Mythen für die Gegenwart stellt den größten Wert in Holdstocks Werk dar.

Aber es gibt noch andere Werte. Da ist zum einen die unterhaltsame Art und Weise, wie er alte Geschichten aus dem kollektiven Unbewussten der Menschheit lebendig werden lässt. Ihm mangelt es nie an Action und einem trockenen Humor, wie er einem Engländer aus Kent gut zu Gesicht steht.

Schade, dass bislang nur die zwei oben genannten Fantasy-Romane den Weg zu uns gefunden haben.

|Hinweis|

Wer mehr von Holdstock lesen will, muss zu den Originalausgaben greifen – von „Ancient Echoes“, „The Fetch“ und „The Bone Forest“, zusätzlich zu den oben genannten Titeln aus dem Mythenwald-Zyklus. Übrigens: Holdstock hat auch Science-Fiction geschrieben. „Erdwind“ ist 1981 bei Moewig veröffentlicht worden.

Robert Holdstock – Tallis im Mythenwald / Lavondyss (Ryhope Wood Zyklus 2)

Ins Vogelgeistland: die Verwandlung der Seele

Holdstock hatte mit seinem Roman „Mythenwald“ 1984 den World Fantasy Award gewonnen. Offensichtlich versuchte er mit „Lavondyss“, an diesen Erfolg anzuknüpfen, wie uns der deutsche Verlag Bastei-Lübbe durch den deutschen Buchtitel „Tallis im Mythenwald“ suggerieren will. Dies ist der zweite Band in seiner Reihe über den geheimnisvollen Ryhope-Forst.

Wenn man berücksichtigt, dass fast alle nachfolgenden Romane in einem Mythago-Wald spielen, dann erkennt man, dass „Mythenwald“ einen konzeptionellen Durchbruch für Holdstock bedeutete. Es wäre ein Wunder, wenn der Erzähler dieses Neuland nicht weiter erkundet hätte. Später folgten daher noch „The Hollowing“ (Band 3), „Gate of Horn, Gate of Ivory“ (Band 4), „The Bone Forest“ (das Prequel) – siehe auch das Werksverzeichnis unten.

Der Autor

Robert Paul Holdstock, geboren 1948, begann mit dem Schreiben schon 1968, machte sich aber erst 1976 als Schriftsteller selbständig und schrieb daraufhin eine ganze Menge Genre-Fantasy. Dabei entstanden wenig interessante Trilogien und Kollaborationen an Sword and Sorcery-Romanen, u. a. mit Angus Wells.

Erst 1983 und 1984 taucht das für die Ryhope-Sequenz wichtige Motiv des Vater-Sohn-Konflikts im Roman „Mythago Wood“ auf, für den der Autor den |World Fantasy Award| erhielt. Beide Seiten werden getrennt und müssen wieder vereinigt werden. Das Besondere an dieser emotional aufgeladenen Konstellationen ist jedoch, dass die Bewegung, die dafür nötig ist, in einer Geisterwelt stattfindet: dem Ryhope-Forst.

In Holdstocks keltischer Fantasy befindet sich in diesem Urwald, der dem kollektiven Unbewussten C. G. Jungs entspricht, erstens ein Schacht, der mit weiterem Vordringen ins Innere immer weiter zurück in der Zeit führt. Eines der wichtigsten und furchtbarsten Ungeheuer, Urscumug, stammt beispielsweise aus der Steinzeit. Und zweitens finden bei diesen seelischen Nachtreisen durch die Epochen permanent Verwandlungen, Metamorphosen statt. So verwandelt sich die Hauptfigur Tallis in „Lavondyss“ schließlich in eine Dryade, einen Baumgeist. Das ist äußerst faszinierend geschildert.

Am Ende der Nachtreisen warten harte Kämpfe, die auch in psychologischer Hinsicht alles abverlangen, was die Kontrahenten aufbieten können. Und es ist niemals gewährleistet, dass die Hauptfiguren sicher und heil nach Hause zurückkehren können. Denn im keltischen Zwielicht, das noch nicht durch das christliche Heilsversprechen erleuchtet ist, scheint am Ende des Weges keine spirituelle Sonne, sondern dort wartet nur ewige Nacht. Es ist also die Aufgabe des Autors darzulegen, wie dieses schreckliche Ende vermieden werden kann.

Der MYTHAGO-Zyklus bis dato:

1. Mythago Wood (1984; [Mythenwald, 4139 World Fantasy Award!)
2. Lavondyss (1988; Tallis im Mythenwald)
3. [The Bone Forest 4088 (1991; Sammlung)
4. [The Hollowing 4161 (1993)
5. Merlin’s Wood (1994, Sammlung inkl. Roman)
6. Ancient Echoes (1996)
7. [Gate of Ivory 1422 (2000)
8. Avilion (2008)

Der MERLIN CODEX-Zyklus:

1. Celtika (2001)
2. The Iron Grail (2002)
3. The Broken Kings (2007)

Handlung

Als Tallis Keeton vier Jahre alt war, weckte sie ihr Stiefbruder Harry und küsste sie. „Ich muss gehen“, sagte er, „doch irgendwann werden wir uns wiedersehen.“ Dann verschwand er. Er ging in den Ryhope-Forst, einen beinahe undurchdringlichen Wald, den Forscher wie George Huxley Mythago Wood nannten. Hier nehmen die alten Archetypen und Legenden aller Zeiten (bis zu 10.000 Jahre v. Chr.!) Gestalt an und führen dort ein für Menschen fremdartiges Leben.

Nach Harrys Fortgang und vermutlichem Tod 1948 sind die Keetons eine zerrissene Familie. Diese Zerrissenheit wird von jedem ihrer Mitglieder anders bewältigt. Tallis geht ihren ganz eigenen, sehr gewagten Weg, wie schon ihr Bruder Harry und ihr Großvater Owen. Owen hat ihr ein kommentiertes Märchenbuch geschenkt und ihr einen langen Brief hinterlassen. Außerdem ist er für ihren Namen verantwortlich: Tallis sei die weibliche Form von Taliessin, und der war neben Merlin bekanntlich der größte Magier Englands. Er kommt im Legendenkreis des walisischen „Mabinogion“ vor. Tallis‘ Weg als Zauberin ist vorgezeichnet.

Als sie fünf ist, bemerkt sie die ersten Geistwesen aus dem Augenwinkel, doch wie ihr Owen geraten hat, fürchtet sie sich nicht vor ihnen. Es sind nur Mythagos, und sie geben ihr Geschichten, Wissen und Visionen. Schon bald fallen ihr die geheimen Namen fast aller Orte ein, beispielsweise Morndun-Hügel statt Barrow Hill. Nach einem Besuch im verfallenden Haus von George Huxley (er starb 1946, seine Söhne verschwanden 1947 und 1948) versucht sie, das Gesicht auf dem Totempfahl vor dem Haus nachzuschnitzen. Aber es kommt nur eine bemalte Rindenmaske heraus. Sie nennt sie The Hollower, denn damit könne man alle Hollowings (Hohlwege) zwischen unserer und den anderen Welten sehen. The Hollower ist eines der Geistwesen, die sie aus dem Augenwinkel zu sehen pflegt.

Im Laufe der Jahre schnitzt und bemalt Tallis zehn Masken und gibt ihnen ihre wahren Namen:

1) The Hollower – Der Hohlweger: erleichtert Visionen durch Hollowings, Abkürzungen zu anderen Orten und Zeiten; Tallis hat mehrere Hollowings entdeckt.
2) Gaberlungi: eine ganz weiße Maske: Erinnerung an das Land
3) Sinisalo: Das Kind im Lande sehen
4) Morndun: die erste Reise eines Geistes in ein unbekanntes Land
5) The Silvering – Der Silberling: Der Zug eines Salms in den Flüssen eines unbekannten Lands
6) Falkenna – Das Falkengesicht: Der Flug eines Vogels in ein unbekanntes Land
7) Moondream – Mondtraum: …um die Frau im Land zu sehen
8) Skogen: Schatten des Waldes
9) Cunhaval: Das Rennen eines Jagdhundes durch die Wege eines unbekannten Landes
10) Lament – Wehklage

Die 13-jährigen Tallis ist zu einem phantasievollen Mädchen herangewachsen und hört immer häufiger Stimmen und Gesänge aus dem Ryhope-Wald – den sie den „Alten Verbotenen Ort“ nennt, kurz AVO bzw. OFP (Old Forbidden Place). In einer wunderbar fröhlich-ironischen Szene berichtet sie einem befreundeten Komponisten, dem 84-jährigen Mr. Williams, davon und erzählt ihm die Geschichte von den drei Brüdern Arthur, Mordred und Scathach: „Das Tal der Träume“. Das Lied, das sie danach hört, identifiziert der alte Musiker als das Volkslied „Der reiche Mann und Lazarus“.

Als sie Mr. Williams kennenlernt, hat sie bereits eine einschneidende Erfahrung hinter sich, in der sie das Vogelgeistland begründet hat. Als sie in der alten Eiche Stark-gegen-den-Sturm ein Hollowing entdeckt, erblickt sie einen schönen jungen Krieger, in den sie sich sofort verliebt. Allerdings liegt er schwer verletzt auf einem großen Schlachtfeld. Sie nennt ihren Namen, Tallis, und er nennt sich Scathach. Auf keinen Fall will sie ihn sterben lassen, wirft ihm durch das Hollowing hindurch Verbandszeug hinunter.

Da sieht sie zu ihrem Schrecken, wie mehrere Gefahren ihren Geliebten bedrohen: ein dunkler Sturm, eine Schar Aasvögel und zu guter Letzt vier schwarz gekleidete alte Frauen, die die Gefallenen ausplündern und zerstückeln. Das darf ihrem Scathach nicht passieren! Und so versucht sie die drei Gefahren abzuwehren. Mit diversen magischen Objekten wehrt sie die Aasvögel ab und schafft so Vogelgeistland. Fortan meiden alle Vögel diese Eiche, die in zwei Dimensionen steht. Die vier Leichenfledderer kann sie nur aufhalten, doch nicht vertreiben. Ein Schamane und eine fünfte Frau kommen und tricksen Tallis aus: Sie bewegen die Zeit. Als Tallis das nächste Mal zum Hollowing zurückkehrt, liegt Scathach bereits auf dem Scheiterhaufen und brennt. Eine junge Kriegerin erweist ihm die letzte Ehre. Tallis sieht ein, dass sie alles missverstanden hat. Die Leichenfledderer haben nur Scathach gesucht, um ihn zu bestatten.

Fortan beschließt Tallis, bedachtsamer zu sein. Und sie gibt Scathach (ähnlich wie ihrem Bruder Harry) ein Versprechen, das sie in einem Lied zusammenfasst:

„Ein Feuer brennt im Vogelgeistland,
Im Vogelgeistland liegt mein junger Liebster.
Ein Sturm tobt im Vogelgeistland,
Ich werde die schwarzen Aasvögel verjagen,
Ich werde über meinen Liebsten wachen,
Ich werde bei ihm sein im Vogelgeistland.
Ein Feuer brennt im Vogelgeistland,
Mein Körper glüht.
Ich muss dorthin reisen.“

(S. 116 der Übersetzung)

Mr. Williams – es handelt sich um den Komponisten Ralph Vaughan Williams (1874-1958) – hat ihr als Lohn für dieses schöne, eigenartige Lied den wahren Namen des letzten Stücks Land verraten, das sie vom Betreten Ryhope Woods abgehalten hat: Find-mich-wieder-Feld. Nun kann sie erneut Oak Lodge, das vom Wald zurückeroberte Haus von George Huxley, besuchen. Es gelingt ihr, sich vor bronzezeitlichen Eindringlingen zu verstecken und Huxleys geheimes Tagebuch zu stibitzen. Ihr Großvater Owen hat ihr davon erzählt, denn er kannte Huxley. Dieses Buch liest sie nun – ein echter Augenöffner. Sie erfährt von Mythagos, Geistzonen und Edward Wynne-Jones, Huxleys verschollenem Freund und Kollegen.

Abschied

Eines Abends, als ihre Eltern Freunde besuchen, begibt sich Tallis mit ihrem Schulkameraden Simon auf einen Hügel. Dort begegnet ihr eine der drei Mythagofrauen, die sie unterwiesen haben: Weiße Maske. Diese nennt Tallis „Oolerinnen“, eine Frau, die Hollowings formen kann. Simon macht sich vor Angst aus dem Staub. Hier erweist sich, dass ihre beschwörenden Kräfte enorm gewachsen sind. Aus der Erde erheben sich riesige stehende Steine. Vor Angst verduftet nun auch Tallis, doch auch in ihrem Zimmer ist sie vor den Reitern, die sie aus dem Wald hat kommen sehen, nicht sicher.

In ihrem Zimmer besucht sie der junge Scathach aus ihrer Vision. Sie hat ihn jagen und auf dem Schlachtfeld liegen gesehen – ist er ihr Mythago oder ein eigenständiges Wesen? Von beidem etwas, denn sein Vater ist Wynne-Jones, ein mächtiger Schamane tief im Herzen des Waldes, erzählt er. Scathach drängt sie, mit ihm in den Wald zu kommen. Sie soll einen furchtbaren Fehler korrigieren, den sie mit der Schaffung von Vogelgeistland begangen hat. Von dort kommen böse Wesen in den Rest des Waldes, ganz besonders nach Lavondyss. Und was könnte dort deshalb auch Harry zugestoßen sein? Sie muss ihre eigene Schöpfung, die sie aus Liebe bewirkt hat, wieder rückgängig machen. Doch um welchen Preis?

Nun gelingt Tallis der Durchbruch in Gebiete jenseits der Waldgrenzen. Als sie den Grenzbach überschreitet, verliert sie allerdings ihre Maske Moondream, und das ist alles, was ihrem Vater von ihr bleiben wird. Auch wenn sie ihm verspricht, in einer Woche zurückzukehren. (In „The Hollowing“ kehrt James Keeton von seiner vergeblichen Suche wieder zurück und läuft Richard Bradley direkt vors Auto. Die Maske wird noch viel Unheil anrichten.) Tallis aber macht sich auf den Weg, um im Mythenwald ihren verschollenen Bruder zu suchen.

Mein Eindruck

Tallis folgt einer Vision. Diese hatte sie in dem Märchen vom Tal der Träume beschrieben. Darin kommen sie selbst, Scathach und Harry vor, doch sie muss herausfinden, wie alles zusammenhängt. Ryhope Wood ist eine Landschaft der Seele, und die Reise führt in Tallis‘ tiefstes Unterbewusstsein, dorthin, wo älteste Erinnerungen der Menschheit schlummern. Diese Erinnerungen sind dazu geeignet, den heutigen, unvorbereiteten Zeitgenossen gehörig in Schrecken zu versetzen. Es kommen mehrere Morde vor …

Eine kleine Ahnung davon, was auf Tallis zukommt, hat uns ihre Vision vom auf dem Schlachtfeld von Mount Badon sterbenden Scathach vermittelt. Überall Leichen und ihre Überreste. Hier verliert sie Scathach erneut, aber da sie dieses Ereignis vorausgeahnt hat, ist sie nicht allzu sehr erschüttert, wenn auch ihre Trauer um den Geliebten groß ist. Was sie jedoch überrascht, ist das wütende Auftreten von Scathachs Halbschwester Morthen, die von Wynne-Jones zur Schamanin ausgebildet wurde. Morthen liebt ihren Bruder und verletzt die Rivalin Tallis derart, dass Tallis eine Zeitlang genesen muss.

Verwandlungen

Ihre Weiterreise führt sie in die Festung im Alten Verbotenen Ort, die sie aus ihrem Märchen vom Tal der Träume kennt, und lässt sie auf ein Zeichen von Harry stoßen, seinen Revolver. Doch um weiterzukommen, ist es erforderlich, dass sie sich verwandelt: zunächst in einen Baum, dann in eine Maske, schließlich in ein Stechpalmenwesen (einen Daurog), das ein Naturgeist ist, dann wieder in einen Menschen. Diese Verwandlung kann nur in Lavondyss vonstatten gehen, an einem Ort also, wo Menschenseelen jenseits der Zeit überdauern können. Der Sinn und Zweck ihrer Verwandlungen ist die Befreiung von Harrys Geist, der durch Tallis‘ Eingreifen im Vogelgeistland gefangen war. Damit ist ihre große Aufgabe eigentlich erfüllt.

Taliesin

Dieser Zyklus der Verwandlungen erinnert mich an Tallis‘ berühmten Namensvetter, den Zauberer Taliesin, der sich in viele Lebewesen verwandeln konnte, wie uns die Quellen berichten, so etwa das „Mabinogion“ und das Buch „Die weiße Göttin“ von Robert Ranke-Graves. Was daraus zu lernen ist? Dass die Seele (spirit) dazu in der Lage ist, ihr eigenes Unbewusstes zu erforschen und dort auf uralte Wahrheiten zu stoßen. Wenn von Geistern die Rede ist, dann nie im Sinne von „ghost“, sondern immer im Sinne von „spirit“.

Der unvorbereitete Leser mag denken, dass all diese Verwandlungen ziemlich seltsam sind, aber das ist nur der Fall, wenn man vergisst, dass ganz Ryhope Wood und besonders Lavondyss Landschaften der Seele sind. Hier kann die Seele andere Gestalten als „Bekleidungsformen“ annehmen und auf diese Weise auf ihre Umgebung einwirken. So verändert beispielsweise Tallis‘ Auftauchen den Wald um sie herum, und sie selbst wird stets in allen möglichen Formen von den zur Erkenntnis fähigen Wesen erkannt.

Darstellung und Vermittlung

In Lavondyss herrschen andere Gesetzmäßigkeiten, aber sie gehorchen nicht dem Zufall, sondern haben stets einen Sinn und einen Zweck, den uns der Autor zu vermitteln versteht. Die Art und Weise dieser Vermittlung gelingt ihm in der ersten Romanhälfte – ich habe sie oben skizziert – ausgezeichnet. Auch das zweite Drittel, aus der Perspektive von Wynne-Jones erzählt, stellt kein Problem dar. Doch alles, was im Lavondyss-Zyklus der Verwandlungen geschieht, stößt an die Grenzen des Erzählbaren. Man merkt es an den kurzen, stakkatohaften Sätzen, zu denen der Autor Zuflucht nehmen muss. Noch schwieriger wird es selbst für den Autor, all die Zeitschleifen unter Kontrolle zu bringen und zu erklären, die sich gegen Schluss ereignen. Da war ich häufig nicht sicher, mit welchen Geistern ich bzw. Tallis es gerade zu tun hat: Ist dies nun Scathach oder Harry oder sonstwer?

Eine runde Sache?

Tallis durchläuft offensichtlich mehrere Zyklen, als sie zu Wynne-Jones‘ Volk zurückkehrt, wo Scathach und Morthen zuerst auftraten. Natürlich muss sie auch den befreiten und zurückgekehrten Harry, ihren Bruder, wiedertreffen. So wird aus ihren Abenteuern in Lavondyss in zeitlicher Hinsicht „eine runde Sache“. Aber dies alles grenzt an das Wundersame, und wenn der Leser nicht schon vorher ziemlich misstrauisch war, so wird er es spätestens jetzt, wenn sich alles so wunderbar fügt.

Schön ist hingegen wieder die Coda, in der sich ein kleiner Junge namens Kyrdu fragt, auf welche Weise man wohl aus dem Wald hinaus in jene westliche Welt gelangen könnte, von der Großmutter Tallis, das Orakel, so oft erzählt hatte.

Die Übersetzung

Die deutsche Übersetzung durch Barbara Heidkamp ist zum Abgewöhnen und dazu angetan, nie wieder eine Übersetzung lesen zu wollen. Nicht nur, dass ich noch nie zuvor und nie danach derart viele Druckfehler vorgefunden habe, nein, auch der Text wurde gegenüber dem Original entscheidend gekürzt!

Ich war regelrecht geschockt, als ich auf folgenden Seiten auf Lücken stieß: 105 (Tallis‘ Gedicht), 112, 383, 386, 389 und 390. Offensichtlich sollte der Umfang des Buches so getrimmt werden, dass 400 Seiten nicht überschritten würden. Das ist der Übersetzerin vollauf „gelungen“, doch der deutsche Leser schaut in die Röhre. Er bekommt kein Produkt, das dem Original entspräche. Bis heute liegt keine verbesserte oder vollständige Ausgabe vor.

Was mich dann vollends von der Unfähigkeit der Übersetzerin überzeugte, war ihre Verwendung des Verbs „stieben“, was so viel wie „dahinfegen“ bedeutet. Die Vergangenheitsform (Präteritum) des Verbs lautet nicht „stieb“, wie auf den Seiten 331 und 364 nachzulesen ist, sondern „stob“. Viele Male wird statt „sie“ auch „sich“ geschrieben. Und „holly“ übersetzt sie uneinheitlich mal (korrekt) mit „Stechpalme“, mal mit „Eibisch“, was nur Spezialisten kennen.

Angesichts all dieser Unzulänglichkeiten rate ich daher dringend zur Lektüre des Originals „Lavondyss“. Einige der Originalausgaben sind mit faszinierenden Abbildungen der eingesetzten Masken, die ich oben aufgelistet habe, illustriert.

Unterm Strich

Unter allen fünf Ryhope-Wood-Romanen ist „Lavondyss“ sicherlich für den Uneingeweihten am schwersten zu lesen. Deshalb rate ich dazu, erst Band 1 und Band 3 zu lesen, bevor man sich an „Lavondyss“ wagt. Wer mit C. G. Jungs Theorie der Archetypen im kollektiven Unbewussten und der Sprache der Symbole nicht vertraut ist, wird das Buch sowieso als unverständlich in die Ecke feuern. Die Persönlichkeitsentwicklung von Tallis entspricht nicht dem gewohnten Muster des westeuropäischen „Bildungsromans“, in dem sich der Held bzw. die Heldin mit der Gesellschaft arrangiert oder nicht.

Metamorph

Denn was hier an Gesellschaft vorhanden ist, sind jungsteinzeitliche Jäger, Sammler und Schamanen mit nicht besonders appetitlichen Angewohnheiten, sowie seltsame Zwitterwesen, die sowohl Stechpalme und Winterwolf als auch Vogel sein können. Diese Daurogs sind die Vorläufer des Waldgeistes namens The Green Man, den man heute nur noch aus dem Märchen „Jack and the Beanstalk“ bzw. „Hans der Riesentöter und die Bohnenranke“ kennt. Eine solche sekundäre Welt ist der Leser von traditioneller Fantasykost nicht gewöhnt. Der englische Literaturkritiker John Clute erfand deshalb für Holdstocks Schreibweise die Bezeichnung „metamorphic fiction“, also „Dichtung der Verwandlungen“.

Wanderlust

Ich hingegen liebte den Roman, als ich ihn im Original las, und wollte mir gleich als Erstes eine Maske schnitzen. Wie wäre es, wenn man durch eine solche Maske seinen Geist auf Reisen schicken und Dinge erblicken könnte, die man mit normalen Augen nie erblicken würde? Da könnte Supermans Röntgenblick glatt einpacken.

Die deutsche Ausgabe

Von der Lektüre der deutschen Fassung, die sich Übersetzung schimpft, ist hingegen dringend abzuraten. Nicht nur ist die Sprache malträtiert worden, sondern zudem wurde der Text im Vergleich zum Original um mehrere Seiten gekürzt.

Originaltitel: Lavondyss, 1988
399 Seiten
Aus dem Englischen übertragen von Barbara Heidkamp

https://www.luebbe.de

Holdstock, Robert – The Horned Warrior (Berserker-Saga 3)

Berserker-Saga:

Band 1: „Odins Wolf“
Band 2: „Die Jägerinnen von Connacht
Band 3: „The Horned Warrior“ (nicht übersetzt)

Der Berserker vs. die Römer: Showdown in Stonehenge

Harald Schmetteraxt, ein junger Norweger, von Odin verflucht, wird zu einem wahnsinnigen Krieger, der Tausenden den Tod bringt. Wenn ihn der Kampfrausch überkommt, treibt er ganze Heere in die Flucht, und nicht einmal seine eigene Familie ist vor ihm sicher. Verzweifelt flieht er vor dem eigenen Schicksal, aber wohin er auch kommt, bringt er Tod und Verderben – er ist ein Berserker.

Nun sucht Harald Erlösung von dem Fluch, doch der Weg führt zurück an den Anfang, in sein Heimatdorf. Dort wird er getötet. Nun erwacht er wieder, denn sein Geist findet keine Ruhe. Nach seinen Abenteuern im Irland und Wales des 5. Jahrhunderts verschlägt ihn eine erneute Seelenwanderung ins erste Jahrhundert: Die Römer haben Britannien unterworfen.

Ganz Britannien? Nein, Mona, die heilige Insel der Druiden, hält den Invasoren noch stand. Und hier erhofft Harald das Geheimnis zu finden, wie er den Fluch Odins abschütteln kann …
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Robert Holdstock – Merlin’s Wood or The Vision of Magic (Ryhope Forest 5)

Der Zauberer in Broceliande: magische Geschichten

Dieser Sammelband enthält einen phantastischen Roman um Merlin und die Zauberin Vivien, mit Schauplatz in der Bretagne, sowie zwei Erzählungen, die in Irland beziehungsweise in Schottland spielen – die Kelten mit ihren Legenden lauern also immer im Hintergrund. Von diesen Texten wurde allein „Earth and Stone“ bislang bei uns veröffentlicht.
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Robert Holdstock – Der Geisterbeschwörer. Die Verlockung der Sünde.

Der Fluch der Druiden: der entfesselte Dämon

„Vor vielen Jahrhunderten verehrten die Menschen von Higham den Geist der Steine. Heute beten sie, dass der Schrecken ein Ende nehmen möge. In einer kleinen Stadt westlich von London stehen die Ruinen einer ausgebrannten Kirche. In den Ruinen befindet sich ein steinernes Taufbecken, um das sich dunkle Legenden ranken – Legenden von Blut, Selbstmord und Wahnsinn.

Für eine junge Mutter bedeuten die Ruinen ein Gefängnis, in dessen Mauern die Seele ihres Sohnes gefangen gehalten wird. Für einen ehrgeizigen Wissenschaftler bedeuten sie ein Forschungsobjekt, eine Herausforderung. Für eine französische Hellseherin sind sie ein Schlüssel in die Vergangenheit. Für alle aber birgt dieses alte Gemäuer eine tödliche Gefahr!“ (Verlagsinfo)
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Robert Holdstock – The Iron Grail (Merlin Codex 2)

Faszinierende Begegnung mit der Anderwelt

Band 1: Das legendäre Abenteuer Jasons und seiner Argonauten endete in einer Tragödie, als Jason seine Gattin Medea betrog und sie sich bitter dafür rächte. Jason hat nur noch sein magisches Schiff Argo, das vom Geist der Göttin Hera erfüllt ist. 700 Jahre später kommt der potenziell unsterbliche Zauberer Merlin in den Norden Finnlands, um dort die Argo und ihren darin eingeschlossenen Kapitän Jason aus einem vereisten See zu heben.

Das magische Unternehmen gelingt mit Hilfe einer Schamanin namens Niiv und ihrer Verwandten. Als Merlin Jason berichtet, dass dessen zwei Söhne nicht, wie Jason glaubte, tot seien, sondern im Land der Geister, Alba (Britannien), am Leben, sammelt Jason erneut Argonauten um sich, um die verloren Geglaubten zu finden. Es wird ein magisches Abenteuer.

Band 2: Im ersten Band hat Jason seinen ersten Sohn Thesokuros gefunden, doch mit unerwarteten Folgen. Nun kehrt Merlin nach Alba, das Land der Schatten von Helden, zurück und stößt auf Kinos, Jasons zweiten Sohn. Auch dieses Zusammentreffen zeitigt schreckliche und tragische Konsequenzen.
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Robert Holdstock – Celtika. Book One of The Merlin Codex

Argonauten reloaded: Merlin, der unglückselige Weltenretter

Das legendäre Abenteuer Jasons und seiner Argonauten endete in einer Tragödie, als Jason seine Gattin Medea betrog und sie sich bitter dafür rächte. Jason hat nur noch sein magisches Schiff Argo, das vom Geist der Göttin Hera erfüllt ist. 700 Jahre später kommt der potentiell unsterbliche Zauberer Merlin in den Norden Finnlands, um dort die Argo und ihren darin eingeschlossenen Kapitän Jason aus einem vereisten See zu heben.

Das magische Unternehmen gelingt mit Hilfe einer Schamanin namens Niiv und ihrer Verwandten. Als Merlin Jason berichtet, dass dessen zwei Söhne nicht, wie Jason glaubte, tot seien, sondern im Land der Geister, Alba (Britannien), am Leben, sammelt Jason erneut Argonauten um sich, um die verloren Geglaubten zu finden. Es wird ein magisches Abenteuer.
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Robert Holdstock – Ancient Echoes (Ryhope Wood Zyklus 6)

Horror-Trip in die Traumzeit

Zwei Gestalten aus der Welt seiner Visionen entführen Jack Chatwins kleine Tochter. Um sie zurückzubekommen, muss er in das Land gehen, aus dem die beiden Entführer stammen: jenseits unserer Wirklichkeit. Es wird eine spannende Entdeckungsreise, die u.a. zur Selbsterkenntnis führt.

Auch dies ist wieder ein extrem spannender und origineller Trip in die Traumzeit. Das ist die der keltischen Jungsteinzeit und der Bronzezeit und noch davor, also nicht mit der der Aborigines zu verwechseln.

Der Autor

Robert Paul Holdstock, geboren 1948, begann mit dem Schreiben schon 1968, machte sich aber erst 1976 als Schriftsteller selbständig und schrieb daraufhin eine ganze Menge Genre-Fantasy. Dabei entstanden wenig interessante Trilogien und Kollaborationen an Sword and Sorcery-Romanen, u.a. mit Angus Wells.

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Robert Holdstock – Avilion (Ryhope Wood Zyklus 8)

Die Kraft von Rot und Grün: Showdown im Mythenwald

Im uralten Ryhope-Forst, dem Mythenwald, entstehen Mythen-Imagos, und sie faszinieren die Menschen so, dass diese ihnen folgen, mit oft unerwarteten Folgen. Steven, der Sohn des Mythago-Forschers George Huxley, folgt Guiwenneth, der Kriegerkönigin, in den Wald und erkämpft sie von seinem Vater und seinem Bruder, die sie ebenso lieben, für sich.

Ihre Kinder Jack und Yssobel sind im Mythenwald aufgewachsen, folgen aber unterschiedlichen Bestimmungen. Yssobel sehnt sich nach einem Wiedersehen mit ihrer verschwundenen Mutter, die im Innersten des Waldes, in Avilion, existieren könnte. Doch Jack ahnt, dass ihr Gefahr droht. Um mehr über Guiwenneths und Yssobels Mythen zu erfahren, dringt er bis an den Rand des Waldes vor und kehrt in das Haus seines Großvaters zurück. Dort erfährt er, welche Gefahr seiner Schwester droht, und muss eilen, sie zu retten.
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