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Henning Poehl – Die Monstermacher

Frankenstein-Flair für Studenten

Also dieser Henning Poehl kommt auf Ideen … Nachdem mich „Popeln“ in Sachen eigenartiger Inspiration schon zum Wahnsinn getrieben hat, nimmt diese Entwicklung nun ein weiteres Extrem an. In „Die Monstermacher“ geht es nämlich darum, den menschlichen Körper bzw. dessen zerrupfte Teile wieder zusammenzusetzen, dies aber wie gehabt auf eher unkonventionelle Art und Weise. Die Spieler schlüpfen eigens hierzu in die Rolle von Studenten der Anatomie, sammeln in Friedhofsgräbern verstümmelte Leichenteile, basteln sie wieder zusammen und versuchen letztendlich, ihr anatomisches Produkt wiederzubeleben. Das kann ja heiter werden, mag man nun denken – und tatsächlich: Es wird heiter!

_Spielmaterial_

• 5 Grabstein-Karten
• 5 Übersichtskarten
• 6 Rumpfkarten
• 36 Körperteilkarten
• 6 linker-Arm-Karten mit den Werten 0-5
• 6 rechter-Arm-Karten mit den Werten 0-5
• 6 linkes-Bein-Karten mit den Werten 0-5
• 6 rechtes-Bein-Karten mit den Werten 0-5
• 6 Kopf-Karten mit den Werten 0-5
• 6 Gehirn-Karten mit den Werten 0-5
• 5×5 Grabräuber-Karten mit den Werten 1-5
• 5 sechsseitige Würfel in rot (die Studienwürfel)
• 1 weißer sechsseitiger Würfel

Der Autor hat sich in Sachen Spieldesign auf makabere, eigensinnig humorvolle Weise dem Thema genähert, ohne dabei die Horror-Atmosphäre außer Acht zu lassen. Die Karten des Friedhofs zum Beispiel sind recht simpel strukturiert, verfehlen ihre teils schaurige Wirkung jedoch nicht. Schon ein wenig heftiger sind indes die Karten mit den Körperteilen, an deren Stümpfen stets noch ein Rest des Blutes sichtbar ist. Dies mag zwar seltsam anmuten, wenn man bedenkt, dass ihre Herkunft ein toter Körper ist, geht aber im Bezug auf die Hintergrundthematik dennoch in Ordnung. Allerdings fehlt es diesen Karten auf der Rückseite ein wenig an Übersicht. Dort sind die Körperteile nämlich ein weiteres Mal, jedoch ohne Punktewert, abgebildet, bieten aber die Schwierigkeit auf, dass man gerade bei den Armen nicht sonderlich gut zwischen Rechts und Links unterscheiden kann. Ein bisschen mehr Detailschärfe wäre diesbezüglich angebracht gewesen, wenngleich dies der einzige Kritikpunkt zum solide konzipierten Material ist.

_Spielziel – worum es geht_

Als Anatomiestudent ist man bestrebt, einen gesamten Körper wieder zusammenzunähen und schließlich Frankensteins Erbe anzutreten. So sammelt man an den Grabmälern die fehlenden Teile, operiert sie mit Hilfe fremder Assistenten aneinander und startet anschließend den Versuch der Wiederbelebung. Jedoch ist nicht gleich derjenige der Sieger des Spiels, der hierbei erfolgreich ist. Die neu konstruierten Leichenteile weisen nämlich einen differenzierten Punktewert auf, der bei der abschließenden Wertung über Sieg und Niederlage entscheidet. Diese Punkte werden addiert und mit eventuellen Boni, zum Beispiel durch die Anlage von drei oder mehreren Teilen mit dem Wert 0, zusammengerechnet. Wer hier am besten abstaubt, ist der Monstermacher schlechthin!

_Spielvorbereitung_

Vor Beginn des Spiels werden die Grabsteine abhängig von der Spielerzahl in der Tischmitte ausgelegt. Anschließend mischt man die Körperteilkarten gut durch und legt jeweils sechs vor die Grabsteine. Die übrigen Karten werden einzeln an die Spieler verteilt bzw. bilden als Überbleibsel den Galgenberg.

Indes bekommt jeder Spieler einen Rumpf plus die vier Karten zum Grabraub sowie einen roten Würfel. Außerdem werden die Übersichtskarten ausgehändigt. Nun kann die Grabschändung beginnen!

_Spielablauf_

„Die Monstermacher“ gliedert sich pro Runde in drei unterschiedliche Aktionsphasen, in der jeweils ganz verschiedene Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Man ist jedoch nicht verpflichtet, alle Aktionen durchzuführen, sondern kann hier beliebig handeln.

In der ersten Aktionsphase kann man nun versuchen, an neue Körperteile für seine Figur zu gelangen. Dies geschieht entweder durch den Raub am Grab, am Galgenberg oder bei den Mitspielern. Wer dabei erfolgreich ist – es gibt jeweils ganz spezielle Bedingungen –, muss seinen anfangs auf der Augenzahl 3 positionierten Würfel um den Wert 1 auf 4 erhöhen. Wer jedoch tatsächlich problemfrei aus dem Grab zurückkehrt, bekommt den Punkt wieder zurück. Sollte die Augenzahl auf dem roten Sechsseiter hingegen bedenklich sein, kann man sich in dieser ersten aktiven Phase auch dazu entschließen, sein Studium vorzubereiten, was schließlich keinen Tribut fordert.

Gegebenenfalls mit neuen Körperteilen ausgestattet, geht es nun in die zweie Aktionsphase. Jetzt kann man im Optimalfall bereits sein gerade ergattertes Körperteil an den Rumpf annähen. Dies erfordert jedoch den Einsatz eines Assistenten, sprich eines Mitspielers, der sich hierzu bereiterklärt. Jedoch hat dieser auch die Möglichkeit, sich das vorgeschlagene Teil des Konkurrenten selber unter den Nagel zu reißen und sich stattdessen ein unbrauchbares, fehlendes Teil aus seinem Lager zu nehmen, um dieses daraufhin seinem Gegner anzunähen. Schließlich muss nur noch entschieden werden, ob die Operation erfolgreich verlaufen ist. Dies ist der Fall, wenn die Augenzahl auf dem weißen Würfel gleich oder größer ist als die Summe auf dem eigenen roten Würfel.

Sobald ein Gehirn und ein Kopf montiert wurden, kann man nun auch versuchen, seine Leiche wiederzubeleben. Auch hierzu wirft man den weißen Würfel, zieht aber für jedes fehlende Körperteil einen Punkt der Würfelsumme ab. Eine zu frühe Wiederbelebung erscheint aufgrund dessen eher unrealistisch. Ruhige Gemüter sollten sich hingegen fürs Studium begeistern. Hierbei kann man seinen Würfel wieder um ein Auge zurückdrehen, bei zuvor getroffener Vorbereitung sogar um zwei.

In der letzten Aktionsphase kann man nun noch mit den Mitspielern feilschen und tauschen. Legitim ist diesbezüglich auch, dass man Würfelaugen tauscht, so dass der Handel ganz nach eigenen Bedingungen abläuft. Alternativ kann man nun auch Grabraub-Karten zurückerlangen, die während der ersten Aktion offen liegengeblieben sind.

_Spielende_

Das Spiel ist sofort zu Ende, wenn einer der Körper wiederbelebt werden konnte. Jedoch ist der Eigner dieses Körpers nicht zwingend der Sieger. Zwar erhält er drei Bonuspunkte für die Entfesselung Frankensteins, darf sich deshalb aber noch längst nicht siegessicher sein, da auch anderweitig Zusatzpunke verteilt werden. In der Schlusswertung werden nun alle Punkte addiert und der Gewinner ermittelt.

_Persönlicher Eindruck_

„Die Monstermacher“ bleibt dem allgemeinen Konzept des |Sphinx|-Verlags in jeglicher Hinsicht treu: Es ist ein außergewöhnliches Kartenspiel in einem interessanten gruseligen Setting, jedoch gleichzeitig mit gehörigem grafischem Humor ausgestattet, der erst den ganz speziellen Reiz an der Sache ausmacht. Des Weiteren ist das für drei bis fünf Spieler konzipierte Werk enorm kommunikativ, denn in fast allen Aktionsphasen steht man im direkten Kontakt mit der Konkurrenz. Insofern ist das vorläufige Resümee auch schon mal echt positiv.

Und dennoch bleibt „Die Monstermacher“ nicht bloß inhaltlich, sondern vor allem auch spieltechnisch eine sehr kontroverse Angelegenheit, die im hiesigen Spielerkreis schon Missmut und Lob zugleich einstecken musste. Gerade bei der ersten Partie kommt man noch nicht so in die Gänge und macht unheimlich viele Leichtsinnsfehler, die beim weiteren Spiel ein wenig verunsichern. Nun ist „Die Monstermacher“ sicherlich kein allzu komplexes Spiel, jedoch braucht es definitiv seine Zeit, bis man die Wenderichtung der Würfel bzw. den geschickten Einsatz seiner Grabraub-Karten durchschaut hat. Gerade Debütanten haben es recht schwer und strengen sich mühselig an, den Reiz des Spiels ausfindig zu machen, wo es doch andererseits ein wenig konfus strukturiert ist.

Die Meinungen gehen daher auch ziemlich deutlich auseinander. Während mich persönlich der Witz des Spiels sowie die Eigenschaft, für eine kurze Zeit Frankenstein zu spielen, von Anfang an begeistert haben, haben Freunde das Spiel eher langweilig empfunden. Dies kann insofern nachvollzogen werden, als man des Öfteren in Sackgassen hineinrennt, aus denen man sich erst wieder befreien kann, wenn es bereits zu spät ist. Es sind nämlich einige Unbekannte im Spiel, darunter auch die glückliche Würfelhand sowie die unschlüssige Auswahl aller Elemente beim Grabraub, bei denen einfach das Glück und nicht der Verstand entscheiden. Aber man muss sich einfach bereitwillig damit arrangieren, dass diese Komponente stärker berücksichtigt wird, um sich allgemein auf „Die Monstermacher“ einlassen zu können.

Als langweilig habe ich das Spiel letztendlich deswegen nicht empfunden, weil die Interaktion immerzu dynamisch ist. Aber auch die Umsetzung des thematischen Hintergrunds mit Einbeziehung Poehls komischen Humors ist einfach stark und überzeugend, ersichtlich in der tollen Atmosphäre, die sich alsbald bei der Zusammensetzung der Leichen einpendelt. Sieht man also von der zunächst verwirrenden Handhabung der Würfel und dem betonten Faktor Würfelglück ab, kann man eigentlich nichts finden, was diesen Titel in irgendeiner Weise angreifbar macht. Es mag zwar sein, dass manche Aktionen etwas ausgeprägter und übersichtlicher hätten dargestellt werden können, und auch hat das Spiel langfristig nur eine verhältnismäßig geringe Tiefe, doch da auch die strategischen Werte nicht zu vernachlässigen sind und die makabere Monsterkreation einfach nur jede Menge Spaß bringt, kann man diese minimalen Schönheitsfehler geflissentlich außer Acht lassen. Meines Erachtens jedenfalls ist „Die Monstermacher“ nicht bloß interessant, sondern in seinem kompletten Erscheinungsbild ein weiterer, ziemlicher lohnenswerter Titel aus dem Hause |Sphinx|!

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