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Harbort, Stephan – Phänomen Serienmörder: Der Mittagsmörder

_Nichts für Fans von Hannibal Lecter_

Der Kriminalkommissar berichtet in seiner Hörbuchserie „Phänomen Serienmörder“ authentische Kriminalfälle aus der deutschen Kriminalgeschichte. In der Folge „Der Mittagsmörder“ berichtet er über einen Raubmörder, der meist zu Mittag in Banken, Sparkassen, Geschäften und Wohnungen zuschlug. Fünf Jahre lang blieb er unentdeckt – „High Noon“ im Nürnberger Land.

_Der Autor_

Stephan Harbort ist nach Verlagsangaben der bekannteste Serienmörder-Experte Deutschlands. Er wurde 1964 in Düsseldorf geboren, wo er heute mit seiner Familie lebt. Der Kriminalkommissar und Verwaltungswirt ist stellvertretender Leiter eines Kriminalkommissariats beim Polizeipräsidium Düsseldorf. Über sein Spezialgebiet hinaus entwickelte er international angewandte Fahndungsmethoden zur Überführung von Serienmördern. Er ist Fachberater bei diversen Fernsehsendern, war außerdem beratend bei den Kinofilmen „Hannibal“ und „Roter Drache“ tätig. Er trat bei Günther Jauch, Frank Elstner und Johannes B. Kerner auf. Er hat mehrere Bücher veröffentlicht.

Von 1997 bis 2007 führte Harbort Interviews mit 48 verurteilten Serienmördern in Justizvollzugsanstalten und psychiatrischen Krankenhäusern. Er sprach zudem mit überlebenden Opfern und Personen aus dem sozialen Umfeld von Tätern und Opfern. Kriminalistische und kriminalpsychologische Analysen ergänzen diese Gespräche. Darauf basieren seine Erkenntnisse, die er in der Hörbuchserie „Phänomen Serienmörder“ verarbeitet und präsentiert. Sein Ziel: mit verbreiteten Vorurteilen und falschen, von den Medien geschürten Vorstellungen aufräumen; zu einem menschenwürdigen Umgang mit Serientätern jenseits des schlichten „Wegsperrens“ anregen.

Die Serie umfasst folgende Titel:

– [Blaubeer-Mariechen 3946
– Der Mittagsmörder
– Private Geheimsache
– Das Phantom

_Die Sprecher_

Barbara Stoll ist Schauspielerin und Sprecherin zahlreicher Hörbücher sowie durch das Fernsehen bekannt als Präsentationsstimme bei |Arte|, |n-tv| und anderen.

Heiner Heusinger ist Schauspieler und Sprecher zahlreicher Hörbücher.

_Handlung_

Es ist der 22. April 1960, als um 22:30 Uhr in Ochsenbruck das Haus der Vermieterin Mechtild Ruhland von Nürnberger Polizei und Schaulustigen umlagert ist. Die 58-Jährige zittert, weil sie dem Mörder begegnete. Er rief: „Geld oder Leben!“ Sie rief um Hilfe, bis Herr Heinrich, der Verlobte ihrer Untermieterin Egerer, herbeieilte. Schüsse fielen, Blut floss, jetzt liegen zwei Leichen im Haus von Mechtild Ruhland. Nur eine Ladehemmung und das Erscheinen einer Putzfrau verhinderten Schlimmeres. Der Killer floh. Nun beschreibt sie ihn als etwa 25 Jahre alt, aber leider unauffällig, doch ihre Beschreibung erscheint den Polizisten als ungewöhnlich präzise. Dennoch gelingt es dem Täter, der sofort eingeleiteten Fahndung zu entschlüpfen.

Die nachfolgenden Ermittlungen erbringen keine greifbaren Ergebnisse. Der unter Verdacht geratene Ausfahrer einer Spedition hat ein wasserdichtes Alibi: Er war gerade bei der Zollkontrolle. Ein anonymer Hinweis setzt die Polizisten auf die Spur von Ludwig Wallasch, bewaffnet und vorbestraft. Doch der schließlich Festgenommene wird von Mechtild Ruhland nicht als der Täter identifiziert. Zwei Jahre Fahndung vergehen …

Am 10. September 1962 erschießt ein Bankräuber den Filialleiter der Sparkasse Walter Borchert wegen 3060 Mark! Mehrere Parallelen stellen eine Verbindung zu den Morden in Ochsenbruck her. Nur wenige Wochen später, am 30. September, überfällt derselbe Räuber die Sparkasse von Neuhaus an der Pegnitz, ebenfalls in der Region Nürnberg. Er erschießt den Kunden Walter Brümmer, 62, weil dieser in seine Brusttasche greift und gar nicht registriert hat, dass überhaupt ein Überfall im Gange ist. Der „Spiegel“ tauft den Räuber auf den Spitznamen „Mittagsmörder“, weil er stets zur Mittagszeit zuschlägt.

Als am 27. März 1963 der Waffenladenbesitzer Hartmut Morgentaler auf dem Polizeirevier eine Aussage zum Mittagsmörder ankündigt, hoffen die Beamten auf den Silberstreif am Horizont. Doch zu früh gefreut. Zwei Tage später finden sie Morgentaler und seine Mutter hingerichtet vor. Die Ballistiker staunen jedoch: Sie finden Spuren der zwei Tatwaffen aus Neuhaus und Ochsenbruck. Allerdings verlaufen auch diese Spuren im Sande.

Bis den Beamten Kommissar Zufall zu Hilfe kommt. Am Nachmittag des 1. Juni 1965 überfällt ein junger Mann mitten im Kaufhaus C&A in Nürnberg-Mitte einen Kunden, um ihm die Aktentasche zu entreißen. Doch dieser gibt nicht klein bei, sondern wehrt sich und lässt den Dieb verfolgen. Schüsse fallen, ein Toter, es gibt Verletzte. Polizisten verfolgen den Räuber auf offener Straße, schnappen ihn, als er wegen Ladehemmung nicht mehr schießen kann.

In der Wohnung finden sie eine Tatwaffe des siebenfachen Mörders, doch welche Beweise haben sie, dass er alle sieben Morde begangen hat? Keine! Die Verhöre müssen den Mann zermürben …

_Der sachliche Teil_

Dieser szenisch gestaltete Teil des Hörbuch ist lediglich der mittlere Teil. Vorgeschaltet ist der standardmäßige einleitende Teil, der an das „Phänomen Serienmörder“ heranführt. Diesmal bietet das Hörbuch aber gleich danach ein ausführliches Interview mit Stephan Harbort (Bio s. o.), der nach den Angaben im Booklet offenbar selbst antwortet.

Harbort will seine Fallbeispiele als Diskussionsgrundlagen verstanden wissen und dem Thema Publizität verschaffen. Auch dass er den Finger in die Wunde legen will, wie die Öffentlichkeit mit Serientätern umgeht – der Medienhype, die Paranoia – geht völlig in Ordnung. Sicher wecken seine Ausführungen und Fallbeispiele auch das Interesse anderer Kriminalpsychologen und von Psychiatern. Abschließend beschreibt Harbort anschaulich seine Arbeit, ihre Auswirkungen auf sich und seine Familie sowie seine Arbeitsweise. Die Arbeit umfasst auch den direkten Kontakt mit den Tätern, wie oben gesagt, und das war auch bei Hans Martin Gruber der Fall, als Gruber Harbort am 2.9.1998 anschrieb.

Nach dem Fallbeispiel, das ich oben skizziert habe, folgt die Fallanalyse. Schon während der Falldarstellung ist der Täter mit tiefer Stimme zu Wort gekommen. Er schildert einen Tathergang, begründet seine Tat, alles in einem ruhigen eiskalten Tonfall. Der Kriminalpsychologe charakterisiert Gruber als einen Menschen, dem jedes Mitgefühl für seine Mitmenschen fehle: null Empathie. Seine einzige Leidenschaft gilt Waffen, Tötungswerkzeugen, denn sie dienen dazu, auf einfache Weise Macht auszuüben, seinem Geltungsbedürfnis nachzukommen – und natürlich Geld zu beschaffen.

Am 27. Juli 1967 verurteilt das Gericht Gruber zu lebenslangem Zuchthaus. Obwohl beim Angeklagten eine Hirnanomalie festgestellt wurde, die auf einen Hirnhautentzündung im Alter von drei Jahren zurückzuführen ist, betrachtet man ihn als voll schuldfähig und als intelligent. Das Einzige, was ihm fehlt, sind Gefühle für seine Mitmenschen und Kontrolle über seine Aggressivität. Gruber wird abschließend als Beispiel für „dissoziales Verhalten“ hingestellt. Er begehrt gegen soziale Normen auf, wie man es häufig bei Einzelgängern findet, aber auch als Ergebnis von Gruppendynamik (Sekten, Charles Manson etc.). In den Worten des Täters: „Ein Hund, der alle Fremden beißt.“

_Mein Eindruck_

Der Autor präsentiert sich auf diesem Teil seiner vierteiligen Hörbuchserie selbst. Nicht, um sich zu loben, sondern um sich und seine Arbeit zu erklären. Er will sich und seine Arbeit von den falschen Bildern abtrennen, die durch Filme wie „Hannibal“ und „Roter Drache“ erzeugt und verbreitet worden sind. Das sagt er so natürlich nicht. Aber die entsprechende Absicht ist deutlich. Und man kann sie dem Autor auch als glaubwürdig abnehmen.

Die Schilderung des Falles ist ebenso wenig auf Unterhaltung ausgerichtet. Deshalb wird der Fall des Mittagsmörders auch haarklein geschildert, ohne auf die bekannten Tricks der Krimischriftsteller zurückzugreifen. Klar, dass der Name des Täters ebenso wenig wie seine Identität verraten wird. Aber das ist schon der einzige Spannungsbogen, den die Fallschilderung errichtet. Sämtliche Zutaten für einen spannenden Krimi sind vorhanden, so etwa die verhinderte Aussage des Waffenladenbesitzers.

Gut gefallen hat mir hingegen die minutiöse Darstellung des 1. Juni 1965, als der Mittagsmörder der Polizei endlich ins Netz geht. Die Polizisten ahnen noch nichts von ihrem Glück. Erst als sie zwei Tatwaffen identifizieren können, beginnen sie zu ahnen, dass sie auf eine Goldader gestoßen sind. Es ist der Mann, nach dem sie fast sechs Jahre lang gefahndet haben.

Wie bei allen Serientätern folgt im Anschluss, innerhalb der Analyse der Psychologie des Täters, eine Darstellung seiner Biografie. Das geschieht wohl in der Hoffnung, Aufschluss über Motive und Werdegang eines Killers zu erhalten. In aller Regel erfüllt sich diese Hoffnung, denn natürlich haben die Täter irgendwelche einschneidenden Erfahrungen gehabt, die sie prägten und in die später so unheilvolle Richtung drängten. Sie entwickelten Gewalt- und Machtphantasien und versuchten, ihr Geltungsbedürfnis zu stillen. Der Mittagsmörder plante die Entführung von Elke Sommer, die damals ein sexy Filmstar war.

Im Falle des Mittagsmörders waren eine körperliche Deformation und ein nervöser Tick Anlass für seine menschliche Umgebung, ihn zu hänseln und auszugrenzen. Da dies seine soziale Integration verhinderte und auch Frauen sich nicht für ihn interessierten, erfolgte die zunehmende Gefühlsarmut durch Vereinsamung, bis das oben genannte „dissoziale Verhalten“ sich herausbildete, das Menschen lediglich als Objekte und Mittel zum Zweck wahrnahm. Der Rest ist bekannt.

Was uns dies alles sagen will, fasst das Fazit zusammen. Es verallgemeinert die Erkenntnisse aus dem konkreten Fallbeispiel auf alle sich a- und antisozial verhaltenden Menschen. Ob diese Verallgemeinerung wissenschaftlich zulässig ist, vermag ich aus Mangel an Fachkenntnissen nicht zu sagen, aber ich habe meine Vorbehalte dagegen.

|Die Sprecher|

Nach einer Einleitung durch Barbara Stoll folgt das Interview mit Stephan Harbort. Danach schildert die männliche Stimme von Heiner Heusinger den Fall des Hans Martin Gruber. Auch die anschließende Analyse wird von ihm gesprochen, so dass der Eindruck eines fließenden Übergangs von Fall zu Analyse zu Fazit entsteht. Das ist vielleicht nicht so glücklich gestaltet, denn dem Zuhörer wird dadurch nicht deutlich gemacht, wo das eine aufhört und das andere beginnt, ob es sich um verschiedene Themenbereiche und Textabschnitte handelt.

Es gibt weder Geräusche noch Musik. Das Hörbuch ist vollständig auf Sachlichkeit ausgerichtet. Unterhaltung gehört nicht zu den Zielen der inhaltlichen Präsentation.

_Unterm Strich_

Wie die ganze Serie über „Phänomen Serienmörder“ ist auch diese Folge nur von begrenztem Unterhaltungswert, aber von hohem Informationsgehalt. Daher eignet sie sich am besten für Leute, die bereits über einschlägiges Fachwissen verfügen und sich nun über belegbare Fallbeispiele informieren wollen, sozusagen aus erster Hand. Diese Zielgruppe dürfte das bekommen, was sie erwartet. Alle anderen, die sich Fälle à la Hannibal Lecter oder Jeffrey Dahmer erhoffen, werden in die Röhre gucken. Aus den genannten Gründen wird es auch nicht verwundern, wenn alle Zutaten eines Hörspiels wie Geräusche und Musik weggelassen wurden.

|74 Minuten auf 1 CD|
http://www.mediaphon.de/
http://www.pablosmedia.de/

Stephan Harbort – Phänomen Serienmörder: Blaubeer-Mariechen

Mogelpackung: Kriminalfall mit Predigt

Der Kriminalkommissar berichtet in seiner Hörbuchserie „Phänomen Serienmörder“ authentische Kriminalfälle aus der deutschen Kriminalgeschichte. In der Folge „Blaubeer-Mariechen“ wirkt die Serientäterin wie das nette, rundliche „Muttchen“ von nebenan, das keiner Fliege etwas zuleide tun kann. Doch in den Verhören auf dem Polizeirevier kommt die dunkle Seite von Maria Horn ans Licht …

_Der Autor_

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[NEWS] Stephan Harbort – Blut schweigt niemals: Deutschlands bekanntester Profiler erzählt die spektakuläre Aufklärung von Cold Cases

Wenn keine Spur zum Täter führt, wenn nichts mehr geht, wenn die Ermittlungen eingestellt werden müssen, dann spricht man von einem „Cold Case“. Die Gerichtsakten der „kalten Fälle“ vergilben in den Archiven der Ermittlungsbehörden, dicke, prall gefüllte Stehordner voller grausiger Details, mit Bildern blutbesudelter Leichen, zertrümmerter Schädel oder abgetrennter Körperteile. Und auf der letzten Seite findet sich stets der obligatorische Vermerk des Staatsanwalts: „Ein Täter konnte nicht ermittelt werden. Das Verfahren wird vorläufig eingestellt.“ (Verlagsinfo)

E-Book
Seitenzahl der Print-Ausgabe (Mai 2021): 240 Seiten
Droemer