Schlagwort-Archive: Suhrkamp

J. G. Ballard – Der Garten der Zeit. Die besten Erzählungen

Vom Totenkutscher und der Marswüste in Florida

Diese Auswahl versammelt 14 Erzählungen des britischen Erzählers J.G. Ballard. So manche bekannte Story ist darunter, aber auch weniger gute, bei denen sich der Kenner fragt, was sie hier zu suchen haben. Texte aus der „Atrocity Exhibition“ sucht man hier vergeblich, und das lässt sowohl auf Selbstzensur wie auch Berücksichtigung des Massengeschmacks schließen.

„Ich glaube an den Tod von morgen, an die Erschöpfung der Zeit, an unsere Suche nach einer Zeit, die im Lächeln der Kellnerinnen in Autobahnraststätten liegt, in den müden Augen der Fluglotsen aus verlassenen Flughäfen. „Ich glaube an das Nichtvorhandensein der Vergangenheit, den Tod der Zukunft und die unerschöpflichen Möglichkeiten der Gegenwart.“ (Klappentext)

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Arthur Machen – Die leuchtende Pyramide und andere Geschichten des Schreckens

Machen Pyramide Cover kleinInhalt

In den schattigen Winkeln der Realität überleben uralten Kreaturen, die denen auflauern, die sich neugierig aber unvorsichtig in ihre Refugien wagen. Die Folgen weiß Arthur Machen in vier Erzählungen und einem Kurzroman meisterhaft und erschreckend zu erläutern:

– Die leuchtende Pyramide (The Shining Pyramid, 1895), S. 7-37: Seltsame Symbole auf einer Mauer verstören einen britischen Landadligen. Gemeinsam mit seinem Freund, einem Schriftsteller, kann er den Code knacken – es ist eine Einladung zum Hexensabbat, der heimlich Folge zu leisten die beiden Hobby-Detektive dummerweise nicht widerstehen können.

– Die Geschichte vom weißen Pulver (The Novel of the White Powder, 1895), S. 39-60: Der Student ist überarbeitet und lässt sich ein Stärkungsmittel verschreiben. Eine Kette unglücklicher Zufälle führt dazu, dass sich das Medikament in ein wahres Teufelsgebräu verwandelt, dessen Einnahme das Opfer in den Urschleim allen Lebens zurücksinken lässt. Arthur Machen – Die leuchtende Pyramide und andere Geschichten des Schreckens weiterlesen

Gilbert Keith Chesterton – Father Browns Einfalt

Inhalt:

Die erste Sammlung der berühmten Father-Brown-Geschichten:

– Das blaue Kreuz (The Blue Cross): Hercule Flambeau, König der Diebe, mischt sich in London unter die Teilnehmer eines Kirchenkongresses; Valentin, Chef der Pariser Polizei, ist ihm hart auf den Fersen, um eine wertvolle Reliquie zu retten, deren Hüter, ein kleiner Geistlicher namens Brown, freilich sehr gut selbst auf sich und seinen Schatz aufpassen kann.

– Der verborgene Garten (The Secret Garden): Ausgerechnet im Garten des berühmten Polizeichefs Valentin verliert ein amerikanischer Nabob seinen Kopf; er wird nicht der einzige bleiben.

– Die sonderbaren Schritte (The Queer Feet): Meisterdieb Flambeau sucht sich für seinen neuen Fischzug einen sehr elitären englischen Club aus, in dessen Mauern sich auch Father Brown aufhält. Gilbert Keith Chesterton – Father Browns Einfalt weiterlesen

Joe R. Lansdale – Ein feiner dunkler Riss

Das geschieht:

13 Jahre ist Stanley jung, als die Familie Mitchel – Vater Stanley, Mutter Gal und Schwester Caldonia, frühreife 16 – in die kleine Stadt Dewmont im US-Staat Texas ziehen. Dort übernimmt der Senior das örtliche Autokino; ein Geschäft, das gut läuft, denn wir schreiben das Jahr 1958.

Allmählich lebt die Familie sich ein. Beim neugierigen Streifzug durch die Wälder der Umgebung stoßen Stanley Junior und Caldonia auf die Ruinen eines Hauses. Hier ging vierzehn Jahre zuvor die Villa der Stilwinds, der ersten Familie des Ortes, in Flammen auf; dabei starb die Tochter Juwel Ellen. Die Tragödie blieb der Bevölkerung auch deshalb im Gedächtnis, weil man in derselben Nacht die junge Margret Wood vergewaltigt und kopflos auf dem Bahngleis fand; der Täter wurde niemals ermittelt. Seitdem spuke Margrets Geist an der Mordstätte umher, heißt es. Joe R. Lansdale – Ein feiner dunkler Riss weiterlesen

Unsere Weihnachtsempfehlungen – Krimis und Thriller

Weihnachten ist nur noch eine Woche entfernt. Wer noch nicht alle Geschenke beisammen hat, findet im letzten Teil unserer Empfehlungen eine große Anzahl von KRIMIS und THRILLERN, die unsere Redakteure dieses Jahr nicht aus der Hand legen konnten.

Lee Child: 61 Stunden, Blanvalet, 2013
„Reacher, reisender Streiter für die Gerechtigkeit, strandet in einer US-Kleinstadt, die von Eis und Schnee isoliert, von rebellischen Bikern belagert und von einem Killer bedroht wird, während ein Drogen-Warlord mit seiner Privatarmee anrückt. – Auch in seinem 14. Abenteuer steht Reacher weitgehend allein gegen offen brutale und getarnte Schurken, die er trotz Überzahl einfallsreich das Fürchten lehrt: spannend und schnell und ungeachtet bekannter Handlungsmuster ausgezeichnete Unterhaltungslektüre.“ (Michael Drewniok)
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Harald Gilbers: Germania, Knaur, 2013
„Im Sommer des Jahres 1944 sucht ein Serienkiller Berlin heim. Der zuständige SS-Ermittler zwingt den jüdischen Ex-Kommissar Oppenheimer zur Mitarbeit. Dieser bringt Schwung in die Fahndung, während er gleichzeitig seinen ‚Kollegen‘ im Auge behält, der ihn nach erfolgreicher Jagd ins KZ abschieben müsste. – Hervorragend recherchiert, sauber geplottet, flüssig und ohne erhobenen Zeigefinger geschrieben: ein spannender Roman, der sich vor fremdsprachigen Historien-Thrillern keineswegs verstecken muss.“ (Michael Drewniok)
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Michael Hardwick: Dr. Watson, Blitz, 2013
„Eine Menge Unwahrheiten und Verdrehungen sind über Dr. John Hamish Watson und Sherlock Holmes im Umlauf – findet Dr. Watson. Deshalb sieht er sich bemüßigt, endlich mal klar Schiff zu machen und die Wahrheit zu erzählen. Die ist mitunter unangenehm. Der Autor hat es verstanden, die zentralen Motive, die für Watsons Leben bestimmend sind, in Spannungsbögen umzumünzen, die er einen nach dem anderen zu Ende führt. Das sorgt nicht nur für Unterhaltung, sondern auch für Spannung und Zusammenhalt der Erzählung. Der ganze Text wird auf diese Weise kompakt und stabil. Ich fand das Buch sehr unterhaltsam, amüsant, aber auch anrührend.“
(Michael Matzer)
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Anthony Horowitz: Das Geheimnis des weißen Bandes, Suhrkamp, 2013
„Im Winter des Jahres 1890 legt sich Sherlock Holmes mit einer Verschwörer-Gruppe an, die sogar die britische Regierung infiltriert hat, weshalb sich der geniale Ermittler plötzlich als Mörder hinter Gitter wiederfindet. – Dieser Historienkrimi ahmt die Doyle-Vorgaben nicht einfach nach, sondern erweitert und modernisiert das klassische Holmes-Universum behutsam und schlüssig um einige Aspekte, die ihm sehr gut bekommen: eines der besseren Holmes-Pastiches.“ (Michael Drewniok)
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Dan Simmons: Kalt wie Stahl, Festa, 2013
„Ex-Detektiv Joe Kurtz gerät in die Feuerzone eines Drei-Fronten-Krieges, den sich zwei verfeindete Mafia-Clans und ein zum Schurken mutierter Kriegsveteran liefern; mörderisch mit im Spiel sind außerdem gleich mehrere verrückte, aber ehrgeizige Killer sowie hartnäckige Polizeibeamte. – Im dritten und letzten Kurtz-Roman lässt Autor Simmons es nicht nur kräftig krachen, sondern ordnet Mord und Action einem erstaunlich kohärenten Plot unter: Schade um das Ende dieser Reihe!“ (Michael Drewniok)
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Michael Slade: Der Ghoul, Festa, 2012
„In London scheinen gleich mehrere Serienkiller an einem grotesken Wettbewerb um das scheußlichste Verbrechen teilzunehmen; die Spur führt u. a. in die USA, wo einst der Horror-Autor H. P. Lovecraft einen Albtraum in die Welt setzte. – Der zweite Fall des „Special-X“-Teams mischt gut recherchiert Krimi-Realität mit (scheinbarer) Phantastik; der Plot ist irrwitzig, wird aber in einem spektakulären Finale logisch aufgelöst: ein Thriller der härteren, aber lesenswerten Art.“ (Michael Drewniok)
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Nichts für euch oder eure Lieben dabei? Stöbert doch auch in unseren anderen Genres! Einen Überblick über alle Empfehlungen findet ihr hier!

Bram Stoker – Im Haus des Grafen Dracula

Inhalt:

In neun Erzählungen und einem Kurzroman beweist Bram Stoker, dass er mehr ist als der Schöpfer des Vampir-Fürsten Dracula:

Die Squaw (The Squaw, 1893): Ein dummer Scherz endet böse und lässt eine Katzenmutter zur rächenden Schicksalsgöttin mutieren.

Das Festmahl der Ratten (The Burial of the Rats, 1896): Im Paris des Jahres 1850 gerät der unvorsichtige Tourist unter Räuber und Mörder, die ihn durch eine bizarre Unterwelt aus Müll und Schmutz jagen. Bram Stoker – Im Haus des Grafen Dracula weiterlesen

Allende, Isabel – Mayas Tagebuch

Isabel Allende hat erst kürzlich ihren 70. Geburtstag gefeiert. Seit der Veröffentlichung ihres ersten Romans, „Das Geisterhaus“, sind also bereits dreißig Jahre vergangen, in denen sie mit steter Regelmäßigkeit die Öffentlichkeit mit Geschichten versorgt hat. Und trotzdem gehen ihr die Romanideen nicht aus. Mit ihrem neuesten Werk, „Mayas Tagebuch“, möchte sie nun beweisen, dass sie noch lange nicht zum alten Eisen gehört.

Dabei bietet sie viel Bekanntes, denn ihre Romane verlangen nach ganz bestimmten Zutaten, um das gewisse magische Allende-Feeling zu versprühen, das ihre Fans so schätzen: ein wenig magischer Realismus, starke Frauenfiguren, schwere Schicksalsschläge, schräge Familien, eine Prise jüngere Geschichte (chilenische, zumeist) und einen guten Schuss Gefühl. Mit diesem Rezept ist sie bisher immer gut gefahren und auch bei „Mayas Tagebuch“ führt dessen Anwendung zu einem lesenswerten und kurzweiligen Ergebnis. Doch das gewisse Etwas, das in keinem Rezeptbuch steht und das sich auf geheimnisvolle Weise aus dem Zusammenspiel der einzelnen Komponenten ergibt, kommt diesmal bei der Lektüre nicht auf.

_Die Titelheldin ist_ gute fünfzig Jahre jünger als die Autorin: Maya ist neunzehn, hat aber in ihrem kurzen Leben schon einiges hinter sich. Sie wächst behütet und glücklich bei ihren Großeltern in Berkeley auf. Diese Großeltern – die chilenische Exilantin Nidia und ihr zweiter Mann Paul – sind typische Allende-Figuren. Sie sind ungewöhnlich und unangepasst, aber dem Leser sofort sympathisch. Beim Lesen sehnt man sich zwangsläufig danach, Bekannte wie Nidia und Paul zu haben: loyal, hilfsbereit, abgedreht und immer mit einer guten Flasche Wein im Haus. Nidia glaubt an Horoskope und sieht die Aura ihres Gegenübers, während Paul per Teleskop in die Sterne guckt und immer Hut trägt. Ihre Erziehungsmethoden sind gewagt, pädagogische Lücken machen sie jedoch durch eine große Portion Liebe und Zuwendung wieder wett. Aus Maya könnte also eine glückliche junge Frau werden, würde Paul nicht an Krebs sterben, als sie gerade in die sowieso schwierigen Teenagerjahre kommt. Dieser Tod wirft beide Frauen aus der Bahn. Doch während Nidia ihrer Trauer Raum gibt und es so schafft, sie schließlich zu überwinden, bleibt Maya in ihrer emotionalen Lähmung gefangen und landet schlussendlich auf der schiefen Bahn. In der Schule gerät sie an die falschen Freundinnen, verdingt sich als Kleinkriminelle und macht erste Drogenerfahrungen. Als sie schließlich in einer schicken Privatklinik für suchtkranke Jugendliche landet, sucht sie das Weite und rutscht – für ihre Großmutter unauffindbar – unrettbar ins Drogenmilieu von Las Vegas ab, wo sie für den Dealer Brandon Leeman Kunden mit harten Drogen beliefert. Da Leeman jedoch noch in ganz anderen illegalen Geschäften die Finger drin hat, wird sie bald von der Polizei und dem FBI gesucht und als sie endlich wieder bei Nidia eintrifft, verschifft diese sie sofort auf ein winziges chilenisches Eiland zu einem alten Bekannten. Dort soll sie sich vor den amerikanischen Gesetzeshütern verstecken und ihre Wunden lecken.

Mayas Zeit auf Chiloé bildet die zweite Erzählebene des Romans und hier läuft Allende wahrlich zu Hochform auf. Mayas Drogenerfahrungen wirken immer eher plakativ als realistisch, eben nur wie eine Zutat zu einem Roman. Doch in die Welt von Chiloé tauchen Allende, Maya und schlussendlich der Leser gemeinsam ein. Die Insel ist nicht unbedingt rückständig – regelmäßig schauen Touristengruppen vorbei, es gibt Strom (meistens), Internet und einmal in der Woche Filmvorführungen im Schulhaus. Doch das Leben fließt merklich langsamer und so wird Maya auf sich selbst zurückgeworfen. Die Zeit tröpfelt träger dahin und man kann ganze Nachmittage nur damit zubringen, aufs Meer zu schauen, ein Buch zu lesen oder mit Nachbarn zusammenzusitzen. Maya findet Freunde auf Chiloé, fühlt sich den Menschen und dem Leben dort mehr und mehr verbunden und kann sich bald kaum noch vorstellen, ins schnelle und laute Berkeley zurückzukehren. Man beneidet Maya zwangsläufig um diese erzwungene Auszeit und bald erkennt auch sie selbst, welch ein Geschenk diese Insel ist.

Auf dieser Erzählebene kann Allende alle ihre Stärken ausspielen und hier wirkt sie am überzeugendsten. Leider schafft sie es nicht, beide Erzählstränge elegant zusammenzuführen. Maya erzählt beides – ihre Lebensgeschichte und ihre Zeit auf Chiloé – in Tagebuchform, doch schon diese Erzählsituation wirkt artifiziell und kaum plausibel. Mit fortschreitender Lektüre hat man mehr und mehr den Eindruck, die drogensüchtige Maya und die in sich ruhende Maya auf Chiloé seien zwei völlig verschiedene Figuren, so wenig haben beide gemein. Obwohl kaum Zeit vergangen ist, kämpft die neue Maya kaum mit ihrer Vergangenheit und schon gar nicht mit ihrer Drogensucht. Ihr Entzug war offensichtlich so erfolgreich, dass sie weder mit Spätfolgen noch mit Zwängen zu kämpfen hat. Nicht mal der überall erhältliche Alkohol lockt sie. Diese Diskrepanz zwischen der hoffnungslosen Drogensüchtigen und der gereiften Maya, die über alles hinweg scheint, nimmt dem Roman ein gutes Stück Glaubwürdigkeit. Ebenso unglaubhaft ist der Krimiplot, den Allende gegen Ende einführt und der recht simplizistisch Mayas Problem mit dem FBI löst. Die Marschrichtung (und der Bösewicht) sind allerdings zehn Meilen gegen den Wind zu erschnuppern und so möchte man Isabel Allende raten, es möglichst nicht noch einmal mit einem „Whodunit?“ zu versuchen. Dieser Teil des Romans geht nämlich gründlich schief.

_Ansonsten lohnt sich_ „Mayas Tagebuch“ vor allem wegen der Nebencharaktere und dem Schauplatz in Chile, nicht so sehr wegen der Beschreibung von Mayas Absturz und Drogensucht. Man könnte Isabel Allende Routiniertheit vorwerfen, doch es ist gerade dieses immer neue Verweben von bekannten Elementen, das ihre Fans so an ihren Romanen schätzen. Und auch wenn „Mayas Tagebuch“ kein Erfolg auf ganzer Linie ist, so verdient er doch einen wohlwollenden erhobenen Daumen.

|Hardcover: 448 Seiten
Originaltitel: El cuaderno de Maya
Übersetzung aus dem Spanischen: Svenja Becker
ISBN: 9783518422878|
http://www.suhrkamp.de

_Isabel Allende auf |Buchwurm.info|:_
[„Im Bann der Masken“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=605
[„Die Stadt der wilden Götter“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1431
[„Im Reich des goldenen Drachen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1432
[„Zorro“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1754
[„Inés meines Herzens“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4229
[„Das Siegel der Tage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5269
[„Mein erfundenes Land“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2979
[„Die Insel unter dem Meer“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6604

H. P. Lovecraft – Azathoth. Vermischte Schriften

Wenn er die Geschichten anderer Autoren überarbeitete, prägte H. P. Lovecraft ihnen seinen Stempel auf und erweiterte seinen fremden, erschreckenden, faszinierenden Privat-Kosmos. Außerdem in dieser Sammlung enthalten: frühe Lovecraft-Storys, (postum vollendete) Fragmente und theoretische Schriften, die interessante Einblicke in sein Denken und seine Arbeit ermöglichen: Muss-Lektüre für Phantastik-Freunde.
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H. Russell Wakefield – Der Triumph des Todes und andere Gespenstergeschichten

wakefield-triumph-cover-klein13 Erzählungen erinnern an das Werk eines heute vergessenen Autors, dem wir einige großartige Gruselgeschichten verdanken. Wakefields Gespenster sind klassisch böse oder bizarr, und sie bescheren ihren Opfern ein Unbehagen, dass mindestens ebenso groß ist wie das Vergnügen des Lesers: Diese Sammlung gehört in jede Sammlung klassischer Spuk-Storys!
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(H. P. Lovecraft)/August Derleth – Das Tor des Verderbens

derleth-tor-cover-neu-kleinEin unglücklicher Erbe gerät in den Bann eines nur scheinbar verstorbenen Hexenmeisters, der die Rückkehr bösartiger Kreaturen auf die Erde vorbereitet … – Drei zum ‚Roman‘ eher verleimte als sich fortsetzende Erzählungen bieten die fade Imitation der echten Lovecraft-Erzählungen; der Schrecken speist sich hier aus der Unbeholfenheit der grob auf die Spitze getriebenen Spukereien. (H. P. Lovecraft)/August Derleth – Das Tor des Verderbens weiterlesen

Allende, Isabel – Insel unter dem Meer, Die

_Isabel Allende ist Spezialistin_ für Romane über starke Frauen. Da kommt es auch vor, dass ihre starken Frauen dermaßen unabhängig, freiheitsliebend und übergroß sind, dass der Leser sie für überzeichnet halten könnte, wüsste er nicht, dass Allende selbst diese unglaubliche Stärke und den unbändigen Lebenswillen mit ihrer eigenen Vita immer und immer wieder bewiesen hat. Dass sie, durchaus vom Leben gebeutelt, letztendlich doch immer das Positive in einem Schicksalsschlag sehen kann und nach vorne schaut, ist beeindruckend. Dass sie diese lebensbejahende Stärke mit immer wieder neuen Melodien in ihren Romanen besingt, ist keineswegs langweilige Wiederholung. Es ist Beweis dafür, dass hier eine Autorin ihr Thema gefunden hat – ein Thema, das sich immer wieder auf neue und überraschende Weise interpretieren lässt.

In Isabel Allendes neuem Roman, „Die Insel unter dem Meer“ (ein Euphemismus für das Jenseits), heißt diese starke Frau Zarité. Gleich im ersten Kapitel lernen wir sie als gestandene Frau mittleren Alters kennen, die geliebt und gelitten hat, und uns wird ihre Geschichte versprochen. Doch dann geht es eine ganze Weile erst mal gar nicht um Zarité, denn Isabel Allende hat sich mit „Die Insel unter dem Meer“ ein groß angelegtes Panorama vorgenommen, einen Historienroman allererster Güte.

Die Bühne bietet Saint-Domingue, Ende des 18. Jahrhunderts. Saint-Domingue, das heutige Haiti, war damals französische Kolonie und Exporteur von Zucker. Die zahlreichen Zuckerplantagen, von französischen Kolonialisten geführt, wurden von zahllosen Sklaven bewirtschaftet, die so schlecht behandelt wurden, dass sie in der Regel nach einigen Monaten „verschlissen“ waren und ersetzt werden mussten. In dieses Land, das irgendwo zwischen französischer Hochkultur und gesetzloser Barbarei schwankt, verschlägt es den jungen Toulouse Valmorain. Dessen Vater führte bisher die familieneigene Zuckerplantage, damit die Familie in Frankreich gut leben konnte. Doch nun liegt er im Sterben und Valmorain muss notgedrungen das Zepter übernehmen. Schnell stellt er fest, dass seine aufgeklärten Ansichten, von den aktuellen französischen Philosophen beeinflusst, ihm hier kaum weiterhelfen. Und so akzeptiert er bald ohne jede geistige Gegenwehr die Sklaverei als gottgegeben und unausweichlich, überlässt jedoch die wirklich brutalen Züchtigungen seinem Aufseher und beruhigt sich damit, dass Neger ohnehin weniger Schmerzempfinden haben als Weiße.

Als er auf Kuba seine Frau Eugenia kennenlernt und diese schließlich mit auf die Plantage bringt, kauft er für sie die neunjährige Zarité, damit diese der Herrin zur Hand geht. Bald stellt sich heraus, dass Eugenias Psyche der neuen Umgebung nicht standhält und so sorgt sich Zarité nicht nur um den Haushalt und um den neugeborenen Stammhalter Maurice, sondern auch um Eugenia, die immer mehr dem Wahnsinn verfällt und schließlich stirbt. Währenddessen befiehlt Valmorain Zarité des nächtens in sein Bett, vergewaltigt sie wiederholt und zeugt mit ihr zwei Kinder. Es sind die Kinder, ihre eigenen und auch Maurice, die sie von nun an an Valmorain binden. Selbst als sie die Möglichkeit zur Flucht hat, bleibt sie. Und als der Sklavenaufstand Valmorains Plantage zu überrennen droht, rettet sie ihn – wieder um der Kinder willen. Es verschlägt die beiden nach New Orleans, wo Zarité schließlich ihre Freiheit erzwingt und Valmorain ein zweites Mal heiratet.

_“Die Insel unter dem Meer“_ ist einer dieser historischen Romanen, in denen man sich wunderbar verlieren kann. Das Setting ist exotisch und schon darum ist man fasziniert von all den unbekannten Farben, Lauten, Landschaften und Menschen, die Isabel Allende im Verlauf des Romans zu einem riesigen Wandgemälde fügt. Selbst, als die Handlung nach New Orleans wechselt und die Charaktere die grüne, ungebändigte Hölle des Dschungels gegen die anspruchsvolle und vergnügungssüchtige kreolische Gesellschaft eintauschen, bleibt der Roman voller Sinneseindrücke. Tatsächlich gelingt ihr die Beschreibung New Orleans‘ besser als die der haitischen Plantagen, denn Isabel Allende ist eine Frau der Genüsse und derer bieten sich in dieser großstädtischen Gesellschaft einfach mehr: Da wird geschlemmt und geliebt, gestorben und duelliert, dass es eine Freude ist.

Schade daran ist einzig, dass die Protagonistin des Romans einer der uninteressantesten Charaktere ist. Auch Isabel Allendes Versuch, Zarité durch einzelne, in Ich-Form erzählte Kapitel, erfahrbarer zu machen, scheitert auf ganzer Linie. So unterbricht sie den Fluss der Handlung immer wieder, um Zarité selbst ihre Sicht der Dinge erzählen zu lassen. Doch diese Passagen bleiben blass und wirken seltsam fern. Stattdessen hat man den Eindruck, Zarité wäre der roten Faden, der alle anderen Charaktere dieses Romans verbindet. Und derer gibt es viele. Da wäre natürlich zunächst Valmorain zu nennen, dessen Ansichten über die Sklaverei im Allgemeinen und den Neger im Besonderen große Teile der Erzählung einnehmen. Die Widersprüchlichkeiten in seiner Argumentation sind dabei ein Reiz der Figur. Dass Freiheit offensichtlich ein Gut ist, dass für sich selbst Wert hat, will ihm nicht in den Kopf. Schließlich hat Zarité doch bei ihm alles, was sie braucht. Er sorgt gut für sie, meint er zumindest. Wozu sie also ständig auf ihre Freilassung drängt und diese schlussendlich sogar erpresst, will ihm nicht in den Kopf. Er fühlt sich gar von ihr verraten, als wäre er es, dem hier Unrecht getan wurde. Diese widersprüchliche Argumentationskette lässt vermuten, dass Valmorains gebildeter Verstand anders kaum mit den Gegebenheiten umgehen könnte. Denn im Gegensatz zu seinem Sohn, der zu seinen Überzeugungen steht und gegen die Sklaverei kämpft, ist Valmorain eigentlich zu feige und zu bequem, um an den Zuständen etwas ändern zu wollen. Er arbeitet lieber innerhalb des Systems und baut außerhalb von New Orleans die modernste und menschenfreundlichste Plantage auf. So als wären eine wasserdichte Hütte, regelmäßige Mahlzeiten und eine notdürftige medizinische Versorgung genug Bezahlung für die erzwungene Unfreiheit der Sklaven.

Dann wäre da noch Violette, die freie Mulattin, die als Konkubine große Erfolge feiert und schließlich durch die Heirat mit einem Franzosen in der Gesellschaft aufsteigt. Oder Tante Rose, die Voodoo-Priesterin, die mit Kräutern allerlei Krankheiten heilen kann und sich einen so guten Ruf erarbeitet hat, dass sogar ein französischer Arzt ihre Bekanntschaft sucht, um von ihr zu lernen. Oder Zacharie, der Sklave, der mit seinem herrschaftlichen Benehmen Ärger heraufbeschwört und dafür mit seinem schönen Gesicht bezahlen muss.

_Es gibt also viel_ zu entdecken in Isabel Allendes Roman. Dass da einiges zu bunt und zu überzeichnet gerät, ist fast verzeihlich. So lässt sie es sich nicht nehmen, gegen Ende auch noch eine Inzestbeziehung einführen zu müssen, deren Brisanz fast gänzlich unter den Teppich gekehrt wird, da der viel größere Tabubruch offensichtlich die Gemischtrassigkeit der Eheleute ist. Dass Zarité nach vielen Schicksalsschlägen dann doch Frieden mit der Welt schließt und bei sich selbst ankommt, erwartet man von Isabel Allende. Und sie enttäuscht nicht. Im Großen und Ganzen ist „Die Insel unter dem Meer“ nämlich eine runde Sache.

|Hardcover: 557 Seiten
Originaltitel: La isla bajo el mar
ISBN-13: 978-3518421383|
[www.suhrkamp.de]http://www.suhrkamp.de

_Isabel Allende auf |Buchwurm.info|:_
[„Im Bann der Masken“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=605
[„Die Stadt der wilden Götter“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1431
[„Im Reich des goldenen Drachen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1432
[„Zorro“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1754
[„Inés meines Herzens“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4229
[„Das Siegel der Tage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5269
[„Mein erfundenes Land“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2979

Algernon Blackwood – Die gefiederte Seele. Gespenstergeschichten

Blackwood Seele Cover kleinInhalt:

Mit zehn Kurzgeschichten und einer Novelle zielt der Autor nicht auf den Bauch-Grusel, sondern dringt – manchmal allzu behutsam aber eindrucksvoll und unsentimental – in die Schattenbereiche der menschlichen Seele vor:

Das dreifache Band (The Threefold Cord, 1931), S. 7-20: Die schöne aber unheimliche Frau hat bereits den Großvater und den Vater in den Tod getrieben, und nun macht sie sich an den Sohn heran.

Das Land des grünen Ingwer (The Land of Green Ginger, 1930), S. 21-29: Ein ebenso faszinierendes wie verstörendes Erlebnis lässt den späteren Schriftsteller seinen Lebensweg finden. Algernon Blackwood – Die gefiederte Seele. Gespenstergeschichten weiterlesen

(H. P. Lovecraft)/August Derleth – Die dunkle Brüderschaft. Unheimliche Geschichten

In 10 neoklassischen Kurzgeschichten beschwört der Verfasser wortreich und stimmungsvoll ein Grauen herauf, das in einer verdrängten und unbekannten Weltgeschichte wurzelt. Die Storys ähneln sich inhaltlich und neigen dort zur Detailfreude, wo Andeutungen effektvoller wären, sind aber in ihrer altmodischen Ernsthaftigkeit trotzdem unterhaltsam.

Inhalt:

Der Nachkomme (The Survivor, 1954), S. 7-30: Nicht nur mit der Geduld des Krokodils ausgestattet, trotzt Dr. Charrieres seit Jahrhunderten dem Tod.

Das Erbe der Peabodys (The Peabody Heritage, 1957), S. 31-55: Als Mr. Peabody pietätvoll das Gerippe seines Urgroßvaters im Sarg umdreht, wird uralter Hexenzauber neu belebt.

Das Giebelfenster (The Gable Window, 1957), S. 56-74: Der Blick in fremde Welten fasziniert, bis deren unfreundliche Bewohner auf den heimlichen Beobachter aufmerksam werden.

Der Vorfahr (The Ancestor, 1957), S. 75-90: Der Geist triumphiert über die Materie, aber reizt man diese dabei zu stark, schlägt sie irgendwann grausam zurück.

Der Schatten aus dem All (The Shadow Out of Space, 1957), S. 91-112: Durch Raum und Zeit reist der entsetzte Erdenmann, als er sich unfreiwillig für einen uralten kosmischen Krieg rekrutiert sieht.

Das vernagelte Zimmer (The Shuttered Room, 1959), S. 113-150: Was der Großvater gefangen hielt aber nicht vernichten konnte, wird vom ahnungslosen Enkel freigesetzt.

Die Lampe des Alhazred (The Lamp of Alhazred, 1957), S. 151-161: Ihr Licht enthüllt Wunder und Schrecken, und einem Träumer weist sie den Weg in eine bessere Welt.

Der Schatten in der Dachkammer (The Shadow in the Attic, 1964), S. 162-183: Was der böse Onkel dem Neffen als Erbe hinterließ, besucht ihn des Nachts in seinem Schlafzimmer.

Die dunkle Brüderschaft (The Dark Brotherhood, 1966), S. 184-211: Sie sehen aus wie Edgar Allan Poe – und sie planen eine Invasion der besonders umständlichen Art.

Das Grauen vom mittleren Brückenbogen (The Horror from the Middle Span, 1967), S. 212-233: Eine Flutwelle setzt frei, was bisher sorgfältig in seinem Mausoleum gefangen lag.

– Originaltitel & Copyright-Vermerke: S. 234

Unterhaltsam auf den Spuren des Meisters

Der deutsche Phantastik-Fan kennt August Derleth – falls ihm der Name überhaupt etwas sagt – höchstens als literarischen Nachlassverwalter des Grusel-Großmeisters H. P. Lovecraft (1890-1937). Derleth ist es zu verdanken, dass dieser schon lange jenen verdienten Ruhm erntet, der ihm zeitlebens verwehrt blieb. Doch Derleth war selbst ein fleißiger Autor. Seine Horrorgeschichten bilden einen vergleichsweise geringen Anteil an einem eindrucksvollen Gesamtwerk.

Weil Derleth sich hier jedoch stark an Lovecraft anlehnte und dessen Cthulhu-Zyklus durch eigene Beiträge vermehrte, wurde er primär durch seine Pastichés bekannt. Falsch aber folgerichtig erscheint die hier vorgestellte Sammlung unheimlicher Geschichten unter Erstnennung von Lovecrafts Namen. Sie entstammen jedoch allein der Feder Derleths, dessen Namen allerdings die Kundschaft längst nicht so lockt wie das Zauberwort „Lovecraft“.

Doch die in „Die dunkle Brüderschaft“ gesammelten Storys stellen mustergültig heraus, was die Phantastik Lovecraft verdankt, weil Derleth es zwar sehr gut kopieren aber nur ausnahmsweise nachschöpfen konnte. Vor allem Leser, die Lovecrafts Werk nicht kennen, sondern einfach für handfesten Grusel schwärmen, werden diese Einschränkung getrost ignorieren und ignorieren dürfen, denn eines sind Derleths Geschichten (bis auf eine Ausnahme: s. u.) garantiert: unterhaltsam!

Neugier bringt nicht nur die Katze um

Man sollte sie nach und nach lesen, denn auf diese Weise wird weniger offenbar, dass diese Storys recht einfallsarm einem bestimmten Muster folgen: Ein durchschnittlicher Zeitgenosse gerät durch Erbschaft, beruflich oder Zufall ahnungslos dorthin, wo düstere Mächte – oft in Gestalt zauberisch aktiver Vorfahren – kraftvoll ihr Unwesen trieben. Er (nie sie!) findet Spuren, die sein Interesse wecken und entsprechende Nachforschungen in Gang setzen. Das Resultat ist stets fatal: Längst vergangene Schrecken erweisen sich als höchst lebendig. Der unglückliche Forscher gerät in ihren Bann. Hat er Glück, kostet ihn die Erkenntnis, dass diese Welt keineswegs so funktioniert, wie es die ‚offizielle‘ Wissenschaft behauptet. ‚nur‘ seine geistige Gesundheit. Meist kommt es übler, wobei der Tod nicht einmal das schlimmste Schicksal darstellt.

Lovecraft postulierte eine von Derleth übernommene und ausgebaute (Universal-) Geschichte, die von der Existenz intelligenten Lebens weit vor der Entstehung des Menschen ausging. Kosmische Entitäten treiben ein Spiel, das der beschränkte menschliche Geist nur in Ansätzen begreifen kann: „Der Mensch ist schließlich nur eine kurzlebige Erscheinung auf dem Antlitz eines einzigen Planeten in einer der ungeheuren Welten, die das ganze All ausfüllen“ (aus: „Die dunkle Brüderschaft“, S. 108). Dieses rudimentäre Wissen wird immer wieder zur Quelle eines Entsetzens, das nicht nur auf offensive Attacken aus dem Jenseits, sondern auch auf ein Zuviel an Wissen zurückgeht, das der einzelne Mensch, der sich plötzlich buchstäblich mit einem ganzen Universum fremder und feindseliger Kreaturen konfrontiert sieht, nicht meistern kann.

Mit Jenseits ist hier übrigens nicht die Heimat der Toten gemeint. Derleth übernimmt Lovecrafts Prämisse eines Kosmos‘, dessen Raum und Zeit nicht stabil gefügt, sondern im Fluss sind. Die dem Menschen vertraute Realität bildet nur eine von unzähligen möglichen Welten, die zu allem Überfluss durch Dimensionsportale miteinander verbunden sein können. Obwohl diese Geschichten von Angst und Entsetzen erzählen, gründen sie nicht nur im Horror, sondern auch oder vor allem in der Science Fiction. Der Schrecken entsteht durch die absolute Fremdheit der kosmischen Wesen, deren Handeln womöglich nicht einmal böse im menschlichen Sinne, sondern primär unverständlich ist.

Schrecken aus zweiter Hand?

„Die dunkle Brüderschaft“ sammelt Geschichten, in denen August Derleth den Cthulhu-Mythos kommentierte und ergänzte. Er beschwört den Geist des Vorbilds und lässt ihn sogar mehrfach selbst auftreten (so als „Ward Phillips“ in „Die Lampe des Alhazred“ und als „Arthur Phillips“ in „Die dunkle Brüderschaft“). Derleth geht dabei Lovecrafts Imaginationskraft meist ab; er kopiert seinen Meister, den er freilich gut kennt. Der erfahrene Leser kann die Schnittstellen, d. h. die imitierten Vorlagen, leicht namhaft machen. „Der Schatten aus dem All“ ist beispielsweise eine Variation des Lovecraft-Kurzromans „Berge des Wahnsinns“.

Die älteren Geschichten lesen sich notabene besser als die Storys des ‚späten‘, schon nicht mehr gesunden und ausgelaugten Derleth. So ist die Titelstory „Die dunkle Brüderschaft“ ein missglücktes Werk, das zunächst stimmungsvoll an Lovecrafts Liebe zu den historischen Stätten Neuenglands erinnert, un plötzlich in eine Überfall-aus-dem-All-Plotte abzurutschen; Derleth kreiert dabei Invasoren, die es an Planungsdämlichkeit problemlos mit dem Bug-Eyed-Monster-Pärchen Kang & Kodos aus der TV-Serie „Die Simpsons“ aufnehmen. Auch was der finstere Onkel Uriah in „Der Schatten in der Dachkammer“ eigentlich plante, bleibt unklar; das abrupte Ende der Story legt nahe, dass der Verfasser es selbst nicht wusste.

Wagt es Derleth, sich wenigstens teilweise vom übermächtigen Lovecraft zu emanzipieren, gelingt ihm eigenständig Spannendes und Unheimliches. Mit „Das vernagelte Zimmer“ stellt er eine richtig gute Gruselgeschichte vor – ideenreich, effektvoll, sorgfältig getimt. Diesen August Derleth liest man gern; er weckt die Neugier auf Storys, die nicht dem Cthulhu-Mythos angehören. Diese fanden ihren Weg leider nur ausnahmsweise nach Deutschland, wo sie zudem über unzählige, längst vergessene Sammelbände verstreut und in der Regel nicht annähernd so nah am Original und so lesenswert übersetzt wurden wie die die Geschichten in „Die dunkle Brüderschaft“.

Autor

August William Derleth wurde am 24. Februar 1909 in Sauk City (US-Staat Wisconsin) geboren. Schon als Schüler begann er Genre-Geschichten zu verfassen; ein erster Verkauf gelang bereits 1925. Die zeitgenössischen „Pulp“-Magazine zahlten zwar schlecht, aber sie waren regelmäßige Abnehmer. 1926 nahm Derleth ein Studium der Englischen Literatur an der „University of Wisconsin“ auf. Nach dem Abschluss (1930) arbeitete in den nächsten Jahren u. a. im Schuldienst und als Lektor. 1941 wurde er Herausgeber einer Zeitung in Madison, Wisconsin. Diese Stelle hatte Derleth 19 Jahre inne, bevor er 1960 als Herausgeber ein poetisch ausgerichtetes (und wenig einträgliches) Journal übernahm.

Obwohl August Derleth ein ungemein fleißiger Autor war, basiert sein eigentlicher Nachruhm auf der Gründung von „Arkham House“ (1939), des ersten US-Verlags, der speziell phantastische Literatur in Buchform veröffentlichte. Der junge Derleth war in den 1930er Jahren ein enger Freund des Schriftstellers H. P. Lovecraft (1890-1937). Dass dieser heute als Großmeister des Genres gilt, verdankt er auch bzw. vor allem Derleth, der (zusammen mit Donald Wandrei, 1908-1987) das Werk des zu seinen Lebzeiten fast unbekannten Lovecraft sammelte und druckte.

Lovecraft hinterließ eine Reihe unvollständiger Manuskripte und Fragmente. Derleth nahm sich ihrer an, komplettierte sie in „postumer Zusammenarbeit“ und baute den „Cthulhu“-Kosmos der „alten Götter“ eigenständig aus. Die Literaturkritik steht diesem Kollaborationen heute skeptisch gegenüber. Als Autor konnte Derleth seinem Vorbild Lovecraft ohnehin nie das Wasser reichen. Er schrieb für Geld und erlegte sich ein gewaltiges Arbeitspensum auf, unter dem die Qualität zwangsläufig litt.

Solo war Derleth mit einer langen Serie mehr oder weniger geistvoller Kriminalgeschichten um den Privatdetektiv Solar Pons erfolgreich, der deutlich als Sherlock-Holmes-Parodie angelegt war. Insgesamt veröffentlichte Derleth etwa 100 Romane und Sachbücher sowie unzählige Kurzgeschichten, Essays, Kolumnen u. a. Texte; hinzu kommen über 3000 Gedichte.

Nach längerer Krankheit erlag August Derleth am 4. Juli 1971 im Alter von 62 Jahren einem Herzanfall. Zum zweiten Mal verheiratet, lebte er inzwischen wieder in Sauk City, wo er auf dem St. Aloysius-Friedhof bestattet wurde.

Taschenbuch: 234 Seiten
Originaltitel: The Watchers Out of Time (Sauk City : Arkham House 1974)
Übersetzung: Franz Rottensteiner
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Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Joseph Sheridan Le Fanu – Maler Schalken und andere Geistergeschichten

le-fanu-maler-schalken-cover-1983-kleinSechs Storys führen zurück in die „Frühzeit“ der modernen Geistergeschichte. Sie mögen stilistisch altmodisch wirken, sind aber inhaltlich erstaunlich zeitlos, d. h. spannend und schauerlich geblieben. Das Grauen trifft Schuldige wie Unschuldige und ist erschreckend unberechenbar, was der Verfasser mit manchmal dokumentarisch anmutender Präzision darzustellen weiß. Joseph Sheridan Le Fanu – Maler Schalken und andere Geistergeschichten weiterlesen

E. F. Benson – Der Mann, der zu weit ging. Gruselgeschichten

benson-mann-cover-kleinEin Großmeister der ‚kurzen‘ Phantastik belegt mit 15 Gespenstergeschichten aus den Jahren 1904 bis 1934 einmal mehr den hohen Rang der klassischen britischen Phantastik. Die einfallsreichen Untaten rächender Geister und anderer Spukgestalten werden in feiner, nie überkandidelter Prosa dargeboten und bilden einen zeitlosen, ebenso intellektuellen wie sinnlichen Genuss.
E. F. Benson – Der Mann, der zu weit ging. Gruselgeschichten weiterlesen

Allende, Isabel – Siegel der Tage, Das

Isabel Allende, chilenische Bestseller-Autorin mit Wohnsitz in San Fancisco, geht mittlerweile stark auf die siebzig zu, und doch scheint sie keineswegs müde. Erst letztes Jahr erschien ihr farbenprächtiger historischer Roman [„Inés meines Herzens“, 4229 und auf den aktuellen PR-Fotos, die auf ihrer Homepage einsehbar sind, lacht sie strahlend in die Kamera. Vielleicht ist Allende ja tatsächlich ein bisschen altersweiser geworden, verspürt den Wunsch nach Reflektion ihres Lebens stärker denn je. Doch gleichzeitig ist sie immer noch leidenschaftlich, spleenig und ein erzählerischer Wirbelwind.

Ihr neuestes Buch, „Das Siegel der Tage“, knüpft lose an ihren großen Erfolg „Paula“ an, einem romanhaften Brief an ihre sterbende Tochter Paula, der ihr die Geschichte der Allendes – also ihre eigene Geschichte – näherbringen soll. „Paula“ ist ein intimes Buch, ein Buch, das vom großen Mut seiner Autorin zeugt, sich der Geschichte, dem Schmerz und dem eigenen Leben zu stellen. „Paula“ zu lesen, ist ergreifend, auch weil durch all die Trauer um die verlorene Tochter die unglaubliche Stärke dieser Isabel Allende durchscheint.

„Das Siegel der Tage“ nun ist eine Art Fortsetzung; wieder beginnt Allende mit einem Adressat an ihre Tochter. Diesmal ist es eine Reminiszenz an deren Beerdigung. Die vertrauliche Anrede, „du, meine Tochter“, wird der Leser des Öfteren während der Lektüre finden, doch die Verbindung ist lockerer. Allende kehrt immer wieder zu Paula zurück, doch das erlebte Leid ist nicht mehr so allgegenwärtig wie in „Paula“.

Was geschah also nach Paulas Tod? Wie ging es mit der Familie weiter? Genau das, und vieles mehr, packt Allende in ihren langen Brief. Sie erzählt von der lähmenden Trauer nach Paulas Tod, dem Stillstand in ihrem eigenen Leben. Sie erzählt, wie diese Zäsur fast ihre Ehe zerstört hätte. Kurzum, sie erzählt, wie es mit der Sippe weitergeht. Dabei gibt es längst nicht nur Happy Ends, doch auch in katastrophalen Situationen, die das Potenzial haben, eine Familie komplett zu zerstören, verliert Allende nie den unerschütterlichen Glauben daran, dass sich alles irgendwie und irgendwann zum Positiven wenden wird. Es ist diese Grundeinstellung, dieser unverwüstliche Wunsch nach Leben, der sich bei der Lektüre unweigerlich auf den Leser überträgt. Und dieses Feel-Good, trotz aller Widrigkeiten und Probleme, ist eines der Geheimnisse von Isabel Allendes Prosa.

Isabel Allende schart eine große Familie um sich, nicht nur ihre leibliche, sondern auch eine angeheiratete und „adoptierte“ (so hat sie kein Problem damit, auch enge Freunde zur Sippe zu zählen). Diese unorthodoxe Großfamilie bietet ihr einen perfekten Spielplatz, um „Das Siegel der Tage“ mit erheiternden, spannenden, komischen, mitreißenden und persönlichen Anekdoten zu füllen. Der Leser erfährt tatsächlich ziemlich genau, was seit Paulas Tod im Leben der Allende passiert ist. Einiges davon kennt man schon, anderes ist neu, und es ist wohl auch diese Melange aus Bekanntem und Neuem, die beim Leser den Eindruck erweckt, zum Plausch bei einer guten Freundin eingeladen zu sein. Sie sieht ihren Leser als Freund, dem man auch Geheimnisse anvertrauen kann, und als Leser kann man sich des Eindrucks der Demut nicht erwehren, dass einem solcherart Ereignisse so offen und ehrlich anvertraut werden.

Die Kritik hat ihr das offensichtlich übel genommen. Die Rezensentin der |Süddeutschen Zeitung| sieht den Voyeurismus des Lesers bedient und spricht erschrocken von „Intimitäts-Terror“. Das sei alles nur ein einfaches Herunterschreiben von Familiengeschichten, an dem nichts Erdachtes zu finden sei – was in ihren Augen offensichtlich ein Qualitätsmakel ist. Dabei wird ein aufmerksamer Leser längst gemerkt haben, dass Isabel Allendes Bücher schon immer (auto)biographisch waren. Mal mehr, mal weniger hat sie Familienmitglieder verfremdet und zu Protagonisten gemacht – im „Geisterhaus“, im „Unendlichen Plan“, in „Paula“, in [„Mein erfundenes Land“ 2979 – überall findet sich der Allende-Clan wieder. Es ist gerade ihre Stärke, Biographien in Romane und Profanes in Literarisches zu verwandeln. Bei der Veröffentlichung von „Paula“ wurde ihr dafür noch applaudiert, bei „Das Siegel der Tage“ ist das gleiche Prinzip plötzlich anrüchig? Wohl kaum …

„Das Siegel der Tage“ trägt weder den Untertitel ‚Roman‘ noch ‚Autobiographie‘, und das aus gutem Grund, denn es ist weder das eine noch das andere. Sicher, die Charaktere existieren – sie sind Familie und Freunde der Autorin. Doch zu welchem Grad sie und ihre Lebenswege fiktionalisiert wurden, das bleibt das Geheimnis der Autorin, die sich persönlich keinen Deut um den Zusammenhang zwischen Fiktion und Realität schert. „Jedes Leben kann wie ein Roman erzählt werden, wir sind alle Hauptfiguren unserer eigenen Geschichte“, sagt sie relativ am Anfang des Buches, um daraufhin den Beweis ihrer These anzutreten. „Meine Darstellung der Ereignisse ist eigenwillig und überspitzt“, heißt es später. Solche kleinen Einwürfe sollten dem Leser eigentlich Hinweis genug sein, um einschätzen zu können, inwieweit er hier eine Intimschau der Autorin vor sich hat.

Zugegeben, „Das Siegel der Tage“ wird sicherlich hauptsächlich für Leser interessant sein, die Allendes Bücher kennen und mehr über die Autorin erfahren wollen. Sie rekapituliert nicht nur die fünfzehn Jahre seit Paulas Tod, sondern gibt auch Einblick in ihr Schaffen. Wie schreibt sie? Wie findet sie Stoffe? Wie entstehen ihre Romane und wie empfindet sie Lesereisen? Doch am beeindruckendsten ist zu sehen, dass die starken Protagonistinnen, die Allende gern auftreten lässt, keineswegs unerreichbare Heldinnen sind. Isabel Allende lebt diese unerschütterliche Stärke vor. Sie kämpft, sie liebt und sie steht wieder auf, wenn sie gefallen ist. Sie hat ihre Schwächen (es scheint, als wäre sie als Schwiegermutter ein echter Drachen) und sie ist nicht immer erfolgreich. Aber ihr Durchhaltewillen und ihre Leidenschaft – in allen Dingen des Lebens – machen sie, genauso wie ihre Bücher, so unglaublich bemerkenswert.

|Originaltitel: La Suma de los Días
Aus dem Spanischen von Svenja Becker
409 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-518-42010-2|
http://www.suhrkamp.de

_Mehr von Isabel Allende auf |Buchwurm.info|:_

[„Zorro“ 1754
[„Mein erfundenes Land“ 2979
[„Inés meines Herzens“ 4229
[„Im Bann der Masken“ 605
[„Die Stadt der wilden Götter“ 1431
[„Im Reich des goldenen Drachen“ 1432

Algernon Blackwood – Rächendes Feuer. Erzählungen

blackwood feuer cover kleinInhalt:

Ein Kurzroman, zwei längere und zwei kurze Geschichten von Algernon Blackwood, Großmeister der klassischen Phantastik:

Rächendes Feuer (The Nemesis of Fire, 1908), S. 7-77: In einem englischen Landhaus treibt ein feuriger Elementargeist sein Unwesen. Als die Bewohner den Terror nicht mehr ertragen, holen sie Dr. John Silence, einen Spezialisten für das Übernatürliche, der den wahren und sehr exotischen Ursprung des Grauens offen legt.

Suspekte Schenkung (A Suspicious Gift, 1906), S. 78-89: Dem armen Schreiberling wird eine gewaltige Geldsumme in Aussicht gestellt, doch die scheinbare Bedingungslosigkeit dieser Gabe erweist sich als Teil eines geschickt eingefädelten, grausamen Plans. Algernon Blackwood – Rächendes Feuer. Erzählungen weiterlesen

Allende, Isabel – Inés meines Herzens

Letztes Jahr erst war Isabel Allende mit ihrem Buch [„Mein erfundenes Land“ 2979 in Deutschland auf Lesereise. Und schon ein Jahr später, zu ihrem 65. Geburtstag, ist sie wieder unterwegs: Dieses Mal hat sie den historischen Roman „Inés meines Herzens“ im Gepäck.

Ganze fünfhundert Jahre in die Vergangenheit entführt Allende den Leser in ihrem neuesten Roman, um ihm Inés Suárez vorzustellen, die historisch verbürgte Mitbegründerin Chiles. Als Autobiographie getarnt, schildert Allende Inés‘ Leben – ihre Lieben, Leidenschaften und Abenteuer – und läuft damit einmal wieder zu literarischer Hochform auf: „Inés meines Herzens“ ist mit Leichtigkeit Allendes bester Roman seit langem.

Inés wird 1507 in Plasencia in der Extremadura geboren. Sie ist Analphabetin, kann aber gut nähen, kochen und heilen. Sie heiratet Juan de Malaga, einen Spieler und Weiberheld, der jedoch im Bett ein echter Verführer ist und Inés in die Künste der körperlichen Liebe einweiht – eine Unterweisung, von der sie ihr ganzes Leben lang zehren soll. Die beiden haben, außer ihrer Kompatibilität im Bett, kaum etwas gemein, und so ist Inés kaum geknickt, als sich Juan ohne ein Wort des Abschieds in die „Neuen Indien“ = Südamerika) einschifft. Wie so viele andere vor ihm, hofft auch Juan darauf, in der Neuen Welt schnell das ganz große Geld zu machen. El Dorado lockt …

Die lebenslustige Inés sieht sich in einer Zwickmühle. Zwar ohne Mann, aber doch keine Witwe, kann sie nicht wieder heiraten. Als sie erkennt, dass sie in Spanien nur noch Nähen und Kochen erwarten, setzt sie alles daran, ihrem Mann nach Amerika zu folgen. Im Gegensatz zu Juan locken sie weder Geld noch Gold. Stattdessen ist es die zweite Chance, die sie reizt – die Möglichkeit eines Neuanfangs weit weg von ihrer Heimat.

Schon bald nach der Überfahrt stellt sich heraus, dass Juan das Zeitliche gesegnet hat. Inés findet, etwas Besseres hätte ihr kaum widerfahren können, schließlich ist sie als Witwe nun wieder frei. Sie lässt sich zunächst in Cuzco (Peru) nieder und verdingt sich als Näherin und Köchin. Als ihr eines Nachts ein aufdringlicher Schürzenjäger nachstellt, wird sie von Pedro Valdivia gerettet. Der schlägt den Lüstling kurzerhand in die Flucht und sinkt sodann mit Inés in die Federn.

Inés wird die Geliebte des Kommandeurs und gibt zunächst die Liebeslektionen ihres verstorbenen Mannes an Pedro weiter. Dieser hat zwar eine Frau in Spanien, doch hält sich in den Neuen Indien jeder Spanier eine ganze Armada von Mätressen, und so stößt sich niemand an dem Paar. Selbst als Pedro eine Expedition nach Chile auf die Beine stellt, ist Inés mit dabei. Sie findet für die wandernde Schar Wasser in der Wüste (per Wünschelrute), sie kämpft an vorderster Front gegen die Indios und sie ist Valdivias Vertraute. Und doch hält das Schicksal noch einen dritten Mann für Inés bereit …

Wieder einmal hat sich Isabel Allende des Schicksals einer starken Frau angenommen. Eine wie Inés gibt es in jedem Allende-Roman: Sie ist stark, unabhängig, mutig, abenteuerlustig, leidenschaftlich, loyal und auch etwas skurril und verschroben. Überlebensgroß, so stellt sie Allende dar. Manche Kritiker werfen ihr genau dies vor: aus einer historischen Figur des 16. Jahrhunderts eine moderne Heldin gemacht zu haben. Sicher, diese Taktik wirft einige Probleme auf. Inés ist zu feministisch, teilweise zu kritisch gegenüber der Eroberung des Kontinents, als dass der Leser tatsächlich glauben mag, hier wirklich authentische Empfindungen eines Zeitzeugen zu lesen. Inés ist mitfühlend, ja gar verständnisvoll gegenüber den Mapuche, den Eingeborenen Chiles, die es zu vertreiben gilt. Umso seltsamer mutet dann an, wenn sie (wie historisch belegt ist) beim Angriff der Mapuche auf das neugegründete Santiago sieben Geiseln eigenhändig die Köpfe abschlägt, um sie den Angreifern als Abschreckung vor die Füße zu werfen. Solche Episoden vertragen sich nicht mit der sonst so empfindsamen Inés. Allende ist sich der Diskrepanz bewusst und muss sich mit einem Kniff behelfen: In der Retrospektive kann sich Inés ihre Tat selbst nicht mehr erklären, und so macht es nichts, wenn der Leser sie auch nicht nachempfinden kann.

Trotzdem, Inés als moderner Charakter, als Sympathieträger für den Leser bricht dem Roman keineswegs das Genick. Ganz im Gegenteil, Inés ist das Zentrum, um das sich die Handlung dreht. Wäre dieser Charakter kein Sympathieträger, böte er keine Identifikationsfläche für den Leser, würde der ganze Roman daran kranken. Und so ist es nicht verwunderlich, dass sich Allende entscheidet, ihre Hauptfigur so faszinierend wie möglich zu gestalten. Das Buch profitiert davon.

„Inés meines Herzens“ ist auch als historischer Roman überzeugend. In einem Genre, das viel zu oft mit 1000-Seiten-Büchern daherkommt, die sich leicht auf die Hälfte zusammenkürzen ließen, liefert sie einen Schmöker mit kaum 400 Seiten ab, der sich so schlank präsentiert, dass sich nirgends etwas Überflüssiges finden lässt. Das führt natürlich auch dazu, dass die Lektüre immer spannend und unterhaltsam bleibt. Darüber hinaus erscheint Allende auf den Seiten des Romans so erzählfreudig wie lange nicht mehr, und so ist es eine wahre Freude, ihr in die Extremadura, auf den Atlantikkreuzer, nach Peru, in die Wildnis zu folgen.

Apropos Wildnis: Schon immer legte Isabel Allende besonderen Wert auf Sinnlichkeit. Wenn sie die Liebe beschreibt, dann sind das Passagen, die das Wiederlesen und das Lautlesen lohnen. In „Inés meines Herzens“ kommt nun eine neue Form der Sinnlichkeit dazu: die Sinnlichkeit der unberührten Natur. Wenn Allende Inés von Peru und Chile erzählen lässt, von der Wildnis, die erst noch gebändigt werden will, dem Artenreichtum von Flora und Fauna, dann wähnt man sich fast mit ihr an diesem vergangenen Ort. Alles ist lauter, chaotischer, farbenprächtiger und beeindruckender, als wir es von unserer heutigen Natur kennen. Und so schwingt immer auch ein wenig Bedauern mit, dass es immer weniger Möglichkeiten gibt, unberührte Natur derartig zu erleben.

„Inés meines Herzens“ ist ein Roman, der zum genüsslichen Schmökern einlädt. Sicher, man könnte darüber diskutieren, ob die Eroberung der neuen Welt (und die damit einhergehende Entrechtung der Eingeborenen) nicht kritischer behandelt werden müsse. Man könnte darüber diskutieren, wo die historische Inés aufhört und die Allende-Inés anfängt. Doch mal ehrlich, will man das, wenn man stattdessen auch einen fesselnden Roman genießen kann?

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Allende, Isabel – Mein erfundenes Land

[„Zorro“ 1754 war das letzte von Isabel Allende auf Deutsch erschienene Buch, eine Art Biographie der frühen Jahre des berühmt-berüchtigten Rächers mit der Maske. Und wenn der Roman auch alles bot, was man von einer Abenteuergeschichte erwarten würde, so war er doch ein außergewöhnlicher Stoff für eine Autorin, die mit starken Frauenfiguren, südamerikanischen Settings und weit ausladenden Familiengeschichten bekannt geworden ist. In „Mein erfundenes Land“ dagegen, im Spanischen bereits 2003 erschienen, hält sie sich wieder an Bewährtes, was dazu führt, dass man als Leser genau das bekommt, was man von Isabel Allende erwartet. Bei der Lektüre der 200 Seiten (geradezu Kurzprosa für Allendes Verhältnisse) stellt sich daher sofort der gewünsche Effekt ein: eine wohlige Wärme ob der flott dahingeschriebenen, teils liebenswerten, teils skurrilen Erinnerungen der Autorin.

Dabei ist „Mein erfundenes Land“ ein seltsamer Hybrid – irgendwo zwischen Autobiographie, Reiseführer, politischem Essay und Fiktion. Es ist der Versuch, die Sehnsucht nach diesem Land Chile, in dem sie tatsächlich nur einen geringen Teil ihres Lebens verbracht hat, in Worte zu fassen, zu erklären oder wenigstens zu beschreiben. Und es wäre kein Buch von Isabel Allende, würde man nicht ständig das Augenzwinkern der Autorin beim Umblättern der Seiten spüren.

Sie beginnt mit einer farbenprächtigen Kartographie ihres Heimatlandes – das Gebirge, das Meer, die Wüste, die brodelnde Stadt Santiago. Das alles klingt für den gemeinen Mitteleuropäer exotisch und weckt unweigerlich die Reiselust. Nie wirken Allendes Beschreibungen hier trocken oder gar abgeschrieben, denn in gewohnter Manier ist eine Bergkette bei ihr immer auch mehr als das: Die Beschaffenheit des Landes weist über sich hinaus, ist unabdingbare Voraussetzung für den Charakter seiner Bewohner, ihre Traditionen und Macken. Und von diesen Macken gibt es viele, wie die Autorin nicht müde wird zu erwähnen …

Vielleicht ist es die Tatsache, dass sie schon immer ein Querkopf war, sich dem Machismo Chiles nicht unterordnen wollte. Vielleicht ist es ihre journalistische Tätigkeit, die ihr diesen scharfen Blick ermöglicht. Vielleicht aber auch die Tatsache, dass sie nun schon seit zwanzig Jahren in Kalifornien lebt und daher aus einer anderen Perspektive auf Chile blickt. Sei’s drum, die Kapitel, welche die Skurrilitäten, die Eigenheiten und (für uns) fremdartigen Charakterzüge der Chilenen zum Thema haben, sind ein wahres Feuerwerk an genauer Beobachtung gepaart mit literarischer Verfremdung: Denn man kann sich nie ganz sicher sein, wann Isabel Allende Tatsachen beschreibt und wann sie ins Fiktionale abgleitet. Die Frage nach der Beziehung von Wahrheit und Fiktion ist eine typisch deutsche, meinte Allende, als sie das Buch in Berlin vorstellte. Für sie ist alle Erinnerung eine Mischung aus beidem – Tatsächlichem und Erfundenem. Was macht es da, ob etwas wahr oder unwahr ist? Genau aus diesem Spannungsfeld ergibt sich auch der Titel des Buches, der tatsächlich kein Widerspruch, sondern eine unbedingte Folge von Allendes Wahrnehmung ist.

Eingebettet in die Beschreibung von „Land und Leuten“ erfährt man auch viel Persönliches von der Autorin. Man trifft Charaktere aus ihren früheren Romanen wieder (allen voran natürlich „Das Geisterhaus“) und stellt fest, dass sie auf Mitgliedern ihrer Familie fußen. Mit viel Zuneigung, aber auch einem verschmitzten Lächeln gibt sie all die kleinen Absurditäten ihrer großen Sippe wieder: die hellsichtige Großmutter, der überlebensgroße Großvater, die Eindrücke, die ihre Kindheit geprägt haben. Einiges daraus kennt der treue Leser bereits aus „Paula“, doch fehlen in „Mein erfundenes Land“ die unbändige Trauer und das Verlangen, Dinge dem Vergessen zu entreißen. Das verleiht ihrem neuen Erinnerungsbuch eine uneingeschränkte Leichtigkeit, die dazu führt, dass man den Kapriolen und Sprüngen der Autorin gern folgt. Ihre Wege mögen verschlungen sein und sich von Zeit zu Zeit unvermutet kreuzen, doch ist dies kaum ein Grund zu bereuen, überhaupt auf die Reise gegangen zu sein. Im Gegenteil, es macht die Lektüre abenteuerlich und überraschend!

Es gibt natürlich ernste Momente. Wenn Allende den Militärputsch von 1973 beschreibt, der sie ins Exil trieb und ihre Heimat mit Folter und Repression überzog, dann bleibt kaum Raum für das altersweise ironische Lächeln, mit dem sie sonst ihr Lebens betrachtet: „Das hab ich hinter mir, und es hat mich stärker gemacht“, scheint ein Credo zu sein, das einen Großteil ihres Schreibens beschreibt. Doch der Putsch bleibt eine Wunde, die nur langsam heilt, und das Narbengewebe überzieht sowohl Chile als auch die Autorin.

„Mein erfundenes Land“ hat viele Eigenschaften, die für das Buch sprechen: Es ist unterhaltsam, kurzweilig, humoristisch und von Zeit zu Zeit sogar lehrreich. Es weckt die Neugier auf ein Land am Ende der Welt, wo die Sitten gleichzeitig fremd und sympatisch sind. Das Buch wirkt spontan, erfrischend, mit leichter Feder heruntergeschrieben, und dieses Gefühl überträgt sich unweigerlich auf den Leser, der sich mitnehmen lässt auf eine Reise, deren Ende nicht klar bestimmt ist. Doch, wie heißt es so schön: Der Weg ist das Ziel. Und selten war es so erfrischend, vom Weg abzukommen, wie in „Mein erfundenes Land“.

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Algernon Blackwood – Der Tanz in den Tod. Unheimliche Geschichten

Inhalt:

Eine Novelle und neun Kurzgeschichten von Algernon Blackwood (1869-1951), dem Meister der angelsächsischen Gruselliteratur:

Der Tanz in den Tod (The Dance of Death, 1907), S. 7-18: Browne, ein unglücklicher Büroknecht mit ausgeprägter Herzschwäche, tanzt für sein Leben gern. Die schöne Issidy, das mysteriöse Mädchen in Grün, wird seine letzte Partnerin.

Der Mann, den die Bäume liebten (The Man Whom the Trees Loved, 1912), S. 19-97: Sein Leben lang hat der alte Bittacy Bäume geliebt; manchmal scheinen sie ihm sogar lebendig. Dass sie außerdem mit eigener Intelligenz begabt aber recht Besitz ergreifend sind, merken er und seine Gattin, als sie ein einsam gelegenes Landhaus am Rande eines großen Waldes beziehen. Algernon Blackwood – Der Tanz in den Tod. Unheimliche Geschichten weiterlesen