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Bender, Hilmar – Violent Evolution: Die Geschichte von KREATOR

Es ist nicht der erste Frühling, den die Ruhrpott-Jungs von KREATOR dieser Tage erleben. Nach der Rückbesinnung zu ihren evidenten Wurzeln und der Neustrukturierung innerhalb der Band gelang Mille Petrozza und seinen Jungs mit dem Release von „Violent Revolution“ ein erneuter Durchbruch, den man zumindest nach der experimentellen Phase zu „Outcast“-Zeiten und dem sehr ruhigen „Endorama“-Album nicht mehr erwartet hätte. Es waren schließlich Scheiben wie „Enemy Of God“ und „Hordes Of Chaos“, die den wiederholten Aufwärtstrend des Altenessener Quartetts nicht nur bestätigten, sondern die Band als Nummer 1 in der europäischen Szene endgültig und bis zum heutigen Tag festigen sollten.

Gerade aufgrund der bewegten Ereignisse und der vielen prägnanten Karriere-Stationen, aber auch aus Anlass zum nunmehr fast 30-jährigen Bestehen der Band ist es daher sicher einmal Zeit, die Geschichte der einst noch stark im Punk verwurzelten Truppe aufzurollen und vor allem das in den Fokus zu nehmen, was die vielen Episoden in der KREATOR-Historie geprägt haben. Mit Hilmar Bender haben sich Petrozza und Co. nun einen externen Biografen ins Haus geholt, der zwar nicht als unmittelbares Bindeglied zur Band fungiert, deren Laufbahn aber intensiver verfolgt hat als manch eingeschworener Kuttenträger. Bender, ebenfalls ein Kind aus dem Pott, rollt in „Violent Evolution“ nicht nur Geschichtsträchtiges auf, sondern ist auch sehr bemüht, genau das darzustellen, was die einzelnen Köpfe und Charaktere innerhalb der Band und ihres direkten Umfeldes ausmacht. Doch mit einer Schwierigkeit musste sich der Autor hierbei ganz besonders auseinandersetzen: Wie kann man den Lebensweg einer Musikgruppe beschreiben, die in ihrem aktiven Handeln diverse, nur schwer nachvollziehbare Schritte unternommen hat, ohne dabei die Sicht des Fans zu verlieren? Denn genau in diesem Punkt gerät „Violent Evolution“ nicht nur einmal an seine neutralen Grenzen.

Der Fokus des Buches liegt dabei ganz klar auf der Entwicklung der Erstbesetzung bzw. der Truppe, die seinerzeit Alben wie „Pleasure To Kill“ und „Endless Pain“ mit einer Spontaneität eingespielt hat, die es im heutigen Thrash Metal nicht mehr geben kann. KREATOR bzw. die darin involvierten Personen sind Launenmenschen, deren vorrangige Ambition vor allem in den mittleren 80ern darin bestand, ihre Energien in Musik umzuwälzen. Gerade die Verwurzlung in der Ruhrpott-Szene ist dabei von entscheidender Bedeutung und wird detailreich mit einer Menge Augenmerk versehen. Lobenswert ist hierbei, dass sich Bender von Saufeskapaden und Vergleichbarem stark distanziert (man denke nur mal an die Gewichtung dieser Themen in der GRAVE DIGGER-Biografie), die Band zwar auch als partielle Party-Truppe charakterisiert, aber eben den Schwerpunkt ausschließlich auf die persönliche Entwicklung der Protagonisten sowie die einzelnen Kapitel in deren Leben als Band setzt.

Dennoch kann man das Geschriebene nicht ganz unkritisch sehen, da die Verteilung jener Prioritäten nicht wirklich gleichmäßig erfolgt. Man erfährt eine Menge über die Einstellung der Band zur Szene und deren Auf- und Niedergang, wird aber nur am Rande mit den eigenwilligen Entscheidungen konfrontiert, die zum zeitweiligen Untergang des Bandkonstrukts führten. „Renewal“ als zwiespältiges Album bekommt zwar noch etwas Aufmerksamkeit, die musikalischen Tiefschläge, die das Old-School-Publikum jedoch mit „Endorama“ verkraften musste, bekommen aber keinen großen Raum und werden quasi ausgeblendet.

An sich wird zwar nicht wirklich alles schön geredet, aber es fehlt nicht bloß einmal die offensive Auseinandersetzung mit den kritischen Entscheidungsschritten dieser Band, vielleicht auch vor dem Hintergrund, dass die Herrschaften aus Essen eines Tages doch wieder die Kurve bekommen haben. Aber schließlich sind es vielleicht gerade diese Inhalte, eben die weniger logischen Konsequenzen, über die man gerne lesen möchte. Die Chronologie der Dinge nachzuvollziehen, und das auch vergleichsweise ausführlich und faktisch, hat sicher auch einen Reiz. Aber was „Violent Evolution“ abseits der Fakten des Öfteren verloren geht, ist ein gewisser Tiefgang und ein Blick hinaus über den Tellerrand der Dinge, die im Zusammenhang mit KREATOR gerade für Fans eh schon wie in Stein gemeißelt sind.

Letztgenannter Umstand sollte aber keinesfalls ein Hindernis sein, „Violent Evolution“ im Händlerregal verstauben zu lassen. Nur, und das darf man eben nicht verschweigen, hat die Biografie der vielleicht wichtigsten Thrash-Band der Jetztzeit einige kleine Lücken, die man als beinharter Fan der Petrozza-Gang gerne gefüllt sehen würde. Und das ist schade, da eine solche Chance vielleicht nur einmal kommt – sofern es bei dieser Erstauflage bleibt!

|Hardcover: 221 Seiten
ISBN-13: 978-3866081444|
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Krock, Jeanine – Venuspakt, Der

Nuriya und ihre Schwestern sind etwas Besonderes: sie stammen von Feen ab. Aber während Estelle und Selena mit ihrem Erbe keine Probleme haben, lehnt Nuriya ihre Magie ab und hat sie im hintersten Winkel ihres Selbst eingemauert. Bis sie auf Kieran trifft. Der gutaussehende Vampir mit der ausgeprägten Aura von Arroganz und Gefährlichkeit bringt einige ungeahnte Wesenszüge in ihr zum Vorschein. Selbstvertrauen gehört allerdings nicht so sehr dazu. Das liegt vor allem an seinem unmöglichen Benehmen, das mal von eisiger Distanz, mal von unterdrückter Leidenschaft geprägt ist.

Was Nuriya nicht weiß: Sie selbst ist eine Auserwählte, vom Feenvolk dazu bestimmt, den Pakt zwischen Feen und Vampiren zu erneuern und so den Frieden zwischen beiden Völkern zu garantieren. Nur dass da einige Feen und Vampire überhaupt keinen Wert auf die Erneuerung des so genannten Venuspaktes legen …

|Charaktere|

Nuriya ist ein etwas widersprüchlicher Charakter. Einerseits ist sie eher schüchtern und wenig selbstbewusst, unter anderem deshalb, weil sie sich zum einen hässlich findet und zum anderen ihre Magie nicht mag, die trotz aller Verweigerung einen Großteil ihres Wesens bestimmt. Andererseits faucht sie wie eine Wildkatze, wenn ihr etwas nicht passt, und liefert sich mit einer Meisterin fernöstlicher Kampfkunst ein ebenbürtiges Duell! Diese Mischung aus Mauerblümchen und trotzigem Kobold entwickelt einen ganz eigenen Charme.

Kieran dagegen fällt fast ein wenig ins Klischee ab. Er ist natürlich überaus sexy, überaus mächtig und überaus dominant. Und natürlich befindet sich unter dieser Machistoschale ein empfindsames und sehr einsames Herz. Was ihn vor dem endgültigen Abschied bewahrt, ist die frei von Kitsch und Pathos erzählte Rückblende auf seine gescheiterte Ehe. Und auch die Darstellung seiner inneren Zerrissenheit im Zusammenhang mit Nuriya ist der Autorin gut gelungen.

Der Bösewichte gibt es diesmal zwei, wobei die eine eher wie ein verzogenes Kind wirkt, obwohl sie die größere Macht von beiden besitzt. Der andere dagegen kann ebenso viel Arroganz und Machogehabe vorweisen wie Kieran, allerdings auf eine weit unangenehmere Art und Weise. Er gehört zu der Sorte Männer, für die die Zurückweisung durch eine Frau automatisch das Recht bedeutet, an allen weiblichen Wesen der Welt grausame Rache zu nehmen. Dabei liegt ihm natürlich in keiner Weise etwas an irgendeiner Frau, sondern lediglich daran, Macht über andere zu haben. Charaktere wie diesen findet man ziemlich häufig.

Die Charakterzeichnung insgesamt kann man durchaus als stimmig und gut bezeichnen, auch wenn Kieran und sein Gegenspieler doch ein wenig arg in derzeit gängigen Schablonen hängen geblieben sind. Durch Rückblicke in die Vergangenheit wurden Gedanken, Gefühle und Handlungsweisen aller wichtigen Figuren nachvollziehbar, die einzelnen Personen haben durchaus ein eigenes Profil.

|Erzählwelt|

Der Hintergrund ist abwechslungsreicher geraten als der Personenentwurf. Jeanine Krock hat der Welt der Vampire eine regelrechte Organisation gegeben, die ein wenig an mafiöse Strukturen erinnert. Es gibt einen Rat, dem sowohl die Gesetzgebung als auch die Gerichtsbarkeit obliegen, für die schmutzige Vollstreckungsarbeit gibt es dann Leute, die man damit beauftragen kann. Die Mitglieder des Rates gehören diversen Clans und Familien an, die unterschiedlich mächtig sind. Was dieses System von der Mafia unterscheidet, ist, dass hier nicht persönliche Bereicherung im Vordergrund steht, sondern die Bewahrung der Existenz der – ja, man könnte sagen: Untergrundgesellschaft. Dazu gehören nicht nur Vampire und Feen, sondern zum Beispiel auch Werwölfe; wobei zu erwähnen ist, dass, obwohl die Feen hier als Vertreter des Lichts auftreten, sie deshalb durchaus nicht alle gut und freundlich sind. Vielmehr entspricht ihre Ausarbeitung eher dem keltischen Vorbild von Wesen, die keine echten Gefühle kennen und sich im Grunde nur um ihre eigenen Belange scheren.

Der geschichtliche Hintergrund dieser Gesellschaft wird nur kurz angerissen, was nicht weiter verwundert, denn die Autorin erzählt ihre Geschichte auf nur 230 Seiten, in denen Nuriya nicht nur erst einmal vom Venuspakt erfahren muss, sondern sich auch noch mit dessen Gegnern herumschlagen und den Kampf gewinnen muss. Trotzdem findet die Autorin Zeit, einige Verwicklungen anzulegen und Nuriya ein paar Dummheiten begehen zu lassen, wie ihre Bewacher an der Nase herumzuführen oder sich einfach heimlich davonzustehlen. Dass eine davon sie letztlich in eine höchst gefährliche Situation bringt, war abzusehen. Das hat nicht nur den Spannungsbogen gestrafft, sondern auch dazu geführt, dass ich mich über die Heldin ziemlich geärgert habe, aber meist ist es eben doch so, dass die Dramaturgie über die Vernunft siegt!

|Insgesamt|

Nun bin ich ja wahrhaftig nicht der Experte, was Vampirromane angeht. Genau genommen war „Der Venuspakt“ mein allererster, und ich habe keine Ahnung, was Liebhaber dieses Genres üblicherweise von ihrer Lektüre erwarten. Ich kann deshalb nur von mir selbst ausgehen und als Anhaltspunkt lediglich die Bücher von Anne Bishop heranziehen, die sich aufgrund ihres düsteren Weltentwurfs am ehesten mit Jeanine Krocks Geschichte vergleichen lassen. Das Ergebnis war, dass „Sebastian“ und der Zyklus der Schwarzen Juwelen mir noch ein bisschen besser gefallen haben. Obwohl ich den „Venuspakt“ wirklich nicht schlecht fand, empfand ich den Erzählstil von Anne Bishop intensiver und eindringlicher, ihre Charaktere lassen sich in keine Schubladen stecken, und ihre Welten sind noch ein gutes Stück ungewöhnlicher als im „Venuspakt“, der im Grunde in unserer Welt spielt, nur eben verborgen im Untergrund.

So ist „Der Venuspakt“ zwar vielleicht nicht der ultimativ geniale Vampirroman, aber er ist in sich stimmig, spannend und interessant zu lesen. Nicht mein absoluter Favorit, aber trotzdem ein sehr gutes Buch.

Was den Verlag angeht, so hat er ein wirklich wunderschönes Cover entworfen, das in diesem speziellen Fall nicht unerheblich zu meinem Interesse am Inhalt beigetragen hat. Das Innenleben war allerdings nicht so toll, was nicht an der erzählten Geschichte lag, sondern am schlechten Lektorat. Da standen Hauptwörter in der Einzahl, obwohl die dazugehörigen Eigenschaftswörter in der Mehrzahl standen, stellenweise fehlten Wörter, ja sogar ganze Teilsätze. Dabei musste das Buch nicht einmal übersetzt werden. Das muss besser gehen.

_Jeanine Krock_ stammt aus Braunschweig und war in den Achtzigern viel in der Punkszene unterwegs, schrieb für Gothic- und Vampir-Fanzines. Sie war viel auf Reisen, war als Kostümbildnerin und in der Modelbranche tätig. Ihre Vorliebe für Vampire, Schottland und verwinkelte Burgen haben sich ebenso wie ihre Kontakte zur Gothic-Szene in ihren Büchern bemerkbar gemacht. Außer „Der Venuspakt“ hat sie den Roman „Wege in die Dunkelheit“ verfasst sowie an diversen Anthologien mitgeschrieben.

Autorin


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Kelly, Mary Valgus – Des Teufels schönster Sohn (Saga der Verfluchten 01)

Ares ist ein Vampir, vergnügungssüchtig und leichtlebig. Und doch packt ihn wohl der Schwermut, als er spontan beschließt, dass er einen Gefährten braucht. Kurzentschlossen verbeißt er sich in den schönen Domenico und macht ihn ebenfalls zum Untoten. Doch die beiden sind schlicht zu unterschiedlich und können weder miteinander, noch ohneeinander leben. Während Ares sich nämlich die Frauen haufenweise ins Bett holt (und sie erst vernascht und dann „vernascht“), sitzt Domenico in Bäumen und sinnt über das Leben nach. Schließlich stößt auch noch Flora zu den ungewöhnlichen Gefährten und das Gleichgewicht kippt endgültig.

Klingt bekannt? Durchaus, denn für Mary Valgus Kellys Roman „Des Teufels schönster Sohn“ (der erste Teil einer Trilogie) haben Anne Rices Vampire Pate gestanden. Wollte man bissig sein, könnte man gar behaupten, bei Kellys Roman handele es sich um ein [„Interview mit einem Vampir“ 68 für Arme. Und da sich Anne Rices Romandebüt nicht verbessern lässt, muss Kelly mit ihrem Projekt schlicht scheitern.

„Des Teufels schönster Sohn“ ist ein Buch, das so viele Fehler und Ungereimtheiten aufweist, dass man gar nicht weiß, wo anfangen. Schon die Handlung kurz anzureißen, stellt sich problematisch dar, denn eigentlich passiert in dem 144-Seiten starken Buch nicht wirklich etwas: Ares beißt Domenico, Domenico sieht gut aus (das wird dem Leser wiederholt in blumigen Worten versichert) und macht eine Leidensmiene. Dann wendet sich Ares Flora zu, kann ihr aber nicht treu sein. Es gibt eine Art Vampirsabbat mit Hexen und Werwölfen. Zwischendurch philosophiert Domenico auch mal mit einem Geist oder schäkert mit einer mysteriösen Vampirin namens Michelle. Domenico verlässt Ares und die Handlung springt nach Transsilvanien auf eine mittelalterliche Burg (!), wo sich die eingeladenen Vampire ihren Mitternachtssnack aufs Zimmer bringen lassen. Zum Glück ist der Roman dann auch schon zu Ende.

Kellys größtes Problem (mal abgesehen von der nicht existenten Handlung) sind ihre Charaktere. „Des Teufels schönster Sohn“ schafft es, ein Roman völlig ohne Motive zu sein, was dazu führt, dass die Charaktere schemenhaft bleiben. Warum zum Beispiel braucht Ares plötzlich einen Gefährten? Sehnt er sich nach menschlicher Nähe? Oder ist ihm doch nur fad? Genauso unklar bleibt Ares’ Charakter: Zu Anfang ist er der Gegenpol zu Domenico – schillernd und auf der Suche nach dem Thrill. Er lebt in die Nacht hinein und sucht nach Vergnügungen. Doch gegen Ende brütet er plötzlich vor sich hin, ohne dass dem Leser klar wäre, wieso. Gespaltene Persönlichkeit? Oder doch nur die Wankelmütigkeit der Autorin? Dieses Problem der charakterlichen Unentschlossenheit haben alle von Kellys Figuren. Dem Leser ist es dadurch unmöglich, die Charaktere irgendwie zu fassen zu bekommen oder sich gar mit ihnen zu identifizieren.

Worin besteht überhaupt das Gefährtentum, von dem in dem Roman immer wieder die Rede ist? Kelly will uns scheinbar weismachen, dass es da ein erotisches Prickeln zwischen den beiden Vampiren gibt. Nur versickert dieses Prickeln zwischen den Zeilen, da Ares und Domenico weder wirklich miteinander leben noch sprechen. Die beiden haben im Roman eigentlich kaum Berührungspunkte. Darüber hinaus schleppt Ares unzählige Frauen ab und es ist nicht so recht zu erkennen, wie dieses Balzgebahren mit einer zarten Seele in Verbindung zu bringen wäre.

Doch ach! Vielleicht hat Ares doch ein Herz? Unverhofft taucht nämlich Flora auf, Ares’ Immer-mal-wieder-Geliebte seit 14 Jahren (wobei dem Leser auch diese Geschichte vorenthalten wird – woher die beiden sich kennen, wird nie klar). Nie wollte sie ein Vampir werden und mittlerweile hat sie Mann und Kinder. Und auch als er sie nun wieder ausfindig macht, haben sie zwar einen Quickie auf der Terasse, untot werden will sie aber nicht. Bis sie ein paar Seiten später vor Ares’ Tür steht mit der Bitte um Vampirisierung. Wo die Gründe für diesen Sinneswandel liegen, scheint Kelly nicht ergründen zu wollen. Auch wird keine Tinte auf die Frage verwendet, was nun aus ihren Kindern wird und ob sie diese nicht vielleicht wenigstens ein ganz kleines bisschen vermisst. Nein, zwischen all den unausgegorenen Charakteren in „Des Teufels schönster Sohn“ ist Flora der unausgefeilteste. Sie bereichtert die Handlung nicht und gibt ihr auch keinen (anderen) Sinn. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sie später sang- und klanglos wieder aus dem Roman verschwindet.

Vierzig Seiten vor Schluss wechselt das Setting vom ursprünglichen Handlungsort (wo das ist, wird ebenfalls nie geklärt) ausgerechnet nach Transsilvanien, wo eine gewisse Clarissa eine Art Wellnesshotel für Vampire auf einer mittelalterlichen Burg eingerichtet hat. Als Untoter sitzt man also rum, sieht gut aus und lässt sich das Essen aufs Zimmer bringen. Wenn man besonders standesgemäß sein will, reist man in einer Kutsche an (wohlgemerkt, der Roman spielt in der Gegenwart) und betitelt sich gegenseitig als Baron. Dass Vampire unter Umständen ein wenig abgehoben sind, ist ja nicht neu. Aber so snobistisch? Das ist dann doch etwas übertrieben …

Mein Eindruck

Man muss Kelly zugute halten, dass ihre Prosa sich hier leicht verbessert und sie es eher schafft, bei ihrem Plot zu bleiben. Doch die Handlung selbst lässt gerade dem weiblichen Leser die Haare zu Berge stehen. Ares, von allen guten Geistern (d. h. Domenico und Flora) verlassen, hat sich drei Vampirbräute angeschafft, die nun alle seine Wünsche erfüllen. Mit einem anderen Vampir diskutiert Ares daraufhin die Erziehung solcher „Mädchen“, als spräche er über Hundezucht. Zu allem Überfluss haben die „Mädchen“ gegen diese degradierende Haltung überhaupt nichts einzuwenden: „Ohne ihn wären wir verloren“, sagen sie. „Er kümmert sich um uns und liest uns unsere Wünsche von den Augen ab. Er schenkt uns Kleider, Schmuck, sorgt für das Essen … er tut einfach alles für uns! Im Gegenzug dafür dürfen wir ihn lieben und unterhalten ihn ein bisschen.“ Der Höhepunkt ist jedoch Bredas Aussage, dass doch in jeder Frau eine Hure stecke. Diese Aussagen zu kommentieren, ist wohl überflüssig.

Unterm Strich

Um es kurz zu machen: „Des Teufels schönster Sohn“ hat weder eine fesselnde Handlung noch überzeugende Charaktere. Dafür strotzt das Buch vor schiefen Wendungen wie „Domenico rang mit den Armen, nach Atem und nach Worten“ oder „der Einzige, der sprach, war der Rauch seiner Zigarette, der wütend versuchte gegen den Regen anzukämpfen“. Der Roman ist eine einzige Masse wabernder Unstimmigkeiten, erzeugt durch das angestrengte „wollen, doch nicht können“ der Autorin. Eine wirklich mühsame, jedoch überhaupt nicht unterhaltende Lektüre.

Taschenbuch: 144 Seiten
ISBN-13: ‎978-3937536651

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Radkowsky, Britta – Moderne Vampyre. Mythos als Ausdruck von Persönlichkeit

Der unbedarfte Leser wird bei Britta Radkowskys schmalem Bändchen zunächst über den Titel stolpern, sieht „Moderne Vampyre“ doch ganz nach einer antiquierten Schreibweise aus, die besonders ausgefallen und prätentiös sein will. Der Eingeweihte weiß jedoch: Vampir ist nicht gleich Vampyr, und genau diesen Unterschied will Britta Radkowsky, ehemals Redakteurin des Vampirmagazins sanktuarium.de, näher beleuchten.

Vampir und Vampyr wurden Anfang des 19. Jahrhunderts noch synonym verwendet. Beide Schreibweisen wechselten sich mit schöner Regelmäßigkeit ab, da der Begriff ursprünglich aus Osteuropa kam und sich die westlichen Autoren noch nicht ganz sicher waren, wie man den untoten Blutsauger denn nun zu schreiben habe. Heute ist das „y“ ein bewusst gesetztes Signal, unterscheidet es doch in der Regel den Vampir aus Literatur und Film von dem realen, lebenden Vampyr. Doch wie sich dieser Vampyr genau charakterisiert, das kann auch Britta Radkowsky nicht festmachen. Schließlich ist der Vampir eine geduldige Projektionsfläche für eine Vielzahl von Bedeutungen, sodass er letztlich eine grundlegend persönliche und subjektive Erfahrung ist.

Sie nähert sich dem Phänomen daher auf traditionelle Weise über den Volksglauben, die Literatur und den Film. Wer es (immer noch) nicht wusste, erfährt hier, dass der historische Dracula durchaus kein Vampir war, dass es aber eine ganze Reihe von wissenschaftlich belegten Fällen von Vampirismus aus Südosteuropa gibt. Welche Glaubwürdigkeit man diesen historischen Dokumenten allerdings zuschreibt, bleibt jedem selbst überlassen. Radkowsky jedenfalls vermeidet jegliche Propaganda und versucht keineswegs, den Leser von der Existenz von Vampiren zu überzeugen.

Im Abschnitt über Literatur und Film trifft man auf die üblichen Verdächtigen: Byron, Gaultier, Stoker, Rice bei der Belletristik und „Nosferatu“, „Dracula“, „The Hunger“ und „Near Dark“ bei den Filmen. Radkowsky enthält sich leider persönlicher Bewertungen (abgesehen von der Auswahl der besprochenen Bücher und Filme), bietet jedoch Zitate anderer Kritiker, sodass der Leser dennoch einen Überblick über die Qualität der vorgestellten Werke bekommt. Kurz und bündig kann sich so vor allem der Einsteiger einen Überblick darüber verschaffen, was man unbedingt lesen bzw. anschauen sollte, der Fan hingegen wird die meisten Titel bereits kennen.

Diese einleitenden Kapitel nehmen fast die Hälfte des Buches ein und so widmet sich Radkowsky erst relativ spät ihrem eigentlichen Thema, nämlich den lebenden Vampyren. Nun ist es nicht so, dass darunter wiederkehrende Tote zu verstehen sind, die das Blut der Lebenden saugen. Doch was ein Vampyr nun eigentlich ist, das kann auch Radkowsky nicht mit Bestimmtheit sagen. Sicher ist so viel: Es handelt sich um einen Lebensstil; eine Subkultur, die entweder mit dem Internet entstanden ist oder wenigstens dadurch eine Blüte erfahren hat. Vampyre entleihen Eigenschaften und Lebensweisen von Film- oder Romanvampiren und machen sie zu einem integralen Teil ihres eigenen Lebens. Besonders die sensiblen und chronisch schwermütigen Vampire von Anne Rice dienen dabei gern als Vorbild.

Britta Radkowsky bleibt auch hier an der Oberfläche und begnügt sich damit, an Beispielen von verschiedenen Vampir-Vereinigungen, wie dem offiziellen Anne-Rice-Fanclub und seinem legendären jährlichen Vampirball oder dem Sanguinarium mit seinem Regelwerk für Vampyre, das Phänomen zu illustrieren. Diese Beispiele zeigen zwar Aspekte der vampyrischen Subkultur, beleuchten jedoch weder ihre Ursprünge noch ihre Faszination. Viel interessanter dagegen sind die Interviews mit „Größen“ der Vampyrszene, die im Anhang zu finden sind. Webmaster einschlägiger Seiten beantworten hier Fragen zu ihrem ganz persönlichen Vampir- und Vampyrbegriff und erklären, wie, warum und ob sie Vampyr sind. Skeptiker werden feststellen, dass die Interviewten ihren Lebensstil durchaus reflektieren und umfassend belesen sind. Bloße Trittbrettfahrer finden sich im Interviewteil nicht. Allerdings zeigen die Interviews einmal mehr, dass eine Definition des Vampyrbegriffs ein unmögliches Unterfangen ist. Die Ansichten der Befragten können unter Umständen recht gegensätzlich sein, und doch schließen sie sich nicht aus. Wie der Einzelne den Vampirmythos empfindet und für sich interpretiert, ist eine persönliche und individuelle Angelegenheit. Und so ist auch jeder Vampyr individuell und anders. Einfache Formeln gibt es da nicht.

Abgerundet wird der schmale Band durch eine umfangreiche Literaturliste und eine einführende (wirklich nur einführend, da recht kurz) Filmographie für alle, die sich weiter mit dem Thema beschäftigen wollen. Insgesamt bleibt das Buch etwas zu allgemein – in allen angesprochenen Aspekten – eignet sich aber gerade dadurch vor allem für diejenigen, die einen Überblick über das Thema bekommen wollen. Radkowsky schneidet alle wichtigen Aspekte an, in einer flüssigen und gut lesbaren Sprache, ohne den Einsteiger mit tief gehenden Analysen zu verscheuchen.

Fazit: Ein Buch für diejenigen, die ihren inneren Vampyr erst noch entdecken wollen. Alle, die ihm bereits verfallen sind, werden hier nichts Neues mehr lernen.

Gerald Axelrod / Liane Angelico – Die Nacht des Blutmondes

Wer kennt dieses Gefühl nicht? Man betrachtet mit relativ emotionslosem Interesse ein historisches Gebäude, und plötzlich, von einem bestimmten Standpunkt aus, ergibt sich ein majestätischer Eindruck. Oder man spaziert unter einem alten Gewölbe entlang und verspürt unerwartet etwas Unheimliches. Und die Standbilder der Helden, Heiligen und Dämonen scheinen irgendwie zu leben.

Die Bilder

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Krock, Jeanine – Wege in die Dunkelheit. Ein Vampirroman

Jeanine Krock hat mit ihrem Romandebüt „Wege in die Dunkelheit“ (die Ähnlichkeit des Titels mit dem Urgestein aller Vampirportale – pathwaytodarkness.com – ist nicht von der Hand zu weisen) einen dichten und wirklich spannenden Vampirroman vorgelegt, der gleichzeitig einen Einblick in die Gothic-Szene der 80er Jahre bietet und fast nebenbei einen ganzen Vampirmythos aufbaut. Daher bleibt kaum verhüllt, „wo“ die Autorin herkommt: Gothic-Szene und Vampirwirklichkeit bedingen sich in „Wege in die Dunkelheit“ gegenseitig – die Faszination an der dunklen Seite der Existenz, das theatralische Pathos, das Kokettieren mit melancholischen Zuständen und tiefen Gefühlen bringen Vampire und Mitglieder der Subkultur unweigerlich zusammen.

Die Geschichte startet in Deutschland mit dem jungen Nik, der auf einem Konzert an die überirdisch schöne Shamina gerät. Selbige Shamina ist natürlich eine Vampirin und ganz in der Tradition des 19. Jahrhunderts grünäugig, sinnlich und unwiderstehlich. Nik ist sofort Feuer und Flamme und vergisst darüber seine – zugegebenermaßen – nervtötende Freundin Katharina. Shamina wiederum, durchaus von Nik angetan, hat keine Möglichkeit, aus den Verpflichtungen ihres Vampirismus auszubrechen, wird sie doch von ihrem Master Sylvain aufgefordert, ihm bei der Vernichtung eines urbösen Vampirs zu helfen.

So wandert die Handlung von der westdeutschen Provinz ins brodelnde Berlin, ins absolut überschäumende London und auf Sylvains englischen Landsitz. In Flashbacks erfährt der Leser darüberhinaus so einiges über die handelnden Vampire. Vor einer farbenfrohen historischen Kulisse gibt es da rauschende Feste und Straßenräuber, unsterbliche Diener und einen nie enden wollenden Vorrat an Blut.

Es ist schwierig zu entscheiden, wo man bei „Wege in die Dunkelheit“ ansetzen soll. Das Buch ist so voll von Ideen, Handlungssträngen und Themenkomplexen, dass man daraus ohne Probleme eine ganze Romanreihe hätte machen können, ohne dass dem Leser langweilig würde. Mehr noch, es hätte der Autorin die Möglichkeit gegeben, bestimmte Situationen nicht nur anzureißen und den historischen Hintergrund der Vampire deutlicher auszuleuchten. So aber werden ganze Handlungsstränge (beispielsweise Shaminas Vampirwerdung) nur kurz rekapituliert und damit Potenzial verschenkt. Ebenso ergeht es dem eigentlichen Knackpunkt des Romans, nämlich der geplanten Vernichtung des Oberschurken Ludovico, die blass und schablonenhaft bleibt und auf minimalem Raum abgehandelt wird. Auf die Charakterisierung der Gefahr, die von Ludovico (der nie wirklich auftaucht) ausgehen soll, wird überhaupt keine Tinte verwandt und man wird den Eindruck nicht los, dass er nur ein |plot device| ist, um die Vampire zusammenzuführen.

Wirklich gelungen ist dagegen die Beschreibung der deutschen und englischen Subkultur. Von der Darstellung von Bands bis zur ausführlichen Beschreibung von Hairstyles und Klamotten ist alles vertreten. Der dazugehörige Lebenstil komplett mit übertriebenen Gefühlen und plötzlichen Liebesbezeugungen durchtränkt den gesamten Roman und man ist klar im Vorteil, wenn man eine Gothic-Affinität besitzt. Ansonsten kann einem beim hohen Pathos-Grad schnell schwindelig werden. Hier werden sich jedoch auch die Leser finden, für die „Wege in die Dunkelheit“ wie auf den Leib geschneidert ist. Das Buch ist eine relativ unverhüllte, zweihundert Seiten lange Wunschvorstellung vom Vampirismus, die sich nicht damit abmüht, die damit verbundenen Problematiken zur Sprache zu bringen. Krocks Vampire sind durchweg menschenliebende Humanisten, die zur Blutbeschaffung natürlich nie jemanden töten würden – zumindest wenn es sich um die richtige Gruppe Menschen handelt. Einen Pulk Skins genüsslich um die Ecke zu bringen, bereitet ihnen dagegen keine moralischen Kopfzerbrechen.

Für Anhänger der schwarzen Subkultur sollte „Wege in die Dunkelheit“ also ein wahres Fest sein, der Durchschnittsleser wird aber ebenso gut unterhalten. Trotz der Schwächen (und der positiven Schwäche, dass das Buch ruhig hätte länger sein können), schafft es Krock, den Leser zu fesseln und zu unterhalten und ein breites Panoptikum an Schauplätzen und Figuren zu präsentieren. Die Verbindung des Vampirthemas mit der Gothic-Szene ist für das deutsche Genre ein Novum und schon daher die Lektüre wert.

Was abschließend noch erwähnt werden sollte, ist, dass dem Roman ein wirkliches Lektorat fehlt. Nicht nur hätte das den Stil an einigen Stellen geglättet, sondern dem Buch auch sonst eine „runde“ Form gegeben. Scheinbar war man sich aber bei |Ubooks| nicht ganz sicher, ob man nun die neue oder alte Rechtschreibung benutzen solle. Und um eine Entscheidung zu vermeiden, wurde einfach alles durcheinander verwendet. Das Gleiche gilt für die Zeichensetzung, besonders, wenn es um die wörtliche Rede geht. Da werden munter verschiedene Anführungszeichen verwendet, ohne darauf zu achten, wie diese mit den normalen Satzzeichen korrespondieren sollten. Man muss kein Grammatikgenie sein, um über solche wilden Satzkonstruktionen Verwunderung zu empfinden.