Takis Würger – Unschuld

Wenn alle lügen. Und niemand unschuldig ist.

Molly Carver bleiben fünfunddreißig Tage, um die Unschuld ihres Vaters zu beweisen. Seit Jahren sitzt er für den Mord an dem sechzehnjährigen Casper Rosendale im Gefägnis – nun soll das Urteil vollstreckt werden. Auf der Suche nach Antworten kehrt Molly zurück in das Ostküstendorf ihrer Kindheit. Unter falschem Namen beginnt sie, als Hausmädchen für die Rosendales zu arbeiten, eine Familie, die einmal einflussreicher war als die Rockefellers… (Verlagsinfo)

Inhalt und Eindrücke:

Molly Carver wächst in einfachen Verhältnissen allein bei ihrem Vater Florentin auf, nachdem sich die Mutter aus dem Staub macht, als Molly gerade einmal fünf Jahre alt ist. Das bescheidene Zuhause der Beiden ist ein blassgrüner schäbiger Wohnwagen in einem Wohnwagenpark am Rande der Kleinstadt Rosendale im Staat New York.

Das Mädchen Molly hat schon früh Probleme mit der Sprache: als stotterndes Kind, für das besonders die Buchstaben M, N und R fast schon unüberwindbare Hindernisse darstellen, wird sie von den anderen Kindern weder verstanden noch akzeptiert.
Hinzu kommen Hänseleien ob der sozialen Herkunft und familiären Situation, die es Molly schwer machen, überhaupt irgendwo anzukommen. Einzig von ihrem Vater Florentin fühlt sie sich verstanden und geborgen. Von ihm lernt sie fürs Leben, sie essen gemeinsam Fast Food und schauen American Football – eigentlich eine ganz normale Vater-Tochter-Beziehung.

Als Molly dreizehn Jahre alt ist, erfährt sie von ihrem Vater, dass er an einer mysteriösen Krankheit leidet. Erst später wird sie überhaupt begreifen, was genau hinter dem vererbbaren Huntington Syndrom steckt, welches bei Florentin diagnostiziert wurde.
Als Florentin Carver aus zunächst nicht durchschaubaren Gründen verschwinden muss, lässt er seine Tochter Molly bei seinem Bruder Mick im New Yorker Stadtteil Queens zurück. In einer Kellerwohnung unterhalb einer Bar wird das Mädchen fortan gemeinsam mit ihrem Onkel wohnen.

Wenig später wird bekannt, dass Mollys Vater den Sohn seines Arbeitgebers ermordet haben soll. Caspar Rosendale war der Sohn einer wohlhabenden und einflussreichen Familie und wurde im Alter von sechzehn Jahren erschossen. Dafür sitzt Carver fortan in Haft und wird im Staat Pennsylvania von einer Geschworenenjury als geständiger Mörder zum Tode verurteilt.

Zu Beginn des Romans ist Molly bereits 23 Jahre alt. Während die Vollstreckung des Urteils und damit die Hinrichtung ihres Vaters scheinbar unaufhaltsam näher rücken und wie ein Damokles-Schwert über ihnen hängen, halten sie und Onkel Mick sich mit Putzjobs über Wasser. Den Vater hat Molly schon länger nicht mehr in der Haft besucht und auch das Ergebnis ihres Gentests über die Wahrscheinlichkeit, ob sie wie ihr Vater an der Huntington-Krankheit erkranken wird, verdrängt Molly gerade überaus erfolgreich. Was genau vor zehn Jahren in dem beschaulichen Örtchen passiert sein soll, bleibt nebulös.
Die Geschichte des – mutmaßlich durch ihren Vater begangenen Mordes lässt sie indes nicht zur Ruhe kommen: Als sich für sie die Gelegenheit auftut, unter falschen Personalien als Hausmädchen bei der Familie Rosendale unterzukommen, greift sie spontan zu, ohne wirklich zu wissen, was sie dort erwarten wird. Wird Molly auffliegen oder kann sie womöglich die Unschuld ihres Vaters nachweisen?

Der Roman ist in drei Kapitel gegliedert: Das erste Kapitel bildet die Vorgeschichte ab, Kapitel zwei beginnt mit Mollys Ankunft bei Familie Rosendale und macht anteilsmäßig den größten Teil des Romans aus. Das dritte Kapitel bildet den Schlusspart. Innerhalb aller Kapitel sind kürzere Textpassagen, die sich jeweils über einige Seiten erstrecken und mit dem Namen des Protagonisten überschrieben sind.
Bei Molly gibt es stets den Zusatz: „xx Tage bis zur Hinrichtung“, während bei Caspar der Countdown läuft, indem dort steht „Zehn Jahre zuvor. xx Tage vor seinem Tod“
Im zweiten Kapitel wechseln sich dabei überwiegend Molly und der getötete Caspar ab: während Molly beobachtet wird, wird die Geschichte Caspars aus seiner Perspektive erzählt. Weitere Romanfiguren sind unter anderem die Eltern und der Bruder des getöteten Jungen.

Mein Fazit:

Wie fühlt es sich an, wenn der eigene Vater geständig wegen Mordes verurteilt wurde und eine Todesstrafe zu erwarten hat? Was geht in Jemandem vor, der unheilbar erkrankt und schleichende Symptome wahrnimmt? Wenn Sie die Möglichkeit hätten zu erfahren, ob Sie an einer Krankheit erkranken werden – würden Sie das Ergebnis wissen wollen?

Fast schon große philosophische Fragen, die Autor Takis Würger hier mitbringt, wenn er uns in die Geschichte von Molly Carver eintauchen lässt. Die junge Frau wird von ihm so einfühlsam und nahbar porträtiert, dass es den Leser fast schon schmerzt, wie sehr sie unter ihrem Schicksal leidet.

Der Roman spielt in den Vereinigten Staaten und greift gleich einen ganzen Strauß gesellschaftskritischer und pikanter Aspekte und Themen auf: Waffenlobby, unheilbare Krankheiten, Niedriglohnsektor, Betäubungsmittelmissbrauch, Todesstrafe: jedes für sich eigentlich schon ziemlich heftig. Die Verknüpfung der Themen gelingt zwar durchaus ohne unglaubwürdig zu erscheinen – ein wenig bleibt aber das Gefühl, dass hier eine Spur zu viel aufgetragen wurde.

Dennoch bleibt eine wunderbare Geschichte übrig, deren Plot schlüssig und durchdacht ist und die mit ganz großen Begriffen wie: (Un)Schuld, Zweifel, Vergebung spielt.
„Unschuld“ fesselt von Anfang bis Ende und bringt mit sehr eindringlicher Darstellung einer ziemlich schrägen Gesellschaft nachhaltig zum Grübeln.

Gebundene Originalausgabe: 304 Seiten
ISBN-10:3328601686

www.penguin-verlag.de

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)