Terry Goodkind – Death’s Mistress. Sister of Darkness (The Nicci Chronicles 01)

Eine Hexe muss die Welt retten: Zauberprüfungen an der Phantomküste

Nicci war einst eine „Schwester der Dunkelheit“, die dem grausamen Kaiser Jagang diente, doch Richard Kahlan befreite und konvertierte sie. Nun begleitet sie Nathan Rahl, den Propheten, zu einer Hexe. Deren Weissagung lautet: „Eine Hexe muss die Welt retten“. Zusammen mit Nathan und einem jungen Krieger reist Nicci gen Süden auf einen anderen Kontinent, um die Welt über die neue Herrschaft zu informieren. Doch sie hätte nie erwartet, dort selbst einer ihrer härtesten Prüfungen unterzogen zu werden…

Der Autor

Mit seinem mehrbändigen Zyklus um „Das Schwert der Wahrheit“, die er 1994 begann, hat sich der 1948 in Nebraska geborene Amerikaner Terry Goodkind in die erste Reihe der meistverdienenden Fantasy-Autoren geschrieben. Heute lebt der ehemalige Rechtsanwalt und Geigenbauer in der Wüste von Nevada.

Aus der Masse der High-Fantasy-Bücher heben sich seine Romane wie „Wizard’s First Rule“ oder „Stone of Tears“ durch eine nüchterne, wenn nicht sogar düstere moralische Vielschichtigkeit und durch Momente von Erfindungsreichtum – meist hinsichtlich unangenehmer Überraschungen – heraus.

Der Zyklus „Das Schwert der Wahrheit“ umfasst ein Dutzend Romane (in ersten deutschen Ausgaben jeweils aufgeteilt) und ist vorerst mit „Konfessor“ beendet worden. Mit der vierbändigen Serie „Die Legende von Richard und Kahlan“ verzeichnete Goodkind einen weiteren Erfolg. Er starb 2020.

Der Zyklus „Das Schwert der Wahrheit“

Band 0: Das Verhängnis der Schuld – Die Vorgeschichte von „Das Schwert der Wahrheit“ (Debt of Bones)

Band 1: Das erste Gesetz der Magie (Wizard’s First Rule 1)

Band 2: Der Schatten des Magiers (Wizard’s First Rule 2)

Band 3: Die Schwestern des Lichts (Stone of Tears 1)

Band 4: Der Palast des Propheten (Stone of Tears 2)

Band 5: Die Günstlinge der Unterwelt (Blood of the Fold 1)

Band 6: Die Dämonen des Gestern (Blood of the Fold 2)

Band 7: Die Nächte des roten Mondes (Temple of Winds 1)

Band 8: Der Tempel der vier Winde (Temple of Winds 2)

Band 9: Die Burg der Zauberer (Soul of Fire 1)

Band 10: Die Seele des Feuers (Soul of Fire 2)

Band 11: Schwester der Finsternis (Faith of the Fallen 1)

Band 12: Der Palast des Kaisers (Faith of the Fallen 2)

Band 13: Die Säulen der Schöpfung (The Pillars of Creation)

Band 14: Das Reich des dunklen Herrschers (Naked Empire, 2003; dt. im Sept. 2004)

Band 15: Die Magie der Erinnerung (Chainfire, 2004, dt. im Mai 2006)

Band 16: Das Ende der Welten (Phantom, 2006, dt. im April 2007)

Band 17: Konfessor (Confessor, 2008)

Band 18: Dunkles Omen (The Omen Machine, August 2011)

Band 19: Wahrheit (The First Confessor, 2012)

Handlung

Lord Richard Rahl und Kahlan, die Konfessorin, haben Kaiser Jagang besiegt. Neue Gesetze gelten nun und sollen überall bekanntgemacht werden. Diese Aufgaben übernehmen im Ausland die ausgewählten Botschafter. Lord Rahl bittet seine Freundin Nicci und seinen Bruder Nathan, auch die Alte Welt als Botschafter über die neuen Verhältnisse aufzuklären, beispielsweise über das Ende der Sklaverei und der Prophetie.

Die rote Hexe

Nicci, die ehemalige Schwester der Finsternis, und Nathan Rahl, der tausend Jahre alte Prophet, wandern zu einer ganz besonderen Begegnung. Der Krieg gegen Lord Darken Rahl und Kaiser Jagang ist vorüber, im Palast des Volkes herrscht Richard Rahl mit seinem Schwert der Wahrheit und der Ersten Konfessorin Kahlan. Diese große Veränderung hat Personal wie Nicci freigesetzt und Bannflüche aufgehoben, so etwa den auf dem Palast der Propheten (siehe „Schwestern des Lichts“, Teil 2). Nun ist Nathan Rahl ein gewöhnlicher Sterblicher, und es gibt vieles zu erledigen, bevor er das Zeitliche segnet. Nicci, die Hexenmeisterin, soll ihn beschützen.

Der Weg führt das Duo durch die Wildnis zu der Hexe Red, die in einer einsamen Hütte leben soll, welche von Totenschädeln und Knochen umgeben ist – Überreste der Unglücklichen, die keine Audienz bekamen. Nathan hat Glück: Die Hexe mit den roten Zöpfen, den himmelblauen Augen und den scharfen Zähnen empfängt ihn. Sein Begehr? „Ich möchte mein Buch des Lebens schreiben lassen.“ Keine geringe Sache, wie sich zeigt: Als Tinte dient Nathans eingekochtes Blut – „was sonst?“, fragt Red. Die Tinte wird auf gewöhnliches Papier aufgetragen, scheint es, doch die Feder stammt vom Raben der Hexe. Zauberei ist am Werk, als sich das Buch von alleine schreibt.

Auch Nicci bekommt einen Auftrag mit auf den Weg. Das Orakel der Hexe besagt: „Eine Hexe wird die Welt retten.“ Das Duo ist froh, dass es der Hexe Red lebend entkommt. Doch der Weg soll in die Alte Welt führen, die jenseits des Ozeans liegt. Dort soll Nathan seine Stärke zurückerlangen. Der nächstgelegene Hafen ist die Stadt Tanimura, wo sie ein Schiff chartern, die „Wavewalker“, die Wellenläuferin.

Zuvor begegnen sie jedoch dem Jungen Bannon, der vom Südkontinent der Alten Welt stammt und auf seine heimatliche Insel zurückkehren will. Da er aber etwas Heldenhaftes vorweisen möchte, erwirbt er ein Schwert. Nicci und Nathan helfen ihm dabei, es nicht gleich wieder an Straßenräuber zu verlieren, und er schließt sich ihnen an. Schließlich geht es in die gleiche Richtung: nach Süden. Nicci mag ja gut aussehen, aber dass sie eine Hexerin ist, lässt sie zur Warnung Bannon deutlich spüren: Schmerz.

Angriff

Was Nicci und Nathan an Zauberkünsten zur Verfügung steht, lernt der junge Bannon bald, als die „Wavewalker“ von einem Stamm recht bissigen Unterwasservolks angegriffen wird. Die Selkas wollen die Wunschperle, die Bannon Nicci aus Dankbarkeit geschenkt hat. Bei dieser Gelegenheit muss er unter Beweis stellen, ob er mit einem Schwert auch etwas anfangen kann. Schließlich ist er ja nur eine Art Bauertrampel, der noch nichts von den Gefahren, die die Welt bereithält, ahnt. Dem dynamischen Trio gelingt es, den Stamm der Selka abzuwehren und ihm eine Lektion zu erteilen. Dafür ist jedoch das Schiff, seiner Mannschaft verlustig, im nächsten Sturm zum Untergang verdammt: Es zerschellt an einer fremden Küste. Sie wird „Küste der Phantome“ genannt.

Die Alte Welt

Kol Adair – dorthin müssen sie. Das ist Nathans Bestimmungsort. Sogar ein Wegweiser weist diesen Namen auf und zeigt in die richtige Richtung: Süden. Nach einigen Tagen erreichen sie die erste menschliche Siedlung, ein Fischerdorf namens Renda Bay. Nicci und Nathan überbringen ihre Botschaft, doch der Dorfälteste Holden ist skeptisch. Das Ende der Sklaverei habe sich wohl bislang wohl kaum bei den Verbrechern herumgesprochen, und wo sind die Truppen des neuen Herrschers? Schon am ersten Abend tauchen am Horizont vier Galeeren der Norukai-Sklavenjäger auf. Wer bietet nun den versprochenen Schutz, fragt Holden. Nicci versichert ihm, dass sie das erledigen werde. Angesichts der schlanken Frau bleibt Holden skeptisch. Die Schwerter von Nathan und Bannon scheinen mehr ausrichten zu können.

300 grinsende Krieger stürmen den Strand und dringen in das Fischerdorf ein, wo nur schlecht bewaffnete Männer sich entgegenstellen. Da machen die drei Fremdlinge einen erheblichen Unterschied. Bannon entpuppt sich als grimmiger Schwertkämpfer, der im Duett mit Nathan einen Sklavenjäger nach dem anderen niederstreckt. Nicci kann sich jetzt nicht mit der Ursache für diese Kampfeswut befassen, sondern schickt einen Feuerball nach dem anderen auf die vier Boote und versenkt drei davon. Das vierte entkommt mit zwei Dutzenden Sklaven.

Die Ernüchterung nach der Schlacht hält mehrere Überraschungen bereit, so etwa für Nathan, der bestürzt entdeckt, dass sich seine Magie, das Han, gegen seinen Willen wendet. Fortan kann er Nicci nicht mehr zur Seite stehen, vielmehr stellt er eine Gefahr dar, sollte er auf seine Magie zurückgreifen…

Mein Eindruck

Diese Abenteuer sind lediglich das Vorspiel für die zwei großen Herausforderungen, denen sich das wackere Trio stellen muss. Im nächsten Dorf, das schon am Rand der „Narbe“ genannten Wüste liegt, schließt sich ihnen ein Mädchen namens Thistle (Distel) an – ein Name, der schon auf das verweist, worum es vordergründig gehen wird: Vegetation bzw, was davon ums Überleben kämpft.

Nach einer weiteren Prüfung gelangen die Vier in eine Wüste, durch die Thistle sie zu einem verborgenen Ort und Hort des Wissens führt: Cliffwall. Hier wird die wahrscheinlich größte Bibliothek der Alten Welt verwahrt, aber nicht von kundigen Zauberern (Kaiser Jagang hat alle getötet), sondern von Epigonen, die sich mehr schlecht als recht das verbliebene Wissen anzueignen versuchen, nachdem es einer der Frauen 50 Jahre zuvor gelungen ist, den Tarnschleier, der die Bibliothek verborgen hatte, zu lüften. Leider kam es bei der Erkundung der vielen Regalmeter und der Erprobung der Zaubersprüche zu etlichen Unfällen.

Wissen ist ein zweischneidiges Schwert und nur derjenige, der es im rechten Maß anzuwenden vermag, kann und darf überleben. Das ist leider bei zwei Novizen misslungen. Roland hatte sich eine Krankheit angehext, die er nur mit dem Raub von Leben kompensieren konnte – und immer noch kann. Er ist zwar weit hinaus gegangen, doch die Wüste, die Roland erzeugt hat, breitet sich immer noch aus und bedroht selbst Cliffwall.

Um es kurz zu machen: Nicci besiegt Roland, der das Zeitliche segnet. So weit, so gut. Doch nun kommt die Anführerin der Memorierer, die sich ganze Zauberbücher merken, auf die hochmütige Idee, es dieser „Herrin des Todes“ mal so richtig zeigen zu wollen. Sie betrachtet sich als Herrin des Lebens und denkt gar nicht daran, eine halbe Ewigkeit zu warten, bis die Wüste, die Roland hinterlassen hat, wieder grün geworden ist. Als Herrin der Fruchtbarkeit gelingt es ihr, einen entsprechenden Zauberspruch zu aktivieren und dort, wo zuvor Wüste war, wilde Vegetation sprießen zu lassen. Ungehemmt, von Pilzen, Fliegen und Käfern begleitet, mit drei ihrer Jüngerinnen begleitet. Die vier Frauen verwandeln sich in todbringende Baumwesen, deren Stacheln unter anderem auch Simon, den Vorsteher der Novizen, im Handumdrehen töten.

Nicci mag zwar die Herrin des Todes sein, doch ihr fehlt das magische Instrument, um Victoria, die Herrin des Lebens, zu stoppen. Wilde Vegetation dringt zu den Mauern Cliffwalls vor, hindurch und in die Festung hinein. Eine Novizin namens Mia kann eine Methode, wie und woraus sich der Bogen und der Pfeil fertigen lassen, um die Herrin des Lebens zu töten. Einen Bogen aus einer Drachenrippe zu fertigen, erweist sich als ebenso leicht wie die Herstellung des Pfeils, doch worauf es wirklich ankommt, ist das nötige Gift auf der Spitze des Pfeils: das Herzblut eines geliebten Menschen…

Unterm Strich

Getreu seiner Philosophie, die mittlerweile bekannt sein dürfte, zeigt der Autor erneut, dass es im Leben zwar stets auf das rechte Maß der Macht ankommt, dass man auf dem Weg dorthin mitunter recht drastische und radikale Methoden anzuwenden gezwungen ist. So überschreiten seine Helden und Heldinnen wie Richard Rahl und Kahlan immer wieder die Grenze zum Reich des Todes, um die Seele des jeweils anderen geliebten Menschen zu retten.

Nicci, die Zauberin, liebt nur einen Menschen von ganzem Herzen, eben diesen Richard Rahl. Sie musste auf die harte Tour lernen, dass er nur Kahlan lieben kann und sie selbst sich mit dem Rest bescheiden muss. Deshalb begibt sie sich für ihn auf diese Expedition und entledigt sich der Aufgabe, die neue Botschaft zu verkünden, Lord Rahl werde künftig Frieden und Gerechtigkeit bringen. Das Firmament hat er bereits geändert, alle Prophetien sind hinfällig geworden, die Menschen sind im Grunde frei.

Begriffe

Doch Begriffe wie Freiheit, Gerechtigkeit und Wissen sind alle relativ und müssen erst erkämpft werden. Wie die Bewohner von Renda Bay berichten können, ist Freiheit ein knappes Gut angesichts der ständigen Sklavenjagden. Auch an Gerechtigkeit gebricht es Leuten wie dem Adjudikator, einem Killer, der Seelen auf ihre Schuldhaftigkeit erforscht – er selbst muss sich aber nie rechtfertigen. (Das klingt nach altbiblischen und frühislamischen Konzepten, die aber schon die alten Ägypter kannten: Wenn sich die Waagschale der Wahrheit zu tief Richtung Schuld senkte, wurde dem Verstorbenen vom Totenrichter der Zugang zum Jenseits verwehrt und der Unglückliche von einem Krokodil gefressen.)

Prüfungen

Die beiden großen Prüfungen, die Nicci und ihre Gefährten in Cliffwall zu bestehen haben, drehen sich um die angemessene Anwendung von Wissen. Wie gesagt, ist egoistisch eingesetztes Wissen die Ursache für die Entstehung einer Wüste, die ein Dorf nach dem anderen verschlingt. Der metaphysische Aspekt dieses Phänomen dürfte auf der Hand liegen. Das Gleiche gilt auch für das Gegenteil: Victoria, die „Herrin des Lebens“, ist selbst unfruchtbar, kompensiert diesen Mangel aber durch ebenso egoistische Macht, indem sie die Vegetation explodieren und die Welt verschlingen lässt. Die Kontrolle, die der Autor nahelegt, ist also einerseits Selbstkontrolle und zweitens Kontrolle innerhalb einer Gemeinschaft, die Unterweisung erhalten hat. Zaubersprüche sind ja an sich harmlos, aber in der Hand eines Narren können sie tödliche Wirkung entfalten.

Keine Langweile

Wie alle Romane Goodkinds schreitet die Handlung der über 80 Kapitel konsequent voran, so dass sich der Leser nie zu sorgen braucht, es könne ihm irgendwann langweilig werden. Die verschiedenen Motive greifen ineinander und tauchen immer wieder auf. So ist es etwa die Todesblüte, die Bannon zufällig an dem Phantomküste findet und Nicci schenken will. Diese extrem giftige Blume, die Nicci dennoch mitnimmt, um damit zu experimentieren, wendet sich am Schluss gegen sie. Als hätte sie ebenso gut eine Atombombe mitnehmen können. Der Preis für ihren Leichtsinn ist hoch.

Für Jugendliche ab 14

Weil es hier nur selten zu gewalttätiger „Action“ kommt und an Erotik nicht zu denken ist, eignet sich der Auftaktband für die Nicci-Chroniken (s.o.) für Jugendliche ab 14 Jahren. Es mangelt keineswegs an Dramatik, aber wohl an Humor. Der einzige, der Ironie zustande bringt, ist der tausend Jahre alte Nathan. Er kann es sich leisten, über die Relativität aller Dinge und Werte nachzudenken. Aber auch er muss einen Preis dafür zahlen, sobald sich eine junge Novizin mit ihrer Hilfsbereitschaft in sein Herz geschlichen hat. Denn von den Dingen des Herzens hat der Verstand keine Ahnung.

Das einzige Detail, das diesem Buch wirklich fehlt, ist eine Landkarte der Alten Welt. Sie fehlt auch im Folgeband „Shroud of Eternity“.

Taschenbuch: 569 Seiten
O-Titel: Death’s Mistress,
ISBN 9781786691651

https://www.headofzeus.com

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