Terry Goodkind – Nest. Confront True Evil (Jack Raines 1)

Racheengel vs. Kopfgeldjäger

Nachdem ihr Bruder brutal ermordet worden ist, hat Kate Bishop eine Menge Fragen an die Kripo. Warum hielt ihr Bruder in seinem Keller einen Mann in Ketten gefangen? Wer hat ihn um seine Augen beraubt? Worin bestand seine Beziehung zu der Kripo-Ermittlerin, die seine Ermordung untersucht? Könnte der Mord mit dem Tod ihres Onkels Everett vor zwei Wochen zusammenhängen?

Der rätselhafte Autor eines Buches mit dem Titel „Eine kurze Geschichte des Bösen“ nimmt mit Kate Kontakt auf und behauptet, er habe die Antworten auf ihre Fragen, Antworten, die sie mit der wahren Natur des Bösen vertraut machen würden. Er sagt, Kate verfüge über eine verborgene Gabe, ein Talent, dessentwegen sie von den menschlichen Raubtieren, die ihren Bruder auf dem Gewissen haben, zur Zielscheibe gemacht worden ist: Sie könne sie an ihren Augen erkennen…

Der Autor

Geboren und aufgewachsen ist Terry Goodkind in Omaha, Nebraska. Weil er das Leben im Wald liebt, zog es ihn 1983 mit seiner Frau Jeri nach Maine in Neuengland. Zunächst verdiente er seinen Lebensunterhalt als Rechtsanwalt, Zimmermann, Geigenbauer und Restaurator. Als er sich in Maine ein Haus baute, begann er mit der Schriftstellerei und erkannte bald, dass er bis zum Ende seines Lebens nichts anderes mehr machen wollte.

Mit seinem mehrbändigen Zyklus um „Das Schwert der Wahrheit“, die er 1994 begann, hat sich der 1948 in Nebraska geborene Amerikaner Terry Goodkind in die erste Reihe der meistverdienenden Fantasy-Autoren geschrieben. Heute lebt der ehemalige Rechtsanwalt und Geigenbauer in der Wüste von Nevada.

Aus der Masse der High-Fantasy-Bücher heben sich seine Romane wie „Wizard’s First Rule“ oder „Stone of Tears“ durch eine nüchterne, wenn nicht sogar düstere moralische Vielschichtigkeit und durch Momente von Erfindungsreichtum – meist hinsichtlich unangenehmer Überraschungen – heraus.

Der Zyklus „Das Schwert der Wahrheit“ umfasst ein Dutzend Romane (in ersten deutschen Ausgaben jeweils aufgeteilt) und ist vorerst mit „Konfessor“ beendet worden. Mit der vierbändigen Serie „Die Legende von Richard und Kahlan“ verzeichnete Goodkind einen weiteren Erfolg.

Jack Raines-Reihe

1) Nest
2) The Girl in the Moon
3) Crazy Wanda (Novelle)
4) Trouble’s Child (Novelle)

Handlung

Chicago, die Gegenwart. Als Kate Bishop von der Polizei zum Haus ihres Bruders John gerufen wird, kehrt sie gerade von einem Termin als Wirtschaftsprüferin und einem Abstecher in ein Krankenhaus zurück. Was sie bei John vorfindet, ist surreal. Das Haus ist voller Cops und Rechtsmedizinern. Johns Leiche ist grausig zugerichtet: Die Augen wurden herausgerissen. Auch das Haus selbst ist kaum wiederzuerkennen, denn alles ist voller Blut. In seinem Keller soll John einen Mann gefangen gehalten haben, der sich schließlich befreien und an John rächen konnte. Warum sollte John so etwas Absurdes tun? John ist geistig zurückgeblieben und könnte keiner Fliege was zuleide tun.

Als sich Kate zu Hause etwas zu erholen versucht, nachdem Detective Sanders wieder gegangen ist, kommt die Polizistin Janek zu Besuch. Sie will mehr über Kate und John erfahren, ohne dass ihre Vorgesetzten, etwa Det. Sanders, davon erfahren. So erfährt sie, dass Kate sich die Schuld an Johns Tod gibt. Sie hätte da sein sollen, um ihm zu helfen. Aber sie ist eine Sicherheitsprüferin beim Rüstungsunternehmen KDEX Systems und brauchte in Dallas etwas länger. Außerdem machte sie einen Abstecher zum Krankenhaus in Chicago, wo eine Frau mit eingedrücktem Gesicht liegt. Obendrein hat sie erfahren, dass ihr Onkel vor zwei Wochen in Nevada zu Tode kam. Es ist alles ein wenig viel, erkennt Detective Janek. Trotzdem legt sie Kate ein paar Verbrecherfotos zur Begutachtung vor.

Die Gabe

Als Kate eines der Fotos, das in einem ganzen Stapel steckt, anschaut, gefriert ihr geradezu das Blut in den Adern. Es sind die Augen eines Mörders. Sie kann kaum den Blick zum Rest seines Gesichts heben, das sehr durchschnittlich aussieht. AJ Janek hat ihre Reaktion genau registriert, daher verrät sie Kate, dass sie John dazu eingesetzt hat, um auf die gleiche Weise – mithilfe gedruckter Fotos – Mörder zu identifizieren. Kate habe die gleiche Fähigkeit, und John sei in seiner Fähigkeit absolut unfehlbar gewesen, quasi ein Geigerzähler des Bösen. Kate erinnert sich, dass John vom Teufel gesprochen hat, wenn er „böse“ Menschen sah. Sie fand das absurd.

Super-Killer

AJ Janek hat die Theorie, dass Menschen wie die beiden Bishops Ergebnis einer evolutionären Entwicklung sind, das man das Angst-Gen nennen könnte. Mit dem feinen Unterschied, das dieses Gen nur auf Killer anspricht. Die schlechte Nachricht: Parallel dazu haben die Super-Killer die gleiche Fähigkeit entwickelt, Leute wie die Bishops ihrerseits zu erkennen – um sie sofort zu töten. Diese Theorie habe sie, AJ, von Jack Raines übernommen, dem Autor des Buches „Eine kurze Geschichte des Bösen“. Jack Raines sei schwer zu kontaktieren gewesen, aber sie konnte einen Pakt der Kooperation mit ihm schließen. All dies sei natürlich top secret. Ein Wort zu anderen, und man würde AJ auf der Stelle feuern und den Anwälten und Presse-Schakalen zum Fraß vorwerfen.

Zielscheibe

Kate muss sich mit dem Gedanken vertraut machen, dass nicht nur John das Opfer eines solchen Super-Raubtiers geworden ist, sondern dass auch sie nun ein potentielles Ziel sein kann. Deshalb ist Diskretion oberstes Gebot. Nachdem sie ihre Kontaktdaten ausgetauscht haben, verabschiedet sich AJ, nicht ohne Kate ihren wahren Vornamen „Angel“ verraten zu haben. Sie hat nämlich, im Unterschied zu Kate, noch eine Familie. Danach hat Kate endlich Zeit, um um ihren verlorenen Bruder zu weinen.

Verfolgt

Jemand sucht nach ihr. An der Sicherheitsschleuse ihres Firmensitzes informiert sie Carlos, der Sicherheitsprüfer, dass ein junger Typ einen Termin mit ihr haben wollte. Er habe ihn abgewiesen. Aber auch der Leiter der IT-Abteilung informiert Kate, dass nach ihr gesucht wurde – in einer Art Mausefalle, die er, Brian, in seinen Server für solche Schnüffler und Hacker eingerichtet hatte. Kates Akte war das einzige, was diesen Eindringling interessierte. Gut, dass er, Brian, schon sämtliche Angaben in der digitalen Akte vorher durch Falschangaben verschlüsselt hatte.

Bei ihrem letzten Audit-Termin bei KDEX in Dallas hat sich Kates Gabe positiv bemerkbar gemacht. Sie hat einen Betrüger auffliegen lassen. Aber kann sie damit wirklich auch Killer erkennen? Sie bittet AJ um einen Test. Indem sie alle Killer und Unschuldigen fehlerlos identifiziert, findet sie nebenbei heraus, dass es auch gute Killer gibt, so wie AJs Mann Mike: Er war ein Army-Scharfschütze in Afghanistan. Auf AJs Bitte schaut sie sich ein paar Fotos von Verdächtigen in einem Fall von Kindesmord an – ihre Wahl ist ebenso rasch wie eindeutig und wird von AJ später bestätigt. AJ lädt Kate, die nun ganz allein wohnt, ein, bei ihr und Mike im Gästezimmer zu übernachten. Kate nimmt gerne an.

Der Mann ihrer Träume?

Jack Raines steht überraschend in Kates Büro. Obwohl sie vom Sicherheitsdienst vorgewarnt worden ist, ist Kate doch ein wenig überrumpelt. In seinen Augen sieht sie sofort, dass er ein Killer ist – und noch etwas anderes: Sie fühlt sich ein wenig sicherer. Raines sagt, er habe ihren Onkel Everett gekannt, denn der war einer seiner Leser. Und ja, er jage und suche die menschlichen Raubtiere so wie AJ, die er ebenso kennt.

Er sei nicht nur zu Kate gekommen, um ihr sein Beileid zum Verlust ihres Bruders auszusprechen, sondern auch um sie zu beschützen. Dass sie in Gefahr sei, ahnt sie bereits. Während er mit dem Mann von der Security spricht, wird sie von ihrem Kontaktmann bei der Army angerufen. Er hat herausgefunden, dass Raines sowohl für die eigenen als auch für die israelischen Regierungsbehörden, sprich für die geheimen Dienste, gearbeitet habe. Also lädt sie Raines zum Abendessen ein – bei AJ.

Er sei nicht nur zu Kate gekommen, um ihr sein Beileid zum Verlust ihres Bruders auszusprechen, sondern auch um sie zu beschützen. Dass sie in Gefahr sei, ahnt sie bereits. Während er mit dem Mann von der Security spricht, wird sie von ihrem Kontaktmann bei der Army angerufen. Er hat herausgefunden, dass Raines sowohl für die eigenen als auch für die israelischen Regierungsbehörden, sprich für die geheimen Dienste, gearbeitet habe. Also lädt sie Raines zum Abendessen ein – bei AJ.

Das Grauen

Doch als sie beim Haus der Janek-Familie ankommen, entdecken sie, dass die Haustüre unverriegelt ist und offensteht. Das bedeutet nichts Gutes. Das Innere des Hauses ist auffallend still. Jack ist sofort auf der Hut und rät Kate, draußen zu bleiben, während er hineingeht. Doch kaum ist drinnen, folgt sie ihm auch schon neugierig, schließlich ist AJ ihre Freundin und sie sorgt sich um sie. Doch dann schlägt ihr aus der unheilvollen Stille des Inneren ein unverkennbarer Geruch nach frischem Blut entgegen…

Mein Eindruck

Ich habe „Nest“ bestellt, weil ich von „The Girl in the Moon“ begeistert (siehe meinen Bericht) war. Dies ist der erste Thriller in der Jack-Raines-Reihe (s.o.) und bereitet das Fundament für das, was noch kommt: eine neue Spezies Mensch, solche wie Kate. Die erste Hälfte, die ich oben skizziert habe, ist noch recht spannend und weist sogar eine Actionszene auf. Während Kate ihren ersten Fight bestehen muss – sie hat den Schwarzen Gürtel in irgendeinem ungenannten Kampfsport – steht ihr Jack schließlich zur Seite, denn sie hat ein wichtiges Detail übersehen: Der Angreifer hatte ein Messer…

Der Feind

Doch wer sind diese Angreifer überhaupt, fragt Kate den bislang recht schweigsamen Jack Raines. Nach diesem ersten Sieg soll Kate mit Jack untertauchen. Nun beginnt das Buch langweilig zu werden, denn Jack entwickelt sich zu Kates Lehrer, denn er macht sie erstens mit dem Darknet bekannt und zweitens mit einer illegalen Webseite namens „Scavenger Hunt“ (ungefähr „Kopfgeldjagd“). Dort enthüllt er ihren ungläubigen Augen, dass auf sie und John und AJ ein Kopfgeld ausgesetzt ist, zahlbar in der digitalen Währung Bitcoin. Auf John und AJ waren je 50 Bitcoin ausgesetzt, auf Kate jedoch 200. Deshalb haben die menschlichen Raubtiere sie also im Visier und lauern ihr überall auf.

Die Predigt

Soweit, so gut, doch es kommt schlimmer, denn Jack verwandelt sich aus einem Lehrer und Lebensretter zu einem Prediger. Sein Sermon zieht sich über viele Seiten hin. Es handelt sich um nichts anderes als eine Interpretation des Weltgeschehens auf einer biosozialen Ebene: Die Killer, Ganoven, Hacker und Großverbrecher sind dabei, die Oberhand zu gewinnen. Sie nisten sich in bislang gesunde, friedliche Gemeinschaften ein – das ist das titelgebende Wort – und zerstören es von innen heraus. Jack befürchtet, dass dieser schleichende Prozess bereits soweit fortgeschritten sei, dass ein Kipppunkt erreicht ist: Die Entwicklung sei nicht mehr rückgängig zu machen.

Die Hüter

Es sei denn… besondere Menschen wie Kate, John und Onkel Everett erkennen und melden diese Killer. Keineswegs den Behörden, sondern den Geheimdiensten wie dem Mossad, die wirklich ohne Samthandschuhe zuschlagen können. Dass dies stimmt, wird im furiosen Finale demonstriert. Jack lässt kein gutes Haar an den gewählten Vertretern der US-Justiz, die rechtschaffene Verteidiger der Opfer selbst an den Pranger stellen, weil sie das Gesetz in ihre eigenen Hände genommen hätten. Als Folge daraus muss sich Kate laufend der Polizei entziehen und quasi unter deren Radar leben. Dennoch wundert sich der Leser, wie die Killer dann ihre Opfer finden können…

Die Falle

Auf der Beerdigung ihres Bruders John hat Kate Gelegenheit, das zu demonstrieren, was sie von Jack gelernt hat: Ein weiterer auf Beute bedachter Killer greift sie an. Sie macht kurzen Prozess mit ihm, doch sie hat noch mehr drauf. Diese spezielle Erkennungsgabe demonstriert sie bei einem versuchten Bombenanschlag auf dem Flughafen von Chicago. Jetzt will Jack sie unbedingt seiner Verlegerin in New York City vorstellen – und dem Mossad. Doch er führt sie geradewegs in eine Fall. „Ist die berühmte Kate Bishop bereit für ein neues Folter-Video?“, fragt ihr Entführer.

Unterm Strich

„Nest“ ist völlig anders geschrieben als „The Girl in the Moon“. Auf dramatische, anschaulich geschilderte Kampfszenen kann der Leser lange warten. Vielmehr wird viel erklärt, nicht nur aus Kates Blickwinkel selbst, sondern vor allem durch Jack Raines‘. Dessen Weltanschauung macht das ganze dritte Viertel des Buches aus, also fast 100 Seiten. Das war mir denn doch zuviel und hat mich gelangweilt. Nur wer vom Darknet und den dort sich tummelnden Verbrechern noch rein gar nichts weiß, sollte diese Passagen nicht überspringen.

Außerdem unterzieht Jack seinen Schützling sozusagen einer Gehirnwäsche: Am Ende ist Kate nicht nur restlos in Jack verliebt, sondern auch ein Racheengel des Herrn, der die Teufel zur Rechenschaft und aus dem Verkehr zieht. Sie lernt, gnadenlos auf Leben und Tod zu kämpfen – denn ihre Gegner kennen ja ebenfalls keine Gnade. Erst dann befindet sich Kate auf einer Ebene mit „The Girl in the Moon“ und den anderen Kämpferinnen der Reihe. Es handelt sich also um einen Actionthriller für ein vorwiegend weibliches Publikum. „Nest“ ist der nicht ganz gelungene Auftakt zu der Reihe. Wer schnelle, einfallsreiche Action sucht, sollte zu einem anderen Titel der Reihe greifen.

Übrigens: Wer sich gewundert hat, wie es wohl dem tumben, naiven John Bishop gelungen sein soll, einen veritablen Killer zu fangen und in seinen Keller zu sperren, der kann lange auf eine Erklärung warten. Sie wird nie geliefert. Das halte ich für eine eklatante Schwäche eines an solchen Ungereimtheiten nicht eben armen Romans.

Taschenbuch: 428 Seiten
Originaltitel: Nest, 2016
ISBN-13: 9781786692962

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