Theodor Hildebrand – Angelus Mortis. Ein besonderer Roman. (E-Book)

Sprachlich modernisierter Vampir-Grusel aus Deutschland

In einer romantisch schönen Gegend, ungefähr zwei Postkutschenstunden von Prag entfernt, liegt ein uraltes Schloss in den Tiefen des Böhmerwaldes, das sich die Familie Lobenthal zu ihrem neuen Heim erwählt hat.

Schon naht wieder ein Winter, der mit dem eisigen Hauch des Nordwindes die Erde bald in Stein verwandeln und den dichten Böhmerwald in tiefen Schnee hüllen wird. Wie erstaunt da die Nachricht, dass eine junge Dame, die niemand kennt, in das mitten im Wald gelegene, einsame Haus gezogen ist, nur von einem alten Diener begleitet.

Man sagt, dass sie schön sei, aber auch, dass ihre Miene etwas ganz Außerordentliches an sich habe und dass sich Herrin und Diener untereinander fremder, unverständlicher Worte bedienen. Kurzum, die fremde Dame ist ein Mysterium für die Bewohner des nahe gelegenen kleinen Dorfes. Frau Lobenthal, oben im Schloss, schöpft die Hoffnung, die neue Nachbarin als angenehme Gesellschafterin für sich zu gewinnen. Denn die Tage sind einsam geworden und das düstere alte Gemäuer beginnt sie zu ängstigen, nun, da ihr Mann für längere Zeit in Familienangelegenheiten verreist ist … (gekürzte Verlagsinfo)

Der Autor

Theodor Hildebrands Erzählung „Der Vampyr oder die Todtenbraut“ aus dem Jahr 1828 dient dem E-Book als Vorlage. Der seinerzeit beliebte Unterhaltungsschriftsteller Theodor Hildebrand (1794–1859) war mit seinem Roman „Der Vampyr oder die Todtenbraut. Ein Roman nach neugriechischen Volkssagen“ einer der ersten Autoren des Vampirromans, der zum Wegbereiter der modernen Horrorliteratur wurde.

Wie aktuell das Thema Vampirismus damals war, zeigt folgender Wikipedia-Artikel:

>>“Der Vampyr“ ist eine Große romantische Oper in zwei Akten (vier Bildern) von Heinrich Marschner. Marschner vollendete die Komposition während seines Aufenthaltes 1827/1828 in Leipzig, wo am 29. März 1828 am Stadttheater auch die Uraufführung stattfand. Das Libretto der Oper von Wilhelm August Wohlbrück basiert auf dem Schauspiel „Der Vampyr oder die Todten-Braut“ von Heinrich Ludwig Ritter (1822), welches wiederum eine Dramatisierung der Erzählung „Der Vampyr“ (1816) von John Polidori ist. Im gleichen Jahr vertonte auch Peter Joseph von Lindpaintner diesen Stoff.<<

Handlung

Im Jahr 1818 lebt die Familie von Oberst Alfred Lobenthal gemütlich in Berlin. Der Deutsche ist nach seiner Teilnahme am Moldaufeldzug 1812 aus russischen Diensten ausgetreten und hat mit seiner Frau Helene mittlerweile die Kinder Wilhelm und Julie. Doch eines Tages befiehlt er Knall auf Fall die Abreise noch am nächsten Tag. Haben ihn seine politischen Ansichten unbeliebt gemacht, fragt Helene. Doch nein, sagt er, er habe nur einen Großteil seines Vermögens verloren.

Nach Böhmen

Das erklärt aber wohl kaum, warum sie ausgerechnet nach Böhmen ziehen soll und dann noch in ein Schloss. Offenbar ist noch etwas Kleingeld übriggeblieben – oder er hat sie angeschwindelt. Wie auch immer: Sein getreuer Unteroffizier und ehemaliger Kriegskamerad Werner hat das Schloss gemietet und für Köchin Lisette und andere Bedienstete gesorgt. Alles scheint für Helene in Butter zu sein.

Ein Jahr vergeht, als sich das Blatt erneut wendet. Er sagt, er müsse seine Schwester in Stettin besuchen, deren Ehe gekittet werden müsse. Werner vertrete ihn solange. Weil sich Helene einsam und unruhig fühlt, schließt sie gerne Bekanntschaft mit der neuen Nachbarin, von der ihr Lisette erzählt hat. Eine verschleierte Dame, die mit ihrem bleichen Diener Ladislaw in das verfallene Haus im Wald eingezogen sei. Werner kommt diese Frau nicht geheuer vor. Ist sie etwa von zweifelhaftem Ruf?

Lodoiska

Helene setzt sich durch und lässt ihre Kinder mit der Frau spielen, die sich mit Spielsachen revanchiert. Sie nennt sich Lodoiska und trägt immerzu Handschuhe. Werner sträubt sich vergeblich gegen diese Bekanntschaft und beginnt, einen Brief nach dem anderen an Alfred Lobenthal zu schreiben, um Anweisungen zu erhalten. Kein einziger erreicht seinen Bestimmungsort. Immer wenn er aus unruhigen Träumen erwacht, ist der Brief entweder zerfetzt oder durch Blutflecken unleserlich gemacht. Selbst ein Kurier nützt nichts: Er findet den Brief wieder in seiner Schublade. Also muss er die Sache selbst in die Hand nehmen.

Als Werner sie zur Rede stellt, klagt sie, Lobenthal habe ihr einst Unrecht angetan und seinen Blutschwur, den er ihr 1812 in der Walachei gab, gebrochen. Er habe wohl immer noch das entsprechende Dokument, nicht wahr? Auch Helene besucht die unheimliche Lodoiska, von der eine unterschwellige Feindseligkeit ausgeht. Diese warnt Helene vor ihrer Gegenwart, die wir eine Pestilenz wirke. Eine bloße Berührung verbittet sie sich. Die herzensgute Helene will für die Frau, die offenbar Opfer einer unglückliche Liebe ist, beten.

Unheil

Nach einer weiteren Auseinandersetzung mit Lodoiska und Ladislaw droht Werner mit der Obrigkeit. Das schreckt die verschleierte Frau keineswegs. Als er in seine Kammer zurückkehrt, ist sein Säbel in vier kurze Teile zerbrochen. Am nächsten Morgen ist das Dorf in Aufruhr: Eine Braut, die heiraten wollte, wird völlig blutleer und mit einem Bissmal tot aufgefunden. Lisette, die Köchin, weiß Bescheid: Es ist der Vampyr, das Ungeheuer aus der Walachei, das über den Ort gekommen ist.

Doch als Lodoiskas Haus niederbrennt, nimmt Helene die vermeintlich obdachlose Lodoiska in ihrem Schloss auf. Schon bald beginnt eines der Mädchen verdächtige Symptome von Blutarmut zu zeigen…

Mein Eindruck

Der Rest der Handlung ist recht vorhersehbar, doch der Schluss keineswegs. Schließlich schafft es Lobenthal doch noch, nach Hause zu kommen. Kurz zuvor sind Werner und sein kleiner Sohn umgebracht worden. Daheim leben Lobenthals Familie noch, doch bald bleibt ihm nur noch der letzte Rest von dem, was einmal seine Familie war: der Geist seiner Frau. Nur sie weiß ihm einen Rat gegen den Ungeist der Vernichtung, den sie in ihre Mitte aufgenommen hat. Die Anwendung dieser List gegen die Untote ist allerdings nicht die letzte Wendung dieses einfallsreichen Garns.

Kultur- und literaturhistorisch von großem Interesse ist die Art und Weise, wie der Blutschwur zwischen Lodoiska, die einst ein Bauernmädchen war, und Lobenthal, der ihr erst das Eheversprechen gab und sie dann, nachdem er seinen Vorteil ausgenutzt hatte, sitzenließ, um eine andere, standesgemäßere Frau, nämlich Helene, zu heiraten. Dieser Blutschwur ist eine komplizierte Sache, wie ich sie noch nie zuvor angetroffen habe.

Erstens besteht der Schwur aus dem üblichen Eheversprechen; zweitens aus einem geschriebenen Dokument, das mit Blut verfasst wird; damit nicht genug, wird dieser Vertrag fünf Tage unter einen Grabstein auf dem Friedhof gelegt. Damit wird bereits angedeutet, dass ein Bruch des Vertrags nur in einem höchst kühlen Bett enden kann, nämlich sechs Fuß tief unter der Erde.

Rache

Die Rache der betrogenen Liebenden vollzieht sich nach dem Prinzip des Alten Testaments: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Der Eidbruch hat Lodoiskas Familie ausgelöscht. Sie beging erst Selbstmord, dann starben ihre Eltern an gebrochenem Herzen, denn sie war ihr Augenstern. Nun, aus dem Grab zurückgekehrt und mit der Macht der Finsternis ausgestattet, vollzieht Lodoiska systematisch die Auslöschung von Lobenthals Familie.

Als raffinierte Ankündigung des unausweichlichen Endes erblickt Unteroffizier Werner die Folgen der Untreue, die er selbst einzufädeln mithalf. Selbstverständlich muss auch er für diese Schuld zahlen. Sein Tod ist nur eine Vorahnung von dem, was noch folgen soll. Sein Traum, der ihn vor Lodoiska warnt, ist wirklich anrührend gestaltet: ein Haus voller Trauer und Kummer ist es, was Lobenthal und Werner zurückließen. Und in ein solches Haus soll Lobenthal aus Stettin zurückkehren. Die Spiegelung der Ereignisse wird fast bis ins Detail durchexerziert. Nur eine Person kommt davon, doch es darf nicht verraten werden, welche.

Showdown

Der Showdown zwischen Lodoiska und Lobenthal ist besonders reizvoll gestaltet. Sie, die Untote, will immer noch seine Liebe zurückhaben. Es wäre seine allerletzte Chance, sich selbst und Helene zu retten. Doch an eine erneute Untreue, diesmal gegenüber Helene, ist nicht zu denken, ebensowenig an eine Ehe mit einer Vampirin. Die Krise spitzt sich zu, als Lodoiska nicht mal mehr im Sarg bleiben will… Ob die List, die Helene ihm verraten hat, um über die Untote zu siegen, wirklich helfen wird? Eine letzte Begegnung nimmt eine unerwartete Wendung. Sogar die letzte Pointe hält noch einen Tiefschlag bereit.

Keine Dracula-Kopie

Obwohl diese Vampirerzählung rund zehn Jahre nach John Polidoris Erzählung „Der Vampyr“ veröffentlicht wurde, orientiert sie sich angeblich an neugriechischen Legenden von Blutsaugern und Totenbräuten. Gemeinsam ist den beiden Erzählungen das Motiv der Rückkehr von den Toten und das der Schuld, die gesühnt werden muss. Interessant ist bei Hildebrand die Verankerung in einer historischen Zeit und an einem Ort, der den deutschen Lesern gar nicht so weit entfernt erschien: Die Walachei kommt gleich hinter Österreich-Ungarn, an der Donau, wo viele Schwaben siedelten. Von Transsylvanien in Siebenbürgen, wo ebenfalls viele Deutsche siedelten, hatte man bis dato noch keine schlimme Kunde, die kam erst mit Bram Stokers Bestseller „Dracula“ um die Wende von 19. zum 20. Jahrhundert.

Besonders reizvoll sind die zahlreichen Motive der Schwarzen Romantik, wie sie etwa E.T.A. Hoffmann den Berlinern bekannt gemacht hatte. Die – mitunter nichtsahnende – Verstrickung in Schuld, die Aufhebung des Todes und natürlich Sünde und Sühne. In “ Angelus Mortis“ ist der romantisch-liebende Aspekt hervorgehoben, nimmt aber zunehmend unheimliche und vernichtende Charakteristika an.

Helene nimmt die Untote als schweres Ungeheuer wahr, das – wie in einem berühmten Gemälde des Schweizers Füßli – wie ein Nachtmahr auf ihr hockt und sie ihres Lebens beraubt. Wo Helene die lebensspendende Kraft der Liebe verkörpert, ist Lodoiska die absolute Verneinung dieses Prinzips: Ihre Liebe, die sich immer noch bedingungslos an Lobenthal klammert, vernichtet Leben. Die Lösung des Problems kann nur in einer allgemeinen Serie von Toden enden. Die Frage ist aber: Wenn der Tod schließlich aufgehoben ist, wer ist dann verdammt, noch weiterzuleben?

Unterm Strich

„Angelus Mortis“ ist ein echtes Juwel der späten Schwarzen Romantik. Von E.T.A. Hoffmann geprägt, wird hier stets eine Schuld auf mehr oder weniger schreckliche Weise gesühnt. Erstaunlich ist in der Geschichte von Hildebrand jedoch das alttestamentarische Prinzip der Rache im Sinne von Auge um Auge, Zahn um Zahn.

Weil ein deutscher Soldat in russischen Diensten sein feierliches Eheversprechen gebrochen hat, wird fast seine ganze Familie ausgelöscht. Die tote Wiedergänger-Braut ist nicht nur seine Nemesis, sondern auch die seiner Familie. Die Rache ist hier nicht mehr individuell, sondern grenzt schon an Sippenhaft. Gut möglich, dass der Autor ein deutsch-österreichisches Schuldgefühl gegenüber den unterjochten slawischen Völkern in Ungarn, Galizien und Rumänien verarbeitet hat.

Recht gibt ihm die Historie: Die Ungarn standen gegen die k.u.k. Unterdrücker auf, doch ihr Freiheitskampf wurde blutig niedergeschlagen. Schließlich kam es zur Bildung einer serbischen Terrorgruppe von sieben Männern. Einem von ihnen gelang es 1914, in Sarajewo den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand und dessen Frau zu erschießen. Dieser Terrorakt löste den Untergang der Alten Welt im Verlauf des Ersten Weltkriegs aus (der natürlich auch wieder auf dem Balkan geführt wurde, wo die Österreicher gegen die Russen kämpften). Lodoiskas gnadenloser Rachefeldzug ist dagegen ein laues Lüftchen.

Das E-Book

Die Neufassung stammt von Marcus Galle, dem Quality Books in Hameln gehört. Dies hat er dazu zu sagen:

Mein Buch „Angelus Mortis“ ist praktisch eine sprachlich komplett überarbeitete/modernisierte Version des 1828 erschienen Romans „Der Vampyr, oder: Die Todtenbraut“ von Theodor Hildebrand. Lodoiska ist die Hauptprotagonistin, die sich schließlich als Vampir entpuppt. Zunächst hatte ich das Buch unter dem Titel „Lodoiskas Rache“ veröffentlicht, den ich aber dann in „Angelus Mortis“ geändert habe.
Nach meinen Recherchen ist Hildebrands „Vampyr“ (1828) der älteste deutsprachige Vampirroman, von dem es noch Ausgaben gibt. Zwar soll es noch ein oder zwei frühere deutschsprachige Vampirromane geben, allerdings sind weltweit keine Ausgaben mehr davon vorhanden.

Über die Arbeit von Marcus Galle in seinen eigenen Worten:

„Der Verlag „Quality Books“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, vergessene literarische Schätze vergangener Epochen aufzuspüren und diese einem interessierten Leserpublikum wieder zugänglich zu machen.

Herrliche und vielfach ganz außergewöhnliche Geschichten sind es, die mir im Rahmen meiner literarischen Trüffelsuche begegnen – Geschichten, die aus vielerlei Gründen heute nicht mehr geschrieben werden könnten. Und doch liegt allen diesen wunderbaren Büchern ein gemeinsamer Makel inne, der das Vergnügen ihrer Lektüre in nicht unerheblichem Maße beeinträchtigt: die altertümliche Sprache, in der sie verfasst sind.

Diese Erkenntnis war es, die mich seither dazu veranlasst, die Geschichten behutsam von ihrem sprachlichen Grauschleier zu befreien, um sie schließlich – nach einem aufwendigen Bearbeitungsprozess – in neuem Glanz erstrahlen zu lassen.

Das Interessanteste an dem Roman „Angelus Mortis“ war für mich jedoch, dass das Buch –obwohl es ja eigentlich nur ein Unterhaltungsroman ist – noch eine ganz andere Ebene hat, die die kompromisslose, (selbst)-zerstörerische Macht der (männlichen) Libido zum Inhalt hat, die letztlich eine ganze Familie in den Abgrund stürzt.“ Dem ist nichts hinzuzufügen. Mit knapp 3 Euro ist das E-Book relativ preiswert.

Michael Matzer © 2019ff

info@qualitybooks-hameln.de

E-Book: 177 Seiten
ISBN-13: 9783946469179

www.qualitybooks-hameln.de

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