In seinem neuen Buch ›Auf der Spur der wilden Bienen‹ beschreibt der renommierte Bienen-Experte Thomas D. Seeley, wie sich der Mensch über Jahrtausende auf die Spuren wilder Bienen machte, um ihren Honig zu erbeuten. Erst die Erfindung der Bienenstöcke machte diese Jagd überflüssig. Doch zunehmend mehr Menschen schätzen diese traditionsreiche Beschäftigung, die großes Geschick erfordert und Einblick in das Leben der Bienen ermöglicht, ohne ihnen Schaden zuzufügen. In seinem neuen, reich bebilderten Buch erzählt Seeley von der aufregenden Jagd nach Honig, gibt Tipps und erklärt liebevoll die Hintergründe dieser alten Kulturtechnik. Entstanden ist sowohl eine anekdotenreiche Kulturgeschichte der Biene als auch ein Leitfaden der Zeidlerei – geschrieben mit großem Charme von einem, der seine Bienen wahrhaftig kennt und liebt.
(Verlagsinfo)
Auf der Spur der wilden Bienen – mir als Honigliebhaber drängen sich sofort Bilder auf von Waldbäumen, Felsenritzen oder verfallenem Mauerwerk als Unterkunft für wilde Bienen. Sollen Bienen doch, wenn man dem allgemeinen imkerlichen Tenor folgt, in der Wildnis überhaupt nicht mehr überlebensfähig sein, suggeriert der Titel die Suche nach der Ausnahme, nach dem Volk, das der mannigfaltigen modernen Krankheiten der Honigbiene zum Trotz selbstständig überlebt. Der Autor ist als Bienenforscher bekannt und in bestimmten imkerlichen Kreisen ein Begriff für den Versuch, dem größten Feind der Bienen, der Varroa-Milbe, resistente Völker entgegen zu setzen. Vor diesem Hintergrund scheint es naheliegend, von ihm ein Buch über ebendiese Angelegenheit vorgelegt zu bekommen. Auf der Spur der wilden Bienen: Erfolggekrönte Forschungsgeschichte?
Schon der Klappentext belehrt den geneigten Leser jedoch eines Besseren: Es geht um den tatsächlichen Wortsinn des Titels, denn Thomas Seeley begibt sich auf die Spur der wilden Bienen mit dem Ziel, ihre Völker zu finden und aus ihrem Verhalten zu lernen. Er stellt hier überhaupt nicht die Frage, ob die Biene selbstständig überlebensfähig ist. Für den Europäer bei aller medialer Schwarzmalerei offenbart er die Überraschung: Überall, wo es Bienen gibt, gibt es auch wilde Völker. Seeley selbst befand sich bereits überall auf der Welt auf der Bienenjagd, wie er diese seine Beschäftigung nennt. Nicht im traditionellen Sinne, der Zeidlerei mit dem Ziel, das gefundene Volk aufzubrechen und dessen Honigvorräte zu rauben. Rein aus Spaß an dieser Freiluftsportart, wie er es beschreibt; ein Sport, der bei ihm durchaus auch wissenschaftliche Zwecke verfolgt, der dem Naturfreund aber eine faszinierende Freizeitbeschäftigung sein kann.
Es geht also um die Jagd. Viel komplizierte Ausrüstung benötigt man nicht, beruhigt der Forscher gleich im Vorwort seine Leser. Ein paar Kästchen, ein paar Fläschchen, einen Klappstuhl … Vielmehr wird der Erfolg der Bienenjagd von anderen Faktoren bestimmt. Dem Jäger zueigen sein sollten Ruhe und Besonnenheit, denn mit Sicherheit wird es ihm nicht gelingen, einer fliegenden Biene direkt zu ihrem Volk zu folgen. Es ist ein technisches Vorgehen, das sowohl Fingerspitzengefühl als auch eine gute Portion Geduld erfordert – und sich auch mal über einige Tage hinziehen kann. Seeley beschreibt sein Vorgehen detailiert und lässt den Leser beispielhaft an seinen eigenen Erfahrungen teilhaben.
Einem rein technischen Leitfaden für die Jagd würden wohl einige wenige Seiten Umfang genügen, dieses Buch beschäftigt sich jedoch eingehend mit der Tradition der Zeidlerei, mit historischen Beschreibungen, aus denen Seeley für seine eigene Arbeit lernen konnte, und mit der Faszination Honigbiene. Dabei geht er durchaus selbstkritisch mit sich ins Gericht, wenn er die Anfänge seiner Jagdversuche schildert und aus ganzheitlicher Sicht betrachtet. Hier zeigt sich wieder, dass auch wohlmeinende Forscher für Forschungszwecke und unter Erfolgsdruck nicht immer achtsam mit dem Leben umgehen.
Man kann das Buch auf verschiedenerlei Art lesen: In erster Linie ist es tatsächlich ein Leitfaden für die praktische Bienenjagd. Davon ungeachtet wird auch der Leser, der sich mit Seeleys Arbeit als Bienenforscher beschäftigt, hier auf seine Kosten kommen – wie auch der Naturfreund, der unter dem Eindruck europäischen Pessimismus bezüglich der Bienen in eine faszinierende freie Welt eintauchen möchte. Insgesamt ist die Thematik doch sehr speziell, was Seeley durch seine offene und interessante Sprache wett macht. In einem großen Publikumsverlag erschienen, suggeriert das Buch im ersten Eindruck die belletristische Auseinandersetzung mit einem wissenschaftlichen Thema von allgemeinem Interesse; so sollte man durchaus den Buchrücken lesen, um von dem zielgerichteten Inhalt nicht überrumpelt zu werden. Und hinter allem spürt der Leser die große Zuneigung des Autors zu einem der faszinierendsten Wesen unserer Erde, dem man mit nicht genug Achtung begegnen kann. Gerade heute, wenn die agarpolitische Debatte neu entflammt, unter dem Blick der stolzen hochgebildeten Gesellschaft, bedarf die Biene unserer Aufmerksamkeit mehr denn je.
Gebundene Ausgabe, 210 Seiten
Deutsche Erstausgabe
ISBN: 9783103972399
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