Vor 37 Jahren gehörte Ellen Ripley zur Besatzung des Raumfrachters „Nostromo“. Ein fingierter Notruf lockte diese zum Mond LV426, auf dem der Konzern Weyland-Yutami eine außerirdische Lebensform festgestellt hatte, die ein hohes Profitpotenzial besaß. Allerdings waren diese Aliens schlau und bösartig. Ein Exemplar verschaffte sich Zugang zur „Nostromo“ und dezimierte nach und nach sämtliche Insassen. Nur Ripley entkam und tötete die Kreatur, musste dafür jedoch die „Nostromo“ zerstören und sich im Tiefschlaf einer Rettungskapsel anvertrauen, die seither durch den Raum trieb.
Aufgefischt wird Ripley vom Bergbaufrachter „Marion“, der über dem Planeten LV178 kreist. Zum Schrecken über die jahrzehntelange Reise kommt blankes Entsetzen, denn auch an Bord der „Marion“ haben sich die Aliens breitgemacht. Sie hausen offensichtlich auf oder unter der Oberfläche von LV178, wo Minenarbeiter versehentlich auf sie gestoßen sind. Seitdem herrscht Funkstille; mit dem letzten Shuttle vom Planeten kamen Aliens an Bord der „Marion“, wo sie die Besatzung dezimierten und den Frachter in ein Wrack verwandelten.
Die Flucht ist nur mit Ripleys Kapsel nötig, die aber zuvor mit Treibstoff und Nahrungsmitteln ausgerüstet werden muss. Beides findet sich nur in der Mine auf LV178. Es bleibt den wenigen Überlebenden nichts anderes übrig, als zum Planeten zu fliegen und eines der unterirdischen Magazine aufzusuchen – dies im sicheren Wissen um die Anwesenheit weiterer Aliens.
In der Tat werden Ripley und ihre Gefährten bereits erwartet. Die Aliens töten sie jedoch nicht; sie haben ihren Opfern ein schlimmeres Schicksal zugedacht: Aus dem Ei geschlüpfte Jung-Aliens benötigen Wirtskörper, in deren Inneren sie heranwachsen können. Doch vor allem Ripley, die den Gegner kennt, erweist sich als Gegnerin, an der sich die außerirdischen Räuber die Doppelkiefer ausbeißen …
Alles kehrt irgendwann wieder
Siehe da, das Franchise zuckt noch heftig. Damit war zu rechnen, sind die Aliens doch bekanntlich zäh und außerordentlich schwer umzubringen. Seit 1979 treiben sie ihr Unwesen, haben es auf vier ‚offizielle‘ Filme, zwei krude „Crossover-Spin-offs“ („Aliens vs. Predator“) und eine überflüssige aber ansehnliche Vorgeschichte („Prometheus“) gebracht. Hinzu kommen PC-Games, Comics sowie eine lange Reihe „Alien“-Romane, die sich recht knapp zusammenfassen lassen: Menschen stoßen auf Aliens, flüchten und werden dabei massakriert.
Es ist erstaunlich, dass dieser limitierte Handlungsrahmen so robust ist. Dazu waren die „Alien“-Filme bis auf „Prometheus“ keine Blockbuster. Doch das Franchise besitzt ein solides Fundament: „Alien“ 1 bis 4 sind jeder für sich überdurchschnittliche Filme, die ein festes Publikum begeistern und binden konnten. Mit diesem Pfund wuchert das Franchise und konnte es sich deshalb leisten, seine Fans mit dem „Aliens-vs.-Predator“-Humbug vor die Köpfe zu stoßen.
Aktuell (2015) sieht es so aus, als rühre sich die böse Brut im Kino wieder. „Prometheus 2“ ist zumindest angekündigt, und sogar ein fünfter sowie ‚richtiger‘ Alien-Film mit Sigourney Weaver ist in der Planung. Insofern passt es gut, dass die Weltraum-Ungeheuer auch zwischen gedruckten Zeilen erneut ihre Zähne wetzen. Nachdem die Verlage „Bantam“ (1992-1998) und „DH Press“ (2005-2008) „Alien“-Romane veröffentlichten, steigt nunmehr „Titan Books“ in den Ring. „Alien – In den Schatten“ ist erster Teil einer bereits fortgesetzten Reihe.
Wie ist man spannend aber nicht innovativ?
Romane zu Filmen sind einerseits simpel und andererseits kompliziert. Gerade die „Alien“-Storys beschränken sich auf „Hit-&-Run“-Plots. Dies setzt bereits recht enge Grenzen, die durch den grundsätzlichen Handlungsbogen weiter eingeschränkt werden: „Alien“-Geschichten spielen im „Alien“-Universum. Dies wird nicht grundlos ziemlich diffus dargestellt; meist spielen die ‚neuen‘ Storys im erdfernen Raum. Der Bezug auf den Heimatplaneten erschöpft sich in der Präsenz des in alle Weltall-Ecken seine Tentakeln ausstreckenden Konzerns „Weyland-Yutani“, der die Rolle des eigentlichen Bösewichts repräsentiert.
Natürlich könnte man in den Romanen detaillierter werden. Dies ließe allerdings eine Chronologie entstehen, die den „Alien“-Fans nie aus dem Gedächtnis schwinden würde. Neue Filme und Romane müssten eingepasst werden, was mit wachsender Lebensdauer des Franchises zu einem beachtlichen Mehraufwand führen würde; das „Star-Trek“-Franchise dürfte davon ein Lied singen können.
Auf diese Konsistenz könnte man verzichten. Das wäre freilich riskant, denn sein Stammpublikum sollte ein Franchise niemals verärgern! Was zu einer zweiten Einschränkung führt: Der „Alien“-Fan wünscht in seiner Mehrheit keine grundlegenden Innovationen, sondern die Variation des Bekannten. Die Aliens sollen gefälligst Aliens bleiben und für spannende Hetzjagden, Bodycounts und finale Entscheidungsschlachten sorgen. Tim Lebbon verortet sein „Alien“-Garn im bekannten Ereignisrahmen: Die Handlung spielt zeitlich zwischen den Filmen „Alien“ (1979) und „Aliens – Die Rückkehr“ (1986).
Das Beste mindestens vierer Welten
Auch sonst hält sich Lebbon an das skizzierte Konzept. „In den Schatten“ bietet keine echte Überraschung. Tatsächlich lässt sich die Handlung als Potpourri bezeichnen. Kenner der Serie dürften keine Probleme haben, einzelne Elemente den vier „Alien“-Filmen zuzuordnen; eine kräftige Prise „Prometheus“ ist ebenfalls dabei.
Um ganz sicher zu gehen, setzt Lebbon auf Ellen Ripley als Staffelläuferin, die den Handlungs-Stab an eine neue Generation von Alien-Opfern übergibt, die dann altbekannte und bewährte Abenteuer erlebt. Hier ist ihm keine bessere Methode eingefallen, als Ripley aus ihrem ‚offiziell“ 57 Jahre (zwischen „Alien“ und „Aliens“) währenden Kälteschlaf zu reißen. Von dieser Unterbrechung wussten wir bisher nichts – kein Wunder, denn dieser ‚Einfall‘ ist ebenso fadenscheinig wie die Rückkehr des Androiden Ash, der sich nun als KI im Computersystem von Ripleys Rettungskapsel versteckt und neue Tücken im Auftrag seines Konzerns plant.
Hier geht jemand auf Nummer sicher, bindet sich aber gleichzeitig die Schreibhand quasi auf den Rücken, denn selbstverständlich darf sich Ripley keineswegs weiterentwickeln – sie muss die Ripley bleiben, die wir in „Aliens – Die Rückkehr“ wiedersehen. Das Problem verschärft sich, denn gerade die ‚frühe‘ Ellen Ripley ist eine Figur ohne Vergangenheit oder zwischenmenschliche Kompetenzen. Das ist kein Wunder, denn es entspricht dem ursprünglichen Konzept: Eine Gruppe durchschnittlicher Malocher gerät unter Aliens und ist ihnen nicht gewachsen. Nur Ripley überlebt, weil sie ihr Primärkapital ausspielt: Ripley will überleben!
Da ein limitierter Charakter in bewegten Bildern besser zu verkaufen ist als in gedruckten Worten, bemüht sich Lebbon um Figurentiefe. Immer wieder suchen Ripley Visionen heim, in denen Aliens ihre auf der Erde zurückgebliebene Tochter Amanda packen. Auch dieser Trick wird als solcher erkannt und verpufft ähnlich rückstandslos wie die rudimentäre Love-Story zwischen Ripley und Hoop (= Ripley und Dallas bzw. Ripley und Hicks).
Altes Spiel in leidlich neuen Kulissen
„In den Schatten“ zerfällt als Geschichte in mehrere Abschnitte, die notdürftig durch einen dünnen roten Faden zusammengehalten werden. So können die Überlebenden der „Marion“ nicht direkt die Flucht ergreifen. Zunächst müssen sie auf den Planeten und ins Nest der Aliens, denn natürlich (bzw. seltsamerweise) lagern unverzichtbare Vorräte ausschließlich dort. Als sie dann vor Ort in einen Aufzug steigen, fährt der nicht zum Lager, sondern fällt aufgrund eines Defekts ins Bodenlose bzw. direkt in die Unterwelt und vor die Fänge der dort wartenden Aliens.
Auf weitere Parallelen zu den Filmen soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Man kann es zudem positiv sehen: Alien-Königin, amphorenförmige Eier, „Facehugger“, „Chestburster“: Was der Alien-Fan wünscht, wird komplett geliefert. Wie in den meisten Kopien fällt alles ein wenig größer und drastischer aus. Das war’s dann aber auch, denn wie üblich rennen, kämpfen und sterben Klischee-Figuren. Dass Lebbon ihnen Vorleben andichtet, ändert daran keinen Deut.
Das Ende ist im Grunde bekannt. Ripley wird und muss überleben, denn sie tritt dreißig Jahre später auf LV426 erneut gegen die Aliens an. Lebbon wringt sich einen Grund dafür aus dem Hirn, dass sie sich nicht an ihre Abenteuer auf und über LV178 erinnert; es ist abermals kein Meisterstreich. Ripleys Gefährten sind unwichtig, sie dienen als Kanonen- bzw. Alienfutter. Vielleicht überlebt jemand, um als Handlungsträger für die folgenden Serienbände verfügbar zu sein; notwendig ist dies aber nicht, da die Galaxis offenbar übersät ist mit LV-Planeten, auf denen Aliens bruchgelandet sind und allzu neugierige Bergarbeiter & Kolonisten piesacken können.
So drehen sich Lebbon und die Alien-Serie im Kreis. Wenigstens tun sie es routiniert und leidlich spannend. Wer keine darüber hinausgehenden Lektüreansprüche stellt, wird deshalb sicher wieder an Bord sein, wenn es unter der Regie-Feder von James A. Moore heißt: „Alien – Jenseits der Sterne“. Diese Geschichte spielt 300 Jahre später, bietet aber die gewohnte Kost.
Autor
Lebbon wurde 1969 in London geboren. Die ersten acht Jahre seines Lebens verbrachte er in Devon, die nächsten 18 in Newport. Als Autor war er Autodidakt; er brachte sich das Schreiben durch permanentes Schreiben bei. Zahllose Manuskripte kamen nie über das Planungs- oder Anfangsstadium hinaus. Eine erste Story erschien 1994, ein erster Roman („Mesmer“) drei Jahre später.
Als Autor verfolgt Lebbon zwei Strategien. Da gibt es einerseits den renommierten Schriftsteller, der u. a. einen „Bram Stoker Award“ (2001) und einen „August Derleth Award“ (2007) gewann. Daneben schreibt Lebbon triviale Verbrauchsware und „tie-ins“: Romane zu Filmen und Franchise-Romane. Er arbeitet schnell und bemüht sich, den Originaltenor der Vorlagen zu treffen, ohne diese aktiv mitzugestalten, was in diesem Auftragssektor unerwünscht ist.
Mit seiner Familie lebt Lebbon in Goytre, Monmouthshire. Seinen Blog findet man hier.
Taschenbuch: 382 Seiten
Originaltitel: Alien – Out of the Shadows (London : Titan Books 2014)
Übersetzung: Kristof Kurz
www.randomhouse.de/heyne
eBook: 1180 KB
ISBN-13: 978-3-641-14441-8
www.randomhouse.de/heyne
Der Autor vergibt: