Tony Hillerman – Listening Woman / Das Labyrinth der Geister (Navajo Tribal Police 03)

Anhaltende Spannung mit explosivem Finale

Hosteen Tso ist ein alter Mann, der immer versucht hat, den Weg der Harmonie zu gehen, wie es auch seine Navajo-Vorfahren getan haben. Aber nun sind die Dinge aus dem Gleichgewicht geraten, und er braucht Hilfe von Listening Woman. Sie ist eine Lauscherin, eine weise, blinde Frau, die die Stimmen der Götter und Geister hören und verstehen kann. Sie weiß, was zu tun ist, wenn jemand von der Geisterkrankheit befallen ist. Sie versetzt sich in Trance, um zu lauschen, während ihre junge Helferin Anna Atcitty und Tso beim Hogan des Alten warten.

Als Margaret Cigaret, wie Listening Woman mit bürgerlichem, weißem Namen heißt, zum Hogan zurückkehrt, findet sie die beiden (durch Tasten) erschlagen vor. Der Mörder hat jedoch sie selbst übersehen. Das ist aber auch der einzige Fehler, den der unbekannte Täter begeht. Sein Plan, bald ein reicher Mann zu sein, ist perfekt. Bis Lt. Joe Leaphorn sich an die Fahndung macht. (abgewandelte Verlagsinfo)

Der Autor

Tony Hillerman (27.5.1925 bis 26.10.2008) wuchs auf einer Farm in Oklahoma (dem früheren Indian Territory) auf und besuchte ein Internat für Indianer. „Ich war ein Ein-Mann-Minderheiten-Problem und weiß seitdem, was es heißt, wie es den Angehörigen einer rassischen Minderheit zumute ist.“ Er war Rundfunkreporter und Professor an der Uni New Mexico sowie Präsident des Autorenverbands „Mystery Writers of America“. Er erhielt u.a. den Edgar Allan Poe Award. Bis zu seinem Tod lebte er lange Jahre als freier Autor in Albuquerque, New Mexico. Zu seinen bekanntesten Werken gehören die Krimis um die Stammespolizei der Navajos. Sie wurden regelmäßig verfilmt. Er starb im Oktober 2008 im Alter von 83 Jahren.

Kriminalromane im Diné

1. The Blessing Way, 1970 (Wolf ohne Fährte, 1972)
2. Dance Hall of the Dead, 1973 (Schüsse aus der Steinzeit, 1976)
3. Listening Woman, 1978 (Das Labyrinth der Geister, 1989)
4. People of Darkness, 1980 (Tod der Maulwürfe, 1982)
5. The Dark Wind, 1982 (Karo Drei, 1984, unter dem Titel Der Wind des Bösen, 1989)
6. The Ghostway, 1984 (Das Tabu der Totengeister, 1987)
7. Skinwalkers, 1986 (Die Nacht der Skinwalkers, 1988)
8. A Thief of Time, 1988 (Wer die Vergangenheit stiehlt, 1990)
9. Talking God, 1989 (Die sprechende Maske, 1990)
10. Coyote Waits, 1990 (Der Koyote wartet, 1992)
11. Sacred Clowns, 1993 (Geistertänzer, 1995)
12. The Fallen Man, 1996 (Tod am heiligen Berg, 1998)
13. The First Eagle, 1998 (Die Spur des Adlers, 2000) – ISBN 3-499-43364-8
14. Hunting Badger, 1999 (Dachsjagd, 2001) – ISBN 3-499-23332-0
15. The Wailing Wind, 2002 (Das goldene Kalb, 2003) – ISBN 3-499-23355-X
16. The Sinister Pig, 2003 (Dunkle Kanäle, 2004) – ISBN 3-499-23688-5
17. Skeleton Man, 2004 (Der Skelett-Mann, 2006) – ISBN 3-499-24118-8
18. The Shape Shifter, 2006 – ISBN 978-0-06-056347-9

Fortsetzung der Leaphorn/Chee Serie

Im Jahre 2013 veröffentlichte Tony Hillermans Tochter Anne mit Spider Woman’s Daughter (ISBN 0-06-227048-6) eine Fortsetzung der Kriminalromanserie mit Bernadette Manuelito als Protagonistin. 2015 folgte mit Rock with Wings: A Leaphorn, Chee & Manuelito Novel (ISBN 978-0-06-227051-1) eine weitere Episode der Kriminalromanserie von ihr. (Wikipedia.de)

Verfilmungen

– The Dark Wind, 1991, Regie: Errol Morris, Hauptrolle: Lou Diamond Phillips (Jim Chee); deutsch unter dem Titel Canyon Cop, 1995

Für den US-amerikanischen Sender PBS:

Executive Producer: Robert Redford (!)
Hauptrollen: Wes Studi (Joe Leaphorn) und Adam Beach (Jim Chee)

– Skinwalkers, 2002
– Coyote Waits, 2003
– A Thief of Time, 2004 (Wikipedia.de)

Handlung

Hosteen Tso ist ein alter Mann, der immer versucht hat, den Weg der Harmonie zu gehen, wie es auch seine berühmten Navajo-Vorfahren getan haben, die gegen die weißen Landräuber kämpften. Aber nun sind die Dinge aus dem Gleichgewicht geraten, und er braucht Hilfe von Listening Woman. Listening Woman ist eine blinde Navajo-Lauscherin, eine weise Frau, die die Stimmen der Götter und Geister hören und verstehen kann. Sie weiß, was zu tun ist, wenn jemand von der Geisterkrankheit befallen ist. Sie versetzt sich hundert Meter abseits von Tosos Hogan in Trance, um zu lauschen, während ihre sechzehnjährige Helferin Anna Atcitty und Tso beim Hogan der Alten warten.

Margaret Cigaret, wie die weise Navajo Listening Woman mit bürgerlichem Namen heißt, erkennt in der Trance, dass mit Tso etwas nicht stimmt und er schon bald sterben wird. Er braucht nicht nur einen heilenden Gesang, sondern gleich zwei. Warum er unbedingt einen Brief an seinen Enkel , der mit den „Jesus-Leuten“ gegangen ist und die Reservation verlassen hat, schreiben will, weiß sie nicht. Aber es scheint für ihn dringend zu sein. Als Margaret zum Hogan zurückkehrt, findet sie die beiden mithilfe ihres Tastsinns erschlagen vor. Dem Killer ist sie nur dadurch entgangen, dass sie in ihrem Erdloch ganz still gewesen war. Später erzählt sie alles einem FBI-Agenten namens Feeney.

Mr. Mercedes

Lt. Joe Leaphorn von der Navajo Tribal Police ist gerade auf dem Weg zurück ins Hauptquartier, als er beobachtet, wie ein Sportwagen durch die Wüste düst. Er stoppt den Sportwagen der Marke Mercedes und schaut sich den Fahrer an. Der Mann mit der goldumrandeten Brille grinst ihn und überlistet ihn: „He, Ihr Wagen rollt ja rückwärts!“ Als Leaphorn überrascht nachschaut, fährt der Mercedes los und überfährt ihn um ein Haar. Leaphorns Beifahrer, ein junger Navajo-Schafsdieb aus der Begay-Sippe, hilft dem Cop auf die Beine. Er wundert sich, was das für ein riesiger Hund auf dem Rücksitz gewesen war. Dann macht sich der Junge unauffällig aus dem Staub.

Aufträge

Leaphorn bekommt von seinem Vorgesetzten vier Aufträge mit auf den Weg. Erstens die Pfadfinder im Chelly-Canyon, dann diese Frau namens Adams, damit die nicht verloren geht, drittens der vermisste Helikopter und schließlich der ungeklärte Doppelmord als Hosteen Tso und Anna Atcitty. Leaphorn rechnet sich aus, dass er gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen kann, wenn er zum Handelsposten des alten McGinnis fährt. Der klärt ihn darüber auf, dass Hosteen Tso ganz besondere Urgroßväter hatte. Und dass er ein Geheimnis hütete, das er Listening Woman nicht anvertrauen durfte, sei völlig verständlich.

Die weiße Frau

Dann taucht die weiße Frau namens Theodora Adams beim Handelsposten auf. Sie ist sehr schön, blond und blauäugig. Aber Leaphorn lässt sich nicht um den Finger wickeln und findet heraus, was sie hier will: Sie will den Enkel von Tso im Hogan von dessen Großvater besuchen, denn sie liebt ihn. Der Haken dabei: Tso Junior ist römisch-katholischer Priester und dadurch an sein Zölibat gebunden. Dennoch will sie ihn sehen. Aus Neugier auf Tso fährt Leaphorn sie hin. Die Überraschung ist perfekt, die Verführung auch: Miss Adams darf bleiben. Allerdings nicht zu ihrem Vorteil, wie sich wenige Tage später herausstellt.

Vorgeschichte

Nachdem er Listening Woman persönlich befragt hat, geht Leaphorn der Sache mit Mister Mercedes und dem verschwundenen Helikopter nach. In Santa Fé gibt es eine dicke Akte über einen Terroristen, der seine eigene Sekte gegründet hat. nach einem spektakulären Raubüberfall auf einen Geldtransport in Santa Fé hat er einen Helikopter benutzt, um das Geld abzutransportieren. Aber wohin? Wahrscheinlich in ein Versteck im Navajo-Reservat. Sechs Männer waren an dem Überfall beteiligt, und mindestens einer davon könnte der Doppelmörder sein. Listening Woman hätte er übersehen, falls er einen ganz bestimmten Weg eingeschlagen hätte.

Als Leaphorn sich den Tatort noch einmal genau ansehen will, geht ein seltener Platzregen nieder. Dieser Regen erweist sich als Segen, denn danach lassen sich Pfotenspuren ebenso gut wie Stiefelspuren auf dem Hochland über den Canyons lesen. Tso Junior und Theodora Adams sind entführt worden. Von einem Mann mit einem sehr großen Hund. Mr. Mercedes hat wieder zugeschlagen…

Mein Eindruck

Der Showdown mit diesem mysteriösen Mann zieht sich über rund siebzig Seiten hin. Das titelgebende Labyrinth der Höhlen dient als Schauplatz dafür und liefert Leaphorn Erklärungen für einige der Rätsel, auf die er gestoßen ist. Er findet die Erklärung für Tso Seniors großes Geheimnis und das Vermächtnis der Vorfahren, die vor 120 Jahren gegen die Weißen kämpften. Nun wird klar, warum Tso es niemandem anders als seinem Enkel weitersagen wollte.

Der Weg der Rebellion

Außerdem gibt es noch ein Rätsel: Wie kann es sein, dass ein Brief den Enkel in dieses Land locken konnte, den der alte Tso nie McGinnis diktieren konnte, weil er da schon getötet worden war? Jemand anderes wollte, dass Benjamin Tso herkam. Die Identität dieses Mannes bleibt fast bis zum Schluss verborgen, denn auch das FBI redet in seinen Akten nur von einem gewissen „Hoski“. Er ist der Terrorist, der den Überfall in Santa Fé verübte. Wie sich zeigt, ist er ein Verfechter der indianischen Unabhängigkeit und Selbstständigkeit, ein eher Mann des 19. Jahrhunderts und der Besetzer des Reservats Wounded Knee anno 1973. Nur dass er den Weg der Gewalt gewählt hat, statt auf Verhandlungen und Petitionen zu setzen.

Was die Ziele dieses indianischen Mannes wert sind, zeigt sich an seinem Verhalten gegenüber seinem engsten Mitstreiter John Tull, einem Seminolen. Hoski hat das Höhlenlabyrinth, in dem seine Gefangenen als Geiseln festgehalten werden, mit mehreren Sprengfallen präpariert. Leaphorn erkennt die besondere Heimtücke des Plans, der dahintersteckt, und erklärt John Tull, dass Hoski bereit sei, auch ihn, Tull, zu opfern. Dieser Verrat entwertet alle hehren Ziele des Anführers.

Die Dineh

Der wichtigste Aspekt, der diesen und alle anderen Navajo-Krimis so einzigartig macht, sind selbstredend die Navajos. Sie selbst nennen sich Dineh, also Das Volk. Zusammen mit den Hopi und Pueblo (und den verhassten Utes) bewohnen sie eine ausgedehnte Reservation und pflegen die Ausübung ihrer komplexen Religion und Mythologie. Auf dieser Grundlage fußen die Glaubensgrundsätze, Bräuche und Rituale, nach denen gläubige Navajo leben. Der Autor durfte sie alle miterleben.

Deshalb ist Leaphorns Beobachtung und Hillermans Schilderung eines mehrtägigen und öffentlichen Rituals der Initiation eines Mädchens von großer Bedeutung. Dieses Ritual gehört zum Kern der Navajo-Kultur, natürlich sind vor allem Frauen wie Listening Woman daran beteiligt. Aber die Männer singen dazu das Lied von White Shell Girl, und das bietet Leaphorn Gelegenheit, seine schöne, kräftige Stimme erklingen zu lassen.

Es ist eine zentrale Szene, die für den Weg der Harmonie steht, den die rechtgläubigen Navajo zu beschreiten bemüht sind. „Hoski“ ist von diesem Weg schon vor langer Zeit abgewichen und könnte als Hexer bezeichnet werden. Auch Benjamin Tso ist abgewichen, als er nach Rom ging, um Priester zu werden. Nun steht er vor der Wahl, entweder seiner Liebe oder seinen Gelübden entsagen zu müssen. Er rettet sich selbst, indem er sich für die anderen opfert. Auf diese Weise ist die Harmonie wiederhergestellt.

Die Übersetzung

Die Übersetzung ist nicht nur sehr gut gelungen, sondern außerdem völlig frei von Druckfehlern – ein Erlebnis, das heutzutage selten hat.

Einziger Fehler ist auf S. 45 ein falsches Pronomen:

„Angesichts dessen, dass diese Gegend des Reservats für seine Rückständigkeit und seinen Aberglauben berüchtigt war…“ Da dies aber nicht auf das RESERVAT, sondern nur diese GEGEND zutrifft, müsste auch das Pronomen weiblich sein: „IHRE Rückständigkeit und IHREN Aberglauben“.

Unterm Strich

Wenn man sich, wie ich, für Indianer und den malerischen Südwesten der Vereinigten Staaten interessiert, wird man mit Hillermans Krimis über die Navajo Police bestens mit informativer Spannungslektüre versorgt. Man lernt viel über die eigenständige Kultur und Religion der Navajo, Hopi und Pueblo. Die detaillierten Beschreibungen von Landschaft, Flora und Fauna der Region sind derart realistisch, dass dem Leser sofort klar ist, dass das Land ein weiterer Charakter ist, der eine zentrale Rolle spielt. Leaphorn betrachtet sich als eins mit dieser Natur und allen Lebewesen darin.

Daher besteht sein wichtigster Antrieb darin, die Störfaktoren, die diese Harmonie bedrohen zu eliminieren und allem einen Sinn zu verleihen. Das gelingt ihm im Gegensatz zum FBI Schritt für Schritt, denn er ist ein Insider, während die Agenten für immer draußen bleiben müssen und ihr Verständnis folglich begrenzt ist. Steinchen für Steinchen setzt er ein Mosaik zusammen, das erst im großen, ausgedehnten Showdown vollständig zusammengesetzt wird.

Doch Verständnis alleine reicht nicht, um die zahlreichen Probleme, die Hoski und seine Komplizen geschaffen haben, zu lösen. Auch die Dialoge, die der nach drei schlaflosen Nächten übermüdete Leaphorn führt, schaffen es nicht, die Verbrecher aufzuhalten. Blaue Bohnen fliegen und am Schluss fliegt die ganze Höhle in die Luft – aber erst, nachdem die Guten und Unschuldigen in Sicherheit sind. So gehört sich das.

„Listening Woman“ hat alles, was ein anständiger Krimi braucht, aber es fehlen ein enge emotionale Anteilnahme des Ermittlers und ein witziger Epilog. Aber dies ist erst der dritte Navajo-Krimi, und später wurde der Autor immer besser. Nach eigener Einschätzung wurde „A Thief of Time“ (also Nr. 8) sein bester Kriminalroman. Darin ist die emotionale Beteiligung des Ermittlers Leaphorn stark ausgeprägt.

Fazit: 4,0 von 5 Punkten.

Taschenbuch: 223 Seiten
Originaltitel: Listening Woman, 1978;
Aus dem Englischen von Friedrich A. Hofschuster
ISBN-13: 9783442433629

www.randomhouse.de

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