Ute Lehmann – Reiten ohne Gebiss – Die große Freiheit?

Alternative „gebisslos“

Ute Lehmann vermittelt in ihrem Buch unvoreingenommene Einblicke in das Für und Wider des gebisslosen Reitens. Leicht verständlich erklärt die Autorin die wichtigsten Bereiche der Anatomie des Pferdekopfes und beschreibt ausführlich verschiedene Möglichkeiten der Ausrüstung. Praktische bebilderte Anleitungen und schrittweise aufgebaute Übungen machen Lust, etwas Neues mit dem Pferd auszuprobieren. Unterhaltsame und lehrreiche Fallbeispiele von Schülern und Trainingspferden runden das Leseerlebnis ab. (Verlagsinfo)

Inhalt und Eindrücke

Bereits in ihrem Vorwort geht Ute Lehmann auf ein Phänomen ein, welches nicht nur in der Reiterwelt immer wieder angetroffen wird: Falsche Dichotomie bezeichnet die Täuschung, es gäbe nur zwei Möglichkeiten, obwohl weitere existieren. Dieses ist in meinen Augen ein interessanter Einstieg und Ansatz für das Thema gebissloses Reiten, da insbesondere im Bereich der klassischen Dressur – und Springreiterei leider noch immer wenig Platz für Alternativen aller Art vorhanden ist. Den Inhalt ihres Buches gliedert Lehmann wie folgt:

+Vorwort
+Die große Freiheit
+Aus Tradition
+Das neue Wissen
+Das Für und Wider
+Missverständnisse und Fakten
+Wichtige Aspekte der Anatomie des Pferdekopfes
+Sicheres Anpassen der Ausrüstung
+Gebräuchliche Zäumung
+Wo und wie wirken gebisslose Zäumungen?
+Jetzt geht es los!
+Wie sag ich`s meinem Pferd?
+Übungen am Boden
+Wenn es nicht funktioniert
+Erfahrungs- und Trainingsberichte: Fragen und Antworten
+Resümee
+Hilfreiche Links

Die Autorin, selber schon lange fasziniert von dieser scheinbar zwanglosen Art der Verständigung mit dem Pferd geht auch auf die Geschichte des gebisslosen Reitens in den sogenannten Arbeitsreitweisen ein. Dabei stellt sie die wichtige Tatsache heraus, dass es sich keinesfalls um eine neumodische Erscheinung handelt, da beispielsweise in der spanischen Vaquero – Tradition schon lange auch gebisslose Zäumungen verwendet wurden, um das empfindliche Pferdemaul junger Pferde im Zahnwechsel zu schonen. Vielmehr findet das in heutiger Zeit zunehmend Berücksichtigung in Reiterkreisen und nicht zuletzt beweisen sogar wissenschaftliche Studien ( erwähnt wird an dieser Stelle eine Veröffentlichung von Andrew McLean ), dass eine leichtere Hilfegebung das Pferd zur Mitarbeit anregen und das Stressniveau des Pferdes dadurch mitunter gesenkt werden kann. Im Kapitel „Für und Wider“geht Ute Lehmann unter Anderem auf den berühmten Blick über den Tellerrand ein und erkennt sehr richtig, dass es mitnichten darum geht, Reiterkollegen von der einen oder der anderen Reitweise zu überzeugen. Eine klare Kritik der Autorin richtet sich dabei an die Hersteller von gebräuchlichen (gebisslosen) Zäumungen, die ihre Produkte entsprechend bewerben. Dem geneigten Reiter mit pferdefreundlichen Absichten wird suggeriert, dass er allein mit dem Kauf dieser Produkte seinen Vierbeiner etwas Gutes tut. Stattdessen legt Lehmann zurecht Wert auf eine fundierte Ausbildung von Pferd und Reiter, bei der eine konsequent weiche und freundliche Zügelführung Programm sein sollte – dabei darf es keine Rolle spielen, ob ein Gebiss verwendet wird oder nicht. Lehmann legt Wert auf Kenntnisse der Biomechanik und Anatomie des Pferdes und widmet dem Thema ein ganzes Kapitel. Die gebräuchlichsten Modelle der gebisslosen Zäumung werden nach Wirkweisen gruppiert und kurz erläutert, wobei auf den jeweiligen Ursprung und die Anwendung eingegangen wird. Eine Unterscheidung der Wirkungsweisen wird dabei ausführlich und bebildert erklärt. Die Auswahl des „richtigen“ Zaumes bleibt dabei sehr individuell: die Autorin hebt hier klar hervor, dass nicht nur der Ausbildungsstand, sondern auch der persönliche Geschmack eine Rolle spielen. In jedem Fall sollte sich der Reiter genügend Zeit für eine Umstellung auf das gebisslose Reiten nehmen und gegebenenfalls mit Bodenarbeit beginnen. Die Tipps zur Bodenarbeit sind leicht verständlich und anschaulich. Als ganzheitlichen Aspekt erwähnt Lehmann außerdem die Bedeutung innerer Bilder und geht auf Stimmhilfen und zum Beispiel visuelle Signale ein. Nicht zuletzt die konkreten Fallbeispiele bringen dem Leser eine hilfreiche Annäherung an mögliche Probleme oder Startschwierigkeiten.

Fazit:

Das Buch „Reiten ohne Gebiss – Die große Freiheit?“ ist ein gelungener Ratgeber für den ambitionierten Reiter und Pferdefreund, der sich gerne näher mit diesem Thema befassen möchte. Es schafft nicht nur einen sinnvollen Überblick über verschiedene gebisslose Varianten und deren Ursprünge. Vielmehr stecken auch zwei klare Botschaften in dem Buch: eine ausreichend gute Kenntnis der Anatomie des Pferdes sei ebenso bedeutsam wie die fundierte Ausbildung von Pferd und Reiter. Diese Betrachtungsweise der Autorin ist sympathisch und überzeugend! Das Buch wird außerdem lebhaft ergänzt durch Videos, die sich hinter QR-Codes verbergen, sowie durch zahlreiche bebilderte Praxistipps, die direkt zum Ausprobieren motivieren. Vielen Dank auch für die kleine Sammlung interessanter Links.

Broschiert: 96 Seiten
ISBN-13: 978-3958470057

www.crystal-verlag.com

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