Dimitri Verhulst – Gottverdammte Tage auf einem gottverdammten Planeten

Inhalt:

Alles begann in einer Art Ursuppe. Eines der Suppeningredienzien wollte höher hinaus als alle anderen, kroch an Land und mehrte sich redlich. Den Weg dieses mit dem Willen zur Macht ausgestatteten Wesens vollzieht Dimitri Verhulst nach. In raschen Schritten saust er über die Menschheitsgeschichte hinweg, stößt mit ausgestrecktem Finger direkt in die ekligen Tatsachen und lässt durch seine Auswahl des Erzählten im Lesergehirn immer wieder unwillkürlich die Frage aufblitzen, ob man nicht doch besser namenloses Teilchen der Ursuppe geblieben wäre, anstatt aufrecht gehen zu wollen und schließlich die Atombombe zu zünden.

Es werden keine Namen genannt, und doch erkennt man Details genug wieder, um immer in etwa zu wissen, welchen Teil der Geschichte Verhulst gerade zusammenrafft. Und einen Schritt weiter denkend, befällt den Leser schon mal vorweg das große Schaudern, wenn er sich fragt, was der Autor aus dem zunächst zu erwartenden Abschnitt machen wird. Die Antwort enttäuscht nie. Verhulst betrachtet alles – Menschliches wie Unmenschliches, Geist wie Körper, Fortschritt wie Rückschritt, Religionen wie Wissenschaft – vom leidenschaftslosesten Standpunkt aus und enthüllt Wort für Wort die Banalität, die Albernheit und die Grausamkeit des menschlichen Seins.

_Kritik:_

„Gottverdammte Tage auf einem gottverdammten Planeten“ zu kritisieren ist nicht eben einfach. Dimitri Verhulst scheint ein unglaublich wütender junger Mann zu sein, so wütend wie Jesus, als er die Händler aus dem Tempel vertrieb, so wütend wie Nietzsche sein ganzes Leben lang, ehe die Syphilis ihn zu geistigem Gemüse degradierte. Und all diese Wut mischt sich mit umfassenden Geschichtskenntnissen, die ihrerseits durch besonderen Detailreichtum auffallen, einem beachtlichen Wortschatz und einem sicheren Gefühl für Stil. Thema und Herangehensweise verlangen allerdings einen ziemlich deutlichen Fokus auf Fäkalien und Kopulation.

In geradezu theoretisch-kommunistischer Gleichstellerei bekommt jedes Thema, jeder Meilenstein in der Menschheitsgeschichte, jeder Mensch, der beschreibend angerissen wird, sein Fett weg. Nichts hat Bestand oder Sinn in den Augen des Flamen. Teilweise ist das sehr amüsant, teilweise ist das auch sehr erschreckend, wenn man sich denkt: Himmel, er hat ja Recht – wie fürchterlich! Aber hat eben nicht nur Recht. Seine sarkastische Herangehensweise erfordert natürlich brachiale Vereinfachungen, und so erscheint die ganze dargestellte Geschichte schon etwas zweidimensional.

Ungreifbares (ob Tatsachen oder nicht), geistige Tiefe, verschiedene Blickwinkel haben keinen Platz in diesem mit kruden schwarzen Strichen skizzierten Menschenporträt. Das dürfte allerdings auch genau so in der Absicht des Autors gelegen haben. Tatsächlich fragt man sich schon irgendwann, ob all dies Eklige nicht doch letztlich mit einem zwinkernden Auge niedergeschrieben wurde: Schließlich und endlich entstammt diesem grottendummen, siechen, verschlagenen, grausamen, geilen, stinkenden Menschengeschlecht ja auch – Dimitri Verhulst selber.

_Fazit:_

„Eine Beschwerde“, lautet der Untertitel von Verhultsts literarischem Wüten. Daran ist nichts zu rütteln, und das macht die Ausschließlichkeit des Negativen in den Darstellungen verständlich: Wer sich beschweren will, hält sich nicht damit auf, auch die guten Seiten aufzuzählen.

„Gottverdammte Tage auf einem gottverdammten Planeten“ ist durchaus empfehlenswert. Es amüsiert, es stellt Zusammenhänge her, es widert an, es klagt an, es macht nachdenklich – alles auf einmal. Aber es hinterlässt einen ähnlichen bitteren Geschmack auf der mentalen Zunge wie Sartres „Der Ekel“, und wer sowieso schon mit Abscheu auf die Menschheit blickt, ist eventuell mit der Lektüre nicht gut beraten, so seine Ablehnung nicht in Massenmord ausarten soll.

Allgemein aber gilt: Was mir da von den hundertsechzig Seiten empört entgegenexplodierte, war gut gemacht und ausgesprochen originell dargestellt. Und wenn man mit der Lektüre fertig ist, hat man als Extrabonbon noch das Rätsel, wo genau der Autor sich selbst platziert in dieser seiner ureigensten Geschichte der Menschheit.

Taschenbuch: 160 Seiten
Originaltitel: Godverdomse dagen op een godverdomse bol
Aus dem Niederländischen von Rainer Kersten
ISBN-13: 978-3630621760
www.randomhouse.de/luchterhand