Dr. Cherijo Grey Veil, Tochter des angesehenen und berühmten Joseph Grey Veil, möchte nur noch fliehen. Weg von Terra, und vor allem weg von ihrem tyrannischen Vater, dessen Einfluss sie nicht mehr länger ertragen kann. Während eines Bar-Besuchs lernt sie den Piloten Dhreen kennen, der mit seinem Schiff alsbald nach Kevarzangia Zwei reist und anbietet, die junge Ärztin mitzunehmen. Cherijo willigt ein und startet gemeinsam mit ihrer Hauskatze Jenner auf dem Kolonieplaneten ein völlig neues Leben.
Allerdings ist der Ruf von Terranern auf der neuen Welt nicht wirklich gut; von Beginn an hat sie mit Schwierigkeiten zu kämpfen, vor allem an ihrem neuen Arbeitsplatz, der Öffentlichen Klink von K 2, in der gerade mal sechs Ärzte für das gesundheitliche Wohl des gesamten Planeten sorgen. Doch mit der Zeit erarbeitet sich Miss Grey Veil im riesigen Hospital ihre Reputation, bringt aber auch einige Kollegen gegen sich auf. Nach mehreren erfolgreichen operativen Eingriffen wird sie plötzlich vor dem Rat der Liga beschuldigt, ihre Stellung als Ärztin missbraucht und andere Lebewesen gefährdet zu haben. Doch ausgerechnet ihr Chef, der der Terranerin ansonsten sehr kaltherzig gegenübertritt, rettet sie aus dem Schlamassel und stellt den Kläger, Dr. Rogan, ziemlich bloß.
Für Cherijo kehrt aber keine Ruhe ein; sie ist die Erste, die auf eine seltsame Krankheit aufmerksam wird, die sich sehr schnell ausbreitet, aber wegen mangelnder Kenntnis der Ursachen nicht bekämpft werden kann. Schneller, als ihr lieb ist, breitet sich das unbekannte Virus aus, so dass selbst die Ärztekammer von K 2 und Cherijos Geliebter, Kao Torin vom Volk der Jorenianen, der Epidemie zum Opfer fallen. Und als wäre dies nicht schon schlimm genug, belasten Grey Veil auch noch die grausamen Nachrichten, die ihr Vater ihr sendet, und die aufdringliche Nähe des Obersten Linguisten von Kevarzangia Zwei, Duncan Reever, der Cherijo nicht nur auf Schritt und Tritt verfolgt, sondern auch mittels seiner mentalen Kräfte Besitz von ihren Gedanken ergreift. Inmitten des riesigen Chaos, das von allen Seiten auf sie hereinprasselt, fragt sich Cherijo Grey Veil, ob ihr Entschluss, Terra schlagartig zu verlassen, wirklich so günstig war.
Meine Meinung
Ganz ehrlich: Zu Beginn fiel es mir unheimlich schwer, die an anderer Stelle so vehement angepriesene Genialität hinter „Stardoc“ zu erkennen. Ein großes Problem bestand gerade während der ersten 150 Seiten in der fehlenden Transparenz bezüglich Motivation und Sinnhaftigkeit des Geschehenen. Die Autorin berichtet über die gereizte junge Ärztin Cherijo und ihr Bestreben, ihre Heimatwelt zu verlassen. Warum, das soll später aufgeklärt werden, und das ist auch völlig in Ordnung so. Dann jedoch schleppt sich das Ganze fortwährend sehr behäbig vorwärts, und nach unzähligen Behandlungen, die Miss Grey Veil auf K 2 an fremden Spezies durchgeführt hat, stellt man sich, dessen überdrüssig, die Frage, wann denn jetzt endlich mal etwas passiert, das ansatzweise spannend ist.
Die Antwort folgt auf dem Schlage, und mit einem Mal werden die Zusammenhänge zwischen Cherios ersten Gehversuchen auf dem neuen Planeten und den verheerenden Folgeereignissen logisch. Mit Beginn der skeptischen Haltung gegenüber der Ärztin und den sich mehrenden Übergriffen explodiert die Geschichte auf der inhaltlichen Ebene, und sobald man sich, von der Spannung gefesselt, endlich auch auf emotionalem Level in die Protagonistin versetzen kann, nimmt man auch den Humor der Autorin, die das Buch aus Cherijos Perspektive erzählt, dankend an. Mit anderen Worten: Nach dem etwas steif wirkenden Vorabgeplänkel nimmt der Plot zur Hälfte des Buches ordentlich Fahrt auf und gerät von dort an zu einem unberechenbaren, sich in seinem Charakter ständig verändernden Science-Fiction-Spektakel.
Doch Halt! Science-Fiction alleine greift hier nicht, denn dafür sind die medizinischen Aspekte sowie die Betonung jedes dies betreffenden Eingriffs einfach zu sehr richtungsweisend. Mir gefällt darauf gemünzt die Umschreibung „Emergency Room trifft auf Star Trek“ sehr gut, mit dem Unterschied, dass die Handlung eindeutig und ausschließlich nur auf das Vorgehen der Hauptdarstellerin konzentriert ist.
In der Person von Cherijo Grey Veil hat S.L. Veil dann auch ihr Meisterstück kreiert, denn diese Figur steht für sämtliche Emotionen, die einen in der dauerhaften Panik überkommen. Angstzustände, die Flucht in den Minimalismus, das Aufbäumen gegen übermächtige Emotionen, darauf folgend die Aufgabe seiner selbst, aber stets den Mut, sich gegen alles und jeden durchzusetzen, und wenn das Opfer hierzu auch der Tod sein muss. Was die Ärztin auf ihrer Reise erlebt, und wie die Autorin dieses Abenteuer beschreibt, geht einem spätestens bei der Bekämpfung der Epidemie, wenn nicht schon zuvor bei der schrecklichen Wahrheit bezüglich ihrer tatsächlichen Existenz, zutiefst unter die Haut. Dies sind die Momente, in denen man sich mit der Person Cherijo Grey Veil verbunden fühlt, wo die übergreifenden Sympathien entstehen und eine indirekte Liebe zu ihrem oftmals auch noch selbstironischen Charakter entsteht, von dem das gesamte Handeln in der Öffentlichen Klinik und später auch auf dem Planeten Kevarzangia Zwei geprägt ist.
Wie ergreifend dies alles geschildert wurde, möchte ich einmal kurz im Lesetempo dieses Romans zusammenfassen. Zwei Wochen hat mich die schwierige Hürde der ersten 150 Seiten gekostet, etwa einen Nachmittag das atemberaubende Weltraumabenteuer, das sich nach Anbruch der komischen Seuche offenbart. Ursachen hierfür gibt es neben der stetig steigenden Spannung viele, wobei die Fragen nach dem Was und Warum wohl die wichtigsten sind. Das Was bezieht sich vorwiegend auf die Personen, deren Verhalten so wechselhaft auffällig ist, beispielsweise Duncan Reever, William Mayer und all die Opportunisten, die Cherijo in ihrem eingeschränkten Weltbild nicht akzeptieren wollen. Das Warum spricht die gesamte Geschichte an, vor allem aber die Vergangenheit. Warum ist das alles so? Warum ist Cherijo so souverän, warum ihr Vater so kalt, und warum kann Cherijo sich ihm niemals entziehen?
Diese Fragen klären sich bald, aber natürlich nicht endgültig, denn schließlich gibt es eine Fortsetzung, und wenn man einmal so weit ist, weiß man, dass „Die Seuche“ erst der Anfang einer neuen, viel versprechenden, bis hierhin schon (trotz allem) erstklassigen Weltraumsaga ist, die in der aufstrebenden Ärztin eine der wichtigsten Figuren der modernen Science-Fiction/Space-Opera vorstellt. In den Staaten ist „Stardoc“ schon ein Verkaufsschlager, und ich wüsste nicht, was dem hierzulande im Weg stehen sollte. Frisch, unkonventionell und frech – mit diesen Eigenschaften hat mich „Stardoc“ letztendlich voll und ganz überzeugt.
Taschenbuch: 415 Seiten
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