von Michalewsky, Nikolai (als Mark Brandis) – Mark Brandis: Bordbuch Delta VII (Weltraumpartisanen – Band 1)

Mit dem Namen Nikolai von Michalewsky (1931 – 2000) kann kaum ein Uneingeweihter etwas anfangen; bei dessen Pseudonym „Mark Brandis“ klingelts bei einigen dann doch. Zumindest wenn sie dereinst Science-Fiction-Infizierte waren. Zwischen 1970 und 1987 verfasste er 31 Bände Weltraumabenteuer mit der gleichnamigen Titelfigur. „Mark Brandis“ gilt damit neben dem Mammutprojekt „Perry Rhodan“ als eine der erfolgreichsten deutschen SciFi-Serien. Leider waren die |Herder|-Bücher lange Zeit nur noch im Antiquariat aufzutreiben und von einem halbherzigen Versuch bei |Bertelsmann| im Jahr 2000 einmal abgesehen, geriet die Serie in Vergessenheit. Bis der |Wurdack|-Verlag 2008 begann, den Schleier ernsthaft zu lichten und diese Klassiker Stück für Stück wieder zu veröffentlichen: Derzeit erscheinen zwei Bände pro Quartal in neuem Glanz.

_Zur Story_

Anno 2069: Längst ist der Nahbereich des Weltalls besiedelt und wird dementsprechend bereist. Kleine Kolonien befinden sich etwa auf der Venus und dem Mars. Politisch ist der Mutterplanet Erde in zwei Machtblöcke gespalten. Auf der einen Seite die EAAU, die Union der Kontinente Europa, Afrika und Amerika, auf der anderen die VOR – Die Vereinigten Orientalischen Republiken. Man stand vor Kurzem noch am Rande eines globalen Krieges, welcher vom machtgierigen EAAU-General Bordon B. Smith beinahe vom Zaun gebrochen wurde. Das konnte soeben verhindert werden und man steckt ihn in die Verbannung, statt ihn der Gerichtsbarkeit der VOR auszuliefern. Ein folgenschwerer Fehler. Der General hat noch genügend Unterstützer, putscht sich an die Macht und errichtet seine totalitäre, faschistoide Herrschaft.

Von den düsteren Wolken am politischen Himmel bekommt die vierköpfige Besatzung des Prototyps „Delta VII“ während ihres zweimonatigen Testfluges nichts mit. Sie arbeiten für die Venus-Erde Gesellschaft für Astronautik (VEGA), einem großen Forschungs- und Rüstungskonzern der EAAU. Commander John Harris, Pilot Mark Brandis, Bordingenieur Antoine Ibaka sowie Navigator Iwan Stroganow werden unfreiwillig in den Strudel militärischer Gewalt gesogen. Sie sehen sich alsbald in der Hand der neuen Regierung und mit deren Auffassung von Rechtstaatlichkeit konfrontiert. Das Regime ist scharf auf die Geheimnisse des derzeit schnellsten und höchstentwickelten Raumschiffes und die Geheimpolizei schreckt dabei auch vor Folter nicht zurück. Durch ein Husarenstück gelingt die Flucht mit „Delta VII“ zur Venus, der letzten freiheitlichen Bastion im Sonnensystem.

_Eindrücke_

Mark Brandis erzählt die Geschichte zumeist in der Ich-Form, was eine größere Nähe zur Figur schafft als die Schilderung in der dritten Person. Gelegentlich werden Kapitel aber auch von anderen Handelnden erzählt. Aufgezogen ist das Ganze als ein Tatsachenbericht, bei welchem der damalige Mittdreißer seine turbulente Laufbahn als Raumpilot rekapituliert. Diese Retrospektive hat allerdings auch manchmal ihre Tücken, recht häufig nehmen Formulierungen wie „Es sollte das letzte Mal sein, dass…“ oder dergleichen ein wenig die Fahrt aus dem Plot, verraten sie doch mehr als einmal andeutungsweise zukünftige Ereignisse, die zum Spannungserhalt vielleicht besser noch im Dunkeln verblieben wären. Das ist allerdings Geschmacksache – so mancher mag solcherlei Teaser-Einschübe als eventuelle Motivationshilfe zum Weiterlesen mögen.

Nötig wäre es indes nicht. Die Story an sich besteht zwar aus klassischen Elementen und teils Klischees, wo ein zunächst halbwegs Unbeteiligter zum (Anti-)Helden aufsteigt. Das war schon in den Siebzigern nicht besonders neu und durchaus gängige Ausgangsbasis. Die Geschichte ist aber trotz ihrer nunmehr 40 Jahre auf dem Rücken interessant, zeitlos und streckenweise sogar immer noch topaktuell. Manches davon ist bereits eingetroffen, einige (besonders technische) Entwicklungen haben sie aber dafür auch längst überholt. „Tonbandaufzeichnungen“, weitgehend unvernetzte Computer, archaisch-hölzern anmutende Funkdialoge und dergleichen sorgen, zumindest bei heutigen Lesern, vermutlich für Schmunzeln, das offen zur Schau getragene Rauchen und der Alkoholgenuss dagegen wohl eher für Empörung.

Natürlich spiegelt die Geschichte den Zeitpunkt ihrer Entstehung wider. Deutlich merkt man Michalewsky an, dass er noch zur Weltkriegsgeneration gehört und sich der kalte Krieg in der heißen Phase befand. Das Thema Unterdrückung durch eine faschistische Militärdiktatur und Big-Brother-artige Überwachung der Bevölkerung ist allgegenwärtig. Was die Machtblöcke angeht bewies er ein gutes Näschen, denn in der Realität haben sich die asiatischen Staaten in der Tat zum stärksten Gegenpol der demokratisch-westlichen Welt gemausert. Eine Entwicklung, die man damals so sicherlich noch nicht absehen konnte. Allerdings pflegte man schon Jahre früher – im Rhodan-Universum – auch schon ein ganz ähnliches (Feind-)Bild.

Apropos: Brandis ist übrigens keine Konkurrenz zu Rhodan und absolut eigenständig. Das ganze Umfeld ist im Übrigen generell nicht so übertechnisiert – dementsprechend angenehm ist das fast vollständige Fehlen von unverständlichem Techno-Gefasel. Die Raumschiffe werden noch mit Flüssigtreibstoff (Ausnahme die |Delta VII| mit ihrem neuartigen Atomantrieb) befeuert, sind allesamt Vertikalstarter bzw. -lander. Ihre Bewaffnung besteht maximal aus Laser-Batterien sowie konventionellen Raketenwerfern. Energetische Schutzschilde und anderer hochgezüchteter Schnickschnack? Fehlanzeige. Sie schaffen nicht einmal annähernd Lichtgeschwindigkeit und bewegen sich ausnahmslos im heimatlichen Sol-System. Gleichwohl wird fälschlicherweise dafür wiederholt der Begriff „Galaxis“ verwendet.

Auffällig sind zudem einige offensichtliche Lieblingsphrasen des Autors, welche einem immer wieder begegnen: „samtene Schwärze“ (das Weltall), „5300 Tonnen“ (das Gewicht der Delta VII), „nach Schwachstellen tastende Lichtfinger“ (Laserbeschuss) oder auch „10500 Tonnen Schubkraft“ (das Beschleunigungsvermögen der Delta VII). Abgesehen davon, dass dort zwischenzeitlich durchaus abwechslungsreichere Begriffe und Formulierungen hätten gefunden werden können, und einem stets mitschwingenden, leicht moralisierenden Unterton, ist die Schreibe flott, flüssig und – wie man an diesen Beispielen sieht – sehr bildhaft. Nebenbei bemerkt handelt es sich bei der Neuauflage inhaltlich um die Originaltexte – somit folgt sie konsequenterweise auch noch der alten Rechtschreibung, was für manchen jüngeren Leser vielleicht zunächst ein wenig gewöhnungsbedürftig sein dürfte. Dem Lesespaß tut dies indes keinen Abbruch.

_Fazit_

Auch nach vier Jahrzehnten hat diese Perle deutscher SciFi-Literatur kaum etwas von ihrer Faszination verloren. Natürlich wirken manche Dinge heute grundlegend überholt, auch der Lesegeschmack und Anspruch der Leserschaft haben sich sicherlich gewandelt. Dass die Serie auch heute dennoch gut funktioniert, liegt zu einem Gutteil daran, dass die Story zwar vor einem futuristischen Hintergrund spielt, hauptsächlich aber von den Menschen handelt, die versuchen zu überleben und gegen einen Unrechtsstaat aufstehen. Die technologische Komponente ist zwar wichtig, aber nicht überbewertet. Da sieht man über kleine Macken gern hinweg. „Bordbuch Delta VII“ ist der Auftakt zu einem wahren Serien-Klassiker – Schön, dass er endlich wieder erhältlich ist.

|ISBN: 978-3-938065-39-6
190 Seiten, Broschur|

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